Der Apostolische Stuhl 1995 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J.P. Bachem CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische StuhlAnsprachen, Predigten u. Botschaften des Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Rd. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982-1995; 1998 — NE: Ecclesia Catholica / Papa; HST ISBN 3-7616-1450-0 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachen L’Osservatore Romano Verlag: J. B. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Dmck: Druckerei J. B. Bachem GmbH & Co KG Köln Vorwort Der Dokumentationsband „Der Apostolische Stuhl 1995“ ist der 15. Band in der 1982 begonnenen Reihe. Die Zusammenstellung der Ansprachen, Predigten, Botschaften und Enzykliken des Papstes erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ausgabe. Es geht vielmehr darum, die Dokumente mit Hilfe eines ausführlichen Registers zugänglich zu machen. Die Übersetzungen und Zitate sind weitgehend der deutschen Ausgabe des „L'Osservatore Romano“ entnommen. Sofern Texte dort nicht erschienen sind, wurden sie eigens für diesen Band übersetzt. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ können die Bände der Jahre 1982 bis 1994 [1998] noch beim Verlag bezogen werden. Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus Januar Bedeutender Beitrag der Frauen zum Frieden Angelus am Sonntag, 1. Januar 3 Gebet ist notwendiger Bestandteil des Ordenslebens Generalaudienz am 4. Januar 4 Länder der Erde, wendet euch Gott zu! Angelus am 6. Januar 8 Christliche Sendung ist auch Verpflichtung Angelus am 8. Januar 10 Gottgeweihtes Leben im Dienst der Kirche Generalaudienz am 11. Januar 11 Gemeinschaft mit Gott und unter den Christen Angelus am 22. Januar 14 Ökumene - Gemeinsam wachsen in der Erkenntnis der Wahrheit Generalaudienz am 25. Januar 16 Niemals wieder Antisemitismus! - Niemals wieder Völkermorde! Angelus am 29. Januar 19 Februar Zeichen für die Jugendlichkeit der Kirche Generalaudienz am 1. Februar 21 Die Friedensmission der hl. Birgitta von Schweden Angelus am 5. Februar 26 Ordensleben ist Zeichen und Zeugnis des Reiches Christi Generalaudienz am 8. Februar 28 vn Friedensbotin in Kirche und Gesellschaft - Katharina von Siena Angelus am 12. Februar 32 Ordenspriestertum - unverzichtbarer kirchlicher Dienst Generalaudienz am 15. Februar 33 Patronin der Auswanderer - hl. Francesca Saveria Cabrini Angelus am 19. Februar 37 Gottgeweihtes Leben der Laienbrüder Generalaudienz am 22. Februar 38 Märtyrerin für die Versöhnung - die sei. Edith Stein Angelus am 26. Februar 42 März Fastenzeit - Beginn der Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2000 Generalaudienz am 1. März 44 Weltgipfel in Kopenhagen: Familie entscheidend für soziale Entwicklung Angelus am 5. März 46 Weltgipfelkonferenz für Soziale Entwicklung - Hoffnungsträger für die Armen Angelus am 12. März 48 Gottgeweihtes Leben der Frauen Generalaudienz am 15. März 49 Wirken des Heiligen Geistes im Ordensleben Generalaudienz am 22. März 53 Neue Enzyklika Evangelium vitae: Schutz des menschlichen Lebens in all seinen Phasen Angelus am 26. März 56 Maria im Leben der Ordensleute Generalaudienz am 29. März 58 April Das Leben lieben, schützen und verteidigen! Angelus am 2. April 62 VHI Die universale Sendung der Kirche Generalaudienz am 5. April 63 Gebt Zeugnis vom Evangelium des Lebens ! Angelus am 9. April 67 Betrachtung zur Heiligen Woche Generalaudienz am 12. April 68 Seid Boten und Vermittler der Freude und der Liebe Christi! Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostersonntag, 17. April 71 Die missionarische Kirche Generalaudienz am 19. April 72 Ostern fordert zur Vergebung auf! Regina Caeli am 23. April 75 Geschichte und Zukunft der Evangelisierung Generalaudienz am 26. April 76 Mai Die Missionstätigkeit der Kirche in Vergangenheit und Gegenwart Generalaudienz am 3. Mai 80 Dem Frieden gilt meine Sorge Regina Caeli am 7. Mai 83 Ziel und Notwendigkeit des missionarischen Wirkens Generalaudienz am 10. Mai 85 Priester im Gebet unterstützen Regina Caeli am 14. Mai 88 Moderne Mittel der Evangelisierung einsetzen Generalaudienz am 17. Mai 90 Kritische Bewertung der Religionskriege Generalaudienz am 24. Mai 94 Der Film soll Kultur und wahre Werte vermitteln Regina Caeli am 28. Mai 97 Christus ist der Weg zum Heil Generalaudienz am 31. Mai 99 IX Juni Belgienbesuch: Vorbereitung auf die Jahrtausendwende Generalaudienz am 7. Juni 102 Ohne Erinnerung gibt es keine friedvolle Zukunft Angelus zum Gedenken an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges am 11. Juni 105 Zur Sendung der Ortskirchen in der Weltkirche Generalaudienz am 14. Juni 106 Gewalt und Ungerechtigkeit der Frau gegenüber sind untragbar! Angelus am 18. Juni 109 Missionarischer Auftrag der Kirche in den Beziehungen zur Welt Generalaudienz am 21. Juni 111 Selbständigkeit und Würde der Frau - eine immer aktuelle biblische Botschaft Angelus am 25. Juni 114 Einheit in Verschiedenheit - die ökumenische Frage Generalaudienz am 28. Juni 116 Christus ist das Heil der Welt! Angelus am 29. Juni 119 Juli Neue Lebenskraft in der früher verfolgten Kirche der Slowakei Generalaudienz am 5. Juli 120 Dankbarkeit und Wertschätzung der Kirche für die Frauen Angelus am 9. Juli 123 Ökumene ist Auftrag der Kirche Generalaudianz am 12. Juli 125 Maria Vorbild für jede Frau und Mutter Angelus in Castel Gandolfo am 23. Juli 128 Wege ökumenischer Bewegung Generalaudienz am 26. Juli 130 Die Bedeutung der Frau als Erzieherin Angelus in Castel Gandolfo am 30. Juli 133 X August Wort und Antwort im ökumenischen Dialog Generalaudienz am 2. August 134 Eine Weltkultur braucht den Genius der Frau Angelus in Castel Gandolfo am 6. August 138 Der Ökumenismus in den Beziehungen zu den Orientalischen Kirchen Generalaudienz am 9. August 140 Frauen als Engel des Trostes Angelus in Castel Gandolfo am 13. Aucust 143 Zeichen von Hoffnung und Trost Angelus in Castel Gandolfo am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 144 Die Frau im Bereich von Wirtschaft und Arbeit Angelus in Castel Gandolfo am 20. August 146 Grundlagen des ökumenischen Dialoges Generalaudienz am 23. August 148 Engagierter Beitrag der Frauen zu werteorientierter Politik Angelus in Castel Gandolfo am 27. August 150 Die Einheit überwindet die Trennungen Generalaudienz am 30. August 152 September Frauenförderung in Kirche und Welt Angelus in Castel Gandolfo am 3. September 156 Marias Bedeutung für den Anfang der Kirche Generalaudienz am 6. September 157 Marias Wirken als Mutter in den ersten Jahrhunderten Generalaudienz am 13. September 160 Afrika will kein Mitleid, sondern Solidarität! Angelus in Castel Gandolfo am 24. September 163 Kirche in Afrika im 3. Jahrtausend Generalaudienz am 27. September 164 XJ Oktober Rosenkranzgebet fördert Frieden und Gemeinschaft Angelus am 1. Oktober 167 Eine Charta der Nationen - Grundlage für ein friedliches Zusammenleben der Völker Generalaudienz am 11. Oktober 168 30 Jahre nach dem II. Vatikanum: Rückbesinnung auf Aufgaben, Ergebnisse und Ziele Angelus am 15. Oktober 172 Freiheit - Tugend - Einsatz für das Leben: Tragende Säulen der amerikanischen Nation Generalaudienz am 18. Oktober 173 Lehre des Konzils: eine Kirche des Lebens und der Offenheit Angelus am 22. Oktober 177 Maria - Mutter des Erlösers und der Menschheit Generalaudienz am 24. Oktober 179 Bereitschaft der Kirche zum Dialog mit der Welt Angelus am 29. Oktober 181 November Allerheiligen - Fest einer Synthese von Freude und Trauer Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November 183 Wort Gottes als Lebensgrundlage annehmen Angelus am 5. November 184 Maria im Licht der Heiligen Schrift und der Theologie Generalaudienz am 8. November 186 Liturgische Erneuerung durch das Konzil ebnet Wege der Umkehr und Weiterbildung Angelus am 12. November 189 Maria in der geistlichen Lebenserfahrung der Kirche Generalaudienz am 15. November 191 XII Die Bischöfe und ihre Verantwortung für die Gemeinschaft nach dem Verständnis des Konzils Angelus am 19. November 194 Marias Einfluß auf das Leben der Kirche Generalaudienz am 22. November 196 Priesterlicher Dienst ist Geheimnis einer besonderen Berufung Angelus am 26. November 199 Erneuertes Selbstverständnis der Frau aus marianischer Sicht Generalaudienz am 29. November 201 Dezember Priesterberufe wachsen durch inständiges Gebet der Gläubigen Angelus am 1. Adventssonntag, 3. Dezember 204 Maria und die Rolle der Frau Generalaudienz am 6. Dezember 205 In Treue die Botschaft des Konzils vertiefen und leben Angelus am 8. Dezember 207 Besondere Gaben und Charismen der Laien für das Wirken im Reich Gottes Angelus am 2. Adventssonntag, 10. Dezember 209 Maria nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils Generalaudienz am 13. Dezember 210 Zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens nach dem Konzil Angelus am 3. Adventssonntag, 17. Dezember 213 Weihnachten verändert die Geschichte und das Leben der Menschen Generalaudienz am 20. Dezember 215 Frieden für jeden Menschen und alle Völker der Erde Angelus am 4. Adventssonntag, 24. Dezember 218 Stephanus - Vorbild für Nachfolge und Hingabe Angelus am 26. Dezember 219 Familie - wichtigster Raum zur Lebenserfahrung Angelus am 31. Dezember 220 XIII II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Pastoraireise nach Asien und Australien (11 bis 21. Januar) Große Tage liegen vor uns Video-Botschaft an die Philippiner vor der Reise nach Manila vom 11. Januar 225 Donnerstag, 12. Januar Ansprache bei der Ankunft in Manila (Philippinen) 226 Freitag, 13. Januar Botschaft an die Teilnehmer am Kreuzweg der Jugend in Manila (Philippinen) 228 Predigt beim Forum der Delegierten in Manila (Philippinen) 230 Ansprache an die Studenten und die akademische Welt auf dem Sportgelände der katholischen Universität „Santo Tornas“ in Manila (Philippinen) 233 Samstag, 14. Januar Ansprache bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz der Philippinen in Manila (Philippinen) 235 Botschaft an die chinesischen Katholiken, übertragen von „Radio Veritas“ 240 Ansprache beim Weltjugendtag im Luneta-Park in Manila (Philippinen) 241 Botschaft zum Jubiläum von „Radio Veritas“ (Philippinen) 249 Predigt bei der 400-Jahr-Feier des Erzbistums Manila in Manila (Philippinen)..251 Sonntag, 15. Januar Angelus 256 Homilie am Weltjugendtag im Luneta-Park in Manila (Philippinen) 256 Ansprache beim Weltjugendtag in Manila (Philippinen) 262 Ansprache bei der Begegnung mit den Mitgliedern der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen in Manila (Philippinen) 266 Montag, 16. Januar Ansprache nach der Ankunft auf dem, Jackson International Airport“ von Port Moresby, der Hauptstadt von Papua-Neuguinea 273 Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Laien in Port Moresby (Papua-Neuguinea) „275 Grußworte an die Gläubigen in der Kirche „Mary Help of Christians“ in Port Moresby (Papua-Neuguinea) 277 Ansprache beim Abschied von den Philippinen auf dem Flughafen „Naia“ von Manila 278 XIV 280 Dienstag, 17. Januar Predigt bei der Seligsprechung von Peter To Rot im „Sir John Guise“- Stadion in Port Moresby (Papua-Neuguinea) Ansprache bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz in Port Moresby (Papua-Neuguinea) 284 Mittwoch, 18. Januar Homilie beim Wortgottesdienst für die Kranken in der den Missionaren vom Heiligen Herzen anvertrauten Kirche „St. Joseph“ in Boroko (Papua- Neuguinea) 288 Ansprache beim Abschied von Papua-Neuguinea auf dem internationalen Flughafen von Port Moresby 290 Ansprache nach der Ankunft auf dem „Kingsford-Smith“-Flughafen von Sydney, der Hauptstadt des australischen Bundeslandes Neusüdwales 291 Ansprache bei der Begegnung mit der Bevölkerung in Sydney (Australien) 293 Donnerstag, 19. Januar Predigt bei der Seligsprechung von Mutter Mary MacKillop in Sydney (Australien) 296 Homilie bei der Feier der Laudes mit 2500 der von der sei. Mary MacKillop gegründeten Kongregation der St.-Josefs-Schwestem vom Heiligen Herzen Jesu in der St. Mary’s Cathedral in Sydney 300 Freitag, 20. Januar Ansprache beim Abschied von Australien auf dem „Kingsford-Smith“- Flughafen von Sydney 304 Ansprache bei der Begrüßungszeremonie am Amtssitz der Staatspräsidentin von Sri Lanka in der Hauptstadt Colombo 306 Ansprache bei der Vesper mit Klerus, Ordensleuten und Laien in Colombo (Sri Lanka) 308 Samstag, 21. Januar Ansprache bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz in Colombo (Sri Lanka) 311 Ansprache an die Verantwortlichen der Religionen in Colombo (Sri Lanka) 315 Homilie bei der Seligsprechung von Joseph Vaz in Colombo (Sri Lanka) 317 Abschiedsworte in Colombo vor der Abreise aus Sri Lanka 322 XV 2. Pastoralbesuch in Molise (19. März) Sonntag ,19. März Angelus in der Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Muttergottes in Castelpetroso 325 Ansprache an die Handwerker in Agnone 326 Predigt bei der hl. Messe vor der Wallfahrtskirche von Castelpetroso 330 3. Pastoralbesuch in Trient (29./30. April) Samstag, 29. April Ansprache bei der Begegnung mit der Einwohnerschaft auf dem Domplatz 335 Sonntag, 30. April Predigt bei der Eucharistiefeier zur Seligsprechung von Bischof Johann Nepomuk von Tschiderer in Trient 338 Regina Caeli in Trient 342 Ansprache während der Gedenkfeier zum 450. Jahrestag des Beginns des Konzils von Trient 343 Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen auf der Piazza della Fiera 349 4. Pastoraireise in die Tschechische Republik und nach Polen (20. bis 22. Mai) Samstag, 20. Mai Ansprache bei der Ankunft in Prag (Tschechische Republik) 353 Ansprache beim Gebetstreffen mit der böhmischen Bevölkerung im Sportstadion von Strahov (Tschechische Republik) 356 Sonntag, 21. Mai Predigt bei der Heiligsprechung von Johann Sarkander und Zdislava von Lemberk in Olmütz (Tschechische Republik) 359 Regina Caeli in Olmütz (Tschechische Republik) 364 Worte an die anwesenden Kardinale und Bischöfe beim Mittagessen am Sitz des Erzbischofs von Olmütz (Tschechische Republik) 365 Ansprache an die in Svaty Kopecek (Tschechische Republik) versammelten Jugendlichen 366 XVI Montag, 22. Mai Ansprache beim Abschied in Ostrau (Tschechische Republik) 370 Ansprache an die Verantwortlichen der evangelisch-lutherischen Gemeinschaft in Skotschau/Skoczow (Polen) 372 Predigt in Skotschau/Skoczow (Polen) 374 Ansprache am Schluß der Eucharistiefeier in Skotschau/Skoczow (Polen) 380 5. Pastoraireise nach Belgien (374. Juni) Samstag, 3. Juni Grußworte bei der Ankunftszeremonie am Flughafen Melsbroek 385 Ansprache am Schluß der Rosenkranzandacht in der Franziskanerkirche in Brüssel 387 Sonntag, 4. Juni Predigt bei der Seligsprechung von Pater Damian de Veuster in Brüssel 389 Regina Caeli in Brüssel 395 Ansprache bei der Begegnung mit der Belgischen Bischofskonferenz in Brüssel 397 Ansprache bei der Begegnung mit Ordensleuten in der Kathedrale von Brüssel 400 Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen Melsbroek 405 6. Pastoralbesuch in der Slowakischen Republik (30. Juni bis 3. Juli) Freitag, 30. Juni Ansprache bei der Ankunft in Preßburg 409 Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus und den Ordensleuten in der Konkathedrale von Preßburg 412 Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen in Neutra/Nitra 415 Samstag, 1. Juli Ansprache bei der Begegnung mit den Mitgliedern der Slowakischen Bischofskonferenz in S astin 420 Predigt in der Basilika beim Besuch des Marienwallfahrtsortes Sastin 425 Ansprache beim Rosenkranzgebet in Bratislava/Preßburg 428 Sonntag, 2. Juli Predigt bei der Heiligsprechung der Märtyrer von Kosice/Kaschau 429 xvn Angelus in Kosice/Kaschau 434 Ansprache an die Katholiken des byzantinischen Ritus in Presov/Preschau 436 Montag, 3. Juli Predigt auf dem „Marienhügel“ in Levoca/Leutschau 440 Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Poprad 444 7. Pastoralbesuch in Aosta (16. Juli) Predigt in Les Combes im Aostatal 447 Angelus in Les Combes 448 8. Pastoralbesuch in Loreto (9./10. September) Samstag, 9. September Einleitende Worte zu Beginn des Europäischen Jugendtreffens in Loreto 451 Botschaft an die Jugendlichen Europas 452 Sonntag, 10. September Predigt bei der Eucharistiefeier mit über 500.000 Jugendlichen auf dem Montorso-Gelände in Loreto 454 Angelus in Loreto 459 Botschaft an die Klausurschwestem Italiens und der Welt, bei der Begegnung im Heiligen Haus [überreicht] 460 Ansprache an die Kinder auf dem Vorplatz des Heiligtums 462 9. Pastoraireise nach Afrika (14. bis 20. September) Donnerstag, 14. September Ansprache bei der Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen Nsimalen 465 Freitag, 15. September Ansprache bei der ersten Synoden-Festversammlung in der Kathedrale von Yaounde (Kamerun) 467 Predigt bei der hl. Messe auf dem Gelände des Militärflughafens in Yaounde (Kamerun) 472 Samstag, 16. September Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von Johannesburg (Südafrika) ..477 xvm Sonntag, 17. September Ansprache bei der zweiten Synoden-Festversammlung in der Kathedrale von Johannesburg (Südafrika) 480 Predigt bei der Eucharistiefeier mit 500.000 Gläubigen in Johannesburg (Südafrika) 484 Angelus 488 Montag, 18. September Ansprache bei der Abreise von Johannesburg (Südafrika) 489 Ansprache bei der Ankunft in Nairobi (Kenia) 491 Dienstag, 19. September Predigt bei der Eucharistiefeier in Nairobi (Kenia) 493 Ansprache bei der dritten Synoden-Festversammlung in Nairobi (Kenia) 498 Mittwoch, 20. September Ansprache vor der Abreise aus Nairobi (Kenia) 503 10. Pastoralbesuch in den Vereinigten Staaten von Amerika (4. bis 8. Oktober) Mittwoch, 4. Oktober Ansprache bei der Ankunft in Newark 507 Ansprache während der Vesper in der Herz-Jesu-Kathedrale von Newark 509 Donnerstag, 5. Oktober Spontane Grußworte an eine Gruppe von Kindern, die dem Papst vor seinem Besuch bei den Vereinten Nationen am Eingang zum UNO-Glaspalast Blumen überreicht und ein Ständchen gebracht hatten 512 Ansprache vor den Vereinten Nationen zum 50jährigen Bestehen der Weltorganisation in New York 513 Ansprache an die Mitarbeiter der Vereinten Nationen in New York 525 Predigt bei der Eucharistiefeier im Giants-Station in Newark 527 Freitag, 6. Oktober Predigt bei der Eucharistiefeier in Brooklyn 531 Predigt beim Vespergottesdienst in Yonkers 536 Samstag, 7. Oktober Predigt während der Heiligen Messe im Central Park in New York 540 Ansprache beim Rosenkranz in der Kathedrale von New York 545 Ansprache während der Segnung des Gebäudes der Ständigen Vertretung des Hl. Stuhls bei der UNO in New York 548 XIX Sonntag, 8. Oktober Predigt während der Heiligen Messe in Baltimore 550 Angelus in Baltimore 555 Botschaft an die „Catholic Relief Services“ in Baltimore 556 Grußwort beim Besuch der Kathedrale von Baltimore 558 Ansprache vor der Abreise in Baltimore 561 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Die Frau: Erzieherin zum Frieden Botschaft vom 8. Dezember 1994 zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1995 567 Erfülltes Menschsein und Gotteskindschaft in Zeit und Ewigkeit Predigt am Hochfest der Jungfrau Maria, der Mutter Gottes, 1. Januar 573 Zeugen für den Primat Gottes und seines Willens sein Ansprache an die Teilnehmer der 34. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu am 5. Januar 577 Tragt die Frohe Botschaft bis an die Grenzen der Erde! Predigt am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 582 Diese Krippe repräsentiert ein Land, das ich hoffentlich bald als Pilger besuchen werde Ansprache beim Besuch der von den„Netturbini“ - den Mitarbeitern der römischen Straßenreinigung - in ihrem Depot unweit des Vatikans an der Porta Cavalleggeri aufgebauten Krippe am 8. Januar 585 Christus ist die Antwort auf alle Fragen des Menschen Predigt bei der Tauffeier in der Sixtinischen Kapelle am 8. Januar 586 Frieden schaffen - mit Herz und Vernunft Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 9. Januar 588 Liebe war die Triebkraft ihres Lebens Predigt bei vier Seligsprechungen im Petersdom am 29. Januar 594 XX Das Vorbild der neuen Seligen nachahmen Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilger zur Seligsprechung am 30. Januar 59S Februar Das gottgeweihte Leben ist ein Segen für die Kirche Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 600 Der Orden der Barmherzigen Brüder feiert Jubiläum Brief an Fiozrenzo Kardinal Angelini und den Generalprior Fra Pascual Piles vom 2. Februar 604 Die Inselrepublik Malta kann auch heute einen wichtigen Beitrag zu Dialog und Verständigung zwischen den Mittelmeervölkem leisten Ansprache beim Staatsbesuch des Präsidenten der Republik Malta, Ugo Mifsud Bonnici, am 4. Februar 606 In solidarischem Dienst für Gerechtigkeit und Frieden Grußwort an Vertreter des Amerikanischen Jüdischen Komitees am 6. Februar 608 Angesichts des herannahenden dritten Jahrtausends beten wir immer inständiger um die Gnade der Einheit unter den Christen Ansprache bei der Audienz für die Professoren und Studenten des Ökumenischen Instituts von Bossey bei Genf am 9. Februar 610 Christliches Menschenbild und kirchliche Rechtsprechung Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Rota Romana am 10. Februar 611 Kreuz Christi ist Quelle des Friedens Botschaft zum Welttag des Kranken am 11. Februar vom 21. November 1994 616 Zwei Pilgerfahrten unter dem einen Licht Ansprache zum Welttag des Kranken und zum Gedächtnis U. L. Frau von Lourdes am 11. Februar 619 Alphabetisierung fördert Zusammenarbeit der Nationen und dient dem Frieden in der Welt Botschaft für die Fastenzeit 1995 vom 7. September 1994 622 XXI Das Wohlergehen der Stadt Rom hängt vom Wohlergehen der Familien ab Ansprache bei der Audienz für den Bürgermeister von Rom und die Vertreter der Stadtverwaltung am 13. Februar 625 Christusnachfolge ist untrennbar persönlich und gemeinschaftlich Ansprache beim Empfang für die Fokolare-Bewegung und die ihr freundschaftlich verbundenen Bischöfe anläßlich ihres jährlichen geistlichen Treffens am 16. Februar 628 Das Geheimnis der Berufung: Durch Eucharistie und Gebet gestärkt aufbrechen zu Gott Meditative Stegreif-Ansprache beim Besuch im Priesterseminar der Diözese Rom nach Aufführung des Oratoriums „Elia, la parola di fuoco“ unter Leitung des Komponisten, Msgr. Marco Frisina, in der Kapelle des Römischen Priesterseminars am 25. Februar 629 Mit hoffnungsvollem Blick dem dritten Jahrtausend entgegen Abschlußworte beim Besuch im Priesterseminar der Diözese Rom an die Kommunität des Römischen Priesterseminars am 25. Februar 631 März Fastenzeit - Zeit der Umkehr und der Versöhnung Predigt bei der hl. Messe in Santa Sabina mit Segnung und Austeilung der Asche am Aschermittwoch, 1. März 632 Die Kirche Roms und das große Jubiläum im Jahre 2000 Ansprache an Kardinal Ruini, Generalvikar für die Diözese Rom, die Bischöfe, Pfarrer und Priester des römischen Klerus am 2. März 634 Unser Fasten soll das Fasten Jesu in der Wüste vergegenwärtigen Predigt in der römischen Pfarrei Santa Maria del Soccorso am ersten Fastensonntag, 5. März 637 Solidarisch mit den Ausgegrenzten und den Kranken Brief an den Generalprior der Barmherzigen Bürder, Fra Pascual Piles, aus Anlaß der Fünfhundertjahrfeier der Geburt des hl. Johannes von Gott, vom 8. März 641 Derselbe Glaube verbindet uns mit den orientalischen Kirchen Ansprache zum Abschluß der geistlichen Exerzitien im Vatikan am 11. März...644 XXII Konferenz über katholisch-lutherische Beziehungen Grußwort an die Teilnehmer des vom Internationalen Birgitten-Zentrum veranstalteten ökumenischen Symposions am 14. März 646 Die Bibel und die Einheit der Christen Grußwort an das Regionalkomitee Europa - Mittlerer Osten des Weltbundes der Bibelgesellschaften am 16. März 647 Meisterwerke der Filmkunst - Herausforderungen für den Geist des Menschen Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 17. März 648 Das Sakrament der Versöhnung - Forderung und Förderung Ansprache bei der Audienz für die Apostolische Pönitentiarie, die Beichtväter an den römischen Patriarchalbasiliken und die Teilnehmer des diesjährigen Kurses über das „forum intemum“ in der Sala Clementina am 18. März 651 Evangelium vitae Enzyklika über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens vom 25. März 655 Zugunsten des geschwisterlichen Dienstes an den anderen Kirchen Schreiben zur 400-Jahr-Feier der Union von Brest-Litowsk an Myroslav Ivan Kardinal Lubachivsky, Großerzbischof von Lviv der Ukrainer, vom 25. März ..759 Neue Lebenskräfte aus der Einheit Schreiben zur 350-Jahr-Feier der Union von Uzhorod an den Bischof von Mukacevo, Ivan Semedi, vom 25. März 762 April Vorbereitung auf die Verkündigung des Evangeliums in einem Land, das noch immer unter de Nachwirkungen eines totalitären Systems und den Wunden des Krieges leidet Ansprache bei der Audienz für die Seminaristen des Priesterseminars von Djakovo in Kroatien am 3. April 764 Aus den guten Beziehungen zur armenischen Kirche sollte eine aktivere Zusammenarbeit erwachsen Botschaft an den neuen Katholikos aller Armenier, Karekine Sarkissian, zu dessen Inthronisation am 9. April in Etschmiadzine (Armenien), vom 5. April 765 XXIII Der hl. Philipp Neri - Vorbild für die Jugend Roms Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen der Diözese Rom am 6. April 767 Einsatz für die katholische Soziallehre Grußwort an die Teilnehmer eines interdisziplinären Kolloquiums der Universität Augsburg am 8. April 769 Pilgerschaft - auf dem Weg zum Vater sein Predigt zum 10. Weltjugendtag am Palmsonntag, 9. April 770 Wert und Würde der beruflichen Tätigkeit Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des Internationalen Universitätskongresses „Univ’ 95“ in der, Aula Paul VI.“ am 11. April 773 Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag am 13. April 1995, vom 25. März 776 Salbung und Weihe - Zeichen priesterlicher Sendung Predigt während der Chrisammesse am Gründonnerstag, 13. April 785 Eucharistie ist Danksagung der ganzen Schöpfung Predigt während der Abendmahlsmesse in der Lateranbasilika am Gründonnerstag, 13. April 787 Der Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag 1995 Einleitendes Gebet am 14. April 790 Der Kreuzweg führt durch alle Kolosseen der Geschichte Vorbereitete Meditation nach dem Kreuzweg am Kolosseum am 14. April [wurde nicht verlesen] 790 Vereint um das Kreuz Frei fomulierte Meditation beim Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 14. April 792 Mit Christus ist neue Hoffnung erstanden Predigt in der Ostemacht, 15. April 793 Die Kirche verkündet das Evangelium vom Leben Botschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ am Ostersonntag, 16. April 795 Die Kirche braucht glaubwürdige Verkünder der Frohen Botschaft Botschaft aus Anlaß der Zweihundertjahrfeier der Geburt des hl. Vinzenz Pallotti vom 21. April 797 XXIV Der auferstandene Christus - Anfang und Ende der Geschichte der Menschheit Predigt in der Kirche Santo Spirito in Sassia am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit, 23. April 801 Ethische und philosophische Forschungen im Geiste des Christentums Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kolloquiums über die philosophischen Aspekte der Enzyklika Veritatis splendor am 27. April 805 Mission als Leidenschaft eines jeden Christen Ansprache bei der Audienz für die Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker am 28. April 807 Mai Orientale Lumen Apostolisches Schreiben an den Episkopat, den Klerus und die Gläubigen zum hundertsten Jahrestag des Apostolischen Schreibens Orientalium dignitas von Papst Leo XHL vom 2. Mai 811 Wichtiges Zusammentreffen im Geist der Brüderlichkeit Schreiben an den Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Tschechischen Brüder und Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen in der Tschechischen Republik, Dr. Pavel Smetana, vom 2. Mai 841 Anstoß zur Erneuerung und Stärkung des Glaubens geben Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke am 4. Mai 842 In der Christusnachfolge Lebenssinn entdecken Botschaft zum 32. Weltgebetstag um Geistliche Berufe am Vierten Ostersonntag, dem 7. Mai 1995, vom 18. Oktober 1994 845 Zeichen der Reife christlicher Gemeinschaft Predigt bei der Seligsprechung auf dem Petersplatz am 7. Mai 849 Botschaft anläßlich des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa vom 8. Mai 853 Die Ideale von Glauben und Liebe zum Ausdruck bringen Ansprache an die zur Seligsprechung nach Rom gekommenen Pilger am 8. Mai 866 XXV Plädoyer für eine natürliche Ernährung von Anfang an Ansprache an die Studiengruppe der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zum Thema: „Natürliche Ernährung: Wissenschaft und Gesellschaft“ am 12. Mai 869 Aufmerksame und hilfsbereite Präsenz bei den Bedürftigsten Ansprache bei der Audienz für die 15. Vollversammlung der Caritas Intemationalis am 13. Mai 872 Diener an der göttlichen Liebe unter den Menschen Predigt bei der Priesterweihe am 14. Mai 875 1600 Jahre Paulinus von Nola Brief an den Bischof von Nola, Umterto Tramma, vom 15. Mai 878 Die Liebe zu Gott als Schlüssel der Berufung Ansprache bei der Audienz für die Generaloberinnen der Institute des gottgeweihten Lebens und der Gemeinschaften des apostolischen Lebens am 18. Mai 881 Freude und Dankbarkeit im Priesteramt Ansprache an eine Gruppe von Priestern, die vor 25 Jahren von Papst Paul VI. die Weihe empfangen haben, am 18. Mai 884 Eucharistische Kongresse sind Zeichen der Dankbarkeit Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Komitees für Internationale Eucharistische Kongresse am 18. Mai 886 Alle Dimensionen der Liebe des Evangeliums aufzeigen Ansprache an die Generalversammlung der Gesellschaft der Missionare Afrikas am 19. Mai 889 In alten und neuen Armen Christus erkennen Ansprache an das Generalkapitel der Kongregation der Barmherzigen Schwestern von der hl. Johanna Antida Thouret am 19. Mai 890 Fördert und verteidigt das Leben! Ansprache an die Generalkapitel der Kamillianer und Kamillianerinnen am 19. Mai 892 Gegenseitiges Verständnis fördern Ansprache an den Kultusminister der Republik Bulgarien, Prof. Gheorghi Kostov, und eine offizielle Delegation anläßlich des Festes der hll. Kyrill und Method am 23. Mai 895 XXVI Utunumsint Enzyklika über den Einsatz für die Ökumene vom 25. Mai 896 Konkrete Zeichen der Auferstehung vorweisen Ansprache an die Italienische Bischofskonferenz am 25. Mai 958 Ohne Achtung des Rechtes auf Leben gibt es keinen Frieden Brief an die Generalsekretärin der Vierten Weltkonferenz der Vereinten Nationen über die Frauen, Frau Gertrude Mongella, vom 26. Mai 963 Den Weg der hll. Kyrill und Method mutig und beharrlich weitergehen Ansprache an den Präsidenten der ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien, Kiro Glimgorov, und eine offizielle Delegation am 26. Mai 968 Albanien möge Heimat der Ökumene und des interreligiösen Dialogs werden Ansprache an eine Gruppe albanischer Pilger am 27. Mai 969 Der Kinofilm - Kulturträger und Wertangebot Botschaft zum 29. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel [am 28. Mai 1995] vom 6. Januar 972 Der hl. Philipp Neri - ein besonderes Vorbild für alle Christen Roms Predigt zum 400. Jahrestag des Todes des hl. Philipp Neri am 28. Mai 976 Dialogbereitschaft ist Grundverhalten für Friedensförderung Ansprache zum 50. Jahrestag der Gründung der Pax-Christi-Bewegung am 29. Mai 979 Abschluß des Marienmonats Meditation am Schluß des Wortgottesdienstes vor der Lourdesgrotte in den Vatikanischen Gärten am 31. Mai 982 Juni Erwidert die unendliche Liebe Christi mit eurer totalen und ausschließlichen Liebe Ansprache bei der Audienz für die „Virgines consecratae“ anläßlich des 25. Jahrestags der Promulgation des erneuerten Ritus der Jugfrauenweihe am 2. Juni 983 Überwindung von religiöser Gleichgültigkeit und ethischem Relativismus Ansprache an das Zentralkomitee für das Große Jubiläum des Jahres 2000 am 8. Juni 986 xxvri Traditionspflege trägt zum Erhalt des Gemeinschaftslebens bei Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des 4. Internationalen Kongresses über die Sinti- und Roma-Pastoral, veranstaltet vom Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, am 8. Juni 990 Bemühen um Einheit und Grenzüberwindung Ansprache an eine Pilgergruppe ais der Diözese Görlitz und einige Mitglieder der Schönstattfrauenliga am 8. Juni 992 Menschen zahlten den Preis der Zerstörung und des Todes Predigt bei der Messe zum Gedenken an das Kriegsende vor 50 Jahren am Dreifaltigkeitssonntag, 11. Juni 994 Mission ist Gabe und Aufgabe - Forderung und Förderung Botschaft zum Weltmissionssonntag [am 22. Oktober] vom 11. Juni 997 Gemeinsam eine neue Kultur des Lebens aufbauen Ansprache an den deutschen Botschafter beim Hl. Stuhl, Dr. Philipp Jenninger, am 12. Juni 1000 Ordensleute sind Sauerteig des Volkes Gottes Ansprache an das Generalkapitel der Franziskaner-Konvertualen am 12. Juni 1003 Sportler als Boten des Friedens und der Hoffnung Grußwort an die Teilnehmer einer italienischen Friedensstaffette am Abend des 14. Juni 1005 Eucharistie - Grundelement christlichen Lebensvollzugs Homilie beim feierlichen Fronleichnamsgottesdienst am 15. Juni 1006 Vergebung der Sünden erfordert Reue und Umkehr Ansprache bei der Eucharistiefeier in der Lourdesgrotte der Vatikanischen Gärten am 18. Juni 1009 In Liebe den Geist der Diakonie leben Ansprache an die Mitglieder der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen [Riunione delle Opera per l’Aiuto alle Chiese Orientali, R.O.A.C.O.] am 22. Juni 1011 Förderung der Berufungspastoral in allen Bereichen Ansprache an die Teilnehmer der 4. Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika am 23. Juni 1013 XXVIII Haltet das franziskanische Charisma lebendig Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Schulschwestem des Dritten Ordens des hl. Franziskus am 24. Juni 1016 Glaube zu Christus - „Logik“ seiner Nachfolge Predigt am 25. Juni 1018 Drogenabhängigkeit - Zeichen für Werteverlust und Sinnsuche Ansprache während der Audienz für den italienischen Verband der Therapeutischen Gemeinschaften am 26. Juni 1019 Den Weg zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 gemeinsam beginnen Gmßwort an Seine Heiligkeit Bartholomaios I. und sein Gefolge am 27. Juni 1021 Euch, Frauen der ganzen Welt, gilt mein herzlicher Gruß! Brief an die Frauen vom 29. Juni 1023 Gemeinsame Sendung und gemeinsames Zeugnis Predigt am Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus, 29. Juni 1032 Juli Grundsätze der Mission: Arbeit - Gebet - Lembereitschaft Ansprache an die Mitglieder der Generalversammlung des Mailänder Missionsinstituts PIME (Pontificio Istituto Missioni Estere) am 8. Juli 1035 Missionare sind Zeugen des Kreuzes Predigt bei der Sonntagsmesse mit Ordensschwestern vor der Lourdesgrotte im Vatikan am 9. Juli 1038 August Das Begonnene in Castel Gandolfo fortsetzen Grußworte bei der Ankunft in Castel Gandolfo am 22. Juli 1039 Hiroshima nicht vergessen! Worte beim Rosenkranzgebet in Castel Gandolfo am 5. August 1040 Mit „neuen Herzen“ eine Zukunft des Friedens bauen Botschaft aus Anlaß des am 5. August in der Aula Paul VT. aufgeführten Gedenkkonzertes 50 Jahre nach der Tragödie von Hiroshima und Nagasaki, verlesen von Roger Kardinal Etchegaray, vom 5. August 1040 XXIX Paul VI. - Zeuge der Verklärung Predigt in Castel Gandolfo am 6. August 1042 Frieden nicht auf Unterdrückung und Gewalt aufbauen Appell für Versöhnung in Europa nach dem Konzert der Akademie „Ottorino Respighi“ im Hof der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo, am Abend des 13. August 1044 Marias Aufnahme in den Himmel - Teilnahme am Ostergeheimnis Predigt in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 1045 Einladung zur Jugendwallfahrt nach Loreto Worte an die Pilger in Castel Gadolfo am 16. August 1049 Religion - oft ein Vorwand für Fundamentalismus Ansprache an die internationale Kommission des Franziskanerordens für die Beziehungen zu den Muslimen am 26. August 1050 Ganzer Einsatz der Kirche für die Frauen Ansprache an die Delegation des Hl. Stuhls bei der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking (4.-15. September) am 29. August 1051 Konsequenzen liturgischen Dienstes: Frieden geben - Frieden hinterlassen Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Ministrantenwallfahrt -Coetus Intemationalis Ministrantium - am 29. August 1053 September Sauerteig für Afrika Ansprache an eine Pilgergruppe aus Senegal in Castel Gandolfo am 5. September 1056 Sportliche Botschaft von Freundschaft und Brüderlichkeit Ansprache an die Athleten, die an der „Ersten Militär-Olympiade“ in Rom teilnahmen, am 7. September 1057 Brief an die Bischöfe Österreichs vom 8. September 1060 Die Menschwerdung - Mitte und Ziel der Geschichte Botschaft an das Generalkapitel des Zisterzienserordens vom 8. September.... 1062 XXX Beiträge der Christlichen Soziallehre zur friedvollen Zukunft der Menschheit Ansprache an die Internationale Vereinigung für Christliche Soziallehre am 8. September 1064 Ecclesia in Africa Nachsynodales Apostolisches Schreiben an die Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und alle Gläubigen Laien über die Kirche in Afrika und ihren Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000 vom 14. September 1065 Nicht schuldig werden an der Tötung unschuldiger Kinder Brief an die deutschen Bischöfe zur Frage der Mitwirkung kirchlicher Beratungsstellen im System der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung vom 21. September 1145 Apostolat und Spiritualität als Wegbereiter für das dritte Jahrtausend Ansprache an das Generalkapitel der Karmeliten am 23. September 1148 Sozialpolitik im Geist des Evangeliums hat den Menschen im Blick Ansprache an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Rat Justitia et Pax veranstalteten ersten Treffens der Verantwortlichen der Sozialwochen am 23. September 1150 Augustinische Spiritualität in der heutigen Welt Ansprache an das Generalkapitel der Augustiner am 23. September 1153 Botschaft zum Welttag der Migranten 1995 am 24. September 1995, vom 10. August 1994 1155 Weitergabe des Glaubens in der Familie Botschaft an die 12. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie vom 29. September 1159 Brüderliches Teilen ist ein Gebot gelebten Glaubens Botschaft an Roger Kardinal Etchegaray, Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum, anläßlich des ersten Treffens der Verantwortlichen für Advents- und Fastenaktionen, Aktionen der Solidarität, der Brüderlichkeit und der Nächstenliebe in Europa und Nordamerika vom 25. September 1163 Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt Ansprache an das Generalkapitel der Schwestern der Kongregation des hl. Paulus von Chartres am 30. September 1165 XXXI Oktober Neue Selige - Reichtum an Gnade und Heiligkeit für die ganze Kirche Predigt zu den Seligsprechungen am 1. Oktober 1167 Lebensschutz ist logische Konsequenz der Menschenwürde Ansprache an die Teilnehmer am Weltkongreß der Bewegungen für das Leben am 3. Oktober 1171 Erzieherische Arbeit für ein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens Botschaft an die Mitglieder des Kapitels der Römischen Vereinigung des Ordens der Heiligen Ursula vom 12. Oktober 1174 Kulturgüter als Ausdruck des Glaubens und Beitrag zum Dialog der Kirche mit der Menschheit Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer der Ersten Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche am 12. Oktober... 1177 Die jungen Kirchen sind anregendes Beispiel für Christen in aller Welt Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des Seminars für Bischöfe aus Missionsländem, organisiert von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, am 12. Oktober 1181 Religion als Gottsuche steht im Mittelpunkt jeder Kultur Botschaft an den Generaldirektor der UNESCO, Dr. Federico Mayor Zaragoza, zum 50. Jahrestag der Gründung dieser Organisation vom 14. Oktober 1183 Neue Zeugen für das Evangelium des Lebens gewinnen Botschaft an das Generalkapitel der Missionare von der Heiligen Familie vom 14. Oktober 1185 Rückbesinnung auf das ursprüngliche Charisma Ansprache anläßlich der Audienz für die Mitglieder des Generalkapitels der Missionarinnen vom hl. Petrus Claver am 14. Oktober 1187 Friedvolles Zusammenleben fordert Vergebung und fördert Versöhnung Ansprache an die Diözesanbischöfe und Päpstlichen Vertreter von Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Jugoslawien, Makedonien und Slowenien am 17. Oktober 1189 XXXII Ordensleben - Zeichen für das Reich Gottes Schreiben anläßlich des 400. Jahrestages der Geburt von Jeanne Chezard de Matel, Gründerin der „Frauen vom Menschgewordenen Wort“ vom 18. Oktober 1191 Die Verkündigung des Evangeliums in der militärischen Welt bedeutet die Schaffung einer Kultur des Friedens Ansprache an die Teilnehmer der VI. Seelsorgerischen Fortbildungswoche für die Militärseelsorger Italiens in Fiuggi am 19. Oktober 1193 Kirche als Anwalt der Menschlichkeit Grußworte bei der Sonderaudienz an den „Kardinal-Höffner-Kreis“ vom 20. Oktober 1196 Der Mensch - Mittelpunkt allen Lehrens und Lernens in der Verkündigung Predigt bei der Meßfeier zur Eröffnung des Akademischen Jahres der römischen päpstlichen Universitäten am 20. Oktober 1197 Kampf gegen Hunger in der Welt erfordert nicht Mitleid, sondern Gerechtigkeit Ansprache zum 50. Jahrestag der Gründung der FAO am 23. Oktober 1199 Kulturförderung in Ost und West Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der Stiftung , Johannes Paul II.“ am 26. Oktober 1203 Neue Handlungsansätze zur Bekämpfung der Armut erarbeiten Ansprache an die Teilnehmer an der Vollversammlung des Päpstlichen Rates Cor Unum am 27. Oktober 1207 Wachsende ökonomische Ungleichheit in vielen Bereichen erfordert den ganzen Einsatz der Kirche Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs am 27. Oktober 1210 Priester heute - von den Menschen genommen und für die Menschen bestellt Ansprache an die Teilnehmer des von der Kongregation für den Klerus einberufenen Intematiolen Symposions zum 30. Jahrestag des Konzilsdekrets Presbyterorum ordinis am 27. Oktober 1213 Aus dem eigenen Dasein einen Weg der Liebe gestalten - das Vorbild der neuen Seligen Predigt bei der Seligsprechung der Schweizerinnen Maria Theresia Scherer, Maria Bemarda Bütler und Marguerite Bays am 29. Oktober 1217 XXXIII Sie folgten Christus in Demut und Gehorsam Ansprache an die zur Seligsprechung gekommenen Schweizer Pilger am 30. Oktober 1222 November Der Verstorbenen in Hoffnung gedenken Meditation beim Gebet für die Verstorbenen in den Vatikanischen Gärten am 1. November 1223 Geistliche Dimension des Ordenslebens bedenken Ansprache an die Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul aus Kroation am 6. November 1226 Grußworte an Vorstand der Kolumbusritter am 6. November 1227 Fortschritt in Wissenschaft und Technik ist nicht der Inbegriff einer Erhöhung von Lebensqualität Ansprache anläßlich des 30. Jahrestages der Verkündigung der Apostolischen Konstitution Gaudium et spes am 8. November 1228 Malteser-Wallfahrt: Freude und Frucht für Betreuer und Betreute Grußworte an die Kranken und Mitglieder des Malteser-Hilfsdienstes am 9. November 1234 Apostolisches Schreiben zur Vierhundertjahrfeier der Union von Brest vom 12. November 1236 Kirche ist Ereignis und Ort der Begegnung im Geist und in der Wahrheit Predigt bei der Eucharistiefeier mit der niederländischen Gemeinde in Rom und der Altarweihe in der Kirche Santi Michele e Magno am 12. November 1246 Freiheit und Wahrheit in Erziehung und Bildung Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen am 14. November 1249 Theologischer Dialog und praktische Zusammenarbeit in der Ökumene Ansprache an die Mitgüeder der Vollversammlung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen am 17. November 1253 Nicht nur Lehrmeister, sondern auch Zeugen sind gefragt Ansprache an die Teilnehmer eines Schulungskurses über natürliche Regelung der menschlichen Fruchtbarkeit am 18. November 1257 XXXIV Ethische Grundlagen vor Forschungsprojekten der Wissenschaft überprüfen Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben am 20. November 1258 Der Glaube der Kirche und die Autorität des Lehramtes Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre am 24. November 1262 Begegnung verschiedener geistlicher Traditionen bereichert alle Religionen Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog am 24. November 1265 Versöhnung verlangt gegenseitige Achtung und Annahme Ansprache an die Mitglieder der Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche am 24. November 1268 Grußwort an das gemische Dialogkomitee der Katholischen Kirche und der Assyrischen Kirche des Osten am 24. November 1272 Der Beitrag katholischer Universitäten zur Medizinerausbildung Ansprache an die Mitglieder der Arbeitstagung des Institutes für Klinische Medizin der Katholischen Universität Sacro Cuore in Rom am 25. November 1272 Samariterdienste bleiben glaubwürdige Zeugnisse Ansprache an die Teilnehmer der X. Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst am 25. November 1275 Katholische Soziallehre - Ansatz und Fundament für eine „Kultur der Liebe“ Ansprache an die Mitglieder der Stifung „Centesimus annus - Pro Pontifice“ am 25. November 1279 Beitrag der Kirche zu einem dauerhaften und wahren Frieden Predigt bei der feierlichen Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon am Christkönigsfest, 26. November 1281 Ständige Diakone - bereit zum Dienst und offen für alle Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus am 30. November 1284 Dezember Transzendente Dimension im Dienst an den Kranken Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses des Hospitalordens der Barmherzigen Brüder „Fatebenefratelli“ am 2. Dezember 1288 XXXV Säkularisierung und Zukunft des Glaubens Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kolloquiums über das Thema „An der Schwelle des dritten Jahrtausends: Die Herausforderung des Säkularismus und die Zukunft des Glaubens“ am 2. Dezember 1290 Eugene de Mazenod - Heiliger und Apostel der neuen Zeit Predigt bei der Heiligsprechung des sei. Eugene de Mazenod am 3. Dezember 1293 Religiöse Überzeugungen im öffentlichen Dialog Botschaft an die Teilnehmer des Kongresses über Säkularismus und Religionsfreiheit zum 30. Jahrestag der Erklärung Dignitatis humanae vom 7. Dezember 1296 Gottes Menschwerdung durch Maria - Erlösungsgeschehen mit Vorbildfunktion Predigt bei der Eucharistiefeier in Santa Maria Maggiore am Hochfest der Immakulata, 8. Dezember 1299 Rom als Zentram geistiger und gesellschaftlicher Erneuerung an der Jahrtausendwende Meditation auf dem Spanischen Platz am Hochfest der Immakulata, am 8. Dezember 1301 Eure Heimat - bereitet vom Erlöser der Welt Predigt bei der Messe für Studenten der römischen Hochschulen am 12. Dezember 1303 Der Libanon ist gemeinsame Aufgabe für alle! Predigt bei der Messe zum Abschluß der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon am 14. Dezember 1307 Botschaft an die Katholiken Frankreichs vom 15. November 1309 Weihnachtslichter als Sinnbilder Grußworte an Gläubige aus der Diözese Regensburg bei der Überreichung des Weihnachtsbaumes für den Petersplatz am 16. Dezember 1311 Engagierte Mitarbeit von Menschen aller Kontinente in der Kirche Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der Römischen Kurie am 22. Dezember 1313 Weihnachten bringt Hoffnung auf neuen Frieden Predigt während der Mittemachtsmesse am 25. Dezember 1318 XXXVI 1320 Christi Geburt eröffnet neue Horizonte für die Menschheit Weihnachtsbotschaft am 25. Dezember Christliche Soziallehre - Wegweiser für den Rechtsstaat, Relativismus ist keine Grundlage für die Demokratie Predigt während Vesper und Te Deum zum Jahresabschluß in Sant’Ignazio in Rom am 31. Dezember 1322 IV. Ad-limina-Besuche Argentinien 7. Februar 1329 11. November 1334 Brasilien 17. Februar 1338 21. März 1344 01. April 1351 30. Mai 1359 13. Juni 1366 24. Juni 1373 11. Juli 1379 05. September 1386 29. September 1395 18. Oktober 1404 23. Oktober 1412 28. Oktober 1419 China 19. August 1426 Indien 16. Mai 1431 28. August 1435 25. November 1439 13. Dezember 1443 Japan 25. Februar 1447 Rumänien 24. März 1452 XXXVII V. Erklärungen der Kongregationen und Räte Mitteilung der Kongregation für die Glaubenslehre betreffend Vassula Ryden vom 6. Oktober 1457 Antwort auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis vorgelegten Lehre Kongregation für die Glaubenslehre vom 28. Oktober 1458 Internationales Symposion zum 30. Jahrestag des Konzilsdekrets Presbyterorum Ordinis Schlußbotschaft an alle Priester der Welt Kongregation für den Klerus vom 28. Oktober 1995 1463 Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung Orientierungshilfe für die Erziehung in der Familie Päpstlicher Rat für die Familie vom 8. Dezember 1476 VI. Anhang Gemeinsamer Einsatz für eine menschenwürdige Umwelt Botschaft um Id Al Fitr-Fest zum Ende des Ramadan 1415/1995 von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, vom 24. Februar 1537 Die Bekämpfung der Armut Weltgipfelkonferenz für Soziale Entwicklung in Kopenhagen Intervention von Msgr. Diarmuid Martin, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls am 7. März 1539 Bekämpfung der Armut durch Förderung der Familien Weltgipfelkonferenz für Soziale Entwicklung in Kopenhagen Ansprache von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano am 12. März 1543 Menschenrechte und Menschenwürde im Leben der Frau Intervention von Erzbischof Renato R. Martino, Apostolischer Nuntius und Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen am 16. März in New York, bei der 39. Tagung der Kommission über die Situation der Frau zur Vorbereitung der 4. Weltkonferenz über die Frauen im September in Peking 1547 xxxvni Sich nicht mit den Zuständen der Vergangenheit zufriedengeben, sondern den Lauf der Geschichte ändern Erklärung des Leiters der Delegation des Hl. Stuhls, Erzbischof Jean-Louis Tauran, Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten bei der Europäischen Stabilitätskonferenz in Paris am 20. und 21. März 1551 Auf der Pilgerschaft zur Einheit Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul n. und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. am 29. Juni 1553 Anregungen zur Humanisierung der Arbeitswelt Intervention des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Paul F. Tabet, Leiter der Delegation des Hl. Stuhles, bei der 82. Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf am 13. Juni 1555 Gemeinsamer Einsatz für gemeinsame Werte Botschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Francis Kardinal Arinze, an die Hindus aus Anlaß des Diwali-Festes am 23. Oktober, vom 13. September 1558 Wortregister 1561 Personenregister 1624 Länder- und Ortsregister 1644 Zitierte Bibelstellen ...1659 XXXIX I. Generalaudienzen und Angelus AUDIENZEN UND ANGELUS Bedeutender Beitrag der Frauen zum Frieden Angelus am Sonntag, 1. Januar Liebe Brüder und Schwestern, ein gutes Neues Jahr! 1. Am ersten Tag des Jahres 1995 wünsche ich jedem einzelnen ein glückliches Neues Jahr. Möge es wirklich ein friedvolles und frohes Jahr für alle werden. „Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6,26). Mit diesen Worten der Heiligen Schrift, liebe Brüder und Schwestern, möchte ich euch meine herzlichsten Wünsche für das soeben begonnene Jahr aussprechen, während ich Gott um das Geschenk des Friedens für die Familien, die Nationen und die ganze Menschheit bitte. Der Herr schenke uns seinen Frieden! Das ist unsere ständige Bitte, die durch konkrete Gesten und Initiativen unterstützt werden muß. Wie viele Anlässe gibt es, um über die Dringlichkeit des Friedensaufbaus nachzudenken! 1995 ruft uns zum Beispiel das Ende der unheilvollen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs in Erinnerung. Auch sind fünfzig Jahre vergangen seit der ungeheuren Tragödie von Hiroshima und Nagasaki, die das Gewissen der Menschen unserer Zeit tief gezeichnet hat. Muß man nicht in Erinnerung solcher Ereignisse und angesichts der Länder der Welt, wo leider immer noch gekämpft wird, wünschen, daß das neue Jahr endlich in allen Erdteilen den so heiß ersehnten Frieden bringe? Das ist unser brennender Wunsch; ein Wunsch, den wir bekräftigen wollen durch das ständige Gebet, daß wir an das Kind in der Krippe richten: „Fürst des Friedens“ (Jes 9,5), du bist in die Welt gekommen, um den Menschen die Versöhnung und den wahren Frieden anzubieten, gib uns den Frieden; mach uns zu Bauleuten des Friedens. 2. Während ich die in der Botschaft des vergangenen Jahres, des „Jahres der Familie“, begonnenen Überlegungen weiterführte, ließ ich allen Staatsoberhäuptern anläßlich des heutigen Tages eine Botschaft zukommen zu dem Thema: Die Frau: Erzieherin zum Frieden. Darin habe ich den bedeutenden Beitrag hervorgehoben, den die Frauen zur Erreichung eines Friedens leisten können, der alle Bereiche des menschlichen Lebens betrifft. Ich wandte mich an sie mit der Bitte, „sich mit ihrem ganzen Sein und ihrem ganzen Wirken zu Erzieherinnen des Friedens zu machen: Sie sollen Zeuginnen, Botschafterinnen, Lehrmeisterinnen des Friedens sein in den Beziehungen zwischen den Personen und den Generationen, in der Familie, im kulturellen, sozialen und politischen Leben der Nationen, in besonderer Weise in Konflikt- und Kriegssituationen“ (Nr. 2). 3. In dieser anspruchsvollen Sendung begleite sie Maria. Auf sie richten wir unseren Blick am Anfang des neuen Jahres, das den Beginn der Vorbereitung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 anzeigt. Die Kirche ruft sie heute als „Gottesmutter“, als Mutter des „Friedensfürsten“, an. 3 AUDIENZEN UND ANGELUS O Maria, rege die Verantwortlichen der Nationen zu Vorsätzen des Dialogs und der Versöhnung an; lenke die Bemühungen, die von den Menschen guten Willens in Gang gesetzt werden; unterstütze besonders die Frauen in ihrer natürlichen Berufung zu Erzieherinnen zum Frieden in der Familie, in der Gesellschaft und in der sozialen Wirklichkeit. Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst die Pilger in verschiedenen Sprachen und sagte auf Deutsch: Allen Gläubigen deutscher Sprache wünsche ich ein glückseliges und friedvolles Neues Jahr, verbunden mit meinem Gebet für treues Geleit. Der Papst kommentierte das Regenwetter am Neujahrstag mit den Worten: Danken wir zum Abschluß für diesen Regen, der auch ein Zeichen des erfüllten Advents ist: „Rorate Caeli desuper“, wir haben jetzt Regen. Ein gutes Neues Jahr! Gelobt sei Jesus Christus! Bosnien: Haltet ein vor Jesus Christus! Am ersten Tag des Jahres dürfen wir unsere von anhaltenden Prüfungen betroffenen Brüder und Schwestern nicht vergessen. Wir denken besonders an die Völker von Afrika, die Opfer der mörderischen Gewalt sind: Ruanda mit einer noch ungewissen Zukunft; Burundi, das eine schwere Zeit erlebt; Liberia, wo der Frieden weit davon entfernt ist, Wirklichkeit zu werden; und Sierra Leone, erschüttert durch die jüngsten Bruderkriege. Dramatische Stunden erlebt man in diesen Tagen in Tschetschenien, und in nächster Nähe erleidet die Bevölkerung von Banja Luka im gemarterten Balkan wiederholte Verletzungen ihrer persönlichen Unantastbarkeit: Am Weihnachtstag wurden in der Kirche von Barovci einige unserer katholischen Brüder, darunter auch minderjährige, festgenommen und an die Front oder in Arbeitslager verschickt. Ich bitte die für so schwerwiegende Vorfälle Verantwortlichen, über die Folgen nachzudenken: Man schafft nicht mit der Waffe in der Hand eine menschlichere Welt oder auch eine nationale Realität, die diesen Namen verdient. Ich wiederhole das, was ich am vierten Adventssonntag gesagt habe: Haltet ein vor dem neugeborenen Kind, vor Jesus Christus! Haltet ein! Gebet ist notwendiger Bestandteil des Ordenslebens Ansprache bei der Generalaudienz am 4. Januar 1. Immer wurde der Betrachtung als höchstem Ausdruck des geistlichen Lebens und Höhepunkt der Gebetsentwicklung in der christlichen Tradition ein herausragender Platz zuerkannt. Betrachtendes Gebet gibt dem Ordensleben, wie immer es 4 AUDIENZEN UND ANGELUS sei, seine Sinnfülle als Folge der besonderen durch das Gelübde der evangelischen Räte begründeten Weihe. Kraft dieser Weihe ist das Ordensleben ein Leben des Gebets und folglich der Betrachtung - und kann nichts anderes sein auch wenn dem Gebet in der Vorgabe der Spiritualität und in der Praxis weder ausschließlich noch überwiegend Zeit eingeräumt wird. Hierzu bekräftigt das Konzil: , JDarum müssen die Mitglieder aller Institute, da sie zuerst und einzig Gott suchen, die Kontemplation, durch die sie ihm im Geist und im Herzen anhangen, mit apostolischer Liebe verbinden“ (Perfectae caritatis, Nr. 5). So betont das Konzil, daß die Betrachtung nicht nur in den Instituten des rein kontemplativen Lebens, sondern in allen Instituten, auch in denen, die sich sehr anspruchsvollen apostolischen Werken widmen, notwendig ist. Der Gebetseifer ist für jedes gottgeweihte Leben wesentlich. 2. Das entnehmen wir dem Evangelium, auf das sich das Konzil selbst bezieht. Eine Begebenheit des Evangeliums wird besonders herausgestellt (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 5): Es ist die von Maria von Betanien, die „sich dem Herrn zu Füßen setzte und seinen Worten zuhörte“. Auf die Worte von Marta, die wollte, daß ihre Schwester ihr beim Dienst helfe und deshalb Jesus bat, sie zur Arbeit zu drängen, antwortete der Meister: ,Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden“ (Lfc 10,38-42). Der Sinn dieser Antwort ist einleuchtend: Der „bessere Teil“ besteht darin, daß man Christus zuhört und bei ihm bleibt, um sich ihm im Geist und im Herzen anzuschließen. Deshalb hat die Betrachtung nach der vom Evangelium inspirierten christlichen Tradition unbestreitbaren Vorrang im gottgeweihten Leben. Der Meister gibt Marta in seiner Antwort außerdem zu verstehen, daß die Verbindung mit seiner Person, seinem Wort und der Wahrheit, die er von seiten Gottes offenbart und schenkt, das „einzige wirklich Notwendige“ ist. Das heißt, daß Gott - und selbst sein menschgewordener Sohn - vor dem Arbeitsaufwand die Zuwendung des Herzens wünscht und daß der Sinn der von Jesus in die Welt gebrachten Religion ist, den Vater ,1m Geist und in der Wahrheit“ anzubeten (Joh 4,24), wie er nach der Weisung, die der Samariterin gegeben wurde, angebetet werden will. 3. In diesem Vorrang der Zuwendung des Herzens ist nach der Lehre des Konzils auch die gebotene Antwort auf die Liebe Gottes zu sehen, der uns zuvor geliebt hat (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 6). Die vom Vater vorzugsweise gesuchten Gottgeweihten sind ihrerseits berufen, „Gott zu suchen“, ihr Sehnen auf den Vater zu richten, mit ihm in Gebetskontakt zu stehen und ihm ihr Herz in brennender Liebe zu schenken. Diese Vertrautheit mit Gott wird von ihnen im Leben mit Christus und in Christus verwirklicht. Das Konzil sagt: Sie müssen „sich in allen Lebensumständen bemühen, ein mit Christus verborgenes Leben (vgl. Kol 3,3) zu führen“ (.Perfectae caritatis, Nr. 6). Es ist das verborgene Leben, dessen Grundgesetz der hl. Paulus darlegt: Den Sinn „auf das Himmlische und nicht auf das Irdische“ richten 5 AUDIENZEN UND ANGELUS (Kol 3,2). Dieser verborgene Aspekt der innigen Vereinigung mit Christus wird sich in seiner ganzen tiefen Wahrheit und Schönheit offenbaren, wenn wir im Jenseits sein werden. 4. Auf der Basis dieser wesentlichen Grundlage des gottgeweihten Lebens empfiehlt das Konzil: „Darum müssen die Mitglieder der Institute den Geist des Gebetes und das Gebet selbst... mit beharrlichem Eifer pflegen“ (Perfectae caritatis, Nr. 6). Hier genügt es uns zu sagen, daß der „Geist des Gebetes“ identisch ist mit der Haltung der Seele, die nach der göttlichen Vertrautheit dürstet und sich bemüht, in dieser Vertrautheit mit voller Selbsthingabe zu leben. Diese Haltung kommt im konkreten Gebet zum Ausdruck, dem man alle Tage seines Lebens eine gewisse Zeit widmet. Auch darin ahmt man Jesus nach, der sogar in der intensivsten Periode seines Dienstes dem ausschließlichen Dialog mit dem Vater im einsamen Gebet genügend Zeit widmete (vgl. Mk 1,35; Lk 5,16; 6,17). 5. Bekanntlich unterscheidet man in der christlichen Tradition gewöhnlich mehrere Gebetsformen, insbesondere das „Gemeinschaftsgebet“ und das „Einzelgebet“. Beide Formen sind nützlich und allgemein vorgeschrieben. Man sollte vielmehr immer vermeiden, daß das Gemeinschaftsgebet vom Einzelgebet abhält oder daß dieses so sehr überwiegt, daß das gemeinsame Gebet ausgegrenzt oder abgewertet wird. Ein echter, nach dem Evangelium geformter Gebetsgeist regelt beide Formen in einem für die Seele wohltuenden Maß, das die Gründer und Gesetzgeber der Ordensinstitute in Übereinstimmung mit der kirchlichen Obrigkeit festlegen. Dasselbe kann man über den Unterschied zwischen dem gesprochenen Gebet und dem stillen Gebet oder der „Oration“ sagen. In Wirklichkeit muß jedes Gebet ein Gebet des Herzens sein. Jesus empfiehlt das einfache und aufrichtige Gebet: „Bete zu deinem Vater, der im verborgenen ist“ (Mt 6,6), und er weist darauf hin, daß nicht die Vielzahl der Worte für die Erhörung garantiert (Mt 6,7). Aber es ist ebenso wahr, daß das innere Gebet aufgrund der Natur des Menschen selbst danach strebt, sich in Worten, in Gesten und insgesamt in Akten des sogenannten äußeren Kultes auszudrücken und auszubreiten, dessen Seele immer das Gebet des Herzens ist. 6. Das Konzil weist außerdem auf die „echten Quellen der christlichen Frömmigkeit“ und des Gebets hin (Perfectae caritatis, Nr. 6): Diese sind die Heilige Schrift, deren Lesung und Betrachtung das Konzil empfiehlt, damit die Gottgeweihten tiefer in das Geheimnis Christi eindringen können, sowie die Liturgie, vor allem die Eucharistiefeier mit dem Reichtum ihrer Lesungen, der sakramentalen Teilhabe am Erlösungsopfer des Kreuzes und dem lebendigen Kontakt mit Christus, Speise und Trank in der Kommunion. Einige Institute regen auch die eucha-ristische Anbetung an, die geeignet ist, die Betrachtung und die Verbundenheit mit der Person Christi zu fördern und die Anziehungskraft zu bezeugen, die seine Ge- 6 AUDIENZEN UND ANGELUS genwart auf die Menschheit ausübt (vgl. Joh 12,32). Sie sind unbedingt gutzuheißen und zur Nachahmung zu empfehlen. 7. Man weiß, daß es heute wie auch in der Vergangenheit „gänzlich auf die Kontemplation hingeordnete Institute“ gibt (Perfectae caritatis, Nr. 7). Sie haben ihren Platz im Leben der Kirche - mag die heute in der Welt spürbare „Notwendigkeit zum tätigen Apostolat noch so sehr drängen“. Es ist die konkrete Anerkennung des Wortes Christi vom „einzig Notwendigen“. Die Kirche braucht dieses Gebet der Kontemplativen, um in ihrer Vereinigung mit Christus zu wachsen und die notwendigen Gnaden für ihre Entwicklung in der Welt zu erlangen. Die Kontemplativen, die Mönche und Nonnen, die Klausurklöster sind also auch Zeugen der Priorität, die die Kirche dem Gebet einräumt, und der Treue, die der Antwort gegenüber bewahrt wird, die Jesus Marta über den von Maria gewählten „besseren Teil“ gegeben hat. 8. An dieser Stelle ist zu erwähnen, daß die Antwort auf die kontemplative Berufung große Opfer mit sich bringt, insbesondere das des Verzichtes auf eine unmittelbare apostolische Tätigkeit, die vor allem heute der Mehrheit der christlichen Männer und Frauen wesenseigen zu sein scheint. Die Kontemplativen widmen sich dem Dienst des Ewigen und „bringen Gott ein erhabenes Lobopfer dar“ (Perfectae caritatis, Nr. 7) in einem so hohen Stand persönlicher Hingabe, daß er eine besondere Berufung erfordert, die vor der Zulassung oder der Ablegung der ewigen Gelübde geprüft werden muß. Es ist jedoch daraufhinzuweisen, daß auch die kontemplativen Institute in der Kirche eine apostolische Funktion haben. Denn das Gebet ist ein Dienst an der Kirche und an den Seelen. Es bringt „reiche Früchte der Heiligkeit“ hervor und erzeugt im Volk Gottes „eine geheimnisvolle apostolische Fruchtbarkeit“ (Perfectae caritatis, Nr. 7). Tatsächlich weiß man, daß die Kontemplativen für die Kirche beten und leben und zu ihrer Untersützung und ihrem Fortschritt himmlische Gnaden und Hilfen erlangen, die weit höher sind als die, die durch Aktionen verwirklicht werden. In dieser Beziehung ist es gut, die heutige Katechese mit dem Hinweis auf die hl. Theresia vom Kinde Jesu zu beenden, die durch ihr Gebet und ihr Opfer der Evangelisierung ebenso, ja noch mehr diente, als wenn sie sich ganz der Missionstätigkeit gewidmet hätte. Deshalb wurde sie auch zur Patronin der Missionen erklärt. Damit wird die wesentliche Bedeutung der Institute des kontemplativen Lebens deutlich und die Notwendigkeit hervorgehoben, daß alle Institute des gottgeweihten Lebens, auch die, die sich dem intensivsten und vielfältigsten Apostolat widmen, daran denken, daß auch die heiligste und wohltuendste Tätigkeit zugunsten des Nächsten nie vom Gebet als der Hingabe des Herzens, des Geistes und des ganzen Lebens an Gott entbindet. 7 A UDIENZEN UND ANGEL US In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In der christlichen Tradition wurde der Betrachtung als tiefstem Ausdruck des geistlichen Lebens und als Höhepunkt des Gebets immer ein besonderer Platz eingeräumt. Der Akt der Betrachtung verleiht dem Ordensleben die Fülle seiner Bedeutung als Folge der besonderen Weihe, die sich aus den evangelischen Räten ergibt. Kraft dieser Weihe muß das Ordensleben ein Leben des Gebetes und folglich der Betrachtung sein. Das Gebetsleben ist wesentlich für jedes gottgeweihte Leben. Dabei unterscheidet die Tradition verschiedene Gebetsformen, besonders das Gebet in Gemeinschaft und das stille persönliche Gebet. Immer ist darauf zu achten, daß beide Gebetsformen in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen. Das Konzil fügt weiter die „echten Quellen der christlichen Frömmigkeit“ und des Gebetes hinzu (Perfectae caritatis, Nr. 6), nämlich die Heilige Schrift und die heilige Liturgie, zumal die Eucharistiefeier. Manche Institute fördern auch die Praxis der eucharistischen Anbetung. Wie in der Vergangenheit gibt es ebenso heute „gänzlich auf die Kontemplation hingeordnete Institute“ (Perfectae caritatis, Nr. 7). Auch sie haben in der Kirche eine apostolische Funktion. Beschließen möchte ich die heutige Katechese, indem ich an die hl. Theresia vom Kinde Jesu erinnere, die mit ihrem Gebet und ihrem Opfer der Evangelisierung gedient hat. Sie wurde sogar zur Patronin der Mission ernannt. Mit diesen Überlegungen grüße ich Euch, die deutschsprachigen Pilger und Besucher, sehr herzlich und wünsche Euch allen noch ein gesegnetes und friedvolles Neues Jahr. Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Länder der Erde, wendet euch Gott zu! Angelus am 6. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute ist das Fest der Kirche, die aufgrund der verwundeten Menschheit leidet, sich aber im Innern freut, „denn die Gnade Gottes ist erschienen“ und seine „Güte und Menschenliebe“ (Tit 2,11; 3,4). Die Geburt Jesu in der Verborgenheit von Betlehem hat am Horizont ein neues Licht angezündet, das dem, der die Wahrheit, die Gerechtigkeit, den Frieden und die Freiheit sucht, welchem Volk, welcher Kultur oder Gesellschaftsschicht er auch angehören mag, den Weg weisen kann. Das Herz der Kirche frohlockt wie das von Maria, die sah, wie die Sterndeuter aus dem Osten nach Betlehem kamen, vor dem Kind niederfielen und ihm als dem Kö- 8 AUDIENZEN UND ANGELUS nig huldigten, während sie ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben darbrachten (vgl. Mt 2,11). Die Mutter ist voll des Dankes, weil sie sieht und versteht, daß die Liebe Gottes alle Menschen an sich zieht. 2. Heute freut sich die Kirche im Heiligen Geist - Geschenk des Vaters und des Sohnes und Quelle aller Gaben -, der ihr Leben und ihre Sendung bereichert. Sie freut sich besonders über die zehn neuen Bischöfe, die heute morgen in der Petersbasilika geweiht wurden. Im Episkopat offenbart sich die doppelte Bewegung der Kirche, der Antrieb zur Gemeinschaft und zur Sendung: von den Völkern zur Mitte, die Christus ist; und von Christus zu den Völkern bis an die Enden der Erde. Liebe Brüder und Schwestern! Ich empfehle die Neugeweihten eurem Gebet, daß sie heilige und hochherzige Arbeiter für das Evangelium seien und das Volk Gottes durch das Wort und Beispiel leiten. 3. Auch die orientalischen Kirchen, die nach dem alten Kalender morgen die Geburt des Herrn feiern, sind voller Freude. Allen Brüdern und Schwestern des christlichen Ostens gilt unser brüderlicher Gruß. Indem ich aufrichtige Wünsche zum Fest entbiete, bitte ich den Herrn, daß das soeben begonnene Jahr, das uns dem Jahr 2000 näherbringt, allen helfe, im Gebet und im Dialog die Einheit zu vertiefen, die uns vom Herrn als Geschenk und als unermüdlich zu bewältigende Aufgabe anvertraut wurde. Am heutigen Tag erneuert die Kirche den Aufruf des Evangeliums: Wendet euch Gott zu, alle Länder der Erde! Wendet euch ihm zu, der in Christus Jesus sein Erbarmen und seine Treue voll kundgetan hat. Ohne Gott und noch weniger gegen ihn gibt es kein Heil und keine Gerechtigkeit. Er hat nicht im verborgenen gesprochen, sondern allen das Wort der Wahrheit offenbart: Das Wort, das in Jesus Fleisch geworden ist. Wer Christus sieht und hört, sieht und hört den Vater. Darum haltet inne, und richtet euer Denken auf den Herrn! Laßt euch durch seine Güte besänftigen, durch seine Milde überzeugen und durch seine Armut reich machen (vgl. 2 Kor 8,9). Wir bitten Maria von Nazaret, die die Weisheit des Vaters auf dem Schoß hält, diese Einladung zu den Gläubigen und zu jedem Menschen guten Willens gelangen zu lassen. Ihre mütterliche Fürsprache erlange für die Kirche und die Welt das Geschenk der Einheit und des Friedens. 9 AUDIENZEN UND ANGELUS Christliche Sendung ist auch Verpflichtung Angelus am 8. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude hören wir heute, am Fest der Taufe Jesu, die Worte des Evangeliums: „Eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Lk 3,22). Es ist die Stimme des himmlischen Vaters, der die Erfüllung der prophetischen Ankündigungen des Erlösers bestätigt. Ein besonderes Echo weckt in unseren Herzen die Botschaft des Engels an Maria: „Der Heilige Geist wird über dich kommen“ (Lk 1,35) und die Worte der Sterndeuter, die am Fest der Erscheinung des Herrn verkündet wurden: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ (Mt 2,2). Jetzt, nachdem wir die Geheimnisse der Geburt des Herrn von neuem erlebt haben, fühlen wir uns ermutigt, der Welt die Einladung zu überbringen, daß sie in Christus den Immanuel, den Gott mit uns, erkennt. Die Kirche beginnt auf diese Weise im soeben begonnenen Jahr das Geheimnis der Verbreitung des Evangeliums wiederzuerleben: Sie empfängt die Theophanie des Jordans und nimmt mit Christus ihren Weg des Zeugnisses wieder auf. 2. Mit diesen Empfindungen und diesen Hoffnungen habe ich heute morgen in der Sixtinischen Kapelle die Taufe einiger Kinder vollzogen. Der eben beendete Ritus soll ein Zeichen für alle sein. Denn wir sind auf gerufen, über die Tatsache nachzudenken, daß Jesus uns die Möglichkeit gegeben hat, Kinder Gottes zu sein: Wir sind wirklich in Ihm durch die Taufe „nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren“ (Loh 1,14). Dasselbe Glaubensempfinden beseelt mich beim Antritt der nächsten Pastoraireise, in deren Verlauf wir in Manila am nächsten Sonntag, 15. Januar, den 10. Weltjugendtag feiern werden. Die Reiseroute meiner Pilgerfahrt weist mehrere Stationen auf: in Port Moresby die Seligsprechung von Pietro To Bot und die Begegnung mit den Bischöfen von Papua-Neuguinea, in Sydney (Australien) die Seligsprechung von Sr. Mary Mackillop und in Colombo (Sri Lanka) die Seligsprechung von P. Giuseppe Vaz, Missionar der Kongregation des Oratoriums vom hl. Philipp Neri. Höhepunkt bleibt aber das Treffen mit der Jugend in Manila. Wir werden gemeinsam nachdenken über die Worte des Auferstandenen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Loh 20,21). Von Christus gerufen, werden die jungen Menschen aus allen Erdteilen eingeladen, mit offenem und hochherzigem Sinn ihre Verpflichtung für die Neuevangelisierung zu überprüfen: Sie sind aufgerufen, Missionare des Evangeliums zu sein, vom Herrn beauftragt, seine Sendung fortzusetzen. 10 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Liebe Brüder und Schwestern! Erbitten wir den Schutz der Jungfrau auf dieser wichtigen Reise. Bitten wir den Stern der Evangelisierung, daß die an diesem Treffen überwiegend beteiligten kirchlichen Gemeinschaften Asiens ihre Rolle auf dem Weg der Evangelisierung verstehen und immer eifriger Zeugnis für das Evangelium geben mögen. Einen Dank an alle, an die Römer, die Italiener, die Polen, an alle, ganz besonders an jene, die ich getauft habe, an ihre Familien, ihre Eltern, die Paten und Patinnen. Hoffen wir, uns am nächsten Sonntag in Manila wiederzusehen, wenn Gott es zuläßt. Gelobt sei Jesus Christus. Gottgeweihtes Leben im Dienst der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 11. Januar 1. Das II. Vatikanische Konzil rückt die ekklesiologische Dimension der evangelischen Räte ins Licht (Lumen Gentium, Nr. 44). Im Evangelium gibt Jesus selbst zu verstehen, daß seine Aufrufe zum gottgeweihten Leben auf die Errichtung des Reiches Gottes abzielen: Die freiwillige Ehelosigkeit muß um des Himmelreiches willen geübt werden (vgl. Mt 19,12), und der allumfassende Verzicht, um dem Meister nachzufolgen, wird durch das „Reich Gottes“ (Lk 18,29) gerechtfertigt. Jesus setzt die Sendung, die er den Aposteln aufgetragen hat, in sehr enge Beziehung zu der an sie gerichteten Forderung, alles zu verlassen, um ihm nachzufolgen: ihre weltlichen Tätigkeiten und ihre Besitztümer (ta fdia), wie bei Lukas 18,28 zu lesen ist. Petrus ist sich dessen bewußt; darum sagt er auch im Namen der anderen Apostel zu Jesus: „Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt“ (Mt 10,28; vgl. Mt 19,27). Jesus fordert das, was er von seinen Aposteln verlangt, auch von dem, der ihm auf dem Weg der evangelischen Räte im Apostolat in den verschiedenen Epochen der Geschichte der Kirche folgen will: die Hingabe der ganzen Person und all ihrer Kräfte für die Entfaltung des Reiches Gottes auf Erden, eine Entwickung, für die die Kirche die Hauptverantwortung trägt. Dazu ist auch zu sagen, daß das Ziel der Berufung nach der christlichen Tradition nie ausschließlich die persönliche Heiligung ist. Ja, eine rein persönliche Heiligung wäre nicht echt, denn Christus hat die Heiligkeit und die Nächstenliebe eng miteinander verbunden. Wer deshalb nach persönlicher Heiligkeit strebt, muß es in Verbindung mit einem Dienst für das Leben und die Heiligkeit der Kirche tun. Auch das rein kontemplative Leben bringt diese ekklesiologische Ausrichtung mit sich, wie wir in einer früheren Katechese gesehen haben. Von daher kommt, wie das Konzil lehrt, die Aufgabe und die Pflicht der Ordensleute, „sich um die Einwurzelung und Festigung des Reiches Christi ... und seine weltweite Ausbreitung zu bemühen“ (Lumen Gentium, Nr. 44). Bei der großen Vielfalt der Dienste, die für die Kirche notwendig sind, ist Platz für alle: Und jeder Gottgeweihte kann und muß alle Kräfte für das große Werk der Errichtung und 11 AUDIENZEN UND ANGELUS Ausbreitung des Reiches Christi auf Erden einsetzen, entsprechend den ihm verliehenen Fähigkeiten und Charismen und in folgerichtiger Übereinstimmung mit der Sendung der eigenen Ordensfamilie. 2. Die Missionsarbeit zielt besonders auf die Ausbreitung des Reiches Christi (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44) ab. Die Geschichte lehrt tatsächlich, daß die Ordensleute eine wichtige Rolle bei der missionarischen Ausbreitung der Kirche gespielt haben. Zur Ganzhingabe berufen und geweiht, bekunden die Ordensleute ihre Hochherzigkeit, indem sie sich darum bemühen, die Verkündigung der Frohen Botschaft ihres Herrn und Meisters überall zuverbreiten, auch in den von ihren Heimatländern weit entfernten Regionen, wie es bei den Aposteln der Fall war. Neben den Instituten, in denen sich ein Teil der Mitglieder der Missionsarbeit „ad gentes“ widmet, gibt es andere, die ausdrücklich für die Evangelisierung der Völker gegründet wurden, die das Evangelium noch nicht empfangen hatten oder haben. Das missionarische Wesen der Kirche zeigt sich konkret in einer „besonderen Berufung“ (vgl.Redemptoris missio, Nr. 65), die sie über alle geographischen, ethnischen und kulturellen Grenzen hinweg „in universo mundo“ tätig werden läßt (vgl. Mk 16,15). 3. Das Dekret Perfectae caritatis des II. Vatikanischen Konzils weist darauf hin, daß „in der Kirche die Kleriker und Laieninstitute, die sich mannigfachen apostolischen Aufgaben widmen“, zahlreich sind. „Ihre Gaben sind verschieden gemäß der ihnen verliehenen Gnade“ (Perfectae caritatis, Nr. 8). Der Heilige Geist spendet die Charismen aus je nach den wachsenden Bedürfnissen der Kirche und der Welt. Man muß in dieser Tatsache eines der klarsten Zeichen der göttlichen Hochherzigkeit sehen, die die menschliche Hochherzigkeit inspiriert und antreibt. Und man muß sich wirklich freuen, wenn dieses Zeichen in unserer Zeit so häufig ist, weil es anzeigt, daß sich der Sinn für den Dienst am Reich Gottes und an der Entfaltung der Kirche verbreitet und vertieft. Der Lehre des Konzils entsprechend ist die Tätigkeit der Ordensleute auf unmittelbarer apostolischer wie auch karitativer Ebene kein Hindernis für ihre Heiligung, sondern trägt zu deren Schaffen bei. Denn sie entfaltet die Liebe zu Gott und zum Nächsten, und läßt diejenigen, die das Apostolat ausüben, an der Gnade teilhaben, die den Empfängern dieser Wohltaten gewährt wurde. 4. Das Konzil fügt aber hinzu, daß die ganze apostolische Tätigkeit von einer tiefen Verbundenheit mit Christus geprägt sein muß, nach der die Ordensleute aufgrund ihrer Berufung selbst streben müssen. „Das ganze Ordensleben der Mitglieder muß darum von apostolischem Geist durchdrungen und alle apostolische Arbeit vom Ordensgeist geprägt sein“ (ebd.). Die Gottgeweihten müssen die ersten in der Kirche sein, die beweisen, daß sie der Versuchung widerstehen, das Gebet den Aktionen nachzuordnen. Sie müssen deutlich machen, daß die Tätigkeit ihre apostolische Fruchtbarkeit aus einem inneren Leben schöpft, das vom Glauben und von der Erfahrung der göttlichen Dinge erfüllt ist: „ex plenitudine contempla-tionis“, sagt der hl. Thomas von Aquin (Summa Theol., IM, q.288, a.6; III, q.40, a.l, ad 2). 12 AUDIENZEN UNDANGELUS Die Frage der Übereinstimmung zwischen apostolischer Tätigkeit und Gebet wurde im Laufe der Jahrhunderte wiederholt gestellt - und auch heute, besonders in den monastischen Instituten. Das Konzil weist lobend hin auf „die ehrwürdige Einrichtung des monastischen Lebens, die sich im Laufe vieler Jahrhunderte um Kirche und menschliche Gesellschaft hervorragende Verdienste erworben hat“ (Perfectae caritatis, Nr. 9). Es erkennt die Möglichkeit unterschiedlicher Betonungen der „vornehmsten Aufgabe der Mönche“ an, die „der demütig-hohe Dienst vor der göttlichen Majestät innerhalb des klösterlichen Bereichs“ ist, je nach dem, ob sie eine Ganzhingabe an den Gottesdienst durch ein Leben in Verborgenheit üben oder ob sie „nach ihrer Satzung eine apostolische oder karitative Arbeit übernommen haben“ (Perfectae caritatis, Nr. 9). Im allgemeinen empfiehlt das Konzil allen Instituten eine zweckmäßige Anpassung der Regeln und der Gewohnheiten an die Anforderungen des Apostolats, dem sie sich widmen, unter Berücksichtigung der vielfältigen Formen „des Ordenslebens mit apostolischer Zielsetzung“ und damit des Unterschieds und der Notwendigkeit, daß „das Leben der Mitglieder im Dienst Christi in den einzelnen Instituten von den ihnen eigenen und entsprechenden Mitteln getragen“ werden muß (Perfectae caritatis, Nr. 8). Bei dieser Tätigkeit der Anpassung wird man nie vergessen dürfen, daß es vor allem ein Werk des Heiligen Geistes ist, demgegenüber man deshalb folgsam sein muß bei der Suche nach Mitteln für eine wirksamere und fruchtbarere Tätigkeit. 5. Aufgrund dieses vielfältigen Beitrags, den die Ordensleute entsprechend der Vielfalt ihrer Berufungen und ihrer Charismen durch das Gebet und durch ihre Arbeit zur Ausbreitung und Festigung des Reiches Christi leisten, „schützt und fördert die Kirche den eigenen Charakter der verschiedenen Ordensinstitute“ {Lumen Gentium, Nr. 44); die Kirche „erhebt aber nicht nur den Ordensberuf durch ihre Bestätigung zur Würde eines kanonischen Standes, sondern macht ihn auch durch ihre liturgische Feier zu einem Gott geweihten Stand ... und vereint ihre Hingabe mit dem eucharistischen Opfer“ {Lumen Gentium, Nr. 45). Der römische Papst schaut dem Konzil gemäß besonders auf das Wohl der Ordensinstitute und ihrer einzelnen Mitglieder „zur besseren Vorsorge gegenüber den Erfordernissen der ganzen Herde des Herrn“: In den Bereich dieser Zielsetzung gehört auch die ,3xemtion“, durch die einige Institute unmittelbar der päpstlichen Autorität unterstellt werden. Diese „Exemtion“ dispensiert die Ordensleute nicht von der Pflicht, „den Bischöfen ... Ehrfurcht und Gehorsam (zu) leisten“ {Lumen Gentium, Nr. 45). Sie hat nur das Ziel, die Möglichkeit einer apostolischen Tätigkeit sicherzustellen, die besser dem Gesamtwohl der Kirche dient. Weil es im Dienst der Kirche steht, steht das gottgeweihte Leben für die Sorgen und Pläne des Papstes, des sichtbaren Oberhauptes der Gesamtkirche, in besonderer Weise zur Verfügung. Hier erreicht die kirchliche Dimension des Ordenslebens 13 AUDIENZEN UND ANGELUS einen Höhepunkt, der nicht nur kanonischer, sondern geistlicher Ordnung ist: Das Gehorsamsgelübde, das die Ordensleute der Obrigkeit der Kirche in ihrer von Christus übertragenen stellvertretenden Rolle gegenüber ablegen, wird konkrete Wirklichkeit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dem innigen Wunsch, Gott möge Euch auf Euren Wegen begleiten und beschützen, grüße ich Euch alle, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich. Euch, Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Hochachtung für die Anhänger des Buddhismus Mit Gottes Hilfe beginne ich am heutigen Spätnachmittag eine apostolische Pilgerfahrt, die mich vor allem nach Manila auf die Philippinen führen wird, um dort mit den Jugendlichen aus aller Welt den 10. Weltjugendtag zu feiern. Dann werde ich nach Papua-Neuguinea, nach Australien und nach Sri Lanka reisen, um drei neue Selige zu proklamieren. Im Verlauf der Reise werde ich Gelegenheit zur Begegnung mit den Repräsentanten der verschiedenen Religionen haben, unter ihnen auch die angesehenen Vertreter des Buddhismus. Gern benütze ich die Gelegenheit, um die Anhänger der buddhistischen Religion meines tiefen Respekts und meiner aufrichtigen Hochachtung zu versichern. Ich hoffe, daß der Besuch in Sri Lanka und in den anderen Ländern den Dialog und das Verständnis zwischen den Religionen verstärken möge, indem er eine immer engere Zusammenarbeit zugunsten des Friedens und der Solidarität unter den Völkern fördert. Darum bitte ich den Herrn, während ich den Segen auf alle herabrufe, denen ich — soweit es mir gegeben ist - in den kommenden Tagen begegnen werde. Gemeinschaft mit Gott und unter den Christen Angelus am 22. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Soeben habe ich die lange Pastoraireise nach Asien und Ozeanien beendet, deren Höhepunkt die Feier des 10. Weltjugendtages am vergangenen Sonntag in Manila war. Vor Augen und im Herzen habe ich noch den Enthusiasmus von Millionen Jugendlicher der Philippinen und aus jedem anderen Teil der Welt. Alle zusammen haben ein einzigartiges Glaubenszeugnis gegeben. Dafür danken wir dem Herrn! Ebenso möchte ich meinen Dank all denen aussprechen, die in irgend- 14 AUDIENZEN UND ANGELUS einer Weise zum guten Gelingen dieser apostolischen Pilgerreise beigetragen haben, die von Manila nach Port Moresby in Papua-Neuguinea, dann nach Sydney in Australien und schließlich nach Colombo in Sri Lanka führte. Außerdem danke ich allen, die mich mit ihrem Gebet begleitet haben, besonders den Jugendlichen, die mir aus der Feme, aber mit ihrem Herzen gefolgt sind. Der Herr schenke jedem die Freude und den Mut, „zur Welt von seiner Liebe zu sprechen“, wie ihre Altersgenossen in Manila gesungen haben. 2. Der heutige Sonntag fällt in die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“, die vom 18. bis zum 25. Januar dauert. Diese Zeit ist für die Christen - Katholiken, Orthodoxe, Protestanten und Anglikaner - besonders passend, den Herrn inständig zu bitten, daß die unter ihnen noch bestehenden Unstimmigkeiten überwunden und die volle Einheit erlangt wird. Diese Trennung, so schrieb ich in dem jüngsten Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente, ist „ein entscheidendes Problem für das evangelische Zeugnis in der Welt“ (Nr. 34). Sie darf einfach nicht sein, um der Treue zum Herrn und der Glaubwürdigkeit der Verkündigung des göttlichen Heils willen. Die Treue zu dem einzigen Erlöser der Menschheit erfordert die Einheit aller Christen, das heißt „die Gemeinschaft mit Gott und unter uns“ (vgl. Joh 15,1-17). Und genau mit diesen Worten wurde in diesem Jahr das Thema der Gebetswoche formuliert, das gemeinsam vom Ökumenischen Rat der Kirchen und für die kathoüsche Kirche vom Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen vorgeschlagen worden war. 3. Nur die wahre Gemeinschaft mit Gott erzeugt wahre Einheit unter den Christen, denn sie drängt jeden Jünger, dem Willen des einzigen Meisters gegenüber aufmerksam und einsichtig zu sein. Das wirkt sich unweigerlich auf die Beziehungen der Christen untereinander aus, weil Jesu Wille eindeutig ist: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Je mehr die christliche Gemeinschaft dieses Gebot in die Praxis umsetzen wird, desto wirksamer wird das demütige und einträchtige Gebet sein, mit dem sie das Geschenk der Einheit erfleht. Die brüderlichen Beziehungen, der auf die Wahrheit bedachte Dialog und die auf das Wohl des Nächsten ausgerichtete ständige Zusammenarbeit sind zweifellos hilfreich auf dem Weg zur Erlangung der vollen Gemeinschaft, die der Herr gewiß eines Tages verwirklichen wird. Wir erbitten für dieses Bemühen, das jeden Getauften betrifft, die mütterliche Fürsprache der Jungfrau Maria, der Theotokos, der Mutter Gottes und Mutter der Christen, die das unvergleichliche Vorbild der Treue und des Gehorsams ist. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich danke nochmals allen Römern und allen Pilgern für ihre Anwesenheit heute. Ich danke erneut allen, denen ich während dieser zehn Tage auf den Philippinen, in Port Moresby in Papua-Neuguinea, in Sydney in Australien und in Colombo in 15 AUDIENZEN UND ANGELUS Sri Lanka begegnet bin, und allen, die mir durch ihr Gebet auf dieser langen und Gott sei Dank hoffentlich auch nutzbringenden Reise geholfen haben. Herzlich grüße ich alle und wünsche einen guten Sonntag und eine gute Woche, denn sie ist aufgrund der Weltgebetsoktav von besonderer Bedeutung. Gelobt sei Jesus Christus! Gerechter Frieden für Tschetschenien Aus Tschetschenien kommen dringende Hilferufe, einen Konflikt zu beenden, der bereits Hunderte von Toten und ungeheure Zerstörungen vor allem in Grozny hervorgerufen hat. Die internationale Gemeinschaft verfolgt mit lebhafter Besorgnis das, was in dieser Region geschieht. Äußerst empfänglich für so dringende Bitten, wende ich mich an die politischen Verantwortlichen, damit sie sich bei den Verhandlungen entschlossen darum bemühen, die noch bestehenden Streitigkeiten zu überwinden und endlich zu einem gerechten und dauerhaften Frieden zu gelangen. Ich fordere besonders die katholische Gemeinschaft auf, diesen so schwergeprüften Völkern durch das Netz ihrer humanitären Organisationen zu Hilfe zu kommen. Ökumene - Gemeinsam wachsen in der Erkenntnis der Wahrheit Ansprache bei der Generalaudienz am 25. Januar 1. Heute, am Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paulus, wollen wir über das Thema Einheit der Christen nachdenken. Über die apostolische Reise nach Asien und Ozeanien, bei der ich die Freude hatte, am 10. Weltjugendtag teilzunehmen, werde ich bei der nächsten Generalaudienz sprechen. Mit dem Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paulus endet die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Das für dieses Jahr gewählte Thema ist dem Johannesevangelium entnommen: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5). Das Gleichnis vom Weinstock kehrt in der Heiligen Schrift immer wieder (vgl. Jes 5,1-7; Jer 2,21; Ez 15,1-8). Es ist ein Symbol, das auf die Gemeinschaft Gottes mit seinem Volk und auf die Liebe hinzielt, mit der er es erwählt hat und liebt. Jesus selbst greift es auf, um die zwischen ihm und den Jüngern bestehende Beziehung zu verdeutlichen. 2. Das dem Bereich der Natur entnommene Bild beschreibt unmittelbar und eindringlich das übernatürliche Geheimnis der Lebensgemeinschaft zwischen Jesus und den Seinen. Wie bei dem Weinstock und den Reben so strömt auch zwischen dem Meister und den Jüngern derselbe Lebenssaft, wird dasselbe göttliche Leben mitgeteilt, das ewige Leben, „das beim Vater war und uns offenbart wurde“ (7 Joh 1,2). Die Reben sind mit dem Weinstock verbunden, und aus ihm schöpfen sie Nahrung, damit sie die „Frucht“ hervorbringen und wachsen lassen. In gleicher Weise sind die Jünger mit dem Herrn verbunden und können dank dieser existentiellen Verbundenheit geistlich wirken und Frucht bringen: „Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt“ (Joh 15,4). 16 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Reben haben kein Eigenleben: Sie existieren nur, so lange sie mit dem Weinstock verbunden bleiben, der sie hervorgebracht hat. Ihr Leben gleicht sich dem des Weinstocks an. Ein und derselbe Lebenssaft fließt sowohl in dem einen wie in den anderen; die Weinstöcke und die Reben tragen dieselbe Frucht. Zwischen ihnen besteht also ein unauflösliches Band, das das zwischen Jesus und seinen Jüngern bestehende verdeutlicht: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch“ (Joh 15,4). Wenn die Reben den gleichen Lebenssaft wie der Weinstock haben, dann sind sie auch untereinander in wechselseitiger Gemeinschaft verbunden. Aus dieser Existenz in einer Lebensgemeinschaft erwächst der Anspruch der Gemeinschaft in der Liebe: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Mit einer starken Liebe, die weder Einschränkungen noch Grenzen kennt und die Jesus mit seinem Tod in Zusammenhang bringt, den er erlitten hat, um die „Freunde“ zu retten, die Jünger, die an ihn geglaubt haben: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Der Hinweis auf die Erlösung unterstreicht noch stärker die gemeinsame Bestimmung der Jünger Christi: Sie alle wurden von dem einen Herrn gerettet. 3. Das Dekret des II. Vatikanischen Konzils über den Ökumenismus hat dieses lebenswichtige Geheimnis der Gemeinschaft, das heißt die Eingliederung der Getauften in Christus, einsichtig dargestellt: „Der Mensch wird durch das Sakrament der Taufe, wenn es gemäß der Einsetzung des Herrn recht gespendet und in der gebührenden Geistesverfassung empfangen wird, in Wahrheit dem gekreuzigten und verherrlichten Christus eingegliedert und wiedergeboren zur Teilhabe am göttlichen Leben“ ([Unitatis redintegratio, Nr. 22). Aus diesem Grund ist die Taufe das zwischen den Jüngern Christi bestehende sakramentale Band der Einheit. Die Trennungen verursachten im Laufe der vergangenen Jahrhunderte eine tiefgehende Störung in der christlichen Gemeinschaft. Sie riefen zuweilen schwere und dramatische Risse und Spaltungen hervor, die nicht selten schmerzliches Leid verursacht haben. Keine Trennung konnte jedoch die grundlegende Gemeinschaft verletzen, die unter denen bestehen bleibt, „die den dreieinigen Gott anrufen und Jesus als Herrn und Erlöser bekennen“ (ebd., Nr. 1). 4. Im Gehorsam gegenüber dem Willen Christi, der für die Einheit der Jünger gebetet hat, und im Vertrauen auf den Beistand des Heiligen Geistes bemüht sich die ökumenische Bewegung mit Ausdauer und Hingabe, die Grundlagen der Einheit 17 AUDIENZEN UND ANGELUS zu fördern und etwa vorkommende Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen, damit sich die bereits teilweise bestehende Gemeinschaft bis zur vollen Einheit im Glauben, in den Sakramenten und in der aufeinander abgestimmten Gliederung der kirchlichen Gruppen entwickeln kann. Die verschiedenen Initiativen, die die ökumenische Bewegung fördert, wie auch der eigentliche und wahre theologische Dialog zielen jede für sich einzig darauf hin, zu der vom Herrn gewollten Einheit zu gelangen. Auch in diesem Jahr haben wir Grund, dem Herrn für die vielen Zeichen der Hoffnung zu danken, die das Streben nach der Einheit in uns weckt. Die verschiedenen Formen des Dialoges fördern das Fortschreiten auf dem glücklich begonnenen Weg. So ist man zu bedeutenden Klarstellungen gekommen, und in bezug auf einige schwierige Themen, wie das der „Rechtfertigung“, hat uns die durchgeführte Forschung einem gemeinsamen Verständnis nähergebracht. Muß man nicht in diesem Zusammenhang erwähnen, daß ich jüngst eine christo-logische Erklärung mit dem Patriarchen der assyrischen Kirche des Ostens, Mar Denkha IV., unterzeichnen konnte, in der wir zusammen den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus, das Wort des menschgewordenen Gottes, wahrer Gott und wahrer Mensch, bekennen? Mit dieser Erklärung wurde eine Kontroverse mit dieser Kirche beigelegt, die bereits über 1500 Jahre andauerte. Das war eine Bestätigung dafür, daß auf dem Wege des Dialoges möglich ist, über zeitliche und kulturelle Distanzen hinweg Mißverständnisse und Vorurteile abzuklären. 5. Die bisher erreichten Zwischenergebnisse zeigen, daß unüberwindlich scheinende Hindernisse die Gelegenheit zum Wachsen einer volleren Erkenntnis der Wahrheit bieten. Es sind Herausforderungen, die anzunehmen sind und die ein persönliches Engagement der Christen, Arbeitsbereitschaft und vielleicht eine noch größere Entschlossenheit verlangen. Der Lebenssaft, der in den Reben fließt und ihnen aus dem Weinstock zuströmt, nährt den Drang, „mehr zu tun“. Das Ziel des nunmehr bevorstehenden Jahres 2000 ist gleichfalls eine Herausforderung, Besseres und mehr zu tun, damit im 3. Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung die Lebensgemeinschaft der Reben mit dem Weinstock ein Bild bietet, das dem angemessener entspricht, welcher der wahre Weinstock ist: Jesus Christus. Liebe Brüder und Schwestern! Erneuern wir unseren Einsatz, und bitten wir den Herrn, daß er uns gewähre, beharrlich und guten Willens fortzuschreiten auf dem schon begonnenen Weg, um zum Frieden, zur Versöhnung und zum Lobpreis Gottes zu gelangen, damit unser Zeugnis vor der Welt glaubwürdig werde. Der Papst sagte in Deutsch: Mit dem innigen Wunsch, Euren Einsatz für die ersehnte Einheit der Christen zu erneuern und den begonnenen Weg mit Beharrlichkeit und gutem Willen weiterzugehen, grüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich. Euch, Euren Angehörigen und Freunden in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 18 AUDIENZEN UNDANGELUS In Tschechisch sagte der Papst: Ein herzliches Willkommen an die Pilger aus der Tschechischen Republik, besonders an die Dozenten der „Comenia Consult“ von Prag. Gelobt sei Jesus Christus. Mit dem heutigen Fest der Bekehrung des hl. Paulus geht die Gebetswoche für die Einheit der Christen zu Ende. Mögen die Worte Jesu: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein“ (Joh 17,21) in uns als ständige Einladung zum Gebet für die Einheit der Christen weiterklingen. Von Herzen erteile ich Euch meinen Apostolischen Segen. Niemals wieder Antisemitismus! -Niemals wieder Völkermorde/ Angelus am 29. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute morgen habe ich in der Petersbasilika vier neue Selige vorgestellt: Jeder von ihnen gibt uns ein konkretes Beispiel der Treue zu Gott und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern. Sie sind auch Vorbilder der tiefgehenden Hingabe an die Mutter des Herrn. Liebe Brüder und Schwestern! Der selige Rafael Guizar Valencia, mexikanischer Bischof, meisterte mit Tapferkeit die dramatische Situation seines katholischen Landes, in dem die Kirche verfolgt wurde. Dabei half und inspirierte ihn immer die enge Verbundenheit mit der Eucharistie und mit der seligen Jungfrau Maria, der Stütze seines geistlichen Lebens. In der Tat war auf seinem Bischofswappen die Jungfrau von Guadalupe kniend vor dem Allerheiligsten Altarsakrament abgebildet. Von einfacher Herkunft, Waise und Behinderte war die selige Genoveva Torres Morales. In ihrer Behinderung wurde die Kraft Gottes offenbar. Sie folgte dem Beispiel Marias: Wie die einfache Magd von Nazaret sprach auch sie ihr „fiat“ im Vertrauen auf die Macht des Herrn und erhielt von ihm die notwendige Hilfe, um auf die Berufung zum Ordensleben hochherzig zu antworten und ein neues Institut zu gründen. 2. Pater Modestino verbreitete die Verehrung der Mutter vom Guten Rat, die er von Kindheit an übte. Maria führte ihn in seinem täglichen Apostolat und drängte ihn, die Menschen ohne Vorbehalt zu lieben, bis er bei der Pflege der Cholerakranken sein Leben ließ. Und der selige Grimoaldo Santamaria ist für die Jugend aller Zeiten ein eindrucksvolles Beispiel kindlicher Hingabe an Maria. Er lebte eine tiefe und innige Weihe an Maria, deren Gegenwart er besonders während der heiligen Messe spürte. Er wandte sich an sie in jeder Not mit grenzenlosem Vertrauen. 19 AUDIENZEN UND ANGELUS Liebe Brüder und Schwestern! In Gemeinschaft mit diesen neuen Seligen erneuern auch wir heute unser Ja zu Gott nach dem Vorbild Marias, der vollkommenen Jüngerin des Herrn, und wir bitten sie, uns zu helfen, damit wir unsere christliche Berufung treu verwirklichen. 3. Der 50. Jahrestag der Befreiung der Gefangenen von Auschwitz erinnert uns an eine der dunkelsten und tragischsten Stunden der Geschichte. In Auschwitz und in anderen Konzentrationslagern starben viele Unschuldige verschiedener Nationalität. Insbesondere die Söhne und Töchter des jüdischen Volkes, dessen systematische Ausrottung das Naziregime geplant hatte, erlitten die dramatische Erfahrung des Holocaust. Es war eine Verdunkelung der Vernunft, des Gewissens und des Herzens. Die Erinnerung an diesen Triumph des Bösen muß uns mit tiefer Bitterkeit erfüllen in brüderlicher Solidarität mit allen, die das unauslöschliche Zeichen jener Tragödien tragen. Aber leider sind unsere Tage weiter durch viel Gewalt gekennzeichnet. Gott will nicht, daß man morgen über andere „Auschwitz“ von heute weinen muß. Beten und arbeiten wir dafür, daß dies nicht geschehe. Niemals wieder Antisemitismus! Niemals wieder die Arroganz der Nationalismen! Niemals wieder Völkermorde! Das dritte Jahrtausend eröffne eine Zeit des Friedens und der gegenseitigen Achtung unter den Völkern. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute wird der Welttag der Leprakranken begangen. Leider gibt es in der Welt noch viele Menschen, die von der Hansenschen Krankheit betroffen sind, vor allem dort, wo Armuts und Elendsbedingungen vorherrschen. Und doch kostete es nicht viel, um diese Krankheit endgültig auszumerzen. Während ich voll Liebe unsere leprakranken Brüder und Schwestern grüße, spreche ich allen, die ihnen Hilfe leisten, meine Hochschätzung aus. Ich grüße außerdem die auf diesem Gebiet tätigen Vereinigungen, angefangen von den „Freunden von Raoul Follereau“, deren römische Gruppe hier am Petersplatz anwesend ist. Allen gilt meine herzliche Ermutigung. Grußwort des Papstes an die Katholische Aktion: Die freigelassenen Tauben sind immer wieder zurückgekommen, um sich auf dem Fenstersims niederzulassen. Während der Papst dies beobachtete, meinte er: Es macht den Eindruck, als fühlten sich die Tauben hier zu Hause! Sie sollten aber die Friedensbotschaft in die ganze Welt hinaustragen. Es ist zur Zeit warm und nicht kalt - und deshalb müssen wir uns keine Sorgen um die Tauben machen. Am Schluß fügte der Papst folgendes hinzu: Ich wünsche allen eine angenehme Woche. Eine recht angenehme Woche zum Monatsabschluß. 20 AUDIENZEN UNDANGELUS Die Katholische Aktion für den Frieden ist auch da: nicht nur die Katholische Aktion für die Jugendlichen, sondern die ganze Katholische Aktion für den Frieden. Lebt wohl! Auf Wiedersehen! Zeichen für die Jugendlichkeit der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 1. Februar 1. Die heutige Audienz möchte ich meiner jüngsten apostolischen Reise widmen, die vom 11. bis zum 21. Januar stattgefunden hat. Eine Reise, die mich zunächst auf die Philippinen (Manila) führte, dann nach Papua-Neuguinea (Port Moresby), Australien (Sydney) und Sri Lanka (Colombo). Besuchsziel auf den Philippinen war die Teilnahme am Weltjugendtag; Hauptmotivation für die drei nachfolgenden Stationen waren die ersten Seligsprechungen der Kirche in Papua-Neuguinea, in Australien und in Sri Lanka. Zuerst möchte ich noch einmal allen danken, die zur Verwirklichung dieser langen Pilgerreise beigetragen haben, den Bischöfen und den staatlichen Obrigkeiten der besuchten Nationen. Der Hl. Stuhl spricht den Staatsoberhäuptern und den führenden Politikern seinen aufrichtigen Dank aus für alles, was sie für die Organisiation und den Verlauf des Besuches getan haben. 2. Thema des Zehnten Weltjugendtages waren die Worte Christi: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Die Jugendtreffen finden alljährlich in den einzelnen Diözesen und Pfarreien in Verbindung mit dem Palmsonntag statt. Das Treffen in Manila war das zehnte Jahres- und das sechste der Welttreffen, die seit 1984 nacheinander in Rom (1985), in Buenos Aires in Argentinien (1987), in Santiago de Compostela in Spanien (1989), auf dem Jasna Göra in Tschenstochau in Polen (1991) und in Denver/USA (1993) stattgefunden haben. Das nächste Zusammentreffen ist, so Gott will, 1997 in Paris vorgesehen. Was die jährlichen mit den weltweiten Treffen verbindet, ist die Idee und die Wirklichkeit des pilgernden Volkes Gottes. Trotz der vor einigen Jahren erhobenen Ein wände faßt dieser Gedanke immer mehr Fuß: Die Kirche ist das in der Welt pilgernde Volk Gottes, wie das II. Vatikanische Konzil in der Konstitution Lumen Gentium (Nr. 9) betont hat. Die jungen Menschen sind besonders offen für diese Wahrheit. Indem sie auf Pilgerfahrt gehen, begegnen sie einander, tauschen gemeinsame Erfahrungen aus und stärken sich gegenseitig in dem Glauben, der aus dem Innern des Volkes Gottes hervorgeht. 3. Die Worte „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ wurden vom auferstandenen Christus an die im Abendmahlssaal versammelten Apostel gerichtet. Damals, nach den Ereignissen des Karfreitags, herrschte in der Gemeinschaft der Apostel noch Angst. Deshalb wiederholt der Herr: „Fürchtet euch nicht!“ {Mt 28,10; Mk 16,6; vgl. Lk 24,37-38). Die Sendung, die Christus vom Vater er- 21 AUDIENZEN UND ANGELUS halten hat und die er an die Apostel weitergibt, ist größer als die durch das Karfreitagsdrama hervorgerufene Angst. Die Apostel sind Zeugen des Sieges Christi; und gerade dieser Sieg hilft ihnen, empfangenen Sendungsauftrag anzunehmen. Christus sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,21-22). So wird der Abendmahlssaal von Jerusalem auf das Kommen des Heiligen Geistes vorbereitet, das sich sehr bald am Pfingst-tag ereignen sollte. Pfingsten ist die volle Offenbarung dessen, was am Tag der Auferstehung geschehen ist. Gerade das, was sich an jenem Tag ereignet hat, und die Worte des Auferstandenen an die Apostel waren Gegenstand des Nachdenkens für die in Manila versammelten Jugendlichen, zunächst für die Gruppe der Delegierten des Internationalen Forums der Jugendlichen, die aus über hundert Ländern aus allen Kontinenten stammten; dann bei der großen Vigilfeier am Samstagabend und zum Schluß bei der sonntäglichen Eucharistiefeier, die Ortsnachrichten zufolge mehr als vier Millionen Teilnehmer verzeichnen konnte. 4. Die Wahl Manilas als Ort des Weltjugendtreffens war besonders günstig, nicht nur vom geographischen, sondern auch vom geschichtlichen Standpunkt aus. Die Kirche auf den Philippinen begeht in diesem Jahr die Vierhundertjahrfeier ihres Bestehens. Im Jahr 1595 wurde tatsächlich die erste Kirchenprovinz errichtet, die aus dem Metropolitansitz Manila und den drei Diözesen Cebu, Neu-Segovia und Neu-Caceres bestand. Das war das Ergebnis der Mission, die zuvor schon die Philippinischen Inseln erreicht hatte. Im 16. Jahrhundert, als die große Zeit der Missionierung begann, die vor allem mit der Entdeckung Amerikas zusammenhing, waren die Worte Christi: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“, für die vorwiegend spanischen Missionare wegweisend. In Mexiko und in Südamerika angekommen und dann weiter nach Westen fahrend, gelangten sie mit den großen Pionieren der geographischen Entdeckungen auf die Philippinen. Am Samstag, 14. Januar, war der Tag der Danksagung für die hierarchische Begründung der Kirche auf den Philippinischen Inseln. Man kann also sagen, daß die Pilgerfahrt der Jugend aus aller Welt zu den Philippinen in gewissem Sinn vierhundert Jahre später diese missionarische Phase des „Pilgerns“ der Kirche wiederaufgenommen hat, die zur Errichtung der ersten Kirchenprovinz im Femen Osten geführt hatte. Auf diese Weise gewinnt der Weltjugendtag eine besondere geschichtliche Dimension. 5. In Manila konnte ich dann den Sitz der katholischen Sendestation „Radio Veri-tas - Asien,, besuchen, die vor 25 Jahren auf Initiative der philippinischen Bischöfe gegründet wurde und mit Hilfe der technischen Mittel, über die der heutige Mensch verfügt, denselben Sendungsauftrag erfüllt, den die pilgernden Missionare - zuerst die Apostel und dann ihre Nachfolger - schon immer durchgeführt haben. Das Wort Gottes gelangt in den verschiedenen Sprachen Asiens und des Femen Ostens dank dieser wunderbaren Kommunikationsmittel zu den Völkern, die in 22 AUDIENZEN UND ANGELUS diesen Erdteilen wohnen: Es erreicht sie durch die Information, die Katechese, die Kultur, das Lied und die Musik. Radio Veritas leistet auf diese Weise eine umfangreiche Bildungsarbeit im Bereich humaner Kultur. Das hat die Kirche übrigens seit der Zeit der Apostel immer getan. 6. Die folgenden Stationen meiner Reise in den Femen Osten waren nicht nur zeitlich, sondern auch logisch mit dem Weltjugendtag verbunden. Wenn dieser tatsächlich ein lebendiges Bild der pilgernden Kirche gezeigt hat, so haben die Seligsprechungen in Port Moresby, in Sydney und in Colombo auf das Ziel hingewiesen, auf das die Kirche durch die Jahrhunderte und die Generationen zuschreitet. Ziel dieses Weges ist die Verwirklichung der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit, wie sich das II. Vatikanische Konzil ausdrückt (vgl. Lumen Gentium, Kap. V). Einer Heiligkeit, die besonders Ausdmck gefunden hat in den Personen, die sie in heroischer Weise verwirklicht haben. Die Heiligen und die Seligen sind herausragende Zeugen Christi, und ihr Zeugnis hat für die Völker, Länder und Kontinente besondere Bedeutung. Außerdem lehrt die Erfahrung, daß für jede Ortskirche der erste Selige oder Heilige besonders wichtig ist, wie es bei den drei jüngsten Seligsprechungen der Fall war. 7. In Papua-Neuguinea, wo die Kirche noch hauptsächlich missionarisch geprägt ist, hat die Heiligkeit die Züge eines Familienvaters, Katechisten und Märtyrers angenommen: Peter To Rot, gestorben für Christus auf der Insel New Britain in der Nähe der Hauptstadt Rabaul im Zusammenhang mit den dramatischen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges. Er gab sein Leben hin als Katechist, der seiner Berufung treu blieb und seinen Dienst auch in einer Zeit ausübte, in der er für die Christengemeinde besonders notwendig und mit großen Risiken und Gefahren verbunden war. Er gab sein Leben hin auch als junger Familienvater und heiligte sich auf diese Weise in der Berufung als Ehemann und Eltemteil. Die Kirche in Papua-Neuguinea sieht in ihm ein besonders anziehendes Vorbild und zugleich einen mächtigen Fürsprecher bei Gott. 8. Anders ist das Lebensbild von Mutter Mary MacKillop, der ersten Seligen von Australien. Schottischer Herkunft, war sie die Gründerin der Kongregation der Josefs-Schwestern vom Heiligsten Herzen Jesu; sie spielte eine bedeutende Rolle bei der Evangelisierung Australiens, vor allem durch die Betreuung armer Familien. Ich konnte deutlich spüren, daß die Australier in der neuen Sehgen beinahe eine Bestätigung ihrer Rolle in der Kirche gefunden haben. Das ist ein verständliches und begründetes Gefühl. Denn die Heiligen haben im Laufe der Geschichte immer dazu beigetragen, das Bewußtsein der einzelnen Gemeinschaften, auch der nationalen, zu vertiefen. Australien erwartete diese erste Selige, damit in ihr einige Wesenszüge der australischen Gesellschaft deutlich werden konnten. Auch in diesem Fall war es mit Händen zu greifen, wie sehr das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen mit der Sendung der Kirche in einem bestimmten Teil der Welt zusammentrifft. 23 AUDIENZEN UND ANGELUS 9. Die erste Seligsprechung in Sri Lanka hat ähnlichen Charakter. In ihr spiegelt sich die Rolle der Kirche und des Christentums auf einer Insel wider, die geographisch eng mit dem weiten indischen Subkontinent verbunden ist. Die kulturelle Atmosphäre dieser Insel läßt spüren, daß man sich an der Schwelle Asiens befindet. Pater Joseph Vaz kam als Missionar aus jenem großen Zentrum der Glaubensverbreitung, welches das von den Portugiesen gegründete Patriarchat Goa war. Er kam, als die noch junge Kirche von Sri Lanka in ihrer Bindung an den Apostolischen Stuhl bedroht wurde. Pater Vaz konnte diese Gefahr abwenden und wird deshalb als der Apostel betrachtet, der der Kirche in diesem Land neue Impulse gab. Es ist eine Kirche der Minderheit; trotzdem bekundet sie eine starke Lebenskraft, die durch die Seligsprechung hervorgehoben und begünstigt wurde. Das konnte man von der Ankunft in Colombo an und während des ganzen Aufenthaltes feststellen. Diese Station ähnelte in mancher Beziehung sehr der von Manila, die gezeigt hat, daß die Kirche des Femen Ostens nicht nur eine lebendige, sondern auch eine begeisterungsfähige Gemeinschaft ist. Unter diesem Aspekt hat sie den alten Kirchen Europas nicht wenig zu sagen. 10. Im Gesamtrückblick auf die Erfahrungen dieser 63. apostolischen Reise kann man sagen, daß sie im Zeichen der Jugend und der Jugendlichkeit der Kirche verlaufen ist. Die Tatsache, daß diese Jugendlichkeit inmitten von sehr alten Kulturen und Zivilisationen aufbricht, ist kennzeichnend. Man bemerkt das vor allem in Sri Lanka, aber nicht nur dort. An jedem Ort konnte ich dieses Jungsein der Kirche feststellen, das seinen Urspmng in der Gegenwart Christi hat. Insgesamt ist der asiatische Kontinent nur zu einem geringen Teil christlich. Das Evangelium hat bis jetzt nur einen geringen Prozentsatz der Bevölkerung erreicht. Aber es hat lebendige Gemeinschaften erweckt, die gewiß nicht am Rand der Gesellschaft stehen. Sie sind vielmehr der Sauerteig des Evangeliums, der alles belebt, vor allem durch die hohe Anzahl von katholischen Schulen, Krankenhäusern und anderen karitativen Einrichtungen. So kennzeichnet die Liebe, die nach den Worten des Apostels Paulus die „größte“ Wirklichkeit ist (vgl. 1 Kor 13,13), die Zukunft des Christentums im Femen Osten. Deshalb ist es wahrhaftig schön und von der Vorsehung gewollt, daß die Kirchen des Femen Ostens dank meiner Reise auf die Philippinen, nach Papua-Neuguinea, Australien und Sri Lanka Gelegenheit hatten, sich dem Stuhl Petri noch näher zu fühlen und daß der Papst diese Nähe mit seinen Brüdern und Schwestern des Femen Ostens in ihrem Land selbst erleben konnte. Dafür wollen wir dem Herrn gemeinsam danken. In Deutsch sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wie es der Tradition entspricht, soll die heutige Audienz meiner jüngsten Apostolischen Reise gewidmet sein, die mich auf die Philippinen, nach Papua-Neuguinea, 24 AUDIENZEN UND ANGELUS Australien und Sri Lanka geführt hat. Hauptziel meines Aufenthaltes in Manila war die Teilnahme am Weltjugendtag. Der Zehnte Weltjugendtag stand unter dem Motto „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). So hat der auferstandene Herr die im Abendmahlssaal versammelten Jünger ermutigt, als sie noch voller Angst wegen der Ereignisse des Karfreitags waren. Doch werden sie in diesem Augenblick zu Zeugen des Sieges Christi, der ihnen hilft, ihre missionarische Sendung anzunehmen. Diese Worte Jesu waren auch für die Jugendlichen in Manila und für die jungen Kirchen Asiens Gegenstand der Betrachtung und der Ermutigung. Hier ist noch einmal deutlich geworden, daß die Kirche das pilgernde Gottesvolk ist, seit Jahrhunderten unterwegs, den Menschen die Frohe Botschaft zu verkünden. In den nachfolgenden Etappen meiner Reise konnte ich jeweils die ersten Seligsprechungen für die Kirche in Papua-Neuguinea, Australien und Sri Lanka vornehmen. In Port Moresby war es der Familienvater und Katechist Peter To Rot, in Sydney die Ordensgründerin Mary MacKillop und in Colombo Pater Joseph Vaz. Sie alle haben als Zeugen Christi ein heroisches Leben geführt und ein für ihre Völker bedeutsames Lebenszeugnis gegeben. So stand diese Reise ganz im Zeichen der jungen Menschen und der Jugendlichkeit der Kirche in diesen Ländern, die auf diese Weise noch mehr ihre Nähe zum Stuhl Petri und ihre Verbundenheit mit dem Papst erleben konnten. Mit diesem kurzen Rückblick auf meinen Pastoralbesuch grüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich und erteile Euch den und all Euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. In Tschechisch sagte der Papst: Seid willkommen, liebe Pilger der Caritas von Prag. Gelobt sei Jesus Christus! Ihr seid nach Rom gekommen, wo seit allen Zeiten die Christen der ganzen Welt den Nachfolger Petri bitten, sie in ihrem Glauben zu stärken. Auch diese Begegnung ist Zeugnis Eures Glaubens in Christus und in seine Kirche. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben meinen Apostolischen Segen! Solidarisch mit den Hochwassergeschädigten Ich möchte auch die Völker in Westmitteleuropa, die von einer außerordentlichen Schlechtwetterperiode betroffen wurden, meines Gedenkens versichern. Ich bete für die Todesopfer und für die Familien, die wegen des Hochwassers ihre Häuser verlassen mußten. Ich hoffe, daß auch diesmal die menschliche Solidarität sich hilfsbereit und hochherzig zeigen wird. Wir sind euch nahe. 25 AUDIENZEN UND ANGELUS Sierra Leone: Die Waffen niederlegen! Tief betroffen von den aus Sierra Leone kommenden Nachrichten, bin ich besonders den Opfern der Gewalt nahe. Mit lebhafter Sorge verfolge ich das Schicksal der Ordensschwestern vom hl. Franz Xaver, die kürzlich entführt wurden, während sie mit großem Eifer die Liebe zu diesen Völkern entsprechend dem Evangelium bezeugten. Vereint mit den Bischöfen von Sierra Leone fordere ich die streitenden Parteien auf, den Mut zu haben und die Waffen niederzulegen und den Dialog miteinander zu beginnen, um eine würdige Lösung für die schweren Probleme zu finden, die das Land quälen. Ich bitte euch, gemeinsam mit mir für die entführten Personen und für diejenigen zu beten, die voll Sorge auf deren Rückkehr warten. Freude soll erneuern, nicht zerstören Gestern haben wir das liturgische Fest des hl. Don Bosco gefeiert. Er ist euer Schutzheiliger, liebe Jugendliche! Ich lade euch ein, ihn besser kennenzulernen und ihm näherzukommen. Sein Erziehungsdenken ist in der Tat besonders den Seelenstrukturen junger Menschen angepaßt. Er schlägt den Jugendlichen einen Weg der Heiligkeit vor, der über die Freude geht und deshalb auch Unterhaltung und Vergnügen nicht ausschließt. Gesundes Vergnügen achtet immer das Moralgesetz und nährt sich von den Werten, die das ganzheitliche Wachstum der Person fördern; es führt nie zu Formen der Betäubung und der Verirrung, die das körperlichseelische Gleichgewicht stören und manchmal sogar das eigene Leben und das von anderen aufs Spiel setzen. Man denkt unwillkürlich an die „Samstagabend-Unfälle“, in die so viele junge Besucher der Diskotheken verwickelt sind, und an Gewalthandlungen mit sogar tragischem Ausgang, die immer häufiger bei Sportveranstaltungen zu verzeichnen sind. Die Freude soll uns erneuern, nicht zerstören! Die Friedensmission der hl. Birgitta von Schweden Angelus am 5. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag habe ich die Rolle erläutert, die die Frau als „Erzieherin zum Frieden“ zu spielen berufen ist. Ich wies darauf hin, daß die Geschichte reich an „wunderbaren Beispielen von Frauen“ ist, die, gestützt durch Glaube und Liebe, „in der Lage waren, schwierigen Situationen von Ausbeutung, Diskriminierung, Gewalt und Krieg erfolgreich zu begegnen“ (Nr. 5). An diesem und an den folgenden Sonntagen möchte ich das konkrete Zeugnis ei- 26 AUDIENZEN UND ANGELUS niger Frauengestalten in Erinnerung rufen, die sich in der Geschichte der Kirche gerade durch ihr Wirken zugunsten des Friedens ausgezeichnet haben. 2. Heute will ich eure Aufmerksamkeit auf die heilige Birgitta von Schweden lenken. Sie lebte von 1303 bis 1373 und vollbrachte eine bedeutsame Sendung für das Europa ihrer Zeit. Es ist nicht schwer, die Aktualität ihrer Botschaft zu erfassen, während es in einigen Regionen dieses Erdteils, der zwar auf dem Weg der Einigung ist, noch heute zu besorgniserregenden und unsinnigen Ausbrüchen des brudermörderischen Hasses kommt und der Waffenlärm bedrohlich zu hören ist. Auch zur Zeit der heiligen Birgitta waren Friede und Ruhe der Völker von der Gewalt der Leidenschaften bedroht: Harte Interessengegensätze riefen oft blutige Konflikte hervor, und sogar innerhalb der Kirche waren Augenblicke schmerzlicher Spannungen zu verzeichnen. In diesem Zusammenhang leuchtet Birgittas Zeugnis auf. Von den nördlichen Grenzen Europas kommend, fühlte sie sich zu einer Friedensmission berufen, die sie bis nach Rom führte und zur Botschafterin Christi bei den damaligen kirchlichen und staatlichen Obrigkeiten machte. 3. In dieser Tätigkeit brachte sie ihre ganze Fraulichkeit zum Tragen, die durch eine tiefe Gotteserfahrung verfeinert war. Birgitta, zugleich gütig und entschlossen, verstand es, vor allem an ihre acht Kinder die Liebe zu Eintracht und Frieden weiterzugeben: Man denke nur an ihre Tochter Katharina, die auch als Heilige verehrt wird. Aber ihre anerkannten Fähigkeiten als Erzieherin brachten ihr auch angesehene Aufgaben am Fürstenhof ein, wo sie aufgewachsen war. Die höhere Stufe ihrer unternehmerischen Fraulichkeit zeigte sich jedoch, als es ihr durch die Gründung des Erlöser-Ordens gelang, sich ganz dem kontemplativen Leben zu widmen. Es war keine Weltflucht: Im Gegenteil, die tiefe mystische Erfahrung erlaubte es ihr, sich zum bevorzugten Echo der Stimme Gottes für Kirche und Gesellschaft zu machen. Selbst zum Papst, der damals in Avignon residierte, gelangte beharrlich und eindrucksvoll die Bitte Birgittas, er möge zum „natürlichen“ Sitz in Rom zurückkehren. Die Kirche lobpreist Gott auch heute noch für das Geschenk dieser außerordentlichen Frau. 4. Unsere Gedanken gehen jetzt zu Maria, dem Vorbild Birgittas und aller Heiligen. Maria, die die Schönheit und die Kraft der Fraulichkeit nach dem Plan Gottes vollständig in sich birgt, stehe durch ihre wirksame Hilfe jeder Frau zur Seite. Möge sie besonders in den Frauen unserer Zeit ein immer lebendigeres und regeres Bewußtsein ihrer Friedenssendung wecken und ihnen helfen, sich zu Botschafterinnen der religiösen und moralischen Werte zu machen, mit deren Hilfe allein es möglich ist, einen wahren und dauerhaften Frieden zu schaffen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute wird in Italien der Tag „für das Leben“ gefeiert. Das ist ein wichtiger Anlaß nicht nur für die kirchliche Gemeinschaft, sondern auch für die ganze Gesell- 27 AUDIENZEN UNDANGELUS schaft, die gerufen ist, gerade im Hinblick auf Probleme, die mit der Achtung des menschlichen Lebens verbunden sind, erleuchtete und verantwortliche Entscheidungen zu treffen. Ich richte einen besonderen Gruß an den Kardinalvikar, an die Bischöfe und an die Gläubigen der Diözese Rom, die anläßlich dieses Tages schon im dritten aufeinanderfolgenden Jahr hier zusammengekommen sind, um die „Woche der Familie“ zu beginnen. Ich hoffe, daß diese Woche für alle römischen Familien ein Ansporn sei, daß sie wieder Geschmack daran finden, die eigene Berufung zur Liebesgemeinschaft und zur Annahme und zum Schutz des menschlichen Lebens vom Augenblick der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod zu verwirklichen. Ich grüße auch die Vertreter der medizinischen und chirurgischen Fakultät von Rom. Zugleich spreche ich meine Hochschätzung für die Tagung aus, die von der Diözese bei der Universität Tor Vergata anläßlich des heutigen Tages „für das Leben“ zum Thema „Biomedizinische Forschung und Würde des werdenden menschlichen Lebens“ veranstaltet wird. An den Universitäten werden die zukünftigen Mediziner ausgebildet: Ihnen ist die Aufgabe anvertraut, dem Leben zu dienen und es gegen jede Form der Manipulierung zu schützen. Weiter grüße ich eine Gruppe des Kulturverbandes zum Schutz des Sonntags in der Hoffnung, daß der Tag des Herrn als solcher immer von allen Gläubigen begangen werden kann. Ordensleben ist Zeichen und Zeugnis des Reiches Christi Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Februar 1. Nach der Beschreibung des Ordensberufs bekräftigt das II. Vatikanische Konzil: „So erscheint das Bekenntnis zu den evangelischen Räten als ein Zeichen, das alle Glieder der Kirche wirksam zur eifrigen Erfüllung der Pflichten ihrer christlichen Berufung hinziehen kann und soll“ (Lumen Gentium, Nr. 44). Das heißt, daß der totale Einsatz der Gottgeweihten in der Nachfolge Christi alle Christen ermutigt, sich der eigenen Berufung stärker bewußt zu werden und ihre Schönheit noch mehr zu schätzen; dies hilft ihnen, mit Freude die Verpflichtungen anzunehmen, die zu ihrer Berufung gehören, und spornt sie an, die Aufgaben zu erfüllen, die den konkreten Erfordernissen des Apostolats und der karitativen Tätigkeit entsprechen. Das gottgeweihte Leben ist also ein Zeichen, das alle noch stärker zum Dienst für das Reich gewinnt. 2. Versuchen wir, tiefer in den Inhalt dieser Konzilslehre einzudringen. Wir können vor allem sagen, daß der Ordensstand die vom menschgewordenen Sohn Gottes angenommene Lebensform im jetzigen Augenblick wie zu allen Zeiten der christlichen Geschichte vergegenwärtigt. Er läßt deshalb den Christus des Evangeliums leichter finden (Lumen Gentium, Nr. 44). 28 AUDIENZEN UND ANGELUS Diejenigen, die derzeit Jesus nachfolgen und um seinetwillen alles verlassen, erinnern an die Apostel, die seine Einladung annahmen und auf alles andere verzichteten. Traditionsgemäß spricht man deshalb gewöhnlich vom Ordensleben als von der „apostolica vivendi forma“. Ja, nach dem Vorbild von Petrus, Johannes, Jakobus, Andreas und der anderen Apostel ahmen die Gottgeweihten das vom göttlichen Meister gelebte und vorgeschlagene Leben dem Evangelium entsprechend nach und wiederholen es, indem sie die christliche Botschaft als eine in der Kirche und in der Welt immer lebendige Wirklichkeit bezeugen. Auch sie verwirklichen in diesem Sinn das Wort Jesu Christi an die Apostel: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). 3. Der Ordensstand macht - so das Konzil - „die Erhabenheit des Gottesreiches gegenüber allem Irdischen und seine höchsten Ansprüche in besonderer Weise offenkundig. Er zeigt auch allen Menschen die überragende Größe der Herrscherkraft Christi und die wunderbare, unbegrenzte Macht des Heiligen Geistes in der Kirche auf (Lumen Gentium, Nr. 44). Mit anderen Worten, das Leben nach den evangelischen Räten offenbart die übernatürliche und transzendente Majestät des einen und dreifältigen Gottes und besonders die Erhabenheit des Planes des Vaters, der die vollständige Hingabe der menschlichen Person als kindliche Antwort auf seine unendliche Liebe gewollt hat. Es macht die Anziehungskraft Christi deutlich, des menschgewordenen Wortes, der sich des ganzen Daseins bemächtigt, um es zur höchsten Teilhabe am Geheimnis des dreifältigen Lebens zu erheben; zugleich ist es Zeichen der umwandelnden Kraft des Heiligen Geistes, der in alle Herzen die Gaben der ewigen Liebe eingießt, dort alle Wunder der Heilstat wirkt und die menschliche Antwort des Glaubens und des Gehorsams in der kindlichen Liebe bis zum Höhepunkt führt. 4. Aus diesen Gründen ist das gottgeweihte Leben Zeichen und Zeugnis der wahren Bestimmung der Welt, die für die zum Einsatz in der Welt berufenen Gläubigen jenseits aller unmittelbaren und sichtbaren, durchaus gerechtfertigten und begründeten Ausblicke liegt: Dem Konzil entsprechend „geben die Ordensleute durch ihren Stand ein deutliches und hervorragendes Zeugnis dafür, daß die Welt nicht ohne den Geist der Seligpreisungen verwandelt und Gott dargebracht werden kann“ (Lumen Gentium, Nr. 31). Der Ordensstand strebt danach, die Seligpreisungen des Evangeliums in die Praxis umzusetzen und hilft, sie zu entdecken und zu lieben, indem er das tiefe Glück deutlich macht, das man durch Verzicht und Opfer erlangt. Es handelt sich nach den Worten des Konzils um ein „hervorragendes“ Zeugnis, denn die evangelischen Räte stellen - wie der freiwillige Zölibat oder die evangelische Armut - eine besondere Lebensweise dar, die für die Kirche von unersetzlichem Wert ist und auf alle, die in der Welt mehr oder weniger direkt und bewußt das Reich Gottes suchen, eine unvergleichliche Auswirkung hat. Schließlich handelt es sich um ein Zeugnis, das mit dem Ordensstand als solchem verknüpft ist: Deshalb sieht man es 29 AUDIENZEN UND ANGELUS normalerweise in edlen Gestalten von Ordensleuten aufscheinen, die mit der ganzen Hingabe ihres Herzens und Lebens treu ihre Berufung erfüllen. 5. Das gottgeweihte Leben ist auch ein Hinweis auf den Wert der himmlischen Güter, die, wie das Christentum lehrt, schon in der Perspektive des Geheimnisses Christi als gegenwärtig zu betrachten sind, des Geheimnisses des Sohnes Gottes, der vom Himmel auf die Erde gekommen und als Stammvater - als „neuer Adam“ - der neuen Menschheit zum Himmel aufgefahren ist, die zur Teilhabe an der göttlichen Herrlichkeit berufen wurde. Diese Lehre des Konzils wird in einem eindrucksvollen Abschnitt dargelegt: „Das Volk Gottes hat ja hier keine bleibende Heimstatt, sondern sucht die zukünftige. Deshalb macht der Ordensstand, der seine Glieder von den irdischen Sorgen befreit, mehr die himmlischen Güter, die schon in dieser Zeit gegenwärtig sind, auch allen Gläubigen kund, bezeugt das neue und ewige, in der Erlösung Christi erworbene Leben und kündigt die zukünftige Auferstehung und die Herrlichkeit des Himmelreiches an“ (Lumen Gentium, Nr. 44). Die evangelischen Räte haben deshalb eine eschatologische Bedeutung, und besonders der geweihte Zölibat kündigt das Leben des Jenseits an und die Verbundenheit mit Christus, dem Bräutigam; die Armut erzeugt einen Schatz im Himmel; das Bemühen des Gehorsams öffnet den Weg zum Besitz der vollkommenen Freiheit der Kinder Gottes in Übereinstimmung mit dem Willen des himmlischen Vaters. Die Gottgeweihten sind deshalb Zeichen und Zeugen einer Vorwegnahme des himmlischen Lebens im irdischen Leben, das nicht in sich selbst die eigene Vollkommenheit finden kann, sondern immer mehr auf das ewige Leben ausgerichtet sein muß: auf eine Zukunft, die als Keim schon in der Gnade der Hoffnung gegenwärtig ist. 6. Aus diesem Grund liegt es der Kirche am Herzen, daß das gottgeweihte Leben immer gedeiht, um die Gegenwart Christi in seinem mystischen Leib besser zu offenbaren, in dem er heute lebt, während er in seinen Jüngern die „Geheimnisse“ erneuert, die uns vom Evangelium vorgestellt werden. Besonders wichtig erweist sich für die heutige Welt das Zeugnis der gottgeweihten Keuschheit: das Zeugnis einer Liebe zu Christus, die größer ist als jede andere Liebe, einer Gnade, die die Kräfte der menschlichen Natur übersteigt, eines erhöhten Geistes, der sich nicht von Illusionen und Zweideutigkeiten überwältigen läßt, die oft mit den Ansprüchen der Geschlechlichkeit verbunden sind. Wichtig ist auch heute wie gestern das Zeugnis der Armut, das die Ordensleute als Geheimnis und Garantie eines größeren geistlichen Reichtums darstellen, ebenso das des Gehorsams, der als Beiwert der wahren Freiheit gelobt und geübt wird. 7. Krönung aller anderen Tugenden auch im gottgeweihten Leben ist dann die Liebe - vor allem zu Gott: Durch sie wird das gottgeweihte Leben „Gott darge-bacht“ (Lumen Gentium, Nr. 31). In ihrer vollständigen Hingabe, einschließlich der bewußten und liebevollen Vereinigung mit dem Erlösungsopfer Christi, öffnen 30 AUDIENZEN UND ANGELUS die Ordensleute für die Welt den Weg der wahren Glückseligkeit, den der Seligpreisungen des Evangeliums. Dann die Liebe zum Nächsten, die sich zeigt in der gegenseitigen Liebe zwischen denen, die in Gemeinschaft leben, in der praktischen Aufnahme und Gastfreundschaft, in der Hilfe für die Armen und alle Unglücklichen und im Apostolatseinsatz. Dieses Zeugnis ist von entscheidender Bedeutung, um der Kirche das wirklich dem Evangelium entsprechende Gesicht zu geben. Die Gottgeweihten sind berufen, „die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt“, zu bezeugen und zu verbreiten: „Wir sollen einander lieben“ (I Joh 3,11), und werden so Vorkämpfer der erhofften „Zivilisation der Liebe“. In Deutsch sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Unsere heutige Katechese ist wiederum dem Ordensleben gewidmet, das auf dem irdischen Weg der pilgernden Kirche Zeichen und Zeugnis für das Reich Christi ist. Man kann sagen, daß der Ordensstand heute wie zu allen Zeiten der Geschichte der Kirche den Gläubigen vergegenwärtigt, welche Lebensform der Mensch gewordene Sohn Gottes angenommen hat. Ein Leben nach den drei evangelischen Räten Armut, Keuschheit und Gehorsam deutet auf die übernatürliche und transzendente Größe des einen und dreifältigen Gottes hin, der die vollkommene Hingabe des Menschen als Antwort auf seine unendliche Liebe gewollt hat. Es ist Hinweis auf die Kraft, durch die er alle Herzen gestalten will und durch die er die Großtaten der Erlösung wirkt und den Menschen bis hin zur höchsten Antwort in Glaube und Gehorsam führt. Wer alles um des Himmelreiches willen verläßt, ist Beispiel für alle Glieder der Kirche, eifriger die christliche Berufung zu erfüllen; er macht die Erhabenheit des Gottesreiches gegenüber allem Irdischen und seine höchsten Ansprüche offenkundig und ist Hinweis auf die letzte Bestimmung der Welt. Der Ordensstand deutet also hin auf das himmlische Leben bereits hier inmitten des irdischen Daseins, das nicht in sich selbst seine Vollendung finden kann, sondern sich immer mehr auf das ewige Leben ausrichten muß: doch ist diese Zukunft im Keim, in der göttlichen Gnade der Hoffnung bereits gegenwärtig. Mit dieser kurzen Betrachtung richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Mit meinen besten Wünschen für Euch und Eure Lieben in der Heimat erteile ich Euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. In Tschechisch sagte der Papst: Ein herzliches Willkommen an alle Pilger aus Böhmen und Mähren. Gelobt sei Jesus Christus! Ich bin erfreut über Eure Anwesenheit bei dieser Audienz, die Eure Zuneigung zur Kirche Christi und die Ergebenheit gegenüber dem Nachfolger Petri bezeugt. 31 AUDIENZEN UND ANGELUS Möge Eure Pilgerfahrt nach Rom für alle Anlaß zur geistigen Erneuerung und Stärkung im Glauben sein. Mit diesen Wünschen erteile ich Euch meinen Apostolischen Segen. Beendet diesen unnötigen Konflikt! Weiterhin treffen unerfreuliche Nachrichten über Kämpfe an der Grenze zwischen Ekuador und Peru ein. Zahlreich sind bereits die Opfer dieses unnötigen Konflikts, der noch besorgniserregender wird, je länger er dauert. Ich wende mich deshalb erneut an die Regierungen der beiden Länder, damit sie den Waffenlärm zum Schweigen bringen und dem Konflikt ein Ende setzen. Schließlich hoffe ich, daß alle, denen diese schmerzliche Situation am Herzen liegt, sich ihren Möglichkeiten entsprechend einsetzen, damit der Weg des Friedens und der Eintracht wiedergefunden werde. Vertrauen wir der Königin des Friedens unsere Hoffnungen an. Friedensbotin in Kirche und Gesellschaft - Katharina von Siena Angelus am 12. Februar Liebe Brüder und Schwestern! l.Bei der Weiterführung der Betrachtungen über die Friedensmission der Frau möchte ich heute das Zeugnis der hl. Katharina von Siena vorstellen. Das Leben dieser Frau hat etwas Unglaubliches an sich. Sie starb im Alter von nur 30 Jahren, nachdem sie in der Kirche ihrer Zeit eine außerordentliche Rolle gespielt hatte. Das Geheimnis ihrer herausragenden Persönlichkeit war das innere Feuer, das sie verzehrte: die leidenschaftliche Liebe zu Christus und zur Kirche. Katharina, von glühendem Eifer beseelt, erschien die Lage der Christenheit in dem schwierigen Zeitabschnitt der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts unerträglich. Sie betrachtete es als ein schweres Unglück, daß der Papst fern von Rom, seinem gewohnten Sitz, weilte. Ihr schien es ein Ärgernis, daß christliche Fürsten nicht miteinander in Frieden leben konnten. Und da wird sie zur Friedensbotin. Ihr leidenschaftliches Wort geht in alle Richtungen. Es ist ein mütterliches Wort, gekennzeichnet von furchtloser Festigkeit und überzeugender Milde. Um sie herum geschah das, was menschlich unmöglich erschienen war: Die Herzenshärte schwand, und jeder begann die Freude von Familien und ganzen Gemeinschaften zu kosten, die untereinander wieder in Frieden lebten. Die Erfahrung der hl. Katharina von Siena ist ein Beispiel für das, was ich in der Botschaft zum Jahresbeginn schrieb: „Wenn die Frauen die Möglichkeit haben, ihre Gaben voll an die ganze Gemeinschaft weiterzugeben, erfährt die Art 32 AUDIENZEN UND ANGELUS und Weise, wie sich die Gesellschaft versteht und organisiert, eine positive Veränderung und spiegelt so die wesentliche Einheit der Menschheitsfamilie besser wider“ (Nr. 9). 2. „Die Frau, Erzieherin zum Frieden.“ Wohlbekannt ist der Ruf, mit dem sich Katharina an Papst Gregor XI. wendet, um ihn zu ermutigen, unter den Christen als Friedensstifter aufzutreten: „Frieden, Frieden, Frieden, mein Heber Vater, und keinen Krieg mehr!“ (Brief 218). Ähnliche Worte schrieb sie an Könige und Fürsten, und sie zögerte nicht, auch gefahrvolle Reisen zu unternehmen, um die Streitenden zu Gefühlen der Versöhnung zu bewegen. Gewiß wird man zugestehen müssen, daß auch sie eine Tochter ihrer Zeit war, als sie sich in zwar aufrichtigem Eifer für die Verteidigung der Fleiligen Stätten der damals herrschenden Mentalität anschloß, wonach eine solche Aufgabe sogar den Gebrauch der Waffen erforderlich machen konnte. Heute müssen wir dem Geist Gottes danken, der uns zu einem immer klareren Verständnis geführt hat, daß die angemessene und dem Evangelium am besten entsprechende Weise für die Bewältigung der in den Beziehungen zwischen Völkern, ReHgionen und Kulturen auftauchenden Probleme ein geduldiger, beharrlicher und ebenso achtungsvoller Dialog ist. Katharinas Eifer bleibt jedoch ein Beispiel mutiger und starker Liebe, ein Ansporn, die eigenen Kräfte in jedem möglichen planmäßigen Vorgehen eines konstruktiven Dialogs einzusetzen, um einen immer festeren und ausgedehnteren Frieden zu bauen. 3. Bitten wir Maria, die Königin des Friedens, daß die Kirche immer wirksamer das Sakrament der Einheit für das ganze Menschengeschlecht werde: einer Einheit, die vor allem in den Beziehungen zwischen den Jüngern Christi aufzubauen ist; einer Einheit, die an allen unter Spannungen und Kriegen leidenden Orten der Welt zu fördern ist. Maria erwecke unternehmerische und mutige Frauen wie Katharina von Siena, die in der Kirche und in der GeseHschaft die Fäden der Einheit und des Friedens knüpfen. Ordenspriestertum - unverzichtbarer kirchlicher Dienst Ansprache bei der Generalaudienz am 15. Februar 1. Zwischen dem Priestertum und dem Ordensleben bestehen tiefgreifende Ähn-Hchkeiten. Im Verlauf der Jahrhunderte ist tatsächlich eine zahlenmäßige Zunahme von Ordenspriestem festzustellen. In den meisten Fällen handelt es sich um Männer, die in einen Orden eingetreten sind und dort die Priesterweihe empfangen haben; weniger häufig - aber doch beachtlich - sind die Fälle, in denen sich Priester, die in einer Diözese inkardiniert sind und sich später einem Orden angeschlossen haben. In beiden Fällen zeigt sich, daß im Ordensleben von Männern die 33 AUDIENZEN UND ANGELUS Ordensberafung sehr häufig mit der Berufung zum priesterlichen Dienst verbunden ist. 2. Wir können uns fragen, wieweit das Ordensleben zum priesterlichen Dienst beiträgt, und warum nach dem göttlichen Plan so viele Männer zu diesem Dienst im Rahmen des Ordenslebens berufen sind. Die Antwort lautet, daß zwar die Priesterweihe selbst eine Weihe der Person mit sich bringt, der Eintritt in das Ordensleben die Persönlichkeit aber befähigt, die Gnade der Weihe besser anzunehmen und deren Anforderungen umfassender zu erfüllen. Die Gnade der evangelischen Räte und des Gemeinschaftslebens erweist sich als besonders geeignet für das Erreichen der „Heiligkeit“, das vom Priestertum aufgrund des Amtes in bezug auf den eucharistischen wie auch mystischen Leib Christi gefordert wird. Das Streben nach Vollkommenheit, das das Ordensleben näher bestimmt und kennzeichnet, spornt außerdem zur asketischen Anstrengung an, um in der Tugend zu wachsen, den Glauben, die Hoffnung und vor allem die Liebe zu entfalten und ein den Idealen des Evangeliums entsprechendes Leben zu führen. Von den Instituten wird eine Bildung in diesem Sinne vermittelt, damit die Ordensleute sich von Anfang an entschlossener auf einen Weg der Heiligkeit einstellen und tragfähige Überzeugungen und dem Evangelium gemäße ernste Lebensgewohnheiten annehmen. Unter solchen geistlichen Bedingungen können sie die Gnaden besser ausschöpfen, die die Priesterweihe begleiten. 3. Die Ordensgelübde bedeuten übernommene Verpflichtungen in bezug auf den Orden und das Amt, sie haben jedoch in sich selbst einen Wert als Antwort der aufopfernden Liebe auf die Hingabe dessen, der mit grenzenloser Liebe für uns „sein Leben dem Tod preisgab“ (vgl. Jes 53,12; Hebr 9,28). So ergibt sich die Verpflichtung zum Zölibat nicht in erster Linie als ein für das Diakonat oder das Priesteramt erforderlicher Anspruch, sondern als die Zustimmung zu einem Ideal, das die ganze Selbsthingabe an Christus verlangt. Wir fügen hinzu, daß die Ordensmänner mit dieser Verpflichtung vor der Weihe den Diözesanpriestem helfen können, den Wert des Zölibats besser zu verstehen und höher zu schätzen. Es ist zu wünschen, daß sie die Glaubwürdigkeit dieser Wahl nicht im geringsten in Zweifel ziehen und die Diözesanpriester zur Treue in diesem Bereich ermutigen. Es ist eine schöne und heilige kirchliche Aufgabe, die die Ordensinstitute über ihre Grenzen hinaus für die ganze christliche Gemeinschaft leisten. Die Zugehörigkeit zu einem Orden ermöglicht es dem Priester, radikaler die evangelische Armut zu leben. In der Tat gibt das Leben in Gemeinschaft den Mitgliedern einer Einrichtung die Möglichkeit, auf persönliches Eigentum zu verzichten, während der Diözesanpriester normalerweise selbst für seinen Unterhalt aufkom-men muß. Von den Ordenspriestem ist deshalb ein immer sichtbareres Zeugnis der evangelischen Armut zu erwünschen und zu erwarten, das sie nicht nur auf ihrem Weg zur Vollkommenheit in der Liebe unterstützt, sondern die Diözesanpriester 34 AUDIENZEN UND ANGELUS ermutigt, Handlungsweisen für ein Leben in mehr Armut zu finden, besonders durch die gemeinsame Nutzung bestimmter Mittel. Schließlich ist das Gehorsamsgelübde der Ordensleute darauf angelegt, einen vorteilhaften Einfluß auf ihr Verhalten im priesterlichen Dienst auszuüben, indem es sie zur Folgsamkeit gegenüber den Oberen der Gemeinschaft anleitet, die ihnen hilft zur Gemeinschaft im Geist des Glaubens mit denen, die für sie den göttlichen Willen darstellen, und zur Achtung der Autorität der Bischöfe und des Papstes bei der Erfüllung des heiligen Dienstes. Von den Ordenspriestem ist deshalb nicht nur ein formeller Gehorsam zur Hierarchie der Kirche, sondern eine Gesinnung treuer, freundschaftlicher und hochherziger Zusammenarbeit mit ihr zu wünschen und zu erwarten. Durch ihre Formung im evangelischen Gehorsam können sie leichter die Versuchungen zur Auflehnung, zur systematischen Kritik, zu Mißtrauen überwinden und in den Oberhirten den Ausdruck einer göttlichen Autorität erkennen. Auch das ist eine wertvolle Hilfe, die - wie im Dekret Christus Dominus des II. Vatikanischen Konzils zu lesen ist - sie den geweihten Hirten der Kirche heute wie in der Vergangenheit und auch in Zukunft leisten sollen „angesichts der wachsenden Notlage der Seelen ... und weil die Anforderungen des Apostolats gewachsen sind“ (Christus Dominus, Nr. 34). 4. Und weiterhin: Die Ordenspriester können durch ihr Leben in Gemeinschaft die Liebe bezeugen, die das Priestertum beleben soll. Nach der von Christus beim letzten Abendmahl ausgesprochenen Absicht ist das Gebot der gegenseitigen Liebe an die Priesterweihe gebunden. In den für die Vollkommenheit der Liebe enger geknüpften Beziehungen können die Ordensleute die Bruderliebe bezeugen, die diejenigen verbindet, die im Namen Christi den priesterlichen Dienst ausüben. Es ist einleuchtend, daß diese brüderliche Liebe auch ihre Beziehungen zu den Di-özesanpriestem und zu den Mitgliedern der verschiedenen Institute außer dem eigenen kennzeichnen soll. Das ist die Quelle, aus der die vom Konzil empfohlene „geordnete Zusammenarbeit“ erwachsen kann (vgl. Christus Dominus, Nr. 35,5). 5. Dem Konzil entsprechend sind die Ordensleute immer aufgrund der bei ihrer Profeß abgelegten Gelübde der evangelischen Räte grundsätzlich zum Dienst an der Kirche verpflichtet (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44). Dieser Dienst besteht vor allem im Gebet, in den Werken der Buße und des vorbildlichen Lebens, aber auch in der Teilhabe „an den äußeren Werken des Apostolats, wobei die Eigenart eines jeden Verbandes zu berücksichtigen ist“ (Christus Dominus, Nr. 33). Durch diese ihre Teilhabe an der Seelsorge und an den Werken des Apostolats unter der Autorität der Oberhirten sind die Ordenspriester gleichsam „als zum Klerus der Diözese gehörend“ zu betrachten (Christus Dominus, Nr. 34) und sollen deshalb „den Bischöfen als Gehilfen beistehen“ (Christus Dominus, Nr. 35,1), ebenso aber den „Geist des eigenen Ordens“ bewahren und der Observanz ihrer Ordensregel treu bleiben (vgl. Christus Dominus, Nr. 35,2). 35 AUDIENZEN UND ANGELUS Es ist zu hoffen, daß durch das Wirken der Ordenspriester in den Diözesen und in der ganzen Kirche die Einheit und Eintracht immer mehr verwirklicht werden, die Jesus für diejenigen gefordert hat, die es annehmen, wie er „in der Wahrheit geheiligt zu werden“ (vgl. Joh 17,17), und daß so in der Welt das „irnago Ecclesiae Ca-ritatis“ aufleuchtet. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Ich grüße Euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Priesteramtskandidaten der Erzdiözese Köln und an die Pilgergruppe der Pfarrei St. Rochus, Wien. Euch allen sowie Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. In Tschechisch sagte der Papst: Liebe Pilger aus Böhmen und Mähren, liebe Lehrer und Professoren der „Kome-nium Konzult“ von Prag. Gelobt sei Jesus Christus. Gestern haben wir das Fest der hll. Kyrill und Method, Schutzpatrone Europas, begangen. Die beiden Evangelisierer der slawischen Völker haben einen bedeutenden Beitrag zur europäischen Kultur von heute geleistet. Mögen sie für Euch zu Leitbildern werden im Aufbau einer „Zivilisation des Friedens und der Liebe“, die von der persönlichen Bekehrung ausgehen muß, und zwar vom Herzen eines jeden einzelnen Christen. Mit diesen Wünschen segne ich Euch und Eure Heimat. Entführte Ordensfrauen freilassen! Besonders nahe denen, die durch die Gewalt in Sierra Leone leiden, möchte ich meinen Aufruf zugunsten der Personen wiederholen, die kürzlich von den Aufständischen entführt wurden und von ihnen immer noch festgehalten werden. Ich teile von Herzen die Gefühle derer, die sorgenvoll auf die Rückkehr der Ordensschwestern vom hl. Franz Xaver warten, und ich verfolge mit großer Aufmerksamkeit die Initiativen derer, die sich um einen guten Ausgang dieser schmerzlichen Angelegenheit bemühen. Ich lade euch alle ein, mit mir zu beten, damit die entführten Personen so bald wie möglich freigelassen werden. 36 A UDIENZEN UND ANGELUS Patronin der Auswanderer — hl. Francesca Saveria Cabrini Angelus am 19. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der Botschaft zum Weltfriedenstag habe ich die Frauen aufgerufen, „Zeuginnen, Botschafterinnen, Lehrmeisterinnen des Friedens zu sein in den Beziehungen zwischen den Personen und den Generationen, in der Familie, im kulturellen, sozialen und politischen Leben der Nationen“ (Nr. 2). Es gibt viele Frauengestalten, die diese Aufgabe beispielhaft gemeistert haben und immer wieder meistern. Unter ihnen möchte ich auf die heilige Francesca Saveria Cabrini hin weisen, die Patronin der Auswanderer, eines Tätigkeitsfeldes für das Apostolat, das noch heute von großer Aktualität ist. Man staunt wirklich über das, was Mutter Cabrini zu verwirklichen imstande war. Geboren in der Lombardei in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, widmete sie sich den Auswanderern, die in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern Amerikas vielfache Schwierigkeiten bei der Eingliederung hatten. Sie errichtete für sie Schulen, Kindergärten, Internate, Krankenhäuser, Waisenhäuser - alles mit ganz wenigen Mitteln und allein auf die göttliche Vorsehung vertrauend. Die Liebe zum Herzen Christi drängte sie und war ihre Stütze. „Das Heiligste Herz -bekannte sie einmal - hat so große Eile, diese Dinge zu tun, daß es mir nicht gelingt, ihm zu folgen.“ Sie erkannte und diente Christus im Antlitz der Auswanderer, denen sie eine liebevolle und unermüdliche ,Mutter“ sein wollte. 2. Ihr Werk, ein wahres Wunder der Nächstenliebe, stellt einen einzigartigen Beitrag zur Sache des Friedens dar, eine echte „Friedenspädagogik“. Mit Feingefühl erkannte Mutter Cabrini, daß es nicht genügte, den Auswanderern materielle Hilfe zu bieten. Man mußte ihnen helfen, sich voll in das neue soziale Umfeld zu integrieren, ohne die echten Werte der eigenen angestammten Kultur zu verlieren. Sie selbst nahm, obwohl sie die Liebe zu Italien nicht verleugnete, die US-amerikanische Staatsangehörigkeit an und faßte festen Fuß in dem Volk, in das Gott sie gerufen hatte, ihre Sendung zu erfüllen. Es ist nicht schwer, die Aktualität dieses Lebenszeugnisses zu erfassen. Auf Grund der wachsenden Wanderungsströme, die Millionen Menschen von einer Nation in die andere bringen, von einem Kontinent zum anderen, besonders von den Entwicklungsländern zu den Wohlstandsgesellschaften, besteht schon heute - und in Zukunft noch mehr - die Notwendigkeit des gegenseitigen Verständnisses, der Aufnahme und der Integration. Deshalb ist es einleuchtend, daß der Aufbau dieser Zukunft Männer und Frauen des Friedens erfordert. Er verlangt insbesondere mütterliche Herzen wie das von Mutter Cabrini, die die Leistungsfähigkeit der durch die christliche Liebe geprägten Frauenseele besitzen. 37 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Wir vertrauen der heiligen Jungfrau den Integrationsprozeß unter den Völkern und in der heutigen multi-kulturellen und multi-ethnischen Gesellschaft an, in der sich viele Kulturen und Rassen vermischen. Möge Maria uns alle zur Aufnahmebereitschaft und Solidarität erziehen. Mögen sich die aus fernen Ländern Zugewanderten von den Völkern verstanden wissen, die sie aufnehmen; mögen sie immer als Brüder und Schwestern geachtet und geliebt werden. Möge die Mutter des Herrn den Frauen ein lebendiges Bewußtsein ihrer unumgänglichen Rolle beim Aufbau einer Gesellschaft schenken, die reich an Menschlichkeit und großmütiger Geschwisterlichkeit ist. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich wünsche den Pilgern aus Rom, Italien und allen anderen Ländern einen schönen Sonntag. Ich grüße die neokatechumenalen Gemeinschaften von Rom, Viterbo und Civitavecchia und empfehle alle dem Schutz Marias, der Mutter der Kirche. Gottgeweihtes Leben der Laienbrüder Ansprache bei der Generalaudienz am 22. Februar 1. In den hauptsächlich aus Priestern bestehenden Ordensgemeinschaften fehlt es nicht an „Brüdern“, die ihre vollgültigen Mitglieder sind, auch wenn sie nicht die heiligen Weihen empfangen haben. Ihr Berufsstand wird manchmal mit der Bezeichnung „Kooperatoren“ oder mit anderen gleichbedeutenden Worten umschrieben. In den alten Bettelorden nannten sie sich im allgemeinen „Laienbrüder“. „Brüder“ bedeutet hier „Ordensmänner“, und die nähere Angabe „Laien“ heißt „nicht zu Priestern geweiht“. Bedenkt man dann, daß diese Ordensmänner in einigen alten Orden „Konversen“ genannt wurden, erhält man in den meisten Fällen leicht einen Hinweis auf die Geschichte ihrer Berufung, das heißt einen Bezug auf die „Konversion“, die sie am Anfang zur ganzen Selbsthingabe an Gott im Dienst an den „Priesterbrüdem“ gedrängt hat, nachdem sie Jahre ihres Lebens in verschiedenen weltlichen Berufen - in der Verwaltung, im Staat, im Militär, in der Wirtschaft usw. - tätig waren. Entscheidend ist jedenfalls die Aussage des II. Vatikanischen Konzils, nach dem „das Ordensleben der Laien .... in vollwertiger Weise den Stand der Verpflichtung auf die evangelischen Räte“ verwirklicht (Perfectae caritatis, Nr. 10). Der Einsatz im priesterlichen Dienst wird von der mit dem Ordensstand verbundenen Weihe nicht verlangt, und deshalb kann ein Ordensmann sein Gott-geweiht-Sein auch ohne Priesterweihe voll verwirklichen. 2. Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung des gottgeweihten Lebens in der Kirche, dann stellt man eine wichtige Tatsache fest: Die Mitglieder der ersten Ordensgemeinschaften wurden unterschiedslos ,3rüder“ genannt und empfingen 38 AUDIENZEN UND ANGELUS meistens nicht die Priesterweihe, weil sie keine Berufung zum Dienstamt hatten. Ein Priester konnte in die Gemeinschaft eintreten, durfte aber keine Bevorzugung auf Grund der Weihe beanspruchen. Wegen Priestermangel wurden einige „Brüder“ für den sakramentalen Dienst in der Gemeinschaft geweiht. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs die Zahl der Ordenspriester oder -diakone im Verhältnis zu den Nichtpriestem allmählich an. Nach und nach entstand eine Trennung zwischen den Klerikern und den Laienbrüdern oder Konversen. Das Ideal eines gottgeweihten Lebens ohne Priestertum ist noch in der Gestalt des hl. Franz von Assisi lebendig, der persönlich keine Berufung zum priesterlichen Dienst fühlte, auch wenn er später einwilligte, zum Diakon geweiht zu werden. Franziskus darf als Vorbild der Fleiligkeit eines „laikalen“ Ordenslebens betrachtet werden; er gibt Zeugnis von der Vollkommenheit, die man mit dieser Lebensweise erlangen kann. 3. Das laikale Ordensleben hat im Laufe der Jahrhunderte nie zu blühen aufgehört. Auch in unserer Zeit entfaltet und verwirklicht es sich auf einer zweifachen Ebene. Auf der einen Seite haben wir eine bestimmte Anzahl von Laienbrüdern in verschiedenen Klerikergemeinschaften. Das II. Vatikanische Konzil empfiehlt in dieser Hinsicht: „Damit aber das brüderliche Band unter den Mitgliedern noch inniger werde, sollen diejenigen, die man als Konversen, Kooperatoren oder ähnlich bezeichnet, eng mit dem Leben und Arbeiten der Gemeinschaft verbunden werden“ (Perfectae caritatis, Nr. 15). Es gibt dann laikale Institute, als solche von der kirchlichen Autorität anerkannt, die kraft ihrer Natur, ihrer Eigenart und ihrer Zielsetzung eine eigene, vom Stifter oder durch eine rechtmäßige Überheferung festgelegte Aufgabe haben, die nicht die Ausübung der heiligen Weihe einschließt (vgl. CIC, can. 588, § 3). Diese sogenannten „Brüdergemeinschaften“ haben eine eigene Aufgabe, die in sich selbst Wert besitzt und einen ganz bestimmten Nutzen im Leben der Kirche bedeutet. 4. Das II. Vatikanische Konzil denkt besonders an diese laikalen Gemeinschaften, wenn es seine Hochschätzung für den laikalen Ordensstand zum Ausdruck bringt: „Das Ordensleben der Laien ... dient dem Seelsorgsauftrag der Kirche in Jugenderziehung, Krankenpflege und anderen Diensten. Darum schätzt die Heilige Synode es hoch ein, bestärkt die Mitglieder in ihrer Berufung und fordert sie zur Anpassung ihrer Lebensweise an die heutigen Verhältnisse auf (Perfectae caritatis, Nr. 10). Die jüngere Kirchengeschichte bestätigt die wichtige Rolle, die die Ordensmänner dieser Gemeinschaften vor allem im Bildungswesen und im karitativen Bereich spielen. Man kann sagen, daß an vielen Orten sie es waren, die für die christliche Erziehung der Jugend gesorgt haben, indem sie Schulen jeder Art und jeder Stufe gründeten. Sie sind es auch, die Pflegeheime für Kranke und physich und psychisch Behinderte geschaffen und unterhalten haben, indem sie auch die notwendigen Häuser und Einrichtungen bereitstellten. Deshalb ist ihr Zeugnis des christlichen Glaubens, der Hingabe und der Opferbereitschaft bewundems- und lobenswert, während man gleichzeitig wünscht, die Hilfe der Wohltäter - wie es 39 A UDIENZEN UND ANGELUS nach bester christlicher Tradition der Fall war - und die in der modernen Gesetzgebung vorgesehenen Zuwendungen mögen es ihnen immer mehr erlauben, für die Armen zu sorgen. Die vom Konzil bekräftigte „Hochschätzung“ zeigt, daß die kirchliche Autorität die Hingabe der ,3rüder“, die diese der christlichen Gesellschaft jahrhundertelang gewidmet haben, und ihre Mitarbeit bei der Evangelisierung, bei der Seelsorge und sozialen Fürsorge der Völker sehr hoch bewertet. Heute kann und muß man die geschichtliche Rolle und ihre kirchliche Rolle als Zeugen und Diener des Reiches Christi anerkennen. 5. Das Konzil ordnet an, daß die Brüdergemeinschaften den für die Entfaltung ihres Ordenslebens notwendigen Seelsorgedienst beanspruchen dürfen. Das ist der Sinn der Erklärung, mit der es ein Problem gelöst hat, das mehrmals innerhalb und außerhalb dieser verdienstvollen Gemeinschaften erörtert wurde; das heißt, „es stehe nichts im Wege, daß in Brüdergemeinschaften nach Ermessen des Generalkapitels einige Mitglieder für den priesterlichen Dienst in den eigenen Häusern die heiligen Weihen empfangen“ (Perfectae caritatis, Nr. 10). Diese Gelegenheit ist entsprechend den zeitlichen und örtlichen Bedürfnissen, aber auch im Einklang mit der ältesten Tradition der Mönchsgemeinschaften wahrzunehmen, die auf diese Weise wieder fortgesetzt werden kann. Das Konzil erkennt diese Möglichkeit an und erklärt, daß der Verwirklichung kein Hindernis entgegensteht, aber es überläßt der obersten Leitung dieser Gemeinschaften - dem Generalkapitel - die Entscheidung, ohne dazu ausdrücklich zu ermutigen, gerade weil ihm die Fortdauer der Brüdergemeinschaften auf der Ebene ihrer Berufung und Sendung am Herzen hegt. 6. Ich kann dieses Thema nicht abschließen, ohne die reiche Spiritualität hervorzuheben, die mit der Bezeichnung „Brüder“ verbunden ist. Diese Ordensmänner sind berufen, Brüder Christi zu sein, mit Ihm, dem „Erstgeborenen von vielen Brüdern“ (Röm 8,29), eng verbunden; Brüder untereinander zu sein in der gegenseitigen Liebe und in der Zusammenarbeit im selben Dienst zum Wohl der Kirche; Brüder eines jeden Menschen zu sein durch das Zeugnis der Liebe Christi gegenüber allen, besonders den Niedrigsten und Bedürftigsten; Brüder zu sein für eine größere Brüderlichkeit in der Kirche. Leider zeigt sich in jüngster Zeit in einigen Ländern eine Abnahme der Anzahl der Berufe zum laikalen Ordensleben, sowohl in den klerikalen als auch in den laika-len Gemeinschaften. Es ist notwendig, neue Anstrengungen zur Förderung des Aufschwungs solch wichtiger und edler Berufungen zu unternehmen: verstärkte Anstrengungen, um die Berufe zu fördern durch erneuten Einsatz des Gebets. Die Möglichkeit eines geweihten laikalen Lebens muß als ein Weg echter religiöser Vollkommenheit auch in den alten und in den neuen Männerorden deutlich werden. 40 AUDIENZEN UND ANGELUS Zugleich ist es sehr wichtig, daß in den klerikalen Instituten, zu denen auch „Laienbrüder“ gehören, diese eine angemessene Aufgabe haben, damit sie aktiv am Leben und am Apostolat der Gemeinschaft mitwirken. Man soll die laikalen Gemeinschaften ermutigen, auf dem Weg ihrer Berufung zu beharren, während sie sich dem gesellschaftlichen Fortschritt anpassen, aber den Geist der Ganzhingabe an Christus und an die Kirche immer bewahren und vertiefen, der in ihrem besonderen Charisma zum Ausdruck kommt. Ich bitte den Herrn, daß eine immer größere Zahl von Brüdern die Heiligkeit und die Sendung der Kirche bereichern möge. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wie das II. Vatikanische Konzil betont, gibt es neben den Ordenspriestem auch die sogenannten Brüder, die nicht die heiligen Weihen empfangen haben (Perfec-tae caritatis, Nr. 10). Sie leben entweder in eigenen Brüdergemeinschaften oder bilden zusammen mit den Patres eine Kommunität. Die jüngere Vergangenheit der Kirche bestätigt die bedeutsame Rolle dieser Orden, die vor allem im schulischen und karitativen Bereich tätig sind. In vielen Gegenden waren es Brüdergemeinschaften, die Schulen gründeten und der Jugend eine christliche Erziehung vermittelten. Wir können nicht von diesen Gemeinschaften sprechen, ohne ihre reiche Spiritualität zu unterstreichen. Ihre Mitglieder sind berufen, Brüder Christi zu werden und untereinander in gegenseitiger Liebe brüderlich verbunden zu sein. So wirken sie gemeinschaftlich, um im Dienst zum Wohl der Kirche und in der Bezeugung der Liebe Christi allen Menschen Brüder zu sein, vor allem den Kleinen und Bedürftigen. Auch wenn sich in einigen Ländern ein Rückgang an Berufungen zeigt, muß die Möglichkeit eines „laikalen“ Ordenslebens in den alten wie in neuen Gemeinschaften als Form der Lebensvervollkommnung herausgestellt werden. Es ist notwendig, neue Anstrengungen zu unternehmen, um Berufungen zu fördern, vor allem durch das Gebet. Mit dem Wunsch, daß auch Ihr, liebe Schwestern und Brüder, Euch dieses Anhegen der geistlichen Berufungen im Gebet zu eigen macht, heiße ich euch alle sehr herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt der Studiengruppe vom Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt und den heute zahlreich anwesenden Pilgern aus Österreich. Euch allen, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie all jenen, die uns in diesem Augenblick geistig verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 41 AUDIENZEN UND ANGELUS Frieden in ganz Südosteuropa Herzlich begrüße ich alle lieben kroatischen Pilger. Insbesondere begrüße ich die Gruppe kroatischer Unternehmer, die gekommen sind, um mir für meinen Pas-toralbesuch im September vergangenen Jahres in Zagreb zu danken, der in ganz Kroatien Bewegung ausgelöst hat. In meinem Herzen bewahre ich die schönen Erinnerungen an die unvergeßlichen Stunden, die ich mit dem lieben kroatischen Volk verbringen konnte. Ich bitte Gott den Allmächtigen, daß dieses Ereignis der Gnade reiche Früchte des geistlichen und materiellen Fortschritts und des so heiß ersehnten Friedens in Gerechtigkeit bringen möge, nicht nur in Kroatien und Bosnien und Herzegowina, die von der schrecklichen Geißel des Krieges betroffen sind, sondern auch im gesamten südosteuropäischen Raum. Von Herzen erteile ich jedem von euch und euren Familien den Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Märtyrerin für die Versöhnung - die sei. Edith Stein Angelus am 26. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Unter den Frauen, die der Sache des Friedens gedient haben, möchte ich heute an eine Märtyrerin unseres Jahrhunderts erinnern, die ich selbst zu meiner Freude im Jahr 1987 zur Ehre der Altäre erheben konnte: die Karmelitin Edith Stein. Sie wurde wie so viele andere Opfer der nationalsozialistischen Grausamkeit im Fager von Auschwitz ermordet. Für sie, die jüdischer Abstammung und nach der Tradition der Väter erzogen war, bedeutete die Entscheidung für das Evangelium, zu der sie nach schmerzlicher Suche gelangt war, keine Ablehnung ihrer kulturellen und religiösen Wurzeln. Christus, den sie auf den Spuren der hl. Theresia von Avila kennengelemt hatte, half ihr vielmehr, die Geschichte ihres Volkes tiefgründiger zu lesen. Den Blick auf den Erlöser gerichtet, lernte sie die Weisheit des Kreuzes, die sie zu neuer Solidarität mit den Leiden ihrer Brüder und Schwestern befähigte. Ihr großes Bestreben war es, sich mit dem Leiden des Mensch gewordenen Gottes dadurch zu vereinigen, daß sie ihr Leben für ihr Volk hingab. Sie nahm die Deportation und die Möglichkeit des Martyriums in dem tiefen Bewußtsein an, „für ihr Volk in den Tod zu gehen“. Ihr Opfertod ist ein Aufruf zum Frieden, ein Dienst am Frieden. 2. Edith Stein war auch Vorbild aufgrund des Beitrages, den sie zur Förderung der Frau leistete. Ich schrieb in der Botschaft zum Weltfriedenstag, daß der Aufbau 42 AUDIENZEN UND ANGELUS dieses Grundwertes ,glicht von der Anerkennung und Förderung der Personwürde der Frauen absehen kann“ (Nr. 4). Edith Stein spielte gerade darin eine bedeutsame Rolle, während sie sich in den Jahren, die ihrem Klosterleben vorausgingen, lange mit Initiativen befaßte, die dahin zielten, der Frau die Rechte, die jedem Menschen eigen sind, und die besonderen Rechte des Frauseins zuzuerkennen. Wenn sie über die Frau sprach, unterstrich sie gern deren Berufung zur „Braut und Mutter“, aber zugleich hob sie die Aufgabe hervor, zu der die Frau in allen Bereichen des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens berufen ist. Sie selbst gab von diesem in der Gesellschaft tätigen Frausein Zeugnis, indem sie sich als Forscherin, als Rednerin und Dozentin einen Namen machte. Sie war auch als Denkerin hoch-geschätzt und fähig, mit klugem Unterscheidungsvermögen die Beiträge der zeitgenössischen Philosophie zu nutzen, um die „volle Wahrheit der Dinge“ zu suchen in dem ständigen Bestreben, die Erfordernisse der Vernunft mit denen des Glaubens zu vereinbaren. 3. Der seligsten Jungfrau wollen wir heute besonders die Harmonie und den Frieden unter den Gläubigen der verschiedenen Religionen anempfehlen: Gott ist die Liebe, und alle, die an ihn glauben, trennt er nicht, sondern vereint sie seinem Wesen gemäß. Vor allem Juden und Christen dürfen ihre einzigartige Verwandtschaft nicht vergessen, die im Plan der Vorsehung Gottes wurzelt, welche die Geschichte begleitet. Maria, Tochter Sions und Mutter der Kirche, bitte für uns! Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Wir haben über die Rolle der Frau als Erzieherin zum Frieden gesprochen. Wenn wir wirklich den Frieden aufbauen wollen, dürfen wir nicht vergessen, daß er heute mehr als in der Vergangenheit eng mit der Entwicklung verbunden ist. Ich denke an das Wort meines verehrungswürden Vorgängers Papst Paul VI.: „Entwicklung ist der neue Name für Frieden.“ Am kommenden 6. März wird in Kopenhagen in Dänemark der von den Vereinten Nationen einberufene Weltgipfel über die soziale Entwicklung eröffnet. Die Staats- und Regierungsoberhäupter der ganzen Welt treten zusammen in dem Wunsch, gemeinsam die Armut zu bekämpfen, damit neue Arbeitsplätze geschaffen und die gesellschaftliche Integration gefördert werden. Eine Aufgabe, die zur Überwindung vieler Formen der Ausgrenzung beitragen wird. Ich wünsche dieser Versammlung von Herzen viel Erfolg. Die menschliche Person und ihre Würde mögen immer im Mittelpunkt jedes Einsatzes für die Entwicklung stehen, vor allem dort, wo die Gesellschaften und die Nationen ihre Zukunft planen. Es ist eine Anstrengung, die die ganze internationale Gemeinschaft und jede Einzelperson miteinbezieht, denn jeder von uns ist zur Mitarbeit aufgerufen, um die Welt menschlicher und brüderlicher zu gestalten. Wir wollen in diesen Tagen darum beten, daß die Regierenden das nötige Licht und die Kraft erhalten, damit 43 A UDIENZEN UND ANGELUS das Gipfeltreffen von Kopenhagen einen konkreten Schritt vorwärts zur ersehnten und erhofften weltweiten Solidarität zeitigt. Fastenzeit — Beginn der Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2000 Ansprache bei der Generalaudienz am 1. März 1. „Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Heute, am Aschermittwoch, beginnt die Fastenzeit: eine Zeit des Gebets und der Buße, die uns vierzig Tage lang bis zur Feier des Ostertriduums begleiten wird. Liebe Brüder und Schwestern, wir treten in einen für diesen Bußtag bezeichnenden Zeitraum des Betens, des Besinnens und des Fastens ein, wie die heutige Liturgie uns einlädt, es zu tun. „Laßt euch mit Gott versöhnen!“ Der dringendste Aufruf, der heute unterschiedslos an alle Gläubigen gerichtet wird, ist gerade die Einladung zur Umkehr und zur Versöhnung. Die beiden liturgischen Texte, die den Ritus der Aschenauflegung begleiten, bringen gerade diesen Inhalt wenn auch in verschiedenen Worten zum Ausdruck. Die erste liturgische Formel lautet: „Gedenke, daß du Staub bist und zum Staub zurückkehren mußt!“ Dieser Satz bezieht sich auf den Bericht über die erste Sünde der Menschheit, die Ursünde (vgl. Gen 3,19). Der Mensch wird auf diese Weise eingeladen, die eigene Wirklichkeit als sterbliches Geschöpf und den eigenen Zustand als Sünder zu erkennen, um sich der Barmherzigkeit Gottes anzuvertrauen und durch die göttliche Vergebung den Stand der Gnade, das heißt die Gemeinschaft mit dem Leben Gottes selbst wiederzuerlangen oder zu verstärken. Die zweite liturgische Formel des Aschermittwochritus nimmt Bezug auf die Anfänge der Predigt Jesu: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (vgl. Mk 1,15). Es handelt sich um eine dringende Aufforderung zur Buße im Geist des Evangeliums, das heißt, die falschen Sicherheiten der Welt hinter sich zu lassen, auf egoistische Entscheidungen zu verzichten und sich von der Herrschaft des Bösen und einer unausgewogenen Selbstliebe zu befreien, um die Frohe Botschaft, das Heil, anzunehmen, das Gott jedem Menschen in Jesus Christus anbietet. 2. Die Haltung der Buße und Umkehr soll sich in konkreten Gesten der geistlichen Erneuerung und Liebe zu den Brüdern und Schwestern ausdrücken. Das unterstreicht ein bedeutendes Dokument des II. Vatikanischen Konzils: „Die Buße der vierzigtägigen Fastenzeit sei nicht bloß eine innere und individuelle Übung, sondern auch eine äußere und soziale. Die Bußpraxis soll je nach den Möglichkeiten unserer Zeit und der verschiedenen Gebiete wie auch nach den Verhältnissen der Gläubigen gepflegt und ... empfohlen werden“ {Sacrosanctum Concilium, Nr. 110). Kennzeichen der Buße am Aschermittwoch ist die überlieferte Übung der Enthaltsamkeit und des Fastens. Sich der Speise zu enthalten oder jedenfalls 44 AUDIENZEN UND ANGELUS sich eine verstärkte einschränkende Disziplin aufzuerlegen, entspricht verschiedenen Bedürfnissen des menschlichen Lebens und erhält folglich eine Bedeutung, die sowohl das körperliche Leben als auch die geistliche Erfahrung des Menschen berührt. Zunächst dient es dem Schutz der körperlichen Gesundheit: Eine gesunde Ernährung sieht tatsächlich den periodischen Verzicht auf gewisse Nahrungsmittel und auch angemessene Unterbrechungen zwischen einer Mahlzeit und der anderen vor. Das hilft außerdem dazu, die notwendige Selbstbeherrschung gegenüber dem Trieb zur Nahrungsaufnahme wiederherzustellen. Nicht zu unterschätzen ist dann die Gelegenheit, die eine solche Disziplin bietet, um Solidarität gegenüber den Notleidenden zu üben. Enthaltsamkeit und Fasten erinnern schließlich an die Grenzen jeder natürlichen Speise und weisen auf die Notwendigkeit der Suche nach einer geistlichen Nahrung hin gemäß den Schriftworten: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ CMt 4,4). 3. Das äußere Fasten soll deshalb Hand in Hand gehen mit dem Hören des Wortes Gottes und dem Einsatz des Gebets. In der Liturgie von heute wird immer wieder die Einladung des Herrn wiederholt: „Kehrt um zu mir von ganzem Herzen“ {Joel 2,12; vgl. Erste Lesung). Diese Einladung erklingt während der ganzen Fastenzeit. Da werden die Gläubigen aufgefordert, zu meditieren und im Gebet zu verweilen, damit sie dem Wort Gottes Raum geben in ihrem Leben, das oftmals in so hektischer Weise geführt und mit begrenzten oder flüchtigen Wirklichkeiten erfüllt wird. Es ist notwendig, die Aufmerksamkeit immer mehr auf die Heilige Schrift zu lenken auch bei den vielen Gelegenheiten, die die Fastenzeit durch die Teilnahme an der Sonntags und Wochentagsliturgie sowie bei Gemeinschaftstreffen oder bei der persönlichen Meditation bietet. Wenn das Gebet zu jeder Zeit des Jahres den Kern des christlichen Lebens und der natürliche Ausdruck des Glaubenslebens ist, dann gilt das um so mehr während der Fastenzeit. Das Gebet muß in dieser Zeit einen besonderen Bußakzent erhalten. Das soll besonders zum Ausdruck kommen in der Bitte um die göttliche Vergebung für die persönlichen und gemeinschaftlichen Sünden, die weiterbestehenden Situationen der Ungerechtigkeit und Gewalt in der Welt und die Konflikte und Kriege, die heute noch ganze Völker bedrohen. Das Gebet in der Fastenzeit ist die stärkste Kraft, das Böse zu besiegen, das im Herzen der Menschen nistet, denn es gründet auf der Heilsmacht Gottes selbst, die den Menschen im Kreuz Christi offenbart und mitgeteilt wurde. 4. Kennzeichen des Aschermittwochs und der Fastenzeit ist schließlich das Üben von Werken der Nächstenliebe. In der Botschaft, die ich in diesem Jahr zur Fastenzeit übersandte, wies ich auf die Geißel des Analphabetismus als vordringliches Gebiet für die Übung der Werke der Nächstenliebe hin. 45 AUDIENZEN UND ANGELUS Es handelt sich um einen besonders dringlichen Aufgabenbereich in unserer Zeit: Denn dort zeigen sich weiterhin neben der materiellen Armut die kulturelle Armut, die den Menschen zur Unkenntnis seiner Rechte und seiner Pflichten verdammt (vgl. Nr. 1). Die diesjährige Fastenzeit ist diesmal von ganz besonderer Natur und steckt den Gläubigen das Ziel, diese vierzig Tage besonders eindringlich zu leben. Denn sie gehört zur ersten Phase der Vorbereitung auf das große Jubiläum 2000. Die Gebets und Bußzeit, die uns zum nächsten Ostern führt, ist Teil des mehrjährigen Vorbereitungsweges zur einzigartigen Begegnung mit der barmherzigen Liebe Gottes, die uns zu Beginn des dritten christlichen Jahrtausends erwartet. Maria, die ihrem Sohn als treue Jüngerin bis unter das Kreuz folgte, begleite und stütze uns durch ihre mütterliche Fürsprache auf unserem Bußweg im Verein mit den Gläubigen der ganzen über die gesamte Erde verstreuten kirchlichen Gemeinschaft. Grußworte in Deutsch: Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mit meinem Gebet für eine fruchtbringende Fasten- und Bußzeit für Euch alle erteile ich Euch sowie Euren lieben Angehörigen zu Hause von Herzen meinen Apostolischen Segen. Weltgipfel in Kopenhagen: Familie entscheidend für soziale Entwicklung Angelus am 5. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Morgen beginnt in Kopenhagen der Weltgipfel über die soziale Entwicklung, auf den ich schon am vergangenen Sonntag hingewiesen habe. Ich möchte meine lebhafte Wertschätzung vor allem der Organisation der Vereinten Nationen zum Ausdruck bringen, welche die Vorbereitung dieser wichtigen Versammlung gefördert und besorgt hat. Mit Hochachtung grüße ich die Regierungschefs und die Staatsoberhäupter sowie die Delegationen, die an den Arbeiten teilnehmen. Ich wünsche von Herzen, daß dieses Treffen den Beginn einer neuen Phase auf dem Weg der Menschheit einleiten möge, wo das Wohl der Einzelpersonen und der Völker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Anstrengungen der Verantwortlichen der Nationen gestellt wird. Zu dieser Gipfelkonferenz versammeln sich die höchsten Autoritäten von fast allen Ländern, um gemeinsame Leitlinien zu suchen mit dem Ziel, die Armut zu bekämpfen, Arbeit für alle zu beschaffen und die soziale Integration zu fördern. Diese Zielsetzungen verlangen gewiß, daß wirtschaftliche Antriebe und gesetzgeberische Maßnahmen in Gang gesetzt werden, aber daß sie vor allem zu Recht als 46 AUDIENZEN UND ANGELUS Fragen betrachtet werden, die mit der Würde und den Rechten des Menschen, mit dem Frieden und der Sicherheit jedes einzelnen Zusammenhängen. Ein gutes Vorzeichen ist es, daß diese Aufgaben nicht nur unter politischen und wirtschaftlichen, sondern auch unter ethischen und geistlichen Gesichtspunkten betrachtet werden, indem die menschliche Person in den Mittelpunkt gestellt wird, nicht nur die Wirtschaftsgesetze. Denn die Wirtschaft muß den Bedürfnissen des Menschen wirksam entgegenkommen. 2. Jeder Mensch besitzt die gleiche Würde - eine für die Gläubigen herausragende Würde, denn sie erkennen in ihm das Bild Gottes. Dennoch bestehen unter den Menschen wirklich noch gewaltige Ungleichheiten. Betroffen ist man von den Unterschieden zwischen manchen Entwicklungsländern, die oft unter Hunger, Bildungsmangel und Krankheiten leiden, und den hochentwickelten Ländern, in denen die Erscheinungsformen des übersteigerten Konsums sogar das Gleichgewicht der Umwelt stören. Wir dürfen auch die zuweilen gewaltigen Unterschiede zwischen Reichen und Armen innerhalb der gleichen Nation nicht vergessen. In diesem Zusammenhang darf man nicht außer acht lassen, daß der Mangel von Arbeitsplätzen nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern ein persönliches Drama für viele bedeutet. Die Arbeitslosen sehen sich dadurch von der vollen Beteiligung am Leben der Gesellschaft ausgeschlossen. Neue Arbeitsgelegenheiten zu schaffen, ist eine tief menschliche Verpflichtung, denn durch die Arbeit verwirklicht sich der einzelne als Person, und er gestaltet seine eigene Entwicklung durch ein Verhältnis der Zusammenarbeit mit den anderen. 3. Ein vorrangiges Ziel ist auch die soziale Integration, das Bemühen, die vielen Formen der Ausgrenzung zu überwinden. Es ist wichtig, daß die Gesellschaften offen sind und daß jeder sich mit der gleichen Freiheit, mit gleichen Rechten und Pflichten angenommen weiß. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf zwei Aspekte lenken, die unerläßlich sind für die Erreichung dieses hohen Zieles. Der erste ist die Religionsfreiheit, die in Wirklichkeit das Fundament und gleichsam die Synthese vieler Freiheiten ist, wie es die Konferenz auch anerkennt. Der zweite ist die Rolle der Familie, ein wichtiger Faktor der sozialen Integration. Wenn die Familie nicht mehr imstande ist, die eigenen Aufgaben zu erfüllen, dann hat die gesamte Gemeinschaft unter den negativen Folgen zu leiden. Allen gereicht es zum Vorteil, wenn sich die Familien auch auf wirtschaftlicher und gesetzgeberischer Ebene gefördert und in der eigenen Festigkeit gestärkt fühlen. Die soziale Entwicklung ist ein großes Werk des Gemeinwohls, und wir alle sind gerufen, daran mitzuarbeiten. Ich vertraue der Fürsprache Marias die Arbeiten dieses Weltgipfels über die soziale Entwicklung an, damit dieses umfassende internationale Treffen echte Gründe der Hoffnung für eine aufnahmebereitere und brüderlichere Welt schaffe. 47 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute ist der erste Sonntag in der Fastenzeit. Da sind die Christen zur Umkehr eingeladen, indem sie jede Form von Egoismus bekämpfen und sich mit der barmherzigen Liebe des Vaters versöhnen lassen, der Quelle des Friedens und der Freude. Ich wünsche allen Getauften, daß sie in dieser Zeit die eigene Berufung durch das Hören auf das Wort Gottes, durch Gebet, Fasten und konkrete Nächstenliebe neu entdecken und festigen. Von heute nachmittag an bis zum nächsten Samstag widme ich mich zusammen mit den Mitbrüdem der Römischen Kurie den geistlichen Exerzitien. Ich bitte euch um ein besonderes Gebetsgedenken. Weltgipfelkonferenz für Soziale Entwicklung -Hoffnungsträger für die Armen Angelus am 12. März 1. Heute am zweiten Fastensonntag hält uns die Liturgie an, den Blick auf den verklärten Christus zu richten. Den Versuchungen Satans siegreich entgangen begibt Jesus sich nach Jerusalem, um den Willen des Vaters zu erfüllen und sein Leben für das Heil der Welt hinzugeben. Die Verklärung ist ein vorübergehender Abschnitt dieses Weges, sie nimmt das Ziel vorweg und offenbart den Jüngern die wahre Identität des Erlösers. Durch diese Erfahrung ermutigt, können die Apostel in der Nachfolge des Meisters den schweren Weg antreten, der sie zu Ostern hinführt. Das Geheimnis der Verklärung bietet auch uns eine Botschaft der Hoffnung. Es lädt uns ein, dem Herrn zu begegnen, und ermutigt uns dann, „vom Berg herabzusteigen“, um unseren Mitmenschen mit verklärten Augen und Herzen zu dienen. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Wir haben soeben die erste Vorbereitungsphase auf das Jubiläum des Jahres 2000 begonnen. Auf dem zweitausendjährigen Weg der Kirche wird sie ein großer Augenblick der Verklärung sein, denn sie „soll in den heutigen Christen den Glauben an Gott, der sich in Christus geoffenbart hat, festigen, ihre auf die Erwartung des ewigen Lebens ausgerichtete Hoffnung stärken und ihre im Dienst an den Brüdern tätig engagierte Liebe wiederbeleben“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 31). Zur Vorbereitung auf das beeindruckende und fruchtbringende Erlebnis eines so außerordentlichen Gnadenereignisses sind wir alle besonders in dieser Fastenzeit aufgerufen, mit bereitwilliger Aufmerksamkeit und im Gebet auf Christus, den Erlöser des Menschen, zu hören. Dazu ist es notwendig, die geistlichen Bedingungen zu schaffen, welche eine gehorsame und frohe Aufnahme des Wortes Gottes erlauben: Das sind geeignete Momente der Stille, die Meldung von Gelegenheiten zur Sünde, die kleinen täglichen Verzichte und die brüderliche Nächstenliebe. 48 AUDIENZEN UND ANGELUS Mögen die christlichen Familien der ganzen Welt eifrig die Vorbereitung des nahenden Glaubensjubiläums beginnen, indem sie bei sich zu Hause ein Klima der Einfachheit und der geistlichen Erwartung nähren, indem sie gemeinsam das Evangelium lesen und zusammen beten. 3. Der Weg Jesu, des leidenden Gottesknechtes, auf Ostern zu ruft uns außerdem die Kranken und die unzähligen Frauen und Männer in Erinnerung, die durch Ungerechtigkeit und Gewalt erniedrigt werden. Der Weltgipfel für die soziale Entwicklung, der heute in Kopenhagen zu Ende geht, hat der gesamten öffentlichen Weltmeinung die zwischen reichen und armen Völkern bestehenden Ungleichheiten und die Tragödien vor Augen geführt, die das Leben eines Großteils der Menschheit bedrohen. Sie sind leider das Ergebnis einer Welt, die, weil sie Gott vergessen hat, oft dahin gelangt, die Würde des Menschen zu verletzen. Ich spreche die Hoffnung aus, daß das Treffen in Kopenhagen ein Zeichen der Hoffnung für die Armen der ganzen Erde setzen und die Voraussetzung für den Aufbau einer freien und solidarischen Welt schaffen möge. Diese Wünsche wie auch unseren Einsatz in der Fastenzeit übergeben wir Maria, damit sie jedem Christen helfe, sich in ein konkretes Zeichen der lebendigmachenden Liebe Gottes umzuwandeln, um allen, besonders den Leidenden, den Einsamen und den Verlassenen, die österliche Freude der Auferstehung zu verkünden. Gottgeweihtes Leben der Frauen Ansprache bei der Generalaudienz am 15. März 1. Das gottgeweihte Leben der Frauen nimmt in der Kirche einen sehr wichtigen Platz ein. Man denke nur an den tiefgehenden Einfluß des kontemplativen Lebens und des Gebetes der Ordensfrauen, an ihre Tätigkeit im Bereich der Schule, der Krankenpflege, an ihre vielfältige Mitarbeit im Pfarrleben, an die wichtigen Dienste, die sie auf diözesaner und interdiözesaner Ebene leisten, und an die qualifizierten Aufgaben, die sie immer mehr selbst im Arbeitsbereich des Hl. Stuhls erfüllen. Denken wir auch daran, daß in einigen Nationen die Verkündigung des Evangeliums, der Religionsunterricht und selbst die Taufspendung zum Großteil Ordensfrauen übertragen sind, die im direkten Kontakt mit dem Volk in der Schule und in den Familien stehen. Wir dürfen auch nicht die anderen Frauen vergessen, die in verschiedenen Formen der persönlichen Weihe und der kirchlichen Gemeinschaft in der Hingabe an Christus leben und seinem Reich in der Kirche dienen, wie es heute im Stand der Jungfrauen geschieht, zu dem man durch das besondere Gelübde an Gott in die Hände des Diözesanbischofs gelangt (vgl. CIC, can. 604). 2. Gepriesen sei diese vielfältige Schar von „Dienerinnen des Herrn“, die im Laufe der Jahrhunderte die außerordentliche Erfahrung der Frauen weiterführen und er- 49 AUDIENZEN UNDANGELUS neuem und, indem sie Jesus nachfolgen, ihm zusammen mit den Jüngern dienen (vgl. Lk 8,1-3). Sie hatten nicht weniger als die Apostel die gewinnende Kraft des Wortes und der Liebe des göttlichen Meisters gespürt und ihm zu helfen und zu dienen begonnen, soweit sie es auf seinen Missionswegen tun konnten. Das Evangelium läßt erkennen, daß es Jesus angenehm war; er konnte nicht umhin, gewisse Beweise der Hochherzigkeit und Zuwendung zu schätzen, die typisch für die Psychologie der Frau sind, aber vom Glauben an seine Person inspiriert wurden, der nicht nur menschlich zu erklären war. Bezeichnend ist das Beispiel von Maria Magdalena, einer treuen Jüngerin und Dienerin Christi während seines Lebens auf Erden und späteren Zeugin oder sozusagen ersten Verkünderin seiner Auferstehung (vgl. Joh 20,17-18). 3. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in dieser echten und treuen Gefolgschaft das Gefühl der Ganzhingabe in erhöhter Daseinsweise zum Ausdmck kam, das die Frau zur Bräutlichkeit und noch weiter auf die Ebene der übernatürlichen Liebe, zur jungfräulichen Weihe an Christus führt, wie ich in Mulieris dignitatem dargelegt habe (vgl. Nr. 20). In dieser in „Dienst“ umgesetzten Nachfolge Christi entdecken wir auch das Gefühl der Selbsthingabe der Frau, das am Schluß des Gesprächs mit dem Engel so treffend bei der Jungfrau Maria zum Ausdmck kommt: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Es ist ein Ausdmck des Glaubens und der Liebe, der sich im Gehorsam gegenüber dem göttlichen Ruf und zum Dienst an Gott und den Brüdern und Schwestern verwirklicht: So bei Maria, bei den Frauen, die Jesus nachfolgten, so bei all denen, die - sie nachahmend -ihm im Laufe der Jahrhunderte gefolgt sind. Die bräutliche Mystik scheint heute unter den jungen Aspirantinnen zum Ordensleben schwächer ausgeprägt, weil sie weder von der allgemeinen Vorstellung noch von der Schule oder Literatur zu diesem Gefühl angeregt werden. Im übrigen sind heilige Frauen bekannt, die in ihrem Verhältnis der Weihe an Gott anderen Leitlinien gefolgt sind: z. B. durch den Dienst für die Ankunft seines Reiches; die Selbsthingabe an ihn, um ihm in den armen Brüdern zu dienen; das lebendige Gefühl seiner Oberhoheit (,Mem Herr und mein Gott!“ vgl. Joh 20,28); die Identifizierung mit dem eucharistischen Opfer; die Kindschaft in der Kirche; die Berufung zu den Werken der Barmherzigkeit; den Wunsch, die Geringsten und Letzten in der christlichen Gemeinschaft zu sein; das Herz der Kirche zu sein; der Heiligsten Dreifaltigkeit im eigenen Herzen einen Tabernakel anzubieten. Das sind einige Leitmotive von Lebenswegen, die - wie Paulus und vor allem Maria - ergriffen waren von Jesus Christus (vgl. Phil 3,12). Man kann außerdem zum Nutzen für alle Ordensfrauen die Bedeutung der Teilhabe an dem Zustand des „Gottesknechtes“ hervorheben (vgl. Jes 41,9; 42,1; 49,3; Phil 2,7 usw.), der Christus, dem Priester und Opfer, eigen ist. Der „Dienst“, den Jesus zu leisten gekommen ist, indem er sein Leben „als Lösegeld für viele“ hin- 50 AUDIENZEN UND ANGELUS gab (Mt 20,28), wird zum nachahmenswerten Vorbild und beinahe zur Teilhabe an der Erlösung, die durch den brüderlichen „Dienst“ (vgl. Mt 20,25-27) zu verwirklichen ist. Das schließt eine besondere Verwirklichung der Bräutlichkeit der Kirche in Vereinigung mit Christus und in der ständigen Anwendung der Früchte der Erlösung auf die Welt nicht aus, sondern bringt sie mit sich - der Erlösung, die durch das Priestertum des Kreuzes gewirkt wurde. 4. Wie das Konzil sagt, wird das Geheimnis der bräutlichen Verbundenheit der Kirche mit Christus in jedem gottgeweihten Leben deutlich (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44), vor allem durch das Gelübde des evangelischen Rates der Keuschheit (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 12). Verständlicherweise hat man diese Ausdrucksform besonders in der gottgeweihten Frau verwirklicht gesehen, der in den liturgischen Texten auch der Titel „Braut Christi“ zugesprochen wird. Zwar hat Tertul-lian das Gleichnis von der Vermählung mit Gott instinktiv auf Männer und Frauen angewandt, als er schrieb: „Wie viele Männer und wie viele Frauen zählen um ihrer Enthaltsamkeit willen zu den kirchlichen Ständen! Sie wollten lieber Bräute Gottes sein ...“ (vgl. De exort. cast., 13. PL 2,930A; CC2, 1035, 35-39; Über die Aufforderung zur Keuschheit, in: Ausgewählte Schriften, Bd. 1, Bibliothek der Kirchenväter Bd. 7, Kempten/ München 1912, S. 346), aber es ist nicht zu leugnen, daß die Seele der Frau besonders fähig ist, die mystische Vermählung mit Christus zu leben und damit in sich das Antlitz und das Herz der Kirche als Braut nachzubilden. Deshalb erfüllt bei der Profeß der Ordensfrauen und der geweihten Jungfrauen der Säkularinstitute der Gesang oder das Sprechen der Antiphon „Komm, Braut Christi, ...“ ihre Herzen mit tiefer Bewegung, während die Beteiligten und die ganze Versammlung von einer mystischen Atmosphäre erfüllt werden. 5. Nach der „Logik“ der Vereinigung mit Christus als dem Priester und dem Bräutigam entfaltet sich in der Frau auch das Gefühl der geistlichen Mutterschaft. Die Jungfräulichkeit - oder evangelische Keuschheit - bringt den Verzicht auf die körperliche Mutterschaft mit sich, um sich nach dem göttlichen Plan in eine höher geordnete Mutterschaft umzusetzen, über der das Licht der Mutterschaft der Jungfrau Maria erstrahlt. Jede gottgeweihte Jungfräulichkeit ist dazu bestimmt, vom Herrn ein Geschenk zu empfangen, das in einem gewissen Maß die Merkmale der Universalität und der geistlichen Fruchtbarkeit der Mutterschaft Marias nachbildet. Man entdeckt es in der Wirksamkeit vieler gottgeweihten Frauen bei der Erziehung der Jugend zum Glauben. Bekanntlich wurden viele Frauenorden gegründet, die unzählige Schulen schufen, um diese Erziehung zu vermitteln, für die - besonders wenn es sich um die Kinder handelt - die Wesenseigenschaften der Frau wertvoll und unersätzlich sind. Weiter entdeckt man dies auch im Bereich vieler Tätigkeitsfelder der Nächstenliebe und Fürsorge für die Armen, die Kranken, die Behinderten, die Verlassenen, vor allem die alleingelassenen Kinder und Mäd- 51 AUDIENZEN UND ANGELUS chen, die früher als die Unglücklichsten galten: In all diesen Fällen sieht man den Reichtum der Hingabe und des Mitleids des Frauenherzens. Schließlich entdeckt man ihn auch in den vielfältigen Formen der Mitarbeit in den Dienstleistungen der Pfarrei und der katholischen Verbände, wo die Neigungen der Frau zur Mitarbeit im Pastoraldienst immer deutlicher hervortreten. 6. Aber unter allen Werten, die im Ordensleben der Frau gegenwärtig sind, sollte man doch immer dem Gebet den ersten Platz einräumen. Es ist die wichtigste Form, um die Vertrautheit mit dem göttlichen Bräutigam zu verwirklichen und zum Ausdruck zu bringen. Alle Ordensfrauen sind berufen, Frauen des Gebets, Frauen der Frömmigkeit, Frauen des inneren Lebens, des „Gebetslebens“, zu sein. Tritt diese Berufung in den kontemplativen Ordensgemeinschaften zweifellos deutlicher zutage, scheint sie doch auch auf in den Gemeinschaften des aktiven Lebens, welche die Zeiten des Gebets und der Betrachtung je nach Bedürfnis und Wunsch der gottgeweihten Frauen und entsprechend der Weisungen des Evangeliums sorgfältig einhalten. Jesus, der all seinen Jüngern das Gebet empfahl, wollte die Bedeutung des Lebens in Gebet und Kontemplation am Beispiel einer Frau, Maria von Bethanien, herausstellen, die von ihm gelobt wurde, weil sie „den besseren Teil“ gewählt hatte (Lk 10,42): Hören auf das Wort Gottes, es aufnehmen und es zum Schlüssel des eigenen Lebens zu machen. War das vielleicht nicht ein deutlicher Hinweis auf den ganzen zukünftigen Beitrag der Frau zum Gebetsleben der Kirche? Übrigens liegt im häufigen Gebet auch das Geheimnis der Beharrlichkeit in diesem Einsatz der Treue zu Christus, der für alle in der Kirche vorbildlich sein soll. Dieses makellose Zeugnis einer unerschütterlichen Liebe kann sehr hilfreich sein für andere Frauen in Notsituationen, die unsere Gesellschaft in dieser Hinsicht auch oft belasten. Hoffen und beten wir, daß viele Ordensfrauen, die in sich das Herz einer Braut Christi haben und es im Leben deutlich machen, auch dazu beitragen, allen die Treue der Kirche in ihrer Verbindung mit Christus, ihrem Bräutigam, zu offenbaren und verständlicher zu machen: die Treue in der Wahrheit, in der Liebe, im Streben nach einem universalen Heil. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dem innigen Wunsch für Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, in dieser Fastenzeit zu suchen und zu tun, was uns zum Heile dient, grüße ich Euch alle sehr herzlich. Euch, Euren Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 52 AUDIENZEN UNDANGELUS Wirken des Heiligen Geistes im Ordensleben Ansprache bei der Generalaudienz am 22. März 1. In der dogmatischen Konstitution über die Kirche erklärt das II. Vatikanische Konzil, daß das Gott geweihte Leben in seinen vielfältigen Formen die „unbegrenzte Macht des Heiligen Geistes in der Kirche“ aufzeigt (.Lumen Gentium, Nr. 44). Das Konzilsdekret über die Erneuerung des Ordenslebens unterstreicht gleichfalls, daß „der Antrieb des Heiligen Geistes“ den Anstoß gab sowohl zum Einsiedlerleben als auch zur Gründung der „religiösen Gemeinschaften, die von der Kirche kraft ihrer Vollmacht gern unterstützt und bestätigt wurden“ (Perfectae caritatis, Nr. 1). Die Spiritualität der religiösen Verbindlichkeit, die alle Institute des Gott geweihten Lebens beseelt, hat eindeutig ihren Mittelpunkt in Christus, in seiner Person, in seinem ehelosen Leben in Armut, das er bis zur äußersten Selbsthingabe für die Brüder und Schwestern in vollkommenem Gehorsam gegenüber dem Vater geopfert hat. Es handelt sich jedoch um eine Spiritualität im strengsten Sinn des Wortes, das heißt um eine vom Heiligen Geist gegebene Ausrichtung. Denn die Nachfolge Christi in Armut, Keuschheit und Gehorsam wäre nicht möglich ohne den Antrieb des Heiligen Geistes, des Urhebers jedes inneren Fortschritts und Spenders aller Gnaden in der Kirche. „Von der Liebe gedrängt, die der Heilige Geist in ihre Herzen ausgegossen hat“, betont das Konzil, leben die Gott geweihten Personen „mehr und mehr für Christus und seinen Leib, die Kirche“ (Perfectae caritatis, Nr. 1) 2. Tatsächlich gibt es im religiösen Leben und in jedem geweihten Leben ein oberstes und entscheidendes Wirken des Heiligen Geistes, das die aufmerksamen Menschen in unvergleichlicher Weise durch eine gewisse von der göttlichen Liebe geschaffene Wesensgleichheit erfahren dürfen, wie es der hl. Thomas ausdrückt (vgl. Summa Theologiae, IM, q.45, a. 2). Wenn Jesus Christus in seiner Kirche Männer oder Frauen in seine Nachfolge beruft, läßt er seine Stimme hören und seine Anziehungskraft durch das innere Wirken des Heiligen Geistes spüren, dem er die Aufgabe überträgt, den Ruf verständlich zu machen und den Wunsch zu erwecken, ihm durch ein Leben zu antworten, das vollkommen auf Christus und sein Reich ausgerichtet ist. Er entwickelt im Innersten des Herzens die Gnade der Berufung, indem er den Weg eröffnet, der notwendig ist, damit diese Gnade ihr Ziel erreicht. Er ist der erste und wichtigste Bildner der Berufungen. Er ist der Seelenführer der Ordensleute auf dem Weg der Vollkommenheit. Er ist der Urheber der Großherzigkeit, der Geduld, der Treue jedes einzelnen und aller zusammen. 3. Über sein in den einzelnen Herzen entfaltetes Wirken hinaus steht der Heilige Geist auch am Beginn der Gemeinschaften der geweihten Personen: Das II. Vatikanische Konzil selbst sagt es (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 1). So war es in 53 AUDIENZEN UND ANGELUS der Vergangenheit, und so ist es heute. Schon immer schenkt der Heilige Geist einigen Personen das Gründungscharisma in der Kirche. Schon immer bewirkt er, daß sich um den Gründer oder die Gründerin Personen sammeln, die die Ausrichtung ihrer gottgeweihten Lebensform, ihre Wegweisung, ihr Ideal, ihre anziehende Liebe oder Lehre oder ihr seelsorgerisches Apostolat teilen. Schon immer schafft und fördert der Heilige Geist die Harmonie unter den zusammengeführten Personen und hilft ihnen, ein Gemeinschaftsleben zu entfalten, das entsprechend der besonderen Ausrichtung des Charismas des Gründers und seiner treuen Anhänger von der Liebe beseelt ist. Ermutigend ist es festzüstellen, daß der Heilige Geist auch in jüngster Zeit in der Kirche neue Gemeinschaftsformen entstehen ließ und neue Erfahrungen des gottgeweihten Lebens hervorrief. Anderseits ist es wichtig festzuhalten, daß der Heilige Geist die verantwortlichen Autoritäten in der Kirche leitet bei der Akzeptanz und kanonischen Anerkennung der Gemeinschaften der geweihten Personen, nachdem ihre Konstitutionen geprüft, gegebenenfalls verbessert und schließlich approbiert wurden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 45), um dann ihre zu vollziehenden Wahlen zu ermutigen, zu unterstützen und nicht selten zu inspirieren. Wie viele Initiativen, wie viele neue Gründungen von Instituten und neuen Pfarreien, wie viele Missionsreisen haben ihren mehr oder weniger bekannten Ursprung in den Gesuchen oder Hinweisen, die die Hirten der Kirche an die Gründer und Generaloberen der Institute gerichtet haben! Oft entwickelt und weckt das Wirken des Heiligen Geistes sogar Charismen von Ordensleuten durch die Hierarchie. In jedem Fall bedient er sich ihrer, um den Ordensfamilien eine dem göttlichen Willen und der Lehre des Evangeliums entsprechende Ausrichtung zu geben. 4. Und weiter: Der Heilige Geist übt seine Wirkung auf die Ausbildung der Kandidaten des Ordenslebens aus. Er stellt die harmonische Verbindung aller geistlichen, apostolischen, lehrhaften und praktischen Grundlagen in Christus her, die die Kirche selbst für notwendig hält, um eine gute Ausbildung zu gewährleisten (vgl. Potissimum Institutioni - Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten). Der Heilige Geist macht in besonderer Weise die Bedeutung des evangelischen Rates der Keuschheit deutlich durch ein inneres Bild, das den gewohnten Zustand des menschlichen Fassungsvermögens übersteigt (vgl. Mt 19,10-12). Er erweckt in den Herzen das Bestreben nach einer totalen Hingabe an Christus auf dem Weg des Zölibats. Mit seiner Hilfe stellt „die durch die Ordensgelübde geweihte Person ,in mehr unmittelbarer Weise eine Beziehung zu Gott durch Christus im Heiligen Geist in den Mittelpunkt ihres Gefühlslebens“ (Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten, in: O.R.dt., Nr. 18/1990). Auch in den beiden anderen evangelischen Räten läßt der Heilige Geist seine wirksame, formende Macht spüren. Er schenkt nicht nur die Kraft, auf die irdischen Güter und ihre Vorteile zu verzichten, sondern formt im Innern den Geist der Armut, indem er das Verlangen eingibt, über die materiellen Güter hinaus einen Schatz im Himmel zu suchen. Er schenkt auch das notwendige Licht zur 54 AUDIENZEN UND ANGELUS Glaubenseinsicht, um in dem Willen der Oberen den verborgenen Willen Gottes zu erkennen und zu der Beachtung des Gehorsams eine demütige, aber großherzige Mitarbeit bei der Vollendung des Heilsplans zu sehen. 5. Als Seele des mystischen Leibes ist der Heilige Geist auch die Seele jedes Gemeinschaftslebens. Er entfaltet alle Vorzüge der Liebe, die zur Einheit und zum Frieden im Gemeinschaftsleben beitragen können. Er bewirkt, daß das Wort und das Beispiel Christi von der Liebe zu den Brüdern und Schwestern die gestaltende Kraft in den Herzen ist, wie der Apostel Paulus sagte (vgl. Röm 5,5). Durch seine Gnade läßt er die Liebe des sanften und demütigen Herzens Jesu, seine dienstbereite Haltung und seine heroische Vergebung in das Verhalten der Ordensleute eindringen. Nicht weniger notwendig ist das ständige Wirken des Heiligen Geistes auf die Beharrlichkeit der Ordensleute im Gebet und im Leben der inneren Verbundenheit mit Christus. Er weckt den Wunsch zur Vertrautheit mit Gott, er läßt das Verlangen nach dem Gebet wachsen, er bewirkt eine wachsende Anziehungskraft der Person Christi, seines Wortes, seines Lebensbeispiels. Das Wehen des Heiligen Geistes beseelt auch die apostolische Sendung der Ordensleute als Einzelpersonen und als Gemeinschaft. Die geschichtliche Entwicklung des Ordenslebens, das von einer wachsenden Hingabe an den Evangelisierungsauftrag gekennzeichnet ist, bekräftigt dieses Wirken des Geistes zur Unterstützung des missionarischen Einsatzes der Ordensfamilien in der Kirche. 6. Die Ordensleute ihrerseits sollen eine große Fügsamkeit gegenüber den Eingebungen und Anregungen des Heiligen Geistes pflegen, eine ständige Gemeinschaft mit ihm und und ein unaufhörliches Gebet, um seine Gaben in immer größerer Fülle zu erlangen, begleitet von der vollen Hingabe an seine Initiative. Das ist der Weg, den die heiligen Hirten und Lehrer der Kirche im Einklang mit der Lehre Jesu und der Apostel immer besser entdeckt haben. Das ist der Weg der heiligen Gründer und Gründerinnen, die in der Kirche so viele verschiedene Gemeinschaftsformen eröffnet haben, aus denen die einzelnen Richtungen der Spiritualität erwachsen sind: die basilianische, die augustinische, die benediktinische, die franziskanische, die dominikanische, die karmelitanische und so viele andere: Alle sind Erfahrungen, Wege und Schulen, die die reiche Vielfalt der Charismen des Heiligen Geistes bezeugen und auf vielen einzelnen Wegen Zutritt zu dem einen ganzen Christus in der einen Kirche bieten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Studenten des Bischöflichen Theologenkonvikts Collegium Borromaeum in Münster sowie Chor und Orchester des Gymnasiums Essen-Werden mit dem Vokalensemble Essen. Euch allen, Euren Lieben zu Hause sowie den 55 AUDIENZEN UNDANGELUS mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Kriegsbedrohung für ganz Südosteuropa Allen lieben kroatischen Pilgern einen herzlichen Gruß. Willkommen! In besonderer Weise grüße ich die große Gruppe der Kriegsinvaliden, die die Zeugen der ungeheuerlichen Tragödie sind, die schon viel zu lange das Leben und jedes bürgerliche Zusammenleben in Bosnien und Herzegowina und in Kroatien zerstört sowie ganz Südosteuropa bedroht. Meine Lieben, während ich den Segen Gottes auf euch und auf eure Familien herabrufe, die mit euch verwundet wurden, lade ich euch ein, Apostel der Vergebung und der Versöhnung zu werden, indem ihr immer im katholischen Glauben feststeht und um euren Bischof vereint seid. Der Jungfrau Maria, der Schmerzhaften Mutter, übergebe ich die großen Leiden eures Volkes und seinen ständigen Ruf nach Frieden in Gerechtigkeit. Gelobt seien Jesus und Maria! Neue Enzyklika Evangelium vitae: Schutz des menschlichen Lebens in all seinen Phasen Angelus am 26. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am nächsten Donnerstag wird die Enzyklika Evangelium vitae veröffentlicht, die vom 25. März datiert ist, dem Fest der Verkündigung des Herrn. Sie ist eine aus der eingehenden Beratung des Episkopats hervorgegangene Betrachtung über das Leben, das in seinen vollen natürlichen und übernatürlichen Dimensionen erfaßt wird; eine Meditation, die vom Dank an den Herrn, den Gott des Lebens, erfüllt ist und begleitet von einem dringenden Aufruf an die Christen und alle Menschen guten Willens, damit man sich gemeinsam und großmütig in den Dienst dieses grundlegenden Gutes stellt, indem man der Welt das „Evangelium des Lebens“ verkündet. Auf diesem schwierigen Gebiet sind heute beunruhigende Gegensätze zu verzeichnen. Auf der einen Seite sind einige Anzeichen der Hoffnung zu erkennen: Man denke nur an die immer überzeugtere Verurteilung des Krieges als Mittel zur Lösung internationaler Spannungen, an die weitreichende Reaktion der öffentlichen Meinung auf die Verletzung der Menschenrechte, an das verstärkte Bemühen, den Hunger, die Drogen und die unheilbaren Krankheiten erfolgreich zu bekämpfen. Auf der anderen Seite erlebt man die Ausbreitung einer besorgniserregenden „Kultur des Todes“, die nicht nur in den Bruderkriegen hervortritt, die immer noch 56 AUDIENZEN UND ANGELUS zahlreiche Gebiete der Erde mit Blut beflecken, sondern vor allem in den Angriffen auf das werdende Leben und auf das der Alten und Kranken in der letzten Lebensphase. Die Freigabe der Abtreibung und die wachsenden Forderungen nach Euthanasie bedeuten ebenso viele Niederlagen der „Kultur des Lebens“. 2. Angesichts dieser Wirklichkeit fühlt sich die Kirche verpflichtet, laut ihre Stimme zu erheben. Das menschliche Leben ist ein Grundwert, der in der Würde des Menschen selbst wurzelt, des einzigen Geschöpfes, das im Unterschied zu allen anderen der sichtbaren Welt Person ist, ein körperliches und zugleich geistiges Wesen, begabt mit Vernunft und Freiheit und berufen zu einer ewigen und übernatürlichen Bestimmung. Und das gilt für jeden Mann und für jede Frau, unabhängig von ihrer physischen, rassischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lage. Es gilt für jedes Stadium des menschlichen Lebens: für den schon geborenen Menschen und den, der sich noch im Mutterschoß befindet; für den gesunden und für den behinderten oder kranken, für den jungen und für den alten. Das menschliche Leben ist „heilig“: Nur Gott ist darüber Herr! Jede offene Bresche an der Front der vollen Achtung vor dem Leben bedeutet eine Unterminierung der Fundamente des menschlichen Zusammenlebens, der gesunden Demokratie und des wahren Friedens. 3. Die Enzyklika trägt das Datum vom Fest der Verkündigung. Ich habe dieses Fest wegen der besonderen Bedeutung gewählt, die es gerade in bezug auf das Thema Leben hat. Bei der Verkündigung vernimmt die Jungfrau die Ankündigung ihrer Gottesmutterschaft. In dem Ja, das sie spricht, erreicht das Ja jeder Mutter zum Leben ihres Kindes seinen Höhepunkt. Maria, Mutter des Urhebers des Lebens, Mutter der Lebendigen, hilf der ganzen Menschheit, das große Geschenk des Lebens immer mehr zu schätzen. Segne die Familien und mache sie zu Heiligtümern der Aufnahme, der Achtung und der Liebe für das Leben des Menschen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Während ich euch einlade, Gott dafür zu danken, daß die in Sierra Leone entführten sieben Ordensschwestern vom hl. Franz Xaver jetzt wieder frei sind, erinnere ich daran, daß am vergangenen Freitag, 24. März, der von den Päpstlichen Missionswerken ausgerufene dritte Tag der Missionare und Märtyrer begangen wurde. Gebet und Fasten gingen einher mit dem Gedenken an die rund fünfhundert Ordensleute, die in den vergangenen dreißig Jahren ihr Leben für das Evangelium hingegeben haben. Zu ihnen kommen leider weitere 248 dazu (darunter drei Bischöfe), die im vergangenen Jahr der Gewalttätigkeit in Ruanda zum Opfer fielen. In dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente hob ich hervor, daß „am Ende des zweiten Jahrtausends die Kirche erneut zur Märtyrerkirche geworden ist“ (Nr. 37). Wir dürfen das Beispiel so mutiger Zeugen nicht vergessen: Sie rufen uns zu verstärkter Hochherzigkeit im Dienst am Reich Gottes auf. 57 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Frühling ist schon gekommen und macht sich immer mehr bemerkbar. Aber manchmal ist es noch kalt wie heute bei der Bewölkung, aber wenn die Sonne kommt, wird es rasch warm. Ich wünsche euch, daß ihr diesen italienischen, römischen Frühling in der Vorbereitung auf Ostern erlebt. Und ich wünsche euch einen schönen Sonntag und eine gute Woche. Auf Wiedersehen! Gelobt sei Jesus Christus! In deutscher Sprache sagte der Papst: Unter den deutschsprachigen Pilgern gilt mein besonderer Gruß dem Singverein Frauenkirchen aus der Diözese Eisenstadt. Euch allen gelten meine herzlichsten Segenswünsche für eine geistlich fruchtbare österliche Bußzeit. Appell für Burundi Ich lade euch ein, für unsere Brüder und Schwestern in Burundi zu beten, die Stunden schwerer Spannungen erleben, und besonders für die Opfer der jüngsten unheilvollen Gewalttätigkeit. Krieg und Gewalt führen nicht zu wahren Lösungen; sie gebären neuen Haß und säen noch mehr Mißtrauen. Bitten wir den Herrn durch die Fürsprache der Gottesmutter, er möge die Gedanken von der Versuchung abbringen, ihre Hoffnung auf die Gewaltanwendung zu setzen, und als einziges Mittel für eine Zukunft in Sicherheit und Eintracht den Weg des Dialogs weisen. Maria im Leben der Ordensleute Ansprache bei der Generalaudienz am 29. März 1. Die Beziehung zu Maria, die jeder Gläubige wegen seiner Verbundenheit mit Christus hat, ist im Leben der Ordensleute besonders ausgeprägt. Es handelt sich um einen wesentlichen Aspekt ihrer Spiritualität, der in der Bezeichnung einiger Gemeinschaften besonders zum Ausdruck kommt, die sich „Söhne“ oder „Töchter“, „Diener“ oder „Dienerinnen“, „Apostel“, „Missionarinnen“ usw. nennen. Nicht wenige von ihnen verstehen und erklären die Verbindung mit Maria als von Anfang an besonders verwurzelt in ihrer Überlieferung von Lehre und Frömmigkeit. Alle sind davon überzeugt, daß die Gegenwart Marias eine grundlegende Bedeutung hat sowohl für das geistliche Leben jeder gottgeweihten Person als auch für die Beständigkeit, die Einheit und den Fortschritt der ganzen Gemeinschaft. 2. Es gibt hinreichende Gründe dafür in der Heiligen Schrift selbst. Bei der Verkündigung wird Maria vom Engel Gabriel als „Begnadete“ (kecharitomene: Lk 1,28) bezeichnet unter ausdrücklichem Hinweis auf die höchste und freie Wirk- 58 AUDIENZEN UND ANGELUS samkeit der Gnade (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 7). Maria wurde auf Grund einer einzigartigen göttlichen Liebe erwählt. Sie gehört ganz Gott und lebt für Gott, weil sie zuallererst „von Gott ergriffen“ wurde, der sie zu einer bevorzugten Stätte seiner Beziehung zur Menschheit in der Menschwerdung machen wollte. Maria erinnert also die Ordensleute daran, daß die Gnade der Berufung für sie eine unverdiente Gunst bedeutet. Gott hat sie zuerst geliebt (vgl. 1 Joh 4,10.19) auf Grund einer frei geschenkten Liebe, die ihre Danksagung erwecken soll. Maria ist auch das Vorbild für die Annahme der Gnade seitens des Menschen. In ihr hat die Gnade das „Ja“ des Willens, die freie Zustimmung, den bewußten Gehorsam des „fiat“ hervorgerufen, das sie im Laufe ihres Lebens zu immer höherer Heiligkeit führte. Maria hat sich dieser Entwicklung nie widersetzt; sie ist immer den Eingebungen der Gnade gefolgt und hat sich die göttlichen Absichten zu eigen gemacht. Sie hat immer mit Gott zusammengearbeitet. Durch ihr Beispiel lehrt sie die Ordensleute, keine der erhaltenen Gnaden zu vergeuden, auf das göttliche Geschenk immer hochherziger zu antworten und sich vom Heiligen Geist erleuchten, anregen und führen zu lassen. 3. Maria ist „die, die geglaubt hat“, wie es ihre Verwandte Elisabeth erkannt hat. Dieser Glaube erlaubt es ihr, an der Vollendung des göttlichen Plans mitzuwirken, der nach menschlichem Ermessen „unmöglich“ schien (vgl. Lk 1,37); und so wurde das Geheimnis des Kommens des Erlösers in die Welt verwirklicht. Das große Verdienst der seligsten Jungfrau ist es, an seinem Kommen auf eine Weise mitgewirkt zu haben, von der sie wie alle anderen Sterblichen nicht wußte, wie sie geschehen sollte. Sie hat geglaubt, und „das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14) durch den Heiligen Geist (vgl. Redemptoris Mater, Nm. 12-14). Auch diejenigen, die den Ruf zum Ordensleben annehmen, brauchen einen starken Glauben. Um sich zum Weg der evangelischen Räte zu verpflichten, muß man an Ihn glauben, der aufruft, nach ihnen zu leben, und an die höchste Bestimmung, die Er anbietet. Um sich ganz Christus zu schenken, muß man in Ihm den absoluten Herrn und Meister erkennen, der alles fordern kann, weil Er alles tun kann, um das, was er fordert, in die Wirklichkeit umzusetzen. Maria, Vorbild des Glaubens, führe deshalb die Ordensleute auf dem Weg des Glaubens. 4. Maria ist die Jungfrau der Jungfrauen (Virgo virginum). Von den ersten Jahrhunderten der Kirche an ist sie das anerkannte Vorbild der gottgeweihten Jungfräulichkeit. Marias Wille, die Jungfräulichkeit zu bewahren, überrascht in einer Umgebung, wo dieses Ideal nicht verbreitet war. Ihr Entschluß ist die Frucht einer besonderen Gnade des Heiligen Geistes, der ihr Herz dem Wunsch geöffnet hat, sich selbst mit Leib und Seele ganz Gott hinzugeben, und der so auf erhabene und menschlich unvorstellbare Weise die Berufung Israels zur Vermählung mit Gott, zur totalen und ausschließlichen Zugehörigkeit zu ihm als Volk Gottes, verwirklicht. 59 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Heilige Geist hat sie mittels der Jungfräulichkeit auf die außerordentliche Mutterschaft vorbereitet, denn nach dem ewigen Plan Gottes sollte eine Jungfrau den Sohn Gottes in seiner Menschwerdung aufnehmen. Das Beispiel Marias macht die Schönheit der Jungfräulichkeit deutlich und ermutigt die zum gottgeweihten Leben Berufenen, diesen Weg zu gehen. Es ist an der Zeit, die Jungfräulichkeit im Hinblick auf Maria aufzuwerten. Es ist an der Zeit, sie den Jugendlichen als ernsthaftes Lebensmodell anzubieten. Maria stützt mit ihrer Hilfe alle, die sich dazu entscheiden, sie zeigt ihnen die hohe Würde der Ganzhingabe des Herzens an Gott und stärkt ununterbrochen ihre Treue, auch in den Stunden der Schwierigkeiten und Gefahren. 5. Maria widmete sich jahrelang mit Hingabe dem Dienst an ihrem Sohn: Sie half ihm aufzuwachsen und sich zu Hause und in der Tischlerwerkstatt von Nazaret auf seine Sendung vorzubereiten (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 17). In Kana bat sie ihn um ein Zeichen seiner Erlösergewalt und erreichte sein erstes Wunder zugunsten eines Ehepaares in Schwierigkeiten (vgl. ebd., Nr. IS und Nr. 23); sie wies uns den Weg des vollkommenen Gehorsams gegenüber Christus, als sie sagte: „Was er euch sagt, das tut!“ (.loh 2,5). Auf Golgota war sie Jesus als Mutter nahe. Im Abendmahlssaal verharrte sie im Gebet mit den Jüngern Jesu während der Wartezeit auf die Herabkunft des von ihm verheißenen Heiligen Geistes. Sie zeigt deshalb den Ordensleuten den Weg der Hingabe an Christus in der Kirche als einer Familie des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, und sie erbittet für sie die Wunder der Offenbarung der höchsten Macht ihres Sohnes, unseres Herrn und Erlösers. 6. Die neue Mutterschaft, die Maria auf Golgota verliehen wurde, ist ein Geschenk, das alle Christen bereichert, aber eine verstärkte Bedeutung für die Ordensleute hat. Johannes, der Lieblingsjünger, hatte Christus sein ganzes Herz und alle seine Kräfte angeboten. Als Maria die Worte hörte: „Frau, siehe, dein Sohn“ (.Joh 19,26), nahm Maria Johannes als ihren Sohn an. Sie verstand auch, daß diese neue Mutterschaft sich auf alle Jünger Christi erstreckte. Ihre ideelle Gemeinschaft mit Johannes und mit allen Ordensleuten erlaubt es ihrer Mutterschaft, sich in Fülle zu entfalten. Maria verhält sich als aufmerksame Mutter, die allen hilft, die Christus ihre ganze Liebe angeboten haben. Sie sorgt sich eifrig um ihre geistlichen Bedürfnisse. Sie hilft auch den Gemeinschaften, wie es die Geschichte der Ordensinstitute oft lehrt. Sie, die in der ersten Christengemeinde anwesend war (vgl. Apg 1,14), verweilt gern inmitten aller im Namen ihres Sohnes versammelten Gemeinschaften. Insbesondere wacht sie über die Bewahrung und Ausbreitung ihrer Liebe. Die Worte Jesu an den Lieblingsjünger: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,27), erhalten besondere Tiefe im Leben der gottgeweihten Personen. Sie sind eingeladen, Maria als ihre Mutter zu betrachten und sie so zu lieben, wie Christus sie geliebt hat. Insbesondere sind sie gerufen, sie zu sich zu nehmen, wie Johannes „sie zu sich nahm“ (wörtlich: „unter seine Besitztümer“ (vgl. Joh 19,27). Sie müssen ihr vor allem in ihrem Herzen und in ihrem Leben Raum geben. Sie müssen versuchen, ihre Beziehung zu Maria, dem Urbild und der Mutter der Kirche, zu entfalten, die auch das Urbild und die Mutter der Gemeinschaften, das Vorbild und die Mutter all derer ist, die Christus in seine Nachfolge ruft. 60 AUDIENZEN UND ANGELUS Meine Lieben, wie schön, wie erhaben und in gewisser Weise beneidenswert ist diese Vorzugsstellung der Ordensleute unter dem Schutzmantel und im Herzen Marias! Beten wir darum, daß sie immer mit ihnen sei und als Leitstern ihres Lebens immer heller erstrahle! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wenn wir uns mit unserer heutigen Katechese der Bedeutung der Jungfrau und Gottesmutter Maria für das Ordensleben zuwenden, so können wir feststellen, daß die Beziehung der Ordensleute zu ihr als Folge ihrer Verbindung mit Christus noch deutlicher in Erscheinung tritt als bei allen anderen Gläubigen. In der Tat berichtet die Heilige Schrift, daß Maria bei der Verkündigung durch den Engel erwählt worden ist kraft der einzigartigen göttlichen Liebe. Diesen Ruf hat sie in einer für die Menschheit beispielhaften Weise angenommen und in ihrem Leben ihr „fiat“ immer mehr vervollkommnet. Aufgrund ihres Glaubens vermochte sie am göttlichen Heilsplan mitzuwirken, was nach menschlichem Ermessen „unmöglich“ erscheinen mußte. Auch die zum gottgeweihten Leben berufenen Männer und Frauen bedürfen eines starken Glaubens, für den Maria ihnen Vorbild sein kann. Doch hat sie auch als Jungfrau der Jungfrauen prägende Bedeutung für das Leben in Jungfräulichkeit nach den evangelischen Räten. Die Gottesmutter konnte sich ungeteilt dem Dienst an ihrem Sohn widmen und ihm nahe sein bis hin zum Kreuz. Wie der Herr am Kreuz zu Johannes sagte: „Siehe deine Mutter“ (Joh 19,27), so sind auch die Ordensleute eingeladen, Maria als ihre Mutter anzunehmen und sie so zu lieben, wie Christus sie geliebt hat. Mit dieser kurzen Betrachtung richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Mein besonderer Gruß gilt der Leitung und den Hörem des Südwestfunks Baden-Baden. Mit meinen besten Wünschen für frohe und besinnliche Tage hier in Rom in der Vorbereitung auf das kommende Osterfest erteile ich Euch und Euren Lieben zu Hause von Herzen meinen Apostolischen Segen. 61 A UDIENZEN UND ANGELUS Das Leben lieben, schützen und verteidigen! Angelus am 2. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit der Veröffentlichung der Enzyklika Evangelium vitae am vergangenen Donnerstag wollte ich den Gläubigen und den Menschen guten Willens eine Botschaft der Hoffnung anbieten und alle einladen, das Leben, ein tägliches Wunder der Zuneigung Gottes, zu bewahren, zu schützen und zu lieben. Die Szenerien des Todes, die leider nicht aufhören, wehrlose Völker in Mitleidenschaft zu ziehen, erinnern uns daran, daß die Sünde das Leben des Menschen, Gottes Meisterwerk, weiterhin zerstört. Die Gefahren, die das Leben bedrohen, haben heute ungeheure Ausmaße angenommen: „Es handelt sich um wissenschaftlich und systematisch geplante Bedrohungen“ (Evangelium vitae, Nr. 17). Wie kann die Kains-Hand aufgehalten werden? Wie kann das Gute, das der Schöpfer in das Herz des Menschen gegeben hat, neue Kraft gewinnen? Wie kann die Welt gerettet und geheilt werden? Dafür wünschte man sich eine Antwort aus dem Geist des Evangeliums, die genau lautet,Evangelium vitae“, die gute Nachricht und frohe Botschaft vom Leben. 2. „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8,11). Das heutige Evangelium vom 5. Fastensonntag bietet in der Begegnung Jesu mit der „beim Ehebruch ertappten Frau“ den Weg der Vergebung an. Während die Schriftgelehrten sich nur darum sorgen, die Ordnung wiederherzustellen, indem sie den, der einen Fehler begangen hat, beseitigen, zielt Jesus auf die Rettung der Ehebrecherin ab und bietet ihr durch die Vergebung eine neue Lebenschance, indem er sie dazu verpflichtet, nicht mehr in Irrtum und Sünde zu verfallen. Diejenigen, die sich als Richter über den, der gesündigt hat, aufspielen wollen, fordert der Herr auf, in sich zu gehen, um demütig die eigene Schuld zu erkennen und sich ebenfalls der Gnade der Vergebung bedürftig zu fühlen. Nur so können sich die Horizonte des Todes in Horizonte des Lebens verwandeln. 3. Mit diesem Ausblick auf Umkehr und Versöhnung erhält das Heilige Jahr 2000, auf das wir uns vorbereiten, ganz besondere Bedeutung. ,Eür die Kirche ist das Jubeljahr genau dieses ,Gnadenjahr, ein Jahr des Erlasses der Sünden und der Strafen für die Sünden, ein Jahr der Versöhnung zwischen den Gegnern, ein Jahr vielfältiger Bekehrungen und sakramentaler und außersakramentaler Buße“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 14). Man muß sich schon von jetzt an auf dieses große Glaubensereignis vorbereiten, indem man das Evangelium durch Gesten selbstloser und mutiger Liebe deutlich macht. Vor allem in dieser Fastenzeit, während wir auf Ostern zugehen, sind die 62 AUDIENZEN UND ANGELUS Gläubigen aufgerufen, konkrete Zeichen der Zuwendung zu setzen gegenüber denen, die in Schwierigkeiten und Not leben, damit auch sie die Freude der Begegnung mit dem Auferstandenen erfahren dürfen. Maria, die Helferin der Christen, möge uns in diesem Bemühen unterstützen und uns ständig bereit machen, den Brüdern und Schwestern einen Grund zum Leben und zur Hoffnung zu geben. So werden wir Baumeister und Zeugen der Zivilisation der Liebe sein. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Eine besondere Einladung richte ich jetzt an die jungen Römer und Römerinnen: Am kommenden Donnerstag nachmittag treffen wir uns im Vatikan in der Aula Paul VI., um uns auf den 10. Weltjugendtag vorzubereiten, den wir am Palmsonntag feiern. Ich weiß, daß eure Seelsorger euch mit dem Aufruf „Jugendliche, wir treffen uns am Donnerstag beim Papst!“ zu dieser Begegnung eingeladen haben. Ich hoffe, ihr kommt in Scharen! Und auch am nächsten Sonntag erwarte ich euch hier am Petersplatz, um die Freude des Einzugs Christi in Jerusalem wiederzuerleben und zusammen die Heilige Woche zu beginnen. Also, liebe Jungen und Mädchen, auf bald! Die universale Sendung der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 5. April 1. In der weiterführenden Reihe der Katechesen über die Kirche sind wir vom ewigen Plan Gottes ausgegangen, der sie als Sakrament gewollt hat, als Mündung und Zentrum der Ausstrahlung der Ökonomie des Heiles. In Anbetracht der verschiedenen Aspekte des Mysteriums der Kirche als Volk Gottes, als Sakrament der Vereinigung der Menschheit mit Gott, als Braut Christi, als Communio und als priesterliche Gemeinschaft erläuterten wir, worin die Dienste bestehen, die zu leisten sie berufen ist. In bezug auf diese Dienste betrachteten wir die Sendung des Bischofskollegiums in der Nachfolge des Apostelkollegiums; den Sendungsauftrag des Papstes, des Nachfolgers des Petrus im römischen Episkopat und im Primat über die Gesamtkirche; die Sendung der Priester und die Verflechtungen, die sie für ihren Lebensstand bedeutet; die Mission der Diakone, die heute wieder wie in den Anfängen des Christentums von großer Bedeutung sind und mit Recht als neuer Sauerteig der Hoffnung für das ganze Volk Gottes gelten. Dann sprachen wir über die Laien, indem wir sowohl ihre Bedeutung und Sendung als „Anhänger Christi“ im allgemeinen als auch inmitten ihrer unterschiedlichen persönlichen, familiären und sozialen Lebensbedingungen herausstellten. Zum Schluß richteten wir unsere Aufmerksamkeit auf das gottgeweihte Leben als Reichtum der Kirche in den traditionellen Formen und in ihren vielfältigen heute blühenden Erscheinungsformen. 63 AUDIENZEN UND ANGELUS Im Laufe dieser Ausführungen sprachen wir auch immer über die Sendung der Kirche und jedes ihrer Glieder. Aber jetzt ist es Zeit, daß wir sie eingehender behandeln, um mit größerer Klarheit das Wesen der universalen Sendung der Kirche zu bestimmen und zugleich die damit verbundenen Probleme anzugehen. So haben wir die Möglichkeit, noch eingehender die Reichweite der „Katholizität“ zu erklären, die das nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis der Kirche als mit der „Einheit“ verbundenes Wesensmerkmal zuerkennt. Auf diesem Weg können wir hochaktuelle Themen aufgreifen und Probleme untersuchen, die durch den wachsenden Einsatz für die Ökumene entstehen. 2. Das II. Vatikanische Konzil hat daran erinnert, daß die Universalität der Sendung der Kirche, die sich müht, „das Evangelium allen Menschen zu verkünden“, auf dem, Auftrag“ Christi und „dem innersten Anspruch der Katholizität“ der Kirche beruht (Ad gentes, Nr. 1). Jesus erteilt den Aposteln den klaren Auftrag: „Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15), „geht zu allen Völkern“ (Mt 28,19) mit der Verkündigung, „sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden“ (Lk 24,47). Im Augenblick der Himmelfahrt hoffen die Jünger nur auf das Reich Israel; denn sie fragen ihren Meister: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ (Apg 1,6). In der Antwort zeigt der Erlöser ihnen ganz klar, daß dieser Horizont erweitert werden muß und daß sie selbst seine Zeugen nicht nur in Jerusalem, sondern in ganz Judäa und Samarien und „bis an die Grenzen der Erde“ sein sollen (Apg 1,8). Der Erlöser rechnet nicht nur mit der Folgsamkeit der Jünger gegenüber seinem Wort, sondern mit der höheren Kraft des Geistes, den er ihnen verspricht: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird“ (Apg 1,8). Bedeutsam ist hierbei der Auftrag, in Jerusalem zu bleiben: Die Jünger dürfen die Stadt zum weltweiten Zeugnisgeben nicht verlassen, solange sie nicht die verheißene göttliche Kraft empfangen haben: „Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet“ (Lk 24,49). 3. Die Universalität der Sendung dringt ins Herz der Jünger ein durch die Gabe des Heiligen Geistes. Die universale Öffnung ist also kein von außen auferlegtes Merkmal der Kirche, sondern Ausdruck einer Eigenschaft, die zu ihrem Wesen selbst gehört. Die Kirche ist „katholisch“, „allumfassendes Heilssakrament“ (Lumen Gentium, Nr. 48), denn in ihr wird durch das Wirken des Heiligen Geistes das Reich Gottes vorweggenommen. Bevor er die Frage der Jünger nach der Wiederherstellung des Reiches Israel anführt, erzählt der Evangelist Lukas, wie Jesus bei seinen Erscheinungen in den vierzig Tagen nach der Auferstehung über das „Reich Gottes“ gesprochen hat (Apg 1,3). Das „Reich Gottes“ ist ein universales Reich, das in sich das Wesen Gottes widerspiegelt, der unendlich ist, ohne die für menschliche Reiche charakteristischen Grenzen und Teilungen. 64 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Der christliche Universalismus hat seinen Ursprung in der Dreifaltigkeit. Jesus hat offensichtlich das Werk der Apostel und somit der Kirche in der weltweiten Evangelisierung der Kraft des Heiligen Geistes zugeschrieben. Er sprach vom „Reich des Vaters“ (Mt 13,43; 26,29) und lehrte, um das Kommen dieses Reiches zu bitten: „Vater unser ... dein Reich komme“ {Mt 6,9-10; vgl. Lk 11,2); aber er sagte auch: „mein Reich“ (LA: 22,30; Joh 18,36; vgl. Mt 20,21; LA 23,42) und erklärte, daß dieses Reich für ihn von seinem Vater bereitet worden (vgl. LA 22,30) und nicht von dieser Welt war (vgl. Joh 18,36). Für die Jünger ging es darum, die kulturellen und religiösen Grenzen zu überschreiten, innerhalb derer sie zu denken und zu leben gewohnt waren, damit sie sich auf der Höhe eines Reiches von universaler Ausdehnung fühlen konnten. Im Gespräch mit der Samariterin unterstreicht Jesus die Notwendigkeit, die kulturellen, nationalen bzw. ethnischen - historisch mit besonderen Heiligtümern verbundenen - Konflikte zu überwinden, um den authentischen Kult Gottes festzulegen. „Die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet... Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden“ {Joh 4,21.23). Es ist der Wille des Vaters, den Jesus seinen Jüngern abverlangt: der Übergang vom Reich Gottes über Israel allein zum Reich Gottes über alle Völker. Der Vater hat ein universales Herz und legt durch den Sohn und im Geist einen universalen Gottesdienst fest. Wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio sagte, geht die Kirche aus dem universalen Herzen des Vaters hervor und ist katholisch, weil der Vater seine Vaterschaft auf die ganze Menschheit ausdehnt (vgl. Nr. 12). 5. Die Universalität des ewigen Plans des Vaters zeigte sich konkret im messiani-schen Werk seines eingeborenen, Mensch gewordenen Sohnes, der am Ursprung des Christentums steht. Die Verkündigung Jesu im Auftrag des Vaters war auf das jüdische Volk beschränkt, auf die „verlorenen Schafe des Hauses Israel“: Das erklärt er selbst (vgl. Mt 15,24). Diese Verkündigung war aber nur eine Einleitung für die universale Evangelisierung und den Eintritt aller Nationen in das Reich, den er selbst in Übereinstimmung mit der tiefen Bedeutung der Verheißungen der Propheten angekündigt hatte: „Ich sage euch: Viele werden von Osten und Westen kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen“ {Mt 8,11). Diese allumfassende Sichtweise entsteht dadurch, daß Jesus sich selbst als „Menschensohn“ und nicht nur als „Sohn Davids“ vorstellt, weil ja er selbst Davids Herr ist (vgl. Mt 22,45; Mk 12,37; LA 20,44). Der Titel „Menschensohn“ ist im Sprachgebrauch der vom Propheten Daniel (7,13) inspirierten apokalyptischen jüdischen Literatur ein Hinweis auf die himmlische Personhaftigkeit, die von Gott das eschatologische Reich erhalten sollte. Jesus verwandte diese Ausdrucksweise, um den wirklichen Charakter seines Messianismus zu verdeutlichen, der eine auf der Ebene wahrer Menschlichkeit voll- 65 AUDIENZEN UND ANGELUS brachte, aber jeden ethnischen, nationalen und religiösen Partikularismus übersteigende Sendung war. 6. Die Universalität, die vom Vater und vom menschgewordenen Sohn ausgeht, wird der Kirche am Pfingsttag endgültig mitgeteilt, als der Heilige Geist die erste Christengemeinde erfüllt und sie zu einer universalen Gemeinschaft macht. Die Apostel geben dann Zeugnis für Christus und wenden sich an die Menschen aller Nationen, die sie verstehen, als ob sie in der Muttersprache jedes einzelnen redeten (vgl. Apg 2,7-8). Von diesem Tag an handelt die Kirche deutlich mit der „Kraft des Heiligen Geistes“, der Verheißung Jesu entsprechend, „in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Die universale Sendung der Kirche kommt also nicht von unten, sondern von oben, vom Heiligen Geist, gleichsam durch das Eindringen der Universalität der dreifältigen Liebe in sie. Es ist das dreifältige Mysterium, das durch das Geheimnis der Erlösung, durch das Einwirken des Heiligen Geistes der Kirche die Eigenschaft des Universalismus mitteilt. So gelangt man vom Geheimnis der Dreifaltigkeit zum Geheimnis der Kirche. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich die sehr zahlreichen deutschsprachigen Pilger und Besucher. Mein besonderer Gruß gilt der Gruppe aus Stuttgart, die den Vatikanischen Museen ein Werk des Künstlers Otto Herbert Hajek überreicht hat. Ferner grüße ich die Chöre sowie die Jugend- und Schülergruppen. Euch allen wünsche ich bereits heute ein frohes und gesegnetes Osterfest. Von Herzen erteile ich Euch meinen Apostolischen Segen. Bosnien-Herzegowina: Größte Tragödie Europas beenden! In dieser Passionszeit lade ich euch ein, euren Brüdern und Schwestern in Bosnien und Herzegowina besonders nahe zu sein; sie gehen ihren schmerzlichen Kreuzweg aufgrund eines schecklichen Krieges weiter, der schon so viele Zerstörungen und Todesopfer hervorgerufen hat. Gerade gestern gedachten die Bewohner von Sarajevo des tragischen Tages vom 4. April 1992, an dem die bewaffneten Zusammenstöße in der Stadt begannen. Schon drei Jahre sind vergangen, und die Menschen haben immer noch nicht verstanden, daß der Weg des Krieges nur zum Tod führt und nicht die Zukunft der Völker aufbaut. In Wirklichkeit stehen wir vor der größten Tragödie, die in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ausgebrochen ist. Von unserer Seite aus müssen wir weiter beten und uns dafür einsetzen, daß dieser sinnlose Krieg bald ein Ende nimmt. 66 AUDIENZEN UND ANGELUS Gebt Zeugnis vom Evangelium des Lebens! Angelus am 9. April Liebe Brüder und Schwestern! Am Schluß dieser eindrucksvollen Feier möchte ich mich noch einmal an die Jugendlichen wenden, um ihnen symbolisch die jüngste Enzyklika Evangelium vitae anzuvertrauen. Liebe Jugendliche, verkündet und bezeugt das Evangelium des Lebens! Ihr spürt das Leben in eurem ganzen Sein stark und herausfordernd pulsieren. Aber es zu spüren genügt nicht. Dieses unschätzbare Gut muß immer tiefer in seiner vollen Wahrheit erfaßt werden, damit man es voll anerkennen, genießen und lieben kann. Das ist der Beitrag, den die Kirche, das Volk des Lebens und für das Leben, der Menschheit durch die Enzyklika Evangelium vitae anbieten wollte. Wer sie eingehend und ausgewogen liest, dem wird sie als das erscheinen, was sie ist: eine Einladung, das Leben als Geschenk zu erkennen, es dankbar anzunehmen, nach dem Gesetz der Liebe Gottes zu leben und im Dienst an den Mitmenschen verantwortlich zu verwirklichen. Gewiß, in ihr fehlt es nicht an strengen Anforderungen: an festen, gebotenen „Nein“, die für unsere Zeit das göttliche „Du sollst nicht töten!“ übersetzen, das schon immer in das Herz jedes Menschen eingeschrieben ist. Aber die ,,Nein“ stehen für ein großes ,Ja“ zum Leben. Ein „Ja“, das ich besonders euch, liebe Jugendliche, anvertraue: Werdet Wortführer für dieses „Ja“, werdet Apostel für dieses , Ja“. Wie die Jugendlichen, die Christus in Jerusalem freudig aufnahmen, öffnet auch ihr euer Herz dem Erlöser: Seid sein Volk, das Volk des Lebens und für das Leben. Baut mit eurem Enthusiasmus einen Damm gegen die Kultur des Todes, und entfaltet die Kultur des Lebens! In Französisch sagte der Papst: Liebe Jugendliche, ich übergebe euch die Botschaft der Enzyklika Evangelium vitae: Sie zeigt euch, daß das Leben ein herrliches Geschenk ist, das man schützen muß. Sagt ein begeistertes Ja zum Leben mit dem ganzen Reichtum eurer Persönlichkeit. Möge Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung euch den wahren Sinn eures Lebens entdecken helfen! In englischer Sprache sagte der Papst: Meine jungen englischsprachigen Freunde, auch euch vertraue ich die Enyzklika über das Leben an. Möge jeder von euch erkennen, daß euer eigenes Leben ein großes Geschenk Gottes ist. Schützt das Leben, und verteidigt das Recht auf Leben gegen die ihm heute drohenden Gefahren! Gott stärke euch bei dieser überaus wichtigen Aufgabe! 67 AUDIENZEN UND ANGELUS In Spanisch sagte der Papst: Herzlich grüße ich die hier anwesenden Jugendlichen spanischer Sprache. Euch vertraue ich meine jüngste Enzyklika Evangelium vitae an, in der ich euch aufforderte, das Evangelium des Lebens zu verkünden und zu bezeugen, indem ihr zeigt, daß ihr Teil der Kirche, des Volkes Gottes des Lebens und für das Leben seid. Auf eurem Glaubensweg begleite euch, hebe Jugendliche, mein liebevoller Segen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Zum Abschluß dieser eindrucksvollen Feier grüße ich euch, hebe Jugendliche, sehr herzlich. Wie die Menschen in Jerusalem, so habt auch ihr dem Erlöser eure Herzen geöffnet. Durch ihn sind wir das Volk des Lebens. Helft mit, dieses „Ja“ zum Leben in die Welt zu tragen und es zu bezeugen. In portugiesischer Sprache sagte der Papst: Liebe portugiesischsprachige Jugendliche, zum Abschluß dieser Palmsonntagsli-turgie übergebe ich euch symbolisch die Enzyklika Evangelium vitae. Mit eurem regen Enthusiasmus baut einen Damm gegen die Kultur des Todes, und laßt die Kultur des Lebens siegen! Verkündet und bezeugt das Evangelium des Lebens! Betrachtung zur Heiligen Woche Ansprache bei der Generalaudienz am 12. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir befinden uns in der Heiligen Woche, der zentralen Woche des liturgischen Jahres, die uns unmittelbar auf das Osterfest vorbereitet. Morgen beginnt das Heilige Triduum, in dem der grundlegenden Ereignisse des christlichen Glaubens gedacht wird: der Einsetzung der Eucharistie, des Leidens und Sterbens Jesu am Kreuz und seiner glorreichen Auferstehung. Heute möchte ich mit euch das Ostergeheimnis betrachten, das wir ab morgen bis zum Sonntag sehr intensiv und eindrucksvoll wiedererleben. 2. Der Gründonnerstag beginnt mit der Chrisammesse, die gewöhnlich in der Bischofskirche der Diözese vom Bischof und seinem Presbyterium gefeiert wird. Im Laufe dieser Liturgie wird das Kranken-, das Katechumenen- und das Chrisamöl geweiht. Diese sogenannte Chrisammesse ist die feierliche Darstellung der Ortskirche, die Jesus, den Herrn, feiert, den Hohenpriester seines Selbstopfers, das dem Vater als höchster Akt der Anbetung und kindlichen Liebe dargebracht wird. Deshalb ist es bedeutsam, daß bei dieser so einzigartigen Feier des Priestertums Christi und seiner Diener die Priester gemeinsam vor dem christlichen Volk die priesterlichen Verpflichtungen und Versprechen erneuern. 68 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Gründonnerstag ruft dann die Einsetzung der Eucharistie in Erinnerung. Deshalb gedenkt man mit tiefer Verehrung und großer geistlicher Teilnahme des Geschehens des letzten Abendmahls; man gedenkt des Opfers Jesu auf Kalvaria und entdeckt von neuem die Würde des Priesters, der durch die heilige Weihe als Verwalter des Heils „in der Person Christi“ handelt; am Ende erwägt man dem Evangelium entsprechend das neue Gebot der Liebe und den Dienst an den Brüdern. Die geheimnisvolle Wirklichkeit der Eucharistie führt die Gläubigen in den Plan Gottes, des Schöpfers und Erlösers, ein: Gott wollte, daß sein eingeborener Sohn Mensch wird und immer unter uns gegenwärtig bleibt als unser Reisegefährte auf dem schwierigen Weg in die Ewigkeit. In den stürmischen Ereignissen unserer Zeit ist es wichtig, auf die Eucharistie zu schauen: Sie soll den Mittelpunkt im Leben der Priester und der Ordensleute bilden; das Licht und die Kraft der Eheleute, wenn sie ihre Verpflichtungen zur Treue, zur Keuschheit und zum Apostolat verwirklichen; das Ideal bei der Erziehung und Bildung der Kinder, der Heranwachsenden und Jugendlichen; der Trost und die Stütze der Bedrängten, der Kranken und all derer, die im Getsemani des Lebens seufzen. Die Eucharistie soll alle dazu anregen, das Vermächtnis der göttlichen Liebe durch einfache und frohe Verfügbarkeit den Mitmenschen gegenüber zu verwirklichen, wie es der Herr durch sein Beispiel gelehrt hat, als er den Aposteln die Füße wusch. 3. Karfreitag ist der Tag des Schmerzes und der Trauer, denn er läßt uns die schreckliche Todesangst und den Tod des Gekreuzigten wiedererleben, nach der demütigenden Verurteilung und den Verspottungen der Soldaten und der Menge, nach der Geißelung, der Dornenkrönung und den furchtbaren Verwundungen durch die Kreuzigung. Während wir Christus am Kreuz betrachten, dringt der Glaubende in „die Stunde der äußersten Verlassenheit“ und der „unendlichen Ergebung“ ein. Der lange, dunkle und schmerzvolle Karfreitag der Geschichte findet seine Erklärung im Karfreitag des gekreuzigten göttlichen Wortes. Mit dem hl. Paulus können wir sprechen: „Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Muß man bei seinem Anblick nicht unwillkürlich den Emst der menschlichen Lage der Auflehnung gegen Gott durch die Sünde erwägen? Spürt man nicht das Erbarmen des Allerhöchsten, der durch das Sühnopfer des Kreuzes verzeiht und rettet und so dem menschlichen Leiden wahren Sinn verleiht? Nur in Christus, der sich für uns geopfert hat, können wir Trost und Frieden vor allem in der Stunde der Prüfung finden. 4. Der Karsamstag ist der Tag des großen Schweigens: Jesus, am Kreuz gestorben, wurde ins Grab gelegt. Durch ihr geheimnisvolles, banges Schweigen bereitet diese Gebetsvigil die Kirche auf die Ostervigil vor, die Mutter aller Vigilien. In der Nacht versammelt sich 69 A UDIENZEN UND ANGEL US die christliche Gemeinschaft im Schein der Feuerflamme um die große Kerze, das Symbol des auferstandenen Christus, des Herrn der Zeit und der Geschichte. An ihr werden die Kerzen der Gläubigen entzündet, und über der Versammlung erstrahlt helles Licht, während die Verkündigung der Auferstehung erklingt, das „Osterlob“, das „Exsultet“: „Frohlocket, ihr Chöre der Engel...!“ Die feierliche Vigil wird mit den Lesungen des Alten und des Neuen Testaments fortgesetzt, die mit lautem und frohem Halleluja-Gesang enden. Dann folgt die Taufliturgie mit der Weihe des Taufwassers, der Allerheiligenlitanei, der Erneuerung der Taufversprechen sowie der Spendung des Tauf- und des Firmsakraments an die Katechumenen. Die anschließende Eucharistiefeier vervollständigt die eindrucksvollen Riten dieser außergewöhnlichen Nacht, die das Osterfest einleitet. 5. Liebe Brüder und Schwestern, bereiten wir uns darauf vor, das Heilige Triduum gut zu feiern, das mit seiner eindrucksvollen Liturgie den Gläubigen und der ganzen Menschheit das große Wunder des Todes und der Auferstehung Christi in Erinnerung ruft. Er ist unser Ostern, er ist das Licht und das Leben der Welt. Verwirrt und verunsichert sehnen sich die Menschen unserer Zeit nicht selten unbewußt nach dem Herrn. In der Tat ist nur Christus der Retter, der den Frieden gibt. Und die Kirche macht sich die Worte des Apostels zu eigen: „... wenn du mit deinem Mund bekennst: Jesus ist der Herr* und in deinem Herzen glaubst: ,Gott hat ihn von den Toten auferweckt“, so wirst du gerettet werden ... Wer an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen“ (Röm 10,9-11). Die menschliche Geschichte ist ständig in Bewegung; die Zeiten ändern sich, neue Errungenschaften und Fortschritte sind zu verzeichnen, aber neue Ängste und Sorgen tauchen am Horizont des Weges der Menschheit auf. Doch die Wahrheit Christi erleuchtet, rettet und dauert fort auch unter dem Wechsel der Ereignisse. Der Auferstandene ist der Herr der Geschichte. Liebe Brüder und Schwestern! Ostern sei für euch und für alle Menschen das Fest der Freude und der Hoffnung. Der Mut des Glaubens an Christus, den Auferstandenen, lasse euch die Schwierigkeiten des Alltagslebens überwinden. Mit diesen Empfindungen wünsche ich allen ein gesegnetes Osterfest in Christus, unseren Herrn. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich grüße alle deutschsprachigen Pilger sehr herzlich. Besonders heiße ich die Jubilarinnen der ,Armen Schulschwestem Unserer Lieben Frau“ willkommen. Euch alle lade ich ein, Euch auf die kommenden Tage vorzubereiten; denn nur Christus ist der Erlöser, der den Frieden schenkt. Ostern sei für Euch und alle Menschen das Fest der Freude und der Hoffnung. In diesem Sinne wünsche ich Euch und Euren lieben Angehörigen zu Hause ein frohes Osterfest und erteile Euch meinen Apostolischen Segen. 70 A UDIENZEN UND ANGELUS Seid Boten und Vermittler der Freude und der Liebe Christi! Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostersonntag, 17. April 1. „Haec est dies quam fecit Dominus: Exsuitemus et laetemur in ea“ - „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ lPs 118,24). Liebe Brüder und Schwestern, wir sind voller Freude über das große Geschehen der Auferstehung Jesu, das wir gestern gefeiert haben. Voll tiefer innerer Freude, die ein Geschenk des auferstandenen Christus ist, der das ewige Leben verkündet. Und die Osterzeit - so lehren die Kirchenväter und die liturgische Tradition -stellt gleichsam eine einzige herrliche Wirklichkeit dar, eine Ausdehnung des Geheimnisses Christi, der den Tod besiegt hat, in der Zeit. Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, wo wir aufgerufen sind, zu jubeln und in einem innerlich erneuerten Leben zu verharren. 2. Ostern ist der Triumph des Lebens, das nicht stirbt. Der heutige Festtag, der sogenannte „Montag des Engels“, weist auf die Gegenwart des Himmelsboten in den Evangeliumsberichten über die Auferstehung hin. Als er den Frauen am Grab erscheint, verkündet der Engel ihnen, daß Jesus der Gekreuzigte nicht mehr im Grab liegt, sondern auferstanden und den Jüngern nach Galiläa vorangegangen ist (Mt 28,3-7; Mk 16,5-7; Lk 24,4-7). ,Jesus von Nazaret, der Gekreuzigte, ist auferstanden; er ist nicht hier!“ sagt der Engel zu den Frauen, die in aller Frühe zum Grab gekommen waren. Mit diesen Worten gibt er uns zu verstehen, daß diese ,Deere“ das Zeichen einer neuen Gegenwart des Herrn unter den Menschen ist; dieses offene Grab ohne den Leichnam Jesu gibt Zeugnis vom Sieg des Lebens über den Tod. Das ist die frohe Botschaft! Der auferstandene Jesus ist das wahre „Evangelium vom Leben“. Er teilt den Menschen das göttliche Leben, die Würde der Gotteskindschaft, mit. Von den Aposteln haben wir diese frohe Botschaft empfangen und sollen sie „zum Herzen jedes Mannes und jeder Frau gelangen lassen und ... in die verborgensten Winkel der ganzen Gesellschaft einführen“ (Evangelium vitae, Nr. 80). 3. So dauert Ostern auch heute fort durch seine umwälzende Kraft und läßt die Herzen derer jubeln, die auf den Herrn des Lebens vertrauen; es befähigt die Personen, , jeden Menschen zu ehren und zu achten“ (ebd., Nr. 83) sowie mutig und entschlossen zugunsten und für den Schutz des Lebens einzutreten. Ich wünsche allen, sich als dem „Volk des Lebens“ zugehörig zu fühlen, das aus dem Paschaopfer Christi geboren ist, um die Zivilisation der Liebe und des Friedens wachsen zu lassen und zu verbreiten, in der jeder Mensch dem Bruder vertrauen kann und selbst zum Nächsten des Bruders wird. Richten wir jetzt unser Gebet an Maria. Sie, die bei der Verkündigung des Engels Jesus, das „Evangelium vom Leben“, in ihrem Schoß empfing und im Augenblick 71 A UDIENZEN UND ANGEL US seiner Auferstehung voll Freude jubelte, möge uns erlangen, daß wir in der Welt Zeugen des Auferstandenen, Boten seiner Freude und Vermittler seiner Liebe seien. Die missionarische Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 19. April 1. Als Erbin und den Dienst der Apostel fortsetzend, die gesandt waren, für Christus Zeugnis abzulegen und das Evangelium „bis an die Grenzen der Erde“ zu verkünden (Apg 1,8), besitzt die Kirche das besondere Merkmal der „Katholizität“, aus der sich ihre „missionarische Sendung“ ableitet. Diese zweite Eigenschaft hat „aus der Höhe“ ihren Ursprung, der zu ihrem Geheimnis gehört. Das betont das Zweite Vatikanische Konzil im Dekret Ad gentes, wonach die Kirche „ihrem Wesen nach missionarisch (d. h. als Gesandte unterwegs) ist, da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemäß dem Plan Gottes, des Vaters“ {Ad gentes, Nr. 2). Ein im Plan der göttlichen Dreifaltigkeit begründetes Geheimnis, das sich seit dem Pfingsttag in der Kirche durch diesen ihren ständigen Wesenszug vollzieht und kundtut. 2. Dem Wesen nach „missionarisch“ sein bedeutet nicht nur, daß die Kirche eine universale Sendung gegenüber der ganzen Menschheit hat, sondern daß sie auch in ihrer grundlegenden Wirklichkeit, in ihrer Seele und sozusagen in ihrer „Psychologie“ selbst, einen Dynamismus besitzt, der sich konkret in der Verkündigung des Evangeliums, in der Glaubensverbreitung und in der „bis an die Grenzen der Erde“ ergehenden Einladung zur Umkehr entfaltet. Dieser eng mit ihrer Sendung verbundene innere Antrieb kommt vom Heiligen Geist und gehört damit zu ihrem Geheimnis. Der daraus folgende Dynamismus wird so zu einem bezeichnenden Merkmal der ganzen Kirche. Das tritt besonders konkret und deutlich in den Menschen zutage, die, angefangen von den Aposteln, um der Sache des Evangeliums willen weitab von ihrer Heimat in ferne Länder gehen. Wenn auch nicht alle persönlich berufen sind, in die Mission zu gehen, so hat doch jeder in der Kirche und mit der Kirche die Aufgabe, das Licht des Evangeliums der Heilssendung entsprechend zu verbreiten, die der Erlöser an die kirchliche Gemeinschaft weitergegeben hat. In der Tat sind alle zur Mitarbeit an dieser Sendung aufgerufen. 3. Wir müssen in den trinitarischen Ursprung dieses missionarischen Dynamismus, auf den sich das Dekret Ad gentes (vgl. Nr. 2, 3 u. 5) bezieht, immer tiefer eindrin-gen. Ein Dynamismus, der der „quellhaften Liebe“, dem „Liebeswollen Gottes, des Vaters“, und „seiner übergroßen Barmherzigkeit und Güte“ entspringt. Er, Gott der Schöpfer, hat uns „gnadenweise gerufen, Gemeinschaft zu haben mit ihm in Leben und Herrlichkeit“. Er „gießt die göttliche Güte aus“, um „alles in allem“ zu sein (7 Kor 15,28). Aus seiner unendlichen Großherzigkeit, die jedem Geschöpf 72 AUDIENZEN UND ANGELUS gilt, kommt als Geschenk des Heiligen Geistes der missionarische Antrieb und Einsatz der Kirche, in der Welt die Heilsbotschaft zu verkünden und zu verbreiten. 4. Die Weitergabe des Dynamismus des göttlichen Lebens ist vor allem in der Menschwerdung des ewigen Sohnes Gottes geschehen, der vom Vater gesandt wurde, den Menschen die Offenbarung und das Heil zu bringen. Das Kommen des Fleisch gewordenen Wortes (vgl. Joh 1,14) in die Welt ist als „Typus“ oder „Archetypus“ - wie die Väter sagen würden - des missionarischen Impulses der Kirche zu betrachten, der die Grenzen des alten Israel überschreitet und das Himmelreich auf die gesamte Menschheit ausdehnt. Dieser Impuls verwirklicht sich besonders im „Aufbruch“ der Missionare, die wie die Apostel ihre Heimatländer verlassen, um „allen Völkern“ (Mt 28,19) die göttliche Botschaft zu verkünden. Als erster Missionar sendet der eingeborene Sohn - vom Vater auf die Erde gesandt, um die Welt zu retten - die Apostel aus, um seine Mission fortzusetzen (vgl. Joh 20,21). Die missionarische Typologie des ,Fleisch gewordenen Wortes“ umfaßt auch die Entäußerung desjenigen, der Gott gleich war und wie ein Sklave wurde, den Menschen gleich (vgl. Phil 2,6-7). Der paulinische Begriff der „keno-sis“ („exinanivit semetipsum“) erlaubt es, in der Menschwerdung das Urbild der Entäußerung derer zu sehen, die den Sendungsauftrag Christi annehmen und alles verlassen, um die Frohe Botschaft „bis an die Grenzen der Erde“ zu verkünden. 5. Indem er den übernatürlichen Ursprung des missionarischen Dynamismus seiner Menschwerdung bekräftigt, enthüllt Jesus auch die Zielsetzung, die darin besteht, allen die Rückkehr zu Gott zu ermöglichen. Jesus geht als erster diesen Weg, und er sagt es: „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Joh 16,28). Er betont, daß sein ,Fortgehen“ dazu dient, „im Haus des Vaters“ einen Platz für die Jünger vorzubereiten, zu denen er sagt: „Ich ... werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin“ (Joh 14,3). Jesu Rückkehr zum Vater geschieht durch den Opfertod, durch den er den Menschen seine Liebe „bis zur Vollendung“ erwies (Joh 13,1). 6. Er möchte die Menschen an seinem Aufstieg zum Vater teilhaben lassen. Um diese Teilhabe zu verwirklichen, sendet er seine Apostel und mit ihnen die ganze Kirche, die sie an allen Orten und zu allen Zeiten weiter verkündet und bewirkt. Wir unterstrichen die Tatsache, daß das missionarische Wirken Christi in seiner Hingabe durch den Opfertod gipfelt. Nach dem Plan des Vaters widmete Jesus nur eine kurze Zeit seines irdischen Lebens der Verkündigung, die für die „verlorenen Schafe Israels“ bestimmt war (Mt 15,24), auf die er im übrigen zunächst auch die Sendung der Zwölf beschränkte (vgl. Mt 10,6). Aber durch den Opfertod am Kreuz vollendet er das missionarische Ziel seines Kommens auf die Erde: die Rettung nicht nur des Volkes Israel oder der Samariter, sondern auch der „Griechen“ (vgl. Joh 12,20-24), ja der gesamten Menschheit (vgl. Joh 12,32). Diese Tatsache verdeutlicht, daß die Missionstätigkeit der Kirche immer mit Opfer verbunden ist, wie es Jesus vorhergesagt hat: ,Fin Jünger steht nicht über seinem 73 A UDIENZEN UND ANGELUS Meister und ein Sklave nicht über seinem Herrn“ (Mt 10,24); „ihr werdet um meines Namens willen von allen gehaßt werden“ (Mt 10,22). Es geht darum, dem göttlichen Meister auf dem Weg des Kreuzes nachzufolgen. Das ist der Weg der Kirche und der Weg der Missionare, wie das Konzil betont: „Deshalb muß sie unter Führung des Geistes Christi denselben Weg gehen, den Christus gegangen ist, nämlich den Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienens und des Selbstopfers bis zum Tode hin, aus dem er dann durch seine Auferstehung als Sieger hervorging“ (Ad gentes, Nr. 5). 7. Auf diesem Weg der Kirche und der Missionare ist Christus nicht nur der Initiator und das vollendete Urbild: Er ist auch derjenige, der die notwendige Kraft zum Gehen liefert, indem er seiner Kirche zu allen Zeiten den Heiligen Geist mitteilt. Wie wir weiter in dem Konzilstext lesen, hat „Christus vom Vater her den Heiligen Geist gesandt, der sein Heilswerk von innen her wirken und die Kirche zu ihrer eigenen Ausbreitung bewegen soll“ (Ad gentes, Nr. 4). Wir kehren noch einmal zu dem trinitarischen Ursprung des missionarischen Dynamismus der Kirche zurück, den der Heilige Geist am Pfingsttag in den Herzen entzündet hat und weiter nährt, weil er die Liebe des Vaters und des Sohnes - Ignis, Caritas - ist, die die Kirche an dem Feuer der Ewigen Liebe teilhaben läßt. Der Pfingsttag war nicht nur ein Augenblick starker Gemütsbewegung: Er war der Beginn eines Dynamismus übernatürlichen Ursprungs, der sich dann im Laufe der Geschichte der Kirche weiterentwickelt hat (vgl. Redemptoris missio, Nr. 24). Wie am Pfingsttag ist der Heilige Geist auch in unserer Zeit weiterhin der innere geistliche Anreger des missionarischen Eifers und der Spender der hierarchischen und charismatischen Gaben (vgl. 1 Kor 12,4 f.), die die Einheit der Kirche „in Gemeinschaft und Dienstleistung“ bewirken (vgl. Ad gentes, Nr. 4; Lumen Gentium, Nr. 4). Diese innere Einheit der Jünger Jesu setzt sich um in „brüderliche Gemeinschaft“ und „bedeutet, ,ein Herz und eine Seele1 haben“ (Redemptoris Mater, Nr. 26). 8. Der Heilige Geist erleuchtet und entflammt die ganze Person mit göttlicher Liebe, indem er Herz und Sinn durchwirkt. Er greift entscheidend in die apostolische Tätigkeit der Kirche ein, „geht ihr bisweilen sogar sichtbar voran und begleitet und lenkt sie auch unablässig auf verschiedene Weisen“ (vgl. Ad gentes, Nr. 4). So erfüllt die Kirche, „getrieben von der Gnade und Liebe des Heiligen Geistes“, ihre Sendung, indem sie allen Menschen „den freien und sicheren Weg zur vollen Teilhabe am Christusgeheimnis eröffnet“ (Ad gentes, Nr. 5). In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken über die Kirche und ihr missionarisches Wirken heiße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern, die Ihr in so großer Zahl an dieser Audienz teilnehmt, sehr herzlich willkommen. Mein be- 74 AUDIENZEN UND ANGELUS soliderer Gruß gilt den Jugendlichen, vor allem der Ministranten-Diözesanwall-fahrt des Bistums Essen und der Jugendwallfahrt aus der Diözese Regensburg. Euch allen wünsche ich in diesen österlichen Tagen eine erneuerte Liebe zur Kirche und vertiefte Glaubensfreude. Dazu erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie all jenen, die uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Ostern fordert zur Vergebung auf! Regina Caeli am 23. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute endet die Osteroktav, in der die Kirche voll Freude die Psalmworte spricht: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 118,24). Die ganze Oktav ist gleichsam ein einziger Tag, der Tag der neuen Schöpfung. Indem er den Tod besiegte, hat Christus alles neu gemacht (vgl. Offb 21,5). Ostern bedeutet für die Gläubigen Erneuerung des Lebens, Frieden und Freude. Der Frieden und die Freude von Ostern sind aber nicht nur für die Kirche, sondern für die ganze Welt bestimmt! Die Freude bedeutet den Sieg über Angst, Gewalt und Tod. Der Frieden ist das Gegenteil von Furcht. Als er die durch sein Leiden und seinen Tod erschreckten und entmutigten Apostel begrüßt, sagt der Auferstandene: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Und als Christus auf der Insel Pat-mos Johannes erscheint, lautet seine Einladung wieder: ,Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt“ (Offb 1,17-18). Ostern überwindet die Angst des Menschen, denn es gibt die einzige wahre Antwort auf eine seiner schwierigsten Fragen: den Tod. Indem sie die Auferstehung Jesu verkündet, will die Kirche der Menschheit den Glauben an die Auferstehung der Toten und an das ewige Leben vermitteln. Die christliche Verkündigung ist wesenhaft „Evangelium vom Leben“. 2. „Danket dem Herrn, denn er ist gütig“ (Ps 118,1). Der heutige Sonntag ist in besonderer Weise ein Tag des Dankes für die Güte, die Gott dem Menschen im gesamten Ostergeheimnis erweist. Deshalb wird er auch der Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit genannt. Wie die mystische Erfahrung der vor zwei Jahren zur Ehre der Altäre erhobenen seligen Faustina Kowalska uns deutlich gemacht hat, offenbart die Barmherzigkeit Gottes im wesentlichen diese Wahrheit: Das Gute überwindet das Böse, das Leben ist stärker als der Tod, und die Liebe Gottes ist mächtiger als die Sünde. All das zeigt sich im Ostergeheimnis Christi. Gott er- 75 A UDIENZEN UND ANGEL US scheint als der, der er ist: ein liebevoller Vater, der angesichts des Undankes seiner Kinder nicht nachgibt und immer bereit ist zu verzeihen. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Dieses Erbarmen müssen wir persönlich erlebt haben, wenn wir unsererseits Erbarmen üben wollen. Lernen wir verzeihen! Die Spirale des Hasses und der Gewalt, die den Weg so vieler einzelner und so vieler Nationen mit Blut befleckt, kann nur durch das Wunder der Vergebung unterbrochen werden. Maria erlange der gesamten Menschheit dieses Geschenk der Göttlichen Barmherzigkeit, damit die Menschen und die Völker, die besonders unter Feindseligkeiten und Bruderkriegen leiden, den Haß besiegen und ein konkretes Verhalten der Versöhnung und des Friedens an den Tag legen. Fairneß beim Sport Appell des Papstes nach dem österlichen Marienlob Bei einer Begegnung mit den Jugendlichen Roms wurden mir zwei Halstücher mit den Farben der Fußballmannschaften von Rom und Latium überreicht. Gern nahm ich dieses Geschenk entgegen, besonders auf Grund der Botschaft der Brüderlichkeit und des Friedens, die es zum Ausdruck bringt. Ich spreche die Hoffnung aus, daß das heutige Fußballspiel zwischen den beiden Mannschaften eine Gelegenheit des erholsamen Vergnügens sei und eine friedliche und faire Begegnung darstelle. Außerdem hoffe ich, daß alle, die auf verschiedene Weise am Fußballspiel und am Sport im allgemeinen interessiert sind (Veranstalter, Sportler, Journalisten und Fußballfans), dazu beitragen, daß die Sportveranstaltungen immer echte Werte von Menschlichkeit und Brüderlichkeit ausstrahlen. Geschichte und Zukunft der Evangelisierung Ansprache bei der Generalaudienz am 26. April 1. Die universale Sendung der Kirche wird in der Zeit entfaltet und im Laufe der Menschheitsgeschichte vollendet. Mit dem Kommen Christi endete die Zeit der Vorbereitung (vgl. Gal 3,23; Hebr 1,1) und der Erwartung (vgl. Röm 3,26; Apg 17,30); „die Zeit war erfüllt“, als der Sohn Gottes zum Heil des Menschen Mensch wurde (vgl. Gal 4,4). Von dem Augenblick an begann eine neue Zeit, die wir nicht bemessen können, weil sie bis zum Ende der Geschichte reicht. Die Evangelisierung der Welt war deshalb auch dem Gesetz der Aufeinanderfolge der Jahrhunderte und menschlichen Generationen unterworfen. Sie betrifft jeden Menschen, jede Zeit und jede Kultur. Die Verkündigung des Evangeliums muß sich deshalb immer wieder erneuern: Sie muß sich ständig vervollkommnen und vertiefen, auch in den Ländern und Kulturen, die schon in der Antike evangelisiert 76 AUDIENZEN UND ANGELUS wurden. Letzten Endes muß sie jeden Tag neu beginnen bis zur Ankunft des „Letzten Tages“ (Joh 12,48). 2. Die Evangelisierung ist aus der Perspektive zu betrachten, die Christus ihr gegeben hat: Sie wird sich erst am Ende der Welt vollenden: „Dieses Evangelium vom Reich wird auf der ganzen Welt verkündet werden, damit alle Völker es hören; dann erst kommt das Ende“ (Mt 24,14). Uns ist es nicht gegeben,„Zeiten und Fristen zu erfahren“ (Apg 1,7), die nach dem göttlichen Plan für die Vollendung des Evangelisierungswerkes, die Voraussetzung für die Ankunft des Reiches Gottes, festgesetzt sind. Wir können auch nicht wissen, welchen Grad der Vertiefung das missionarische Werk erreichen muß, damit „das Ende kommt“. Wir wissen nur, daß die Evangelisierung in der Geschichte fortschreitet, der sie nach ihrer Vollendung endgültigen Sinn verleihen wird. Bis zu diesem Augenblick gibt es ein Geheimnis der Evangelisierung, das das Geheimnis der Geschichte selbst durchdringt. 3. Man muß feststellen, daß wir von einer vollkommenen Evangelisierung „aller Völker“ (Mt 24,14; 28,19) noch weit entfernt sind und daß die große Mehrheit der Menschen weder dem Evangelium noch der Kirche zugehört. Und deshalb, schrieb ich in der Enzyklika Redemptoris missio, „steht die Missionstätigkeit erst in den Anfängen“ (Nr. 30). Diese geschichtliche Folgerung steht nicht im Gegensatz zum universalen Heilswillen des himmlischen Vaters, der durch das Licht Christi jedem Menschenherzen das Geschenk der Erlösung durch die Kraft des Heiligen Geistes zukommen lassen will. Dieses Geheimnis der Gegenwart und Heilstat ist zweifellos grundlegend für den kirchlichen Evangelisierungseinsatz. In dieser Sichtweise ist der Auftrag zu verstehen, den Jesus den Aposteln und damit der Kirche gegeben hat: „hinauszugehen“, zu „taufen“, zu „lehren“ und „das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden“ (Mk 16,15), „allen Völkern“ (Mt 28,19; Lk 24,47), „bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Am Ende des Markusevangeliums lesen wir: Die Apostel „zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ“ (Mk 16,20). Man könnte sagen, daß die ihnen von Christus anvertraute Sendung gleichsam einen Drang zur Erfüllung des Auftrags, alle Völker zu evangelisieren, hervorgerufen hat. Die ersten Christen waren von diesem Geist durchdrungen und empfanden sehr stark das Bedürfnis, die Frohbotschaft in allen Teilen der Erde zu verkünden. Zweitausend Jahre danach gelten für die Kirche dieselbe Aufgabe und dieselbe Verpflichtung. In der Tat wird von den Christen auch heute noch verlangt, sich je nach Lebensstand dem wichtigen Werk der Evangelisierung zu widmen. 4. In einer früheren Katechese erinnerte ich an die Frage, die die Jünger an Christus im Augenblick der Himmelfahrt richteten: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ (Apg 1,6). Sie hatten noch nicht verstanden, welches Reich zu errichten Christus gekommen war. Das Reich Gottes, das sich auf die 77 AUDIENZEN UND ANGELUS ganze Welt und auf alle Generationen erstreckt, ist die geistliche Umwandlung der Menschheit durch einen Prozeß der Umkehr, dessen Zeitablauf nur der himmlische Vater kennt. Denn den Jüngern, die noch unfähig sind, das Werk Christi zu erfassen, antwortet der Auferstandene: „Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat“ (Apg 1,7). Der Vater hat also eine Abfolge von Zeiten und Fristen zur Erfüllung seines Heilsplans vorgesehen. Ihm stehen diese „kairoi“, diese Gnadenmomente, zu, die die Abschnitte der Verwirklichung seines Reiches deutlich machen. Obwohl er der Allmächtige ist, hat er beschlossen, in der Geschichte geduldig im Rhythmus der persönlichen und kollektiven menschlichen Entwicklung zu handeln unter Berücksichtigung der Möglichkeiten, der Widerstände, der Fähigkeit und Bereitschaft sowie der Freiheit des Menschen. Diese göttliche Pädagogik muß das Vorbild sein, an dem sich jede Missionstätig-keit der Kirche inspiriert. Die Evangelisatoren müssen die manchmal lange, ja sogar unendlich lange Zeit geduldig annehmen in dem Bewußtsein, daß Gott, dem „die Zeiten und Fristen“ gehören, den Ablauf der Geschichte unermüdlich und mit höchster Weisheit lenkt. 5. Die Wartezeiten können, wie ich schon betonte, lang sein, bevor der günstige Augenblick kommt. Die Kirche, die unter Widerständen, Gefühllosigkeit und Trägheit leidet, die vom „Herrscher dieser Welt“ (Joh 12,31) listig angestiftet werden, weiß, daß sie mit Geduld Vorgehen muß und unter tiefer Achtung aller ethnischen, kulturellen, psychologischen und soziologischen Gegebenheiten. Sie darf jedoch nie den Mut verlieren, wenn ihre Bemühungen nicht immer sofort von Erfolg gekrönt sind; sie darf vor allem nie von der ihr aufgetragenen Grundaufgabe abweichen: allen Völkern die Frohbotschaft zu verkünden. Um die von Gott festgesetzten „Zeiten und Fristen“ erwarten zu können, bedarf es einer Wachsamkeit, damit man im Wechsel der geschichtlichen Bedingungen die Chancen und Möglichkeiten der Verkündigung des Evangeliums erkennt. „Diese Bedingungen hängen entweder von der Kirche oder von den Völkern, den Gemeinschaften und den Menschen ab, an die sich die Sendung richtet“, sagt das Konzil und empfiehlt: „Obgleich nämlich die Kirche von sich aus die Gesamtheit oder die Fülle der Heilsmittel umgreift, wirkt sie doch nicht immer und nicht sogleich im vollen Umfang und kann dies auch nicht“ {Ad gentes, Nr. 6). „Vielmehr kennt sie Anfänge und Stufen in ihrer Tätigkeit, mit der sie den Plan Gottes zu verwirklichen sucht. Ja, bisweilen ist sie genötigt, nach glücklich begonnenem Voranschreiten abermals einen Rückschritt zu beklagen, oder sie verbleibt doch wenigstens in einem gewissen Zustand der Unvollständigkeit und Unzulänglichkeit“ (ebd.). Auch das gehört zum Geheimnis des Kreuzes, das die Geschichte durchzieht. 6. Es ist bekannt, daß im Laufe der Jahrhunderte ganze christliche Gemeinden aus unterschiedlichen Gründen untergegangen sind. Es ist dies die schmerzvolle Be- 78 AUDIENZEN UND ANGELUS redsamkeit der Geschichte, die vor den Möglichkeiten des Scheitems von menschlichem Handeln warnt. Davor bleibt auch die Tätigkeit der Verkündigung nicht bewahrt. Die Geschichte bestätigt andererseits aber auch, daß - Gott sei Dank - die Rückschritte, begrenzt auf einige Orte oder einige Zeiten, die allgemeine Entwicklung der Evangelisierung nicht behindern, die - nach den Worten Christi, - sich nach und nach auf die gesamte Menschheit ausbreiten wird (vgl. Mt 24,14). Die Kirche führt in der Tat die Sendung der Evangelisierung auch bei Wechselfällen mit demselben Elan der ersten Jahrhunderte fort, und das Reich Gottes entwickelt und breitet sich weiter aus. 7. Auch heute ist sie sich der Schwierigkeiten bewußt, die auf ihrem langen Weg durch die Geschichte auftreten. Dennoch glaubt sie lebhaft an die Macht des Heiligen Geistes, der die Herzen dem Evangelium öffnet und der sie in ihrer Mission leitet. Denn er ist es, der jeden Menschen, jede Kultur und jedes Volk unter Achtung ihrer Freiheit und Lebensrhythmen zu Christus hinzieht und alle sanft zur Wahrheit führt. Trotzdem ist das, was menschlichen Augen als ein langsamer und holpriger Entwicklungsprozeß Vorkommen mag, in Wirklichkeit die Handlungsweise Gottes. Diese Gewißheit stützt und stärkt in den Jüngern Christi - angefangen von den Hirten und Missionaren - die Hoffnung, daß ihre Arbeit weder umsonst noch vergeblich ist. Diese Hoffnung gründet in der eschatologischen Sichtweise, die den Grund der Evangelisierungstätigkeit der Kirche, der Pilgerin auf Erden bis zum Ende der Zeiten, bildet. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich heiße Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern sehr herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Jugend-und Schülergmppen, vor allem den Firmlingen der Pfarrei St. Michael in Wädenswil sowie den Schülerinnen der Liebfrauenschule der Dominikanerinnen in Dießen. Mit meinen besten Wünschen für Euch und Eure Lieben zu Hause erteile ich Euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Das Blut der Unschuldigen schreit zu Gott In diesen Tagen der Osterfreude erreichen uns aus dem gebebten afrikanischen Kontinent immer häufiger besorgniserregende dramatische Nachrichten. Ein neues schreckliches Blutbad hat in Ruanda viele unschuldige Opfer unter der schon vom Völkermord und Krieg heimgesuchten Bevölkerung gefordert. Ich bitte die Verantwortlichen, einzuhalten vor dem Blut der Unschuldigen, das zu Gott schreit. Ebensowenig darf ich eine schwere Verletzung der Religionsfreiheit verschweigen, die mit der jüngsten Ausweisung eines Missionars aus dem Sudan verbunden ist. Es kam die Nachricht, daß für drei weitere Missionare dieselbe Anordnung getroffen und dann aufgehoben worden war. Diese Maßnahmen schaffen ein Klima der Spannung, das das Zusammenleben stört und den interreligiösen Dialog 79 A UDIENZEN UND ANGELUS nicht fördert. In so vielen afrikanischen Ländern setzt sich die Waffengewalt weiterhin durch und verlängert jahrelange Auseinandersetzungen, die furchtbare Fluchtbewegungen hervorrufen und Zerstörung und Tod säen. Deshalb lade ich euch ein, euch meiner Bitte an den auferstandenen Herrn anzuschließen, daß er die Sinne und Herzen aller Verantwortlichen erleuchte. Die Achtung der Grundrechte der Person und der gemeinsame Einsatz auf dem Weg der Versöhnung sind für diese Völker unerläßliche Voraussetzungen für eine Zukunft der Hoffnung und des Friedens. Die Missionstätigkeit der Kirche in Vergangenheit und Gegenwart Ansprache bei der Generalaudienz am 3. Mai 1. In der Alltagssprache spricht man von den „Missionen“ in der Mehrzahl und von den ,Missionaren“, die dort in besonderem Auftrag tätig sind. Es ist eine Ausdrucksweise, die der Einheit der ,Mission“ der Kirche nicht entgegensteht, ja, sie macht mit größerer Intensität diese Hauptaufgabe der Evangelisierung sogar noch deutlicher. Die Missionare stellen das Prinzip, daß die ganze Kirche missionarisch ist, keineswegs in den Schatten, sondern verwirklichen es in eigener Person. Was sind die Missionen? Nach dem Konzil handelt es sich um „spezielle Unternehmungen, wodurch die von der Kirche gesandten Boten des Evangeliums in die ganze Welt ziehen und die Aufgabe wahmehmen, bei den Völkern oder Gruppen, die noch nicht an Christus glauben, das Evangelium zu predigen und die Kirche selbst einzupflanzen“ (Ad gentes, Nr. 6). In der Enzyklika Redemptoris missio wird betont, daß sie in den Ländern, wo die Kirche „noch nicht Wurzeln geschlagen hat“, und bei den Völkern, „deren Kultur noch nicht vom Evangelium beeinflußt ist“, eröffnet werden (Redemptoris missio, Nr. 34). 2. Wir können klar sagen, daß diese Tätigkeiten den Aufbau der Ortskirche zum Ziel haben. Sie tragen nicht nur dazu bei, Strukturen und eine kirchliche Hierarchie zu errichten, sondern fördern die Bildung von Gemeinschaften des christlichen Lebens durch die Verkündigung des Wortes Gottes und die Sakramen-tenspendung. Schon Thomas von Aquin sprach von diesem Einpflanzen der Kirche als einem apostolischen „munus“ (vgl. I Sent., D.16, q.2, ad 2 und 4; a.3; Summa Theol.,1, q.43, a.7, ad 6; I-II, q.106, a.4, ad 4). Ein Begriff, der zur fundierten ekklesiologischen Tradition gehört und von den Päpsten unseres Jahrhunderts in verschiedenen Dokumenten vertieft wurde, die auch in das II. Vatikanische Konzil Eingang gefunden haben (vgl. Ad gentes, Nr. 34). Meine ehrwürdigen Vorgänger und ebenso Thomas von Aquin verwenden auch den Ausdruck „dilatatio Ecclesiae“, das heißt Ausbreitung, Vergrößerung der Kirche (vgl. Thomas v. Aquin, Matthäuskomm. 16,28). Das Konzil erläutert, daß „das haupt- 80 AUDIENZEN UND ANGELUS sächliche Mittel dieser Einpflanzung die Verkündigung der Frohbotschaft von Jesus Christus“ ist... „So sollen aus dem Samen des Gotteswortes überall auf der Welt wohlbegründete einheimische TeilMrchen heranwachsen“, ... „damit die Menschen, wiedergeboren durch das Wort Gottes, mittels der Taufe der Kirche eingegliedert werden, die ... vom Wort Gottes und vom eucharistischen Brot genährt wird und lebt“ (Ad gentes, Nr. 6) (vgl. Apg 2,42; 1 Petr 1,23). Es sind „mit eigener Kraft und Reife begabte“ und mit einer eigenen Hierarchie ausgestattete TeilMrchen, die die entsprechenden Mittel zum Vollzug des christlichen Lebens ihrer Mitglieder besitzen und zum Wohl der Gesamtkirche beitragen können (vgl. ebd.). Das ist das Ideal, das die missionarische Tätigkeit anstrebt: die Gründung einer Kirche, die von sich aus für ihre Hirten und für alle Bedürfnisse des Glaubenslebens sorgt, während sie in Gemeinschaft mit den anderen TeilMrchen und dem Stuhl Petri steht. 3. Zu unterscheiden sind verschiedene Stufen missionarischer Tätigkeit (vgl. Ad gentes, Nr. 6): die des „Neubeginns oder Pflanzens“, wobei die Verkündigung des Evangeliums darauf zielt, die Menschen zur Taufe zu führen; danach folgt die Phase „der Neuheit oder Jugend“ durch die Erziehung zum Glauben und zu einer entsprechenden Lebensweise, durch die Gründung von Ortsgemeinschaften und die Erweckung und Entfaltung von Priester- und Ordensberufen. Auf diesem Bildungsweg wird die Gemeinschaft mit einer Dienststruktur ausgestattet und so unterstützt, daß sie sich in der Sicht missionarischer Öffnung und Zusammenarbeit entwickelt. Im Hinblick auf die missionarische Tätigkeit und den Wert der Missionen hat es leider auch in jüngster Zeit nicht an Unverständnis gefehlt. Ausgehend von der Verbindung, die durch historisch bedingte Gründe eine gewisse Zeit lang zwischen der Missionstätigkeit und der Kolonialpolitik entstanden war, wollte man daraus ableiten, daß der allmähliche Schwund des geschichtlichen Phänomens der Kolonien gleichzeitig das Verschwinden der Missionen zur Folge haben müsse. Zu dieser Unsicherheit kam die Überlegung, daß in den Kirchen der Evangelisierung des Altertums, aus denen viele in den „Missionsländern“ tätige Missionare stammen, immer mehr das Bewußtsein wuchs, daß auch ihr Gebiet „Missionsland“ ist und einer „Neuevangelisierung“ bedarf. So entstand das Problem, zwischen den Missionen in den noch nicht evangelisierten Ländern und den dringenden Apostolatsaufgaben in den altchristlichen Ländern zu wählen. 4. Die Frage kann nicht dadurch gelöst werden, daß man sich ausschließlich für die zweite Alternative zum Schaden der ersten entscheidet. Ja, man spürt das Bedürfnis nach einer Neuevangelisierung in den „Ländern mit alter christlicher Tradition, ... wo ganze Gruppen von Getauften den lebendigen Sinn des Glaubens verloren haben oder sich gar nicht mehr als Mitglieder der Kirche erkennen, da sie sich in ihrem Leben von Christus und vom Evangelium entfernt haben“ (Redemp-toris missio, Nr. 33). 81 AUDIENZEN UND ANGELUS Dennoch kann man auf die eigentliche missionarische Tätigkeit nicht verzichten, und sie wird in den Ländern, wo die Kirche noch nicht Fuß gefaßt hat oder die Zahl der Christen sehr gering ist, weiterentwickelt. Die Botschaft des Evangeliums muß allen bekannt gemacht werden, und blühende, beispielgebende Christengemeinden müssen imstande sein, die Lebensgewohnheiten und Institutionen mit Hilfe eines fruchtbringenden Dialogs unter den verschiedenen Gruppen und Gemeinschaften günstig zu beeinflussen. Wie ich in der genannten Enzyklika hervorhob, ist „die Zahl derjenigen, die Christus nicht kennen und nicht zur Kirche gehören, ständig im Wachsen; seit dem Ende des Konzils hat sie sich sogar beinahe verdoppelt“ (Redemptoris missio, Nr. 3). Der Grund dafür ist, daß der Anteil der Nichtchristen in der Entwicklung der Weltbevölkerung stark zugenommen hat aus den bekannten demographischen Gründen und wegen einer größeren Stabilität in der Bewahrung religiöser Elemente, die den Kulturen beinahe angeboren sind. 5. Hinsichtlich der Beziehung zwischen der missionarischen Tätigkeit und der Kolonialpolitik einiger Länder muß man mit objektivem und klarem Blick die Gegebenheiten untersuchen, aus denen hervorgeht, daß zwar in manchen Fällen das Zusammentreffen zu tadelswerten Verhaltensweisen seitens der Missionare in bezug auf die einheimischen Nationen oder in der Zusammenarbeit mit den örtlichen Machthabern geführt haben mag, was nicht immer leicht abzusehen war; dennoch war die Evangelisierungstätigkeit, insgesamt betrachtet, immer durch ein Ziel -zum Unterschied mit dem der zeitlichen Obrigkeiten - gekennzeichnet: die Personenwürde der evangelisierten Menschen zu fördern, indem man ihnen den Zugang zur Gotteskindschaft eröffnet, die jedem Menschen von Christus erwirkt wurde und den Gläubigen in der Taufe vermittelt wird. Das begünstigte tatsächlich im allgemeinen den Fortschritt dieser Völker zur Freiheit und auch ihre Entwicklung auf sozialökonomischer Ebene. Die Missionare handelten aus ihrer Hochschätzung für die Menschen, die von Gott geliebte und von Jesus Christus erlöste Personen sind. Ihre Tätigkeit bei den Völkern oder Gruppen, unter denen die Kirche noch anwesend und wirksam ist, zielt heute wie gestern nicht auf menschliche Macht und Interessen, noch wird sie von der Überheblichkeit einer kulturellen und sozialen Überlegenheit inspiriert. Hingegen will sie - und sie ist es wirklich - ein einfacher Dienst der Liebe für diejenigen sein, die das Licht und das Leben Christi im Bereich der von ihm zum Heil der ganzen Welt gewollten und gestifteten Kirche (Ecclesia) noch nicht empfangen haben. Das Konzil räumt auch ein, daß es Situationen gibt, in denen sich die missionarische Aktivität auf eine diskrete Anwesenheit beschränken muß, denn sie kann sich nicht in offensichtlich vorhandenen und gültigen Strukturen entfalten (vgl. Ad gentes, Nr. 6). 82 AUDIENZEN UND ANGELUS Vielleicht stellen die Missionare gerade in solchen Fällen noch klarer die Kirche dar, die von Christus mit dem Ziel gegründet wurde, daß sie das Evangelium predigt und überall Heilsgemeinschaften bildet. Denn sie ist sich des Geheimnisses des Kreuzes wohl bewußt, das, wie es die Geschichte eindringlich lehrt, manchmal ein schweigendes und zuversichtliches Warten auf das Osterlicht mit sich bringt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dem innigen Wunsch, alle Gläubigen mögen sich das Anliegen der Missionen zu eigen machen und weiter in der österlichen Hoffnung verharren, grüße ich Euch, hebe Schwestern und Brüder, die Ihr so zahlreich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an dieser Audienz teilnehmt. Einen besonderen Gruß richte ich an die Pilgergruppe, die anläßlich der Vereidigung der Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde gekommen ist. Euch allen sowie Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Krieg auf dem Balkan beenden! Mit tiefer Trauer und lebhafter Besorgnis vernahm ich die Nachricht, daß die Feindseligkeiten auf dem Balkan erneut ausgebrochen sind und die streitenden Parteien verstärkte Angriffe auf die unschuldige Bevölkerung verüben. Während die Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges im Gang sind, ertönt von neuem der dumpfe Donnerhall der Waffen in Europa! Ich möchte ein weiteres Mal daran erinnern, daß man Frieden nicht mit Waffengewalt baut, die Verständigung nicht durch Kampftätigkeit fördert und die Verhandlungen nicht begünstigt, wenn man den Haß schürt. Wir alle erwarten von den Verantwortlichen der betreffenden Nationen Zeichen des Weitblicks und der konsequenten Übernahme der eigenen Verantwortlichkeiten, damit diese geliebten Völker, die jetzt vom Krieg zermürbt sind, mit Zuversicht ihren Weg in die Zukunft wiederaufnehmen können. Möge der Gruß des Auferstandenen: „Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27) zu allen gelangen! Dem Frieden gilt meine Sorge Regina Caeli am 7. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir sind am Ende dieses feierlichen Gottesdienstes angelangt, in dessen Verlauf wir zu unserer Freude fünf neue Selige zur Ehre der Altäre erheben konnten. Sie 83 AUDIENZEN UND ANGELUS haben mit Treue und Beharrlichkeit Christus, den guten Hirten, nachgeahmt, der das Leben für seine Herde hingibt. Die Gestalt des guten Hirten bildet den bedeutsamen Hintergrund des Weltgebetstages für geistliche Berufe, den die ganze Kirche gerade heute, am vierten Sonntag der Osterzeit, begeht. Die seligste Jungfrau lege bei ihrem göttlichen Sohn, dem guten Hirten, Fürsprache ein, daß es der Kirche nicht an heiligmäßigen Priestern fehle und daß sich das Evangelium der Liebe und des Friedens unter den Menschen immer mehr verbreite. 2. Gerade dem Frieden gilt jetzt meine Sorge, während ich des 50. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa gedenke. Aus diesem historischen Anlaß, der sich morgen, am 8. Mai, jährt, möchte ich an alle Menschen guten Willens ein Schreiben richten, das in den nächsten Tagen veröffentlicht wird. Darin betone ich, daß man auf Gewalt und Macht der Waffen keine gerechte menschliche Gesellschaft aufbauen kann. Deshalb ist es wichtig, daß die Menschheit sich an die sechs schrecklichen Jahre des letzten Weltkrieges erinnert und über die aus ihm erwachsenen dramatischen Folgen nachdenkt. Nie wieder Krieg! Ich mache mir den Wunsch meines ehrwürdigen Vorgängers Paul VI. zu eigen in der Hoffnung, er möge für alle zur Verpflichtung werden. Zur Verpflichtung, den wirklichen Frieden in der Wahrheit und Freiheit aufzubauen; zur Verpflichtung, die Gegensätze und Schwierigkeiten mit Hilfe des Dialogs und der gegenseitigen Verständigung zu überwinden. Der Frieden ist ein Geschenk Gottes! Notwendig ist vor allem die Erneuerung der Herzen, damit er in der Welt siegen kann. Nur der gute Hirt kann dieses neue Leben schenken, und er gewährt es all denen, die seine Stimme hören und ihm folgen. Unsere Sendung ist der Frieden! Die furchtbare historische Seite des Zweiten Weltkrieges ist für alle eine ernste Mahnung, die „Kultur des Krieges“ entschieden abzulehnen, hingegen jedes rechtmäßige und angemessene Mittel zu suchen, um die Kriege zu beenden, die noch viele Teile der Welt mit Blut beflecken. Bitten wir Gott um das notwendige Licht und die Kraft dafür, und übergeben wir unser ehrliches Bemühen der Fürsprache Marias, der Königin des Friedens. Nach dem österlichen Marienlob sagte der Papst auf Deutsch: Herzlich heiße ich euch, liebe deutschsprachige Pilger willkommen, die ihr an der Feier der Seligsprechung von Mutter Maria Stollenwerk teilgenommen habt. Möge die Dienerin Gottes euch durch ihre Fürbitte auch weiterhin missionarischen Eifer erflehen und euch auf eurem weiteren Lebensweg im Glauben bestärken. 84 AUDIENZEN UND ANGELUS Ziel und Notwendigkeit des missionarischen Wirkens Ansprache bei der Generalaudienz am 10. Mai 1. Wir setzen die in der vorigen Katechese begonnenen Überlegungen in bezug auf die Einwände und Zweifel am Wert der missionarischen Tätigkeit und insbesondere hinsichtlich ihrer Zielsetzung, der Evangelisierung, fort. Manch einer wollte die Missionstätigkeit auch als einen Versuch auslegen, anderen die eigenen Überzeugungen und Entscheidungen aufzuzwingen im Gegensatz zu einem gewissen modernen Denken, das sich rühmt, die absolute persönliche Denk- und Gewissensfreiheit errungen zu haben. In dieser Sicht sollte die Evangelisierungstätigkeit durch einen interreligiösen Dialog ersetzt werden, der in einem Meinungs- und Informationsaustausch bestünde, bei dem die beteiligten Partner das eigene „Credo“ kundtun und sich das Denken des anderen aneignen, ohne sich darum zu kümmern, ob man zu einem Schluß gelangt. Das sollte - so sagt man - die Christen zu dreierlei veranlassen: zum Verzicht auf die absichtliche Hinführung der Nichtchristen zum Evangelium, zur Enthaltung davon, die Bekehrung anzubieten oder zu begünstigen, und zum Ausschluß der voraussichtlichen Taufe. So würde der Heilsweg respektiert, den jeder einzelne entsprechend seiner eigenen religiösen Erziehung und Tradition gehe (vgl. Redemptoris missio, Nr. 4). 2. Aber eine solche Auffassung scheint unvereinbar mit dem der Kirche überlieferten Auftrag Christi an die Apostel und mit der authentischen Ekklesiologie, auf die sich das H. Vatikanische Konzil berufen hat, um die zweifelsfreie Notwendigkeit der Missionstätigkeit zu beweisen. Dabei geht es um einige Grundwahrheiten: Gott will das Heil aller; Jesus Christus ist der einzige .Mittler“, „der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,4-6), so daß „in keinem anderen das Heil zu finden ist“ (.ApgA,\2)\ deshalb ist es notwendig, „daß sich alle zu ihm, der durch die Verkündigung der Kirche erkannt wird, bekehren sowie ihm und seinem Leib, der Kirche, durch die Taufe eingegliedert werden“ {Ad gentes, Nr. 7). Das Konzil nimmt Bezug auf die Worte Jesu Christi über die den Aposteln auferlegte unverzichtbare missionarische Verpflichtung. Indem Jesus ausdrücklich die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe einschärfte (vgl. Mk 16,16; Joh 3,5), bekräftigte er zugleich die Rolle der Kirche, in die man notwendigerweise eintre-ten und in der man ausharrren muß, wenn man gerettet werden will (vgl. Ad gentes, Nr. 7). Diese durch die Verkündigung der Kirche angenommene Notwendigkeit des Glaubens in bezug auf das Heil ist nicht nur eine theologische Folgerung, sondern eine von unserem Herrn offenbarte Lehre. Aus ihr ergibt sich die Dringlichkeit des missionarischen Wirkens durch Verkündigung des Evangeliums und Spendung der Taufe, die den Eintritt in die Gemeinschaft der Kirche zusichert. Diese überlieferte Lehre der Kirche enthüllt die Unhaltbarkeit und Oberflächlich- 85 AUDIENZEN UND ANGELUS keit einer relativistischen und irenischen Haltung im Hinblick auf den Heilsweg in einer Religion, die anders ist als die auf dem Glauben an Christus gegründete. 3. Ohne Zweifel darf man an das Vorhandensein verborgener Wege des göttlichen Heilsplanes für diejenigen glauben, die ohne eigene Schuld nicht in die Kirche eintreten können; dennoch darf man aufgrund dieser Wege nicht die Missionstätigkeit verringern oder aufgeben. Dazu sagt das Konzil: „Wenngleich Gott Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß, zum Glauben führen kann, ohne den es unmöglich ist, ihm zu gefallen, so hegt also doch auf der Kirche die Notwendigkeit und zugleich das heilige Recht der Evangeliumsverkündigung. Deshalb behält heute und immer die missionarische Tätigkeit ihre ungeschmälerte Bedeutung und Notwendigkeit“ {Ad gentes, Nr. 7). 4. Hinsichtlich der „Bedeutung und Notwendigkeit“ des missionarischen Wirkens erläutert das Konzil vor allem die ekklesiologischen Gründe, die das innere Leben der Kirche betreffen. „Durch sie (die missionarische Tätigkeit) sammelt und ordnet der mystische Christusleib immerfort Kräfte zum eigenen Wachstum.“ Die Glieder der Kirche wollen, „durch die Liebe getrieben“, „mit allen Menschen in den geistlichen Gütern des gegenwärtigen wie des künftigen Lebens Gemeinschaft haben“. Gott wird verherrlicht, indem „die Menschen sein Heilswerk, das er in Christus vollzogen hat, bewußt und in seiner Ganzheit annehmen“. So erfüllt sich der Plan Gottes, dem Christus sich ganz geweiht hat, das heißt, „daß das ganze Menschengeschlecht ein Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde“ {Ad gentes, Nr. 7). Die missionarische Tätigkeit entspricht ganz dem Plan des Schöpfers, der von der patristischen Tradition ins Licht gestellt wurde, auf die sich das II. Vatikanische Konzil bezieht. Er wird Wirklichkeit, „wenn alle, die an der menschlichen Natur teilhaben, in Christus durch den Heiligen Geist wiedergeboren, in einmütigem Schauen der Herrlichkeit Gottes sagen können: ,Vater unser“1. Aber zugleich entspricht die Evangelisierung „ganz den innersten Wünschen aller Menschen“ {Ad gentes, Nr. 7), die mehr oder weniger bewußt und - man könnte sagen - beinahe instinktiv Gott suchen und damit brüderliche Eintracht, Frieden und ewiges Leben. Die Missionstätigkeit zielt genau daraufhin. 5. Zu den Grundbestrebungen des Menschen, auf die die Missionstätigkeit der Kirche das Licht der Offenbarung Christi wirft, gehört das Erkennen der Wahrheit über sich selbst und seine eigene Bestimmung. Das Konzil bekräftigt: „Ebcnda-durch nämlich, daß sie Christus verkündet, offenbart die Kirche zugleich dem Menschen die ursprüngliche Wahrheit dessen, was es um ihn ist und worin seine volle Berufung liegt. Christus ist ja Ursprung und Urbild jener erneuerten, von brüderlicher Liebe, Lauterkeit und Friedensgeist durchdrungenen Menschheit, nach der alle verlangen. Christus und die Kirche, die von ihm durch die Predigt des Evangeliums Zeugnis gibt, überschreiten alle Besonderheit der Rasse oder der 86 AUDIENZEN UND ANGELUS Nation und können deshalb von niemand und nirgendwo als fremd erachtet werden“ (Ad gentes, Nr. 8). Hier muß man wiederholen, worauf wir mehrmals hingewiesen haben: Die Wahrheit des Evangeliums ist nicht an eine bestimmte Nation oder Kultur gebunden; sie ist die Wahrheit Christi, die jeden Menschen ohne Unterschied von Tradition oder Rasse erleuchtet. Deshalb ist es notwendig, der gesamten Menschheit zu verkünden: „Christus selbst ist die Wahrheit und der Weg, welche die Predigt des Evangeliums allen zugänglich macht“ (Ad gentes, Nr. 8). 6. Wir können die heutigen Überlegungen abschließen, indem wir die volle Gültigkeit der Missionen und der Missionsarbeit auch für unsere Zeit bekräftigen; durch sie verwirklicht die Kirche hervorragend ihre Sendung, Christus, das Mensch gewordene Wort, den Erlöser des Menschen, zu verkünden. Denn durch die Missionsarbeit wendet die Kirche die Heilsmacht Jesu, unseres Herrn, auf das ganzheitliche Wohl des Menschen an in Erwartung und Vorbereitung seines neuen Kommens in die Welt in der eschatologischen Vollendung des Reiches Gottes. Von den Missionaren kann man heute noch das sagen, was man von Paulus sagte, als er als Missionar nach Rom gekommen war: „Vom Morgen bis in den Abend hinein erklärte und bezeugte er ihnen das Reich Gottes und versuchte, sie vom Gesetz des Mose und von den Propheten aus für Jesus zu gewinnen“ (Apg 28,23). In diesem Abschnitt der Apostelgeschichte ist die Rede von einer Begegnung mit den Brüdern der jüdischen Gemeinde Roms. Bei diesem Anlaß ließen sich die einen „durch seine Worte überzeugen, die andern blieben ungläubig“ (Apg 28,24). Der Apostel traf jedoch seine endgültige Entscheidung: „Darum sollt ihr nun wissen: Den Heiden ist dieses Heil Gottes gesandt worden. Und sie werden hören!“ (Apg 28,28). Wir können sagen, daß an jenem Tag in Rom in der Mietwohnung von Paulus eine neue Entwicklungsphase der Geschichte des Christentums begann: der Geschichte des Glaubens, der Zivilisation und der dem Evangelium entsprechenden Werte, die für das Wohl der Menschheit immer wertvoll und förderlich ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ich grüße Euch, liebe Schwestern und Brüder, die Ihr so zahlreich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu dieser Audienz gekommen seid, sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Teilnehmer am Romseminar des Bistums Hildesheim. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden zu Hause erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 87 AUDIENZEN UND ANGELUS Priester im Gebet unterstützen Regina Caeli am 14. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute morgen konnte ich zu meiner Freude einundvierzig Neupriester weihen, die vom Herrn berufen wurden, treue Hirten seines Volkes zu sein, bereit, ihren Dienst auszuüben, wo immer er will. Ihr Dienst ist ein Dienst an der Wahrheit, denn von ihnen wird verlangt, vor allem Verkünder des Evangeliums zu werden; ein Dienst an der Heiligung, um den Brüdern und Schwestern besonders durch die Sakramente zu helfen, sich der Gnade Gottes zu öffnen; und ein Dienst an der Liebe, weil sie sich werden bemühen müssen, die christliche Gemeinschaft und die ganze Gesellschaft in der Liebe wachsen zu lassen, indem sie sich ganz besonders den Kleinen und Schwachen zuwenden. Das Priestertum ist ein tiefes Geheimnis und ein kostbares Geschenk Gottes. Deshalb möchte ich Gott für dieses Geschenk danken; ich danke auch den Neuprie-stem für die Großherzigkeit, mit der sie dem göttlichen Ruf gefolgt sind. Ich danke ihren Eltern und ihren Familienangehörigen, die sie auf diesem Weg ermutigt und begleitet haben. Ich danke ihren Lehrern, die ihnen geholfen haben, ihre Bildung und Formung nach allen Seiten hin zu entwickeln. 2. Ich möchte auch die gesamte christliche Gemeinschaft dazu einladen, für die Heiligung der Priester zu beten. Die Heiligkeit ist eine allen Gläubigen gemeinsame Berufung. Aber der Priester hat, weil er Führer der Brüder und Schwestern sein soll, noch einen Grund mehr, heilig zu werden. Das Volk Gottes und die öffentliche Meinung selbst irren nicht, wenn sie von den Priestern das Zeugnis einer tiefen, sogar bis zum Heroismus gelebten Zielstrebigkeit erwarten. Nicht vergessen darf man aber, daß die Heiligkeit von Gott erfleht werden muß, weil sie von Natur aus ein harter Weg ist, auf dem die Priester nicht weniger als die übrigen Menschen von Schwachheit gezeichnet sind. Also sollte die christliche Gemeinschaft sie durch ihr Gebet unterstützen. Deshalb habe ich in meinem Brief an die Priester zum. Gründonnerstag dieses Jahres allen Diözesen der Welt empfohlen, einen „Tag zur Heiligung der Priester“ anzuberaumen, wo man den Herrn darum bittet, daß alle seine Diener in immer vollerer Übereinstimmung mit dem Herzen des guten Hirten leben mögen. 3. Wir vertrauen der heiligen Jungfrau diese Neupriester und mit ihnen alle Priester der Welt an, besonders die leidenden, die vereinsamten und die in schwerer Not, damit sie, von ihrer mütterlichen Liebe gestützt, die Freude ihrer Sendung in Fülle leben können. 88 AUDIENZEN UNDANGELUS Schluß mit dem Balkan-Krieg! Während ich soeben voll Freude einer stattlichen Zahl von Diakonen die Priesterweihe gespendet habe, denke ich unweigerlich an die jüngst unter tragischen Umständen verstorbenen Arbeiter im Dienst des Evangeliums. Gestern abend erreichte mich die traurige Nachricht von der Ermordung eines Priesters und einer Ordensfrau in Banja Luka (Bosnien-Herzegowina), deren Leichname in verkohltem Zustand gefunden worden waren. Es ist der unheilvolle Abschluß einer Reihe von Angriffen, die ein Kloster und vier Kirchen in der Diözese Banja Luka zerstört haben. Der Ortsbischof Franjo Komarica, der mir sein Leid geklagt hat, wandte sich auch an verschiedene nationale und internationale Instanzen. Dasselbe hat der Heilige Stuhl getan. Wer kann vor so vielen Greueltaten noch schweigen und untätig sein? Wer kann solche Grausamkeiten billigen, von welcher Seite sie auch verübt werden? All denen, die leiden oder von Angst gepeinigt werden, möchte ich sagen: Schluß mit dem Haß! Schluß mit dem Blutvergießen! Schluß mit dem Krieg! Wer für diese Taten verantwortlich ist und wer sie plant, wird sich vor Gott und vor den Menschen verantworten müssen. Der Herr nehme diese beiden unschuldigen Opfer in seine Freude auf, spende ihren Angehörigen und der kirchlichen Gemeinschaft Trost und rühre das Herz der für diese Tragödie Verantwortlichen. Während wir ihrer gedenken, möchte ich auch für die Ordensschwestern beten, die einer schweren Epidemie in Zaire zum Opfer gefallen sind. Möge dieses Opfer der Kirche zum Samen der Brüderlichkeit und des Friedens werden. Gebet für den Frieden in Liberia In wenigen Tagen findet in Liberia eine wichtige Konferenz von Staatsoberhäuptern statt, um eine friedliche Lösung für Liberia zu finden. Mein Gebetsgedenken gilt den vielen Opfern dieses tragischen Konfliktes und all denen, die heute noch unter den traurigen und schwerwiegenden Folgen leiden müssen. Liebe Brüder und Schwestern, ich lade euch ein, mit mir den Herrn des Friedens zu bitten, daß er Sinn und Herz aller Verantwortlichen erleuchte. Möge der Wunsch dieser von langen Kriegsjahren schwer geprüften Völker so bald wie möglich Wirklichkeit werden, damit sie zu normalen Lebensbedingungen zurückfinden und am Wohlergehen des Landes mitwirken. Herzlich grüße ich die in Rom weilenden Pilger und alle, die über das Fernsehen mit uns verbunden sind und uns zu Hause folgen. Einen besonderen Gruß richte ich an alle Mütter an ihrem heutigen Fest! Ich wünsche allen einen guten Sonntag. 89 AUDIENZEN UND ANGELUS Moderne Mittel der Evangelisierung einsetzen Ansprache bei der Generalaudienz am 17. Mai 1. In einer der vorhergegangenen Katechesen über das Thema Mission haben wir bereits auf das Ausmaß der Evangelisierungstätigkeit hingewiesen, zu der die Kirche heute aufgerufen ist, und auf die Schwierigkeiten, vor die sie gestellt wird. Insbesondere müssen wir nochmals daran erinnern, daß der Bevölkerungsfaktor ein zahlenmäßig starkes Mißverhältnis zwischen Christen und Nichtchristen verursacht hat, angesichts dessen man unweigerlich die menschlichen Mängel und Schwächen unserer Möglichkeiten und Mittel spürt. Außerdem werfen die Vielfalt der sozialen Beziehungen auch auf internationaler und interkontinentaler Ebene sowie die Verbreitung der Kultur durch die Schule und die sozialen Kommunikationsmittel Probleme auf, die für die Missionsarbeit neu sind, die hingegen nicht mehr auf die gleichartigen und grundlegend religiösen Traditionen der Völker zählen kann. Ebensowenig darf „die starke Zunahme der jungen Kirchen in letzter Zeit“ falsche Hoffnungen wecken. Denn es gibt noch „ausgedehnte, nicht evangelisierte Zonen“ (Redemptoris missio, Nr. 37). Und selbst unter den Völkern, die den christlichen Glauben seit langem angenommen haben, erscheint eine neue, vertiefte und den jetzigen Bedürfnissen und Ansprüchen angemessene Evangelisierung nötig. Ja, „nicht nur eine Neuevangelisierung, sondern in einigen Fällen eine erstmalige Evangelisierung“ (ebd.). 2. Das schrieb ich in der Enzyklika Redemptoris missio und betonte: „Die Mission ad gentes steht vor einer ungeheuren Aufgabe, die keineswegs im Schwinden ist. Im Gegenteil, sie scheint ein noch viel weiteres Blickfeld vor sich zu haben, sowohl unter der zahlenmäßigen Rücksicht der demographischen Zunahme als auch unter der soziokulturellen Rücksicht des Entstehens neuer Beziehungen, neuer Kontakte und sich verändernder Situationen“ (ebd., Nr. 35). In einigen Ländern stößt die Evangelisierung auf „Hindernisse kultureller Art: die Vermittlung der evangelischen Botschaft erscheint irrelevant oder unverständlich; Bekehrung wird als Verleugnung des eigenen Volkes und der eigenen Kultur angesehen“ (ebd.). In solchen Fällen kann der Übertritt zum Christentum sogar Verfolgungen hervorrufen, die Intoleranz anzeigen und im Gegensatz zu den Grundrechten des Menschen auf Gedanken und Religionsfreiheit stehen. In solchen Fällen entsteht eine Art kultureller Abkapselung, die eben ein Hindernis für die Evangelisierung, aber auch von sich aus einen beklagenswerten Mangel an Dialog- und Öffnungsbereitschaft auf eine geistige, intellektuelle und moralische Bereicherung hin darstellt. 3. In der Enzyklika über den missionarischen Auftrag bestätigte ich, daß die Schwierigkeiten für die Missionsarbeit manchmal „unüberwindbar scheinen und entmutigen könnten, wenn es sich um ein rein menschliches Unterfangen han- 90 AUDIENZEN UND ANGELUS delte“ (ebd.). Vor dem menschlichen Faktor dieses Werkes dürfen wir jedoch nicht die Augen verschließen. Mängel und Unzulänglichkeiten gibt es wirklich, und ich unterließ es nicht, auf sie hinzuweisen (vgl. ebd., Nr. 36). Es handelt sich hauptsächlich um ein gewisses Schwinden des Eifers in der Missionsarbeit; die traurige Erfahrung der vergangenen und noch bestehenden Spaltungen unter den Christen; die Abnahme der Berufe; das widersprüchliche Zeugnis derer, die ihren Versprechen und missionarischen Verpflichtungen nicht nachkommen; die von religiösem Relativismus durchdrungene Haltung der Gleichgültigkeit, die viele unserer Zeitgenossen denken und sagen läßt, daß „eine Religion so viel wert ist wie die andere“. Aber solche Schwierigkeiten helfen uns, die Herausforderung besser zu verstehen, vor die der missionarische Einsatz heute mehr denn je gestellt ist. Wir dürfen schon zu Beginn darauf hinweisen, daß die Mission der Kirche ständig eine Herausforderung war: Wie hätte sonst die kleine Gruppe der Jünger Christi das von ihm geforderte universale Evangelisierungswerk beginnen können? Wie hätte diese kleine Schar von Fischern aus Galiläa „alle Völker lehren“ können? Jesus war sich durchaus der Schwierigkeiten bewußt, die die Apostel zu bewältigen hatten; deshalb gab er uns seine eigene Sicherheit: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Sie glaubten an ihn, an seine Gegenwart und seine Macht, im Leben und im Tod. Die Urkirche nährte sich von diesem Glauben. Die heutige Kirche begegnet im Bewußtsein der geringen menschlichen Kräfte den Schwierigkeiten der Evangelisierung mit der Demut und Zuversicht, die die Gläubigen von Anfang an und für alle Zeiten beseelt hat. Sie kräftigt ihren Glauben in der allmächtigen Gegenwart Christi. 4. Zu diesem Glauben gehört die Gewißheit, daß die Gaben des Heiligen Geistes den missionarischen Eifer der Gläubigen unaufhörlich erneuern, um die Spaltungen durch die Einheit in der Liebe zu überwinden, die Zunahme und die Begeisterung der Missionsberufe zu begünstigen, das aus dem Glauben erwachsene Zeugnis zu verstärken und jede Entmutigung zu vermeiden. Die Kirche meint ohne Prahlerei mit dem Apostel Paulus sagen zu können: „omnia possum in eo qui me confortat“ - „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“ (Phil 4,13). Mit dieser „Kraft“ Christi bewältigen die Missionare die Probleme, die für die Missionstätigkeit durch die neuen soziokulturellen Bedingungen in der Welt entstanden sind. Wenn die jüngste Bevölkerungsentwicklung auf Weltebene dahin tendiert, daß ein Großteil der Bevölkerung sich immer mehr in den Metropolen anhäuft und die Missionsarbeit sich nicht mehr „überwiegend in verlassenen Gebieten, fernab von zivilisierten Zentren“ entfaltet, zögert die Kirche nicht zuzugeben, daß „zu den bevorzugten Orten die Großstädte werden müßten, in denen neue Gewohnheiten und Lebensstile, neue Formen der Kultur und der Kommunikation entstehen“, und daß „diejenigen Menschengruppen am wenigsten vemach- 91 A UDIENZEN UND ANGELUS lässigt werden dürfen, die am meisten am Rande stehen und isoliert sind“ (Re-demptoris missio, Nr. 37). 5. Die Instrumente für die Verkündigung des Evangeliums müssen überprüft werden, und die sozialen Kommunikationsmittel müssen noch besser eingesetzt werden. Der „erste Aeropag der neuen Zeit ist die Welt der Kommunikation, die die Menschheit immer mehr eint und - wie man zu sagen pflegt - zu einem,Weltdorf1 macht. Die Mittel der sozialen Kommunikation spielen eine deratig wichtige Rolle, daß sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind“ (ebd.). Bisher wurden diese Mittel nicht genügend eingesetzt, jedoch ist allen der Einfluß bekannt, den sie ausüben und der dazu dienen kann, die Ausbreitung der Verkündigung zu verstärken. Bekannt ist auch, daß die Massenmedien zur Entwicklung einer neuen Kultur beitragen. In dieser Kultur hat die Kirche nun die Aufgabe, den Geist des Evangeliums zu säen. „Die Einbeziehung der Massenmedien hat jedenfalls nicht nur den Zweck, die Botschaft des Evangeliums vielen zugänglich zu machen. Es handelt sich um eine weitaus tiefere Angelegenheit, da die Evangelisierung der modernen Kultur selbst zum großen Teil von ihrem Einfluß abhängt. Es genügt also nicht, sie nur zur Verbreitung der christlichen Botschaft und der Lehre der Kirche zu benutzen; sondern die Botschaft selbst muß in diese von der modernen Kommunikation geschaffene ,neue Kultur1 integriert werden“ (ebd.) Deshalb sollte man dahin wirken, daß die sozialen Kommunikationsmittel, besonders das Radio und Fernsehen, in den Händen der neuen Apostel aufgrund ihres ungeheuren Einflusses auf die Massen zu wertvollen Instrumenten der Evangelisierung werden. Auf diesem Gebiet sind die Laien zu einer äußerst wichtigen Aufgabe berufen, die bei ihnen großen Sachverstand und wahren Glaubensgeist voraussetzt. Mit Gottes Hilfe soll sich die Kirche auch heute auf den Spuren des hl. Paulus bemühen, den Sauerteig des Evangeliums in die Kulturen einzupflanzen, die in ständiger Entwicklung sind. Auch sie sind Felder Gottes, worauf man - wie gute Landwirte - das Evangelium säen und pflegen sollte, unerschütterlich vertrauend auf den, der die Kraft gibt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Überlegungen richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an Euch, liebe Schwestern und Brüder. Mein besonderer Gruß gilt der Petrus-Gilde aus Recklinghausen und den Mitgliedern der Niels-Stensen-Gemeinschaft. Möge der Besuch an den Gräbern der Apostel Euer aller Glauben stärken und Euren missionarischen Eifer beflügeln. Dazu erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause und all jenen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, von Herzen meinen Apostolischen Segen. 92 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Kirche nach dem Willen Christi dienen Wort anläßlich des 75. Geburtstages „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 118,1). Am Schluß der Audienz möchte ich an diese Worte des Psalmisten anknüpfen. Morgen begehe ich meinen 75. Geburtstag, denn ich bin am 18. Mai 1920 geboren. An diesem für jeden Menschen so wichtigen Tag möchte ich meiner seit langer Zeit verstorbenen Eltern gedenken. Ich erinnere mich mit Dankbarkeit meines Vaters und meiner Mutter, die mir das Leben geschenkt haben. Während ich an meine Eltern denke, möchte ich in besonderer Weise Gott, dem Herrn und Urheber des Lebens, für dieses sein erstes und gmndlegendes Geschenk danken. „Deum cui omnia vivunt, venite adoremus“, singt die Kirche. Das Leben ist ein Geschenk Gottes, ein Geschenk, durch das Gott auch einen besonderen Lobpreis erhält. Alles was lebt, lebt durch ihn (vgl. Gen 14,7-9). Zugleich möchte ich für das göttliche Leben danken, das ich am Taufbecken in der Pfarrkirche von Wadowice empfangen habe. Durch das Sakrament der Wiedergeburt aus dem Wasser im Heiligen Geist hat in mir dieses neue, übernatürliche Leben seinen Anfang genommen, das ein Geschenk Gottes ist, ein Geschenk, das die Dimension des natürlichen Daseins übersteigt. Heute empfinde ich es als meine besondere Pflicht, für das Geschenk des irdischen Lebens zu danken, aber noch mehr für das Geschenk des übernatürlichen Lebens, durch das ich Adoptivkind Gottes geworden bin. „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh 3,5). Durch das Sakrament der Taufe hat sich dieses mir zugestandene Erbe danach im Sakrament der Firmung gefestigt. Daraus erwuchs auch das Geschenk der christlichen, priesterlichen und bischöflichen Berufung. Heute ist es mir gegeben, den 75. Geburtstag als Bischof von Rom zu erleben: Dieses Geschenk gründet in der Taufe, die ich zu Beginn meines Lebens empfangen habe. Ich danke Gott dafür, daß ich geboren und zu dieser besonderen Sendung berufen wurde. Ich möchte für das Geschenk des Sakraments der Priester- und Bischofsweihe danken, und ich bitte den Heiligen Geist unaufhörlich, mir zu helfen, darin bis zum Tod treu zu bleiben. Ich sage Gott Dank dafür, daß mein Leben und mein Priester-, Bischofs- und Petrusamt mit einem Zeitpunkt der epochalen Wende für Europa, die Welt und die Kirche zusammenfällt. Wie könnte ich heute nicht für mein zwanzig Jahre währendes Bischofsamt in der gebebten Kirche von Krakau danken? Wie sollte ich nicht für das Geschenk der Teilnahme am II. Vatikanischen Konzil, das die Wege der Kirche zum dritten christlichen Jahrtausend vorgezeichnet hat, danken? Wie könnte ich mich heute nicht mit bangem Herzen des 16. Oktobers 1978 erinnern, als ich durch die Stimme des Konklaves den Ruf Christi hörte: „Weide meine Lämmer!“ (Joh 21,15)? 93 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich überschaue in Gedanken die Jahre im Dienst des Römischen Stuhls, im Bewußtsein meiner menschlichen Schwächen und zugleich im unendlichen Vertrauen auf die Größe des göttlichen Erbarmens. Und ich bringe vor allem Christus gegenüber erneut meine Bereitschaft dar, der Kirche so lange zu dienen, so lange er es will, wobei ich mich ganz seinem heiligen Willen anvertraue. Ich überlasse ihm die Entscheidung, wie und wann er mich dieses Dienstes entheben will. Ich bitte Maria, die Mutter Christi und unsere Mutter und Königin, unaufhörlich um ihre Fürsprache - sie, die mich seit den ersten Jahren meiner Kindheit geführt hat. Ihr, der Mutter der Kirche, möchte ich in besonderer Weise mein ganzes Leben und meinen Dienst an der universalen Kirche heute und in Zukunft anvertrauen: „Totus tuus ego sum et omnia mea tua sunt. Praebe mihi Cor tuum, Maria!“ Anläßlich meines Geburtstages erreichen mich zahlreiche Zeichen der Aufmerksamkeit und des Gebetsgedenkens. Ich schätze sie sehr und spreche allen, die sie mir sandten, aus tiefstem Herzen meinen lebhaften Dank aus. Zugleich möchte ich alle Brüder und Schwestern im Glauben und besonders meine Mitbrüder im Priester und im Bischofsamt wie auch die Gemeinschaften der Ordensmänner und -frauen bitten, meinen Dienst an der heiligen Kirche weiterhin durch das Gebet zu unterstützen. Ich bedarf dringend eurer Gebete, liebe Brüder und Schwestern, und ich verlasse mich auf sie! An diesem meinen besonderen Festtag segne ich euch alle mit dankerfülltem Herzen: im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Kritische Bewertung der Religionskriege Ansprache bei der Generalaudienz am 24. Mai 1. Heute möchte ich die gewohnte Mittwochskatechese dem Pastoralbesuch widmen, den ich vom 20. bis zum 22. Mai in Prag und Olmütz in der Tschechischen Republik sowie in Skotschau, Bielitz-Biala und Zywiec in Polen abgestattet habe. Wie man sieht, war ich in Böhmen und Mähren, und der Abfahrtsort, von dem ich dann nach Rom zurückgereist bin, war Ostrau in Mähren. Ich glaube, die Bedeutung dieser Reise wird im Licht des Schreibens Tertio millennio adveniente verständlich. Während sie sich auf das Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet, kehrt die Kirche gewissermaßen zu den vielen Wegen zurück, auf denen Christus in das Leben der großen Menschheitsfamilie in den verschiedenen Kontinenten und einzelnen Ländern eingetreten ist. Einer dieser Wege führt in besonderer Weise durch die sogenannte Mährische Pforte. Hierher ist das Christentum sehr früh gekommen und hat im 9. Jahrhundert unter den Slawen des Großmährischen Reiches Wurzel gefaßt. Der damalige Landesfürst lud die hll. Kyrill und Method, die aus Byzanz kamen, ein, sein Volk zu evangelisieren. Diese Evangelisierung trug Frucht vor allem in 94 AUDIENZEN UND ANGELUS dem Gebiet, wo der Papstbesuch stattfand. Hauptziel des Besuches, den ich 1990 nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes abstatten konnte, war Velehrad in Mähren im Gebiet der jetzigen Erzdiözese Olmütz gewesen. Die Bezeichnung Mährische Pforte ist sehr bedeutsam. Sie erinnert uns vor allem daran, daß Christus, von dem das Evangelium berichtet, die Tür zu den Schafen ist (vgl. Joh 10,7). Zugleich weist sie auf eine bestimmte geschichtliche und geographische Wirklichkeit hin. Die Höhen Mährens waren in geographischer Hinsicht ein fruchtbares Gebiet für die Entwicklung der menschlichen Zivilisation von Süden nach Norden. Der Überlieferung nach kam von da aus das Christentum schon im 9. Jahrhundert nach Polen und gelangte in das Gebiet südlich von Krakau und im 10. Jahrhundert nach Gnesen und Posen-Gnesen, das damals die Hauptstadt des entstehenden Piastenreiches war. 2. Mit diesen geschichtlichen Bezügen fest im Bewußtsein möchte ich sagen, daß der Hauptgrund des Besuches die Heiligsprechung der Seligen Johann Sarkander und Zdislava war. Zdislava ist mit der Geschichte der Kirche Böhmens und Johann Sarkander mit der Geschichte der Kirche Mährens verbunden. Zdislava war Ehefrau und Familienmutter sowie Tertiarierin des Dominikanerordens. Ihr Name ist sehr verbreitet und wird bei der Taufe vielen Jungen und Mädchen gegeben. Ihre Gestalt aus dem 13. Jahrhundert lebt im Gedächtnis der Kirche nicht nur in Böhmen, sondern auch in Polen und in den Nachbarländern fort. Am Sonntag, 21. Mai, wurde sie zusammen mit Johann Sarkander, dessen Leben vor allem mit Olmütz in Mähren verbunden ist, zur Ehre der Altäre erhoben. Sarkander wurde in Skotschau bei Teschen in Schlesien geboren, und aus diesem Grund schloß der Papstbesuch auch seinen in Polen gelegenen Geburtsort mit ein. Johann Sarkander war Pfarrer in einer Zeit, wo das Christentum das Drama der Reformation erlebte. Weil er der katholischen Kirche treu blieb, wurde er verhaftet und von den Landesherren von Olmütz, die Protestanten waren, grausam gefoltert. Das Prinzip „cuius regio eius religio“ gestattete damals denjenigen, die an der Macht waren (Protestanten oder Katholiken), den jeweiligen Untergebenen ihre Religionszugehörigkeit aufzuzwingen. Nach diesem Leitprinzip wurde damals in Böhmen und Mähren sowohl von katholischer als auch protestantischer Seite aus sehr viel Gewalt ausgeübt. Johann Sarkander war nur eines der vielen Opfer dieser Situation. Die Zeichen der göttlichen Vorsehung beweisen, daß er eine heroische Heiligkeit erlangt hat; deshalb ist es richtig, daß er zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Es war außerdem Wunsch der Kirche in Böhmen und Mähren, daß diese Heiligsprechung gerade in Olmütz stattfinden sollte. Ich habe der Bitte entsprochen, denn ich erfaßte diese von der Vorsehung gebotene Gelegenheit, um an einem besonders historischen Ort eine kritische Bewertung der Religionskriege zum Ausdruck zu bringen, die sowohl unter den Katholiken als auch unter den Protestanten so viele Opfer gefordert haben. Ich hoffe, daß dieses Ereignis für alle ein starker Ansporn 95 AUDIENZEN UND ANGELUS ist, sich dafür einzusetzen, daß nie wieder solche Sünden gegen das christliche Gebot der Liebe geschehen. Am Nachmittag nach der Heiligsprechung fand vor dem Marienheiligtum am Heiligen Berg (Svaty Kopecek) das Treffen mit der Jugend statt, das ich unbedingt als eines der schönsten und einfallsreichsten bezeichnen möchte, die ich je mit jungen Menschen erlebt habe. Bei dieser Gelegenheit wollte ich das Gebet des Herrn, das Vaterunser, den Jugendlichen „übergeben“, um gleichsam die Station eines Kate-chumenats der Jugend dieses Landes anzuzeigen. Denn nur Christus kann den Jugendlichen das geben, wonach sie sich so sehr sehnen: den vollen und lebendigen Sinn des Lebens. Ja, er fehlt oft, wie der Wein bei der Hochzeit von Kana. Und Maria, die Mutter Jesu, hat durch ihre geistliche Gegenwart diese denkwürdige Begegnung begleitet, bei der erneut die von ihr in Kana gesprochenen Worte erklangen: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Diese Worte wiederholt sie heute ganz besonders gegenüber den jungen Menschen, die ihr Leben in rechter Weise verwirklichen wollen. 3. Ich möchte der christlichen Gemeinde von Skotschau danken, die so großes Verständnis zeigte für den ökumenischen Auftrag, dem die Heiligsprechung dienen sollte. Skotschau liegt bei Teschen in Schlesien auf dem Gebiet, das bis vor wenigen Jahren zur Diözese Kattowitz gehörte. Es war die Diözese Kattowitz zusammen mit der von Olmütz, die den Heiligsprechungsprozeß von Johann Sarkan-der gefördert hat. Deshalb schien es angebracht, daß ich mich am ersten Tag nach der feierlichen Heiligsprechung in Olmütz nach Skotschau begab, um Gott für das Geschenk des neuen Heiligen zu danken. Er ist wie viele vor und nach ihm ein Bindeglied zwischen den Kirchen und den Christen in Böhmen, Mähren und Polen geworden. Der Gottesdienst in Skotschau, unter großer Beteiligung der Gläubigen, hat gezeigt, wie tief sich die Geschichte der Kirche in die Geschichte der Völker und Staaten einprägt. Schlesien ist seit nunmehr tausend Jahren Grenzland, wo zwei große, im Jahr 1000 gegründete Ortskirchen Zusammentreffen: die Erzdiözese Krakau und die Erzdiözese Breslau. Im Laufe dieses Jahrtausends haben sie einen wertvollen Evangelisierungsauftrag ausgeübt, während sie als Bezugspunkt zwei heilige Märtyrer hatten: Adalbert und Stanislaus, die die Kirche Polens als Landespatrone zusammen mit der Muttergottes von Jasna Göra verehrt. Der Besuch am Montag in Skotschau, in Bielitz-Biala und Zywiec hat den Bestand und die Lebenskraft einer neuen Diözese vor Augen geführt, die vor einigen Jahren errichtet wurde mit dem Ziel, das Evangelium auch im Teschener Schlesien und entlang der Sola bis nach Oswiecim (Auschwitz) zu verkünden. Es handelt sich um ein Gebiet, das mir besonders am Herzen liegt und das ich sehr gut kenne, weil ich früher Metropolit von Krakau war. Außerdem stammt meine Familie aus diesem Gebiet. Mein Besuch stand deshalb in engem Zusammenhang mit meiner Lebensgeschichte. Es war für mich eine große Freude, in der Osterzeit viele Christengemeinden wiederzusehen, die ich als Erzbischof besuchte, und die Hügel zu betrachten, wo ich oft ausgedehnte Spaziergänge gemacht hatte. 96 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Ich möchte all jenen danken, die zum Geüngen dieses Pastoralbesuches beigetragen haben: sowohl durch die Einladung als auch durch die gute Vorbereitung, deren Ergebnis schon beim ersten Aufenthalt in Prag und dann in Olmütz, in Skot-schau, in Bielitz-Biala und in Zywiec zu sehen war. Außer den großen Gottesdiensten im Zusammenhang mit der Heiligsprechung der hll. Zdislava und Johann Sarkander, an denen überaus viele Gläubige teilnahmen, sind neben dem Gebetstreffen mit der Bevölkerung Böhmens die ökumenischen Begegnungen in Prag und in Skotschau dankbar in Erinnerung zu behalten. Ich hoffe, daß sie zur Förderung der ökumenischen Annäherung der Christen beitragen, die eine der Herausforderungen des Großen Jubiläums ist. Die Zweitausendjahrwende stellt einen wichtigen Bezugspunkt nicht nur für das Christentum und für die Kirche dar. Sie ist in der jetzigen Epoche besonders bedeutsam für Europa, denn es will nach dem Zusammenbruch der totalitären Systeme immer mehr ein großes Vaterland der Vaterländer werden. Die Erinnerung an die historische Mährische Pforte möge uns auf Christus hinweisen, der für uns alle die Pforte auf dem Weg zum ewigen Leben geworden ist! In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Rückbesinnung auf meinen jüngsten Pastoralbesuch grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern an der Leserreise der Kirchenzeitung „Tag des Herrn“ aus Leipzig sowie den zahlreichen Schülern und Jugendlichen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Der Film soll Kultur und wahre Werte vermitteln Regina Caeli am 28. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute begeht man in vielen Nationen das Fest Christi Himmelfahrt, das in anderen Ländern traditionsgemäß schon am vergangenen Donnerstag gefeiert wurde. Es läßt uns den Augenblick neu erleben, als der auferstandene Christus Abschied nahm von den Seinen, um endgültig in die göttliche Herrlichkeit einzugehen. Scheinbar handelt es sich um eine Trennung. In Wirklichkeit beginnt eine neue Gegenwart. Zur Rechten des Vaters sitzend, wird Christus in noch tieferer und innigerer Weise Weggefährte des Menschen, jedes Menschen. Wenn durch die Menschwerdung der Himmel auf die Erde herabgekommen ist, dann ist durch die Himmelfahrt die Erde gleichsam zum Himmel aufgestiegen! Deshalb ist das Geheimnis der Himmelfahrt eine deutliche Botschaft der Hoffnung. Vor der Finsternis des Todes und der unbekannten Zukunft sind wir einge- 97 AUDIENZEN UND ANGELUS laden, den Blick auf Christus zu richten, nicht um die irdischen Dinge zu vergessen, sondern um das endgültige Ziel der menschlichen Existenz im Auge zu behalten und so Kraft zu schöpfen für den Weg und das Bemühen, eine bessere Welt zu bauen. 2. Zum Aufbau einer brüderlicheren und solidarischeren Menschheit können gewiß die Instrumente der sozialen Kommunikation beitragen, die die räumlichen und zeitlichen Entfernungen überwinden. Gerade heute wird der ihnen gewidmete Welttag gefeiert. Die Kirche ist sich der großen Bedeutung der Massenmedien bewußt, die dazu dienen, die Kommunikation, die Begegnung und den Dialog unter den Personen und unter den Völkern zu begünstigen. Wir haben jedoch auch die Ambivalenz dieser Instrumente vor Augen. Je nachdem wie sie benützt werden, können sie Träger der Wahrheit, der Solidarität und der wahren Liebe oder Mittel der Manipulierung und sogar der Gewalt oder der gemeinen Ausbeutung der niedrigsten Instinkte des Menschen sein. Deshalb ist es notwendig, daß das Verantwortungsbewußtsein in den Machern der sozialen Kommunikation wächst; erforderlich sind auch Bildung und Kritikfähigkeit der Benutzer. Ich möchte das alles besonders in bezug auf den Film hervorheben, der in diesem Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiert. Ich hoffe, daß er seiner besten Tradition Ehre macht und immer mehr Kulturträger und Angebot wahrer Werte wird. 3. Zum Schluß denken wir voll Liebe an die seligste Jungfrau zum Abschluß des ihr gewidmeten Maimonats. Sie helfe uns, nach oben auf den auferstandenen und in den Himmel aufgefahrenen Christus zu schauen, um von Ihm die Hoffnung zu schöpfen, die rettet. Während wir uns anschicken, das Pfingstfest zu feiern, möge Maria uns fügsam machen gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes, welcher der Geist der Gemeinschaft, der Wahrheit und des Friedens ist. Nach dem österlichen Marienlob sagte der Papst: Ich grüße die vielen Pilger und Römer auf dem Petersplatz. Einen besonderen Gruß richte ich an die rund tausend Jugendlichen, die vor acht Tagen am „GENFEST ’95“ teilgenommen haben und jetzt in Castel Gandolfo die Spiritualität der Fokolarebewegung vertiefen. Liebe Jugendliche, ich ermutige euch - wie ich es während dem „GENFEST“ getan habe -, euren Einsatz für eine geeinte Welt fortzusetzen. Am Sonntag des „GENFESTS“ war ich in Prag, in Olmütz. Und ich habe auch dort viele „Fokolare“ angetroffen. 98 AUDIENZEN UNDANGELUS Das Blut deines Bruders schreit zum Himmel! Mit tiefer Bestürzung und Sorge verfolge ich die dramatische Entwicklung der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien. In diesem Augenblick gehen meine Gedanken zu jenen Menschen - wo und wer immer sie seien die in Angst und Schrecken leben, weil sie auf der Flucht oder in Trauer um ihre Lieben sind. Unzählige Male haben sowohl der Papst als auch die Ortsbischöfe zum Dialog, zur Brüderlichkeit und zu einem elementaren Sinn für Menschlichkeit aufgerufen, der den Haß, die Zerstörung und den Tod vermieden hätte. Alle, die in der einen oder anderen Weise für diesen schrecklichen Krieg verantwortlich sind, wird Gott eines Tages fragen: „Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden“ (Gen 4,10). Die Königin des Friedens bitte für alle, damit der laufende Konflikt nach soviel Leiden ein Ende nehme. Bosnien und Herzegowina bitten darum! Die Welt wartet darauf! Dafür laßt uns beten! Christus ist der Weg zum Heil Ansprache bei der Generalaudienz am 31. Mai l.Die Schwierigkeiten, die manchmal die Entwicklung der Evangelisierung begleiten, bringen ein heikles Problem ans Licht, dessen Lösung nicht in rein geschichtlichen oder soziologischen Begriffen zu suchen ist: die Frage nach dem Heil derer, die nicht sichtbar zur Kirche gehören. Wir haben keine Möglichkeit, das geheimnisvolle Wirken Gottes im menschlichen Geist und Herzen zu erforschen, um die Macht der Gnade Christi im Leben und Sterben derer abzuschätzen, die „der Vater ihm gegeben hat“ und von denen er selbst gesagt hat, er wolle sie nicht „zugrunde gehen lassen“. Wir hören ihn dies wiederholen in einer der für die Messen für die Verstorbenen vorgeschlagenen Lesungen aus dem Evangelium (vgl. Joh 6,39-40). Wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio geschrieben habe, gilt das Geschenk des Heiles ,glicht nur jenen, die ausdrücklich an Christus glauben und in die Kirche eingetreten sind. Wenn das Heil für alle ist, muß es allen zur Verfügung stehen“. Dann habe ich eingeräumt, daß es ja vielen Menschen praktisch unmöglich ist, mit der Botschaft Christi in Berührung zu kommen, und habe hinzugefügt: „Es gibt viele Menschen, die keine Möglichkeit haben, die Offenbarung des Evangeliums kennenzulemen und sich der Kirche anzuschließen. Sie leben unter sozio-kulturellen Bedingungen, die solches nicht zulassen. Oft sind sie in anderen religiösen Traditionen aufgewachsen“ (Redemptoris missio, Nr. 10). Nach menschlicher Erkenntnis und Voraussicht müssen wir sagen, daß diese praktische Unmöglichkeit vielleicht noch lange Zeit andauem kann, unter Umständen sogar bis zur 99 AUDIENZEN UND ANGELUS Vollendung des Evangelisierungswerkes. Jesus selbst hat daran erinnert, daß nur der Vater „die Zeiten und Fristen“ kennt, die er festgesetzt hat, um sein Reich in der Welt aufzurichten (vgl. Apg 1,7). Was ich eben gesagt habe, rechtfertigt aber nicht die relativistische Einstellung derer, die die Ansicht vertreten, in jeder beliebigen Religion ließe sich ein Heilsweg finden, auch unabhängig vom Glauben an Christus, den Erlöser, und der interreligiöse Dialog müsse sich auf diese mehrdeutige Aussage gründen. Das ist nicht die dem Evangelium entsprechende Lösung für das Problem hinsichtlich des Heils jener, die sich nicht zum christlichen Glauben bekennen. Wir müssen vielmehr daran festhalten, daß der Heilsweg immer über Christus geht und daß daher der Kirche und ihren Missionaren die Aufgabe zukommt, dahin zu wirken, daß er zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Kultur bekanntgemacht und geliebt wird. Außerhalb Christi „gibt es kein Heil“. So verkündete Petrus schon vom Beginn der apostolischen Predigt an: „Es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ {Apg 4,12). Auch für jene, die ohne ihre Schuld Christus nicht kennen und die sich nicht als Christen bekennen, hat Gott in seinem Plan einen Heilsweg vorherbestimmt. Wie wir in dem Konzilsdekret über die Missionstätigkeit Ad gentes lesen, glauben wir, daß Gott „Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß“, zum heilsnotwendigen Glauben führen kann {Ad gentes, Nr. 7). Gewiß darf die Voraussetzung „ohne ihre Schuld“ nicht nach menschlichem Urteil abgeschätzt und bewertet werden, sondern sie muß allein dem göttlichen Urteil überlassen bleiben. Deshalb hat das Konzil in der Konstitution Gaudium et spes erklärt, daß im Herzen eines jeden Menschen guten Willens „die Gnade unsichtbar wirkt“ und daß „der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, dem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“ {Gaudium et spes, Nr. 22). 3. Es muß als wichtig betont werden, daß der Heils weg derer, die das Evangelium nicht kennen, nicht ein Weg außerhalb Christi und der Kirche ist. Der universale Heilsweg ist an die einzige Mittlerschaft Christi gebunden. Das bestätigt der erste Brief an Timotheus: „Gott, unser Retter, will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (2,3-6). Petrus verkündet es, wenn er sagt, daß „in keinem anderen das Heil zu finden“ ist, und Jesus „Eckstein“ nennt {Apg 4,11-12). Damit macht er die notwendige Rolle Christi als Fundament der Kirche deutlich. Diese Betonung der „Einzigkeit“ Christi hat ihren Ursprung in den Worten des Herrn selbst, der hervorhebt, daß er gekommen ist, „um sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ {Mk 10,45), das heißt: für die Menschheit, wie der hl. Paulus erklärt, wenn er schreibt: „Einer ist für alle gestorben“ {2 Kor 5,14; vgl. Rom 5,18). Christus hat durch die Hingabe seines Lebens das universale Heil erlangt: Kein anderer Mittler wurde von Gott als Erlöser eingesetzt. In der Bestim- 100 A UDIENZEN UND ANGELUS mung eines jeden Menschen muß stets der einzigartige Wert des Kreuzesopfers anerkannt werden. 4. Und da Christus das Heil durch seinen mystischen Leib, die Kirche, wirkt, ist der Heilsweg wesentlich an die Kirche gebunden. Das Axiom extra Ecclesiam nulla salus - „außerhalb der Kirche gibt es kein Heil“ -, das der hl. Cyprian aufgestellt hat (Epist. 73,21: FL 1123 AB), gehört zur christlichen Tradition und wurde in ein Dekret des 4. Laterankonzils (DS 802), in die Bulle Unam sanctam von Bonifatius VIII. (DS 870) und in ein Dekret des Konzils von Florenz (Dekret für die Jakobiten, DS 1351) aufgenommen. Dieser Grundsatz bedeutet, daß für diejenigen, denen es nicht unbekannt ist, daß die Kirche von Gott durch Jesus Christus als notwendig gegründet wurde, die Pflicht besteht, in sie einzutreten und in ihr zu verbleiben. Denjenigen aber, zu denen die Verkündigung des Evangeliums nicht gelangt ist, wird, wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio geschrieben habe, das Heil auf geheimnisvollen Wegen zugänglich, insofern ihnen die göttliche Gnade kraft des Erlösungsopfers Christi ohne äußere Zugehörigkeit zur Kirche, aber immer in Beziehung zu ihr, verliehen wird. Es ist eine „geheimnisvolle Beziehung“; geheimnisvoll für die, die ihrer teilhaftig werden, da sie die Kirche nicht kennen, ja sie manchmal äußerlich zurückweisen; geheimnisvoll auch in sich selbst, da sie an das Heilsgeheimnis der Gnade gebunden ist, das einen wesentlichen Bezug zu der vom Erlöser gegründeten Kirche mit sich bringt. Die heilbringende Gnade erfordert, um wirksam zu sein, treue Mitwirkung, ein Ja zu dem göttlichen Geschenk: Diese Treue ist, wenigstens einschlußweise, auf Christus und die Kirche gerichtet. Darum kann man auch sagen: ,JSine Ecclesia nulla salus - ohne die Kirche gibt es kein Heil“: die Zugehörigkeit zur Kirche, dem mystischen Leib Christi, wenn auch nur einschlußweise und geheimnisvoll, bildet eine wesentliche Bedingung für das Heil. 5. Die Religionen können einen positiven Einfluß auf das Los derer ausüben, die zu ihnen gehören und aufrichtigen Geistes ihren Weisungen folgen. Doch wenn das entscheidende Handeln zum Heil durch den Heiligen Geist geschieht, dann müssen wir uns vergegenwärtigen, daß der Mensch nur von Christus, durch den Heiligen Geist, sein Heil empfängt. Es beginnt schon im irdischen Leben, das die Gnade, wenn sie angenommen und beantwortet wird, im Sinn des Evangeliums fruchtbar macht für die Erde und für den Himmel. Von daher ist die Bedeutung der unverzichtbaren Rolle der Kirche zu verstehen, die „sich nicht selbst Ziel ist, sich aber eifrig bemüht, ganz Christus zu gehören, in ihm und für ihn zu sein und ganz auf der Seite der Menschen zu stehen, unter ihnen und für sie dazusein“. Eine Rolle also, die nicht „ekklesiozentrisch“ ist, wie man manchmal gesagt hat: Die Kirche besteht weder für sich selbst noch arbeitet sie für sich selbst, sondern sie steht im Dienst einer Menschheit, die zur Kindschaft Gottes in Christus bemfen ist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 19). Sie übt also 101 AUDIENZEN UNDANGELUS einschlußweise auch eine Mittlerrolle denen gegenüber aus, die das Evangelium nicht kennen. Das darf jedoch nicht zu dem Schluß führen, ihre missionarische Tätigkeit sei unter diesen Umständen weniger notwendig. Ganz im Gegenteil. In Wirklichkeit befindet sich ja derjenige, der Christus, auch ohne eigene Schuld, nicht kennt, in einem Zustand der Finsternis und geistiger Hungersnot, oft auch mit negativen Auswirkungen auf kulturellem und moralischem Gebiet. Das missionarische Wirken der Kirche kann ihm die Bedingungen zur vollen Entfaltung der Heilsgnade Christi vermitteln, ihm das volle und bewußte Ja zur Botschaft des Glaubens und die aktive Teilnahme am Leben der Kirche in den Sakramenten vorschlagen. Das ist die theologische Linie, die der Tradition der Kirche entnommen ist. Das Lehramt der Kirche hat sie in der Lehre und in der Praxis befolgt als Weg, den Christus selbst durch die Apostel und durch die Missionare aller Zeiten gewiesen hat. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen und Schatzkammern, die zu ihrer Jahrestagung nach Rom gekommen sind. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Belgienbesuch: Vorbereitung auf die Jahrtausendwende Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Juni 1. Am Pfingstsonntag konnte ich erneut Belgien besuchen, eine Nation und eine Kirche, mit denen ich seit meiner Studienzeit in Rom, als ich Gast des Belgischen Kollegs war, besonders eng verbunden bin. Zweck meines kurzen Besuches war diesmal die Seligsprechung eines Missionars der Kongregation der Heiligsten Herzen Jesu und Mariä, P. Damian de Veuster, der sein Leben hingab, indem er den Aussätzigen auf der im Hawaii-Archipel gelegenen Insel Molokai diente. In der Konstitution über die Kirche widmet das II. Vatikanische Konzil der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit ein eigenes Kapitel. Eine Bestätigung für diese Berufung sind die Heiligen und Seligen, die die Kirche zur Ehre der Altäre erhebt, wobei sie mit ihnen dem Evangelium entsprechende Lebensmodelle herausstellt, die sich durch den heroischen Tugendgrad auszeichnen. Vor zwei Wochen konnte ich zu meiner Freude im mährischen Olmütz die Seligen Zdislava und Johannes Sarkander heiligsprechen. Am vergangenen Sonntag war es P. Damian de Veuster, gleichsam um dasselbe Zeugnis der Heiligkeit fortzusetzen. 102 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Tatsache, daß diese Seligsprechung mit dem Pfingstfest zusammenfiel, verleiht diesem Ereignis eine besondere Bedeutung. Denn der Heilige Geist ist diejenige Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, der die Heiligkeit Gottes in besonderer Weise entspricht. Der Heilige Geist ist folglich die Quelle der Heiligkeit des Menschen und der unermüdliche Baumeister unserer Heiligung. Im Abendmahlssaal, nach der Himmelfahrt des Herrn, verharrten die seligste Jungfrau Maria und die Apostel im Gebet in Erwartung des Heiligen Geistes: Dieses Gebet wird im Laufe der Geschichte der Kirche in gewisser Weise ständig erhört. Das bezeugen die Heilig- und Seligsprechungen einschließlich der von P. Damian, der von 1840 bis 1889 lebte und dessen Beispiel unter anderem auch den Apostel der Leprakranken in Madagaskar, den polnischen Jesuitenpater Jan Beyzym, angezogen hat. Der Seligsprechungsprozeß von P. Beyzym ist im Gang. 2. Der Monat Juni ist dem heiligsten Herzen Jesu gewidmet. Das wurde besonders dadurch deutlich, daß die Seligsprechung von P. Damian in Brüssel vor der Herz-Jesu-Basilika in Koekelberg stattfand. Trotz des Regens folgte man ihr mit tiefer Andacht, während sich um den Altar Gläubige aus verschiedenen Städten und Nationen scharten. Von der Insel Molokai war eine Abordnung gekommen, um die Reliquie ihres Missionars in Empfang zu nehmen und nach Hause zu bringen. Die Herz-Jesu-Basilika war von der belgischen Kirche nach dem Ende des ersten Weltkrieges erbaut worden, der viele Todesopfer gefordert hatte. Unwillkürlich mußte man an den großen Soldatenfriedhof in Ypres bei Gand denken, wo während meiner früheren Pilgerfahrt vor zehn Jahren das Treffen mit der Jugend stattgefunden hatte. Das Gedenken des ersten und vor allem des zweiten Weltkriegs nach den Feiern zum 50. Jahrestag seiner Beendigung in Europa war bei meinem Besuch mit einem innigen Gebet für den Frieden in Europa und in der ganzen Welt verbunden. Die Belgier sind sehr aktiv beim Aufbau des Friedens. Angebracht ist es darauf hinzuweisen, daß der derzeitige Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Kardinal G. Danneels, Präsident der weltweiten Pax-Christi-Bewegung ist. Seine Vorgänger haben im ersten und im zweiten Weltkrieg wichtige Rollen in der Geschichte der Nation gespielt: Im ersten Weltkrieg wurde die Diözese von Kardinal D. Mercier und im zweiten von Kardinal J. Van Roey geleitet, dessen Erbe dann der nunmehr neunzigjährige Kardinal L. J. Suenens antrat. Die Seligsprechung in der Herz-Jesu-Basilika bot Gelegenheit, an diese herausragenden kirchlichen Gestalten und an ihr für Christus abgelegtes Zeugnis anzuknüpfen. Die Begegnung am Nachmittag in der Kathedrale der Erzdiözese Mecheln-Brüssel war gleichsam die Danksagung für die Seligsprechung, die die Kongregationen der Heiligsten Herzen Jesu und Mariä, die in verschiedenen Ländern der Welt vertreten sind, zum Ausdruck gebracht haben. Es ist zu hoffen, daß die Seligsprechung von P. Damian dazu beiträgt, ihre Missionsarbeit zu verstärken. An der Feier nahm der ganze belgische Episkopat teil, dessen Verdienste im Leben der 103 AUDIENZEN UND ANGELUS Kirche auf dem ökumenischen Gebiet in der Zeit vor und nach dem II. Vatikanischen Konzil hervorzuheben sind. 3. Zum Schluß möchte ich dem Episkopat und der Kirche in Belgien herzlich danken, daß sie mich zu diesem Besuch eingeladen haben. Ich danke auch den Obrigkeiten, den Verantwortlichen und den öffentlichen Verwaltungsstellen, die sich in vielfacher Weise um einen reibungslosen Ablauf bemüht haben. Ich danke vor allem für die seelsorgerische Vorbereitung des Besuches, die reiche geistliche Früchte im Leben der Gläubigen gewährleistet. Diese apostolische Reise sollte im vergangenen Jahr stattfinden, aber aufgrund des Unfalls, den ich bekanntlich erlitt, wurde er hinausgeschoben. Er sollte ursprünglich mit mehr Begegnungen und Aufenthalten besser unterteilt und weiter verzweigt sein. Darunter ein Treffen mit der Jugend, das bei meinen apostolischen Pilgerreisen nie fehlen darf, denn die Jugend ist die Zukunft und die Hoffnung der Kirche und der Gesellschaft. Ich möchte bei dieser Gelegenheit alle grüßen, die ich die Absicht hatte zu treffen. Schwerlich kann ich hier das regierende Königshaus übergehen. Ich danke König Albert und seiner Gemahlin für die freundliche Aufnahme. Belgien ist eine konstitutionelle Monarchie, und die belgischen Könige sind unauslöschlich in die Geschichte ihrer Nation und Europas eingeschrieben. Ich denke an die Könige aus der Zeit des ersten und des zweiten Weltkrieges. Insbesondere denke ich an den kürzlich verstorbenen König Baudouin, dem ich mehrmals nicht nur während meines früheren Besuches in Belgien, sondern auch in Rom begegnen konnte. Sein Andenken ist den Mitbürgern und uns allen lebhaft in Erinnerung. Er war ein bedeutender Hüter der Rechte des menschlichen Gewissens und bereit, die Gebote Gottes und besonders das fünfte Gebot: „Du sollst nicht töten!“ zu verteidigen, vor allem was den Schutz des Lebens der ungeborenen Kinder betrifft. Sein geistliches Vermächtnis, von der Witwe Königin Fabiola sorgsam bewahrt, stellt einen gemeinsamen Schatz für die Nation und für die Kirche dar. Die einstimmige und bewegte Reaktion aller Teilnehmer der Seligsprechung von P. Damian auf seine Erwähnung zeigte, wie sehr er noch in den Mitbürgern lebendig ist. Mein Besuch in Belgien und vor allem die Seligsprechung von P. Damian wurde zu einer wichtigen Etappe auf dem Weg der Vorbereitung zum Beginn des dritten Jahrtausends. Denn die Heiligen verdeutlichen besser die Gegenwart Christi in der Menschheitsgeschichte. Durch sie erlaubt uns Christus, „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8), die Grenzen der Zeit zu überschreiten, während wir uns so auf die Ewigkeit, die Dimension Gottes, vorbereiten. 104 A UDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Ausführungen grüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Priester der Diözese Regensburg anläßlich der Feier ihres Silbernen Priesterjubiläums, an die Gruppe der Städtischen Musikschule Schrobenhausen, die KAB Martinsbläser Pöcking sowie an die Teilnehmer an der Diözesanwallfahrt der Ministranten aus dem Bistum Eichstätt. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim sowie all jenen, die sich uns in dieser Stunde geistlich verbunden wissen, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Ohne Erinnerung gibt es keine friedvolle Zukunft Angelus zum Gedenken an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges am 11. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Kurz zuvor schloß im Petersdom die Eucharistiefeier zum Gedenken an die fünfzig Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Wir wollten gerade heute, an dem der Heiligsten Dreifaltigkeit geweihten Sonntag, für alle Opfer dieser ungeheuren Tragödie beten, um die Erinnerung daran in den Horizont Gottes, des Herrn der Geschichte, zu stellen. Gott ist Liebe, und in ihm gibt es keinen Schatten des Bösen. Woher aber kommt die viele Gewalt, die so oft die menschliche Geschichte verwüstet? Der Gläubige weiß die Antwort: Sie kommt vom Mißbrauch der Freiheit, dieses wunderbaren Geschenkes; sie kommt aus dem menschlichen Egoismus, der auf die trügerischen Verlockungen des Teufels, des Gottes- und Menschenfeindes, eingeht. Gott will, daß die Menschheit immer mehr eine einzige Familie bildet; aber ein Feind sät Unkraut, um zwischen dem Menschen und Gott und zwischen dem Menschen und dem Menschen Feindschaft aufkommen zu lassen (vgl. Mt 13,24-30.36-43). Christus Jesus hat uns durch seinen Tod und seine Auferstehung von der Macht der Sünde befreit. Er ist unser Ostern und unser Friede! 2. Es ist wichtig, im Licht des Ostergeheimnisses noch weiter über den Zweiten Weltkrieg, einen Konflikt von nie gesehenen Ausmaßen, nachzudenken. Die Erinnerung an das, was geschehen ist, wachzuhalten, ist eine Forderung nicht nur der Geschichte, sondern der Moral. Wir dürfen es nicht vergessen! Es gibt keine Zukunft ohne Erinnerung. Es gibt keinen Frieden ohne Erinnerung! Vor all den Grabsteinen der damals Gefallenen denken wir über die Frucht von Gewalt und Haß nach. In unserem Geist erhebt sich eine entscheidende Frage: Hat man die gebotenen Folgerungen aus dieser Tragödie gezogen? Diese letzten fünf- 105 AUDIENZEN UND ANGELUS zig Jahre zeigen, daß die Lektion von damals nicht vollständig aufgenommen worden ist. In so vielen Regionen der Welt wird bedauerlicherweise noch immer geschossen und getötet. Darum muß mit aller Kraft hinausgerufen werden: Hört auf mit dem Krieg! Bauen wir den Frieden auf! Und wir müssen aktiv daran arbeiten, die Schranken und Hindernisse niederzulegen, die die Verwirklichung des Friedens verhindern. Der Friede ist die gemeinsame Berufung eines jeden Menschen und aller Völker. Der Friede ist unsere Sendung. 3. Meine Lieben, wenden wir uns an jene, die Mutter aller Menschen ist. Durch die dramatischen Wechselfälle der Geschichte hindurch lädt sie ihre Kinder ein, den Wegen des Herrn zu folgen: ,3ekehrt euch zur Liebe Gottes - wiederholt sie -, und ihr werdet den wahren Frieden kennenlemen!“ O Maria, Mutter Christi, unseres Friedens! Dir vertrauen wir die Opfer des Zweiten Weltkriegs und aller anderen Kriege an. Hilf uns, demütig und wachsam sein, eingedenk dessen, was uns die Vergangenheit lehrt. Hilf uns, daß wir aus den Irrwegen des menschlichen Egoismus lernen, uns zum Willen Gottes zu bekehren, der Liebe, Freude und Frieden ist, damit wir gemeinsam voll Hoffnung die Schwelle des neuen Jahrtausends überschreiten. Du, Königin des Friedens, bitte für uns! Zur Sendung der Ortskirchen in der Weltkirche Ansprache bei der Generalaudienz am 14. Juni 1. Die Kirche wurde von Jesus Christus als einzige und universale Kirche gegründet: zwei Dimensionen, die, wie wir bei vorausgehenden Katechesen gesehen haben, im Willen Christi selbst gründen. Die Apostelgeschichte und die Apostelbriefe aber bezeugen, daß sich im Bereich der einen und universalen Kirche durch das Wirken der Apostel und ihrer Mitarbeiter und später ihrer Nachfolger die Ortskirchen gebildet haben. So wird eine Unterscheidung zwischen der „Universalkirche“, die den Aposteln unter der Führung des Petrus anvertraut wurde, und den „Ortskirchen“ mit ihren Hirten sichtbar. Denken wir an die Ortskirche von Jerusalem, an deren Spitze ,Älteste“ (Apg 11,30) mit Jakobus (Apg 12,17; 21,18) gestellt wurden; an die von Antiochia mit Propheten und Lehrern (Apg 13,1) und an die anderen Gemeinden, in denen Paulus und Barnabas „Presbyter“ (Apg 14,23; 20,17) oder „Bischöfe“ (Apg 20,28) aufstellten. 2. Die Strukturierung der einzigen Kirche in eine vielgestaltige Verschiedenheit von Ortskirchen entspricht der Gründung Christi und stimmt auch überein mit dem soziologischen und psychologischen Gesetz der örtlichen Lage und des Zusammenlebens in Ortsgemeinden, in denen bleibende, starke und nutzbringende Bindungen bestehen. Auf religiöser und christlicher Ebene ist die Existenz der Orts- 106 AUDIENZEN UND ANGELUS kirchen im Leben der Universalkirche wichtig. Die Jünger Christi brauchen Gemeinschaften, in denen sie das für alle gleiche Evangelium in einer Art und Weise leben können, die ihrer besonderen Kultur entspricht. Das II. Vatikanische Konzil erinnert daran, daß die beiden Dimensionen der Kirche nicht im Gegensatz zueinander stehen, daß vielmehr die Universalkirche in den Ortskirchen gegenwärtig ist und daß die Ortskirchen die Universalität der katholischen Kirche in ihrem Leben als Einzelkirchen in die Tat umsetzen. Die dogmatische Konstitution über die Kirche betont, daß es „zu Recht in der kirchlichen Gemeinschaft Teilkirchen gibt, die sich eigener Überlieferungen erfreuen, unbeschadet des Primats des Stuhles Petri, welcher der ganzen Liebesgemeinschaft vorsteht“ {Lumen Gentium, Nr. 13). 3. Noch ein drittes Prinzip regelt die Sendung der Ortskirchen innerhalb der Universalkirche: das der Inkulturation der Frohen Botschaft. Die Evangelisierung geschieht nicht nur durch die Anpassung an die kulturellen Ausdrucksformen der verschiedenen Völker, sondern auch durch die vitale Einverleibung des Evangeliums in ihr Denken, ihre Werte, ihre Gewohnheiten und ihr Gebet, dank des Nach-forschens und der inneren Achtung vor der Wahrheit, die sich, mehr oder weniger offenkundig, darin findet. Es ist der Begriff, der im Einklang mit den früheren Dokumenten des päpstlichen Lehramts und des Konzils, der Logik der Menschwerdung folgend, in der Enzyklika Redemptoris missio (vgl. Nr. 52) niedergelegt ist. Vorbild aller Evangelisierung der Kultur ist die Menschwerdung. Jesus Christus, das menschgewordene Wort Gottes, ist in die Welt gekommen, um die ganze Menschheit zu erlösen und „der Herr aller“ {Apg 10,36) zu sein. Er hat sich aber in die religiöse Überheferung Israels eingefügt und darin gelebt (vgl. Lk 2,22-24.39.41; Mt 4,23; 17,27). Doch führte er sie zur Vollendung nach einer neuen Weise des Bundes, den er, einige Elemente des alten Gesetzes überschreitend, stiftete, wie die Schriften des Neuen Testamentes bestätigen (vgl. Mt 5,17-20; 15,1-6; Röm 8,1-4; Gal 4,4). Aber die Gedanken und Worte Jesu richten sich auch auf die „anderen Schafe“, die er, als der eine Hirte, zur einen Herde führen will (vgl. Joh 10,6). Und der heilige Paulus, von Christus berufen, „Apostel der Heiden“ {Röm 11,13; vgl. Röm 1,5) zu sein, schrieb den Neuchristen „in allen Kirchen“ vor, in den Verhältnissen zu verbleiben, in denen sie sich im Augenblick ihrer Bekehrung befanden (vgl. 1 Kor 7,17.20.24), d. h. sie brauchten nicht die kulturellen Gewohnheiten der Juden anzunehmen, sondern sollten der eigenen Kultur treu bleiben und in ihr den christlichen Glauben leben. 4. So erklärt sich und wird gerechtfertigt, daß das Christentum, vorbereitet durch die Spiritualität des Alten Testamentes, auch den Beitrag der Kulturen und religiösen Überheferungen der Heiden, die zu Völkern und Nationen gehörten, die Israel fremd waren, in die christliche Kultur und Zivilisation aufnahm. Das ist eine geschichtliche Wirklichkeit, in ihrer zutiefst religiösen Dimension betrachtet. Die Botschaft des Evangeliums wird in ihrem Wesen als Offenbarung Gottes durch 107 AUDIENZEN UND ANGELUS das Leben und die Lehre Christi den verschiedenen Kulturen dargeboten, indem die Keime, die Wünsche und Hoffnungen - man möchte fast sagen, die Vorahnungen der Werte des Evangeliums -, die gleich Saatkörnern in ihnen sind, zur Entfaltung gebracht werden. So kann es zu einer Umgestaltung kommen, die nicht den Verlust der kulturellen Identität der Völker zur Folge hat. Gerade weil es sich um eine Botschaft göttlichen Ursprungs handelt, strebt sie vielmehr dahin, die örtliche Kultur aufzuwerten, sie anzuregen und ihr zu helfen, neue Früchte auf der höchsten Ebene hervorzubringen, auf die sie die Gegenwart Christi zusammen mit der Gnade des Heiligen Geistes und dem Licht des Evangeliums emporträgt. 5. Es handelt sich in der Tat um ein beschwerliches Unternehmen und, wie in der Enzyklika Redemptoris missio zu lesen ist, „um einen schwierigen Prozeß, da die Eigenart und Vollständigkeit des christlichen Glaubens auf keine Weise geschmälert werden dürfen“ (Nr. 52). Es ist niemals zulässig, auf einen Teil der christlichen Lehre zu verzichten, um die vorgetragene Wahrheit leichter annehmbar zu machen. Nie dürfen Gebräuche, die zu den Entscheidungen des Evangeliums im Widerspruch stehen, als gültig gewertet werden. Ein Harmonisierungsversuch durch Einführen fremder, aus anderen Religionen stammender Elemente in die Lehre Christi wäre eine Illusion. Es wäre einfacher religiöser Synkretismus, eine unannehmbare Lösung. Notwendig ist hingegen eine echte, höherführende und, wenn nötig, heilende Umformung der Kulturen, welche die christliche Offenbarung empfangen und in deren lebenspendendem Gehalt sie ihre Nahrung finden wollen. Auf diesem Weg können echte Ausdrucksweisen christlicher Lehre und Lebenserfahrungen entstehen, die in ihrer Vielfalt einen Reichtum für die Universalkirche darstellen. Dank der Inkulturation in den Ortskirchen „wird die Gesamtkirche selbst in ihren verschiedenen Lebensbereichen an Ausdrucksformen und Werten bereichert, wie etwa in der Verkündigung des Evangeliums, im Kult, in der Theologie, in der Caritas. Sie lernt das Mysterium Christi tiefer kennen und auszudrücken und wird zu ständiger Erneuerung angeregt“ (Redemptoris missio, Nr. 52). Recht verstanden und gehandhabt, drückt die Inkulturation besser den universalen Geist der Kirche aus, die alle Äußerungen der Kultur aufnimmt und assimiliert, wie sie ja alle menschlichen Wirklichkeiten annimmt und inkorporiert, um sie zu heiligen und nach dem Plan Gottes umzugestalten. In den Teilkirchen, die in den evangelisierten Gebieten entstehen und sich entwickeln, kann und muß dieses Werk als wirksame und fruchtbare Missionsaufgabe erfüllt werden. Das Kriterium, dem alle folgen müssen, liegt in der Tatsache, daß sich in jeder Kultur echte Werte finden und unterscheiden lassen, jedoch in keiner die absolute Wahrheit und auch keine unfehlbare Regel für das Leben und das Gebet vorhanden ist. Es ist also notwendig, diese Werte zu erkennen, wie es schon in den ersten Jahrhunderten die Väter in der griechischen und lateinischen Kultur und dann nach und nach in den Kulturen der evangelisierten Völker getan haben. Auch heute sind 108 AUDIENZEN UND ANGELUS die Ortskirchen berufen, durch die Förderung der Begegnung zwischen dem Evangelium und den Kulturen ihre missionarische Berufung auszuüben, um die Einheit und die Universalität der Familie Gottes zu verwirklichen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich und wünsche euch allen, euch der besonderen Sendung der Kirche in eurem Land bewußt zu werden. Einen besonderen Gruß richte ich an den Gesangverein aus Lachen-Neustadt in der Diözese Speyer sowie an den gemischten Chor aus Grandvillard in der Schweiz; ich danke für die Darbietungen. Euch allen, euren Lieben zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gewalt und Ungerechtigkeit der Frau gegenüber sind untragbar! Angelus am 18. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Verlauf der von den Vereinten Nationen für den kommenden September in Peking anberaumten 4. Weltkonferenz über die Frauen ist die internationale Gemeinschaft aufgerufen, über eine Reihe von Problemkreisen nachzudenken, die die Lage der Frau in unserer Zeit betreffen. Ich möchte schon heute dieser Initiative gegenüber meine lebhafte Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Das gewählte Thema ist tatsächlich von außerordentlicher Bedeutung nicht nur für die Frauen, sondern für die Zukunft der Welt selbst, die in nicht geringem Maß von dem Selbstverständnis der Frauen und von der rechten Anerkennung abhängt, die der Frau gezollt wird. Deshalb blickt die Kirche mit wachem Sinn auf das, was in dieser Richtung getan wird, und betrachtet es als ein wahres „Zeichen der Zeit“, wie schon mein ehrwürdiger Vorgänger Johannes XXIII. in der Enzyklika Pacern in terris (Nr. 22) betont hat. Ein „Zeichen der Zeit“, das einen unumgänglichen Aspekt der vollen Wahrheit über das Menschsein in den Vordergrund rückt. Das Bewußtsein der Identität und des Wertes der Frau war - und ist in vielen Fällen heute noch - vielfachen Einflüssen unterworfen. Ja, oftmals war und wird es von ungerechten und so gar gewaltmäßigen Handlungs- und Verhaltensweisen außer acht gelassen und verletzt. Das alles ist an der Schwelle des dritten Jahrtausends wirklich untragbar! Die Kirche will, während sie ebenfalls ihre Stimme zur Anklage aller Ungerechtigkeiten erhebt, die die Lage der Frau belasten, als positiven Beitrag den Plan Gottes verkünden, damit eine Kultur der Achtung und der Annahmebereitschaft für das „Frausein“ heranreife. 109 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Wie ich mehrmals und besonders in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem Gelegenheit hatte zu betonen, muß dieser neuen Kultur die Bekräftigung der Würde der Frau zu Grunde gelegt werden, weil sie wie der Mann und mit dem Mann als Person, das heißt nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist (vgl. Nr. 6); als Geschöpf, das mit einer Subjektivität ausgestattet ist, die Quelle einer verantwortlichen Selbständigkeit in der eigenen Lebensplanung und -führung ist. Diese Subjektivität ist weit davon entfernt, die Personen zu isolieren oder gegeneinanderzustellen, sondern stellt eine Quelle konstruktiver Beziehungen dar und findet in der Liebe ihre Erfüllung. Die Frau erfährt nicht weniger als der Mann die volle Selbstverwirklichung in der Hingabe ihrer selbst (Gaudium et spes, Nr. 24). Diese Subjektivität bildet für die Frau die Grundlage einer besonderen Seinsweise, eines „Frauseins“, das für ein harmonisches menschliches Zusammenleben sowohl innerhalb der Familie als auch in den anderen Lebens- und Gesellschaftsbereichen unerläßlich und bereichernd ist. 3. Die seligste Jungfrau helfe den Männern und Frauen unserer Zeit, den Plan Gottes über das Frausein klar zu erkennen. Zur höchsten Würde der Gottesmutterschaft berufen, ist die Muttergottes die Frau schlechthin, die ihre wahre Subjektivität voll entfaltet hat. Maria erlange allen Frauen der ganzen Welt ein waches und tatkräftiges Bewußtsein ihrer Würde, ihrer Gaben und ihrer Sendung. Gebet für den Frieden in Bosnien-Herzegowina In den vergangenen Tagen erreichten mich dramatische Nachrichten und dringende Hilferufe aus Bosnien-Herzegowina. In diesem Teil Europas werden Völker gleichsam als Geiseln festgehalten; es fehlt ihnen das Nötigste, sie leben in Trostlosigkeit und sind tagtäglich dem Tod ausgesetzt. Auch in jüngster Zeit hat es nicht an internationalen Initiativen gefehlt, um zu einem Waffenstillstand zu kommen und die Verhandlungen zu fördern. Sie müssen unterstützt werden, und denjenigen, die sie gefördert haben, ist zu danken. Der ständig erforderliche Dialog ist aber kein Selbstzweck. Er darf nicht umsonst sein, sondern muß zu klaren, mutigen und konkreten Abmachungen führen, die der vielfachen Besetzung, der Vertreibung und den Bruderkriegen ein Ende setzen. Deshalb lade ich euch erneut ein, mit mir Maria, die Königin des Friedens, zu bitten, daß sich endlich die Vernunft und der Sinn für Menschlichkeit durchsetzen. In diesen vom Wahnsinn der Menschen verwüsteten Ländern ist nur ein einziger Kampf notwendig: der Kampf für den Frieden. 110 AUDIENZEN UND ANGELUS Missionarischer Auftrag der Kirche in den Beziehungen zur Welt Ansprache bei der Generalaudienz am 21. Juni 1. Der Evangelisierungsauftrag der Kirche wirft das Problem ihrer Beziehungen zur Welt auf. Ein Problem, das vom II. Vatikanischen Konzil besonders in der Konstitution Gaudium et spes behandelt wurde. Wir haben bereits in den vorhergegangenen Katechesen auf einige Aspekte dieser Beziehungen hingewiesen, als wir über die Rolle der Laien im Leben der Kirche sprachen. Jetzt, am Schluß der Katechesen, die der missionarischen Sendung der Kirche gewidmet waren, wollen wir einige Grundzüge erläutern, die ein deutliches Gesamtbild von ihrer Sendung geben in bezug auf die Welt, in der sie lebt und der sie die Gnade und das göttliche Heil vermittelt. Vor allem ist zu bedenken, daß „die Kirche das endzeitliche Heil zum Ziel (hat), das erst in der künftigen Weltzeit voll verwirklicht werden kann“ (Gaudium et spes, Nr. 40). Deshalb darf man von ihr nicht verlangen, daß ihre Kräfte ausschließlich und hauptsächlich für die Erfordernisse und Probleme der irdischen Welt eingesetzt werden. Es ist auch nicht möglich, ihr Handeln in der Welt von heute wie in vergangenen Zeiten in angemessener Weise zu bewerten, wenn man einzig und allein die zeitlichen Zielsetzungen oder den materiellen Wohlstand der Gesellschaft im Blick hat. Die Ausrichtung auf die zukünftige Welt ist für sie wesentlich. Sie weiß, daß sie vom Sichtbaren umgeben ist, aber sie ist sich dessen bewußt, daß sie sich mit ihm in bezug auf das unsichtbare, ewige Reich befassen muß, das sie schon im geheimen verwirklicht (vgl. Lumen Gentium, Nr. 3) und dessen volle Offenbarung sie sehnlich erwartet. Diese Grundwahrheit kommt gut zum Ausdruck in dem traditionellen Spruch: „Per visibilia ad invisibilia“: Durch die sichtbaren Wirklichkeiten zu den unsichtbaren. 2. Auf Erden ist die Kirche als die Familie der Kinder Gottes anwesend und „in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet“ (Lumen Gentium, Nr. 8). Aus diesem Grund fühlt sie, daß sie in Solidarität mit der ganzen Menschheit an den menschlichen Angelegenheiten teilhat. Wie das Konzil betont, „geht die Kirche ... den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick mit der Welt“ (Gaudium et spes, Nr. 40). Das heißt, daß die Kirche in ihren Gliedern die Prüfungen und Schwierigkeiten der Nationen, der Familien und der einzelnen miterlebt und an dem mühevollen Weg der Menschheit im Laufe der Geschichte teilhat. In der Abhandlung über die gegenseitige Beziehung von Kirche und Welt fängt das II. Vatikanische Konzil gerade durch diese Teilnahme der Kirche an der Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen“ (Gaudium et spes, Nr. 1) besondere Impulse auf. Diese Teilnahme ist heute durch die neue allgemeine Kenntnis der wirklichen Zustände der Welt besonders deutlich und tief ausgeprägt. 111 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Das Konzil bekräftigt außerdem, daß sich die Kirche nicht darauf beschränkt, die Geschicke zu teilen, die in unserer Zeit wie in jeder anderen Geschichtsepoche die Lebenserfahrungen der Menschen prägen. Denn sie weiß, daß sie „gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft“ ist (Gaudium et spes, Nr. 40). Vom Heiligen Geist beseelt und angetrieben, will die Kirche auch der Gesellschaft neue Impulse geben, um sie zu einer geistlich und so weit wie möglich auch materiell geordneten und glücklichen Gemeinschaft zu machen. Wie Thomas von Aquin sagte, handelt es sich darum, die Menschen anzuleiten, „gut zu leben“, „den Tugenden entsprechend zu leben“. Das ist das Wesen des zeitlichen Gemeinwohls, nach dem die Bürger unter der Leitung des Staates streben, aber im Hinblick auf das letzte Ziel handeln sollen, auf das die Hirten und die Kirche insgesamt die einzelnen und die Völker hinlenken (vgl. De regimine principum, cc.1,14,15). Gerade im Hinblick auf das „höchste Gut“, das das ganze menschliche Dasein auch in bezug auf die „dazwischenliegenden Ziele“ (vgl. ebd., c.15) regelt, trägt die Kirche „zu einer humaneren Gestaltung der Menschenfamilie und ihrer Geschichte“ bei (Gaudium et spes, Nr. 40). Sie bietet ihren Beitrag an, indem sie die personale Würde und die gemeinschaftlichen Bande zwischen den einzelnen und den Völkern fördert und auch den geistlichen Wert der Alltagsarbeit in dem großen Schöpfungsplan sowie die rechte Entfaltung der menschlichen Freiheit herausstellt. 4. Das Konzil betont, daß die Kirche für die Menschen von großer Hilfe ist. Sie offenbart jedem die Wahrheit über sein Dasein und seine Bestimmung. Sie zeigt jedem, daß Gott die einzige wahre Antwort auf das tiefste Sehnen seines Herzens ist, „das sich an den Gaben der Erde nie voll sättigen kann“ (Gaudium et spes, Nr. 41). Sie schützt jede ihr durch das Evangelium anvertraute Person durch die Verkündigung der „Grundrechte der Person und der Familie“ (Gaudium et spes, Nr. 42) und durch den heilsamen Einfluß auf die Gesellschaft, damit sie diese Rechte achtet und der Wandlungsprozeß in all jenen Situationen eingeleitet wird, in denen diese Rechte eindeutig verletzt werden. Schließlich unterstreicht und verkündet die Kirche auch die Rechte der Familie, die zweifelsohne mit denen der Einzelpersonen verbunden und von dem Menschen als solchem selbst gefordert werden. Neben dem Schutz der Würde der Person in all ihren Lebensphasen läßt die Kirche nicht nach, den Wert der Familie herauszustellen, in die jeder Mann und jede Frau naturgemäß eingebunden sind. Tatsächlich besteht eine tiefe Beziehung zwischen den Rechten der Person und jenen der Familien: Die Einzelpersonen können nicht wirksam geschützt werden ohne eine klare Bezugnahme auf ihren Familienverband. Die Kirche, deren Sendung „sich zwar nicht auf den politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Bereich (bezieht)“, sondern „religiöser Ordnung“ ist (Gaudium et spes, Nr. 42), wirkt auch zugunsten und für das Wohl der Gesellschaft. Diese Tä- 112 AUDIENZEN UND ANGELUS tigkeit entfaltet sich in verschiedener Weise. Sie setzt Werke zugunsten aller und besonders der Notleidenden in Gang; sie fördert „eine gesunde Sozialisation und Vergesellschaftung im bürgerlichen und wirtschaftlichen Bereich“ (Gaudium et spes, Nr. 42); sie mahnt die Menschen, alle Zwistigkeiten zwischen den Rassen und Nationen zu überwinden, indem sie die Einheit auf internationaler und weltweiter Ebene fördert; sie unterstützt und bestärkt soweit wie möglich die Institutionen, die das Gemeinwohl zum Ziel haben. Sie lenkt und ermutigt menschliches Handeln (vgl. Gaudium et spes, Nr. 43) und drängt die Christen, ihre Kräfte in allen Bereichen für das Wohl der Gesellschaft einzusetzen. Sie mahnt sie, dem Beispiel Christi, des Handwerkers von Nazaret, zu folgen und das Gebot der Nächstenliebe zu beobachten sowie in ihrem Leben der Aufforderung Jesu zu entsprechen, indem sie ihre persönlichen Talente fruchtbringend entfalten (vgl. Mt 25,14-30). Sie drängt sie außerdem, den eigenen Beitrag zu den wissenschaftlichen und technischen Anstrengungen der menschlichen Gesellschaft zu leisten sowie sich in dem Bereich der zeitlichen Aktivitäten, für den die Laien zuständig sind (vgl. Gaudium et spes, Nr. 43), zugunsten des Fortschritts der Kultur, der Verwirklichung der Gerechtigkeit und der Schaffung eines wahren Friedens einzusetzen. 5. In ihren Beziehungen zur Welt bietet die Kirche nicht nur an, sondern empfängt auch Hilfen und Beiträge von Einzelpersonen, Gruppen und Gesellschaften. „Wie es aber im Interesse der Welt liegt, die Kirche als gesellschaftliche Wirklichkeit der Geschichte und als deren Ferment anzuerkennen, so ist sich die Kirche auch darüber im klaren, wieviel sie selbst der Geschichte und Entwicklung der Menschheit verdankt“ (Gaudium et spes, Nr. 44). So entfaltet sich „der lebhafte Austausch zwischen der Kirche und den verschiedenen nationalen Kulturen“ (.ebd.). Bei ihrer Evangelisierungstätigkeit greift besonders die missionarische Kirche immer auf die Sprachen, die Begriffe und die Kulturen der verschiedenen Völker zurück, und von den ersten Jahrhunderten an hat sie in der Weisheit der Philosophen jene „semina Verbi“ gefunden, die eine wahre Vorbereitung auf die klare Verkündigung des Evangeliums darstellen. In dem Bewußtsein, daß sie viel von der Welt empfängt, bringt die Kirche deshalb ihren Dank zum Ausdruck, ohne jedoch die Überzeugung ihrer missionarischen Berufung und ihrer Fähigkeit schmälern zu wollen, aufgrund derer sie der Menschheit das Größte und Höchste schenkt, das diese erhalten kann: das göttliche Leben in Christus durch den Heiligen Geist, der sie zum Vater führt. Das ist das Wesen des missionarischen Geistes, in dem die Kirche auf die Welt zugeht und ihr im gemeinschaftlichen Leben nahe sein will. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Überlegungen lade ich euch, liebe Schwestern und Brüder, dazu ein, Euch Eurer missionarischen Verpflichtung in der Welt bewußt zu sein und an diesem kirchlichen Sendungsauftrag aktiv mitzuwirken. Ich grüße Euch dabei noch- 113 AUDIENZEN UND ANGELUS mals alle sehr herzlich, wobei ich unter den Jugendgruppen besonders die Schüler und Lehrkräfte der Deutschen Schule in Rom mit ihren Austauschschülem von der Ecole Provencale „Le Vigan“ in Frankreich erwähnen möchte. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie jenen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Religionsfreiheit für Christen in allen islamischen Ländern erforderlich Heute wird in Rom eine große Moschee eingeweiht. Dieses Ereignis ist ein deutliches Zeichen der Religionsfreiheit, die hier jedem Gläubigen zuerkannt wird. Und es ist bezeichnend, daß in Rom, dem Zentrum der Christenheit und Sitz des Nachfolgers des Petrus, die Muslime eine eigene Kultstätte in voller Achtung ihrer Gewissensfreiheit haben. Bei einem so bedeutenden Anlaß wie diesem ist leider hervorzuheben, daß in einigen islamischen Ländern hingegen die Zeichen der Anerkennung der Religionsfreiheit fehlen. Und doch wartet die Welt an der Schwelle zum dritten Jahrtausend auf diese Zeichen! Die Religionsfreiheit ist bereits ein fester Bestandteil vieler internationaler Dokumente und stellt einen der Pfeiler der heutigen Gesellschaft dar. Bei aller Freude, daß die Muslime sich in der neuen Moschee von Rom zum Gebet versammeln können, hoffe ich lebhaft, daß den Christen und allen Gläubigen in allen Teilen der Welt das Recht zuerkannt wird, ihren Glauben frei zum Ausdruck zu bringen. Damm bitte ich den Herrn und rufe die Fürsprache Marias an, seiner allzeit jungfräulichen Mutter, die auch von den Gläubigen des Islam verehrt wird. Selbständigkeit und Würde der Frau — eine immer aktuelle biblische Botschaft Angelus am 25. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Achtung der vollen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in allen Lebensbereichen ist eine große Errungenschaft der Zivilisation. Dazu haben die Frauen selbst durch ihr tägliches leidvolles und hochherziges Zeugnis, aber auch durch die organisierten Bewegungen beigetragen, die vor allem in unserem Jahrhundert die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf dieses Thema lenkten. Leider fehlt es auch heute nicht an Situationen, wo die Frau in Wirklichkeit, wenn auch nicht rechtmäßig, in einem Zustand der Unterlegenheit lebt. Es ist dringend notwendig, überall eine Kultur der Gleichheit zu entwickeln, die sich in dem Maß 114 AUDIENZEN UNDANGELUS als dauerhaft und aufbauend erweisen wird, in dem sie den Plan Gottes widerspiegelt. Die Gleichheit von Mann und Frau wird tatsächlich schon auf der ersten Seite der Bibel in dem herrlichen Schöpfungsbericht bekräftigt. Im Buch Genesis heißt es: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Aus diesen kurzen Sätzen geht der tiefe Grund für die Größe des Menschen hervor: Er trägt in seinem Innern das Bild Gottes eingeprägt! Das gilt in gleichem Maße für den Mann und für die Frau, die beide das Merkmal des Schöpfers tragen. 2. Diese ursprüngliche Botschaft der Bibel hat ihre vollkommene Ausdrucksform in den Worten und Taten Jesu erreicht. Zu seiner Zeit lastete auf den Frauen das Erbe einer Mentalität, die sie tief diskriminierte. Die Haltung des Herrn „ist ein durchgehender Protest gegen die Verletzung der Würde der Frau“ (Mulieris dignitatem, Nr. 15). In der Tat steht er zu den Frauen in einem von großer Freiheit und Freundschaft geprägten Verhältnis. Obwohl er ihnen nicht die Rolle der Apostel zuteilt, macht er sie doch zu den ersten Zeugen seiner Auferstehung und wertet sie bei der Verkündigung und Verbreitung des Reiches Gottes auf. In seiner Lehre finden die Frauen wirklich „ihre eigene Selbständigkeit und Würde wieder“ (ebd., Nr. 14). Auf den Spuren ihres göttlichen Stifters macht sich die Kirche zur überzeugten Trägerin dieser Botschaft. Wenn manchmal im Laufe der Jahrhunderte und unter dem Druck der Zeitumstände einige ihrer Söhne sie nicht mit derselben Folgerichtigkeit zu leben wußten, ist das ein Grund zu tiefem Bedauern. Die Botschaft des Evangeliums über die Frau hat jedoch nichts von ihrer Aktualität verloren. Deshalb wollte ich sie neu und in ihrem ganzen Reichtum in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem heraussteilen, das ich anläßlich des Marianischen Jahres veröffentlicht habe. 3. Wie groß die Würde der Frau ist, kann man schon allein aus der Tatsache ersehen, daß der ewige Sohn Gottes von einer Frau, der Jungfrau von Nazaret, geboren werden wollte, die Spiegel und Maß wahrer Fraulichkeit ist. Gerade Maria helfe den Männern und den Frauen, das Geheimnis zu erfassen und zu leben, das in ihnen wohnt, indem sie einander ohne jede Diskriminierung als lebendige „Bilder“ Gottes erkennen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Am vergangenen Mittwoch hat der Bischof von Nuoro, Pietro Meloni, einen besonderen Gottesdienst anberaumt, um für die zur Zeit in Sardinien als Geiseln festgehaltenen Personen zu beten. Auch ich möchte mich, wie ich es schon in anderen Fällen getan habe, mit der ganzen Gemeinde von Nuoro und Sardinien vereinen, um meine Verbundenheit mit den Familienangehörigen der fünf Opfer dieses unmenschlichen Verbrechens zu bezeugen. Ich bete für jeden der Entführten 115 AUDIENZEN UND ANGELUS und für ihre Angehörigen. Ich bete darum, daß die Entführer den Mut haben, auf die Stimme Gottes zu hören, der in ihrem Gewissen spricht, und daß sie ein für allemal von ihrem menschenunwürdigen Tun ablassen. Von neuem danke ich euch allen, Römern und Pilgern, für eure Anwesenheit, und ich lade euch ein zu dem großen Fest der hll. Petrus und Paulus, das am kommenden Donnerstag in Anwesenheit Seiner Heiligkeit, des Patriarchen Bartolomaios von Konstantinopel, gefeiert wird. Willkommen in Rom, lieber Bruder aus Konstantinopel! Gelobt sei Jesus Christus! Einheit in Verschiedenheit — die ökumenische Frage Ansprache bei der Generalaudienz am 28. Juni 1. Zur missionarischen Dimension der Kirche, die wir in den vorhergehenden Katechesen betrachtet haben, gehört auch die Ökumene. Während die offizielle Delegation des Patriarchats von Konstantinopel mit Bartolomaios I. an der Spitze in Rom weilt, behandle ich dieses Thema mit besonderer Freude. Ich bin gewiß, daß auch der ehrwürdige Bruder für dieses Problem lebhafte Sorge empfindet und daß sein Besuch es nicht daran fehlen lassen wird, einen wirksamen Beitrag zum Fortschritt des ökumenischen Dialogs zu leisten. Über dieses besondere Thema habe ich kürzlich die Enzyklika Ut unum sint veröffentlicht und dabei alle, die sich als Jünger Christi bekennen, aufgefordert, ihr Bemühen um die volle Einheit aller Christen zu verstärken. Denn „diese Einheit, die der Herr seiner Kirche geschenkt hat und in der er alle umfangen wollte, ist nicht etwas Nebensächliches, sondern steht im Zentrum seines Wirkens. Und sie ist auch nicht gleichbedeutend mit einem zweitrangigen Attribut der Gemeinschaft seiner Jünger. Sie gehört vielmehr zum Wesen dieser Gemeinschaft selbst. Gott will die Kirche, weil er die Einheit will und in der Einheit die ganze Tiefe seiner agape zum Ausdruck kommt“ (Nr. 9). Im Laufe der Jahrhunderte gab es leider zahlreiche Spaltungen unter den Jüngern Christi. Diese Trennungen sind etwas anderes als die legitime Vielfalt, die die Orts- oder Teilkirchen voneinander unterscheidet, in denen die eine Kirche Christi gegenwärtig ist und in denen sie sich darstellt. 2. Um die geschichtliche Verschiedenheit und Vielfalt der christlichen Kirchen zu erklären, ist der Hinweis angebracht, daß die von Christus gewollte Einheit keine äußere, einengende Gleichförmigkeit mit sich bringt. Diesbezüglich betonte ich in der genannten Enzyklika, „daß die legitime Verschiedenartigkeit in keiner Weise der Einheit der Kirche entgegensteht, sondern vielmehr ihre Zierde und Schönheit vermehrt und zur Erfüllung ihrer Sendung in nicht geringem Maße beiträgt“ (Nr. 50). Viele Orts- und Teilkirchen bewahren eine eigene Art, das christliche Engagement zu leben, die sich auf Institutionen apostolischer Herkunft und althergebrachte Traditionen beruft oder auch auf eine Praxis, die zu verschiedenen Zeiten aufgrund von Erfahrungen festgelegt wurde, die sich als geeignet für die Inkulturation des Evangeliums erwiesen hatten. So entstand im Laufe der Jahrhunderte eine Vielfalt von Ortskirchen, die zum geistlichen Reichtum der universalen Kirche beitrug und beiträgt, ohne der Einheit zu schaden. 116 A UDIENZEN UND ANGELUS Deshalb ist es gut, daß die Vielfalt bestehen bleibt. Die Einheit der Kirche wird darunter nicht leiden müssen, vor allem wenn die Christen im Bewußtsein ihres göttlichen Ursprungs sie ständig im Gebet erbitten: Denn sie ist Frucht des Wirkens des Heiligen Geistes. Dementsprechend weist das II. Vatikanische Konzil daraufhin, daß die Einheit der universalen Kirche weder das Ergebnis noch das Produkt der Vereinigung der Ortskirchen ist, sondern ihre wesentliche Eigenart. Von Anfang an hat Christus die Kirche als eine universale gegründet, und die Ortskirchen haben sich im Laufe der Geschichte als gegenwärtige Ausdrucksformen dieser einen universalen Kirche herausgebildet. Deshalb ist der christliche Glaube ein Glaube an die eine katholische Kirche (vgl. Lumen Gentium, Nr. 13). 3. Das von den Aposteln überlieferte und im Neuen Testament enthaltene Wort Christi läßt keinen Zweifel an seinem Willen, der dem Plan des Vaters entspricht: „Aber ich bitte nicht nur für diese (Apostel) hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein“ (Joh 17,20-21). Die Einheit des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist ist das höchste Fundament der Einheit der Kirche. Die Vollkommenheit dieser transzendenten Einheit muß nachgeahmt werden, „so sollen sie vollendet sein in der Einheit“ (Joh 17,23). Diese göttliche Einheit ist deshalb das Prinzip, das die Einheit der Gläubigen begründet: So „sollen auch sie in uns sein“ (Joh 17,21). In den Evangelien und anderen Schriften des Neuen Testamentes wird außerdem klar bekräftigt, daß die Einheit der Kirche durch das Erlösungsopfer erlangt worden ist. Wir lesen zum Beispiel im Johannesevangelium, „daß Jesus für das Volk sterben werde. Aber er sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,51-52). Wenn das Versprengtsein eine Folge der Sünde war - diese Lehre geht aus der Erzählung über den Turm Babel hervor ist die Wiedervereinigung der versprengten Kinder Gottes ein Werk der Erlösung. Durch seinen Opfertod hat Jesus „den einen neuen Menschen“ geschaffen und die Menschen untereinander versöhnt, indem er die sie trennende Feindschaft getötet hat (vgl. Eph 2,14-16). 4. In Übereinstimmung mit dem Wort Christi lehrt der hl. Paulus, daß die Verschiedenheit der Glieder des Leibes nicht ihre Einheit behindert: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus“ (1 Kor 12,12). Diese Einheit in der Kirche geht vor allem aus der Taufe und aus 117 AUDIENZEN UND ANGELUS der Eucharistie hervor, in denen der Heilige Geist vermittelt wird und wirkt: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufge-nommen und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (7 Kor 12,13). „Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (7 Kor 10,17). Der hl. Paulus, der Apostel und Lehrer der Einheit, beschreibt die Dimension, die diese im kirchlichen Leben hat: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,4-6). Ein Leib: Das Bild drückt ein organisches Ganzes aus, unauflöslich verbunden durch eine geistliche Einheit: den einen Geist. Es handelt sich um eine wirkliche Einheit, die die Christen immer tiefer zu leben berufen sind, indem sie seinen Erfordernissen „demütig, friedfertig und geduldig“ entsprechen und „einander in Liebe“ ertragen sollen (Eph 4,2). Die Einheit der Kirche offenbart deshalb einen zweifachen Aspekt: Sie ist eine Eigenschaft, die als unerschütterliches Fundament dieselbe göttliche Einheit der Dreifaltigkeit besitzt, aber auch die Veranwortlichkeit der Gläubigen herausfordert, die sie annehmen und in ihrem Leben konkret umsetzen müssen (vgl. Ut unum sint, Nr. 6). 5. Es handelt sich vor allem darum, den einen Glauben, das Bekenntnis des einen Glaubens zu bewahren, von dem der Apostel Paulus spricht. Dieser Glaube führt zur gemeinsamen Zustimmung zu Christus und zur ganzen Wahrheit, die der Menschheit von ihm offenbart, in der Schrift bezeugt und in der lebendigen Tradition der Kirche bewahrt wurde. Gerade um die Einheit des Glaubens (unitas fidei catholicae) zu erhalten und zu fördern, wollte Jesus im Apostelkollegium eine besondere Autorität stiften, indem er das Lehramt an sich selbst gebunden hat: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10,16; vgl. Mt 28,18-20). Im Hinblick auf die koinonia der Gläubigen ist die Autorität der Apostel und ihrer Nachfolger ein Dienst, der sich im Bereich der Sakramente, der Lehre und der Pa-storal entfaltet in bezug auf eine Einheit, die nicht nur die Lehre, sondern auch die Leitung und Regierung betrifft. Das schreibt der hl. Paulus: „Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, ... damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph 4,11-13). Unter diesem Gesichtspunkt versteht man gut das besondere dem Petrus und seinen Nachfolgern anvertraute Amt. Es gründet auf den Worten Christi selbst, wie sie in der Überlieferung des Evangeliums wiedergegeben sind (vgl. Ut unum sint, Nr. 91). 118 AUDIENZEN UND ANGELUS Es ist ein Geheimnis der Gnade, das der ewige Hirt unserer Seelen für seine Kirche gewollt hat, damit sie, während sie in der Wahrheit wächst und handelt, zu allen Zeiten zur Ehre Gottes, des Vaters, in der Liebe sichtbar vereint bleibt. Wir bitten ihn um das Geschenk eines immer tieferen Einvernehmens zwischen Gläubigen und Hirten und flehen im Hinblick auf das Petrusamt um das notwendige Licht, damit wir die besten Formen finden, in denen es einen von allen anerkannten Dienst der Gemeinschaft verwirklichen kann (vgl. Ut unum sint, Nr. 96). In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Pilgergruppe der Erzdiözese Hamburg mit Herrn Erzbischof Ludwig Averkamp. Euch allen, Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns im gemeinsamen Anliegen der Einheit der Kirche verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Christus ist das Heil der Welt! Angelus am 29. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute das Fest der hll. Petrus und Paulus, ein Fest Roms, das sie als Patrone verehrt, ein Fest der ganzen Kirche, die in dem Apostelfürsten und in dem Lehrer der Völker zwei wichtige Säulen ihres geistlichen Baues besitzt. An diesem Tag ist meine Freude, die ich euch mitteilen möchte, ganz besonders groß, weil die Kirche von Rom die Ehre hat, den Ökumenischen Patriarchen, Bartholomaios I., zusammen mit den ehrwürdigen Brüdern, die ihn begleiten, zu Gast zu haben. Wie könnte man der Bande der Liebe, die uns einen, nicht gedenken und nicht ausdrücklich auf die Tatsache hinweisen, daß er im vergangenen Jahr die Texte finden Kreuzweg beim Kolosseum am Karfreitag vorbereitet hat? Es war in gewisser Weise eine Vorwegnahme des heutigen Geschenkes. Ich möchte meinen Gruß an die Brüder und Schwestern der orthodoxen Kirche aus ganzem Herzen erneuern und sie der Wertschätzung und brüderlichen Liebe der ganzen katholischen Kirche versichern. Gemeinsam gedenken wir der wunderbaren Zeichen, die der Heilige Geist in unseren christlichen Gemeinden von Anfang an, seit dem Martyrium der ersten Apostel, vollbracht hat. 2. Läßt die jetzige Begegnung uns nicht an die beiden Patrone von Konstantinopel und von Rom denken: an die Brüder Andreas und Simon? Nach der Erzählung des Evangelisten Johannes war Andreas deijenige, der seinen Bruder zu Jesus führte (vgl. Joh 1,40-42). 119 AUDIENZEN UND ANGELUS Von da an gehen Andreas und Simon gemeinsam den Weg zu Christus, und beide teilen mit ihm den Tod am Kreuz, an dem Kreuz, das Saulus von Tarsus, nachdem er sich auf dem Weg von Damaskus bekehrt hatte, der Welt als einzigen Grund des Ruhmes verkünden sollte. Heute fassen wir im Blick des Glaubens die zurückliegenden zwei Jahrtausende und das schon nahende dritte Jahrtausend zusammen und bekennen gemeinsam, daß nur Christus das Heil der Welt ist! Nur sein Tod und seine Auferstehung machen die wahre Befreiung von dem Bösen und dem Tod aus. Sein Kreuz hat die Kraft der Wiederversöhnung und des Friedens; es ist das Fundament der Hoffnung für die Gläubigen aller Zeiten und aller Orte. In Christus sind wir eins; wir sind dazu berufen, der Welt das Evangelium der Freude und des Lebens zu verkünden. Wie Andreas, wie Petrus und Paulus müssen wir alle es mit Wort und Tat verkünden, ohne uns je des Kreuzes Christi zu schämen, sondern uns seiner zu rühmen. Am Kreuz hat sich für uns das Herz des Erlösers geöffnet, das Sakrament des „Herzens“ des allmächtigen und barmherzigen Gottes, des Schöpfers und Herrn des Universums. 3. Maria, Mutter Gottes und der Kirche, hat mit den Aposteln die Stunde des Schmerzes und die Stunde der Gemeinschaft geteilt: Sie stand treu mit Johannes unter dem Kreuz des Gottessohnes; am Pfingsttag empfing sie im Abendmahlssaal mit den Aposteln die Gabe des Heiligen Geistes und besiegelte durch ihre Anwesenheit die Geburt der Kirche, die gesandt ist, der Menschheit bis an die äußersten Grenzen der Erde das Evangelium zu verkünden. Maria, schau auf den Nachfolger des Petrus und auf den Nachfolger des Andreas, die heute hier zusammengekommen sind. Gib, daß die Christen des Ostens und die des Westens immer mehr auf dem Weg der Einheit und der Treue zum Evangelium fortschreiten. Erneuere in diesen Jahren, die uns zum Jahr 2000 hinführen, die Wunder der christlichen Urgemeinde, damit die Menschheit von heute glaubt an Christus, den einen Heiland der Welt. Neue Lebenskraft in der früher verfolgten Kirche der Slowakei Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Juli 1. Heute möchte ich Gott für den Besuch in der Slowakei danken, den ich am Tag nach dem Fest Peter und Paul beginnen und an den folgenden Tagen bis zum 3. Juli durchführen konnte. Dem Episkopat der Slowakei danke ich für die Einladung und die pastorale Vorbereitung dieses Besuches. Ebenso danke ich den staatlichen Autoritäten, dem Präsidenten der Slowakischen Republik, dem Premierminister und der Regierung, den Palamentsvertretem und den örtlichen Obrigkeiten. Meine Pilgerfahrt war von 120 AUDIENZEN UNDANGELUS großer Herzlichkeit begleitet, die dem historischen Augenblick entspricht: Denn erstmals hat der Papst den unabhängigen slowakischen Staat besucht. Die slowakische Nation hat eine eigene lange Vergangenheit, die bis in die Zeiten von Kyrill und Method und ihrer Mission innerhalb der Grenzen des Großmährischen Reiches zurückreicht. Auf jene Zeit geht der Bischofssitz Neutra zurück, einer der ältesten Sitze ganz Mitteleuropas. Im Laufe ihrer Geschichte lebten die Slowaken zunächst im Bereich von Großmähren und wurden dann Teil des ungarischen Reiches; das dauerte bis zum ersten Weltkrieg. Im lahr 1918 entstand die Tschechoslowakische Republik, in der die Slowaken - ausgenommen die Periode des zweiten Weltkriegs - ihrer staatlichen Existenz bis zum Jahr 1993 Form verliehen hatten. Mit lebhafter Bewunderung muß man den beiden jetzt unabhängigen Republiken bestätigen, daß sie es verstanden haben, sich auf friedlichem Weg, ohne Auseinandersetzungen und Blutvergießen, zu trennen im Unterschied zu dem, was leider im ehemaligen lugoslawien geschehen ist. Grund für die Trennung waren die vielfältigen Unterschiede der beiden Nationen, die unter vielen Aspekten und besonders dem der Sprache einander ähneln. So hat die slowakische Nation jetzt ihren Staat, der die weite fruchtbare Ebene südlich der Karpaten und der Hohen Tatra umfaßt. Der Besuch in der Slowakei bot mir die Möglichkeit, dieses Land und seine Bewohner, vorallem in den Hauptzentren des nationalen und religiösen Lebens, besser kennenzulemen. Am ersten Tag war ich also in der Landeshauptstadt Preßburg und fuhr dann nach Neutra zu einem Jugendtreffen. Am zweiten Tag besuchte ich das Marienheiligtum Sastin, nördlich von Preßburg in der Westslowakei. Der Sonntag vormittag des 2. Juli war der Heiligsprechung der drei Märtyrer von Kaschau gewidmet, der Stadt, wo sie im 17. Jahrhundert den Martertod erlitten. Bei der Heiligsprechung waren die Bischöfe von ganz Mitteleuropa vertreten. Am Nachmittag begab ich mich nach Presov und am Abend desselben Tages nach Spis, in den Marienwallfahrtsort Leutschau. Die Spis liegt in der Slowakei am Fuß der Hohen Tatra, so daß ich am letzten Tag die Berge Wiedersehen konnte, mit denen ich in meiner Jugendzeit sehr verbunden war. Die letzte Reisestation war die Stadt Poprad; von dort aus kehrte ich nach Rom zurück. 2. Hauptzweck meines Besuches in der Slowakei war die Heiligsprechung der drei Märtyrer von Kaschau, und dieses Ereignis möchte ich besonders hervorheben. Die Märtyrer sind: der Kroate Markus von Krizevci, Domherr der Kathedrale von Exztergom, und zwei Jesuiten: der Pole Melchior Grodeczi aus Schlesien und der Ungar Stefan Pongräcz. Ihr Martertod ereignete sich in der europäischen Geschichte zur gleichen Zeit, als im mährischen Olmütz der hl. Johannes Sarkander zu Tode gemartert wurde, den ich zu meiner Freude vor kurzem in das Verzeichnis der Heiligen einschreiben konnte. Die Märtyrer von Kaschau opferten ihr Leben aus Treue zur Kirche, weil sie dem brutalen Druck der staatlichen Macht der Herrscher nicht nachgaben, die sie zum Abfall vom Glauben zwingen wollten. Alle 121 AUDIENZEN UNDANGELUS drei nahmen das Martyrium im Geist des Glaubens und der Liebe gegenüber ihren Verfolgern auf sich. Gleich nach dem Tod begann in der Slowakei ihre Verehrung, und nach einem eingehenden kanonischen Prozeß hat die Kirche sie zu Beginn unseres Jahrhunderts seliggesprochen. Jetzt, nachdem der Heiligsprechungsprozeß inzwischen abgeschlossen war, konnte ich sie während meines Besuches in Ka-schau unter großer Beteiligung der katholischen Ortsbevölkerung zu Heiligen proklamieren. Diese Heiligsprechung war auch ein bedeutendes ökumenisches Ereignis, wie es sowohl bei der Begegnung mit den Vertretern der protestantischen Konfessionen als auch bei dem Besuch der Gedenkstätte an den Tod einer Gruppe von Gläubigen der Reformation zum Ausdruck kam, die im 17. Jahrhundert nach dem Prinzip „cuius regio eius religio“ verurteilt worden waren. Daran erinnert ein Denkmal in Presov, vor dem ich im Gebet verweilte. 3. Presov ist auch die Stadt, wo der griechisch-katholische Bischof seinen Sitz hat. Die Ostkirche, deren Gläubige zu beiden Seiten der Karpaten wohnen, entstand aus der Union von Uzgorod vor 350 Jahren, in dem Gebiet, das zuerst zu Ungarn, dann zur Tschechoslowakischen Republik gehörte und jetzt zur Ukraine. Das Bistum Presov ist in gewissem Sinn der westlichste Teil dieser Kirche, wo die griechisch-katholischen Slowaken und die Ruthenen jenseits der Karpaten zusammengefaßt sind. Unter dem kommunistischen Regime war die ganze katholische Kirche in der Tschechoslowakei schweren Verfolgungen ausgesetzt, und die griechisch-katholischen Slowaken des Bistums Presov waren besonders schwer davon betroffen. 4. Man darf nicht vergessen, daß die ganze Kirche der Slowakei, die sich im Bereich der tschechoslowakischen kommunistischen Republik befand, schmerzliche Verfolgungen erleiden mußte. Fast alle Bischöfe waren an der Ausübung ihres Hirtendienstes gehindert. Viele erlebten harte Jahre der Kerkerhaft. Einige von ihnen sind als wahre Märtyrer gestorben; ich denke besonders an Bischof Woj-tassäk aus der Diözese Spis und an den griechisch-katholischen Bischof Pavel Gojdic Presov von Presov. Außerordentlicher Zeuge dieser Generation von Bischöfen, die aufgrund des Glaubens inhaftiert waren, ist Jan Chryzostom Kardinal Korec, der jetzige Oberhirte von Neutra. Die Kirche in der Slowakei besitzt erst seit wenigen Jahren die Religionsfreiheit, und vielleicht erklärt sich dadurch die starke Lebenskraft, die ich während meines Besuches überall sehen und spüren konnte. Die zurückliegende Verfolgung der Kirche in der Slowakei und die Frage ihrer Märtyrer erfordern noch weiteres Nachforschen, das unbedingt in die geistliche Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 miteinbezogen werden muß. Wenn wir uns fragen, woraus die Slowaken in der Zeit der Verfolgung ihre Kraft geschöpft haben, finden wir die Antwort, wenn wir vor allem die Marienwallfahrtsorte besuchen. Während dieser schwierigen Periode für die Nation und für 122 A UDIENZEN UND ANGELUS die Kirche in der Slowakei wurden diese Heiligtümer ein starker Bezugspunkt für den Glauben des Volkes Gottes. Dort konnte kein Verbot von seiten der Polizei und der staatlichen Behörden Oberhand gewinnen. Von Marienwallfahrtsorten wie Sastin und Leutschau ging diese Kraft auf die Gläubigen, die Familien, die Pfarrgemeinden und auf die ganze Slowakei über. 5. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, reiht sich der Besuch der Kirche in der Slowakei in die umfassende Heilsgeschichte unseres Jahrhunderts ein. Und zugleich wird er eingeschrieben in die Geschichte der slowakischen Nation und ihrer Rolle in Europa. In nicht unbeträchtlichem Maße hat die slowakische Nation dank der Mission der Kirche ihre Unabhängigkeit erlangt und sich als Nation, deren Bürger zum Großteil katholisch sind, in die große Völkergemeinschaft der ganzen Welt und besonders Europas eingegliedert. Sie leistet dieser Gemeinschaft einen Beitrag durch ihre kulturelle Identität und durch ihren Willen, das eigene und das europäische Erbe auf den Prinzipien aufzubauen, die aus den Rechten der Nationen erwachsen, die in der internationalen Gemeinschaft entsprechend anerkannt und geschützt werden, natürlich einschließlich der Rechte der Minderheiten. Der Apostolische Stuhl und der Papst bringen ihre Anerkennung für das Patrimonium der unabhängigen Slowakei zum Ausdruck und heben so auch das Recht dieser Nation auf ihren Platz als vollwertiges Mitglied in der Familie der europäischen Nationen hervor. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit meinem Wunsch, daß die unabhängige Slowakei ihr reiches Erbe in die europäische Völkerfamilie einbringen möge, grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Schülerinnen und Schülern. Bereits jetzt wünsche ich Euch erholsame Ferien. Euch allen, euren Lieben zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Dankbarkeit und Wertschätzung der Kirche für die Frauen Angelus am 9. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Morgen wird mein Brief an die Frauen veröffentlicht. Darin wollte ich mich unmittelbar und gleichsam vertrauensvoll an alle Frauen der Welt wenden, um ihnen die Wertschätzung und die Dankbarkeit der Kirche zu bekunden und zugleich die sie betreffenden Grundlinien der Botschaft des Evangeliums darlegen. 123 AUDIENZEN UND ANGELUS Während ich das an einem der vergangenen Sonntage begonnene Thema heute aufgreife, möchte ich im einzelnen das Verhältnis des einander Ergänzens und der Gegenseitigkeit erläutern, das die Beziehung zwischen den Personen der beiden Geschlechter kennzeichnet. In dem biblischen Abschnitt über die Erschaffung der Welt ist zu lesen, daß Gott, nachdem er den Menschen geformt hatte, über dessen Einsamkeit Mitgefühl empfindet und beschließt, ihm „eine Hilfe zu machen, die ihm entspricht“ (Gen 2,18). Aber kein Lebewesen ist imstande, diese Leere zu füllen. Nur als die Frau zu ihm geführt wird, die von seinem Leib genommen war, kann der Mann sein tiefes und frohes Staunen ausdrücken, indem er sie als „Bein von seinem Bein und Fleisch von seinem Fleisch“ erkennt (vgl. Gen 2,23). In der eindrucksvollen Symbolik dieser Erzählung wird der Geschlechtsunterschied im tiefen Sinn der Einheit gedeutet: Denn es handelt sich um den einen Menschen, der auf zwei unterschiedliche und einander ergänzende Arten existiert: als „Mann“ und als „Frau“. Gerade weil sich die Frau vom Mann unterscheidet, kann sie, während sie sich jedoch auf dieselbe Stufe stellt, ihm wirklich eine „Hilfe“ sein. Anderseits ist die Hilfe keineswegs einseitig: Die Frau ist eine „Hilfe“ für den Mann, wie der Mann eine „Hilfe“ für die Frau ist! 2. Diese Komplementarität und Gegenseitigkeit zeigt sich in jedem Bereich des Zusammenlebens. „In der ,Einheit der zwei' - sagte ich in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem - sind Mann und Frau von Anfang an gerufen, nicht nur nebeneinander' oder ,miteinander' zu existieren, sondern sie sind auch dazu berufen, gegenseitig ,füreinander' dazusein“ (Mulieris dignitatem, Nr. 7). Am deutlichsten kommt diese Gegenseitigkeit in der ehelichen Begegnung zum Ausdruck, wo Mann und Frau in einer Beziehung leben, die stark von der biologischen ergänzenden Wechselseitigkeit gekennzeichnet ist, aber zugleich weit über die Biologie hinausgeht. In der Tat trifft die Geschlechtlichkeit den Wesenskem des Menschen und wird in der ehelichen Begegnung, wenn sie sich nicht auf die Befriedigung eines blinden Instinktes beschränkt, Ausdrucksmittel der tiefen Einheit der beiden, des Mannes und der Frau. Sie geben sich einander in so tiefer Weise hin, um gerade die volle und endgültige Gemeinschaft ihrer Personen zum Ausdruck zu bringen, während sie sich zugleich zu verantwortlichen Mitarbeitern Gottes in der Weitergabe des Lebens machen. 3. Bitten wir die seligste Jungfrau, sie möge uns helfen, die Schönheit des Planes Gottes zu erkennen. In der besonderen Sendung, die ihr zuerst in der Familie von Nazaret und dann in der ersten Gemeinde der Gläubigen anvertraut wurde, setzte Maria den ganzen Reichtum ihrer Fraulichkeit ein. Mögen die Männer und Frauen unserer Zeit von ihr lernen, welche Freude es bringt, sein wahres Selbst zu sein, indem man gegenseitige Beziehungen in achtungsvoller und authentischer Liebe aufbaut. 124 AUDIENZEN UND ANGELUS Gerechtigkeit und Frieden für Bosnien-Herzegowina! Am Schluß des marianischen Gebetes empfehle ich der Gottesmutter erneut die Leiden und das Los all unserer Brüder und Schwestern von Bosnien-Herzegowina, deren Grundrechte, darunter das Recht auf Leben, weiterhin auf so barbarische Weise mit Füßen getreten werden. Wir alle sind Zeugen davon. Im Namen Gottes fordere ich für sie Gerechtigkeit, Frieden und Mitgefühl. Was werden die Verantwortlichen so vieler grausamer Gewalttaten antworten, wenn der höchste Richter sie fragen wird: „Was hast du deinem Bruder angetan? Welche Entschuldigung wird derjenige Vorbringen können, der den Transport von Nahrung für Tausende von Menschen verhindert hat, die wie der arme Lazarus im Evangelium hungern? Wie werden diejenigen, die den Nächsten aus seinem Haus vertrieben haben, in die ewigen Wohnungen eingehen können? Möge Gott Gefühle der Brüderlichkeit und Menschlichkeit eingeben und all denen, die den vielen erschöpften Familien ein wenig Frieden und Linderung bringen, Beharrlichkeit schenken. Mein Dank gilt insbesondere den Friedenstruppen der Vereinten Nationen und den vielen humanitären Organisationen, die durch ihren Einsatz die Solidarität der Menschheitsfamilie zum Ausdruck bringen. Mit den Worten des Briefes an die Hebräer sage ich allen: „Der Gott des Friedens ... mache euch tüchtig in allem Guten“ (13,20-21)! Ökumene ist Auftrag der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Juli 1. Der ökumenische Einsatz ist für den Christen von erstrangiger Bedeutung. Bekanntlich betete Jesus beim letzten Abendmahl für die Einheit der Jünger tatsächlich mit höchster Eindringlichkeit: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ {Loh 17,21). Jesus zögerte nicht, den Vater darum zu bitten, daß die Jünger „vollendet seien in der Einheit“ (vgl. Joh 17,23), obwohl er die Schwierigkeiten und Spannungen kannte, die auf sie zukommen würden. Er selbst hatte die Meinungsverschiedenheiten feststellen können, die auch während des letzten Abendmahles unter den Zwölf entstanden waren, und sah die kommenden voraus, die im Leben der in einer so weiten und vielfältigen Welt verstreuten Christengemeinden entstehen sollten. Und doch betete er für die vollkommene Einheit der Seinen und opferte dafür sein Leben. Die Einheit ist also ein Geschenk des Herrn an seine Kirche, an sein Volk, „das in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes verbunden ist“, wie der hl. Cyprian deutlich hervorhebt (Über das Gebet des Herrn, 23, in: Des heiligen Kirchenvaters Caecilius Cyprianus sämtliche Schriften, Bd. 1, Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München 1918, S. 186). Denn ,Jiöchstes Vorbild und 125 A UDIENZEN UND ANGEL US Urbild dieses Geheimnisses ist die Einheit des einen Gottes, des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist in der Dreiheit der Personen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 2). In der nach dem Pfingsttag versammelten ersten Christengemeinde sehen wir, daß wirklich tiefe Einheit herrscht: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42); und „die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32). 2. Wenn man die Seiten der Apostelgeschichte liest, die die ersten Lebenserfahrungen in der apostolischen Gemeinde beschreiben, fällt einem besonders die Festellung auf, daß diese Verbundenheit und Einmütigkeit mit der Gegenwart Marias zusammenhing (vgl. Apg 1,13-14). Unter den Frauen, die bei der ersten Zusammenkunft anwesend waren, wird sie als einzige von Lukas namentlich erwähnt, der sie als „die Mutter Jesu“ bezeichnet und so als Zeichen und inneren Antrieb der „koinonia“ vorstellt. Dieser Titel verleiht ihr eine einzigartige Rolle, die mit ihrer neuen von Christus am Kreuz verkündeten Mutterschaft verbunden ist. Man kann also nicht ignorieren, daß die Einheit der Kirche in diesem Text als Treue zu Christus zum Ausdruck kommt, die von der mütterlichen Präsenz Marias unterstützt und geschützt wird. Diese zu Beginn des Lebens der Kirche verwirklichte Einheit kann ihrem grundlegenden Wert nach nie untergehen. Das bekräftigte das II. Vatikanische Konzil: „Denn Christus der Herr hat eine einige und einzige Kirche gegründet“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Man muß jedoch zugeben, daß diese ursprüngliche Einheit im Laufe der Geschichte tiefe Verletzungen erlitten hat. Die Liebe zu Christus muß seine Jünger von heute drängen, gemeinsam ihre Vergangenheit zu überprüfen, um mit erneuerter Kraft auf dem Weg der Einheit fortzuschreiten. 3. Die neutestamentlichen Schriften selbst weisen uns darauf hin, daß von Anfang an im Leben der Kirche Spaltungen unter den Christen herrschten. Paulus spricht von Zwietracht in der Kirche von Korinth (vgl. 1 Kor 1,10-12). Johannes beklagt sich über die, welche eine falsche Lehre verbreiten (vgl. 2 Joh 10) oder in der Kirche den ersten Platz einnehmen wollen (vgl. 3 Joh 9-10). Es ist der Anfang einer leidvollen Geschichte, die in jeder Epoche durch die Bildung verschiedener christlicher Gruppen, die sich von der katholischen Kirche getrennt hatten, das Entstehen von Schismen und Häresien und die Gründung von „getrennten“ Kirchen zu verzeichnen hat. Diese standen weder in Gemeinschaft mit den anderen Teilkirchen noch mit der universalen Kirche, die als „nur eine Herde“ unter „einem Hirten“ (Joh 10,16), Christus, gestiftet wurde, der nur von einem universalen Stellvertreter, dem Papst, repräsentiert wird. 4. Aus der schmerzlichen Gegenüberstellung dieser geschichtlichen Situation mit dem Gebot der Einheit gemäß dem Evangelium ist die ökumenische Bewegung entstanden, die sich zum Ziel setzt, auch die sichtbare Einheit unter allen Christen wiederherzustellen, „damit sich die Welt zum Evangelium bekehre und so ihr Heil 126 AUDIENZEN UND ANGELUS finde zur Ehre Gottes“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Dieser Bewegung hat das II. Vatikanische Konzil höchste Bedeutung beigemessen und betont, daß sie für diejenigen, die sie tragen, eine Gemeinschaft des Glaubens an die Dreifaltigkeit und an Christus und ein gemeinsames Streben auf die eine und universale Kirche hin mit sich bringt (vgl. ebd., Nr. 1). Aber der echte ökumenische Einsatz fordert auch von allen Christen, die von einem ernsthaften Streben nach Gemeinschaft beseelt sind, das Freiwerden von Vorurteilen, die die Entfaltung des Dialogs der Liebe in der Wahrheit verhindern. Das Konzil schildert und beurteilt im einzelnen die geschichtliche Entwicklung der Spaltungen: „Es kam zur Trennung recht großer Gemeinschaften von der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche, oft nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten“ (Unitatis redintegratio, Nr. 3). Es handelt sich um den Beginn der Trennung. Später ändert sich die Lage: „Den Menschen jedoch, die jetzt in solchen Gemeinschaften geboren sind und in ihnen den Glauben an Christus erlangen, darf die Schuld der Trennung nicht zur Last gelegt werden - die katholische Kirche betrachtet sie als Brüder, in Verehrung und Liebe“ {ebd.). Mit dem II. Vatikanischen Konzil hat sich die katholische Kirche in unumkehrbarer Weise verpflichtet, den Weg der ökumenischen Suche zu gehen und auf den Geist des Herrn zu hören. Der ökumenische Weg ist nunmehr der Weg der Kirche. 5. Wir müssen noch feststellen, daß nach der Lehre des Konzils alle von der katholischen Kirche Getrennten mit ihr in einer gewissen - unvollständigen, aber wirklichen - Gemeinschaft stehen. Denn alle, die an Christus glauben und die Taufe empfangen haben, werden mit Recht von den Söhnen und Töchtern der katholischen Kirche „als Brüder im Herrn anerkannt“, auch wenn es „sowohl in der Lehre und bisweilen auch in der Disziplin wie auch bezüglich der Struktur der Kirche Diskrepanzen verschiedener Art gibt“ {Unitatis redintegratio, Nr. 3). Wir können mit ihnen eins sein mit Hilfe verschiedener, sehr wichtiger Elemente, wie durch „das geschriebene Wort Gottes, das Leben der Gnade, Glaube, Hoffnung und Liebe und andere innere Gaben des Heiligen Geistes und sichtbare Elemente“ {ebd.). Das alles ist Erbe der einzigen Kirche Christi, die „in der katholischen Kirche verwirklicht ist“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Auch in bezug auf das Werk der Evangelisierung und Heiligung ist die Stellungnahme des Konzils klar und respektvoll. Es bekräftigt, daß die Kirchen und die kirchlichen Gemeinschaften nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles sind. ,Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen“ {Unitatis redintegratio, Nr. 3). Das alles birgt in sich den dringenden Ruf zur vollen Einheit. Es geht nicht einfach darum, alle geistlichen in den christlichen Gemeinschaften verstreuten Reichtümer zusammenzurechnen, um auf diese Weise gleichsam zu einer vollkommeneren Kirche zu gelangen, zu einer Kirche, auf die Gott für die Zukunft abzielte. Sondern es geht darum, jene Kirche voll zu verwirklichen, die Gott schon im Pfingstereignis in ihrer tiefen Wirklichkeit deutlich gemacht hat. Das ist das 127 AUDIENZEN UND ANGELUS Ziel, das wir alle anstreben müssen, die wir jetzt schon in der Hoffnung, im Gebet, in der Umkehr des Herzens und, wie es von uns oft verlangt wird, im Leiden eins sind, das von dem Kreuz Christi her seinen Wert erhält. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Während ich euch alle einlade, euch das Anliegen um die sichtbare Einheit aller Christen in der einen, heiligen katholischen und apostolischen Kirche zueigen zu machen, richte ich nochmals meinen herzlichen Willkommensgruß an euch alle. Mit besonderer Freude begrüße ich die zahlreichen Kinder, Jugendlichen und Schüler, ebenso den Kirchenchor und die Liedertafel der Pfarrei Gaspoltshofen in Österreich. Allen gelten meine besten Wünsche für erholsame Sommer und Ferientage. Euch, liebe Schwestern und Brüder, euren Lieben zu Hause sowie allen uns in diesem Augenblick geistlich Verbundenen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Beendet den Konflikt in Sri Lanka durch Dialog! Ich möchte meine tiefempfundene Anteilnahme an den Leiden so vieler Menschen zum Ausdruck bringen, die in den ethnischen Konflikt verwickelt sind, der sich in Sri Lanka ausbreitet. Allen, die ihre Lieben am vergangenen Sonntag bei der Bombardierung der Kirche und der Schule von Navalay verloren haben, bin ich in ihrem Schmerz nahe. Vom Herrn erbitte ich die ewige Ruhe für die Opfer und rufe zur Achtung der Zivilbevölkerung auf. Alle mahne ich, wie ich es bereits in der Vergangenheit getan habe, den Weg des Dialogs zu wählen, um diesem geliebten Land weitere unnötige Prüfungen zu ersparen. Maria Vorbild für jede Frau und Mutter Angelus in Castel Gandolfo am 23. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist ein „Zeichen der Zeit“, daß die Rolle der Frau nicht nur im Familienbereich, sondern auch auf dem ganzen Gebiet der sozialen Tätigkeiten immer mehr anerkannt wird. Ohne den Beitrag der Frauen verliert die Gesellschaft an Lebendigkeit, die Kultur wird ärmer, der Frieden unsicherer. Als äußerst ungerecht nicht nur den Frauen, sondern der ganzen Gesellschaft gegenüber sind deshalb solche Situationen zu bewerten, in denen die Frauen daran gehindert werden, alle ihre Fähigkeiten zu entwickeln und den Reichtum ihrer Gaben anzubieten. Gewiß muß 128 AUDIENZEN UNDANGELUS sich ihre Entfaltung außerhalb der Familie besonders in der Zeit, in der sie die schwierige Rolle der Mutterschaft übernehmen, unter Berücksichtigung dieser grundlegenden Aufgabe verwirklichen. Aber sobald dieses Erfordernis gewährleistet ist, muß man sich entschlossen darum bemühen, den Frauen größtmöglichen Raum in allen Bereichen der Kultur, der Wirtschaft, der Politik und selbst des kirchlichen Lebens zu geben, so daß das ganze menschliche Zusammenleben immer stärker durch die besonderen Gaben des Mannes und der Frau bereichert wird. 2. Die Frau hat wirklich ihren eigenen „Genius“, den die Gesellschaft und auch die Kirche dringend zum Leben brauchen. Es geht gewiß nicht darum, dem Mann die Frau gegenüberzustellen, weil es ja offensichtlich ist, daß die Dimensionen und Grundwerte die gleichen sind. Aber sie haben im Mann und in der Frau verschiedene Ausrucksformen, Wirkungen und Akzente, und gerade diese Verschiedenheit ist eine Quelle des Reichtums. In Mulieris dignitatem wies ich auf einen Aspekt des „Genius“ der Frau hin, den ich heute hervorheben möchte: Die Frau besitzt eine besondere Aufnahmebereitschaft für die konkrete menschliche Person (vgl. Nr. 18). Auch ihr einzigartiger Wesenszug, der sie nicht nur für eine leibliche, sondern auch affektive und geistige Mutterschaft bereit macht, gehört zum Plan Gottes, der der Frau den Menschen in einer besonderen Weise anvertraut hat (vgl. ebd., Nr. 30). Natürlich muß die Frau nicht weniger als der Mann darauf achten, daß sie ihre Sensibilität nicht der Versuchung zum besitzergreifenden Egoismus aussetzt, sondern in einer wahren Liebe zum Ausdruck bringt. Unter diesen Bedingungen zeitigt sie die besten Früchte und verbreitet überall einen Hauch von Hochherzigkeit, Güte und Lebensfreude. 3. Schauen wir auf das Vorbild der seligsten Jungfrau. In dem Bericht von der Hochzeit von Kana bietet uns das Johannesevangelium ein eindrucksvolles Bild ihrer Persönlichkeit, als er uns sagt, daß in der lebhaften Atmosphäre eines Hochzeitsmahls nur sie gemerkt hatte, daß der Wein zu Ende ging. Und um zu verhindern, daß die Freude der Brautleute sich in Verlegenheit und Unbehagen wandle, zögerte sie nicht, Jesus um sein erstes Wunder zu bitten. Das ist der „Genius“ der Frau! Die besondere frauliche und mütterliche Fürsorge und Aufmerksamkeit Marias sei das ideale Vorbild allen wahren Frau- und Mutterseins! Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Jetzt bin ich wieder in Castel Gandolfo zum gewohnten Sommeraufenthalt. Bei dieser ersten Begegnung mit euch möchte ich vor allem den Bischof der Diözese Albano, Dante Bemini, und seinen Weihbischof Paolo Gillet herzlich grüßen. Weiter grüße ich den Pfarrer, den Bürgermeister, die Gemeindeverwaltung und alle Bewohner von Castel Gandolfo. Meine Lieben, danke für euren Empfang! 129 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich grüße die Pilger und Besucher, insbesondere die Direktoren der Salesianergemeinschaften in Italien, die zu einem Fortbildungskurs in ihrem Mutterhaus zusammengekommen sind; die Mitglieder des Säkularinstitutes „Freiwillige Don Boscos“, die an der 4. ordentlichen Generalversammlung teilnehmen, und die Franziskaner Missionarinnen vom Heiligsten Herzen, die in diesen Tagen an einem geistlichen Emeuerungskurs teilnehmen. Ich wünsche jedem einzelnen einen frohen, für Leib und Seele erholsamen Sommerurlaub. Dieselben Wünsche entbiete ich allen, die am Meer, im Gebirge oder in den verschieden Ausflugsorten weilen. Ich wünsche ihnen, daß die Ferien für alle eine Zeit der verdienten Ruhe und der Erholung ihrer körperlichen und geistlichen Kräfte seien. Nicht zu vergessen sind diejenigen, die aus verschiedenen Gründen in der Stadt bleiben mußten. Ich denke besonders an die Kranken, die Alten und die Alleinstehenden: Ihnen verspreche ich ein besonderes Gebetsgedenken. Es gibt viele Kinder und viele Kranke. Beten wir gemeinsam während dieses Sommerurlaubs für alle Leidenden. In Deutsch sagte der Papst: Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache. Mögen diese sommerlichen Tage euch Erholung an Leib und Seele schenken und euch geistliche Besinnung ermöglichen. Dazu gelten euch meine besten Segenswünsche. Hilferuf Bosniens nicht überhören! Und wie könnte sich unsere besorgte Aufmerksamkeit nicht erneut den gemarterten Völkern von Bosnien zuwenden? Wie könnte man ihren herzzerreißenden Hilferuf überhören? Jeder leiste mutig und großherzig den eigenen Beitrag, damit auf dem Balkan die Grundbedingungen für ein friedliches Zusammenleben wiederhergestellt werden. Denen, die von der ungeheuerlichen Tragödie unmittelbar betroffen sind, wiederhole ich: Verliert nicht die Hoffnung! Wir sind euch nahe in Solidarität und vor allem im Gebet, welches das wirksamste Mittel ist, das wir haben, um zu erlangen, was menschlich scheinbar schwer zu erreichen ist. Ich lade vor allem euch hier Anwesende ein, zu beten. Wege ökumenischer Bewegung Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Juli 1. Die ökumenische Bewegung wird sowohl von den katholischen Gläubigen als auch von den Christen der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als eine sehr ernst zu nehmende Pflicht empfunden. Das II. Vatikanische Konzil hat sich dieses Anliegen zu eigen gemacht und im Dekret Unitatis redintegratio die 130 AUDIENZEN UND ANGELUS Grundlagen einer gesunden Ökumene festgelegt. Ich möchte heute die Hauptlinien hervorheben mit dem Hinweis, daß sie zusammen mit den praktischen Anleitungen in dem Direktorium fiir die Anwendung der Grundsätze und Normen über den Ökumenismus (Neuausgabe, Vatikanstadt 1993) im einzelnen beschrieben sind. Angesichts der Spaltung, unter der die christliche Welt seit Jahrhunderten leidet, darf man nicht untätig bleiben. Katholiken und Nichtkatholiken können nicht umhin, schmerzliche Betroffenheit zu empfinden, wenn sie ihre Spaltungen beobachten, die in so scharfem Gegensatz stehen zu den besorgten Worten Christi beim letzten Abendmahl (vgl. Joh 17,20-23). Gewiß, die von ihrem Stifter gewollte grundlegende Einheit der Kirche ist nie zerfallen: Sie ist unvergänglich in der katholischen Kirche, die am Pfingsttag durch das Geschenk des Heiligen Geistes an die Apostel geboren wurde und der traditionellen Linie hinsichtlich Lehre und Gemeinschaft treu geblieben ist, die auf dem Fundament der rechtmäßigen Hirten in Einheit mit dem Nachfolger Petri gründet. Es ist eine von der Vorsehung gefügte Tatsache, bei der dem Willen Christi zufolge die historischen Daten eng verknüpft sind mit den theologischen Grundlagen. Aber es ist nicht zu leugnen, daß die Einheit der Kirche in ihrer geschichtlichen Wirklichkeit in der Vergangenheit und in der Gegenwart weder die ganze Lebenskraft noch das volle Ausmaß aufweist, die sie gemäß den Forderungen des Evangeliums, von denen sie abhängt, haben könnte und sollte. 2. Die erste Haltung der Christen, die diese Einheit suchen und sich der Kluft bewußt sind, die zwischen der von Christus gewollten und der konkret verwirklichten Einheit besteht, kann keine andere sein als den Blick zum Himmel zu richten, um von Gott immer neue Anregungen für die Einheit unter der Inspiration des Heiligen Geistes zu erbitten. Den Weisungen des Konzils entsprechend, müssen wir vor allem den wesentlichen Wert des Gebets um die Einheit erkennen. Denn es ist nicht nur eine einfache Form von Eintracht oder guten menschlichen Einvernehmens. Jesus hat den Vater um eine Einheit der Gläubigen gebeten, die der göttlichen Gemeinschaft nachgebildet ist, durch die er und der Vater in der Einheit des Heiligen Geistes „eins sind“ {Joh 17,20-21). Es ist ein Ziel, das nur mit Hilfe der göttlichen Gnade erreicht werden kann. Daher die Notwendigkeit des Gebets. Anderseits macht die tägliche Feststellung, daß sich der ökumenische Einsatz auf einem Feld voll Schwierigkeiten entfaltet, die menschliche Unzulänglichkeit und die Dringlichkeit der vertrauensvollen Zuflucht zur göttlichen Allmacht noch viel stärker spürbar. Das verdeutlichen wir besonders in der Woche, die alljährlich dem Gebet um die Einheit der Christen gewidmet wird: Sie ist vor allem ein Augenblick des verstärkten Gebetes. Es ist wahr, daß diese wichtige Initiative auch Studien, Begegnungen und Meinungs- und Erfahrungsaustausche fördert, aber der hauptsächliche Zweck ist immer das Gebet. Auch bei vielen anderen Anlässen steht die Einheit der Gläubigen im Mittelpunkt der Gebetsmeinung der Kirche. Ja, man darf nicht vergessen, daß der Priester bei 131 AUDIENZEN UND ANGELUS jeder Eucharistiefeier kurz vor der Kommunion das Gebet um die Einheit und den Frieden der Kirche an den Herrn richtet. 3. Der andere Beitrag, den das Konzil von jedem Christen fordert, ist der aktive Einsatz für die Einheit. An erster Stelle durch das Denken und das Wort: Die Katholiken sind aufgerufen, „alles Bemühen zur Ausmerzung aller Worte, Urteile und Taten, die der Lage der getrennten Brüder nach Gerechtigkeit und Wahrheit nicht entsprechen und dadurch die gegenseitigen Beziehungen mit ihnen erschweren“ (Unitatis redintegratio, Nr. 4), zu verstärken. Während ich diese wichtige Empfehlung betone, fordere ich alle auf, die Vorurteile zu überwinden und eine Haltung lebendiger Nächstenliebe und herzlicher Hochschätzung einzunehmen und die Elemente der Einheit mehr zu betonen als die der Spaltung, sofern der Schutz des gesamten von den Aposteln überlieferten Erbes gesichert ist. Es ist außerdem notwendig, den Dialog für ein besseres gegenseitiges Kennenlernen zu pflegen. Wenn er von kompetenten Personen geführt wird (vgl. Enyklika Ut unum sint, Nr. 81), kann er ein Wachstum der Hochschätzung und des Verständnisses unter den verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften fördern und „eine stärkere Zusammenarbeit in den Aufgaben des Gemeinwohls, die jedes christliche Gewissen fordert“ (Unitatis redintegratio, Nr. 4). Grundlage des Dialogs und jeder anderen ökumenischen Initiative muß eine aufrichtige und konsequente Bereitschaft sein, die Erscheinungsformen der Gnade in den Brüdern zu erkennen, die mit uns noch nicht in voller Gemeinschaft stehen. Das Konzil lehrt, daß „es notwendig (ist), daß die Katholiken die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe mit Freude anerkennen und hochschätzen, die sich bei den von uns getrennten Brüdern finden“ (ebd.). Aber „auf diesem mutigen Weg zur Einheit halten uns die Klarheit und die Klugheit des Glaubens an, die falsche Irenik und die Nichtbeachtung der Normen der Kirche zu vermeiden“ (Enzyklika Ut unum sint, Nr. 79). Das Gute, die Tugend und das Streben nach immer größerer Gnade, die in den anderen Kirchen vorhanden sind, zu suchen und zu erkennen, trägt auch zu unserer Auferbauung bei. 4. Um wahr und fruchtbringend zu sein, erfordert die ökumenische Bewegung auch von seiten der katholischen Gläubigen einige Grundhaltungen. Vor allem die Liebe, gepaart mit der Zuneigung und dem lebhaften Wunsch, dort, wo es möglich ist, mit den Brüdern der anderen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. An zweiter Stelle die Treue zur katholischen Kirche, ohne die Fehler zu verkennen oder zu leugnen, die durch das Verhalten mancher ihrer Glieder begangen wurden. An dritter Stelle den Geist der Unterscheidung, um das, was gut und lobenswert ist, hochzuschätzen. Schließlich ist ein ehrlicher Wille zur Läuterung und Erneuerung erforderlich sowohl durch das persönliche Streben nach christlicher Vollkommenheit als auch das ihrer jeweiligen Stellung ensprechende Bemühen aller, „daß die Kirche, die die Niedrigkeit und das Todesleiden Christi an ihrem Leibe trägt (vgl. 2 Kor 4,10; 132 AUDIENZEN UND ANGELUS Phil 2,5-8), von Tag zu Tag geläutert und erneuert werde, bis Christus sie sich dereinst glorreich darstellt, ohne Makel und Runzeln (vgl. Eph 5,27)“ (Unitatis redintegratio, Nr. 4). 5. Das ist kein utopisches Ziel: Es kann und muß Tag für Tag, Jahrhundert um Jahrhundert und von Person zu Person verwirklicht werden, wie lang die geschichtliche Zeitspanne und wie verschieden ihre zum Großteil unvorhersehbaren Schicksale auch sein mögen. In dieser Sicht schreitet die ökumenische Bewegung voran, die deshalb in einen viel weiteren Kontext gestellt ist als in den des Problems der individuellen Zugehörigkeit zur katholischen Kirche seitens einzelner Personen, die von anderen christlichen Gemeinschaften stammen und deren Vorbereitung und Wiederaufnahme nicht im Gegensatz stehen zur ökumenischen Initiative, „da beides aus dem wunderbaren Ratschluß Gottes hervorgeht“ (ebd.). Deshalb schließen wir die heutige Katechese mit dem Wunsch und der Aufforderung, daß alle in der Kirche die Einheit in den notwendigen Dingen zu wahren wissen und daß sie die rechte Freiheit der Suche, des Dialogs, der Gegenüberstellung und der Zusammenarbeit mit all denen besitzen, die sich zu Jesus Christus, unserem Herrn, bekennen. Mögen alle immer die Liebe bewahren, die der beste Ausdruck des Willens ist, die geschichtliche Erscheinungsform der Einheit und der Katholizität der Kirche zu vervollkommnen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Überlegungen heiße ich euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache, herzlich willkommen. Ich wünsche euch in diesen Sommertagen Erholung und geistige Besinnung. Euch und euren Lieben zu Hause erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Bedeutung der Frau als Erzieherin Angelus in Castel Gandolfo am 30. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der Botschaft, die ich am 26. Mai dieses Jahres der Generalsekretärin der kommenden Konferenz von Peking, Frau Gertrude Mongella, übergab, wies ich darauf hin, daß es für eine höhere Wertschätzung der Sendung der Frau in der Gesellschaft angebracht wäre, die Geschichte noch einmal und weniger einseitig niederzuschreiben. Leider hat eine gewisse Geschichtsschreibung mehr auf außerordentliche und sensationelle Ereignisse als auf den gewöhnlichen Lebensrhythmus geachtet, und die Geschichte, die sich daraus ergibt, handelt beinahe nur von den Leistungen der Männer. Hier ist eine Trendwende nötig. „Wieviel muß noch über die riesige Schuldverpflichtung der Männer gegenüber den Frauen in jedem Bereich des sozialen und kulturellen Fortschrittes gesagt und geschrieben werden!“ 133 AUDIENZEN UND ANGELUS (iebd., Nr. 6). In der Absicht, dazu beizutragen, diese Lücke zu füllen, möchte ich im Namen der Kirche sprechen und dem vielfältigen, überaus großen wenn auch oft verborgenen Beitrag der Frauen in allen Bereichen des menschlichen Lebens volle Anerkennung zollen. 2. Heute möchte ich die Frau als Erzieherin besonders heraussteilen. Es ist eine äußerst positive Tatsache, daß in den Ländern, wo das Schulwesen am weitesten fortgeschritten ist, die Anzahl der weiblichen Lehrkräfte immer weiter ansteigt. Aufgrund dieser wachsenden Miteinbeziehung der Frau in die Schule kann man ohne weiteres auf eine Verbesserung des Erziehungsprozesses selbst hoffen. Diese Hoffnung ist begründet, wenn man die tiefe Bedeutung der Erziehung erwägt, die sich nicht auf eine trockene Vermittlung von Kenntnissen beschränken darf, sondern auf das Wachstum des Menschen in der Gesamtheit seiner Dimensionen hinzielen muß. Wie könnte man unter diesem Gesichtspunkt nicht die Bedeutung des „Genius der Frau“ erfassen? Er ist geradezu unerläßlich für die Ersterziehung in der Familie. Seine „erzieherische“ Wirkung beginnt für das Kind, wenn es noch im Mutterleib ist. Aber nicht weniger wichtig ist die Rolle der Frau für den weiteren Bildungsverlauf. Sie besitzt eine einzigartige Fähigkeit, die Person in ihrer Konkretheit zu sehen, sie hat ein besonderes Gespür für deren Bestrebungen und Bedürfnisse und weiß sich für die Probleme mit großer Anteilnahme zu engagieren. Die universalen Werte selbst, die jede gesunde Erziehung immer anbieten muß, werden von der Sensibilität der Frau in einer Tonart angeboten, die die des Mannes ergänzt. Deshalb wird das gesamte Bildungsangebot gewiß bereichert, wenn Männer und Frauen gemeinsam an den Bildungsplänen und -einrichtungen mitarbeiten. 3. Die seligste Jungfrau leite diese wiederentdeckte Sendung der Frau im Erziehungsbereich. Maria hatte zu ihrem göttlichen Sohn ein einzigartiges Verhältnis: Einerseits war sie seine gelehrige Jüngerin, indem sie seine Worte in ihrem Herzen bewahrte; anderseits half sie als Mutter und Erzieherin seiner Menschheit, daß „seine Weisheit zunahm und er bei Gott und den Menschen Gefallen fand“ (vgl. Lk 2,52). Auf sie mögen die Frauen und die Männer schauen, die im Bildungswesen tätig sind und sich bemühen, die Zukunft des Menschen zu bauen. Wort und Antwort im ökumenischen Dialog Ansprache bei der Generalaudienz am 2. August 1. In der vorhergehenden Katechese betonten wir, daß das II. Vatikanische Konzil das Gebet als unerläßliche Grundpflicht der Christen, welche die klare Absicht haben, sich um die volle Verwirklichung der von Christus gewollten Einheit zu bemühen, bezeichnet hat. Das Konzil erklärt weiter, daß die ökumenische Bewegung „Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten“ ist, eines 134 AUDIENZEN UND ANGELUS jeden, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben als auch bei theologischen und historischen Untersuchungen (vgl. Unitatis redin-tegratio, Nr. 5). Das heißt, daß die Verantwortlichkeit in diesem Bereich auf mehreren Ebenen bedacht werden kann und muß. Sie bezieht alle Christen mit ein, betrifft aber verständlicherweise einige, wie z. B. die Theologen und Historiker, in ganz besonderer Weise. Schon vor zehn Jahren habe ich betont, es gelte „in allem das Bemühen zu beweisen, daß wir dem entgegenkommen wollen, was unsere christlichen Brüder berechtigterweise wünschen und von uns erwarten, da wir ihre Denkweise und ihre Gefühle kennen ... Die Gaben jedes einzelnen müssen zum Nutzen und Vorteil aller entwickelt und entfaltet werden“ (Ansprache an die Römische Kurie am 28.6.1985, in: O.R.dt., Nr. 27 vom 5.7.85, S. 1). 2. Wir können die Hauptwege aufzählen, die das Konzil für den Verlauf der ökumenischen Bewegung vorschlägt. Es weist vor allem auf die Notwendigkeit einer ständigen Erneuerung hin. „Die Kirche - so lehrt das Konzil - wird auf dem Wege ihrer Pilgerschaft von Christus zu dieser dauernden Reform gemfen, deren sie allzeit bedarf, soweit sie menschliche und irdische Einrichtung ist“ (Unitatis redintegratio, Nr. 6). Es ist eine Reform, die sowohl die Gebräuche als auch die Disziplin betrifft. Man kann hinzufügen, daß diese Notwendigkeit von oben kommt, das heißt vom göttlichen Plan, der die Kirche in einen Zustand ständiger Entwicklung versetzt. Das bedeutet eine Anpassung an die geschichtlichen Umstände, aber auch und vor allem das Fortschreiten in der Erfüllung ihrer Berufung als immer angemessenere Antwort auf die Erfordernisse des Heilsplanes Gottes. Ein weiterer Hauptpunkt ist das Bemühen der Kirche, sich der Mängel und Fehler bewußt zu werden, mit denen ihre Glieder auf dem Pilgerweg der Geschichte aufgrund der menschlichen Schwäche behaftet sind. Das gilt vor allem für die Sünden, die auch von seiten der Katholiken gegen die Einheit begangen wurden. Nicht zu vergessen ist die Mahnung von Johannes: „Wenn wir sagen, daß wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns“ (7 Joh 1,10). Gerade im Hinblick auf diese Mahnung betont das Konzil: ,Jn Demut bitten wir also Gott und die getrennten Brüder um Verzeihung, wie auch wir unseren Schuldigem vergeben“ (Unitatis redintegratio, Nr. 7). Als sehr wichtig erweist sich auf diesem Weg die Klärung des geschichtlichen Bewußtseins, denn „ein jeder muß sich also grundlegender zum Evangelium bekehren und, ohne je den Plan Gottes aus den Augen zu verlieren, seinen Blick ändern“ (Enzyklika Ut unum sint, Nr. 15). 3. Außerdem ist daran zu erinnern, daß die Eintracht mit den Brüdern der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschafen wie übrigens mit dem Nächsten ganz allgemein in der Bestimmung wurzelt, ein Christus ähnlicheres Leben zu führen. Deshalb wird die Heiligkeit des Lebens, die durch die Gottverbundenheit mittels der Gnade des Geistes gewährleistet wird, auch die Einheit aller Jünger Christi 135 A UDIENZEN UND ANGELUS ermöglichen und entfalten, weil die Einheit ein Geschenk ist, das von oben kommt. Mit der ,3ekehrung des Herzens“ und der „Heiligkeit des Lebens“ geht in der ökumenischen Bewegung auch das „private und öffentliche Gebet für die Einheit der Christen“ einher, das man bei verschiedenen Gelegenheiten undbesonders anläßlich ökumenischer Begegnungen zu fördern pflegt. Es ist um so notwendiger, je mehr man die Schwierigkeiten auf dem Weg zur vollen und sichtbaren Einheit erkennt. Nur so versteht man, daß allein durch die göttliche Gnade ein wirklicher Fortschritt auf die von Christus gewollte Einheit hin erzielt werden kann. Lobenswert ist deshalb jede Gelegenheit, wo die Jünger Christi Zusammenkommen, um von Gott das Geschenk der Einheit zu erflehen. Das Konzil erklärt, daß das nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht ist (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 8). Wie man sich bei diesen verschiedenen Anlässen und Umständen der Zeit, des Ortes und der Personen konkret zu verhalten hat, soll im Einvernehmen mit dem Ortsbischof gemäß den Bestimmungen der Bischofskonferenzen und des Heiligen Stuhles entschieden werden (vgl. ebd.; Ökumenisches Direktorium, Nm. 28-34). 4. Man wird sich besonders eingehend darum bemühen müssen, sowohl die Sinnesart als auch die Lehre sowie das geistliche und liturgische Leben der Brüder der getrennten Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften kennenzulemen. Dazu dienen „gemeinsame Zusammenkünfte, besonders zur Behandlung theologischer Fragen, ... bei denen ein jeder mit dem anderen auf der Ebene der Gleichheit spricht (,par cum pari agat‘), vorausgesetzt, daß die, die unter der Aufsicht ihrer Oberen daran teilnehmen, wirklich sachverständig sind“ (Unitatis redintegratio, Nr. 9). Diese Studientreffen müssen von dem Wunsch geleitet werden, die Güter des Geistes und des Wissens in einem wirklichen Gabenaustausch im Licht der Wahrheit Christi und mit aufnahmebereitem Herzen (vgl. ebd.) zu vereinen. Eine von der Leidenschaft für die Wahrheit in der Liebe beseelte Methodologie erfordert von allen Teilnehmern ein dreifaches Bemühen: den eigenen Standpunkt deutlich zu machen, sich anzustrengen, die anderen zu verstehen, und die Punkte der Übereinstimmung herauszuarbeiten. Auch in bezug auf diese Formen der ökumenischen Bewegung empfiehlt das Konzil, daß die Unterweisung in der Theologie und in anderen vor allem historischen Fächern „auch unter ökumenischem Gesichtspunkt geschehen“ muß (Unitatis redintegratio, Nr. 10). Sie wird jede Polemik vermeiden, aber die Übereinstimmungen und die Verschiedenheiten aufzeigen, die es zwischen den einzelnen Teilen gibt in der Art, die Glaubenswahrheiten zu verstehen und darzustellen. Es ist klar, daß die Festigkeit im definierten Glauben nicht erschüttert wird, wenn eine wirkliche Verbundenheit mit der Kirche die Grundlage der ökumenischen Methodologie in der Bildungsarbeit ist. 136 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Auf der gleichen Basis müssen die Modalitäten des Dialogs beruhen. In ihm muß die katholische Lehre in ihrer Durchsichtigkeit und in ihrer Unversehrtheit dargelegt werden: „Nichts ist dem ökumenischen Geist so fern wie jener falsche Irenismus, durch den die Reinheit der katholischen Lehre Schaden leidet und ihr ursprünglicher und sicherer Sinn verdunkelt wird“ (Unitatis redintegratio, Nr. 11). Das Bemühen der Theologen soll es also sein, den katholischen Glauben grundlegend und genau zu erklären. Sie müssen „mit Wahrheitshebe, mit Liebe und Demut Vorgehen“. Bei der Gegenüberstellung der kirchlichen Lehren sollen sie der Weisung des Konzils entsprechend berücksichtigen, „daß es eine Rangordnung oder ,Hierarchie1 der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens“ (ebd.). In diesem wichtigen Punkt müssen sie gut vorbereitet und fähig sein, die Beziehung zu unterscheiden, die die verschiedenen Thesen und die Glaubensartikel selbst zu den beiden Grundwahrheiten des Christentums haben: zur Dreifaltigkeit und zur Menschwerdung des Wortes, des Sohnes Gottes, „propter nos homines et propter nostram salutem“ („für uns Menschen und zu unserem Heil“). Die katholischen Theologen dürfen keine Wege beschreiten, die im Gegensatz zu dem von den Vätern gelehrten und den Konzilien bekräftigten apostolischen Glauben stehen. Sie müssen immer von der demütigen und aufrichtigen Annahme der Mahnung ausgehen, die das Konzil gerade in bezug auf den ökumenischen Dialog wiederholt hat: „Vor der ganzen Welt sollen alle Christen ihren Glauben an den einen, dreifältigen Gott, an den menschgewordenen Sohn Gottes, unsem Erlöser und Herrn, bekennen“ (Unitatis redinte gratio, Nr. 12). Das Recht auf Leben in Gefahr! Diese Sommermonate, für viele eine Zeit der Erholung und Ferien, werden weiterhin von der schrecklichen Gewalt verdüstert, die ohne Unterbrechung die Völker von Bosnien-Herzegowina zu vernichten scheint. Wir sind alle Zeugen: Wer wird in Zukunft sagen können, er habe nichts davon gewußt? Tag für Tag verfolge ich diese Tragödie und schließe die unsäglichen Leiden dieser Völker in mein Gebet ein: die Verlassenheit der Kinder, die todbringende Erschöpfung der Alten, die Angst und den Mut der Frauen, die Vernichtung der Menschen. Alles lebt in meinem Herzen. Zum wiederholten Mal bitte ich die internationalen Instanzen, ihr schwieriges Werk der Überzeugungskunst bei den kämpfenden Parteien fortzuführen. Die Suche nach der Gerechtigkeit, die Achtung vor dem Nächsten und das Mitleid mit all diesen Völkern ohne Unterschied mögen die Entscheidungen der Verantwortlichen der Nationen inspirieren. Aufrichtige und beharrliche Verhandlungen, begleitet von konkreten Gesten des guten Willens, mögen das Ziel aller Initiativen sein. Beunruhigend ist der Gedanke, daß ein Verstärken der militärischen Hand- 137 AUDIENZEN UND ANGELUS lungen, auf welcher Seite auch immer, zu schwer voraussehbaren und kontrollierbaren Entwicklungen führen könnte. In diesem Teil Europas steht das Recht auf Leben von Tausenden unserer Brüder und Schwestern auf dem Spiel. Niemand darf darüber entscheiden, wer das Recht auf Leben hat und wer sterben muß. Das kann nur Gott allein, „der allen das Leben, den Atem und alles gibt“ (Apg 17,25). Er inspiriere alle mit Gefühlen des Friedens und der Menschlichkeit! Eine Weltkultur braucht den GENIUS der Frau Angelus in Castel Gandolfo am 6. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Besinnung über die Sendung der Frau, eine Reflexion, die uns in diesen Wochen der Vorbereitung auf das Treffen in Peking begleiten soll, möchte ich heute mit einem Gedanken des Dieners Gottes Paul VI. beginnen, der vor gerade 17 Jahren hier in Castel Gandolfo gestorben ist. Als er 1970 anläßlich des hundertsten Gedenktages der Geburt von Maria Montessori über sie sprach, machte er darauf aufmerksam, daß das Geheimnis ihres Erfolges, ja in gewissem Sinn die Wurzeln ihrer wissenschaftlichen Verdienste, in ihrer Seele zu suchen seien, das heißt in jenem geistigen und zugleich fraulichen Feingefühl, das sie zu der „vitalen Entdeckung“ des Kindes führte und sie auf dieser Grundlage ein neues, eigenes Erziehungsmodell aufbauen ließ (vgl. Insegnamenti di Paolo VI, VIII, 1970, S. 888). Der Name Montessori steht für die vielen Frauen, die Bedeutendes zum Fortschritt der Kultur beigetragen haben. Leider aber muß man, wenn man die geschichtliche Wirklichkeit objektiv betrachtet, mit Betrübnis feststellen, daß auch Frauen von diesem Niveau unter einer systematischen Ausgrenzung zu leiden hatten. Zu lange hat man ihnen den Wirkungsbereich außerhalb der Familie verwehrt oder eingeschränkt, und groß mußte der Unternehmungsgeist der auf solche Weise gestraften Frauen sein, denen es trotzdem gelang, sich durchzusetzen. 2. Und jetzt also wird der Unterschied zwischen den kulturellen Möglichkeiten des Mannes und der Frau überall ausgeglichen. Von Herzen wünsche ich, die kommende Konferenz in Peking möge in dieser Richtung einen entscheidenden Anstoß geben. Nicht nur den Frauen, sondern auch der Kultur wird es von Nutzen sein, denn die umfassende und vielgestaltige Welt des Geistes und der Kunst bedarf mehr denn je des „Genius“ der Frau. Das ist sicherlich keine leere Behauptung. Das kulturelle Schaffen ruft die menschliche Person in ihrer Ganzheit auf den Plan, in ihrem zweifachen und sich gegenseitig ergänzenden Empfinden des Mannes und der Frau. 138 AUDIENZEN UND ANGELUS Das ist immer von Bedeutung, besonders aber da, wo es sich um die letzten Fragen des Seins handelt: Wer ist der Mensch? Welches ist seine Bestimmung? Was ist der Sinn des Lebens? Diese entscheidenden Fragen finden keine angemessene Antwort in den Laboratorien der positiven Wissenschaft, sie befragen vielmehr das Tiefste im Menschen und erfordern ein sozusagen globales Denken, das sich auf den Horizont des Geheimnisses einzustellen weiß. Wie könnte man unter diesem Gesichtspunkt den Beitrag des fraulichen Gemütes unterschätzen? Wenn die Frauen nicht nur als Nutznießerinnen, sondern immer mehr als qualifizierte Hauptbeteiligte in alle Bereiche der Kulturwelt einsteigen - von der Philosophie bis zur Theologie, von den Humanwissenschaften bis zu den Naturwissenschaften, von der gestaltenden Kunst bis zur Musik - dann ist damit der Menschheit ein Grund zu großer Hoffnung gegeben. 3. Mit Vertrauen wollen wir unseren Blick zur heiligen Jungfrau erheben. Sie trug nicht weniger als die anderen Frauen ihrer Zeit an der Last einer Epoche, die ihnen sehr wenig Raum zugestand. Und doch zögerte der Sohn Gottes nicht, sich in gewisser Weise in ihre Schule zu begeben! Möge Maria allen Frauen der Welt das volle Wissen um ihre Leistungsfähigkeit und um ihre Rolle im Dienst an einer Kultur erlangen, die immer mehr echt menschlich und dem Plan Gottes entsprechend ist. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Gedenken der Explosionen der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki vor 50 Jahren Ich möchte noch einmal die tragischen Ereignisse vor fünfzig Jahren in Erinnerung rufen, die mit der Explosion der Atombombe über Hiroshima und Nagasaki unser Jahrhundert in tragischer Weise gezeichnet haben. Wie ein Angsttraum lastet auf dem Bewußtsein der Menschheit die Erinnerung an diese mörderischen Ausbrüche, die zum sprechenden Symbol von Leid und Zerstörung aller Art geworden sind. Aber hat die Menschheit aus der traurigen Lektion jener unheilvollen Ereignisse Lehren gezogen? Auch heute muß ich leider mit euch meine tiefe Besorgnis angesichts der tragischen Entwicklungen der Situation in Kroatien und Bosnien-Herzegowina teilen. Man hatte gehofft, die letzten Verhandlungen in Genf würden dazu geführt haben, Brücken auf dem Weg zum Frieden zu bauen. Leider aber haben die Waffen wieder gesprochen. Beten wir inständig, daß niemand sich mit einer solchen Situation abfinde. Daß die Gewalt nicht den aufrichtigen und beharrlichen Dialog ersticke! Nichts möge versäumt werden, um neue menschliche Tragödien zu vermeiden! Dieses Gebet richte ich mit euch an die Jungfrau Maria, die Königin des Friedens. 139 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Ökumenismus in den Beziehungen zu den Orientalischen Kirchen Ansprache bei der Generalaudienz am 9. August 1. Beim Thema des Ökumenismus ist besonders wichtig, was das Zweite Vatikanische Konzil hinsichtlich der Beziehungen zwischen den orthodoxen orientalischen Kirchen und der katholischen Kirche betont: daß nämlich die jetzt bestehende Trennung nicht den langen Weg vergessen lassen darf, der im Zeichen der Treue zum gemeinsamen apostolischen Erbe miteinander zurückgelegt wurde. „Die Kirchen des Orients und des Abendlandes sind Jahrhunderte hindurch je ihren besonderen Weg gegangen, jedoch miteinander verbunden in brüderlicher Gemeinschaft des Glaubens und des sakramentalen Lebens, wobei dem Römischen Stuhl mit allgemeiner Zustimmung eine Führungsrolle zukam, wenn Streitigkeiten über Glaube oder Disziplin unter ihnen entstanden“ (Unitatis redintegratio, Nr. 14). Während dieser Geschichtsperiode hatten die orientalischen Kirchen ihre eigene Weise, das Geheimnis des gemeinsamen Glaubens zu feiern und zum Ausdruck zu bringen und die Disziplin zu beachten. Diese rechtmäßigen Unterschiede bildeten kein Hindernis, das dem Petrus und seinen Nachfolgern anvertraute Amt anzuerkennen. 2. Während des gemeinsam zurückgelegten Weges hat das Abendland in den Dingen der Liturgie, der geistlichen Tradition und der rechtlichen Ordnung viel vom Osten empfangen. Ferner wurden „die Grunddogmen des christlichen Glaubens von der Dreifaltigkeit und von dem Wort Gottes, das aus der Jungfrau Maria Fleisch angenommen hat, auf ökumenischen Konzilien definiert, die im Orient stattgefunden haben“ (ebd.). Die in den ersten Jahrhunderten im Orient zustande gekommene Entfaltung der Lehre war entscheidend für die Formulierung des universalen Glaubens der Kirche. Hier möchte ich mit tiefer Verehrung an die von einigen ökumenischen Konzihen der ersten Jahrhunderte definierten Lehren erinnern: die Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater (Konzil von Nizäa, 325), die Göttlichkeit des Heiligen Geistes (Erstes Konzil von Konstantinopel, 381), die Gottesmutterschaft Mariens (.Ephesus, 431), die eine Person und die zwei Naturen in Christus (Chalkedon, 451). Von diesem grundlegenden und entscheidenden Beitrag für den christlichen Glauben müssen die thematischen Entwicklungen ihren Ausgang nehmen, die es gestatten, immer tiefer den „unergründlichen Reichtum“ des Geheimnisses Christi auszuloten (vgl. Eph 3,8). Das Zweite Vatikanische Konzil hat es vermieden, auf die Umstände der Trennung zurückzukommen und bei der Wertung der gegenseitigen Vorwürfe zu verweilen. Es macht lediglich darauf aufmerksam, daß das gleiche von den Aposteln überkommene Erbe sich hier und dort, im Orient und im Abendland, unterschiedlich entwickelt hat, „wobei auch die Verschiedenheit der Mentalität und der Lebens Verhältnisse eine Rolle spielten“ (Unitatis redintegratio, Nr. 14). Das alles hat „neben äußeren Gründen auch infolge des Mangels an Ver- 140 AUDIENZEN UNDANGELUS ständnis und Liebe füreinander zu der Trennung Anlaß geboten“ (ebd.). Die Erinnerung an die schmerzlichen Seiten der Vergangenheit soll uns aber nicht hinter Barrieren von gegenseitigen Beschuldigungen und Auseinandersetzungen gefangen halten, sondern zu gegenseitigem Verstehen und gegenseitiger Liebe jetzt und auch in Zukunft anspomen. 3. In dieser Hinsicht möchte ich hervorheben, welch große Hochachtung das Konzil den geistlichen Schätzen des christlichen Ostens entgegenbringt, angefangen bei den Schätzen der heiligen Liturgie. Die orientalischen Kirchen vollziehen die liturgischen Handlungen mit viel Liebe. Das gilt in besonderer Weise für die Feier der Eucharistie, in der „die Quelle des Lebens der Kirche und das Unterpfand der kommenden Herrlichkeit“ (Unitatis redintegratio, Nr. 15) immer mehr zu entdecken wir alle berufen sind. In ihr haben „die Gläubigen, mit ihrem Bischof geeint, Zutritt zu Gott dem Vater ... durch den Sohn, das fleischgewordene Wort, der gelitten hat und verherrlicht wurde, in der Ausgießung des Heiligen Geistes, und so (erlangen) sie die Gemeinschaft mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit, indem sie ,der göttlichen Natur teilhaftig1 (2 Petr 1,4) geworden sind. So baut sich auf und wächst... in diesen Einzelkirchen die Kirche Gottes“ (ebd.). Das Dekret über den Ökumenismus erinnert sodann an die Verehrung, die die Orientalen Maria, der allezeit jungfräulichen Gottesmutter, erweisen, die sie mit herrlichen Hymnen preisen. Der der Theotökos gewidmete Kult stellt die wesentliche Bedeutung Marias im Erlösungswerk ins Licht und erhellt auch den Sinn und den Wert der Heiligenverehrung. Schließlich weist das Dekret noch besonders hin auf die geistlichen Traditionen, vor allem die des monastischen Lebens, und es bemerkt diesbezüglich, daß aus dieser Quelle „das Ordenswesen der Lateiner seinen Ursprung nahm und immer wieder neue Kraft erhielt“ (ebd.). Der Beitrag des Orients zum Leben der Kirche Christi war und bleibt sehr bedeutend. Darum lädt das Konzil die Katholiken mit Nachdruck ein, die große Bedeutung wahrzunehmen, „die der Kenntnis, Verehrung, Erhaltung und Pflege des überreichen liturgischen und geistlichen Erbes der Orientalen zukommt, damit die Fülle der christlichen Tradition in Treue gewahrt und die völlige Wiederversöhnung der orientalischen und der abendländischen Christen herbeigeführt werde“ (ebd.). Vor allem sind die Katholiken eingeladen, „sich mehr mit den geistlichen Reichtümem der orientalischen Väter vertraut zu machen“ in einer Tradition, die „den Menschen in seiner Ganzheit zur Betrachtung der göttlichen Dinge emporführt“ (ebd.). 4. Bezüglich der Aspekte der Interkommunion bestätigt und erläutert das vor einiger Zeit erschienene ökumenische Direktorium näher, was bereits vom Konzil erklärt wurde, das heißt, daß eine gewisse Interkommunion möglich ist, da die orientalischen Kirchen wirkliche Sakramente besitzen, vor allem das Priestertum und die Eucharistie. 141 AUDIENZEN UND ANGELUS Über diesen heiklen Punkt wurden bestimmte Anweisungen herausgegeben, wonach jeder Katholik, wenn es ihm nicht möglich ist, einen katholischen Priester zu erreichen, die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung vom Amtsträger einer orientalischen Kirche empfangen darf (vgl. Direktorium, Nr. 123). Umgekehrt dürfen die katholischen Amtsträger rechtmäßig die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung den orientalischen Christen spenden, die darum bitten. Es muß aber jede Art pastoralen Handelns unterbleiben, die nicht voll und ganz die Würde und die Freiheit des Gewissens respektiert (vgl. Direktorium, Nr. 125). Auch sind für andere spezifische Fälle in besonderen konkreten Situationen Formen der Gemeinschaft „in sacris“ vorgesehen und geregelt. In diesem Zusammenhang möchte ich an jene orientalischen Kirchen, die in voller Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom leben, dabei aber ihre alten liturgischen, disziplinären und geistlichen Traditionen weiterpflegen, einen herzlichen Gruß richten. Sie legen ein besonderes Zeugnis ab für jene Verschiedenheit in der Einheit, die zur Schönheit der Kirche Christi beiträgt. Die ihnen anvertraute Sendung besteht heute mehr denn je darin, der von Christus für seine Kirche gewollten Einheit zu dienen und am „Dialog der Liebe und am theologischen Dialog sowohl auf lokaler wie auf universaler Ebene teilzunehmen und so zum gegenseitigen Verständnis beizutragen“ (Enzyklika Ut unum sint, Nr. 60). 5. Nach dem Konzil haben „die Kirchen des Orients im Bewußtsein der notwendigen Einheit der ganzen Kirche die Fähigkeit, sich nach ihren eigenen Ordnungen zu regieren“ (Unitatis redintegratio, Nr. 16). Es besteht auch eine rechtmäßige Verschiedenheit in der Weitergabe der einen, von den Aposteln überkommenen Lehre. Nicht selten ergänzen sich die verschiedenen theologischen Formeln des Orients und des Abendlandes eher, als daß sie im Gegensatz zueinander stehen. Das Konzil bemerkt ferner, daß die „authentischen theologischen Traditionen der Orientalen in ganz besonderer Weise in der Heiligen Schrift verwurzelt sind“ (Unitatis redintegratio, Nr. 17). Wir wollen also immer mehr lernen, was das Konzil hinsichtlich der Achtung gegenüber den Ostkirchen in ihren Gewohnheiten, ihren Gebräuchen und ihren geistlichen Traditionen lehrt und empfiehlt. Wir sollten danach trachten, Beziehungen aufrichtiger Liebe und fruchtbarer Zusammenarbeit mit ihnen zu pflegen in voller Treue zur Wahrheit. Wir müssen unbedingt ihren Wunsch teilen und wiederholen, daß „die brüderliche Zusammenarbeit mit ihnen im Geist der Liebe und unter Ausschluß jeglichen Geistes streitsüchtiger Eifersucht wachse“ (Unitatis redintegratio, Nr. 18). Ja, möge der Herr uns das wirklich gewähren, als Geschenk seiner Liebe zur Kirche unserer Zeit! 142 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen kurzen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich und wünsche euch einen erholsamen Urlaub. Euch allen, euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gern meinen Apostolischen Segen. Frauen als Engel des Trostes Angelus in Castel Gandolfo am 13. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Eine lange, zum größten Teil ungeschriebene Geschichte bezeugt die bevorzugte Rolle, welche die Frauen seit jeher in Situationen des Leides, der Krankheit, der Ausgrenzung oder des Alters spielen, wenn der Mensch sich besonders schwach und einer Freundeshand bedürftig erweist. Man könnte sagen, in manchen Fällen gibt die Berufung der Frau zur Mutterschaft ihr ein feineres Empfinden für das, was andere brauchen, und läßt sie in schöpferischer Sorge Antwort darauf geben. Wenn zu diesen natürlichen Gaben noch eine bewußte Haltung der Selbstlosigkeit - und vor allem die Kraft des Glaubens und der Liebe im Geist des Evangeliums - hinzukommen, dann geschehen wahre Wunder der Hingabe. Als Beispiel möchte ich an das Werk erinnern, das vor nunmehr dreihundert Jahren die hl. Louise de Marillac auf dem vom hl. Vinzenz von Paul vorgezeichneten Weg vollbracht hat. Diese unermüdliche Frau trug eine Nächstenliebe im Herzen, die keine Grenzen kannte. Kranken, Mittellosen, Alten, verlassenen Kindern, zur Zwangsarbeit Verurteilten: Allen diente sie mit der Liebe einer Mutter und mit den außerordentlichen Gaben eines konkreten Organisationstalentes. Johannes XXIII. hat sie 1960 sehr passend zur himmlischen Patronin all derer erklärt, die sich christlichen sozialen Werken widmen (vgl. AAs^cioeojssö-ses). 2. Wie viele Frauen aber gibt es in der christlichen Gemeinschaft und in der zivilen Gesellschaft, die für zahllose Leidende zu Engeln des Trostes geworden sind! Ich möchte ihnen erneut den Dank der Kirche aussprechen. Dank sei den Frauen, die sich der Kinder, der Kranken, der alten Menschen annehmen: in den Familien, auf den verschiedenen Stationen der Krankenhäuser, in den Dispensarien der Missionen, in so vielen öffentlichen und privaten Einrichtungen und im freiwilligen Hilfsdienst. An all diesen Stellen kann man nicht auf die Anwesenheit von Frauen verzichten, die herausragende Gaben des Edelmuts, des zweckmäßigen Handelns, der Intuition und der Zärtlichkeit mit der notwendigen Fachkenntnis zu verbinden wissen. Es ist tröstlich festzustellen, daß es heute viele Frauen gibt, die sich Beru- 143 AUDIENZEN UND ANGELUS fen im Krankendienst widmen; Tätigkeiten, die neben fachlicher Kompetenz ein besonders großes Maß an Menschlichkeit erfordern. Wer selbst die Erfahrung gemacht hat, weiß gut, daß der Kranke nicht nur durch Medikamente geheilt wird: Für ihn bedeutet es viel, wie er aufgenommen, verstanden, angehört und brüderlich oder schwesterlich getröstet wird. Dazu sind diejenigen berufen, welche die unmittelbar medizinischen Dienste, wie auch die, welche andere zum Krankendienst gehörige Tätigkeiten ausüben. Wie könnte man übersehen, daß die Frauen sehr oft ein besonderes Talent für die heikelsten und ganz menschlichen Aspekte dieser anspruchsvollen Aufgabe haben? Was kann man von den vielen Krankenschwestern sagen? Aus meiner eigenen Erfahrung müßte ich vieles sagen und diesen Schwestern, diesen Krankenpflegerinnen danken, besonders denen in den Krankenhäusern, wo ich selbst gewesen bin. Ich denke namentlich an Schwester Ausilia. 3. In dieser unserer Welt, wo es trotz des wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritts noch immer so viel Armut und Ausgrenzung gibt, besteht wirklich ein ergänzender Bedarf an Seele. Mögen die Frauen bei diesem Einsatz weiterhin stets in vorderster Linie bleiben. Maria, die heilige Gottesmutter, segne die unermeßliche Schar von Frauen, die in sozialen Diensten, in Gesundheitsämtern und auf den verschiedenen Gebieten der menschlichen Solidarität arbeiten, und sie erlange uns allen, die Freude zu erfahren, die darin liegt, in Liebe zu dienen. Nach dem Mariengebet begrüßte der Papst die Pilger in verschiedenen Sprachen. Auf deutsch sagte er: Zu unserem gemeinsamen Gebet begrüße ich sehr herzlich auch euch, liebe Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Möge euch der Besuch an den Gräbern der Apostel in der Ewigen Stadt im Glauben und in der Treue zu Christus festigen. Gern begleite ich euch und eure lieben Angehörigen und Freunde in der Heimat mit meinem Gebetsgedenken. Zeichen von Hoffnung und Trost Angelus in Castel Gandolfo am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 1. Heute feiert die Kirche Maria, die in den Himmel Aufgenommene. „Großes“ (Lk 1,49) hat der Herr vollbracht, als er vor der Verwesung des Todes jene bewahrte, die der Welt den Spender des Lebens dargeboten hat. Das Zweite Vatikanische Konzil nennt sie „Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes“ (Lumen Gentium, Nr. 68). So leuchtet Maria als die Ersterlöste und das Urbild der Kirche (vgl. Präfation am Fest der Aufnahme Marias in den Himmel). An ihr hat sich schon, kraft des Oster- 144 AUDIENZEN UND ANGELUS geheimnisses Christi jenes Heilsgeschick erfüllt, zu dem Gott von Ewigkeit her jedes menschliche Geschöpf beruft. Auf Maria, die „Frau, mit der Sonne bekleidet“ (Offb 12,1), blickt das Volk der auf Erden pilgernden Gläubigen als auf den strahlenden Stern, der das Ziel anzeigt, dem sie auf ihrem täglichen Weg entgegenstreben. Marias Aufnahme in den Himmel bildet nicht nur die Krönung ihrer besonderen Berufung als Mutter und Gefährtin Jesu, des Herrn, sondern auch das vielsagende Zeichen der Treue Gottes zum universalen Heilsplan, der auf die Erlösung des ganzen Menschen und aller Menschen ausgerichtet ist. 2. In Maria, der Jungfrau und Mutter, findet das Frausein seinen vollen Ausdruck, denn die persönlichen Gaben, die die Frau vom Mann unterscheiden, konnten sich in ihr in all ihrem Glanz offenbaren. Im Blick auf sie kann jede Frau die echte Bestätigung ihrer eigenen Würde und ihres eigenen Wertes erfahren. Wie sollten wir nicht am heutigen liturgischen Hochfest die Frauen der ganzen Welt Maria anvertrauen, damit sie, ihrer eigenen Berufung bewußt, hochherzig ihren unverzichtbaren Beitrag auf jedem Gebiet der menschlichen Entwicklung leisten und besonders in der Verteidigung des Lebens? Möge auf Marias Fürsprache die kommende Konferenz von Peking die echten Werte, deren Trägerin jede Frau ist, in volles Licht stellen. Dank der konstruktiven Teilnahme aller Delegationen wird auf diese Weise ein bedeutender Beitrag zur Sache der Frau und zu ihrer Sendung in unserer heutigen Welt geleistet werden. 3. Das Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel erinnert uns daran, daß Maria mit Leib und Seele in das Haus des Vaters zurückgekehrt ist, ins himmlische Jerusalem, die Stadt des Friedens, zu der wir alle auf dem Wege sind. Die Kirche, die der Mutter des Herrn den Titel „Königin des Himmels“ gibt, ruft sie darum auch gern als „Königin des Friedens“ an. Sie, die Königin des himmlischen Jerusalem, der Wohnstätte des Friedens, tritt ständig bei ihrem Sohn für ihre Kinder ein, die noch in der Geschichte auf dem Pilgerweg sind, daß das ersehnte Gut des Friedens und der Eintracht sich in jedem Winkel der Erde ausbreiten möge. Möge die Heilige Jungfrau die ganze Menschheit beschützen. Möge sie insbesondere die Opfer der Ungerechtigkeit, des Hasses und der Gewalt in Schutz nehmen. Möge sie für die Welt, vor allem für die gepeinigten Kriegsgebiete, den Frieden erlangen. Möge Maria wirklich für alle ein Zeichen des Trostes und der sicheren Hoffnung sein. Maria, aufgenommen in den Himmel, bitte für uns! Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Am heutigen Tag, an dem die Kirche vertrauensvoll ihren Blick auf Maria richtet mit der Bitte, sie möge ihr helfen, mit erneutem Schwung auf den Wegen des Gottesreiches zu gehen, kündige ich mit Freude die Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon an, die - so Gott will - am kommenden 26. November in Rom beginnen wird. An der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends wird 145 AUDIENZEN UND ANGELUS das eine vorzügliche Gelegenheit sein, gemeinsam über die Hoffnungen und Erwartungen der christlichen Gemeinschaft im Libanon nachzudenken. Es wird eine günstige Zeit sein, auf den Heiligen Geist zu hören, und ein bedeutsamer Augenblick für den Dialog und die Erfahrung der Gemeinschaft, zum Nachdenken und zum Wachsen im Glauben, um eine volle Antwort auf das Thema der Synode geben zu können, das lautet: „Christus ist unsere Hoffnung: durch seinen Geist erneuert, bezeugen wir solidarisch seine Liebe.“ Ich möchte dieses wichtige und so sehr erwartete kirchliche Ereignis dem mütterlichen Schutz der Gottesmutter anempfehlen, die von den Christen des Libanon mit großer Andacht unter dem Titel „Unsere Liebe Frau vom Libanon“ verehrt wird. Und ich lade alle Gläubigen - vor allem die aus der geliebten libanesischen Nation -ein, von nun an die Vorbereitung und dann den Verlauf dieser nahe bevorstehenden Synodenversammlung mit ihrem Gebet zu begleiten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, am heutigen Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Möge die Gottesmutter euch stets Vorbild sein für euer Lebenszeugnis aus einem lebendigen Glauben. Auf ihre Fürsprache möge der Herr auch uns nach der Mühsal dieser Zeit in die ewige Heimat aufnehmen. Das erflehe ich euch, euren Lieben in der Heimat sowie allen, die euch auf dem Lebensweg verbunden sind, mit meinem Gebet. Die Frau im Bereich von Wirtschaft und Arbeit Angelus in Castel Gandolfo am 20. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zu den großen sozialen Veränderungen unserer Zeit zählt zweifellos die immer bedeutendere Rolle, die die Frauen im Bereich von Wirtschaft und Arbeit auch an leitenden Stellen spielen. Das ist ein Prozeß, der das Gesicht der Gesellschaft verändert. Man darf zu Recht hoffen, daß es damit nach und nach gelingt, auch das Gesicht der Wirtschaft zu verändern, einen neuen Hauch von Menschlichkeit in sie hineinzubringen und sie der immer wieder aufkommenden Versuchung zu sterilem, nur an den Regeln des Profits orientiertem Leistungsstreben zu entreißen. Wie könnte man übersehen, daß eine angemessene Antwort auf viele der heute auftretenden Probleme eine besondere Rückbesinnung auf den weiblichen „Genius“ erfordert? Ich denke unter anderem an solche der Erziehung, der Freizeit, der Lebensqualität, der Migrationen, der sozialen Dienste, der alten Leute, der Drogen, des Gesundheitswesens und der Ökologie. „Für alle diese Bereiche wird sich eine stärkere soziale Präsenz der Frau als wertvoll erweisen ... sie wird auf eine Neufassung der Systeme dringen zum großen Vorteil der Humanisierungspro- 146 AUDIENZEN UND ANGELUS zesse, in denen sich der Rahmen für die Zivilisation der Liebe1 abzeichnet“ (Brief an die Frauen, Nr. 4). 2. Es ist jedoch klar, daß eine Aufwertung der Frauen in den oft aufreibenden und harten Mechanismen wirtschaftlicher Tätigkeit nicht an ihrer Natur und ihren besonderen Erfordernissen vorbeisehen darf. Vor allem muß das Recht und die Pflicht der Frau als Mutter auf die Erfüllung ihrer spezifischen Aufgaben in der Familie respektiert werden; sie darf nicht aus Not zu einer zusätzlichen Arbeit gezwungen sein. Was für einen realen Nutzen hätte die Gesellschaft - selbst auf wirtschaftlicher Ebene wenn eine unbedachte Arbeitspolitik Zusammenhalt und Funktion der Familie beeinträchtigte? Der Schutz dieses fundamentalen Gutes darf allerdings kein Alibi hinsichtlich des Prinzips der Chancengleichheit für Männer und Frauen bei der Arbeit außerhalb der Familie bilden. Es müssen flexible und ausgewogene Lösungen gefunden werden, die imstande sind, die verschiedenen Erfordernisse aufeinander abzustimmen. Wie ich kürzlich im Brief an die Frauen schrieb, ist „sicher noch viel zu tun, damit das Dasein als Frau und Mutter keine Diskriminierung beinhaltet. Es ist dringend geboten, überall die tatsächliche Gleichheit der Rechte der menschlichen Person zu erreichen, und das heißt gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Schutz der berufstätigen Mutter, gerechtes Vorankommen in der Berufslaufbahn, Gleichheit der Eheleute im Familienrecht und die Anerkennung von allem, was mit den Rechten und Pflichten des Staatsbürgers in einer Demokratie zusammenhängt“ (Nr. 4). 3. Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir der Fürsprache der Heiligen Jungfrau diese große Herausforderung unserer Zeit an! Ihr Haus in Nazaret war eine Stätte der Arbeit. Maria war wie jede gute Hausfrau mit den häuslichen Verrichtungen beschäftigt, während Josef und an seiner Seite Jesus Zimmermannsarbeit leisteten. Mögen die arbeitenden Frauen auf die Heilige Familie von Nazaret schauen, und möge die Gesellschaft die angemessenen Formen für deren volle Aufwertung finden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Sehr herzlich grüße ich euch, liebe Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Möge der Herr, der uns Maria als Mutter und Vorbild geschenkt hat, unser gemeinsames Gebet erhören und auf ihre Fürsprache euch, eure lieben Angehörigen und Freunde zu Hause in der christlichen Hoffnung bestärken. 147 AUDIENZEN UND ANGELUS Grundlagen des ökumenischen Dialoges Ansprache bei der Generalaudienz am 23. August 1. Im Rahmen der gegenwärtigen ökumenischen Anstrengungen wollen wir heute den Blick auf die zahlreichen Kirchlichen Gemeinschaften richten, die seit der Reformation entstanden sind. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert daran, daß diese Kirchlichen Gemeinschaften , Jesus Christus als Gott und Herrn und einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen offen bekennen zur Ehre des einen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Unitatis redintegratio, Nr. 20). Die Anerkennung der Gottheit Christi und das Bekenntnis des Glaubens an die Dreifaltigkeit bilden eine sichere Grundlage für den Dialog, wenn man auch berücksichtigen muß, wie das Konzil bemerkt, „daß nicht geringe Unterschiede gegenüber der Lehre der katholischen Kirche bestehen, insbesondere über Christus als das fleischgewordene Wort Gottes und über das Werk der Erlösung, sodann über das Geheimnis und den Dienst der Kirche und über die Aufgabe Mariens im Heilswerk“ (ebd.). Im übrigen finden sich beträchtliche Unterschiede zwischen den eben genannten Kirchlichen Gemeinschaften selbst, so daß es „wegen ihrer Verschiedenheit nach Ursprung, Lehre und geistlichem Leben ... eine überaus schwierige Aufgabe wäre, sie recht zu beschreiben“ (Unitatis redintegratio, Nr. 19). Selbst innerhalb der gleichen Gemeinschaft sind nicht selten einander widersprechende Strömungen in der Lehre festzustellen mit Unterschieden, die sogar die Substanz des Glaubens berühren. Diese Schwierigkeiten machen indessen das beharrliche Bemühen um den Dialog um so notwendiger. 2. Ein anderes wichtiges Element, das den ökumenischen Dialog fördert, ist „die Liebe und Hochschätzung, ja fast kultische Verehrung der Heiligen Schrift“, die diese unsere Brüder und Schwestern „zu einem unablässigen und beharrlichen Studium dieses heiligen Buches“ antreibt (Unitatis redintegratio, Nr. 21). Hier nämlich wird jedem die Möglichkeit geboten, Christus „als Quelle und Mittelpunkt der kirchlichen Gemeinschaft“ kennenzulemen und ihm zu folgen. „Aus dem Wunsch zur Vereinigung mit Christus werden sie notwendig dazu geführt, die Einheit mehr und mehr zu suchen und für ihren Glauben überall vor allen Völkern Zeugnis zu geben“ (Unitatis redintegratio, Nr. 20). Wir können nicht umhin, sie wegen dieser Geisteshaltung zu bewundern, welche unter anderem auch wertvolle Ergebnisse auf dem Gebiet der Bibelforschung hervorgebracht hat. Zugleich aber müssen wir zugeben, daß emstzunehmende Unterschiede hinsichtlich des Verständnisses der Beziehung zwischen Heiliger Schrift, Überlieferung und authentischem Lehramt der Kirche bestehen. Diesem letzteren insbesondere erkennen sie nicht die entscheidende Autorität zu, den Sinn des Wortes Gottes auszulegen sowie ethische Lehren für das christliche Leben daraus zu ziehen (vgl. Enzyklika Ut unum sint, Nr. 69). Diese unterschiedliche Haltung zur 148 AUDIENZEN UND ANGELUS Offenbarung und zu den in ihr begründeten Wahrheiten darf aber der gemeinsamen Verpflichtung zum ökumenischen Dialog nicht im Wege stehen, sondern soll ihm vielmehr zum Antrieb dienen. 3. Die Taufe, die wir mit diesen Brüdern und Schwestern gemeinsam haben, bildet „das sakramentale Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind“ (Unitatis redintegratio, Nr. 22). Jeder Getaufte ist dem gekreuzigten und verherrlichten Christus eingegliedert und wird wiedergeboren, um des göttlichen Lebens teilhaftig zu werden. Aber bekanntlich ist die Taufe als solche „nur ein Anfang und Ausgangspunkt“ des neuen Lebens, das hingeordnet ist „auf das vollständige Bekenntnis des Glaubens, auf die völlige Eingliederung in die Heilsveranstaltung, wie Christus sie gewollt hat, und auf die vollständige Einfügung in die eucharistische Gemeinschaft“ (ebd.). Mit der Taufe stehen nämlich die Priesterweihe und die Eucharistie in logischem Zusammenhang. Diese beiden Sakramente haben diejenigen nicht, welche gerade wegen des fehlenden Priestertums „die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit (substantia) des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben“ (Unitatis redintegratio, Nr. 22), um das die neue Gemeinschaft der Glaubenden aufgebaut wird. Man muß jedoch hinzufügen, daß die aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften „im Heiligen Abendmahl die Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung des Herrn“ begehen. Sie bekennen, „daß hier die lebendige Gemeinschaft mit Christus bezeichnet werde, und sie erwarten seine glorreiche Wiederkunft“ (ebd.). Das sind Elemente, die der katholischen Lehre nahekommen. Es ist besonders notwendig, über alle diese Punkte von grundlegender Bedeutung den theologischen Dialog fortzusetzen, ermutigt durch bedeutsame Schritte, die in der rechten Richtung bereits zustandegekommen sind. 4. In der Tat haben in den letzten Jahren zahlreiche Studienbegegnungen mit qualifizierten Vertretern der verschiedenen nachreformatorischen Kirchlichen Gemeinschaften stattgefunden. Die Ergebnisse wurden in Dokumenten von großer Bedeutung niedergelegt, die neue Perspektiven eröffnet haben und zugleich die Notwendigkeit erkennen ließen, einige Themen noch gründlicher auszuloten (vgl. Ut unum sint, Nr. 70). Doch man wird zugeben müssen, daß die innerhalb dieser Gemeinschaften bestehende breite Vielfalt in der Lehre die volle Annahme der erreichten Resultate beträchtlich erschwert. Geboten ist beharrliches, achtungsvolles Vorangehen auf dem Weg der brüderlichen Gegenüberstellung, gestützt vor allem auf das Gebet. „Gerade weil die Suche nach der vollen Einheit eine Glaubensgegenüberstellung zwischen Gläubigen verlangt, die sich auf den einen Herrn berufen, ist das Gebet die Quelle der Erleuchtung über die Wahrheit, die als ganze angenommen werden muß“ (Ut unum sint, Nr. 70). 5. Der zurückzulegende Weg ist noch lang. Wir müssen mit Glauben und Mut weitergehen, ohne Leichtfertigkeiten und Unklugheiten. Das gegenseitige Kennenler- 149 AUDIENZEN UNDANGELUS nen und die erreichten Annäherungen in Dingen der Glaubenslehre hatten ein erfreuliches affektives und effektives Wachsen in der Gemeinschaft zur Folge. Doch wir dürfen nicht vergessen: „Das letzte Ziel der ökumenischen Bewegung ist die Wiederherstellung der sichtbaren vollen Einheit aller Getauften“ (Ut unum sint, Nr. 77). Ermutigt durch die schon erreichten Ergebnisse müssen die Christen ihren Einsatz verdoppeln. Trotz der alten und neuen Schwierigkeiten, die den ökumenischen Weg behindern, setzen wir eine unerschütterliche Hoffnung „auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes“ (Unitatis redintegratio, Nr. 24). Und mit dem heiligen Paulus teilen wir die Überzeugung: „Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Rom 5,5) In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mit der innigen Bitte, das Gebet um die Einheit aller Christen noch zu verstärken, erteile ich euch, euren Lieben zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen meinen Apostolischen Segen. Engagierter Beitrag der Frauen zu werteorientierter Politik Angelus in Castel Gandolfo am 27. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Hinblick auf die nunmehr nahe bevorstehende Konferenz in Peking möchte ich heute die Wichtigkeit einer stärkeren Aufwertung der Frau im öffentlichen Leben betonen. Eine lange Tradition hat in der Politik vor allem den Einsatz von Männern gekannt. Heute fassen dort die Frauen in immer größerer Zahl Fuß - auch in den höchsten nationalen und internationalen repräsentativen Rängen. Dieser Prozeß ist zu fördern. Denn die Politik, die ja das Allgemeinwohl zum Ziel hat, kann aus den einander ergänzenden Gaben des Mannes und der Frau nur Nutzen ziehen. Gewiß wäre es naiv, davon allein „Wunder“ zu erwarten. Überdies gilt für die Frauen nicht weniger als für die Männer, daß die Qualität der Politik an der Echtheit der Werte zu messen ist, die ihr zugrunde liegen, wie auch an der Kompetenz, dem Einsatz und der moralischen Konsequenz derer, die sich diesem wichtigen Dienst widmen. Auf jeden Fall zeigen die Frauen, daß sie einen nicht weniger qualifizierten Beitrag als die Männer zu geben wissen - einen Beitrag, der sogar besonders bedeutsam erscheint vor allem auf den Gebieten der Politik, welche die grundlegenden menschlichen Bereiche berühren. 150 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Was für eine große Rolle können sie zum Beispiel für den Frieden gerade durch den Einsatz in der Politik spielen, wo zum großen Teil die Geschicke der Menschheit entscheiden werden. Der Friede, liebe Brüder und Schwestern, ist das dringende Hauptanhegen unserer Tage. Mehr denn je ist eine gemeinsame Anstrengung guten Willens erforderlich, um dem Wahn der Waffen Einhalt zu gebieten. Der Friede beschränkt sich jedoch nicht auf das Schweigen der Kanonen. Er besteht wesentlich in Gerechtigkeit und Freiheit. Er bedarf einer Atmosphäre des Geistes, die reich ist an einigen grundlegenden Elementen wie dem Sinn für Gott, der Freude am Schönen, der Liebe zur Wahrheit, der Entscheidung zur Solidarität, der Fähigkeit zur Zärtlichkeit, dem Mut zum Verzeihen. Wie könnte man den kostbaren Beitrag verkennen, den die Frau zur Förderung einer solchen Atmosphäre des Friedens leisten kann. 3. Wir wollen die Heilige Jungfrau, Königin des Friedens, anrufen, sie möge ihren Blick jenen Ländern zuwenden, in denen der Ausbruch des Hasses schon allzu lange Vernichtung und Tod verursacht. In diesem Zusammenhang kann ich nicht umhin, an die Tausenden von Müttern, Ehefrauen und Töchtern in den Ländern Ex-Jugoslawiens zu denken - seien sie Kroatinnen, Musliminnen oder Serbinnen -, die noch gezwungen sind, ihre Häuser und ihre Lieben zu verlassen, oft unmenschlichen Behandlungen und einer sehr ungewissen Zukunft ausgesetzt. Besonders betrüben mich die schlimmen Nachrichten aus Banja Luka. Ich bin dem eifrigen und großherzigen Bischof, Msgr. Franjo Komarica, nahe, der fast ohnmächtig der gewaltsamen Vertreibung seiner Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Gläubigen Zusehen muß. Es ist ihr Recht und Wunsch, weiter in ihren Wohnungen zu leben und an jenen Orten zu bleiben zum Zeichen für die ersehnte Versöhnung und für ein noch mögliches Zusammenleben zwischen Völkern unterschiedlicher Nationalität und Religion. Mögen die für so viel Leid Verantwortlichen die Augen öffnen! Mögen die Frauen, vor allem die Mütter, auf den entgegengesetzten Fronten einander im Geiste die Hände zu einer großen „Friedenskette“ reichen, die die Regierenden, die Kämpfenden und die Völker gewissermaßen zwingt, erneut auf die Wirksamkeit von Verhandlungen und die Aussicht auf ein friedliches Zusammenleben zu vertrauen. Auf das schwierige und leidvolle Thema des Friedens werden wir am Ende dieses Angelus noch zurückkommen müssen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Gebetsaufruf für den Frieden in Afrika und in allen Teilen der Welt Auf Afrika bückend, den Kontinent, den ich in wenigen Wochen wieder besuchen werde, möchte ich die dramatische Situation der ruandischen und burundischen Flüchtünge, die mit Gewalt gezwungen werden, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren, eurem Gebet anvertrauen und der Aufmerksamkeit aller anempfehlen. Es 151 AUDIENZEN UND ANGELUS ist eine Tragödie ohne Ende, deren meist unschuldige Opfer Hunderttausende von Menschen - Männer und Frauen, Alte und Kinder - sind! Mit Erleichterung haben wir vernommen, daß man beschlossen hat, diese zwangsweise Abschiebung in die Heimatländer einzustellen, und daß diejenigen, die im Busch Zuflucht gesucht hatten, um der Vertreibung zu entgehen, in die Aufnahmezentren zurückkehren sollen. Es ist jedoch dringend notwendig, diesem äußerst schwerwiegenden Problem eine definitive Lösung zu garantieren. Ich richte daher einen eindringlichen und betrübten Appell an die internationale Gemeinschaft, damit sie sich mit unermüdlicher Großherzigkeit in dieser Aufgabe einsetzte. An die Verantwortlichen des öffentlichen Lebens in Ruanda richte ich die dringende und herzliche Aufforderung, den Flüchtlingen eine Rückkehr in Würde und Sicherheit zu gewährleisten. Ich ermahne auch die ganze Bevölkerung Ruandas, sie mit offenen Armen und Herzen aufzunehmen im Geist der Ge-schwisterlichkeit, der Solidarität und der Versöhnung. Die katholische Gemeinschaft aber ermutige ich, Beispiel zu geben und jede Hilfeleistung für sie zu vermehren. Man muß für den Frieden in Afrika und in allen Teilen der Welt beten. Königin des Friedens, bitte für uns! Die Einheit überwindet die Trennungen Ansprache bei der Generalaudienz am 30. August 1. Angesichts der zwischen den Christen zur Zeit bestehenden Spaltungen könnte man versucht sein zu meinen, die Einheit der Kirche gäbe es nicht, oder sie sei nur ein schönes Ideal, das man anstreben müsse, das sich aber erst in der Eschatologie verwirklichen werde. Der Glaube jedoch sagt, daß die Einheit der Kirche nicht nur eine Hoffnung auf die Zukunft hin ist, vielmehr besteht sie schon. Jesus Christus hat nicht vergeblich um sie gebetet. Und doch hat die Einheit noch nicht ihre sichtbare Vollendung unter den Christen erreicht. Sie war, im Gegenteil, im Lauf der Jahrhunderte bekanntlich verschiedenen Schwierigkeiten und Prüfungen unterworfen. Analog dazu muß man sagen, daß die Kirche heilig ist, daß ihre Heiligkeit aber einen ununterbrochenen Prozeß der Bekehrung und der Erneuerung von seiten der einzelnen Gläubigen und der Gemeinschaften erfordert. Dazu gehört auch die demütige Bitte um Vergebung für die begangene Schuld. Und weiter: Die Kirche ist katholisch, aber ihre universale Dimension muß sich immer mehr kundtun dank der Missionstätigkeit, der Inkulturation des Glaubens und des vom Heiligen Geist geleiteten ökumenischen Bemühens, bis zur vollen Verwirklichung der göttlichen Berufung zum Glauben in Christus. 2. Das Problem des Ökumenismus besteht deshalb nicht darin, aus dem Nichts eine Einheit hervorzurufen, die noch nicht besteht, sondern unter dem Wirken des 152 AUDIENZEN UND ANGELUS Heiligen Geistes voll und ganz jene Einheit zu leben, in der die Kirche von Christus gegründet wurde. So wird der wahre Sinn des Gebetes um die Einheit und der Sinn der Bemühungen klar, die unternommen werden, um die Verständigung zwischen den Christen zu gewährleisten. Es handelt sich nicht einfach darum, den guten Willen zusammenzutragen, um Übereinstimmungen zu schaffen, vielmehr ist es notwendig, ganz und gar die Einheit anzunehmen, die Christus gewollt hat und die der Geist beständig schenkt. Zu ihr kann man nicht einfach durch Annäherungen gelangen, über die man sich von unten her einigt; sondern jeder muß sich öffnen, um aufrichtig den Antrieb aufzunehmen, der von oben kommt, und gelehrig dem Wirken des Heiligen Geistes Folge leisten, der die Menschen in „nur einer Herde“ unter „einem Hirten“ (vgl. Joh 10,16), Christus, dem Herrn, vereinen will. 3. Die Einheit der Kirche muß also vor allem als ein Geschenk betrachtet werden, das von oben kommt. Als Volk der Erlösten hat die Kirche eine einzigartige Struktur, die sich von jener unterscheidet, die die menschlichen Gesellschaften regelt. Diese verleihen von sich aus, wenn sie die notwendige Reife erlangt haben, und durch eigene Verfahren eine Autorität, die sie regieren und gewährleisten soll, daß alle zum Gemeinwohl Zusammenwirken. Die Kirche hingegen empfängt ihre Institution und ihre Struktur von jenem, der sie gegründet hat, Jesus Christus, dem menschgewordenen Sohn Gottes. Aus eigener Vollmacht hat er sie errichtet, indem er zwölf Männer erwählte und sie zu Aposteln, das heißt Gesandten, bestellte, damit sie in seinem Namen sein Werk fortsetzten. Unter diesen Zwölfen hat er einen, den Apostel Petrus, erwählt, zu dem er gesagt hat: „Simon ... ich habe für dich gebetet ... Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,31-32). Petrus ist also einer der Zwölf, mit den Aufgaben der anderen Apostel. Christus hat ihm jedoch noch einen weiteren Auftrag anvertrauen wollen: nämlich den, die Brüder im Glauben und im Eifer der gegenseitigen Liebe zu stärken. Der Dienst des Nachfolgers Petri ist ein Geschenk, das Christus seiner Braut gemacht hat, damit zu jeder Zeit die Einheit des ganzen Volkes Gottes bewahrt und gefördert werde. Der Bischof von Rom ist darum der Diener der Diener Gottes, von Gott bestellt als „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit“ (Lumen Gentium, Nr. 23; vgl. Ut unum sint, Nm. 88-96). 4. Die Einheit der Kirche wird nicht voll in Erscheinung treten, solange die Christen sich nicht diesen Willen Christi zu eigen machen und unter den Gnadengaben auch die Autorität annehmen, die er den Aposteln verliehen hat, jene Autorität, die heute von den Bischöfen, ihren Nachfolgern, in Gemeinschaft mit dem Dienst des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, ausgeübt wird. Jene Einheit aller Gläubigen in Christus, um die er inständig gebetet hat, ist berufen, auf der sichtbaren Ebene sich durch die Macht des Heiligen Geistes rings um diesen von Gott gegründeten „Abendmahlssaal der Apostolizität“ zu verwirklichen. 153 AUDIENZEN UND ANGELUS Es würde nicht mit der Schrift und der Überlieferung übereinstimmen, in der Kirche einen Autoritätstyp nach dem Muster der politischen Ordnungen anzunehmen, die sich im Lauf der Geschichte der Menschheit entwickelt haben. Im Gegenteil! Von dem ins Apostelkollegium Berufenen wird verlangt, zu dienen, geradeso wie Christus, der im Saal in Jerusalem das Letzte Abendmahl damit begann, daß er den Aposteln die Füße wusch. „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben“ (Mk 10,45). Dem Volke Gottes zu dienen, damit alle ein Herz und eine Seele seien! 5. Das ist die Grundlage der Struktur der Kirche. Aber die Geschichte erinnert uns daran, daß dieser Dienst im Gedächtnis der Christen der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften schmerzliche Erinnerungen hinterlassen hat, die gereinigt werden müssen. Die menschliche Schwäche des Petrus (vgl. Mt 16,23), des Paulus (vgl. 2 Kor 12,9-10) und der Apostel läßt den Wert der Barmherzigkeit Gottes und der Macht seiner Gnade um so mehr hervortreten. Die Überlieferungen des Evangeliums lehren uns in der Tat, daß es gerade diese Macht der Gnade ist, die die zur Nachfolge des Herrn Berufenen umwandelt und sie eins macht in ihm. Das Dienstamt des Petrus und seiner Nachfolger innerhalb des Kollegiums der Apostel und ihrer Nachfolger ist „ein Dienst der Barmherzigkeit, geboren aus einem Barmherzigkeitsakt Christi“ (Ut unum sint, Nr. 93). Der Gute Hirte hat gewollt, daß die Jahrhunderte hindurch seine Stimme der Wahrheit von der ganzen Herde gehört werde, die er sich durch sein Opfer erworben hat. Aus diesem Grunde hat er den Elfen mit Petrus an der Spitze und ihren Nachfolgern die Sendung vermacht, darüber zu wachen, daß in jeder der ihnen anvertrauten Teilkirchen die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche sich verwirkliche. In der Gemeinschaft der Hirten mit dem Bischof von Rom verwirklicht sich also das Zeugnis für die Wahrheit, das auch Dienst an der Einheit ist, in welchem die Rolle des Nachfolgers Petri einen ganz besonderen Platz hat. 6. Wie sollten wir im heraufsteigenden Morgen des neuen Jahrtausends nicht für alle Christen die Gnade jener Einheit erflehen, die ihnen von Jesus, dem Herrn, um einen so hohen Preis verdient wurde? Die Einheit des Glaubens in der Treue zur offenbarten Wahrheit; die Einheit der Hoffnung auf dem Weg zur Vollendung des Gottesreiches; die Einheit der Liebe in ihrer Vielgestaltigkeit und der vielfältigen Anwendung in allen Bereichen des menschlichen Lebens. In dieser Einheit können alle Konflikte eine Lösung und alle getrennten Christen ihre Versöhnung finden, um an das Ziel der vollen und sichtbaren Gemeinschaft zu gelangen. „Wenn wir uns fragen wollten, ob denn das alles möglich sei, würde die Antwort immer lauten: ja. Dieselbe Antwort, die von Maria von Nazaret zu hören war, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich“ (Ut unum sint, Nr. 102). Zum Abschluß dieses Zyklus der Katechese kommt uns die Aufforderung des Apostels Paulus in den 154 AUDIENZEN UND ANGELUS Sinn: „Vervollkommnet euch, laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes, und lebt in Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. (...) Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,11.13). Amen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich euch alle, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Euch, euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns im Anliegen um die Einheit der Kirche Christi verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. In kroatischer Sprache sagte der Papst: Die ganze katholische Kirche ist euch immer nahe Liebe Pilger aus Kroatien und aus Bosnien-Herzegowina, ich grüße euch alle. Seid willkommen! Die schrecklichen Bilder des jüngsten Massakers in Sarajevo bewegen das Herz jedes Menschen guten Willens und lassen die ungeheure Tragödie wahmehmen, die in euren Regionen von dem grausamen, noch andauernden Krieg hervorgerufen wurde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich allen, die in verschiedener Weise durch den blutigen Krieg in Bosnien-Herzegowina und in Kroatien leiden, meine Nähe und die Nähe der ganzen katholischen Kirche erneut bestätigen: denen, die ihre tragisch ums Leben gekommenen oder vermißten Angehörigen beweinen, den Gefangenen, den Vertriebenen und den Flüchtlingen, den auseinandergerissenen Familien und allen, die sich in einer beschwerlichen Lage befinden. Beten wir miteinander, meine Lieben, daß Liebe und Vergebung siegen mögen, so daß die Menschen und Völker eine sichere und würdevolle Zukunft haben können, die ihren edlen, jahrhundertealten Traditionen und ihren berechtigten Erwartungen entspricht! Trotz der ernsten Situation fordere ich euch alle auf, mit Vertrauen und Hoffnung in die Zukunft zu blicken, denn „Gott ist auf der Seite der Zerschlagenen“ {Predigt vom 8. September 1994; in: O.R.dt. 16.9.94, S. 24). Diese nicht leichten Zeiten mögen für jeden von euch auch eine Gelegenheit zu menschlicher und religiöser Reifung sein, damit ihr unter der Führung eurer eifrigen und verdienstvollen Bischöfe und Priester von neuem eine lebendige katholische Gemeinschaft aufbauen könnt, die treu und mutig das Evangelium Christi bezeugt. Von Herzen erteile ich euch hier Anwesenden und euren Angehörigen den Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! 155 AUDIENZEN UND ANGELUS Frauenförderung in Kirche und Welt Angelus in Castel Gandolfo am 3. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen Dienstag, als ich mit der Delegation des Hl. Stuhls bei der 4. Weltfrauenkonferenz zusammentraf, die morgen in Peking beginnt, bekräftigte ich den Einsatz der Kirche zugunsten der Frau und lud die kirchlichen Gemeinschaften und Institutionen ein, vor allem im Dienst der Kinder und der heranwach-senden Mädchen, besonders der ärmsten, konkrete Zeichen zu setzen. Ich rufe heute die ganze kirchliche Gemeinschaft dazu auf, in ihrem internen Leben die Teilhabe der Frau auf jede Weise zu fördern. Gewiß ist es keine neue Aufgabe, schöpft sie doch die Inspiration aus dem Beispiel Christi selbst, der seine Apostel zwar unter den Männern erwählte - eine Wahl, die auch für ihre Nachfolger maßgebend bleibt -, es aber nicht versäumte, auch die Frauen für die Sache seines Reiches zu gewinnen, und sie sogar als erste Zeuginnen und Verkünderinnen seiner Auferstehung wollte. In der Tat gibt es viele Frauen, die sich durch ihre Heiligkeit und rege schöpferische Tatkraft in der Geschichte der Kirche durchsetzten. Und die Kirche spürt immer mehr die Notwendigkeit ihrer verstärkten Erschließung. Bei der Vielfalt der verschiedenen und einander ergänzenden Gaben, die das kirchliche Leben bereichern, gib es viele Möglichkeiten, die ihnen offenstehen. Die Synode über die Laien von 1987 brachte dieses Anliegen zur Sprache und forderte: „Die Frauen sollen ohne jegliche Diskriminierung auch bei Konsultationen und bei der Erarbeitung von Entscheidungen am Leben der Kirche teilnehmen“ (Propositio 47: vgl. Christifideles laici, Nr. 51). 2. Das ist der Weg, den man mutig einschlagen muß. Zum Großteil handelt es sich darum, die weiten Räume, die das Kirchenrecht der Präsenz der Laien und der Frau zugesteht, voll zu erschließen: Ich denke zum Beispiel an den theologischen Lehrauftrag, an die erlaubten Formen des liturgischen Dienstes einschließlich des Altardienstes, an die Pastoral- und Verwaltungsräte, an die Diözesansynoden und an die Teilkonzilien, an die verschiedenen kirchlichen Einrichtungen, an die Kurien und kirchlichen Gerichtshöfe sowie an die vielen Pastoraltätigkeiten bis zu den neuen Formen der Teilhabe an der Pfarrseelsorge im Fall von Priestermangel, ausgenommen die besonderen priesterlichen Aufgaben. Wer kann sich vorstellen, welch großen Nutzen die Seelsorge daraus ziehen, welch neue Schönheit das Gesicht der Kirche erlangen wird, wenn der Genius der Frau voll in ihre verschiedenen Lebensbereiche eindringen kann? 3. Die seligste Jungfrau, das Urbild der Kirche und Idealbild der Frau, begleite und unterstütze die Bemühungen so vieler Menschen guten Willens, die an der Konferenz von Peking mitwirken. Die Mutter des Herrn helfe der ganzen Mensch- 156 AUDIENZEN UND ANGELUS heit, in der Achtung und Förderang der wahren Würde der Frau Fortschritte zu machen. Sie erlange, daß die christliche Gemeinschaft nach dem Vorbild der großen Frauen, mit denen ihre Geschichte reich ausgestattet ist, dem Plan Gottes immer treuer folge. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Mit Freude begrüße ich die Jugendgrappe „Barmherzige Liebe“ aus Rumänien. Liebe Jugendliche, ihr seid aus eurer Diözese Jasi gekommen, um an der großen Wallfahrt der Jugend Europas teilzunehmen, die in den kommenden Tagen in Lo-reto stattfindet. Euch und allen Gruppen, die zum Heiligen Haus pilgern, wünsche ich, eine tiefe Erfahrung des Glaubens, des Gebetes und der Geschwisterlichkeit zu erleben. In Deutsch sagte der Papst: Einen herzlichen Willkommensgraß richte ich an euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher. Besonders grüße ich die Bläsergruppen aus Neuschönau und Freyung im Bistum Passau. Auf die Fürbitte Mariens möge die Boschaft von unserer Erlösung euch und eure Lieben in der Heimat mit Kraft und Hoffnung erfüllen. Gerechter und dauerhafter Frieden für Bosnien Liebe Brüder und Schwestern! Nach den kürzlichen schrecklichen Bildern von Massakern und Bombardierungen kommen nun aus Bosnien-Herzegowina Nachrichten über verheißungsvolle Gespräche zur Lösung des Konfliktes. Wir vertrauen dem Herrn und der Jungfrau Maria die Hoffnung an, man möge durch diese Initiativen schnellstens dahin gelangen, den Weg eines gerechten und dauerhaften Friedens einzuschlagen. Marias Bedeutung für den Anfang der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 6. September 1. Nachdem ich in den vorhergehenden Katechesen die Identität und die Sendung der Kirche vertieft habe, ist jetzt der Blick auf die selige Jungfrau zu richten, die sie beide bis zur Heiligkeit voll verwirklicht hat und die ihr Vorbild ist. Auch die Väter des H. Vatikanischen Konzils sind in dieser Weise vorgegangen: Nachdem sie die Lehre über die heilsgeschichtliche Wirklichkeit des Volkes Gottes vorgetragen hatten, wollten sie diese durch die Darstellung der Rolle Marias im Heilswerk vervollständigen. In der Tat soll das 8. Kapitel der Konzilskonstitution Lumen Gentium nicht nur den ekklesiologischen Wert der Lehre von Maria unter- 157 AUDIENZEN UND ANGELUS streichen, sondern auch den Beitrag verdeutlichen, den die Gestalt der seligen Jungfrau zum Verständnis des Geheimnisses der Kirche liefert. 2. Bevor ich den marianischen Weg des Konzils darlege, möchte ich einen Blick auf Maria werfen und sie so betrachten, wie sie in der Apostelgeschichte am Anfang der Kirche beschrieben wird. Lukas bekräftigt zu Beginn dieser neutesta-mentlichen Schrift, nachdem er die Namen der Apostel im einzelnen genannt hatte (1,13): „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (1,14). In diesem Bild ragt die Persönlichkeit Marias hervor, die einzige, die neben den Aposteln beim Namen genannt wird: Sie stellt eine andere Seite der Kirche dar, die zu der dienstamtlichen oder hierarchischen hinzukommt. 3. Dieser Satz des Lukas berichtet in der Tat von der Anwesenheit einiger Frauen im Abendmahlssaal und zeigt damit die Bedeutung des Beitrages der Frau zum Leben der Kirche von den Anfängen an. Diese Anwesenheit wird eng bezogen auf das Verharren der Gemeinschaft im Gebet und in der Eintracht. Diese Züge verdeutlichen sehr gut zwei Grundaspekte des besonderen Beitrags der Frauen zum kirchlichen Leben. Die Männer neigen mehr zur Aktivität nach außen und brauchen die Hilfe der Frauen, um zu personalen Beziehungen zu gelangen und in der Eintracht der Herzen Fortschritte zu machen. Maria, „gesegnet ... mehr als alle anderen Frauen“ (Lk 1,42), erfüllt in herausragender Weise diese Sendung der Frau. Wer fördert unter den Gläubigen das Verharren im Gebet mehr als Maria? Wer trägt die Eintracht und die Liebe weiter als sie? Indem sie die Hirtensendung, mit der Jesus die Elf beauftragt hat, anerkennen, schließen sich die Frauen mit Maria im Abendmahlssaal ihrem Gebet an und bezeugen gleichzeitig die Anwesenheit von Personen in der Kirche, die zwar diesen Sendungsauftrag nicht erhielten, aber in gleicher Weise vollwertige Mitglieder der im Glauben an Christus versammelten Gemeinschaft sind. 4. Die Anwesenheit Marias in der Gemeinschaft, die im Gebet die Ausgießung des Geistes erwartet (vgl. Apg 1,14), ruft die Aufgabe in Erinnerung, die sie bei der Menschwerdung des Sohnes Gottes durch den Heiligen Geist gehabt hat (vgl. Lk 1,35). Die Rolle der Jungfrau in der Anfangsphase und die Rolle, die sie jetzt beim Hervortreten der Kirche zu Pfingsten spielt, sind eng miteinander verknüpft. Die Anwesenheit Marias in den ersten Augenblicken des Lebens der Kirche wird -im Gegensatz zu ihrer sehr diskreten Teilnahme zuvor am öffentlichen Leben Jesu - jetzt ganz deutlich herausgestellt. Als der Sohn seine Mission beginnt, bleibt Maria in Nazaret, wenn auch diese Trennung bezeichnende Begegnungen wie in Kana nicht ausschließt und sie vor allem nicht daran hindert, an dem Kreuzesopfer auf Golgota teilzuhaben. In der ersten Gemeinschaft hingegen erhält die Rolle Marias eine bemerkenswerte Offenbarung. Nach der Himmelfahrt und während der Erwartung von Pfingsten ist 158 AUDIENZEN UNDANGELUS die Mutter Jesu bei den ersten Schritten des vom Sohn begonnenen Werkes persönlich gegenwärtig. 5. Die Apostelgeschichte betont, daß Maria „mit seinen Brüdern“ im Abendmahlssaal war (Apg 1,14), das heißt mit seinen Verwandten, wie es die kirchliche Tradition immer verstanden hat: Es handelt sich nicht so sehr um ein Familientreffen, sondern darum, daß die natürliche Familie Jesu zur Teilhabe an der geistlichen Familie Christi gelangt ist: „Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mk 3,34). Lukas bezeichnet Maria bei dem gleichen Anlaß ausdrücklich als „Mutter Jesu“ (Apg 1,14), um gleichsam anzudeuten, daß etwas von der Gegenwart des zum Himmel aufgefahrenen Sohnes in der Anwesenheit der Mutter bleibt. Sie weckt in den Jüngern die Erinnerung an das Antlitz Jesu und ist durch ihre Anwesenheit inmitten der Gemeinschaft das Zeichen der Treue der Kirche zu Christus, dem Herrn. Die Bezeichnung „Mutter“ kündigt in diesem Zusammenhang die Haltung fürsorglicher Nähe an, mit der die Jungfrau das Leben der Kirche begleiten wird. Für dieses wird Maria ihr Herz öffnen, um die großen Taten offenbar werden zu lassen, die der allmächtige und barmherzige Gott an ihr vollbracht hat. Von Anfang an übt Maria ihre Rolle als „Mutter der Kirche“ aus: Ihr Wirken begünstigt das Einvernehmen unter den Aposteln, die Lukas als „einmütig“ darstellt, weit entfernt von den Auseinandersetzungen, die manchmal unter ihnen entstanden waren. Maria übt ihre Mutterschaft gegenüber der Gemeinschaft der Gläubigen aus, nicht nur indem sie Fürbitte leistet, um der Kirche die Gaben des Heiligen Geistes zu erlangen, die für ihre Formung und ihre Zukunft notwendig sind, sondern indem sie die Jünger des Herrn auch zur ständigen Gemeinschaft mit Gott erzieht. Sie wird so die Erzieherin des christlichen Volkes zum Gebet, zur Begegnung mit Gott, dem zentralen und unerläßlichen Element, damit das Werk der Hirten und der Gläubigen immer im Herrn seinen Anfang und seinen inneren Beweggrund habe. 6. Aus diesen knappen Überlegungen geht klar hervor, daß die Beziehung zwischen Maria und der Kirche einen interessanten Vergleich zwischen zwei Müttern darstellt. Sie zeigt uns deutlich die mütterliche Sendung Marias und verpflichtet die Kirche, ihre wahre Identität immer in der Betrachtung der Wesenszüge der Theotokos zu suchen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an Euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache. Besonders heiße ich den 159 AUDIENZEN UNDANGELUS Polizeichor aus Duisburg, die Pfarrwallfahrt aus St. Laurentius in Altheim sowie die zahlreichen Schüler und Jugendgruppen willkommen. Mit dem Wunsch, Euer Besuch an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus möge Euch in Eurem Glauben stärken, erteile ich Euch und Euren Lieben zu Hause von Herzen meinen Apostolischen Segen. Marias Wirken als Mutter in den ersten Jahrhunderten Ansprache bei der Generalaudienz am 13. September 1. In der Konstitution Lumen Gentium bekräftigt das Konzil, daß „die Gläubigen, die Christus, dem Haupt, anhangen und mit allen seinen Heiligen verbunden sind, auch das Gedächtnis ,vor allem Marias, der glorreichen, allzeit jungfräulichen Mutter unseres Gottes und Herrn Jesus Christus1 feiern“ sollen (Nr. 52). Die Konzilskonstitution verwendet die Worte des Kanons der Römischen Messe und betont damit, daß der Glaube an die Gottesmutterschaft Marias im christlichen Denken seit den ersten Jahrhunderten vorhanden ist. In der Urkirche wird Maria als die „Mutter Jesu“ bezeichnet. Es ist wiederum Lukas, der ihr in der Apostelgeschichte diesen Namen gibt, der im übrigen dem entspricht, was in den Evangelien gesagt wird: ,Jst das nicht... der Sohn der Maria?“ fragen die Bewohner von Nazaret nach dem Bericht des Evangelisten Markus (6,3); „Heißt nicht seine Mutter Maria?“ lautet die von Matthäus (13,55) aufgezeichnete Frage. 2. In den Augen der nach Jesu Himmelfahrt versammelten Jünger erhält der Titel „Mutter Jesu“ seine volle Bedeutung. Maria ist für sie eine Person, einzig in ihrer Art: Sie hat die außerordentliche Gnade empfangen, den Erlöser der Menschheit zur Welt zu bringen; lange Zeit hat sie mit ihm gelebt, und auf Golgota hat sie der Gekreuzigte dazu berufen, eine „neue Mutterschaft“ dem Lieblingsjünger gegenüber und durch ihn der ganzen Kirche gegenüber auszuüben. Für alle, die an Jesus glauben und ihm nachfolgen, ist die Bezeichnung „Mutter Jesu“ ein im Leben und im Glauben der Kirche fest verankerter Ehrentitel, der zum Lobpreis anregt. Mit diesem Titel wollen die Christen in besonderer Weise bekräftigen, daß man sich auf die Herkunft Jesu nicht berufen kann, ohne die Rolle der Frau anzuerkennen, die ihn im Heiligen Geist der menschlichen Natur gemäß geboren hat. Ihre Aufgabe als Mutter bezieht sich auch auf die Geburt und Entwicklung der Kirche. Indem sie die Rolle Marias im Leben Jesu bedenken, entdecken die Gläubigen auch in ihrer eigenen geistlichen Entwicklung jeden Tag ihre wirksame Gegenwart. 3. Von Anfang an hat die Kirche Maria die jungfräuliche Mutterschaft zuerkannt. Wie die Kindheitsberichte vermuten lassen, haben die christlichen Urgemeinden Marias Erinnerungen an die geheimnisvollen Umstände der Empfängnis und die 160 AUDIENZEN UND ANGELUS Geburt des Erlösers gesammelt. Insbesondere die Erzählung von der Verkündigung entspricht dem Wunsch der Jünger, Näheres über die Ereignisse zu erfahren, die mit den Anfängen des irdischen Lebens des auferstandenen Christus verbunden sind. Von Maria ist, im Grunde genommen, die Offenbarung in bezug auf das Geheimnis der jungfräulichen Empfängnis durch den Heiligen Geist ausgegangen. Diese Wahrheit, die die göttliche Herkunft Jesu beweist, wurde von den ersten Christen sofort in ihrer vollen Bedeutung angenommen und in die Grundaussagen ihres Glaubens eingereiht. Dem Gesetz nach Sohn Josefs, ist Jesus in Wirklichkeit aufgrund eines außerordentlichen Eingriffs des Heiligen Geistes in seiner Menschlichkeit einzig Sohn Marias, weil er ohne das Mitwirken eines Mannes auf die Welt kam. Marias Jungfräulichkeit erhält so eine einzigartige Bedeutung und wirft neues Licht auf die Geburt und das Geheimnis der Sohnschaft Jesu, denn die Jungfrauengeburt ist das Zeichen, daß Jesus Gott selbst zum Vater hat. Vom Glauben der Väter anerkannt und verkündet, ist die jungfräuliche Mutterschaft nie mehr von der Identität Jesu zu trennen, der wahrer Mensch und wahrer Gott ist, insofern als er „von der Jungfrau Maria geboren“ wurde, wie wir im Ni-zäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis bekennen. Maria ist die einzige Jungfrau, die auch Mutter ist. Das außerordentliche Zusammentreffen dieser beiden Gaben in dem Mädchen von Nazaret hat die Christen veranlaßt, Maria einfach „die Jungfrau“ zu nennen - auch wenn sie sich auf ihre Mutterschaft beziehen. Marias Jungfräulichkeit setzt so in den Christengemeinden den Anfang zur Verbreitung des jungfräulichen Lebens, das von allen gelebt wird, die der Herr dazu beruft. Diese besondere Berufung, die in dem Beispiel Christi ihren Höhepunkt erreicht, stellt für die Kirche aller Zeiten, die in Maria Inspiration und Vorbild findet, einen unermeßlichen geistlichen Reichtum dar. 4. Die Aussage: , Jesus, geboren von der Jungfrau Maria“ schließt in dieser Tatsache schon die Anwesenheit eines transzendentalen Geheimnisses mit ein, das seinen vollkommensten Ausdruck nur in der Wahrheit der Gottessohnschaft Jesu finden kann. Mit dieser Hauptaussage des christlichen Glaubens ist die Wahrheit der Gottesmutterschaft Marias eng verbunden: Sie ist in der Tat die Mutter des menschgewordenen Wortes, das „Gott von Gott... wahrer Gott vom wahren Gott“ ist. Der Titel „Mutter Gottes“, der von Matthäus in der gleichwertigen Formel „Mutter des Immanuel“, des „Gott mit uns“, bezeugt wird (vgl. Mt 1,23), wurde Maria erst nach einer Reflexion, die rund zwei Jahrhunderte gedauert hat, ausdrücklich zuerkannt. Die Christen des dritten Jahrhunderts in Ägypten beginnen Maria als „The-otökos“, Mutter Gottes, anzurufen. Mit diesem Titel, der in der Verehrung des christlichen Volkes weitreichendes Echo findet, erscheint Maria in der wahren Dimension ihrer Mutterschaft: Sie ist Mutter des Sohnes Gottes, den sie in seiner Menschennatur jungfräulich geboren 161 A UDIENZEN UND ANGELUS und mit ihrer Mutterliebe aufgezogen und so zum menschlichen Wachstum der göttlichen Person beigetragen hat, die gekommen war, das Los der Menscheit zu wandeln. 5. In sehr bezeichnender Weise enthält das älteste Mariengebet (sub tuum praesi-dium ... — Unter deinen Schutz und Schirm ...) die Anrufung: „Theotokos, Mutter Gottes.“ Dieser Titel entstammt nicht in erster Linie einer Überlegung der Theologen, sondern einer Glaubensintuition des christlichen Volkes. Alle, die Jesus als Gott anerkennen, wenden sich an Maria als die Mutter Gottes und hoffen, ihre mächtige Hilfe in den Schwierigkeiten des Lebens zu erhalten. Das Konzil von Ephesus definiert im Jahr 431 das Dogma der Gottesmutterschaft und verleiht Maria offiziell den Titel „Theotokos“ im Hinblick auf die einzigartige Person Christi, wahrer Gott und wahrer Mensch. Die drei Bezeichnungen, mit denen die Kirche in den vergangenen Jahrhunderten ihren Glauben an die Mutterschaft Marias zum Ausdruck gebracht hat: „Mutter Jesu“, „jungfräuliche Mutter“ und „Mutter Gottes“, verdeutlichen also, daß Marias Mutterschaft zutiefst zum Geheimnis der Menschwerdung gehört. Es sind auch mit der Volksfrömmigkeit verbundene Glaubensaussagen, die dazu beitragen, die Identität Christi zu definieren. In deutscher Sprache sagte der Papst: Nach dieser Betrachtung grüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, sehr herzlich. Besonders heiße ich die Teilnehmer an den Leserreisen der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln und des Bistumsblattes „Paulinus“ aus Trier sowie die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Schnathorst-Tengern willkommen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und all jenen, die uns in der gläubigen Verehrung der Mutter Gottes verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Frieden in Bosnien erfordert Achtung vor allen Menschenrechten Dem Herrn dankbar für die unvergeßliche Begegnung mit so vielen Jugendlichen, die sich um die Madonna von Loreto versammelt hatten, möchte ich euch heute einladen, weiter für den Frieden in Südosteuropa, besonders in dem gemarterten Bosnien-Herzegowina, zu beten. Ein Großteil der Bevölkerung ist immer noch schwersten Leiden ausgesetzt, und wir alle wünschen, daß die laufenden Verhandlungen erste Schritte zum Frieden sind. Wir wissen, wie schwierig es ist, den Frieden auf festen und gerechten Grundlagen zu errichten. Das erfordert nicht nur die Achtung vor allen Menschenrechten, die Rückkehr der Vertriebenen und der Flüchtlinge, sondern auch und vor allem Vergebung und Versöhnung. Der Sendung getreu, die ihr vom Herrn aufgetragen ist, wird die katholische Kirche jede Initiative von „Baumeistern des Friedens“ fördern und unterstützen. In 162 AUDIENZEN UND ANGELUS diesem Zusammenhang habe ich für Dienstag, 17. Oktober, die Bischöfe von Bosnien-Herzegowina, Kroatien, der Jugoslawischen Föderation, von Makedonien und Slowenien nach Rom eingeladen, um zusammen mit ihnen zu überlegen, wie man möglichst schnell zu einem dauerhaften Frieden kommen und den rechtmäßigen Ansprüchen der Opfer dieses nicht enden wollenden Krieges begegnen kann. Ich lade euch jetzt schon ein, um einen guten Ausgang dieses Treffens zu beten. Afrika will kein Mitleid, sondern Solidarität! Angelus in Castel Gandolfo am 24. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vor meinen Augen habe ich noch die Eindrücke der Pilgerfahrt, die mich vom 14. bis zum 20. September zum elften Mal nach Afrika geführt hat. Wie könnte man von der menschlichen Wärme der Afrikaner nicht berührt werden? Wie könnte man die Farben, Klänge und Rhythmen dieser Länder vergessen? Sie sind Tanz des Lebens, Sieg des Lebens! Ich danke allen und jedem einzelnen - den Bischöfen, den staatlichen Obrigkeiten, den Völkern von Kamerun, Südafrika und Kenia - für ihre herzliche und freudige Aufnahme. Leider bin ich ein weiteres Mal mit den Problemen dieses Erdteils in enge Berührung gekommen. Afrika trägt die Merkmale seiner langen Geschichte von Erniedrigungen. Zu sehr hat man diesen Erdteil nur unter dem Aspekt selbstsüchtiger Interessen betrachtet. Afrika will kein Mitleid, es will Solidarität. Diese Botschaft habe ich überall vernommen und insbesondere bei der Begegnung mit Nelson Mandela, dem Mann, der die Überwindung der Apartheid anführte, indem er der Sehnsucht seines Volkes und ganz Afrikas nach einer Wiedergeburt in Frieden und Versöhnung durch die Zusammenarbeit aller Landessöhne und töchter Ausdruck gab. Aber zu viele Hypotheken erschweren diesen Weg. Einige Länder leiden noch unter Bruderkriegen. Der ganze Erdteil wird gleichsam erdrückt von einer ungeheuren Last der Armut, der Unterernährung, der Epidemien und des Analphabetismus. Dazu kommt eine Schuldenlast, die jeden Ausweg zu versperren scheint. Ich fühle mich verpflichtet, das Gewissen der Welt auf Afrika hinzuweisen, das Gewissen jener Wohlstandswelt, die den Armen bedenkenlos Hilfsquellen entzieht und sie in Vernichtungswaffen investiert. Die Augen der afrikanischen Kinder richten über uns! 2. Dennoch stellt Afrika eine große Verheißung, einen Vorrat an Hoffnung dar, und zwar aufgrund der hohen traditionellen Werte, die noch lebendig sind, obwohl sie von den propagierten Konsummodellen beeinträchtigt werden. Ich denke zum Beispiel an die tiefe Frömmigkeit, an den ausgeprägten Familiensinn und an die Achtung des menschlichen Lebens. Dieses Afrika der Hoffnung ruft die Jünger 163 AUDIENZEN UND ANGELUS Christi auf den Plan. Ich bin nach Afrika gereist, um die Ortskirchen zu einem neuen Evangelisierungsanlauf nach den Leitlinien des nachsynodalen Schreibens Ecclesia in Africa anzuspomen. Ich wollte dieses Dokument auf afrikanischem Boden, in Yaounde, unterzeichnen. Es bildet die Krönung der im vergangenen Jahr in Rom abgehaltenen Sondersynode für Afrika und eröffnet die Phase des tatkräftigen Einsatzes. In ihrem Klerus, ihren Katechisten und ihren Einrichtungen ist die Kirche in Afrika nunmehr gefestigt. Sie ist eine junge und lebendige Kirche. Ihr steht die große Aufgabe bevor, den Glauben in der Kultur dieses Kontinents zu verkörpern, damit kein wahrer Wert der afrikanischen Tradition verloren gehe und vom Evangelium alles durchformt werde. Voran, Kirche in Afrika! Übernimm mutig deine Aufgabe und Verantwortung! Gib Zeugnis von der Hoffnung, die in dir ist! 3. Maria, der Königin Afrikas, empfehle ich den Weg dieses Erdteils in das bevorstehende neue Jahrtausend. Sie rühre die Herzen der Mächtigen der Welt, damit deren soziale Probleme eine gerechte Lösung finden. Sie rege die Kräfte der Erneuerung an, die schon in den Völkern und in den Kirchen Afrikas vorhanden sind, sie unterstütze sie und führe sie zur Reife zum Wohl der ganzen Menschheit. Kirche in Afrika im 3. Jahrtausend Ansprache bei der Generalaudienz am 27. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am 14. September konnte ich zu meiner Freude in Yaounde zu Beginn der Abschlußphase der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika das nachsynodale Schreiben Ecclesia in Africa unterzeichnen. In den darauffolgenden Tagen, anläßlich der festlichen Eucharistiefeiem, zu denen sich Hunderttausende von Gläubigen in Yaounde, in Johannesburg und in Nairobi versammelt hatten, übergab ich dieses Dokument den Bischöfen, den Priestern, den Ordensleuten, den Katechisten und den Laien von Afrika. Während ich ihnen die Frucht der Synode anvertraute, bat ich sie, über diese nachzudenken und sie zu leben, um sie den kommenden Generationen weitergeben zu können; denn es handelt sich um den Evangelisierungsauftrag der Kirche in Afrika bis zum Jahr 2000 und noch weit darüber hinaus. Während der feierlichen Synodensitzungen wurden gleichzeitig die wesentlichen Themen der Synode angegangen bei Beteiligung der Kardinäle, der delegierten Präsidenten der Sonderversammlung und der Ortsbischöfe und in Dialoghaltung mit den nichtkatholischen Christen und einigen Vertretern des Islam und der traditionellen afrikanischen Religion. Heute möchte ich die Hauptlinien des nachsynodalen Schreibens aufzeigen. Es handelt sich zwar um die Frucht einer Synode des Kontinents, aber es betrifft nicht 164 AUDIENZEN UND ANGELUS nur Afrika, sondern bezieht auch die universale Kirche mit ein (Nr. 19). In Afrika - versicherte ich den Mitgliedern der noch jungen Kirchen - wird ihnen die Unterstützung der Kirchen der übrigen Weltregionen nicht fehlen: Das erfordert die Gemeinschaft, die wir alle in dem einen Leib Christi bilden. 2. Das Schreiben ruft in Erinnerung, daß diese Synode für Afrika seit dem n. Vatikanischen Konzil das Ziel einer Reihe von Begegnungen der afrikanischen Bischöfe war, die ihre Erfahrungen und Besorgnisse in bezug auf ihren Pastoraleinsatz austauschen wollten. Diese in regelmäßigen Zeitabschnitten abgehaltenen Treffen trugen gewiß zum Heranreifen von Kirchen bei, die zum großen Teil erst vor kurzem gegründet worden waren. In die ausgedehnten Beratungen zwischen der Einberufung der Synode im Jahr 1989 und der Sitzungsperiode 1994 in Rom waren die Gläubigen auf allen Ebenen in Afrika selbst miteinbezogen: Während der Synode wurden die Bischöfe wirklich vom Gebet und Zeugnis des ganzen Volkes Gottes unterstützt. Die Sonderversammlung am Grab des Petrus machte die Kraft des von der Kirche in Afrika gelebten Glaubens deutlich. Selbst die Synodenväter beschrieben das Ereignis als eine Synode der Auferstehung und der Hoffnung. Sie machten in Einheit mit dem Bischof von Rom die eindringliche Erfahrung der kollegialen Gemeinschaft, die sie zum Dienst am eigenen Volk und an der universalen Kirche verpflichtet. Am Schluß ihrer Arbeitswochen richteten sie an das Volk Gottes eine bedeutsame Botschaft und übergaben mir die Vorschläge, die sie erarbeitet hatten. Ausgehend von diesen Grundlagen, habe ich der Kirche in Afrika die Leitlinien eines neuen Pastoraleinsatzes für den Weg ins dritte Jahrtausend angeboten. Wie ich in Nairobi sagte, ist die Synode zwar zu Ende, aber eigentlich steht die Synode noch am Anfang. Es liegt immer mehr an den Afrikanern selbst, die Lebenskraft ihrer Kirche zu sichern. 3. Die Evangelisierung in Afrika hat eine lange Geschichte: Im Norden des Kontinents reicht sie bis zu den ersten Christengenerationen zurück, und noch heute wird die auf den hl. Markus zurückgehende apostolische Tradition aufrechterhalten. Aber erst in den letzten Jahrhunderten wurde das Evangelium fast in allen Teilen des Kontinents verkündet, dank dem Werk hochherziger Missionare, denen die Synode dankbare Anerkennung gezollt hat. Heute werden die rund hundert afrikanischen Diözesen zum Großteil von einheimischen Bischöfen geleitet. Die Synode wollte dem Herrn danken für die von ihm vollbrachten Wundertaten. Aber zugleich befaßten sich die Synodenväter, ohne in Pessimismus zu verfallen, mit den vielen und oft tragischen Schwierigkeiten eines Kontinents, „der der schlechten Nachrichten überdrüssig ist“ (Nr. 40). Denn sie stellen ebenso Herausforderungen für die Christen dar, die als gute Samariter helfen sollen, indem sie jene rasche, tatkräftige und zugleich „verständnisvolle Präsenz“ anbieten, deren die Söhne und Töchter Afrikas besonders bedürfen (Nr. 41). 165 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Eines der größten Anliegen, denen die Evangelisierung heute auf dem Kontinent begegnet, ist das Werk der Inkulturation. Es geht darum, das Evangelium, wie es in anderen Völkern und Gesellschaften der christlichen Welt geschehen ist, in das Herz der afrikanischen Kultur einzusenken, während alles Positive von ihr aufgewertet und das mit der Botschaft Christi Unvereinbare gereinigt wird. Die Kirche in Afrika wird auf diese Weise immer mehr jenes afrikanische Gesicht erhalten, das ich zu meiner großen Freude in der Liturgie, in den Gesängen und Tänzen wie auch in der Art und Weise, das Wort Gottes zu empfangen und zu ehren, erneut erleben durfte. Unsere afrikanischen Brüder und Schwestern stellen gern das Thema der Kirche als Familie heraus, weil dieser Vergleich ihrem Gefühl nach das „Geheimnis“ des kirchlichen Lebens besonders gut zum Ausdruck bringt. Die christliche Gemeinschaft ist in der Tat eine wahre „Familie“, denn alle Getauften sind durch eine Gemeinschaftsbeziehung miteinander verbunden, die sie in Christus zu einem Leib macht (vgl. Röm 12,5) und sie drängt, ein Herz und eine Seele zu sein (vgl. Apg 4,32). Ausgehend von dieser Erfahrung als „Familie Gottes“, werden sich die Christen Afrikas allen Menschen öffnen, indem sie auch mit den anderen Religionen einen ehrlichen Dialog anknüpfen und sich vor allem für die Armen und Unterdrückten einsetzen, damit sich die Kirche in Afrika wirklich „zur Stimme derjenigen macht, die keine Stimme haben“ (Nm. 68-70). 5. Auf diesen Ausblick hinweisend, zeichnet das nachsynodale Schreiben die Grundlinien des Programms für „ein organisches solidarisches Zusammenwirken in der Pastoral auf dem gesamten afrikanischen Territorium und den dazugehörigen Inseln“, von dem ich seit der Einberufung der Bischofsversammlung (Angelus vom 6. Januar 1989; vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 5) gesprochen habe. Es lädt die afrikanischen Katholiken ein, die Herausforderungen des dritten Jahrtausends anzunehmen: die Dringlichkeit der Verkündigung des Evangeliums und das Angebot der Taufe, die unerläßliche Vertiefung des Glaubenssinnes in den Getauften, den Mut zur Zeugenschaft, der Entschluß zur Vergebung und Versöhnung auch in den dramatischsten Situationen. Insbesondere zu unterstützen, ja zu retten ist die afrikanische Familie, indem sie evangelisiert wird, damit sie ihrerseits zum ersten Ort der Evangelisierung werde (vgl. Kap. IV). „Ihr werdet meine Zeugen sein in Afrika,, ist ein Kapitel des Schreibens betitelt, das den Missionsauftrag Jesu unmittelbar auf die afrikanischen Gläubigen anwendet, während es sie verpflichtet, ihren unterschiedlichen Berufungen entsprechend Träger der Evangelisierung zu sein, von den Bischöfen bis zu den Laien und mit Hilfe der zusätzlichen Strukturen, die das kirchliche Netz bilden. Es geht darum, das Reich Gottes zu errichten, indem man die kirchliche Gemeinschaft aufbaut und zugleich die Gesellschaft anregt, so daß mit Hilfe der Gnade die Gerechtigkeit, der Frieden und das Gemeinwohl der Nationen immer mehr überhand nehmen (vgl. Kap. V). 166 AUDIENZEN UNDANGELUS 6. Die afrikanischen Katholiken sind aufgerufen, „bis an die Grenzen der Erde“ Zeugen zu sein. Sie selbst sind nun Missionare für ihre Völker und über ihre Völker hinaus. Für uns alle ist es ein Grund der Freude zu sehen, daß diese jungen Kirchen die Fähigkeiten haben, die Sorge aller Kirchen nunmehr voll zu teilen, wie es das II. Vatikanische Konzil wiederholt gefordert hat (vgl. Kap. VII). Von lebendiger Hoffnung gestützt, wenden wir uns an Maria, den Stern der Evangelisierung, auf daß die Synode für Afrika zur Erfahrung eines neuen Pfingsten werde. Die von den Synodenvätem angebotenen und in diesem Schreiben, der Frucht intensiver kollegialer Arbeit, zusammengefaßten Hinweise mögen für alle Katholiken des Kontinents Anregung und Ausrichtung in ihrer täglichen Antwort auf die Taufversprechen sein. Durch den Beitrag aller wird die Kirche in Afrika ihren Evangelisierungsauftrag im Blick auf das dritte Jahrtausend immer wirksamer erfüllen können. In deutscher Sprache sagte der Papst: Nach diesen Ausführungen grüße ich euch, liebe Schwestern und Brüder, nochmals ganz herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Behinderten der 16. Pilgerfahrt von „Rom im Rollstuhl“ aus der Schweiz, an die Bewohner des Multiple-Sklerose-Reha-Zentrums in Großhansdorf und an die Teilnehmer der Wallfahrt der Blindenzeitung „Wir“. Besonders herzlich heiße ich die so zahlreich anwesenden Schülerinnen und Schüler willkommen. Euch allen und euren lieben Angehörigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Rosenkranzgebet fördert Frieden und Gemeinschaft Angelus am 1. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Monat Oktober ist im Leben der christlichen Gemeinschaft Maria gewidmet und besonders mit der Neubelebung des Rosenkranzes verbunden. Es handelt sich um ein einfaches und tiefes Gebet, angemessen für den einzelnen und die Gemeinschaften, für Menschen jeden Standes und Bildungsgrades. Es ist ein marianisches, aber zugleich christologisches Gebet, denn es wird von der Meditation über das Leben Christi bestimmt. Maria führt uns zu Jesus! Indem es gewohnte und liebenswerte Gebete wie das Vaterunser, das Ave Maria und das Gloria wiederholt, sammelt sich das Herz in der Betrachtung der Heilsgeheimnisse und bringt Gott durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau die eigenen Nöte und die der ganzen Menschheit dar, während es vom Herrn die Kraft zu einem treueren, hochherzigeren, dem Evangelium entsprechenden Einsatz erfleht. Einst war das tägliche Rosenkranzgebet in den Familien verbreitet. Wie wohltuend wäre heute noch so eine Gepflogenheit! Der Marienrosenkranz wendet die Keime 167 AUDIENZEN UND ANGELUS der Familienzerrüttung ab; er ist ein sicheres Band der Gemeinschaft und des Friedens. 2. Die Seligen, die ich soeben zu meiner Freude zur Ehre der Altäre erheben durfte, waren große Marienverehrer und fanden im Rosenkranzgebet immer Trost und Hilfe in allen Lebenslagen. Ihrer Fürsprache empfehle ich den Besuch, den ich der Organisation der Vereinten Nationen in New York am kommenden 5. Oktober abstatten werde. Möge auch diese Initiative zum Friedensprozeß und zur Solidarität unter den Völkern beitragen. Herzlich begrüße ich die Pilger italienischer Sprache, besonders alle, die zur Teilnahme an der heutigen Seligsprechung nach Rom gekommen sind. Der Mut, mit dem die neuen Seligen ihr Leben für Christus hingegeben haben, sporne jeden zu einem hochherzigen christlichen Lebenszeugnis an. In Spanisch sagte der Papst: 3. Mit großer Zuneigung begrüße ich alle Pilger spanischer Sprache, in besonderer Weise die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubigen der zahlreichen Pilgerfahrten sowie die staatlichen Obrigkeiten, die an dieser Zeremonie teilnehmen. Zu Beginn des Oktobermonats, der dem Rosenkranz gewidmet ist, lade ich euch ein, ihn andächtig zu beten und daran zu denken, daß er das Gebet ist, zu dem die heute seliggesprochenen Märtyrer in den schwierigsten Augenblicken mit großem Eifer Zuflucht genommen haben. Ihr kindliches Vertrauen zur Jungfrau Maria sei für uns alle das Vorbild der Liebe zu unserer Königin und Mutter. Von Herzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Auf Französisch sagte der Papst: 4. Ganz herzlich begrüße ich die Pilger aus Frankreich, die zu der Messe und Seligsprechung heute morgen gekommen sind. Liebe Freunde, mit Freude habe ich euch eifrig beten sehen. Für die geistliche Erneuerung eurer Diözesen habt ihr nun neue Fürsprecher zur Verfügung. Ich rufe sie in eurem Namen an und bitte Gott, er möge euch alle Tage segnen und beschützen. Eine Charta der Nationen — Grundlage für ein friedliches Zusammenleben der Völker Ansprache bei der Generalaudienz am 11. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Kürzlich bin ich aus den Vereinigten Staaten von Amerika zurückgekehrt, wohin ich mich begeben hatte, um an der Feier anläßlich des 50. Jahrestages der 168 AUDIENZEN UND ANGELUS Gründung der Organisation der Vereinten Nationen teilzunehmen und um die Diözesen Newark, New York, Brooklyn und Baltimore zu besuchen. Ich möchte vor allem dem Präsidenten und den Obrigkeiten dieses Landes für ihre herzliche Gastfreundschaft danken. Ich danke dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Dr. Boutros Boutros-Ghali, und dem Präsidenten der Versammlung, Diogo Freitas Do Amaral, für die freundlichen Worte, die sie an mich gerichtet haben. Ein besonders dankbares Gedenken gilt dem UNO-Personal für die Wärme, mit der es mich empfangen hat. Die tägliche qualifizierte Arbeit so vieler Männer und Frauen, die sich der Sache der Vereinten Nationen verschrieben haben, bietet Grund, für die Zukunft dieser herausragenden Institution das Beste zu hoffen. Mein lebhafter Dank gilt auch den Hirten, Priestern und Gläubigen der besuchten Kirchen sowie den Bewohnern der Städte, in denen ich mich aufhielt. Ich spreche meinen Dank all denen aus, die in irgendeiner Weise darum bemüht waren, daß mein Aufenthalt einen ruhigen Verlauf nehme und die erhofften Früchte bringe. 2. Heute möchte ich über meinen Besuch bei der UNO sprechen, während ich die Erwägungen über die weitere apostolische Reise auf ein andermal verschiebe. Nach sechzehn Jahren habe ich diese hohe internationale Versammlung erneut besucht. Anlaß war die 50. Wiederkehr der Gründung der Organisation der Vereinten Nationen. Mein Besuch fand genau dreißig Jahre nach der denkwürdigen Rede statt, die mein Vorgänger Papst Paul VI. an diesem Ort an die Völker der Welt gerichtet hatte. Wie viele Ereignisse von außerordentlicher Bedeutung sind in der Zwischenzeit geschehen! Langjährige Probleme haben eine glückliche Lösung gefunden, aber dunkle Wolken verdüstern noch den Welthorizont. In Europa ist die Mauer gefallen, die den Osten vom Westen trennte, aber in der Welt besteht immer noch das tiefe Gefälle zwischen Nord und Süd aufgrund des großen wirtschaftlichen Unterschieds; man spürt die Notwendigkeit, die Atomwaffen zu verbannen, aber die ungehinderte Verbreitung von hochentwickelten zerstörerischen Waffen geht - oft insgeheim - weiter; dank des umfassenden und ständigen Austausches zwischen Nationen und Kulturen vertieft sich das Bewußtsein der Einheit der Menschheitsfamilie, aber zugleich brechen in Ländern aller Kontinente aggressive und blutige Konflikte aus. Muß man nicht angesichts dieser Situation die Bedeutung der UNO erkennen? Tief dankbar bin ich dem Herrn, daß er es mir ermöglicht hat, einen Beitrag anzubieten, damit die Organisation der Vereinten Nationen immer wirksamer die Aufgabe erfüllt, für die sie geschaffen wurde: ein Zentrum des Ausgleichs zu sein, das den Frieden sichert, die Menschenrechte der einzelnen und der Völker schützt und den Menschen hilft, eine Welt zu bauen, in der sich die verschiedenen Nationen wirklich als eine „Familie“ fühlen. 3. Im Verlauf der vergangenen letzten fünfzig Jahre waren wir Zeugen einer ständigen Suche nach Freiheit seitens mutiger Männer und Frauen aller Breitengrade. Die gewaltlosen Revolutionen von 1989 und der Fall des historischen Stachel- 169 AUDIENZEN UND ANGELUS drahtes zwischen Ost- und Westeuropa sind lebendige Zeugnisse dafür, wie sehr sich das Herz des Menschen nach diesem fundamentalen Wert sehnt. Angesichts dieser Ereignisse hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, in der die Würde der menschlichen Person mit den dazugehörenden Rechten feierlich bekräftigt wird, angefangen von dem der Gewissens- und der Religionsfreiheit, ihre dauerhafte Aktualität bewiesen. Aber bei näherer Betrachtung dieses Jahrestages bin ich zu der Erkenntnis gekommen, daß es bis heute noch kein analoges internationales Übereinkommen gibt, das in angemessener Weise die Rechte der Nationen sanktioniert. Wenn die Charta der menschlichen Grundrechte ausdrücklich die Rechte der Personen ins Licht stellt, muß man sich jetzt darum bemühen, zu einer Charta zu gelangen, die das Recht der Völker auf ein Dasein im Geist respektvollen Zusammenlebens, gegenseitiger Toleranz und konkreter Solidarität schützt und fördert. Wir sind heute Zeugen zweier scheinbar widersprüchlicher Phänomene: Einerseits stellen wir das freie Sich-Zusammenschließen oder Sich-Verbünden ganzer Nationen oder Ländergruppen in größeren Gemeinwesen fest; anderseits sehen wir hervorbrechende Partikularismen wieder auftauchen, die Zeichen eines Identitäts- und Überlebensbedürfnisses angesichts weitreichender kultureller Assimilierungsprozesse sind. Deshalb wird eine „Charta der Nationen“, die diese zusätzlichen Impulse im Rahmen der ethisch-rechtlichen Grundprinzipien der Menschheit deutlich macht und ordnet, nicht umhinkönnen, zu einem friedlicheren Zusammenleben unter den Völkern beizutragen. 4. Es handelt sich darum, einige unveräußerliche Urrechte für alle Nationen der Welt, abgesehen von ihrer jeweiligen Gestalt, die sie auf staatsrechtlicher Ebene besitzen, anzuerkennen und zu fördern: das Existenzrecht, das Recht auf eine eigene Sprache und Kultur, das Recht auf die Erziehung der jungen Generationen nach den eigenen Traditionen, aber immer unter Achtung der Rechte aller und insbesondere der Minderheiten. Die UNO ist dazu aufgerufen, sich zur Garantin und Förderin dieser Erwartungen zu machen, und sie wird diese Aufgabe in dem Maß wirksam erfüllen, in dem sie als wahre Familie der Nationen einen fruchtbaren „Austausch der Gaben“ zwischen den vielen unterschiedlichen Gegebenheiten begünstigt, die die Völker der Erde kennzeichnen. Man darf keine Angst haben vor der Verschiedenheit: Jede Kultur ist in der Tat ein Zeugnis des unaufhörlichen erhebenden Bemühens der Menschheit, das Geheimnis Gottes, der Welt und des Menschen zu interpretieren. Auf diesem Weg, der für jede Nation in Werten, Einrichtungen und Kultur deutlich wird, kann es auch Schranken und Fehler geben, die das im Menschenherzen eingeschriebene allgemeine Recht der Moral und der interkulturelle Austausch selbst werden überwinden helfen. Unter diesem Blickwinkel werden die Unterschiede zum gemeinsamen Reichtum der ganzen Menschheit. 170 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Dennoch darf man die Verteidigung und die Förderung der eigenen nationalen Identität nicht mit der unsinnigen Ideologie des Nationalismus verwechseln, die zur Verachtung der anderen anleitet. Denn eine Sache ist die rechte Liebe zur Heimat, eine andere Sache ist der Nationalismus, der die Völker gegeneinander stellt. Er ist von Grund auf ungerecht, weil er gegen die Pflicht der Solidarität ist und Reaktionen und Feindschaften hervorruft, in denen die Keime der Gewalt und des Krieges reifen. Deshalb wird die erhoffte Charta der Nationen nicht umhinkönnen, außer den Rechten auch die Pflichten herauszustellen, die zu erfüllen die einzelnen Nationen aufgerufen sind, damit eine verantwortliche Kultur der Freiheit gefördert werde, die tief in den Erfordernissen der Wahrheit verwurzelt ist. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Indem ich diese Prinzipien und Handlungsvorga-ben dargelegt habe, wollte ich der Versammlung der Nationen den Beitrag der christlichen Hoffnung anbieten, die uns auf die Welt blicken läßt mit der verantwortlichen und tatkräftigen Zuversicht dessen, der an die unendliche Liebe Gottes zum Menschen glaubt. Diese Liebe, die sich in Christus offenbarte und „in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ ausgegossen ist {Rom 5,5), wirkt geheimnisvoll in jedem Menschen und sät Keime des Guten unter allen Völkern. Wenn auch die Sünde und der Geist des Bösen am Werk sind, haben wir doch die Gewißheit, daß die Liebe Gottes größer als die menschliche Schwäche ist. Das erlaubt uns, der Zukunft ohne Angst entgegenzugehen. Wir müssen das Handeln Gottes unterstützen, wir müssen seinem Geist gegenüber immer folgsamer werden, wenn wir für die Menschheit eine wahre Zivilisation der Liebe bauen wollen. Wir, die an Jesus glauben, haben in diesem Fall eine besondere Verantwortung. Unsere Aufgabe ist, auf Christus, den Weg, die Wahrheit und das Leben des Menschen, mutig hinzuweisen. Aber wir müssen auch im Dialog und in brüderlicher Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens fortschreiten. Nur gemeinsam können wir eine Gesellschaft und eine Zukunft aufbauen, die des Menschen würdig sind. Und indem wir es tun, wird uns bewußt - wie ich am vergangenen 5. Oktober vor der UNO sagte -, „daß die Tränen dieses Jahrhunderts den Boden für einen neuen Frühling des menschlichen Geistes bereitet haben“ {O.R.dt., Nr. 41,13.10.95, S. 4). In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Rückbesinnung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt dem lieben Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, und den Neupriestem des Päpstlichen Kollegium Germanicum et Hungaricum mit ihren Angehörigen. Ferner grüße ich die Teilnehmer an der Diözesanwallfahrt des Bistums Hildesheim unter Leitung von Weihbischof Hans-Georg Koitz, die Mitglieder des Femsehausschusses 171 A UDIENZEN UND ANGELUS des Südwestfunks sowie die Schwestern und Brüder der evangelisch-lutherischen Kirche. Außerdem richte ich einen besonderen Gruß an die Chöre und Musikvereine sowie an die zahlreichen Jugendlichen, Schülerinnen und Schüler aus den deutschsprachigen Ländern. Euch allen, Euren Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 30 Jahre nach dem II. Vatikanum: Rückbesinnung auf Aufgaben, Ergebnisse und Ziele Angelus am 15. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vor dreißig Jahren, am 8. Dezember 1965, wurde das II. Vatikanische Ökumenische Konzil beendet. Einberufen hatte es drei Jahre zuvor am 11. Oktober der sanftmütige, weitblickende und beharrliche Mut von Papst Johannes XXIII. Zu Ende führten es der große Geist und das weite Herz von Papst Paul VI. Während wir auf das Jubiläum des Jahres 2000 zugehen, können wir nicht umhin, auf dieses Ereignis zurückzukommen, das einen Meilenstein, ein „Ereignis der Vorsehung“, in der Geschichte der Kirche unserer Zeit darstellt (Tertio millennio adveniente, Nr. 18). In der Geschichte der Konzilien hat es eine ganz besondere, einzigartige Gestalt. Denn in den früheren Konzilien waren Thema und Anlaß der Feier von besonderen Problemen der Lehre oder Pastoral vorgegeben. Das II. Vatikanische Ökumenische Konzil wollte ein Augenblick der Gesamtreflexion der Kirche über sich selbst und über ihre Beziehungen zur Welt sein. Zu diesem Nachdenken drängte sie das Bedürfnis nach einer immer größeren Treue ihrem Herrn gegenüber. Der Impuls ging aber auch von den tiefen Wandlungen der heutigen Welt aus, die als „Zeichen der Zeit“ im Licht des Wortes Gottes gelesen werden wollten. Das Verdienst von Johannes XXM. war nicht nur die Einberufung des Konzils, sondern auch daß er dessen Ton auf die Hoffnung legte, während er von den „Unheilspropheten“ Abstand nahm und das eigene unbezwingbare Vertrauen in Gottes Wirksamkeit bekräftigte. 2. Dank dem Wehen des Heiligen Geistes hat das Konzil die Grundlagen für einen neuen Frühling der Kirche geschaffen. Es bedeutete keinen Bruch mit der Vergangenheit, sondern es verstand, das Erbe der gesamten kirchlichen Tradition zu nutzen, um die Gläubigen zur Antwort auf die Herausforderungen unserer Epoche anzuleiten. Nach einem Ablauf von dreißig Jahren ist es mehr denn je notwendig, auf diese Stunde der Gnade zurückzukommen. Wie ich in dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente (Nr. 36) hervorhob, darf unter den Punkten einer unverzichtbaren Gewissenserforschung, in die alle Glieder der Kirche einzubezie- 172 AUDIENZEN UND ANGELUS hen sind, die Frage nicht fehlen: Wieviel ist von der Konzilsbotschaft in das Leben, in die Institutionen und in den Stil der Kirche übergegangen? Schon in der Bischofssynode 1985 wurde eine ähnliche Frage gestellt. Sie ist heute noch gültig und zwingt vor allem dazu, das Konzil erneut zu lesen, um dessen Weisungen vollständig aufzunehmen und sich dessen Geist anzueignen. Wir werden es zusammen versuchen, indem wir die Hauptthemen des Konzils im Laufe einiger kommender Sonntagsansprachen beim Angelus durchgehen. Die Geschichte lehrt, daß die Konzilien eine gewisse Zeitspanne benötigten, um Frucht zu tragen. Dennoch hängt viel von uns ab, mit Hilfe der Gnade Gottes. 3. Die seligste Jungfrau Maria, die gerade im Verlauf der Konzils Versammlung von meinem Vorgänger Paul VI. zur „Mutter der Kirche“ erklärt wurde, helfe uns auf diesem Weg. Wir fühlen ihre Nähe unter uns wie die Apostel am Vorabend von Pfingsten. Sie mache uns dem Geist Gottes gegenüber folgsam, damit das nunmehr bevorstehende dritte Jahrtausend die Gläubigen in der Treue zu Christus gefestigter und der Sache seines Evangeliums voll verschrieben antreffe. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Zum „Welttag der Bekämpfung der Armut“ Am 17. Oktober findet der von den Vereinten Nationen bestimmte „Welttag der Bekämpfung der Armut“ statt. Ich möchte, daß die unzähligen Armen in den fünf Erdteilen wissen, daß sie in der Kirche und in der menschlichen Gemeinschaft einen bevorzugten Platz einnehmen. Wir bewundern ihren Mut angesichts der ungeheuren Lebensschwierigkeiten, ihre hochherzige Liebe zu den Kindern, die sie würdig hochhalten, und ihren Sinn für Solidarität mit den Bedürftigsten unter ihnen. Wir ermutigen sie in ihrem Kampf um die Erhaltung ihrer Würde als Menschen, die Gott hebt. Wir zählen auf sie im Herzen unserer Gesellschaften, daß sie es verstehen, durch ihre Prüfungen zu den überzeugtesten Baumeistern des Friedens zu werden. Gott segne alle Armen der Welt! Freiheit - Tugend — Einsatz für das Leben: Tragende Säulen der amerikanischen Nation Ansprache bei der Generalaudienz am 18. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen Mittwoch sprach ich während der Generalaudienz über die kürzliche Begegnung mit der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Heute morgen richte ich mein Augenmerk auf die anderen Stationen meiner Pilgerreise in die Vereinigten Staaten von Amerika, auf die Diözesen Newark, New York, Brooklyn und Baltimore. In jeder dieser Teilkirchen konnte 173 AUDIENZEN UND ANGELUS ich mich persönlich davon überzeugen, wie sehr sich die Amerikaner meine häufigen Aufrufe zu Herzen genommen haben, damit das kurz bevorstehende dritte Jahrtausend eine günstige Gelegenheit biete, die Zivilisation der Liebe aufzubauen. Sie haben keine Angst, der Zukunft entgegenzutreten, denn sie haben ihre Hoffnung auf Jesus Christus, den Erlöser des Menschen, gesetzt. Von Herzen danke ich den Mitbrüdem im Bischofsamt, die im Geist brüderlicher Gemeinschaft den Nachfolger des Petrus einluden, die ihrer Hirtensorge anvertrauten christlichen Gemeinden zu besuchen. Meinen besonderen Dank bringe ich erneut den zivilen und militärischen Obrigkeiten zum Ausdruck, die mich aufnahmen und die Begegnung mit einer großen Anzahl von Katholiken, von Christen anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften und mit den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde unterstützten. Allen, die durch das Gebet und ihren konkreten Beitrag mitgeholfen haben, daß mein Pasto-ralbesuch reiche geistliche Früchte bringe, spreche ich mit den Worten des Apostels meine tiefe Dankbarkeit aus: „Ich danke meinem Gott jedesmal, wenn ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude“ (Phil 1,3-4). Mit großen natürlichen und menschlichen Reichtümem gesegnet, sind sich die Vereinigten Staaten von Amerika dessen bewußt, den anderen Völkern gegenüber eine besondere Verantwortung zu tragen. Sie wissen, daß im Mittelpunkt der Berufung ihrer Nation die Kultur der Aufnahme steht. Denn von Anfang an strömten dort Menschen aus allen Teilen der Erde zusammen, um „eine Gesellschaft mit einer reichen ethnischen und rassischen Vielfalt“ zu schaffen, „die auf der Verpflichtung zu einer gemeinsamen Haltung im Hinblick auf die Menschenwürde und die Freiheit beruht“ (Ansprache bei der Ankunft, 4. Oktober 1995, Nr. 4). Ich bewundere dieses eindrucksvolle Mosaik von Kulturen, und ich bete, daß es nie von Konflikten erschüttert werde, die durch Klassen, Rassen oder Religionsunterschiede hervorgerufen werden. 2. Am 4. Oktober in Newark angekommen, feierte ich - als erste liturgische Handlung - die Vesper in der herrlichen Herz-Jesu-Kathedrale. Der feste, mit der Hoffnung vereinte Glaube der Kirche in New Jersey wurde am darauffolgenden Tag im Giants-Stadion besonders deutlich, wo nicht einmal der strömende Regen, den dieser Staat dringend nötig hatte, die Begeisterung und Andacht der Anwesenden beeinträchtigen konnte. In dem nicht weit entfernt von der bekannten Freiheitsstatue gelegenen Stadion umschrieb ich die Frage, die der Herr am jüngsten Tag beim Endgericht stellen wird: „Wird das heutige Amerika vielleicht unempfänglicher, liebloser gegenüber den Armen, den Schwachen, den Fremden, den Notleidenden?“ In besonderer Weise forderte ich, daß ,4er Fremdling im Mutterleib, das ungeborene Kind, angenommen und geschützt“ werde, aber auch die Schwerbehinderten, die Alten und diejenigen, die als nutzlos für die Gesellschaft betrachtet werden. Den Leuten in New Jersey gegenüber sprach ich meine Überzeugung aus, daß, „wenn Amerika sich einkapseln würde, es der Anfang vom Ende dessen wäre, 174 AUDIENZEN UND ANGELUS was den Wesenskem der „amerikanischen Erfahrung“ bildet (vgl. Predigt, 5. Oktober, Nr. 6). 3. Am folgenden Tag feierte ich die heilige Messe auf der Aqueduct-Pferderenn-bahn in der Diözese Brooklyn, wo es zwar keine Regenschauer, aber starke Windböen gab! Der Heilige Geist, den wir zusammen anriefen, hat uns mit seiner Gegenwart heimgesucht, „wie wenn ein gewaltiger Sturm daherfährt“ (Apg 2,2). Ein weiteres Mal machte ich die unmittelbare Erfahrung von der tiefen Suche nach dem lebendigen Gott, die sich in den Herzen der Amerikaner vollzieht, ein Bedürfnis, das die Mythen des Reichtums, der Macht oder des Ansehens nicht erfüllen können. Wenn Amerika eine authentische Kultur der Aufnahme entfalten will, muß es zuerst dem Geheimnis der Liebe Gottes, in der alles seinen Ursprung hat, Raum geben (vgl. Predigt, 6. Oktober 1995, Nr. 6). Die Kultur der Gastfreundschaft und des Lebens kann nur auf dem festen Felsen der Achtung vor der Wahrheit des göttlichen Plans aufgebaut werden. Die „Weisheit Gottes“ war das Thema der Predigt bei der Vesperfeier mit der St.-Josefs-Seminargemeinschaft. Den Seminaristen gab ich einen anspruchsvollen Auftrag: Wenn ihr einmal Priester seid - sagte ich zu ihnen -, müßt ihr lehren, indem ihr ,glicht mit Worten“ redet, „wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt“ (1 Kor 2,13). Wenn sie das Evangelium verkünden, müssen sie es mutig tun in dem Bewußtsein, daß sie wie ihr Meister oft nicht beachtet oder sogar abgewiesen werden. 4. Unvergeßlich war die Messe, die ich am Samstagmorgen, 7. Oktober, im Central Park von New York unter der Teilnahme überaus vieler Jugendlicher feierte. Trotz der falschen Idole, die die Gesellschaft oft anbietet, sind die jungen Amerikaner - das konnte ich unmittelbar feststellen - offen für die Wahrheit und die Liebe Christi und mit Mut bereit, auch große Opfer auf sich zu nehmen, um das Evangelium treu zu befolgen. Sie wissen, daß die Kirche und der Papst auf sie zählen. Den Jugendlichen ist die Aufgabe zugewiesen, mit der Gnade Gottes dazu beizutragen, eine wirklich menschenwürdige Gesellschaft aufzubauen. Diese Vorsätze übergab ich Maria, während ich am Nachmittag in der St.-Patrick-Kathedrale mit den Vertretern der Kirche von New York den Rosenkranz betete. Am Schluß wollte ich auch die Familien und die Ordensleute ermutigen, immer hochherzig ihrer Berufung zu folgen. 5. Der Pastoralbesuch in den Vereinigten Staaten von Amerika endete in Baltimore, Maryland, in dem Staat, der in der Kolonialzeit Zeuge des Entstehens der katholischen Kirche in Amerika war. Wie könnte man dabei den in Camden Yards verkündeten Aufruf, daß jeder Christus höre, vergessen? Jesus ruft zum Einsatz auf, daß das Licht des Evangeliums im Dienst der Gesellschaft leuchte. Amerika, das „Land der Freien“, steht einer Herausforderung gegenüber: „die Vollendung der Freiheit in der Wahrheit zu suchen, in jener Wahr- 175 AUDIENZEN UND ANGELUS heit, die dem menschlichen Leben innewohnt, das als Abbild Gottes geschaffen ist“ (vgl. Predigt, 8. Oktober, Nr. 6). In Baltimore feierte ich die heilige Eucharistie, nahm an einer Mahlzeit mit den Gästen von „Our Daily Bread“ teil und hatte Gelegenheit, in der Maria-Königin-Kathedrale die Verpflichtung der katholischen Kirche zum Dialog mit den anderen Christen und mit den Vertretern des Judentums und des Islams zu bekräftigen. 6. Liebe Brüder und Schwestern, bevor ich Amerika verließ, richtete ich einen letzten Appell an die Vereinigten Staaten von Amerika. Die anderen Völker -sagte ich ihnen - sehen in euch ein Vorbild der Demokratie. Aber wie könnte man vergessen, daß eine demokratische Nation lebt - oder zu leben aufhört - „mit Hilfe der Wahrheiten und Werte, die sie verkörpert und unterstützt“ (vgl. Ansprache beim Abflug, 8. Oktober, Nr. 2)1 Diese Werte werden nicht von einer Mehrheit oder von dem Wunsch derer bestimmt, die am lautesten schreien, sondern von den Prinzipien des Gesetzes, das von Gott in das Herz des Menschen eingeschrieben ist. Ich bete, daß die Vereinigten Staaten ihrer Berufung als Nation treu bleiben, die auf den Säulen der Freiheit, der Tugend, der Annahme und der Verteidigung des Lebens gründet, und ich wünsche und hoffe von Herzen, daß mein Pastoralbesuch die Katholiken dieses Landes dazu anrege, mit neuem Engagement im Dienst für Christus und sein Evangelium der Hoffnung ins dritte Jahrtausend zu gehen. Noch einmal danke ich dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und den Behörden für diesen schönen Besuch. In deutscher Sprache sagte der Papst: Nach diesen rückblickenden Gedanken über meine Reise grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher hier auf dem Petersplatz sehr herzlich. Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Freunden und Mitarbeitern der Pallottiner aus Österreich und Deutschland, den Teilnehmern an den Diözesanwallfahrten aus Münster, Paderborn und Essen, den zahlreichen Chören, den Jugend- Schüler- und Ministrantengruppen sowie unseren evangelischen Schwestern und Brüdern. Euch allen wünsche ich in diesen Tagen Eures Besuches an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus innere Besinnung und Stärkung Eures Glaubens. Dazu gilt Euch, Euren heben Angehörigen zu Hause sowie allen, die uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, von Herzen meinen Apostolischen Segen. 176 AUDIENZEN UND ANGELUS Lehre des Konzils: eine Kirche des Lebens und der Offenheit Angelus am 22. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen Sonntag kündigte ich an, daß wir im Verlauf der kommenden Sonntagstreffen vor dem Angelus innehalten werden, um über das II. Vatikanische Konzil dreißig Jahre nach seinem Abschluß nachzudenken. Heute möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die dogmatische Konstitution Lumen Gentium lenken, die den „Schlußstein“ der ganzen Konzilslehre bildet. Mit ihr wollte das II. Vatikanum die Wirklichkeit der Kirche erhellen: eine wunderbare, komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichen und göttlichen, sichtbaren und unsichtbaren Elementen besteht (vgl. Nr. 8). Das große Verdienst von Lumen Gentium ist, uns mit Nachdruck in Erinnerung gerufen zu haben, daß - will man in angemessener Weise die Identität der Kirche erfassen, ohne die institutioneilen Aspekte außer acht zu lassen - man von ihrem Geheimnis ausgehen muß. Die Kirche ist Geheimnis, weil sie in Christus eingepflanzt und im dreifältigen Leben verwurzelt ist. Jesus, das menschgewordene Wort Gottes, ist das ,(Licht“, das auf dem Antlitz der Kirche widerscheint (vgl. Nr. 1). Er hat die Erwartungen des alten Israel er füllt und den Anfang für die Ankunft des Reiches Gottes gesetzt. So hat er aus allen Völkern ein neues Volk zusammengeführt, indem er es als seinen Leib und seine Braut in der Kraft des Heiligen Geistes mit sich vereinte. Ein tiefes Geheimnis, das die Getauften verbindet und zur ständigen Umkehr bis zum Gipfel der Heiligkeit drängt. Das also ist die Kirche: ein Volk auf dem Weg der Geschichte, aber den Blick auf das Ziel der Wiederkunft Christi gerichtet. 2. Diese dem Wort Gottes und der ältesten Tradition getreue konziliare Sicht der Kirche soll der christlichen Gemeinschaft einen neuen Lebensimpuls geben, einen neuen Geist der Gemeinschaft und Teilhabe. Die Kirche unserer Zeit muß immer mehr die Züge der Familie annehmen, in der sich niemand ausgegrenzt oder als Mitläufer fühlt. Das erfordert, daß wir in der Folgsamkeit gegenüber der Stimme des Geistes wachsen, um die Charismen zu erkennen und anzunehmen, die er schenkt, und um die vielfältigen, unterschiedlichen Dienste zu fördern und zu entfalten. In diesem Rahmen ist die Ausübung der kirchlichen Autorität immer mehr in der Form des Dienstes zu vollziehen; das gottgeweihte Leben hat neuen Enthusiasmus zu erhoffen, während für die Laien eine neue Zeit der Initiativen und der Verantwortung beginnt. Eine Kirche in der Fülle des Lebens, die in Lumen Gentium dargestellte; eine Kirche, die - weit davon entfernt, sich einzukapseln - sich mit größerem Schwung der Welt öffnet. Eine Kirche, die sich allen Menschen gegenüber als „Schuldnerin des Evangeliums“ fühlt: Die Evangelisiemng ist eine innere, wesentliche Dimen- 177 AUDIENZEN UND ANGELUS sion ihres Lebens, wie uns der Weltmissionssonntag, den wir gerade heute feiern, in Erinnerung ruft. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Wir beten nun zu Maria. Die Konzilsväter wollten sie am Ende dieser grundlegenden dogmatischen Konstitution gleichsam als Krönung und Zusammenfassung der ganzen ekklesiologischen Reflexion vorstellen. Die selige Jungfrau, Vorbild der Kirche, helfe und begleite uns auf diesem Weg der Wiederentdeckung des Konzils, den ich dem ganzen christlichen Volk als besondere Aufgabe und Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 anbieten möchte. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Wie ich kurz zuvor andeutete, feiern wir heute den Weltmissionssonntag. Es ist „die Gelegenheit, vom Herrn eine größere Leidenschaft für die Evangelisierung zu erbitten“ (vgl. Botschaft zum Weltmissionssonntag). Ich denke mit großer Liebe vor allem an die Missionare und Missionarinnen, die an der vordersten Front des Reiches Gottes tätig sind. Die ganze kirchliche Gemeinschaft ist euch, liebe Brüder und Schwestern, innig verbunden; ihr verwirklicht die Mission ad gentes, einen Einsatz, der nicht selten bis zum Blutvergießen geht. Danke, im Namen der Kirche, für eure Hingabe! In daraus folgender konkreter Solidarität sind alle an Christus Glaubenden aufgerufen, an diesem missionarischen Impuls teilzuhaben durch besondere Formen der Zusammenarbeit, wie das Gebet, das Opfer, die Sorge um Missionsberufe und auch durch den materiellen Beitrag. Insbesondere mahne ich alle Gläubigen, den Päpstlichen Missionswerken, die sich so sehr zugunsten der Erfordernisse der Evangelisierung einsetzen, die unbedingt notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Die Mutter Christi, die erste Missionarin, stehe der Kirche bei in der immer hochherzigeren Verwirklichung des Missionsauftrags, Christus allen Völkern und Nationen zu verkünden. Nach der besonderen Begrüßung von französischen, polnischen und italienischen Pilgern sagte der Papst: Ich erinnere mich an diesen Tag, den 22. Oktober, vor siebzehn Jahren auf diesem Platz. Ich empfehle eurem Gebet die Fortführung meines Petrusamtes, das hier, auf diesem Platz vor siebzehn Jahren begann. Gelobt sei Jesus Christus! 178 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria - Mutter des Erlösers und der Menschheit Ansprache bei der Generalaudienz am 24. Oktober 1. Mit der Aussage, daß „die Jungfrau Maria ... als wahre Mutter Gottes und des Erlösers anerkannt und geehrt“ wird (Lumen Gentium, Nr. 53), lenkt das Konzil die Aufmerksamkeit auf die Verbindung, die zwischen der Mutterschaft Marias und der Erlösung besteht. Nachdem die Mutterrolle von Maria - sie wurde in der Lehre und Verehrung der ersten Jahrhunderte als jungfräuliche Mutter Jesu Christi und damit als Mutter Gottes verehrt - bewußt geworden war, macht die Frömmigkeit und die theologische Reflexion der Kirche im Mittelalter ihre Mitwirkung am Werk des Erlösers deutlich. Diese Verzögerung erklärt sich dadurch, daß das Bemühen der Kirchenväter und der ersten ökumenischen Konzilien, das auf das Geheimnis der Identität Christi konzentriert war, notwendigerweise andere Aspekte des Dogmas in den Schatten stellte. Erst nach und nach wird die geoffenbarte Wahrheit in ihrem ganzen Reichtum entfaltet. Die Mariologie richtet sich im Laufe der Jahrhunderte immer an der Christologie aus. Selbst die Gottesmutterschaft Marias wird auf dem Konzil von Ephesus vor allem verkündet, um die personale Einheit Christi zu bekräftigen. Analog dazu wird die Präsenz Marias in der Heilsgeschichte vertieft. 2. Ende des 2. Jahrhunderts stellt der hl. Irenäus, Schüler von Polykarp, schon einleuchtend den Beitrag Marias zum Heilswerk heraus. Er hatte die Bedeutung der Zustimmung Marias im Augenblick der Verkündigung verstanden und in dem Gehorsam und Glauben der Jungfrau von Nazaret der Botschaft des Engels gegenüber die vollständige Antithese zum Ungehorsam und Unglauben der Eva mit der heilsamen Auswirkung auf die Bestimmung der Menschheit erkannt. In der Tat, wie Eva den Tod bewirkt hat, so ist Maria durch ihr Ja „Ursache des Heils“ für sich selbst und für alle Menschen geworden (vgl. Adv. Haer. 3.22,4; SC 211, 441). Aber es handelt sich um eine Aussage, die von den anderen Kirchenvätern nicht in organischer und gewohnter Weise vertieft wurde. Diese Lehre wird aber Ende des 10. Jahrhunderts erstmals im „Marienleben“ des byzantinischen Mönchs Geometres Johannes systematisch herausgearbeitet. Maria ist mit Christus hier im Erlösungswerk verbunden, indem sie nach dem göttlichen Plan am Kreuz Anteil hat und zu unserem Heil mitleidet. Sie ist mit dem Sohn „in jeder Tat, jeder Haltung und jedem Wollen“ vereint (Marienleben, Bol. 196 f. 122 v.). Die Verbindung Marias mit dem Heilswerk Jesu vollzieht sich durch ihre Mutterliebe, eine von der Gnade beseelte Liebe, die ihr eine höhere Kraft verleiht: die leidenschaftsloseste erweist sich als die mitleidsvollste (vgl. ebd. Bol. 196 f. 123 v.). 3. Im Westen kommentiert der hl. Bernhard (gest. 1153) die Darstellung Jesu im Tempel mit folgenden an Maria gerichteten Worten: „Bringe deinen Sohn dar, se- 179 AUDIENZEN UND ANGELUS ligste Jungfrau, und stelle dem Herrn die Frucht deines Leibes vor. Bringe die heilige, Gott wohlgefällige Hostie dar für unsere Versöhnung mit allen“ (Sermo 3 in Purif, 2, PL 183, 370). Ein Schüler und Freund des hl. Bernhard, Arnold von Chartres, stellt besonders das dargebrachte Opfer Marias beim Kreuzesopfer auf Golgota ins Licht. Er unterscheidet im Kreuz „zwei Altäre: einen im Herzen Marias und den andern im Leib Christi. Christus opferte sein Fleisch, Maria ihre Seele“. Maria opfert sich geistlich in tiefer Vereinigung mit Christus und bittet für die Rettung der Welt: „Das, worum die Mutter bittet, bekräftigt der Sohn und schenkt der Vater“ (De septem verbis Domini in cruce, 3: PL 189, 1694). Seit dieser Zeit legen auch andere Autoren die Lehre von der außerordentlichen Mitwirkung Marias am Erlösungsopfer dar. 4. Zugleich entfaltet sich in der christlichen Verehrung und Frömmigkeit die Betrachtung des „Mitleidens“ Marias, das in den Darstellungen der Pieta verdeutlicht wird. Die Teilhabe Marias am Drama des Kreuzes macht dieses Geschehen noch menschlicher und hilft den Gläubigen, in das Geheimnis einzudringen: Das Mitleiden der Mutter läßt das Leiden des Sohnes tiefer erfassen. Durch die Teilhabe am Erlösungswerk Christi wird auch die geistliche und universale Mutterschaft Marias anerkannt. Im Osten sagt Geometres Johannes über Maria: „Du bist unsere Mutter.“ Während er Maria „für die für uns erduldeten Schmerzen und Leiden“ dankt, betont er ihre mütterliche Liebe und ihre Eigenschaft als Mutter aller, die das Heil empfangen (vgl. Homilie auf die Entschlafung Unserer Lieben Frau der Mutter Gottes, in: A. Wenger, L’Assomption de la T.S. Vierge dans la tradition byzantine, 407). Auch im Westen entfaltet sich die Lehre der geistlichen Mutterschaft durch den hl. Anselm, der bekräftigt: „Du bist die Mutter ... der Versöhnung und der Versöhnten, die Mutter des Heils und der Erlösten“ (vgl. Oratio 52, 8: PL 158, 957 A). Maria wird unablässig als Mutter Gottes verehrt, aber die Tatsache, daß sie unsere Mutter ist, verleiht ihrer Gottesmutterschaft einen neuen Wesenszug und öffnet uns den Weg für eine engere Gemeinschaft mit ihr. 5. Die Mutterschaft Marias uns gegenüber besteht nicht nur in einem Liebesband: Durch ihre Verdienste und ihre Fürsprache trägt sie wirksam zu unserer geistlichen Geburt und zur Entfaltung des Gnadenlebens in uns bei. Deshalb wird Maria „Mutter der Gnaden“ und „Mutter des Lebens“ genannt. Der schon von Gregor von Nyssa verwandte Titel „Mutter des Lebens“ wurde von Guerricco d’Igny (gest. 1157) so gedeutet: „Sie ist die Mutter des Lebens, aus dem alle Menschen leben: Indem sie dieses Leben von sich aus geboren hat, hat sie in gewisser Weise alle wiedergeboren, die leben sollten. Nur einer wurde geboren, aber wir alle wurden wiedergeboren“ (vgl. In Assumpt. I, 2, PL 185, 188). 180 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Schrift „Marialc“ aus dem 13. Jahrhundert verwendet ein kühnes Bild und schreibt diese Wiedergeburt der „schmerzhaften Entbindung“ auf Golgota zu, durch die sie „geistliche Mutter des ganzen Menschengeschlechtes wurde“; denn „in ihrem keuschem Leib empfing sie durch ihr Mitleiden die Kinder der Kirche“ (Q. 29, par. 3). 6. Das II. Vatikanische Konzil lehrt, daß Maria „beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise ... mitgewirkt“ hat; es schließt mit folgenden Worten: „Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter“ (Lumen Gentium, Nr. 61), und bekräftigt so das kirchliche Denken, das Maria an der Seite des Sohnes als geistliche Mutter der ganzen Menschheit sieht. Maria ist unsere Mutter: Diese tröstliche Wahrheit, die uns immer klarer und tiefer von der Liebe und dem Glauben der Kirche angeboten wird, stützte und stützt unser aller geistliches Leben und ermutigt uns auch im Leiden zur Zuversicht und Hoffnung. In deutscher Sprache sagte der Papst Mit diesen Überlegungen richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Mein besonderer Gruß gilt den Mitgliedern der Industrie und Handelskammer Augsburg und Schwaben, den Aussiedlem aus Nordrhein-Westfalen, den zahlreichen Jugend-, Ministranten- und Schülergruppen sowie den anwesenden evangelischen Mitchristen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie all jenen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Bereitschaft der Kirche zum Dialog mit der Welt Angelus am 29. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen 10. September habe ich bei dem unvergeßlichen Treffen der Jugendlichen Europas in Loreto das Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils Gaudium et spes, das die Sendung der Kirche in der Welt von heute beschreibt, symbolisch den jungen Menschen als Orientierung für das Leben neu übergeben wollen. Hören wir von neuem dessen wunderbare Anfangsworte: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände“(Nr. 1). Wie sollte man nicht auch heute von der Eingebung dieser Worte ergriffen werden? 181 AUDIENZEN UND ANGELUS Ja, die Kirche bekräftigt sie mit unveränderter Überzeugung, Intensität und Hoffnung. Nach dreißig Jahren hat die Konstitution Gaudium et spes nichts von ihrer Lebendigkeit verloren. Im Gegenteil, sie bezeugt mit einzigartiger Wirksamkeit die Haltung des Dialogs und der Solidarität, mit der die Kirche des Konzils sich der Menschheit unserer Zeit gegenübergestellt hat; eine von christlicher Hoffnung getragene Haltung, die mit Achtung und Wohlwollen auf die Welt zu blicken weiß, aber auch mit Realismus und Unterscheidungsvermögen, Licht und Schatten erkennend und die „Zeichen der Zeit“ beobachtend. 2. In den Mittelpunkt ihrer Reflexion stellt Gaudium et spes das Geheimnis des Menschen (vgl. Nr. 10): der Mensch, in seiner geschichtlichen Konkretheit gesehen, aber auch in den unveränderlichen Erfordernissen seiner Natur erfaßt; der Mensch von Zerbrechlichkeit gekennzeichnet und doch ausgestattet mit unvergleichlicher Würde, da „nach dem Bild Gottes“ geschaffen als die auf Erden einzige „von Gott um ihrer selbst willen gewollte“ Kreatur (Nr. 24); der Mensch, gerufen, Geschichte zu gestalten, und doch gemacht für die Ewigkeit. Von diesem Menschen zeigt uns die Konzilskonstitution das volle Bild in Christus, der Gott dem Menschen und den Menschen sich selbst offenbart: „Tatsächlich - so sagt das Konzil - klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf1 (Nr. 22). Von dieser ganzheitlichen Anthropologie geleitet, behandelt Gaudium et spes in ihrem zweiten Teil einige der dringendsten Probleme der Gegenwartsepoche: Ehe und Familie, Kultur, sozialökonomische Wirklichkeit, Politik, Förderung von Frieden und Solidarität unter den Völkern. Es sind konkrete, bedeutungsvolle, herausfordernde Seiten. Wenn man sie heute nach dem Eintreten zahlreicher Ereignisse in der Welt und mittlerweile an der Schwelle zum dritten Jahrtausend neu liest, ist es schwer, ihre ganze prophetische Aktualität nicht zu bemerken. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Die heilige Jungfrau möge uns lehren, dem vom Konzil gezeichneten Weg treu zu folgen. Sie möge die Menschheit von heute erleuchten, damit sie die transzendente Grundlage und die unverzichtbaren Erfordernisse der Menschenwürde nicht aus dem Blick verliert. Sie möge den Weg der Kirche begleiten, damit sie achtsam auf die Zeichen der Zeit und wachsam im tätigen Dienst am Menschen wirksam das Evangelium bezeuge und zum Aufbau der Welt nach dem Plan Gottes beitrage. Nach dem Angelus grüßte der Papst die zur Seligsprechung gekommenen Pilger aus der Schweiz. Auf Französisch sagte er: Ich richte einen herzlichen Gruß an die Pilger französischer Sprache, insbesondere an diejenigen, die aus der Schweiz in großer Zahl zur Seligsprechung ihrer drei Landsleute gekommen sind zusammen mit den Bischöfen der Bischofskonferenz, denen ich meine brüderlichen Gefühle zum Ausdruck bringe. Mögen die neuen 182 AUDIENZEN UND ANGELUS Seligen ein Vorbild für das tägliche Leben aller Gläubigen der Schweiz und eine Aufforderung sein, sich in der Kirche und in der Welt immer mehr im Dienst an ihren Brüdern einzusetzen! Mit meinem Apostolischen Segen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Meinen herzlichen Willkommensgruß richte ich an euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Mit besonderer Freude grüße ich die zahlreichen Pilger aus der Schweiz, die zur heutigen Seligsprechung von Margue-rite Bays, Maria Theresia Scherer und Maria Bemarda Bütler nach Rom gekommen sind. Dieses für euer Land so bedeutsame geistliche Ereignis möge zur Verlebendigung und Stärkung eures Glaubens an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn beitragen und das Band der kirchlichen Gemeinschaft festigen. Auf die Fürsprache aller Heiligen und Seligen erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Allerheiligen - Fest einer Synthese von Freude und Trauer Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Fest Allerheiligen heute und der Gedenktag der Verstorbenen morgen laden uns ein, den Blick auf das endgültige Ziel unseres irdischen Pilgerweges zu richten: auf das Paradies. „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten - sagt der Meister zu den Jüngern im Abendmahlssaal -, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr“ (Joh 14,2-4). Wenn wir an den Himmel denken, während wir Christus - Weg, Wahrheit und Leben - folgen, überkommt uns jene Gelassenheit und jener Mut, die nötig sind, um den täglichen Schwierigkeiten in der Gewißheit und Hoffnung zu begegnen, daß wir eines Tages an der ewigen Freude der Gemeinschaft der Heiligen teilhaben werden. „Selig, die arm sind vor Gott; selig, die keine Gewalt anwenden; selig, die ein reines Herz haben; selig, die Frieden stiften; selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (vgl. Mt 5,3-10). Das wiederholt uns heute die Kirche und weist auf die Heiligen hin, die „aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offb 7,14); sie haben ausgiebig aus dem Schatz der Erlösung geschöpft. Sie gehen uns jetzt voraus in der Freude der himmlischen Liturgie; sie sind für uns Vorbilder der evangelischen Tugenden, und sie helfen uns durch ihre ständige Fürbitte. 2. Heute die Heiligen, morgen die Toten. Die Kirche verbindet diese beiden Daten des liturgischen Kalenders und lädt uns ein, für die Verstorbenen zu beten. Dieses Gebet - sagt uns die Schrift - „ist eine schöne und edle Tat im Gedanken an die 183 AUDIENZEN UND ANGELUS Auferstehung“ (vgl. 2 Makk 12,43); es ist ein gebotener, konkreter Akt der Liebe, durch den die „Gemeinschaft der Heiligen“ verwirklicht und genährt wird. In den Sinn kommen alle Friedhöfe der Welt, wo die früheren Generationen ruhen. Die Erinnerung wird noch lebendiger, wenn man an die eigenen Angehörigen denkt, an alle, die uns geliebt und in das Leben eingeführt haben. Nicht weniger bedeutend ist das Gedenken der Opfer der Gewalt und der Kriege wie auch derer, die ihr Leben ließen, um Christus bis zum Ende treu zu bleiben, oder derer, die während ihres hochherzigen Dienstes an den Mitmenschen den Tod fanden. Wir wollen besonders derer gedenken, die im Laufe dieses Jahres von uns gegangen sind, und für sie beten. Wenn sich die Kirche, Pilgerin in der Geschichte, einerseits über die Fürsprache der Heiligen und der Seligen freut, die sie in der Aufgabe unterstützen, Christus, seinen Tod und seine Auferstehung zu verkünden, nimmt sie andererseits Anteil an der Trauer ihrer Söhne und Töchter, die unter dem Verlust ihrer Angehörigen leiden, und sie weist sie auf den Ausblick des ewigen Lebens hin. Die Freude und die Tränen verbinden sich an diesen beiden Tagen zu einer Synthese, die ihr Fundament und ihre tröstliche Gewißheit in Christus hat. 3. Unser Blick richtet sich jetzt auf Maria, die durch das „hervorragende Gnadengeschenk bei weitem den Vorrang vor allen anderen himmlischen und irdischen Kreaturen“ hat {Lumen Gentium, Nr. 53). Als Königin aller Heiligen legt die Mutter Christi für die Glieder der Kirche, die noch des göttlichen Erbarmens bedürfen, Fürsprache ein. Ihr, der ganz heiligen und Mittlerin der Gnaden, übergeben wir die Freuden und die Tränen, die diese beiden einzigartigen Gedenktage begleiten. Wort Gottes als Lebensgrundlage annehmen Angelus am 5. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Indem ich die vor einigen Wochen begonnene Reflexion über die Dokumente des II. Vatikanischen Konzils fortsetze, möchte ich heute über die Konstitution Dei Verbum sprechen, in der die Konzilsväter das Thema der göttlichen Offenbarung behandelt haben: ein grundlegendes Thema, das am Ursprung des Christentums selbst steht. Die Konstitution erinnert daran, daß „Gott in seiner Güte und Weisheit beschlossen (hat), sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun“ {Dei Verbum, Nr. 2). Das ist ein großes Geheimnis! Ein Geheimnis, das in den Söhnen und Töchtern der Kirche unentwegt ehrfurchtsvolles Staunen erweckt. Gott, ewige Sehnsucht des Menschenherzens, hat sich nicht in unnahbares Schweigen gehüllt, sondern „redet ... die Menschen an wie Freunde, ... um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen“ (ebd.). Deshalb beschränkt sich die Offenbarung keineswegs auf eine Zusammenfassung von nur dem Verstand zugänglichen Wahrheiten, sondern sie ist vor allem ein Angebot der Gemeinschaft und des Lebens. Sie ist eine Heilsgeschichte! Gott, der Schöpfer, hat sich mit unendlicher Zuwendung dem Schritt seiner Geschöpfe angepaßt, indem er sie nach und nach zur Erkenntnis des Geheimnisses seines inneren Lebens, das heißt seines Herzens, und bis zur vollen Offenbarung in Jesus Christus führte, dem Wort Gottes, das zur Rettung der Menschheit Fleisch geworden ist. 184 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Das ganze Christentum besteht in dieser frohen Verkündigung, dargeboten vor allem durch das lebendige Wort derer, die Zeugen des Heilsgeschehens waren, und dann festgehalten in der Heiligen Schrift, als deren Autor sich Gott selbst bezeichnen kann, weil er sie inspiriert hat. So wird die göttliche Offenbarung durch die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift vollständig vermittelt: „Demselben göttlichen Quell entspringend, fließen beide gewissermaßen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu“ (Dei Verbum, Nr. 9). Sie „sind gleichsam ein Spiegel, in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer irdischen Pilgerschaft anschaut, bis sie hingeführt wird, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, so wie er ist“ {Dei Verbum, Nr. 7). Weil aber die menschlichen Autoren folgsame, aber keine passiven Werkzeuge waren und dem heiligen Text den Stempel ihrer Persönlichkeit aufdrückten, indem sie ihm das Merkmal und sogar die Grenzen ihrer Zeit mitgaben, ist die Bibel mit Hilfe einer guten Exegese anzugehen. Sie ist vor allem im Einklang mit der Kirche zu lesen, der das Wort Gottes anvertraut wurde mit der Garantie eines besonderen Beistandes des Heiligen Geistes. So kann das kirchliche Lehramt, das nicht über dem Wort Gottes steht, sondern diesem dient, dieses Wort in seinem ganzen Wahrheitsgehalt voll Ehrfurcht hören, heilig bewahren und treu auslegen (vgl. Dei Verbum, Nr. 10). Von der Konstitution Dei Verbum kam ein starker Anstoß, das Wort Gottes immer mehr zum Kriterium der Evangelisierung, des persönlichen und kirchlichen Lebens und des Ökumenismus zu machen. Nach dreißig Jahren müssen wir uns mutig fragen: Ist diese grundlegende Weisung des Konzils in allen christlichen Gemeinschaften voll angenommen worden? 3. Schauen wir auf Maria, unsere liebevolle Mutter. Im Evangelium heißt es von ihr, daß sie die Worte des göttlichen Sohnes „in ihrem Herzen bewahrte“ (vgl. Lk 2,51). Die heilige Jungfrau ist wirklich das Vorbild der Jünger Christi. Möge sie in jedem von uns ein großes Verlangen wecken, das Wort Gottes immer besser kennenzulemen und es als Lebensgrundlage zu nehmen. 185 AUDIENZEN UND ANGELUS Opfer des Einsatzes für den Frieden Eine dramatische Nachricht hat gestern abend das Herz vieler Menschen guten Willens getroffen: die bestürzende Nachricht von der Ermordung des israelischen Premierministers Yitzhak Rabin. Er diente seinem Land als tüchtiger Staatsmann, war aber vor allem einer der Hauptgestalter des Friedensprozesses im mittleren Orient. Während ich von Gott Erbarmen für den Verstorbenen erbitte, flehe ich um Trost für seine Angehörigen und seine Mitbürger. Ich hoffe inständig, daß dieses traurige und schmerzliche Ereignis nicht in unwiederbringlicher Weise die Friedenssuche störe, sondern vielmehr ein weiterer Ansporn dazu sei. Der Wunsch des betrauerten Premierministers Rabin nach Frieden, den er selbst, kurz bevor er zu Tode getroffen wurde, bekräftigte, und sein Opfer mögen die erwarteten Früchte der Versöhnung bringen, auf die die ganze Welt große Hoffnung setzt! Zugleich will ich hoffen, daß alle Bürger Israels und alle, die mit Premierminister Rabin den Frieden zu verwirklichen suchten, den gleichen Mut wie er haben und auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen. Darum bitte ich auch Gott, den Geber alles Guten. Frieden! Shalom! Maria im Licht der Heiligen Schrift und der Theologie Ansprache bei der Generalaudienz am 8. November 1. In den vorhergegangenen Katechesen sahen wir, wie die Lehre von der Mutterschaft Marias von der ersten Formulierung „die Mutter Jesu“ zur umfassenderen und klareren Bezeichnung „Mutter Gottes“ und dann zur Bestätigung ihrer mütterlichen Mitwirkung bei der Erlösung der Menschheit übergegangen ist. Auch in bezug auf andere Aspekte der marianischen Lehre waren viele Jahrhunderte notwendig, um zur deutlichen Definition der über Maria offenbarten Wahrheiten zu gelangen. Einzigartige Geschehen dieses Glaubensweges zu einem immer tieferen Verständnis der Rolle Marias in der Heilsgeschichte sind die Dogmen von der Unbefleckten Empfängnis und von der leiblichen Aufnahme in den Himmel, die bekanntlich von zwei meiner ehrwürdigen Vorgänger, und zwar von dem Diener Gottes Pius IX. im Jahr 1854 und dem Diener Gottes Pius XU. im Verlauf des Heiligen Jahres 1950, verkündet wurden. Die Mariologie ist ein besonderes theologisches Forschungsgebiet, auf dem die Liebe des christlichen Volkes zu Maria nicht selten einige Aspekte des Geheimnisses der Jungfrau vorausgeahnt und die Aufmerksamkeit der Theologen und der Hirten auf sie gelenkt hat. 186 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Wir müssen zugeben, daß die Evangelien auf den ersten Blick wenig Information über die Person und das Leben Marias bieten. Wir hätten uns gewiß über sie mehr Hinweise gewünscht, die uns erlaubten, die Mutter Jesu besser zu kennen. Diese Erwartung wird auch von seiten der anderen Schriften des Neuen Testaments nicht erfüllt, wo eine ausdrückliche Lehraussage über Maria fehlt. Selbst die Briefe des hl. Paulus, die uns eine reiche Lehre über Christus und sein Werk bieten, beschränken sich in einem sehr bedeutsamen Abschnitt auf die Aussage, daß Gott seinen Sohn sandte, „geboren von einer Frau“ (Gal 4,4). Über Marias Familie wird sehr wenig berichtet. Wenn wir die Kindheitserzählungen ausschließen, finden wir in den synoptischen Evangelien nur zwei Hinweise, die etwas Licht auf Maria werfen: einen in bezug auf den Versuch der „Brüder“ oder Angehörigen, die Jesus nach Nazaret zurückholen wollten (vgl. Mk 3,21; Mt 12,48), den anderen als Antwort auf den Ausruf einer Frau und die Seligpreisung der Mutter Jesu (vgl. Lk 11,27). Trotzdem liefert Lukas im Kindheitsevangelium mit den Erzählungen über die Verkündigung, die Heimsuchung, die Geburt Jesu, die Darstellung des Kindes im Tempel und die Wiederauffindung des zwölfjährigen Jesus unter den Schriftgelehrten nicht nur einige wichtige Daten, sondern legt eine Art „Protomarialogie“ von grundlegender Bedeutung vor. Seine Angaben werden indirekt von Matthäus in der Erzählung über die Ankündigung an Josef (1,18-25), aber nur in bezug auf die jungfräuliche Empfängnis Jesu vervollständigt. Das Johannesevangelium vertieft dazu die heilsgeschichtliche Bedeutung der Rolle der Mutter Jesu, wenn es ihre Anwesenheit zu Beginn und am Ende des öffentlichen Lebens angibt. Besonders bedeutsam ist Marias Mitwirkung unter dem Kreuz, wo sie von dem sterbenden Sohn den Auftrag erhält, dem Lieblingsjünger und in ihm allen Christen Mutter zu sein (vgl. Joh 2,1-12 und Joh 19,25-27). Die Apostelgeschichte nennt die Mutter Jesu dann ausdrücklich unter den Frauen der ersten Gemeinde in Erwartung von Pfingsten (vgl. Apg 1,14). Nichts wissen wir hingegen - es fehlen weitere neutestamentliche Zeugnisse und sichere Nachrichten aus Geschichtsquellen - über Marias Leben nach dem Pfing-stereignis noch über den Zeitpunkt und die Umstände ihres Todes. Wir dürfen nur vermuten, daß sie weiter bei dem Apostel Johannes wohnte und mit der Entfaltung der jungen Christengemeinde eng verbunden war. 3. Das Fehlen von Angaben über Marias Leben auf Erden wird durch theologischen Gehalt und Reichtum ausgeglichen, die die heutige Exegese aufmerksam ins Licht stellt. Im übrigen müssen wir bedenken, daß der Ausblick der Evangelisten vollkommen christologisch ist und sich für die Mutter nur in bezug auf die Frohe Botschaft des Sohnes interessiert. Wie schon der hl. Ambrosius sagt, hat der Evangelist, indem er das Geheimnis der Menschwerdung darlegte, es für richtig gehalten, „nicht weiter den Nachweis der Jungfräulichkeit Marias führen zu sollen, um nicht mehr 187 A UDIENZEN UND ANGELUS als Anwalt der Jungfrau denn als Verteidiger jenes Geheimnisses angesehen zu werden“ (Exp. in Lucam, 1,6: PL 15, 1555; in: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 21, Kempten/München 1915, S. 52). Wir können in dieser Tatsache eine besondere Absicht des Heiligen Geistes erkennen, der in der Kirche einen Forschungsdrang hervorrufen wollte, der die zentrale Stellung des Geheimnisses Christi bewahrte und sich nicht in Einzelheiten über Marias Leben verlor, sondern vor allem darauf abzielte, ihre Rolle im Heilswerk, ihre persönliche Heiligkeit und ihre mütterliche Sendung im christlichen Leben zu entdecken. 4. Der Heilige Geist leitet die Anstrengungen der Kirche, indem er sie drängt, dieselben Haltungen Marias einzunehmen. Lukas gibt in der Erzählung über die Geburt Jesu an, wie seine Mutter alles „in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte“ (vgl. Lk 2,19), indem sie sich bemühte, alle Ereignisse, deren bevorzugte Zeugin sie gewesen war, durch eine vertiefte Einsicht „zusammenzusetzen“ (sym-ballousd). In ähnlicher Weise wird das Volk Gottes von dem gleichen Geist gedrängt, alles, was von Maria gesagt wurde, tiefer zu erfassen, um im Verständnis ihrer Sendung zu wachsen, die eng mit dem Geheimnis Christi verbunden ist. In der Entwicklung der Mariologie wird eine besondere Rolle des christlichen Volkes deutlich. Durch die Bekräftigung und das Zeugnis seines Glaubens wirkt es an der Entfaltung der marianischen Lehre mit, die normalerweise nicht nur das Werk von Theologen ist, wenn auch deren Aufgabe für die Vertiefung und klare Darlegung der Glaubensaussage und der christlichen Erfahrung selbst unerläßlich ist. Der Glaube der einfachen Menschen wird von Jesus bewundert und gelobt, der in ihm eine wunderbare Offenbarung der Güte des Vaters erkennt (vgl. Mt 11,25; Lk 10,21). Er fährt fort, im Laufe der Jahrhunderte die Wundertaten der Heilsgeschichte zu verkünden, die den Weisen verborgen sind. Im Einklang mit der Einfachheit der Jungfrau ließ dieser Glaube die Erkenntnis ihrer persönlichen Heiligkeit und des über die Natur hinausgehenden Wertes ihrer Mutterschaft weiterwachsen. Das Geheimnis Marias verpflichtet jeden Christen in Gemeinschaft mit der Kirche, das, was das Evangelium über die Mutter Christi offenbart und bekräftigt, „in seinem Herzen zu bewahren und darüber nachzudenken“. In der Logik des Magnifikat wird jeder in der Nachfolge Marias an sich selbst die Liebe Gottes erfahren und in den großen Taten, die die Heiligste Dreifaltigkeit an der Jungfrau „voll der Gnade“ vollbracht hat, ein Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen erkennen. 188 AUDIENZEN UNDANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Nach dieser Betrachtung grüße ich Euch, hebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern, ganz herzlich. Unter Euch begrüße ich insbesondere die Pilgergruppe der Marianischen Männerkongregation am Bürgersaal zu München, die anläßlich des 50. Jahrestages des Todes von Pater Rupert Mayer nach Rom gekommen ist, und die Professoren der Katholischen Universität Eichstätt. Euch, Euren Angehörigen und allen, die mit uns über Radio oder Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Liturgische Erneuerung durch das Konzil ebnet Wege der Umkehr und Weiterbildung Angelus am 12. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. In sehr lebendiger Erinnerung ist noch der tiefe Eindruck, den die vom Konzil eingeführten liturgischen Erneuerungen hervorriefen. Gerade durch die Ritenreform wurden viele - Christen und Nichtchristen - erstmals mit dem konziliaren „aggiomamento“ konfrontiert. Die am 4. Dezember 1963 approbierte Konstitution Sacrosanctum Concilium über die Liturgie war in gewissem Sinn die ,Erstlingsfrucht“ des II. Vatikanums. Sie wollte weit mehr als nur eine einfache äußere Gottesdienstreform liefern, sondern vielmehr in die christliche Gemeinschaft ein neues Bewußtsein von der Liturgie einführen, die „der Höhepunkt (ist), dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 10). Gewiß ist die Liturgie nicht alles, wie das Konzil selbst sagt (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 9). Sie reiht sich ein in die vielfältigen Dimensionen des kirchlichen Lebens, indem sie unter den Christen einen ununterbrochenen Weg der Umkehr, der Weiterbildung, der Zugehörigkeit und des Zeugnisses voraussetzt und fordert. Aber innerhalb dieser persönlichen und gemeinschaftlichen Leitlinien kann man nicht umhin, der Liturgie einen wirklich zentralen Wert beizumessen. 2. Der Grund für diese zentrale Rolle wird gut von der Konstitution dargelegt, die ihn in den Horizont der Heilsgeschichte stellt. Im Vergleich zu den vielen Gebetsformen besitzt das liturgische Gebet eine eigene Gesetzmäßigkeit, nicht nur weil es das öffentliche Gebet der Kirche ist, sondern vor allem weil es echte Vergegenwärtigung und in gewissem Sinne durch die Zeichen eine Forsetzung der Wundertaten ist, die Gott zum Heil des Menschen gewirkt hat. Das bewahrheitet sich vor allem in den Sakramenten und in ganz besonderer Weise in der Eucharistie, wo Christus selbst als Hoherpriester und Opferlamm des Neuen Bundes ge- 189 AUDIENZEN UND ANGELUS genwärtig ist. Was ein für allemal in seinem Tod und seiner Auferstehung geschehen ist, wird sakramental wieder gegenwärtig und im Ritus erneut vollzogen. Auf diese Weise macht sich die Kirche, die die Liturgie feiert, zur Empfängerin und zur Trägerin der Gnade, und alle, die in gebührender innerer und äußerer Haltung zu den Sakramenten gehen, empfangen ihre Früchte der Heiligung und des Heils. Wirklich gut durchdacht waren die Weisungen des Konzils mit dem Ziel, die Liturgie immer bedeutsamer und wirksamer zu gestalten, indem die Riten ihrem lehrmäßigen Sinngehalt entsprechen, die Verkündigung des Wortes Gottes neue Kraft erhält, die Gläubigen zu einer aktiveren Teilnahme ermutigt werden und verschiedene Formen des Dienstes gefördert werden, die den Reichtum der Charismen und der kirchlichen Dienste zum Ausdruck bringen. Sie zeigen auf beredte Weise, wie die Liturgie sowohl Handeln Christi als auch der Kirche ist. Entscheidend war auch die Anregung, die Riten den verschiedenen Sprachen und Kulturen anzupassen, so daß die Kirche auch in der Liturgie ihren universalen Charakter vollkommen zum Ausdruck bringen kann. Durch diese Erneuerungen hat sich die Kirche nicht von ihrer Tradition gelöst, sondern sie hat vielmehr ihre Reichtümer und Erfordernisse voll interpretiert. 3. Schauen wir auf die seligste Jungfrau, die an den Quellen des Neuen Bundes selbst lebte und an dem neuen Gottesdienst „im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4,23) teilnahm. Maria helfe uns, die Liturgie in ihrer vollen Bedeutung, im Einklang mit der himmlischen Liturgie, zu leben. Sie ermutige uns vor allem, sie mit innerer Anteilnahme zu feiern, damit unser ganzes Dasein davon mit Heiligkeit erfüllt und das Antlitz der ganzen Kirche daraus verwandelt hervorgehe. Am Schluß des Angelusgebetes wandte der Papst sich direkt an die anwesenden Pilger auf dem Petersplatz: Ich weiß nicht, ob alle Römer und besonders die Pilger die Kirche der Friesen kennen. Es ist eine Kirche in der Nähe dieses Hauses, der Basilika von St. Peter. Heute hatte ich die Freude, in dieser Kirche die hl. Eucharistie feiern zu können und dem Herrn den neuen Altar der Kirche der Friesen oder der Holländer zu weihen. Der Herr segne alle Gläubigen dieses Landes, von Holland, von Flandern, des ganzen friesischen Gebietes, wo immer sie in der Welt seien. Allen Römern und Pilgern wünsche ich einen schönen Sonntag und eine gute Woche. Trauer über die in Nigeria erfolgten Hinrichtungen Uns erreicht die traurige Nachricht, daß am vergangenen Freitag in Nigeria Hinrichtungen vorgenommen wurden. Allen, die trauern, bin ich besonders nahe, und ich bitte Gott, er möge die Verantwortlichen der nigerianischen Nation erleuchten, damit sie ihr Land führen durch Entscheidungen, die geeignet sind, den achtungs- 190 AUDIENZEN UND ANGELUS vollen Dialog und die Gerechtigkeit zu fördern mit dem Ziel, ein immer harmonischeres Zusammenleben aufzubauen. Maria in der geistlichen Lebenserfahrung der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 15. November 1. Nachdem wir in den vorhergegangenen Katechesen die von Anfang an sich festigende Reflexion der Christengemeinde über die Gestalt und die Rolle der Jungfrau in der Heilsgeschichte betrachtet haben, wollen wir heute über die ma-rianische Erfahrung der Kirche nachdenken. Die Entwicklung der mariologischen Reflexion und der Verehrung der Jungfrau im Laufe der Jahrhunderte hat dazu beigetragen, daß das marianische Antlitz der Kirche immer deutlicher in Erscheinung tritt. Gewiß ist die seligste Jungfrau ganz auf Christus, das Fundament des Glaubens und des kirchlichen Lebens, bezogen und führp zu ihm hin. Aus Gehorsam zu Jesus, der seiner Mutter eine außerordentliche Rolle in der Heilsökonomie zugedacht hat, haben die Christen Maria inständig und in ganz besonderer Weise verehrt, geliebt und angerufen. Sie wiesen ihr eine erhobene Rolle im Glauben und in der Frömmigkeit zu und sahen in ihr den bevorzugten Weg zu Christus, dem höchsten Mittler. Die marianische Dimension der Kirche ist also unleugbarer Bestandteil der Erfahrung des christlichen Volkes. Sie zeigt sich in vielen Erscheinungsformen des Lebens der Gläubigen und beweist, welchen Platz Maria in ihren Herzen einnimmt. Es handelt sich nicht um ein oberflächliches Gefühl, sondern um eine tiefes, bewußtes, im Glauben verwurzeltes Band der Liebe, das die Christen gestern und heute drängte und drängt, sich in gewohnter Weise an Maria zu wenden, um mit Christus in engere Gemeinschaft zu treten. 2. Nach dem ältesten Gebet, das im 3. Jahrhundert in Ägypten von den Christengemeinden formuliert worden war, um von der ,Mutter Gottes“ Schutz in Gefahren zu erbitten, haben sich die Bittrufe an sie vervielfacht, weil die Getauften ihre Fürsprache beim Herrn für sehr mächtig halten. Das meistgebräuchliche Gebet ist heute das „Ave Maria“, dessen erster Teil aus dem Evangelium genommen ist (vgl. Lk 1,28.42). Die Christen lernen es zu Hause von klein an beten und nehmen es als kostbares Geschenk an, das es lebenslang zu pflegen gilt. Dieses Gebet, im Rosenkranz zehnmal wiederholt, hilft vielen Gläubigen, betend die Geheimnisse des Evangeliums zu betrachten und zuweilen lange Zeit in engem Kontakt mit der Mutter Jesu zu stehen. Seit dem Mittelalter ist das „Ave Maria“ das allgemeine Gebet aller Gläubigen, die die heilige Mutter des Herrn bitten, sie in ihrem täglichen Leben zu begleiten und zu schützen (vgl. Apostolisches Schreiben Marialis cultus, Nm. 42-55). 191 AUDIENZEN UND ANGELUS Das christliche Volk hat außerdem seine Liebe zu Maria in vielen Andachtsformen zum Ausdruck gebracht: in Liedern, Gebeten und Gedichten, die einfach oder zuweilen sehr kunstvoll, aber immer geprägt sind von derselben Liebe zu ihr, die der Gekreuzigte den Menschen zur Mutter gegeben hat. Einige davon, wie der Hymnus „Akathistos“ und das „Salve Regina“, haben das Glaubensleben des gläubigen Volkes tief beeinflußt. Bekräftigt wird die Marienverehrung im Osten und im Westen durch viele Kunstwerke, so daß ganze Generationen die geistliche Schönheit Marias zu schätzen wußten. Maler, Bildhauer, Musiker und Dichter hinterließen Kunstwerke, in denen sie die verschiedenen Aspekte des Lebens der Jungfrau darstellen und so den Sinn und die Bedeutung ihres hohen Beitrages zum Erlösungsgeschehen besser verstehen helfen. Die christliche Kunst erkannte in Maria die Verwirklichung eines neuen Menschseins nach dem Plan Gottes und damit ein herausragendes Zeichen der Hoffnung für die gesamte Menschheit. 3. Diese Botschaft konnte von den Christen, die zu besonderer Heiligkeit berufen sind, gar nicht überhört werden. In der Tat wird Maria in den Ordensgemeinschaften und Ordenskongregationen, in den Instituten und Gesellschaften des geweihten Lebens besonders verehrt. Viele Institute, aber nicht nur von Ordensfrauen, tragen in ihrem Titel den Namen Maria. Über alle äußere Erscheinungsformen hinaus betont die Spiritualität der Ordensfamilien und vieler kirchlicher Vereinigungen, von denen einige ausdrücklich marianisch sind, ihre besondere Verbundenheit mit Maria als Garantie eines glaubwürdig und voll gelebten Charismas. Dieser marianische Bezug im Leben von Menschen, die vom Heiligen Geist besonders gefördert sind, hat auch die mystische Dimension entfaltet, die zeigt, wie der Christ in seinem tiefsten Inneren die Gegenwart Marias erleben kann. Die Beziehung zu Maria verbindet nicht nur die engagierten Christen, sondern auch die einfachen Gläubigen und sogar die Fernstehenden, für die sie vielleicht der einzige Kontakt mit dem kirchlichen Leben darstellt. Zeichen dieses gemeinsamen Empfindens des christlichen Volkes der Mutter des Herrn gegenüber sind die Wallfahrten zu den Marienheiligtümem, die das ganze Jahr über große Scharen von Gläubigen anziehen. Einige dieser Bastionen der Marienfrömmigkeit sind sehr bekannt, wie Lourdes, Fatima, Loreto, Pompei, Guadalupe und Tschensto-chau! Andere sind nur im nationalen oder örtlichen Bereich bekannt. Das Gedächtnis von Ereignissen, die mit der Anrufung Marias verbunden sind, vermittelt dort überall die Botschaft ihrer mütterlichen Liebe und öffnet das Herz für die göttliche Gnade. Diese Stätten des Mariengebets geben ein wunderbares Zeugnis von Gottes Erbarmen, das zu den Menschen durch die Fürsprache Marias kommt. Wunder körperlicher Heilung, der inneren Reue und der Umkehr sind das sichere Zeichen, daß 192 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria mit Christus und im Heiligen Geist ihr Werk als Helferin und Mutter fortsetzt. 4. Oft sind die Marienheiligtümer Mittelpunkte der Evangelisierung: Denn wie damals in der Gemeinschaft, die in Erwartung von Pfingsten war, so drängt auch in der Kirche von heute das Gebet mit Maria viele Christen zum Apostolat und zum Dienst an den Mitmenschen. Hier möchte ich besonders auf den großen Einfluß der Marienfrömmigkeit hinweisen, den sie auf die Übung der Nächstenliebe und auf die Werke der Barmherzigkeit hat. Von Marias Gegenwart ermutigt, haben viele Gläubige oft das Bedürfnis, sich den Armen, den Heimgesuchten und den Kranken zu widmen, um für die Niedrigsten der Welt ein Zeichen des mütterlichen Schutzes der Jungfrau und lebendiges Abbild des Erbarmens des Vaters zu sein. Aus all dem wird deutlich, wie die marianische Dimension das gesamte Leben der Kirche durchzieht. Der Wortgottesdienst, die Liturgie, die verschiedenen karitativen und kulturellen Ausdrucksformen finden in der Beziehung zu Maria eine Möglichkeit innerer Bereicherung und Erneuerung. Unter der Leitung seiner Hirten ist das Volk Gottes aufgerufen, in dieser Tatsache das Wirken des Heiligen Geistes zu erkennen, der den christlichen Glauben auf den Weg zur Endeckung der Wesenszüge Marias gewiesen hat. Er vollbringt große Taten an den marianischen Wallfahrtsorten. Er spornt die Gläubigen dazu an, Maria kennenzulemen und zu lieben, und leitet sie an, bei der Jungfrau des Magnifikats in die Schule zu gehen, um die Zeichen Gottes in der Geschichte lesen zu lernen und die Weisheit zu erwerben, die jeden Mann und jeden Frau zu Baumeistern einer neuen Menschheit macht. In deutschen Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der Gruppe der Katholischen Akademie Hamburg in Begleitung von Herrn Weihbischof Jaschke. Es wird eine eurer wesentlichen Aufgaben sein, vor allem an der Schwelle des neuen Jahrtausends im Geist der Ökumene zu wirken. Ferner begrüße ich den Chor des Sängerkreises Moers. Euch allen, euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 193 AUDIENZEN UNDANGELUS Die Bischöfe und ihre Verantwortung für die Gemeinschaft nach dem Verständnis des Konzils Angelus am 19. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Identität und der Hirtendienst der Bischöfe gehörten zu den Themen, die vom II. Vatikanischen Konzil am eingehendsten vertieft wurden, zuerst in Lumen Gentium und dann im Dekret Christus Dominus. In der Konstitution über die Kirche wurde die Abhandlung über die kirchliche Hierarchie dem Kapitel über das Volk Gottes nachgestellt. Denn innerhalb und im Dienst dieses Volkes wird das Amt derer ausgeübt, „die aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel als Hirten der Kirche getreten sind“ (Lumen Gentium, Nr. 20), bekräftigte das Konzil im Einklang mit der Heiligen Schrift und der Tradition. Die Bischöfe empfangen die Fülle des Weihesakramentes, das sie befähigt, „die Aufgabe Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters, inne(zu)haben und in seiner Person (zu) handeln“ (Lumen Gentium, Nr. 21). Sie tun es in der hierarchischen Gemeinschaft eines einzigen Kollegiums, das mit dem „apostolischen Kollegium“ verbunden ist und dessen Haupt der Nachfolger des Petrus ist (Lumen Gentium, Nr. 22). Dreißig Jahre nach dem Konzil ist doch mit Händen zu greifen, wie fruchtbringend die konziliare Aussage über die Kollegialität der Bischöfe war. Gerade in diesem Ausblick konnte das Dekret Christus Dominus auf die neuen Wege der Gemeinde hinweisen, die das Leben der kirchlichen Gemeinschaft kennzeichnen und bereichern. Man denke nur unter anderem an die Intemationalisierung der Römischen Kurie (Christus Dominus, Nr. 10) und an die Errichtung der Bischofskonferenzen (Christus Dominus, Nr. 37). Und wie sollte man dem Herrn nicht für die Früchte danken, die die Bischofssynode trug und zu tragen verspricht, die von Paul VI. als Antwort auf die Voten der Konzilsväter hin errichtet wurde? Es handelt sich um einen bevorzugten Ausdruck „der Sorge für die ganze Kirche“, an der die Bischöfe in Zusammenarbeit mit dem römischen Papst ihrer Berufung entsprechend teilhaben {Christus Dominus, Nr. 5). 2. Im Einklang mit Lumen Gentium widmete das Dekret Christus Dominus auch dem Leben der Teilkirchen große Aufmerksamkeit, in denen die Kirche Christi „wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist“ {Christus Dominus, Nr. 11). In ihnen baut sich die Kirche jeden Tag auf und wächst unter der Leitung des Bischofs durch die Kraft des Wortes Gottes und der Eucharistie. Das vom Konzil entworfene Bild ist das des Hirten, der im Namen Christi die Aufgabe hat, das Volk Gottes zu lehren, zu heiligen und zu leiten. Es ist ein Amt, das eine besondere Autorität beinhaltet, die im Sinn der Gemeinde und des Dienstes zu verstehen und auszuüben ist. Der Bischof muß für seine Gemeinschaft ein „wahrer Vater sein, der sich durch den Geist der Liebe und Sorge für alle auszeichnet“ {Christus Dominus, Nr. 16). Er 194 AUDIENZEN UND ANGELUS muß imstande sein, alle Charismen zu erfassen und abzuwägen, und bereit, die rechtmäßigen Forderungen jedes Gläubigen anzunehmen. Gerade um das zu fördern, hat das Dekret Christus Dominus die aktive Beteiligung der Priester, Ordensleute und Laien an der Seelsorgsarbeit durch institutionelle Organe wie den Diözesanpastoralrat angeregt (Christus Dominus, Nr. 27). 3. In Erwartung von Pfingsten war Maria im Abendmahlssaal zusammen mit den Aposteln. Für sie war sie das Antlitz Christi, die Mutter! Wir rufen sie oft als „Königin der Apostel“ an. Möge die seligste Jungfrau für alle Hirten der Kirche bitten, daß sie in ihrem nicht leichten Dienst dem Bild des guten Hirten immer ähnlicher werden. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute wird in Italien der „nationale Tag des Menschen unterwegs“ begangen, der die öffentliche Meinung für die Probleme derer sensiblisieren will, die fern von ihrer Heimat leben oder keinen festen Wohnsitz haben: die Auswanderer, die Einwanderer, die Nomaden, Roma und Sinti, die Zirkusleute und die Seeleute. Das Thema des Tages: „Die Frau, Verheißung einer neuen Gesellschaft“, folgt der Linie der jüngsten Weltkonferenz von Peking. Es lädt dazu ein, das besondere Augenmerk auf die Frauen unterwegs zu lenken, die immer eine entscheidende Rolle gespielt haben, indem sie die Hoffnung auf ein besseres Morgen weckten, die Familie zusammenhielten sowie die religiösen und moralischen Werte ihres Volkes bewahrten. Wie wichtig ist es, daß die Ein Wanderinnen in Italien einen eigenen Platz innerhalb der Gemeinschaft finden! Und wie schmerzlich ist es hingegen, sie manchmal mißachtet und ausgebeutet zu wissen! Ich vertraue sie alle dem Schutz der hl. Francesca Saverio Cabrini an, der Mutter der Einwanderer, und wünsche von Herzen, daß sie in der Kirche ihre Heimat finden mögen. Ich möchte noch auf einen anderen Gedenktag hinweisen: Übermorgen, am liturgischen Fest der Darstellung Marias im Tempel, wird der Tag „Pro Orantibus“ für die Ordensfrauen und Klöster gefeiert, die in großen Nöten sind. Meine Lieben, ich lade euch ein, diesen Schwestern, die ihr ganzes Leben dem Gebet und Opfer widmen, geistig und konkret nahe zu sein. Es ist eine Geste aktiver Solidarität, die der Herr hochherzig belohnen wird. Hoffnung auf Frieden für den Balkan In diesen Wochen geben die in Dayton in den USA stattfindenden Gespräche Anlaß zur Hoffnung auf Frieden in den Balkanländem. Nach vier Jahren des Leidens, des Todes und der Zerstörungen scheint es, daß für diese schwergeprüften Völker bessere Tagen vorauszusehen sind. Wir vertrauen der seligsten Jungfrau Maria die Anstrengungen aller Beteiligten an, die sich bemühen, diesem dramatischen Konflikt durch einen gerechten und dauerhaften Frieden ein Ende zu setzen. 195 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott gebe, daß die internationale Gemeinschaft diesen Friedensweg weiterhin beharrlich fördere und unterstütze, damit in diesem uns allen so lieben Teil Europas endlich Versöhnung, friedliches Zusammenleben und Brüderlichkeit erblühen mögen! Marias Einfluß auf das Leben der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 22. November 1. Nachdem wir über die marianische Dimension des kirchlichen Lebens nachgedacht haben, möchten wir jetzt den großen geistlichen Reichtum hervorheben, den Maria der Kirche durch ihr Beispiel und ihre Fürbitte vermittelt. Vor allem wollen wir uns einige bedeutsame Aspekte der Persönlichkeit Marias kurz vor Augen halten, die jedem Gläubigen wertvolle Hinweise dafür geben, daß er seine Berufung voll annimmt und verwirklicht. Maria ist uns auf dem Glaubensweg vorausgegangen: Indem sie der Botschaft des Engels glaubt, nimmt sie als erste und in vollkommener Weise das Geheimnis der Menschwerdung an (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 13). Ihr Glaubensweg beginnt noch vor dem Anfang der Gottesmutterschaft und entfaltet und vertieft sich während ihres ganzen Erdenlebens. Ihr Glaube ist ein Wagnis, er läßt sie bei der Verkündigung an das nach menschlichem Ermessen Unmögliche glauben und drängt lesus in Kana, sein erstes Wunder zu wirken, wobei seine messianische Macht offenbar wird (vgl. Joh 2,1-5). Maria leitet die Christen an, den Glauben als einen verbindlichen, anspruchsvollen Weg zu verstehen, der in jedem Lebensalter und in allen Lebenslagen Mut und dauernde Standhaftigkeit erfordert. 2. Marias Glaube ist mit ihrer Annahme des göttlichen Willens verbunden. Indem sie dem Wort Gottes glaubte, konnte sie es in ihrem Dasein voll aufnehmen, und indem sie sich dem höchsten göttlichen Plan zur Verfügung stellte, nahm sie gleichzeit alles an, was ihr von oben abverlangt wurde. Die Gegenwart der seligsten Jungfrau in der Kirche ermutigt deshalb die Christen, jeden Tag das Wort des Herrn zu hören, um in den vielfältigen täglichen Ereignissen seinen Plan der Liebe zu erfassen und treu an dessen Verwirklichung mitzuwirken. 3. Maria lehrt auf diese Weise die Gemeinschaft der Gläubigen, in voller Hingabe an Gott in die Zukunft zu blicken. Im persönlichen Leben der Jungfrau wird die Hoffnung immer wieder neu motiviert und genährt. Von der Verkündigung an konzentriert Maria die Erwartungen des Volkes Israel auf den Mensch gewordenen Sohn Gottes in ihrem jungfräulichen Schoß. Ihre Hoffnung festigt sich in den nachfolgenden Zeiten des Lebens im verborgenen in Nazaret und des öffentlichen Dienstes Jesu. Ihr großer Glaube an das Wort Christi, der seine Auferstehung am dritten Tag angekündigt hatte, ließ sie nicht einmal angesichts des Kreuzesdramas 196 AUDIENZEN UND ANGELUS wanken: Sie bewahrte die Hoffnung auf die Vollendung des messianischen Werkes, während sie ohne Zögern nach der Finsternis des Karfreitags den Morgen der Auferstehung erwartete. Auf ihrem mühevollen Voranschreiten in der Geschichte zwischen der „schon“ empfangenen Erlösung und ihrer „noch nicht“ vollen Verwirklichung weiß die Gemeinschaft der Gläubigen, daß sie auf die Hilfe der „Mutter der Hoffnung“ zählen kann. Sie hat den Sieg Christi über die Macht des Todes erlebt und gibt ihr deshalb immer wieder von neuem die Fähigkeit, auf die Zukunft Gottes zu warten und sich ganz auf die Verheißungen des Herrn zu verlassen. 4. Marias Beispiel läßt die Kirche besser den Wert des Schweigens schätzen. Marias Schweigen ist nicht nur Ausgewogenheit im Sprechen, sondern vor allem Weisheit und die Fähigkeit, das Geheimnis des Mensch gewordenen Wortes und die Ereignisse seines Erdenlebens in der Sicht des Glaubens festzuhalten und zu erwägen. Dieses schweigende Aufnehmen des Wortes, diese Fähigkeit, über das Geheimnis Christi nachzudenken, geht von Maria auf das gläubige Volk über. In einer von Lärm und Nachrichten überfluteten Welt läßt ihr Zeugnis das geistlich fruchtbare Schweigen hochschätzen und fördert den kontemplativen Geist. Maria verdeutlicht den Wert eines einfachen Lebens im verborgenen. Normalerweise verlangen alle, und manchmal fordern sie sogar, die eigene Person und ihre Fähigkeiten voll verwirklichen zu können. Alle sind empfänglich für Wertschätzung und Ehrung. Die Evangelien berichten mehrmals, daß die Apostel die ersten Plätze im Reich anstrebten und untereinander stritten, wer von ihnen der Größte sei, und daß Jesus sie dementsprechend über die Notwendigkeit der Demut und des Dienstes belehren mußte (vgl. Mt 18,1-5; 20,20-28; Mk 9,33-37; 10,35-45; Lk 9,46-48; 22,24-27). Maria hingegen wollte nicht die Ehren und Privilegien einer herausragenden Stellung; sie versuchte immer, den göttlichen Willen zu erfüllen, indem sie ein Leben nach dem Heilsplan des Vaters führte. Maria zeigt denen, die nicht selten die Last eines scheinbar unbedeutenden Daseins empfinden, wie kostbar das Leben sein kann, wenn es aus Liebe zu Christus und den Mitmenschen gelebt wird. 5. Maria bezeugt außerdem den Wert eines Lebens in Reinheit und in Liebe zu allen Menschen. Die Schönheit ihrer ganz dem Herrn sich hingegebenen Seele ist für das christliche Volk Gegenstand der Bewunderung. Die christliche Gemeinschaft hat in Maria immer das Idealbild der Frau gesehen, die voll Liebe und Zärtlichkeit ist, weil sie in der Reinheit des Herzens und des Leibes gelebt hat. Angesichts des Zynismus einer gewissen zeitgenössischen Kultur, die oft nicht den Wert der Keuschheit zu erkennen scheint und die Sexualität banalisiert, indem sie sie von der Würde der Person und dem Plan Gottes trennt, gibt die Jungfrau Maria Zeugnis von einer Reinheit, die das Gewissen erleuchtet und zu einer größeren Liebe zu den Geschöpfen und zum Herrn führt. 197 A UDIENZEN UND ANGELUS 6. Und weiter: Maria erscheint den Christen aller Zeiten als die Frau, die lebhaftes Mitleid mit den Leiden der Menschheit empfindet. Dieses Mitleid ist nicht nur liebevolle Teilnahme, sondern setzt sich um in wirksame und konkrete Hilfe angesichts der materiellen und moralischen Nöte der Menschheit. Indem sie Maria nachfolgt, ist die Kirche aufgerufen, das gleiche Verhalten den Armen und allen Leidenden der Erde gegenüber zu zeigen. Die mütterliche Aufmerksamkeit der Mutter des Herrn für die Tränen, die Leiden und die Schwierigkeiten der Männer und Frauen aller Zeiten muß die Christen besonders an der kommenden Wende zum dritten Jahrtausend dazu anspomen, die konkreten und sichtbaren Zeichen einer Liebe zu vervielfachen, die die Armen und die Leidtragenden von heute an den Verheißungen und Hoffnungen der neuen Welt teilhaben läßt, die aus Ostern erwächst. 7. Die Liebe und Verehrung der Menschen zur Mutter Jesu überschreiten die sichtbaren Grenzen der Kirche und treiben die Herzen zu Gefühlen der Versöhnung an. Als Mutter will Maria die Einheit all ihrer Kinder. Ihre Gegenwart in der Kirche ist eine Einladung, die Einmütigkeit der Herzen zu bewahren, die in der ersten Gemeinde herrschte (vgl. Apg 1,14), und demzufolge auch die Wege der Einheit und des Friedens unter allen Männern und Frauen guten Willens zu suchen. In ihrer Fürsprache bei dem Sohn bittet Maria um die Gnade der Einheit des Menschengeschlechtes zum Aufbau der Zivilisation der Liebe, wobei sie die Tendenzen zur Spaltung, die Versuchungen zu Rache und Haß und den verderblichen Reiz der Gewalt überwindet. 8. Das auf so vielen Marienbildern dargestellte mütterliche Lächeln der Jungfrau zeigt eine Fülle der Gnade und des Friedens, die sich mitteilen will. Dieser Ausdruck der Gelassenheit des Geistes trägt wirksam dazu bei, der Kirche ein frohes Antlitz zu verleihen. Indem sie bei der Verkündigung der Aufforderung des Engels folgte, sich zu freuen (chäire = freu dich: Lk 1,28), hat Maria als erste an der messianischen Freude teil, die der „Tochter Zion“ schon von den Propheten vorhergesagt worden war (vgl. Jes 12,6; Ze/3,14-15; Sach 9,8), und sie überträgt sie zu allen Zeiten auf die Menschheit. Während das christliche Volk sie als „Ursache unserer Freude“ anruft, entdeckt es in ihr die Fähigkeit, die Freude zu vermitteln, die auch inmitten der Lebensschwierigkeiten aus der Hoffnung erwächst, und den, der sich ihr anvertraut, zu der Freude zu führen, die kein Ende hat. In deutscher Sprache sagte der Papst Mit diesen Betrachtungen richte ich einen herzlichen Willkommensgruß an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Euch alle empfehle ich dem besonderen Schutz der Gottesmutter an und erteile Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause 198 AUDIENZEN UND ANGELUS sowie all jenen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Den Friedensprozeß in Bosnien zu Ende führen Gestern am Spätnachmittag kam die so sehr erhoffte Nachricht vom Abschluß eines Friedensabkommens für das gemarterte Bosnien-Herzegowina. In diesem für jene Völker und für die Geschichte Europas so bedeutsamen Augenblick möchte ich alle Mitwirkenden der schwierigen Verhandlungen herzlich zu der Beharrlichkeit beglückwünschen, die sie bis zum Abschluß des Abkommens bewiesen haben. Wir danken Gott für das bisher Erreichte, aber die dringende Einladung zu beten bleibt bestehen, damit alle, die an diesem langen Prozeß beteiligt sind - ich denke besonders an die zahllosen Opfer des Konfliktes: an die Flüchtlinge, Vertriebenen und anderen -, den erforderlichen Willen und die notwendige Kraft haben, ihn zu Ende zu führen. Auch heute erneuere ich den Aufruf an die internationale Gemeinschaft, hochherzige Hilfe zu leisten bei dem materiellen, sozialen und geistlichen Aufbau der durch den Krieg zerstörten Städte und Dörfer. Gott segne die Friedensstifter, die Jesus selbst „Söhne Gottes“ nennt (vgl. Mt 5,9). Priesterlicher Dienst ist Geheimnis einer besonderen Berufung Angelus am 26. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern heute das Fest unseres Herrn Jesus Christus, König des Universums. Dieses in der Volksfrömmigkeit beliebte Fest beschließt das liturgische Jahr und führt uns in die bevorstehende Adventszeit ein. Jesus, der Herr, wird am Ende der Zeiten in Herrlichkeit wiederkommen und sein Reich vollenden. Keim und Anfang dieses Reiches ist die Kirche hier auf Erden. In den Rahmen der heutigen Liturgie paßt gut die Betrachtung, die wir, den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils folgend, heute dem Dienst und dem Leben der Priester widmen wollen. Von den Priestern handelt insbesondere das Dekret Presbyterorum ordinis. Als Boten des Evangeliums sind sie „Mitarbeiter der Ordnung der Bischöfe“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28) und haben die Aufgabe, das Volk Gottes durch die Verkündigung und die Sakramente aufzubauen und zu leiten und es mit Weisheit zur vollen Verwirklichung des Reiches Gottes zu führen. Eine keineswegs leichte Aufgabe, vor allem im Kontext des heutigen Lebens. Denn den Priestern kommen, wie das genannte Konzilsdekret betont, „höchst be- 199 A UD1ENZEN UND ANGELUS deutsame und unstreitig immer schwierigere Aufgaben“ zu, die jedoch für die Erneuerung der Kirche unerläßlich sind (vgl. Nr. 1). Ohne sie und ihren täglichen Dienst wäre die christliche Gemeinschaft tatsächlich undenkbar. 2. Der priesterliche Dienst ist zuallererst ein Gnadengeheimnis und dann erst ein Amt! Er ist das Geheimnis einer besonderen Berufung, aufgrund derer ein Glied des Volkes Gottes eingeladen wird, sein ganzes Leben der Sache des Reiches Gottes zu widmen, und durch das Weihesakrament „mit einem besonderen Prägemal“ gezeichnet wird, das es „dem Priester Christus gleichförmig“ macht (Nr. 2). Diese tiefe Beziehung zu Christus ist der Schlüssel zum Verständnis des Priestertums, das sich grundlegend und nicht nur der Stufe nach vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen unterscheidet (vgl. Nr. 10). Denn die Priester werden dem Priester Christus gleichförmig gemacht, um „Diener des Hauptes zur vollkommenen Auferbauung seines ganzen Leibes, der Kirche“ zu sein (Nr. 12). Sie handeln „an Christi Statt“, vor allem wenn sie die Eucharistie feiern. In Christi Namen sind sie zu Vätern und Erziehern im Glauben bestellt und mit der entsprechenden Vollmacht ausgestattet. Aber das Konzil mahnt sie, nicht zu vergessen, daß sie ,3rüder unter Brüdern“ bleiben sollen (Nr. 9), offen für die Zusammenarbeit und Mitverantwortlichkeit aller Getauften. Doch sie sollen sich „vor allem der Armen und Geringen annehmen“ (Nr. 6). Die Priester haben wirklich eine hohe und anspruchsvolle Sendung! Die Intuition der Gläubigen geht nicht fehl, wenn sie von den Priestern erwartet, daß sie „nach stets größerer Heiligkeit streben“ (Nr. 12). 3. Die seligste Jungfrau, Mutter des ewigen Hohenpriesters, sei den Priestern, ihren geliebten Söhnen, in aller Welt nahe, und stehe besonders denen bei, die sich in Schwierigkeiten befinden. Sie helfe allen, ihrem Auftrag gewachsen zu sein. Sie dränge die christliche Gemeinschaft, die Priester wirklich als Hirten und Väter zu empfinden und sie durch ihr Gebet, ihre Mitarbeit und ihre herzliche Zuneigung zu unterstützen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Gestern wurde im Vatikan die Bischofssynode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche beendet, die anläßlich der Vierhundertjahrfeier der Union des Bistums Kiew mit dem römischen Stuhl, der sogenannten „Union von Brest“, stattgefunden hatte. Vor einigen Tagen wurde das Apostolische Schreiben veröffentlicht, das ich verfaßt habe, um Sinn und Bedeutung dieses historischen Ereignisses in Erinnerung zu rufen, das 1996 durch ein eigenes Jubiläumsjahr gewürdigt werden soll. Mit einer Eucharistiefeier in der Petersbasilika wurde dann heute morgen die Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon eröffnet, deren Thema lautet: „Christus, unsere Hoffnung: Durch seinen Geist erneuert, geben wir einmütig Zeugnis von seiner Liebe.“ Liebe Brüder und Schwestern, beten wir für diese bei- 200 AUDIENZEN UND ANGELUS den wichtigen kirchlichen Ereignisse, die sich in den Weg des Volkes Gottes zum Großen Jubiläum von 2000 einfügen. Die göttliche Vorsehung schenke den ukrainischen und den libanesischen Gläubigen reiche Früchte der Hoffnung und geistlichen Erneuerung, damit sie das Evangelium in ihren Ländern verbreiten und zum Aufbau von freiheitlichen und solidarischen Gesellschaften in Gerechtigkeit und Frieden beitragen. Ich grüße die Pilger auf dem Petersplatz und alle, die mit uns im Gebet über Rundfunk und Fernsehen verbunden sind. Erneuertes Selbstverständnis der Frau aus marianischer Sicht Ansprache bei der Generalaudienz am 29. November 1. Die marianische Lehre, die aus theologischem und spirituellem Blickpunkt weitgehend in unserem Jahrhundert entwickelt wurde, hat seit kurzem in soziologischer und pastoraler Hinsicht neue Bedeutung erlangt, auch aufgrund des verbesserten Verständnisses der Stellung der Frau in der christlichen Gemeinschaft und in der Gesellschaft, wie aus den nicht wenigen Aussagen des Lehramtes hervorgeht. Zum Abschluß des II. Vatikanischen Konzils am 8. Dezember 1965 haben die Väter an die Frauen der ganzen Welt bekanntlich eine Botschaft gerichtet, in der es heißt: „Es kommt die Stunde, und die Stunde ist schon da, wo die Berufung der Frau sich voll entfaltet, die Stunde, in der die Frau einen Einfluß, eine Ausstrahlung und eine bisher nie gekannte Macht in der Gesellschaft erlangt“ {Euch. Vat. 1,307). Diese Aussagen habe ich einige Jahre später in der Enzyklika Mulieris dignitatem bekräftigt: „Die Würde der Frau und ihre Berufung - ständiges Thema menschlicher und christlicher Reflexion - haben in den letzten Jahren eine ganz besondere Bedeutung gewonnen“ (Nr. 1). Die Rolle und die Würde der Frau wurden in diesem Jahrhundert insbesondere von der Frauenbewegung eingefordert, die manchmal in sehr heftiger Weise auf all das reagierte, was in der Vergangenheit und Gegenwart die Aufwertung und volle Entfaltung der Persönlichkeit der Frau sowie ihre Beteiligung an den vielfältigen Ausdrucksformen des gesellschaftlichen und politischen Lebens behindert hat. Es handelt sich um größtenteils berechtigte Forderungen, die zu einer ausgewogeneren Sicht der Frauenfrage in der heutigen Welt beigetragen haben. Diesen Forderungen widmete die Kirche vor allem in jüngster Zeit ganz besondere Aufmerksamkeit, ermutigt auch durch die Tatsache, daß Marias Persönlichkeit, im Licht ihres im Evangelium beschriebenen Lebens betrachtet, eine gültige Antwort auf das Streben der Frau nach Emanzipation darstellt: Maria ist die einzige Menschge- 201 AUDIENZEN UND ANGELUS stalt, die den göttlichen Plan der Liebe in bezug auf die Menschheit in herausragender Weise verwirklicht. 2. Dieser Plan wird schon im Alten Testament im Schöpfungsbericht deutlich, der das erste nach dem Bild Gottes geschaffene Menschenpaar vorstellt: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Die Frau trägt also nicht weniger als der Mann das Bild Gottes in sich. Auch ihr gilt nach ihrem Auftreten auf Erden als Werk des göttlichen Handelns die Hochschätzung: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1,31). In dieser Sicht bedeutet die Verschiedenheit von Mann und Frau weder Unterlegenheit noch Ungleichheit der Frau, sondern sie ist ein neuer Baustein, der den göttlichen Plan bereichert, weil er sich als „sehr gut“ erweist. Aber die göttliche Absicht reicht weit über das hinaus, was das Buch Genesis erzählt. Denn in Maria hat Gott eine neue Frauenpersönlichkeit erstehen lassen, die die überkommene Veranlagung der Frau, wie sie aus der Erschaffung Evas hervorgeht, bei weitem übersteigt. Die einmalige Vorzüglichkeit Marias in der Gnadenordnung und ihre Vollkommenheit sind Früchte der besonderen Güte Gottes, der alle, Männer und Frauen, zur moralischen Vollkommenheit und zur Heiligkeit der Adoptivkinder Gottes erheben will. Maria ist „mehr als alle anderen Frauen gesegnet“; trotzdem hat jede Frau in gewisser Weise Anteil an ihrer hohen Würde im göttlichen Plan. 3. Das einzigartige Geschenk, das die Mutter des Herrn empfangen hat, bezeugt nicht nur das, was wir die Achtung Gottes vor der Frau nennen könnten, sondern beweist auch die im göttlichen Plan enthaltene grundlegende Beachtung ihrer unersetzlichen Rolle in der Menschheitsgeschichte. Die Frauen müssen diese göttliche Wertschätzung erkennen, damit sie sich ihrer erhabenen Würde immer mehr bewußt werden. Die geschichtliche und gesellschaftliche Situation, die die Reaktion der Frauenbewegung auf den Plan rief, war von einer mangelnden Anerkennung der Bedeutung der Frau gekennzeichnet, die oft nur eine zweitrangige oder gar eine ganz abgegrenzte Rolle spielen durfte. Das ließ ihr nicht zu, die dem Frausein eigenen Reichtümer des Verstandes und der Weisheit voll zu entfalten. Im Verlauf der Geschichte erfuhren die Frauen mit ihren Fähigkeiten tatsächlich wenig Beachtung, ja vielmehr Mißachtung und ungerechte Vorurteile. Es geht dabei um einen Sachverhalt, der trotz bedeutender Veränderungen leider auch heute noch in nicht wenigen Nationen und in nicht wenigen Bereichen der Welt andauert. 4. Die Gestalt Marias beweist eine solche Hochschätzung Gottes für die Frau, daß jeder Form von Diskriminierung die theoretische Grundlage entzogen wird. Das wunderbare vom Schöpfer in Maria vollbrachte Werk bietet den Männern und Frauen die Möglichkeit, Dimensionen zu entdecken, die in ihrer bisherigen Lage nicht genug wahrgenommen wurden. Wenn sie auf die Mutter des Herrn blicken, 202 AUDIENZEN UND ANGELUS werden die Frauen ihre Würde und die große Bedeutung ihrer Sendung besser verstehen können. Aber auch die Männer werden im Licht der jungfräulichen Mutter eine vollständigere und ausgewogenere Sicht ihrer Identität, der Familie und der Gesellschaft erlangen. Die aufmerksame Beachtung der Person Marias, wie sie uns die im Glauben der Kirche gelesene Heilige Schrift vorstellt, wird noch notwendiger angesichts der Herabsetzung, die manchmal von einigen Frauenbewegungen zum Ausdruck gebracht wurde. Die Jungfrau von Nazaret wurde in einigen Fällen als Symbol der Frau dargestellt, die in einen begrenzten und engen häuslichen Horizont eingeschlossen ist. Maria ist, im Gegenteil, das Vorbild für die volle Entfaltung der Berufung der Frau, weil sie trotz der von ihrer sozialen Stellung gesetzten Grenzen einen außerordentlichen Einfluß auf die Bestimmung der Menschheit und die Umwandlung der Gesellschaft ausgeübt hat. 5. Die marianische Lehre vermag auch die vielfältigen Weisen aufzuzeigen, in denen das Gnadenleben die geistliche Schönheit der Frau fördert. Angesichts der schändlichen Ausbeutung durch jene Menschen, die manchmal die Frau zum würdelosen und für die Befriedigung schamloser Leidenschaften bestimmten Objekt machen, bekräftigt Maria die erhabene Sinnhaftigkeit der fraulichen Schönheit, ein Geschenk und Widerschein der Schönheit Gottes. Es ist wahr, daß auf den ersten Blick die Vollkommenheit der Frau, wie sie sich in Maria ganz verwirklicht hat, ein außergewöhnlicher Fall zu sein scheint, ohne Möglichkeit der Nachahmung, ein zu hohes Vorbild, das nicht nachgeahmt werden kann. In der Tat wurde die einzigartige Heiligkeit Marias, die vom ersten Augenblick an die Erwählung der unbefleckten Empfängnis erhalten hatte, manchmal als ein in unüberwindbare Feme gerücktes Zeichen betrachtet. Doch Marias herausgehobene Heiligkeit, alles andere als ein Hindernis auf dem Weg der Nachfolge des Herrn, ist vielmehr im göttlichen Vorhaben dazu bestimmt, alle Christen zu ermutigen, sich der heiligmachenden Kraft der Gnade Gottes zu öffnen, für den nichts unmöglich ist. In Maria sind deshalb alle zu einem vollen Vertrauen auf die göttliche Allmacht gerufen, die die Herzen umwandelt und zur vollen Verfügbarkeit für das von der Vorsehung bestimmte Aktionsmodell der Liebe anleitet. In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen kurzen Gedanken über die Muttergottes grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Euch allen und Euren heben Angehörigen zu Hause erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 203 AUDIENZEN UNDANGELUS Priesterberufe wachsen durch inständiges Gebet der Gläubigen Angelus am 1. Adventssonntag, 3. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit dem ersten Adventssonntag beginnt das neue Kirchenjahr. In Erwartung des Erlösers wird das christliche Herz von sehr lebendiger Hoffnung erfüllt. Denn diese Zeit bereitet uns auf die Feier der Menschwerdung des Sohnes Gottes vor, indem sie uns daran erinnert, daß er Tag für Tag in unser Leben kommt und am Ende der Zeiten in Herrlichkeit wiederkehren wird. Diese Gewißheit läßt uns mit Vertrauen in die Zukunft blicken und drängt uns, die Pflichten der Gegenwart zu erfüllen. Der Advent ist deshalb eine Zeit des Gebets, der Umkehr, des Wachstums im Glauben und in der Liebe. 2. Während ich meine Betrachtungen über die Konzilsdokumente fortsetze, möchte ich heute das Dekret Optatam totius über die Ausbildung der Priester behandeln. Diesem Thema schenkte bekanntlich schon das Konzil von Trient mit der Errichtung von Priesterseminaren große Aufmerksamkeit. Das II. Vatikanum zögerte nicht, die Bedeutung dieser Einrichtung hervorzuheben, indem es sie als „das Herz der Diözese“ bezeichnete (Optatam totius, Nr. 5). Für die Seminarien und die Ausbildung der zukünftigen Priester sollen nicht nur die Bischöfe, sondern das ganze Volk Gottes Sorge tragen. Um das Geschenk der Berufungen soll gebetet werden, wie Jesus selbst gefordert hat (vgl. Lk 10,2). Aber sie sollen vor allem in einem förderlichen Klima leben: Die Bereitschaft der Priesteramtskandidaten hängt nicht wenig vom kirchlichen Umfeld ab. Wo es tiefgläubige christliche Familien gibt, lebendige Pfarreien und Gruppen, die die Freude, nach dem Evangelium zu leben, weitergeben, erblühen auch die Berufungen (vgl. Optatam totius, Nr. 2). Das bezeugt auch das Leben des Bischofs Eugene de Mazenod, des Gründers der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria, den ich heute morgen zu meiner Freude heiligsprechen konnte. 3. Das Dekret Optatam totius hat wertvolle Hinweise für die Ausbildung der zukünftigen Priester gegeben unter besonderer Betonung der geistlichen Formung. ,JDurch die heilige Weihe werden sie einst Christus dem Priester gleichförmig; so sollen sie auch lernen, ihm wie Freunde in enger Gemeinschaft des ganzen Lebens verbunden zu sein“ (Optatam totius, Nr. 8). Diese persönliche Beziehung zu Christus ist die Grundlage der Einheit ihres inneren Lebens, ihrer theologischen Ausbildung und ihrer Seelsorgetätigkeit. Nur eine tiefe Liebe zum göttlichen Meister kann andererseits die Verpflichtung rechtfertigen, die sie durch den Zölibat übernehmen - der in der Tradition des Westens Pflicht ist und in der des Ostens hoch-geschätzt wird -, wenn sie auf die Ehe verzichten, um sich „mit ungeteilter Liebe“ 204 AUDIENZEN UND ANGELUS dem Dienst für Gott und die Mitmenschen zu widmen (vgl. Optatam totius, Nr. 10). Neben der geistlichen Formung weist das Konzilsdekret angemessen darauf hin, daß die Priesteramtskandidaten über jene Fähigkeiten und Tugenden verfügen sollen, die sie zu reifen Männern machen, die zum ausgewogenen und wachsamen Dialog mit der Gesellschaft und der Kultur von heute bereit sind (vgl. Optatam totius, Nr. 11). Liebe Brüder und Schwestern! Wir vertrauen der Mutter Christi die Seminaristen der ganzen Welt an. Die selige Jungfrau helfe jedem zum Priestertum Berufenen, den Spuren ihres göttlichen Sohnes zu folgen, und erlange dem christlichen Volk die Gnade vieler und heiliger Hirten. Maria und die Rolle der Frau Ansprache bei der Generalaudienz am 6. Dezember 1. Wie ich schon in den vorhergegangenen Katechesen ausführen konnte, erhellt die Rolle, die Maria vom göttlichen Heilsplan zugedacht wurde, die Berufung der Frau im Leben der Kirche und der Gesellschaft und macht ihren Unterschied zum Mann deutlich. Denn das in Maria grundgelegte Vorbild zeigt klar das, was ganz wesentlich zur Persönlichkeit der Frau gehört. In jüngerer Zeit versuchten einige Strömungen der Frauenbewegung - in der Absicht, die Emanzipation der Frau zu fördern -, sie in allem dem Mann anzugleichen. Aber die in der Schöpfung bekundete göttliche Absicht will zwar die Frau in Würde und Wert dem Mann gleichstellen, weist aber zugleich ganz klar ihre Verschiedenheit und Besonderheit auf. Die Identität der Frau kann nicht darin bestehen, eine Kopie des Mannes zu sein, denn sie ist mit eigenen Fähigkeiten und Vorzügen ausgestattet, die ihr eine selbständige Eigenart verleihen, die ständig zu fördern und aufzubauen ist. Diese Vorzüge und Besonderheiten der Frauenpersönlichkeit haben sich in Maria voll entfaltet. Denn die Fülle der göttlichen Gnade begünstigte in ihr jede natürliche typische Begabung der Frau. Marias Rolle im Heilswerk hängt von jener Christi vollkommen ab. Es handelt sich um eine einzigartige für die Erfüllung des Geheimnisses der Menschwerdung erforderliche Aufgabe: Marias Mutterschaft war notwendig, um der Welt den Erlöser - wahrer Sohn Gottes, aber auch voll Mensch - zu schenken. Die Bedeutung des Mittuns der Frau beim Kommen Christi wird in der Initiative Gottes deutlich, der der Jungfrau von Nazaret durch den Engel seinen Heilsplan mitteilt, damit sie bewußt und aus freien Stücken mitwirken kann, indem sie ihre hochherzige Zustimmung gibt. Hier verwirklicht sich das höchste Vorbild verantwortlicher Mitarbeit der Frau bei der Erlösung des Menschen - des ganzen Menschen -, das den transzendenten Be- 205 AUDIENZEN UND ANGELUS zugspunkt für jede Aussage über die Rolle und Aufgabe der Frau in der Geschichte bildet. 2. In der Verwirklichung dieser herausgehobenen Form des Mittuns entwickelt Maria auch den Stil, in dem die Frau ihre Sendung konkret zum Ausdruck bringen kann. Bei der Verkündigung des Engels legt Maria weder ein anspruchsvolles Verhalten an den Tag, noch möchte sie persönliche Ambitionen erfüllt sehen. Lukas stellt sie uns als eine Frau dar, die lediglich ihren einfachen Dienst mit ganzer und vertrauensvoller Verfügbarkeit für den göttlichen Heilsplan anbieten will. Das bedeutet die Antwort: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ 0Lk 1,38). Es handelt sich aber nicht um ein rein passives Annehmen, denn ihre Zustimmung wird erst gegeben, nachdem sie auf die Schwierigkeit hingewiesen hatte, die durch ihren Vorsatz zur Jungfräulichkeit entstanden war, der von dem Willen, ganz dem Herrn zu gehören, inspiriert wurde. Nachdem sie die Antwort des Engels erhalten hatte, bringt Maria ihre Verfügbarkeit in einer Haltung schlichter Dienstbereitschaft zum Ausdruck. Es ist der unscheinbare, wertvolle Dienst, den so viele Frauen nach Marias Beispiel in der Kirche zur Entfaltung des Reiches Christi geleistet haben und weiterhin leisten. 3. Marias Gestalt weist die Frauen von heute auf die Bedeutung der Mutterschaft hin. In der heutigen Welt wird diesem Wert nicht immer die entsprechende und ausgewogene Bedeutung beigemessen. In einigen Fällen haben die Notwendigkeit der Berufstätigkeit der Frau, die den steigenden Ansprüchen der Familie Rechnung tragen muß, und das fehlgeleitete Verständnis von Freiheit, das die Kindererziehung als ein Hindernis für die Unabhängigkeit und die Entfaltungsmöglichkeiten betrachtet, die Bedeutung der Mutterschaft für die Entwicklung der Persönlichkeit der Frau verdunkelt. In anderen Fällen wiegt der Aspekt der biologischen Zeugung so schwer, daß die vielen anderen Möglichkeiten, die die Frau zum Ausdruck ihrer angeborenen Berufung zum Muttersein besitzt, in den Schatten gestellt werden. In Maria können wir die wahre Bedeutung der Mutterschaft erfassen, die im göttlichen Heilsplan ihre höchste Dimension erreicht. Das Muttersein bietet der Persönlichkeit der Frau, die grundlegend auf die Weitergabe des Lebens ausgerichtet ist, bei Maria nicht nur die Möglichkeit der vollen Entfaltung, sondern ist anderseits eine Anwort des Glaubens auf die besondere Berufung der Frau, die ihren tiefsten Sinn erst im Bund mit Gott erhält (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 19). 4. Wenn wir aufmerksam auf Maria schauen, entdecken wir in ihr auch das Vorbild der um des Himmelreiches willen gelebten Jungfräulichkeit. 206 AUDIENZEN UND ANGELUS Jungfrau im wahrsten Sinn des Wortes, hat sie in ihrem Herzen den Wunsch reifen lassen, in diesem Zustand zu leben, um zu einer immer tieferen Vertrautheit mit Gott zu gelangen. Für die zur jungfräulichen Keuschheit berufenen Frauen lenkt Maria, indem sie den hohen Wert dieser besonderen Berufung offenbart, die Aufmerksamkeit auf die geistige Fruchtbarkeit, die diese im göttlichen Plan mit sich bringt: eine Mutterschaft höherer Ordnung, eine Mutterschaft „nach dem Geist“ (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 21). Marias Mutterherz ist empfänglich für alle menschlichen Nöte und weist die Frauen darauf hin, daß die Entfaltung der Persönlichkeit der Frau Einsatz in der Liebe erfordert. Die Frau, empfänglicher für die Werte des Herzens, beweist eine ausgeprägte Fähigkeit zur personalen Hingabe. All denen, die in unserer Zeit egoistische Leitbilder zur Bekräftigung der Persönlichkeit der Frau anbieten, zeigt die leuchtende und heilige Gestalt der Mutter des Herrn, daß man nur durch das Sich-Schenken und Sich-Vergessen für die anderen zur wahren Verwirklichung des göttlichen Plans im eigenen Leben gelangen kann. Marias Gegenwärtigsein im Gedächtnis der Frauen fördert deshalb die Gefühle der Barmherzigkeit und der Solidarität mit schwierigen menschlichen Situationen und weckt den Willen, die Schmerzen derer zu erleichtern, die leiden: die Armen, die Kranken und alle, die Hilfe brauchen. Durch diese besondere Verbundenheit mit Maria hat die Frau im Laufe der Geschichte gegenüber der von Haß und Sünde verwundeten Menschheit, die auf Güte und Liebe hoffte, oftmals die Nähe Gottes bewiesen, indem sie in der Welt die Keime einer Zivilisation gelegt hat, die auf Gewalt nur mit Liebe antworten kann. In deutscher Sprache sagte der Papst Mit diesen Überlegungen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Euch allen, euren heben Angehörigen zu Hause sowie allen mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen wünsche ich eine besinnliche Adventszeit und erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen. In Treue die Botschaft des Konzils vertiefen und leben Angelus am 8. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vor genau dreißig Jahren, am 8. Dezember 1965, wurde das U. Vatikanische Konzil auf diesem Petersplatz beendet. Mein ehrwürdiger Vorgänger Papst Paul VI. übergab Maria die von diesem großen Ereignis geweckten Erwartungen und Hoffnungen wie auch die Verpflichtung, dem Menschen unserer Zeit mit 207 AUDIENZEN UND ANGELUS wachsendem Eifer und vermehrter Lebensneuheit Christus zu verkündigen. Die Erinnerung an jenen Tag bewegt mich als damaligen Konzilsvater sehr tief. Heute, am Fest der Unbefleckten Empfängnis, erneuere auch ich die Bitte der Kirche an die seligste Jungfrau, daß sie ihr helfe, mit zunehmender Treue die Botschaft des Konzils zu vertiefen und zu leben, um gleichsam durch dieses große Werk des Geistes gestärkt und verjüngt ins dritte Jahrtausend zu gehen. Maria, die Mutter der Kirche, gehe voran auf dem Weg der Gläubigen: Sie, die im Hinblick auf die Verdienste Christi von jedem Makel der Erbsünde bewahrt und vor jedem anderen Geschöpf in außergewöhnlicher und einmaliger Weise erlöst wurde; sie, die durch diesen einmaligen Akt der Erwählung befähigt wurde, dem Plan der Liebe voll zuzustimmen, und vorbereitet wurde, würdige Wohnung Christi und Urbild der Kirche zu werden. In Maria leuchtet die starke und staunenswerte Liebe Gottes zum ganzen Menschengeschlecht auf: In ihr erlangt die Menschheit ihre ursprüngliche Schönheit wieder, und der göttliche Plan erweist sich als dem Bösen gegenüber stärker und imstande, immer neue Lebens- und Heilsmöglichkeiten anzubieten. 2. Welch weite Ausblicke eröffnet das Geheimnis, das wir heute feiern! Den Frauen unserer Zeit, die manchmal in leidvoller Weise ihre wahre Würde suchen, zeigt Maria, die „ganz Schöne“, die großartigen Möglichkeiten, die der „Genius“ der Frau in sich birgt, wenn er von der Gnade durchdrungen ist. Die Kleinen und die Jugendlichen, die voll Sorge in die Zukunft blicken, erinnert sie daran, daß der Herr die hohen Erwartungen des Menschen nicht enttäuscht und denen entgegenkommt, die eine brüderlichere und solidarischere Welt bauen wollen. Den, der in die Sünde verstrickt ist, sich aber nach dem Guten sehnt, zeigt die Unbefleckte Jungfrau konkrete Möglichkeiten der Erlösung: die aufrichtige Suche der Wahrheit und das vertrauensvolle Sichbegeben in die Hand des Herrn. Den an Leib und Seele Leidenden wie auch den von der Geschichte Erniedrigten verkündigt die Jungfrau den Gott des Lebens, der seine Kinder zur Freude und zur Freiheit ruft, trotz der schweren Folgen der Sünde, die die Welt verunstalten. Während sie in der Unbefleckten Jungfrau ihren Anfang und ihr Vorbild sieht, entdeckt die Kirche sich selbst als Werk der Gnade Gottes und ihre Aufgabe, inmitten der Unzulänglichkeiten und Versuchungen der Welt ihre hohe Berufung zu verwirklichen: „makellose Braut“ Christi zu sein (Präfation am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria). 3. In der Atmosphäre des Advents, der Zeit des inbrünstigen Wartens auf Weihnachten, erinnert das heutige Fest uns daran, daß auch wir gerufen sind, „heilig und untadelig“ zu sein (Eph 1,4). Die Jungfrau helfe uns, diese unsere Berufung zur Heiligkeit zu verwirklichen. Sie unterstütze uns besonders darin, daß wir immer hochherziger unser Leben dem Herrn anvertrauen, um der Welt konkrete Zeichen der Hoffnung und der Liebe anbieten zu können. 208 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelus sagte der Papst: Einen besonderen Gruß richte an den Präsidenten Kardinal Andreas Maria Deskur und an die Mitglieder der Päpstlichen „Immakulata“-Akademie, die zusammen mit den Jugendlichen der „Marianischen Häuser“ Roms heute nachmittag das Gebet auf dem Spanischen Platz leiten werden. Von Herzen ermutige ich euch, die Vertiefung und Verbreitung der marianischen Spiritualität fortzusetzen, indem ihr den Menschen unserer Zeit helft, die Unbefleckte Jungfrau Maria als Vorbild der Heiligkeit und des wahren Frauseins anzunehmen. Bis zu unserem Treffen heute nachmittag bei der Mariensäule segne ich euch von Herzen. Besondere Gaben und Charismen der Laien für das Wirken im Reich Gottes Angelus am 2. Adventssonntag, 10. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am 8. Dezember, dem Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, erinnerten wir an den 30. Jahrestag des Abschlusses des H. Vatikanischen Konzils. Bekanntlich widmete die Konzilsversammlung der Identität und der Sendung der Laien große Aufmerksamkeit. Auf dieses schon in der Konstitution über die Kirche behandelte Thema kamen die Konzilsvälter im Dekret Apostolicam actuositatem im einzelnen zurück. Schon in Lumen Gentium ist zu lesen, daß die christlichen Laien im Vollsinn „Laien“ sind, und es wird der „Weltcharakter“ ihrer Berufung hervorgehoben (vgl. Nr. 31). Gaudium et spes fügt dann hinzu, daß der christliche Glaube an Gott, den Schöpfer, und an das Mensch gewordene Wort das wahre Laientum nicht beeinträchtigt, sondern festigt, indem er den Wert und die Autonomie der irdischen Wirklichkeiten verdeutlicht und sicherstellt: einen Wert und eine Autonomie, die offensichtlich vom Plan des Schöpfers her und nicht im Gegensatz zu ihm aufzufassen sind. „Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts!“ (Nr. 36). 2. Das Dekret Apostolicam actuositatem behandelt nun eingehend die apostolische Berufung der Laien: Diese drängt sie - so ist dort zu lesen -, sich nicht nur um die christliche Belebung der zeitlichen Ordnung zu bemühen (vgl. Nr. 7), sondern auch das Apostolat der Evangelisierung und der Heiligung ihrer eigenen Lage entsprechend auszuüben (vgl. Nr. 6). Die erste dieser Aufgaben ist gewiß das konsequente Zeugnis, das sie für das Evangelium in den gewohnten Situationen des Alltagslebens geben sollen: in der Familie, im Beruf, in der Kultur, Kunst, Wirtschaft und Politik. Ausgedehnte Möglichkeiten eröffnen sich den Laien auch im eigentlichen kirchlichen Leben. Es 209 AUDIENZEN UND ANGELUS handelt sich nicht nur darum, den Erfordernissen der Gemeinschaft nachzukommen, wenn es an Priestern mangelt; die Weihe des Taufsakraments macht sie zu Trägem von Rechten und Pflichten mit der Beratung, besondere Aufgaben und Dienste zu übernehmen und die geistlichen Gaben und Charismen eines jeden für die Sache des Reiches Gottes zu nutzen. Die zweitausendjährige Geschichte der Kirche und vor allem die letzten Jahrzehnte nach dem Konzil konnten ein besonderes Aufblühen von Laiengrappen, -bewegungen und -Vereinigungen verzeichnen. Der Geist Gottes scheint im christlichen Volk wieder den missionarischen Eifer der Anfänge zu wecken, als der Glaube sich durch das heroische Zeugnis jedes Getauften rasch verbreiten konnte. Vom Einsatz konsequenter und gut gebildeter Laien, ja von der Verbreitung einer wahren Heiligkeit der Laien ist zu Recht ein neuer Frühling für die Kirche des dritten Jahrtausends zu erwarten. 3. Wir vertrauen der Fürsprache Marias diese Hoffnung an. In diesem Augenblick gehen meine Gedanken zum Heiligtum von Loreto, wo gerade heute der feierliche Abschluß der Lauretanischen 700-Jahrfeier stattfindet. Im Geist wallfahre ich zu dem Heiligen Haus, indem die selige Jungfrau die meiste Zeit ihres Lebens weilte. Sie verwirklichte dort ihre einzigartige Sendung, in dem sie „ein Leben wie jeder andere verbrachte, voll von Sorge um die Familie und von Arbeit“ (Apostolicam aktuositatem, Nr. 4). Ich bitte die Gottesmutter Maria, daß das Haus von Nazaret für unsere Familien das Modell gelebten Glaubens und unerschütterlicher Hoffnung werde. Mögen die christlichen Familien, die Laien, von ihr die Kunst lernen, die Welt durch den Sauerteig der göttlichen Liebe umzuwandeln, und so zum Aufbau der Zivilisation der Liebe beitragen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst in deutscher Sprache: Einen herzlichen Gruß richte ich an den Konzertchor Hamburg, der hier auf dem Petersplatz adventliche Lieder gesungen hat, um uns auf diese Weise auf das Fest der Geburt unseres Herrn innerlich einzustimmen. Ich danke euch für diesen Dienst der Verkündigung und wünsche euch allen eine gesegnete Adventszeit. Maria nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils Ansprache bei der Generalaudienz am 13. Dezember I. Heute möchte ich über die besondere Gegenwart der Mutter der Kirche in dem gewiß bedeutendsten kirchlichen Ereignis unseres Jahrhunderts, dem II. Vatikanischen Ökumenischen Konzil, nachdenken, das von Papst Johannes XXHI. am 11. Oktober 1962 begonnen und von Paul VI. am 8. Dezember 1965 beendet wurde. Eine einzigartige marianische Ausrichtung kennzeichnet die Konzilsversammlung schon seit ihrer Einberufung. In dem Apostolischen Schreiben Celebrandi Concilii Oecumenici hatte mein ehrwürdiger Vorgänger, der Diener Gottes Johan- 210 AUDIENZEN UND ANGELUS nes XXin., bereits die Anrufung der kraftvollen Fürsprache Marias, der ,Mutter der Gnaden und himmlischen Patronin des Konzils“, empfohlen (11. April 1961, AAS53[1961]242). Daraufhin setzte Papst Johannes am Fest Mariä Lichtmeß 1962 die Eröffnung des Konzils auf den 11. Oktober fest und erklärte, daß er gerade dieses Datum gewählt habe in Erinnerung an das große Konzil von Ephesus, das an jenem Tag Maria als „Theotokos“, als Mutter Gottes, verkündet hatte (Motu proprio Concilium; A4S,54[1962]67-68). In der Eröffnungsrede vertraute der Papst dann das Konzil selbst der „Hilfe der Christen, der Fürsprecherin der Bischöfe“, und erbat ihren mütterlichen Beistand für den erfolgreichen Verlauf der Konzilsarbeit (AA554[1962]795). An Maria wenden sich ausdrücklich auch die Konzilsväter, die in der Botschaft an die Welt bei der Eröffnung der Konzilssitzungen betonen: „Wir Nachfolger der Apostel, alle im Gebet mit Maria, der Mutter Jesu, vereint, bilden eine einzige apostolische Gemeinschaft“ (Acta Synodalia, I, I, 254). So sind sie gebunden in Gemeinschaft mit Maria an die Urkirche in Erwartung des Heiligen Geistes (vgl. Apg 1,14). 2. In der zweiten Sitzungsperiode des Konzils wurde vorgeschlagen, die Abhandlung über die selige Jungfrau Maria in die Konstitution über die Kirche einzuglie-dem, eine Initiative, die zwar audrücklich von der Theologischen Kommission empfohlen wurde, aber Meinungsverschiedenheiten hervorrief. Einige, die sie als nicht ausreichend ansahen, um die ganz besondere Sendung der Mutter Jesu in der Kirche hervorzuheben, waren der Ansicht, daß nur ein eigenes Dokument die Würde, den Vorrang, die außerordentliche Heiligkeit und die einzigartige Rolle Marias im Erlösungswerk des Sohnes zum Ausdruck bringen könnte. Weil sie außerdem meinten, Maria stehe in gewisser Weise über der Kirche, gaben sie ihrer Befürchtung Ausdruck, daß die Entscheidung, die Glaubenslehre über Maria in den Traktat über die Kirche einzubeziehen, Marias Vorzugsstellung nicht genügend hervorhebe und ihre Funktion auf die gleiche Stufe mit derjenigen der anderen Glieder der Kirche stellte (Acta Synodalia, II, HI, 338 bis 342). Andere wiederum befürworteten den Vorschlag der Theologischen Kommission, der dahin ging, die Darstellung der Glaubenslehre über Maria und über die Kirche in einem einzigen Dokument zusammenzufassen. Ihrer Meinung nach durften diese Wirklichkeiten nicht voneinander getrennt werden in einem Konzil, das sich die Wiederentdeckung der Identität und Sendung des Volkes Gottes zum Ziel gesetzt hatte und daher dessen enge Verbundenheit mit Maria zum Ausdruck bringen sollte, die in der Jungfräulichkeit und in der Mutterschaft „Typus“ und Urbild der Kirche ist. Die selige Jungfrau nimmt als ausgezeichnetes Glied der kirchlichen Gemeinschaft tatsächlich einen besonderen Platz in der Lehre der Kirche ein. Wenn man außerdem den Akzent auf die Beziehung Marias zur Kirche setzte, 211 A UDIENZEN UND ANGELUS wurde den Christen der Reformation auch die vom Konzil dargelegte Lehre über Maria verständlicher gemacht (Acta Synodalia, n, HI, 343-345). Die von gleicher Liebe zu Maria erfüllten Konzilsväter neigten dazu, verschiedene Aspekte ihrer Gestalt hervorzuheben. Sie brachten unterschiedliche Standpunkte in der Lehre zum Ausdruck. Die einen betrachteten Maria hauptsächlich in ihrer Beziehung zu Christus, die anderen sahen sie vor allem als Glied der Kirche. 3. Nach einer tiefgehenden lehrmäßigen Erörterung, die die Würde der Gottesmutter und ihre besondere Gegenwart im Leben der Kirche im Mittelpunkt behielt, wurde beschlossen, den Traktat über Maria in das Konzilsdokument über die Kirche einzugliedem (vgl. AAS 11,111,627). Das neue Schema über die selige Jungfrau, das erarbeit wurde, um es in die dogmatische Konstitution über die Kirche einzufügen, bedeutet einen echten Fortschritt in der Lehre. Die stärkere Gewichtung des Glaubens der Gottesmutter Maria und ein systematischeres Bestreben, die Lehre über Maria von der Schrift her zu begründen, sind bedeutsame und wertvolle Elemente, um die Frömmigkeit und die Wertschätzung des christlichen Volkes für die Mutter Gottes zu bereichern. Mit der Zeit erwiesen sich auch die von einigen Vätern befürchteten Gefahren der Unterbewertung als unbegründet: Sendung und vorrangige Stellung Marias fanden umfassende Bestätigung. Ihr Mitwirken im göttlichen Heilsplan wurde hervorgehoben, die Übereinstimmung dieses Zusammenwirkens mit der einzigen Mittlerschaft Christi noch deutlicher. Die Lehre des Konzils bot der Kirche ferner erstmals eine theologische Darlegung der Rolle Marias im Erlösungswerk Christi und im Leben der Kirche. Wir müssen also den Beschluß der Konzilsväter, der sich für die nachfolgende theologische Arbeit als sehr fruchtbar erwies, als eine wirklich von der Vorsehung gewollte Entscheidung betrachten. 4. Im Verlauf der Konzilssitzungen ergab sich der Wunsch vieler Väter, die Lehre über Maria durch weitere Aussagen über die Rolle Marias im Heilswerk zu bereichern. Der besondere Kontext, in dem sich die mariologische Debatte des n. Vatikanums vollzog, gestattete die Verwirklichung dieser wenngleich anhaltenden und weit verbreiteten Wünsche nicht. Aber insgesamt sind die Konzilsaussagen über Maria deutlich und ausgewogen, selbst die nicht vollends definierten Themen haben in dem Traktat angemessenen Platz gefunden. So hat das Zögern einiger Väter hinsichtlich des Titels „Mittlerin“ das Konzil nicht daran gehindert, diese Bezeichnung einmal zu verwenden und Marias Mittlerrolle, angefangen von der Zustimmung bei der Verkündigung durch den Engel bis zur Mutterschaft, in der Ordnung der Gnade in anderen Ausdrücken zu bekräftigen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 62). Das Konzil betont außerdem, daß sie „in einzigartiger Weise“ an dem Werk mitgewirkt hat, das das übernatürliche Leben der Seelen wiederhergestellte (Lumen Gentium, Nr. 61). Auch wenn vermieden wird, die Bezeichnung ,Mutter der Kirche“ zu verwenden, unterstreicht der Text von 212 AUDIENZEN UND ANGELUS Lumen Gentium doch deutlich die Verehrung der Kirche für Maria als ihre geliebte Mutter. Aus der ganzen Darstellung des VIII. Kapitels der dogmatischen Konstitution über die Kirche geht klar hervor, daß die vorsichtige Wahl der Terminologie kein Hindernis war für die Darlegung einer sehr reichhaltigen und positiven grundlegenden Lehre. Diese ist Ausdruck des Glaubens und der Liebe zu Maria, in der die Kirche ihre Mutter und ihr Lebensmodell erkennt. Andererseits erwiesen sich die unterschiedlichen Gesichtspunkte der Väter, die im Laufe der Konzilsdebatte deutlich wurden, als von der Vorsehung gewollt, weil sie durch ihr einvemehmliches Zusammengehen dem Glauben und der Verehrung des christlichen Volkes eine vollständigere und ausgewogenere Darstellung der wunderbaren Identität der Mutter des Herrn und ihrer herausragenden Rolle im Erlösungswerk bieten konnten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Gedanken grüße ich Euch alle, liebe Schwestern und Bürder, sehr herzlich. Möge das kommende Fest der Geburt Christi für Euch, Eure Angehörigen und Freunde zu Hause eine gläubige Begegnung mit dem menschgewordenen Gott werden. Dazu erteile ich Euch und allen, die uns in diesem adventlichen Harren auf den Herrn verbunden sind, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens nach dem Konzil Angelus am 3. Adventssonntag, 17. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Bei diesen sonntäglichen Treffen setzen wir unsere Überlegungen über die Dokumente des II. Vatikanischen Konzils fort und verweilen heute bei dem Text, den die Konzilsväter dem gottgeweihten Leben gewidmet haben: das Dekret Perfectae caritatis. Das Konzil hatte schon in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium klargestellt, daß diese grundlegende Lebensentscheidung nicht auf eine Mißachtung der Ehe oder der irdischen Wirklichkeiten, sondern auf einen ausdrücklichen Ruf Christi zurückzuführen ist. Er ist es, der einen Getauften einlädt, die Lebensform zu befolgen, die er selbst annahm (Lumen Gentium, Nr. 44), und so mit besonderer Deutlichkeit das Absolute Gottes zu bezeugen. In Wirklichkeit handelt es sich um eine neue Weihe, die die jedem Christen durch Taufe und Firmung eigene Weihe vertieft. Durch sie gibt sich der Berufene Gott „ganz“ zu eigen und widmet sich umfassend dem Dienst am Nächsten. Der Verzicht, den er leistet, wird gewiß nicht von einem Mangel bestimmt, sondern ist vielmehr Frucht einer übergroßen Liebe. Er schätzt die Werte der Welt hoch, ist aber berufen, zu bezeugen, daß sie nicht 213 A UDIENZEN UND ANGELUS die höchsten Werte sind. Denn Christus ist der höchste Wert und das Ziel aller Dinge. Durch diese zeichenhaften Merkmale und den eschatologischen Ausblick ist das gottgeweihte Leben tief mit dem kirchlichen Geheimnis verbunden und gehört, obwohl es die hierarchische Struktur der Kirche nicht betrifft, unerschütterlich „zu ihrem Leben und ihrer Heiligkeit“ {Lumen Gentium, Nr. 44). Im Dekret Perfectae caritatis wollten die Konzilsväter entscheidende Richtlinien anbieten, damit das gottgeweihte Leben sich im Einklang mit den Ansprüchen unserer Zeit entsprechend entfalte, aber immer seinen im Evangelium gründenden Wurzeln ganz treu bleibe. 2. Nach dem Konzil wurden in dieser Richtung lobenswerte Anstrengungen unternommen; die vorjährige Synode über das gottgeweihte Leben konnte großen Nutzen ziehen aus einer beachtlichen theologischen Vertiefung wie auch aus den Anregungen, die von dem Gesamtbild alter und neuer Formen besonderer Hingabe gegeben wurden. Auf dieser Grundlage bereite ich ein nachsynodales Schreiben vor, das im Laufe der nächsten Monate veröffentlicht werden soll. Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Weisungen des Konzils, dreißig Jahre danach betrachtet, sich als weitblickend erwiesen haben. Das Konzil bekräftigte vor allem, daß die oberste Regel jedes Instituts des gottgeweihten Lebens die Nachfolge Christi ist {Perfectae caritatis, Nr. 2), und wertete gleichzeitig das von den Gründern überlieferte charismatische Erbe der einzelnen Institute auf. Weiter hob es die Bedeutung einer ihrem Wesen entsprechenden lebendigen Teilnahme der Institute des gottgeweihten Lebens am kirchlichen Leben hervor. Es ermutigte sie bei dieser Gelegenheit, auf die Zeichen der Zeit zu achten, um für das Evangelium wirksam Zeugnis geben zu können {Perfectae caritatis, Nr. 3). 3. Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir Maria, die treue Jungfrau, für alle Männer und Frauen, die sich einzig Gott geweiht haben mit dem Ziel, ihn mit ungeteiltem Herzen zu lieben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 42). Erinnern wir uns daran, was das Konzil bekräftigt, daß nämlich „auch die besten Anpassungen an die Erfordernisse unserer Zeit ohne geistliche Erneuerung unwirksam bleiben“. Sie mögen der Kirche helfen, mit neuem inneren und apostolischem Schwung in ihr drittes Jahrtausend zu gehen. Nach dem Angelus sagte der Papst: Jetzt segne ich dem schönen weihnachtlichen Brauch gemäß die .Jesuskinder“, das heißt die Jesuskindfiguren, die ihr, liebe Kinder und Jugendliche, hierher gebracht habt und die ihr dann zu Hause in die Krippe legt. Wie ihr wißt, schrieb ich im vergangenen Jahr an alle Kinder der Welt einen eigenen Brief. In diesem Jahr hingegen wollte ich den Kindern die Botschaft zum Weltfriedenstag am kommenden 1. Januar widmen und wählte dafür das Thema: „Bereiten wir den Kindern eine friedliche Zukunft.“ Deshalb bitte ich euch, an der Krippe dafür beten, daß das Hochfest der Geburt des Herrn den Kindern der ganzen Welt das Licht des 214 A UDIENZEN UND ANGELUS Friedens bringt und die Erwachsenen lernen, die Gesellschaften unter wahrer Berücksichtigung der erzieherischen Bedürfnisse der Jüngsten zu leiten. Allen, auch den mit uns über Radio und Fernsehen Verbundenen, wünsche ich, daß sie das bevorstehende Weihnachtsfest mit Glauben und innerer Gelassenheit verleben. Weihnachten verändert die Geschichte und das Leben der Menschen Ansprache bei der Generalaudienz am 20. Dezember 1. Das Geburtsfest des Herrn, auf das wir uns in diesen Adventstagen vorbereiten, steht schon nahe bevor. Weihnachten weckt Erinnerungen an Liebe und Güte, weil es immer wieder die Aufmerksamkeit auf die menschlichen Grundwerte lenkt: die Familie, das Leben, die Unschuld, den Frieden, die Dankbarkeit. Weihnachten ist das Fest der Familie, die, um die traditionellen Weihnachtssymbole Krippe und Baum versammelt, von neuem ihre Berufung entdeckt, Heiligtum des Lebens und der Liebe zu sein. Weihnachten ist das Fest der Kinder, weil „auch der volle Sinn jeder menschlichen Geburt offenbar wird und die messianische Freude so als Fundament und Erfüllung der Freude über jedes Kind, das geboren wird, erscheint“ (Evangelium vitae, Nr. 1). Das Geburtsfest des Herrn führt dazu, daß wir auch den Wert der Unschuld wiederentdecken, weil es die Erwachsenen einlädt, von den Kindern zu lernen und staunend und mit reinem Herzen an die Wiege des neugeborenen Erlösers zu treten. Weihnachten ist das Fest des Friedens, denn „heute ist der wahre Frieden vom Himmel zu uns herabgestiegen“, und „vom Himmel strömt Freundlichkeit auf die ganze Erde“ (vgl. Stundengebet, Offizium von Weihnachten). Die Engel singen in Betlehem: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). In dieser Zeit, die zur Freude einlädt, kann man nicht umhin, voll Trauer an all jene zu denken, die in so vielen Teilen der Welt noch ungeheure Tragödien erleben. Wann werden sie wahrhaftig Weihnachten feiern können? Wann wird die Menschheit Weihnachten in einer vollständig versöhnten Welt erleben können? Gott sei Dank, daß einige Hoffnungszeichen uns ermutigen, die Friedenssuche unermüdlich fortzusetzen. Meine Gedanken gehen natürlich nach Bosnien, wo das erzielte Abkommen, zwar in verständlichen Grenzen und unter erheblichen Opfern, einen großen Schritt vorwärts auf dem Weg der Versöhnung und des Friedens darstellt. Weihnachten ist auch das Fest der Geschenke: Ich denke an die Freude der Kinder und Erwachsenen, die, wenn sie ein Weihnachtsgeschenk erhalten, sich geliebt 215 AUDIENZEN UND ANGELUS fühlen und nun sich selbst zum Geschenk machen wollen wie das Kind, das die Jungfrau Maria uns in der Krippe zeigt. 2. Aber diese Überlegungen erklären nur zum Teil die festliche und innige Weihnachtsatmosphäre. Wie bekannt, besteht für die Gläubigen der wahre Grund dieser Festesfreude in der Tatsache, daß das ewige Wort, das vollkommene Abbild des Vaters, „Fleisch“ geworden ist, ein zartes Kind, aus Solidarität mit den schwachen und sterblichen Menschen. In Jesus ist Gott selbst zu uns gekommen und bleibt bei uns - ein unvergleichliches Geschenk, das wir voll Ehrfurcht in das Alltagsleben miteinbezie-hen sollen. In der Geburt des Sohnes Gottes aus dem jungfräulichen Schoß eines einfachen Mädchens, Maria von Nazaret, erkennen die Christen die unendliche Liebe, mit der der Allerhöchste sich dem Menschen zuwendet. Dieses Ereignis bildet zusammen mit dem Tod und der Auferstehung Christi den Höhepunkt der Geschichte. In dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper finden wir ein Loblied auf Christus, mit dem die Urkirche ihre Dankbarkeit und das Staunen angesichts des erhabenen Geheimnisses Gottes zum Ausdruck brachte, der sich mit dem Menschenschicksal solidarisch machte: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6-8). Im Laufe der ersten Jahrhunderte verteidigte die Kirche dieses Geheimnis hartnäk-kig vor verschiedenen Irrlehren, die zunächst die wahre Menschheit Jesu, dann seine wirkliche Gottessohnschaft, seine Gottheit und schließlich die Einheit seiner Person leugneten. So wollten sie das Geheimnis seines einzigartigen und staunenswerten Inhalts berauben und die außergewöhnliche, tröstliche Botschaft abschwächen, die es dem Menschen aller Zeiten bringt. Der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert uns daran, daß „das ganz einzigartige und einmalige Ereignis der Menschwerdung des Sohnes Gottes nicht bedeutet, daß Jesus Christus zum Teil Gott und zum Teil Mensch wäre oder daß er das Ergebnis einer unklaren Vermischung von Göttlichem und Menschlichem wäre. Er ist wahrhaft Mensch geworden und dabei doch wahrhaft Gott geblieben. Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 464). 3. Welche Bedeutung hat für uns das außerordentliche Ereignis der Geburt Jesu Christi? Welche „gute Nachricht“ bringt sie uns? Auf welches Ziel treibt sie uns zu? Lukas, der Evangelist von Weihnachten, stellt uns in den erleuchteten Worten des Zacharias die Menschwerdung als Besuch Gottes vor: „Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat sein Volk besucht und ihm Erlösung geschaffen; er 216 AUDIENZEN UNDANGELUS hat uns einen starken Retter erweckt im Hause seines Knechtes David,, (.Lk 1,68-69). Was ruft der „Besuch Gottes“ im Menschen hervor? Die Heilige Schrift bezeugt, daß der Herr, wenn er kommt, Heil und Freude bringt, von der Not befreit, Hoffnung schenkt, das Geschick dessen, der besucht wird, zum Besseren wendet und neue Ausblicke des Lebens und des Heils eröffnet. Weihnachten ist der Besuch Gottes schlechthin: Denn in diesem Ereignis kommt er dem Menschen in seinem eingeborenen Sohn am nächsten, der seine Liebe zu den Armen und den Sündern im Lächeln eines Kindes kundtut. In dem Mensch gewordenen Wort wird den Menschen die Gnade der Adoption als Kinder Gottes angeboten. Lukas will zeigen, daß das Ereignis der Geburt Jesu wirklich die Geschichte und das Leben der Menschen ändert, vor allem jener, die ihn mit offenem Herzen aufnehmen: Elisabet, Johannes der Täufer, die Hirten, Simeon, Anna und vor allem Maria sind die Zeugen der großen Taten, die Gott mit seinem Besuch vollbringt. Besonders in Maria stellt uns der Evangelist nicht nur ein Vorbild vor, das wir nachahmen sollen, um Gott aufzunehmen, der zu uns kommt, sondern auch erregende Ausblicke, die sich dem eröffnen, der, nachdem er ihn aufgenommen hat, berufen ist, seinerseits Werkzeug seines Besuches und Verkünder seines Heils zu werden: ,,!n dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib“, ruft Elisabet vor der Jungfrau aus, die ihr in sich selbst den Besuch Gottes bringt (Lk 1,44). Die gleiche Freude erfüllt die Hirten, die, nachdem sie auf Einladung des Engels hin nach Betlehem gegangen waren und das Kind und seine Mutter gesehen hatten, auf der Rückkehr „Gott rühmten und priesen“ (vgl. Lk 2,20), weil sie begriffen hatten, daß sie vom Herrn besucht worden waren. Im Licht des Geheimnisses, das wir uns anschicken zu feiern, wünsche ich allen, daß sie an diesem Weihnachtsfest mit Maria den, der „uns aus der Höhe besuchen wird“ (Lk 1,78), mit offenem und bereitem Herzen aufnehmen, um Werkzeuge des freudenvollen Besuches Gottes zu werden für alle, denen wir auf unserem täglichen Lebensweg begegnen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Im Licht dieses Geheimnisses, das wir bald feiern werden, grüße ich Euch alle recht herzlich, die Ihr aus dem deutschsprachigen Raum hier zugegen seid. Euch sowie Euren Familien und Freunden daheim wünsche ich ein gnadenreiches Weihnachtsfest und erteile Euch dazu den Apostolischen Segen. 217 AUDIENZEN UND ANGELUS Frieden für jeden Menschen und alle Völker der Erde Angelus am 4. Adventssonntag, 24. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Der Herr ist nahe, kommt, lasset uns anbeten!“ Mit diesen Worten lädt die Kirche die Gläubigen in der Adventszeit ein, die Anstrengungen zu vervielfachen, um sich würdig auf die Ankunft des Herrn vorzubereiten, der am Weihnachtsfest zu seinem Volk kommt. „Heute sollt ihr es erfahren: Der Herr kommt, um uns zu erlösen, und morgen werdet ihr seine Herrlichkeit schauen“, heißt es in der heutigen Liturgie. Sie lädt uns ein, das Herz zu bereiten, um die staunenswerte Begegnung mit dem Sohn Gottes, der zu unserem Heil Mensch geworden ist, durch Anbetung und Lobpreis zu feiern. 2. Im langen Verlauf des Advents hat die Kirche uns die ehrwürdigen Propheten als Vorbilder einer tatkräftigen Vorbereitung vorgestellt. Sie hat uns die Worte von Johannes dem Täufer zu Gehör gebracht, und sie hat uns mit dem hl. Josef und vor allem mit Maria, der Mutter des Immanuel, zusammengeführt. Die Worte der Propheten haben unsere Hoffnung genährt und uns ermutigt, auf die Macht der Liebe des Herrn zu vertrauen, auch angesichts der Sperren des Egoismus und der Schauplätze des Todes. Die wiederholten Aufforderungen von Johannes dem Täufer mahnten uns zu einer wahren Umkehr, um den Weg des Herrn zu bereiten, und zeigten uns durch sein ernsthaftes Zeugnis einen konkreten Weg, um Gott in unserem Leben Raum zu geben. Der Gehorsam und der Glaube des hl. Josef drängten uns, mit Beharrlichkeit und Geduld die Zeichen der göttlichen Gegenwart in den täglichen Ereignissen zu deuten, um zur Mitarbeit am ewigen Heilsplan des Vaters bereit zu sein. Die Adventsliturgie lädt uns vor allem ein, den Blick auf Maria, die neue „Tochter Zion“, zu richten - das vollkommene Vorbild einer Erwartung des Herrn -, die reich ist an Schweigen, Gebet, Vertrauen und bereitwilliger Verfügbarkeit dem göttlichen Willen gegenüber und begleitet wird von Gesten der Hochherzigkeit und Liebe. 3. Liebe Brüder und Schwestern, schauen wir auf Maria! Während sie voll Freude und mit Hoffnung im Herzen auf die Geburt Jesu wartet, richtet die Kirche ihren Blick auf Maria und wiederholt mit ihr: „Komm, Herr Jesus!“ Angesichts der gefährlichen Versuchung der Entmutigung und der Flucht vor den großen Idealen lädt die Jungfrau dazu ein, auf den Herrn zu vertrauen, indem man ihre großartigen Ausblicke auf die Geschichte erfaßt und ihren Stil der Dankbarkeit und des Erbarmens nachahmt. Die christliche Gemeinschaft bittet gemeinsam mit der Mutter Gottes um das Geschenk des Friedens für jeden Menschen und für 218 AUDIENZEN UNDANGELUS die Völker der Erde. Er kommt mit Ihm, der unser Frieden ist! Empfangen wir ihn mit offenem Herzen! Verstärken wir während dieser Vigil unser Gebet, damit wir, indem wir uns der Gnade des Herrn öffnen, der kommt, uns zu erlösen, mit neuer Freude die Geschenke der Geburt Christi, des Erlösers des Menschen, empfangen können. Die Mutter des Herrn sei Vorbild und Führerin unserer Erwartung. Allen wünsche ich von Herzen frohe Weihnachten! Stephanus — Vorbild für Nachfolge und Hingabe Angelus am 26. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Ein heiliger Tag ist uns aufgeleuchtet. Kommt, betet an den Herrn. Heute stieg ein großes Licht zur Erde hernieder.“ Die Worte der Weihnachtsliturgie klingen noch in unserem Herzen nach und laden uns zur Freude über die Geburt des Erlösers ein. Der heutige Tag verlängert in gewissem Sinn die Weihnachtsfreude. Jesus selbst erklärt uns den Sinn seines Kommens: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10): ein ewiges Leben in Fülle, das den Weg des Menschen auf Erden durch unverhoffte Ausblicke bereichert. 2. Im eindrucksvollen Rahmen des Weihnachtsfestes gedenken wir heute des hl. Stephanus, des ersten Märtyrers. Sein Schicksal gibt uns Gelegenheit, über die tiefe Bedeutung von Weihnachten nachzudenken, das schon vom Ostergeheimnis des Todes und der Auferstehung Christi erhellt wird. Das Beispiel des Erzmärtyrers, einer treuen Verbundenheit mit ihm, spornt uns an, die Werte des Evangeliums ohne Kompromisse zu bezeugen in der Gewißheit, daß man nur durch eine vorbehaltlose Zustimmung zum Wort Gottes und durch die hochherzige Selbsthingabe für die Brüder und Schwestern die Fülle und Wahrheit des Lebens erlangt. Der Fürsprache dieses Heiligen empfehle ich vor allem diejenigen, die auch heute berufen sind, vor der Welt durch ihr Leiden um des Glaubens und der Liebe zu Christus willen Zeugnis zu geben. Mit ihm helfe uns auch Maria in jeder Lebenslage, allen in Wort und Tat die frohe Botschaft des Erlösers, des Herrn des Lebens, zu verkündigen. Dank für eure Anwesenheit gestern und heute. Herzlichen Dank! Ich erbitte für euch in diesen Weihnachtstagen einen besonderen Segen des Herrn. Gelobt sei Jesus Christus! Nach dem Angelusgebet wünschte der Papst frohe Weihnachten in verschiedenen Sprachen; in Deutsch sagte er: Ihnen allen ein gnadenreiches und friedvolles Weihnachtsfest. 219 AUDIENZEN UND ANGELUS Familie — wichtigster Raum zur Lebenserfahrung Angelus am 31. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute feiert die Kirche das Fest der Heiligen Familie, das in diesem Jahr auf den letzten Tag des Jahres fällt. Die heutige Liturgie berichtet über die Aufforderung, die der Engel zweimal an Josef richtete: „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten, ... denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten“ {Mt 2,13); und nach dem Tod des Herodes: „Steh auf und zieh mit dem Kind und seiner Mutter in das Land Israel,, {Mt 2,19). Dieser Darstellung kann man zwei für die Heilige Familie entscheidende Momente entnehmen: einen ersten in Betlehem, als König Herodes das Kind töten will, weil er in ihm einen Thronrivalen sieht; und dann in Ägypten, als die Heilige Familie aus dem Exil zurückkehren kann, nachdem die Gefahr vorüber war. Wir erkennen vor allem Gottes väterliche Sorge - die göttliche Sorge des Vaters um den Mensch gewordenen Sohn - und gleichsam im Spiegelbild die menschliche Sorge Josefs. Neben ihm spüren wir die schweigende und bangende Anwesenheit Marias, die in ihrem Herzen über Gottes Aufmerksamkeit und über Josefs unverzüglichen Gehorsam nachdenkt. Wir nennen diese Aufmerksamkeit Gottes göttliche Vorsehung, während die menschliche Sorge als „menschliche Vorsehung“ zu bezeichnen wäre. Auf Grund dieser „Vorsehung“ bemüht sich jeder, der Vater oder Mutter ist, alle Übel abzuwenden und den Kindern und der Familie das Bestmögliche zu sichern. 2. Die Sorge der Väter und Mütter sollte in den Kindern und in den Familien lebhafte Dankbarkeit wecken, ein Gefühl, das auch ein Gebot ist: „Du sollst Vater und Mutter ehren!“ Ich wollte dieses Gebot in dem Brief an die Familien (Nr. 15) in Erinnerung rufen, indem ich klarstellte, daß es zwar an die Kinder gerichtet ist, aber indirekt auch die Väter und die Mütter betrifft. Wenn das Gebot für die Künder lautet: „Ehre!“, dann bedeutet es auch für die Eltern: „Sucht euch der Ehre würdig zu erweisen!“ Die Dimension des Familienlebens, die von dem vierten der Zehn Gebote bestimmt wird, soll ständig im Bewußtsein festgehalten werden. Die Familie, von Natur und Berufung aus ein Bereich des Lebens und der Liebe, ist tatsächlich nicht selten schmerzlichen Bedrohungen aller Art ausgesetzt. Mit der Familie und in der Familie ist auch das Leben der Person und der Gesellschaft gefährdet. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Schauen wir auf die Heilige Familie von Naza-ret, das Vorbild aller christlichen und menschlichen Familien. Von ihr strahlt die wahre Liebe aus und schafft nicht nur ein beredtes Vorbild für alle Familien, sondern bietet auch die Gewißheit, daß eine solche Liebe in jedem Familienverband 220 AUDIENZEN UND ANGELUS verwirklicht werden kann. Die Verlobten mögen sich bei der Vorbereitung auf die Ehe von der Heiligen Famihe leiten lassen; auf sie mögen die Eheleute schauen, während sie ihre häusliche Gemeinschaft aufbauen. Mögen in jedem Haus der Glaube wachsen und Liebe, Eintracht, Solidarität, gegenseitige Achtung und Bereitschaft für das Leben herrschen. Maria, die Königin der Familien - ein Titel, unter dem wir sie von jetzt an in der Lauretanischen Litanei anrufen können -, helfe den gläubigen Familien, ihre Berufung immer treu zu erfüllen, damit sie wahre „Hauskirchen“ sein können. Für alle wiederhole ich: An diesem letzten Tag des Jahres 1995 wünsche ich ein gutes neues Jahr, ein gutes Jahr 1996, das heute um Mitternacht beginnt. Gelobt sein Jesus Christus! 221 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen REISEN 1. Pastoralreise nach Asien und Australien (11. Januar bis 21. Januar) Große Tage liegen vor uns Video-Botschaft an die Philippiner vor der Reise nach Manila vom 11. Januar Liebes Volk der Philippinen, liehe Brüder und Schwestern in Christus! Mit den Worten des hl. Paulus „danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündet wird“ (Röm 1,8). In der Vorfreude auf meinen Besuch in eurem Land sende ich euch von Rom aus diesen Gruß. Zwei große Ereignisse veranlassen mich, eure schöne Inselwelt noch einmal zu besuchen. Wir gedenken der vierhundert Jahre seit der Errichtung der Erzdiözese Manila und der Suffragansitze Cebu, Caceres und Nueva Segovia als erste Strukturen des kirchlichen Lebens in dieser Region. Und wir feiern den zehnten Weltjugendtag, ein freudiges Treffen mit philippinischer Jugend- und mit jungen Leuten aus aller Welt, um zu beten und über die Worte Christi nachzudenken: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Nach Gottes liebender Vorsehung treffen die beiden feierlichen Anlässe zusammen, und so will ich als Diener des Evangeliums unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus zu euch kommen. Das ist meine Sendung als Nachfolger des Petrus, die ich in Rom und in jedem anderen Teil der Welt, in den mich der Heilige Geist führt, zu erfüllen suche. Die Vierhundertjahrfeier kirchlicher Organisation in eurem Land ist für euch eine Gelegenheit, dankbar auf das zu blicken, was eure Vorfahren erreicht haben, und euch neu zu den großen Aufgaben zu bekennen, die noch vor den Jüngern Christi in eurem eigenen Land und in dem riesigen asiatischen Kontinent liegen. Der Weltjugendtag ermutigt uns alle, der Zukunft, die euch jungen Leuten gehört, voll Hoffnung entgegenzusehen. Mit meinem Besuch möchte ich der ganzen Nation Freundschaft und Achtung erweisen und meine katholischen Brüder und Schwestern in ihrem Glauben bestärken. Es ist mein beständiges Gebet, daß Gottes Segen mit euch sei bei euren Bemühungen, die vor euch liegenden großen Herausforderungen aufzugreifen und euer nationales Leben auf den Grundsätzen der menschlichen Würde, der Gerechtigkeit in allem und der Harmonie und Solidarität unter allen Bevölkerungsschichten aufzubauen. 225 Gott sei mit euch allen, und die Jungfrau-Mutter von Antipolo sei euch Fürsprecherin in all euren Anliegen. Bis bald denn! Gott segne die Philippinen! Mabuhay ang Pilipinas! (Die Philippinen mögen leben!) Grußworte bei der Ankunft in Manila Ansprache bei der Ankunft in Manila am 12. Januar Sehr geehrter Herr Präsident Ramos, liebes Volk der Philippinen! 1. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für Ihre freundlichen Willkommensworte, ganz erfüllt von der Wärme und Gastfreundschaft, womit die Philippiner ihrer Tradition gemäß ihre Gäste empfangen. All das, was Sie und Ihre Regierung getan haben, um diesen Besuch zu ermöglichen, schätze ich sehr. Seit langer Zeit habe ich den Wunsch, noch einmal auf philippinischen Boden zurückzukehren. Seine Bevölkerung ist mir stets im Geist und im Herzen gegenwärtig. Und so umarme ich Sie alle voll Achtung und Zuneigung. Wir sind ja seit meinem Besuch im Jahre 1981 zur Seligsprechung des nunmehr hl. Lorenzo Ruiz alte Freunde. 2. Meine Brüder im Bischofsamt, Kardinal Sin und Kardinal Vidal und alle Bischöfe, die ich mit Freude im Herrn grüße, haben oft den Wunsch ausgesprochen, der Nachfolger des Petrus möge die Freude der Vierhundertjahrfeier der Erzdiözesen Manila, Cebu, Caceres und Nueva Segovia mit ihnen teilen. Ich bin nun hier, um mit der katholischen Gemeinschaft der Philippinen die vierhundertjährige Anwesenheit und das hierarchisch organisierte Wirken der Kirche auf diesen Inseln zu feiern. Aus dieser ersten Evangelisierung sind bleibende Früchte christlichen Lebens und der Heiligkeit gewachsen, sie hat zu zivilisatorischem Wirken und -vor allem durch ein solides Familienleben - zur Weitergabe von grundlegenden menschlichen und bürgerlichen Werten geführt. An der Schwelle des Dritten Christlichen Jahrtausends sollten wir alle davon überzeugt sein, daß aus der aufeinander abgestimmten Zusammenarbeit aller Teile der Gesellschaft, aus dem Aufbau einer Nation, die entschieden den Weg echter integraler Entwicklung geht und die sich ganz für das Wohlergehen all ihrer Bürger einsetzt, insbesondere für das der Schwächsten - daß aus solcher Zusammenarbeit noch reichere Früchte wachsen können. 3. Der Gedanke, den 10. Weltjugendtag in Manila, auf den Philippinen, in Asien feiern zu können, hat mich mit Freude und Mut erfüllt. Der Geist Gottes hat Tausende junger Männer und Frauen hierher geführt. Sie füllen die Straßen Manilas mit der Freude ihrer Jugend und mit ihrem christlichen Zeugnis. Eine große Gruppe von ihnen ist auch hier anwesend. Ich grüße jeden und jede von euch, alle 226 REISEN Jugendlichen von den Philippinen und alle, die aus anderen Ländern und Kontinenten gekommen sind. Beim letzten Weltjugendtag in Denver, der auch fern von Rom begangen wurde, haben wir über das „neue Leben“ nachgedacht, das von Jesus Christus kommt: „Ich bin gekommen“, so hat er gesagt, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Jetzt haben wir uns hier in Manila versammelt, um ihn sagen zu hören: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Im Lauf dieser Tage werden wir darüber nachdenken und uns im Gebet fragen, was diese Worte für jeden und jede von euch bedeuten, ihr Jugendlichen vom Ende des 20. Jahrhunderts, Jugendliche des Dritten Christlichen Jahrtausends. 4. An alle Jugendlichen der Philippinen und an alle, die sich zu diesem Weltjugendtag hier versammelt haben, richte ich folgende Einladung: Betrachtet die Welt um euch her mit den Augen Jesu! Das Evangelium sagt, daß er, als er die Menge sah, „Mitleid mit ihnen hatte, denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36). Die Frohe Botschaft von der Liebe und der Barmherzigkeit Gottes - das Wort der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens, das allein ein Leben, das der Söhne und Töchter Gottes würdig ist, inspirieren kann -, dieses Wort muß überall auf Erden verkündet werden. Die Kirche und die Welt blicken auf die Jugendlichen, um neues Licht zu empfangen, neue Liebe, neuen Eifer, damit all dem, woran es der Menschheit fehlt, abgeholfen werden kann. Die zum Weltjugendtag in Manila versammelten Jugendlichen wissen das alles. Die Kirche in den Philippinen weiß, daß sie eine besondere Berufung hat, das Evangelium im Herzen Asiens zu bezeugen. Von der göttlichen Vorsehung geführt, habt ihr von der Geschichte her die Aufgabe, eine „Zivilisation der Liebe“, der Brüderlichkeit und der Solidarität aufzubauen, eine Kultur, die sich in vollkommener Weise in die alten Kulturen und Traditionen des ganzen asiatischen Kontinents einfügt. 5. Herr Präsident, Mitglieder der Regierung und geschätzte Vertreter des philippinischen Volkes! Die Kirche und die politische Gemeinschaft handeln auf verschiedenen Ebenen und sind unabhängig voneinander, aber sie dienen den gleichen Menschen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). Bei diesem Dienst gibt es viel Raum zu Dialog, Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung. Sie haben ein sehr wirksames und echt philippinisches Modell zur Zusammenarbeit für die Entwicklung im „Social Pact“, der im März 1993 bindend unterzeichnet wurde. Ich bete, daß die „neue Solidarität“, für die dieser Sozialpakt sich verbürgt, von großem Erfolg begleitet sei, zum Wohl des philippinischen Volkes und zum Stolz und zur Ehre der Nation als Leuchtturm des Friedens und der Harmonie in Asien. 6. Kardinal Sin, Kardinal Vidal und ihr Mitbrüder im Bischofsamt, liebe philippinische Schwestern und Brüder in Christus! Ich freue mich, daß ich im Glauben zusammen mit euch all das Große feiern darf, das in der Kirche und durch die Kirche 227 REISEN auf diesen Inseln im Lauf der letzten vier Jahrhunderte zustandegekommen ist. Wir wollen miteinander beten, daß Gott weiterhin den Pilgerweg seines Volkes in den Philippinen beschütze und führe! Gott segne die Philippiner! Mabuhay ang Pilipinas (Langes Leben den Philippinen!) Laßt die umgestaltende Gnade Christi in euer Leben ein! Botschaft an die Teilnehmer am Kreuzweg der Jugend in Manila am 13. Januar „Wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen“ (Joh 16,7). Liebe Jugend! 1. Diese Worte Jesu beim Letzten Abendmahl sprechen uns von seiner Rückkehr zum Vater. Wenn ihr den Kreuzweg im Luneta-Park und durch die Straßen von Manila geht, werdet ihr darüber nachdenken, was dieses ,(Zurückkehren zum Vater“ bedeutet. Jeder von uns ist persönlich dabei beteiligt. Das Geheimnis der Passion, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi betrifft die ganze menschliche Geschichte. Es erreicht jeden Menschen mit der Macht, das Leben zu erneuern, so wie es der Wunsch aller ist, wenn wir uns nach Erfüllung und Glück sehnen. 2. Nach dem unerforschlichen Geheimnis des Planes Gottes „ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (vgl. Joh 1,14). Er nahm einen Leib an gleich dem unsem, wurde von der Jungfrau Maria geboren ... und durch seinen Tod am Kreuz bringt er uns - die auf Abwege geratene und sündige Menschheit -zurück zum Vater, damit wir in der sicheren Hoffnung auf die Auferstehung leben können. Die Art und Weise, wie er wegging, war auch ein Teil vom Plan des Vaters. Wir lesen im Evangelium: „Die Soldaten ... legten ihm einen purpurroten Mantel um. Dann flochten sie einen Kranz aus Domen; den setzten sie ihm auf ... Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn ... Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten,... führten sie ihn hinaus, um ihn zu kreuzigen“ (Mt 27,27-31). 3. Die Vollstrecker der Hinrichtung stehen an Stelle eines jeden, der vor Gott Böses tut. Manchmal scheint das Böse überhandzunehmen, und die Menschen stehen hilflos da und wissen nichts dagegen zu tun. Junge Menschen fragen, was man angesichts von so viel Leiden, so viel Ungerechtigkeit, so viel Gewalt und Tod tun kann. Die Antwort darauf fällt uns ein, wenn wir auf die anderen Personen in diesem Drama schauen. Die Evangelien sprechen von einem Mann namens Simon, den sie „zwangen, Jesus das Kreuz zu tragen“ (Mt 27,32). Und von den weinenden Frauen, die ihm auf dem ganzen Weg zur Richtstätte folgten (vgl. Mt 27,55 u. a.). Die Tradition er- 228 REISEN wähnt eine Frau namens Veronika, die Jesus das Gesicht mit einem Tuch trocknete. Das Johannesevangelium erzählt uns: ,3eim Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala,, wie auch der , Jünger, den er liebte“ (Joh 19,25-26). Die Getreuen verließen nicht den im leidenden Menschensohn verborgenen Sohn Gottes. Auch für uns wird Jesus am Kreuz zur höchsten Glaubensprobe und zum Urteilsspruch Gottes über unser Verhalten. 4. Der Zehnte Weltjugendtag hält einen Tag der Solidarität mit dem leidenden Volk von Ruanda. Überwältigt von dem schrecklichen Übel, das sie betroffen hat, brauchen unsere Brüder und Schwestern in Ruanda eure materielle Hilfe, aber sie brauchen auch Ermutigung, um das Bewußtsein von ihrer Würde als Söhne und Töchter des lebendigen Gottes wiederzugewinnen. Mögen sie ermutigt werden in dem Wissen, daß ihr Opfer für sie bringt, Opfer, die eure echte Sorge um ferne, aber nicht vergessene Brüder und Schwestern kundtun. Jeder und jede von euch ist aufgefordert, auf die Worte des Herrn zu hören: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23): das Kreuz, allen Denkweisen, die der Lehre Jesu widersprechen, die Absage zu geben; das Kreuz, Wünsche und Verhaltensformen zurückzuweisen, die derer nicht würdig sind, die Christus nachfolgen. Ihr seid eingeladen, die umgestaltende Gnade, die vom Kreuz Christi kommt, in euer Leben einzulassen, vor allem durch den Empfang des Sakramentes der Buße und der Versöhnung. Es sind viele Priester bei euch, die als Werkzeuge der liebenden Vergebung des Herrn in diesem Sakrament handeln. Herr Jesus Christus, beim letzten Abendmahl hast du gesagt: „Wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen“ (Joh 16,7). Sende den Heiligen Geist auf diese jungen Menschen herab, damit er sie lehre, dein Kreuz und das Kreuz, das zu jedem und jeder von ihnen persönlich gehört, zu lieben. Hilf ihnen, dir in enger Nachfolge auf deinen Fußspuren nachzugehen auf dem Weg, der nach Kalvaria und zur Auferstehung führt und schließlich dorthin, wo du „sitzest zur Rechten des Vaters“. Von dort, o Herr, sende deinen Heiligen Geist in die Herzen der zum Zehnten Weltjugendtag in Manila versammelten Jugendlichen! Möge er ihnen helfen, hochherzig und furchtlos zu antworten auf deinen Ruf: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Gewähre dies zur Ehre Gottes, des Vaters. Amen. 229 REISEN Mit Christus ins dritte Jahrtausend Predigt beim Forum der Delegierten in Manila (Philippinen) am 13. Januar „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17) Liebe Freunde in Christus! 1. Ein junger Mann stellte einst Jesus diese Frage. Jesus erinnerte ihn daraufhin an die Gebote Gottes. Und als der junge Mann erwiderte, daß er alle Gebote schon von früher Jugend an befolgt habe, schaute Jesus ihn liebevoll an und sagte: „Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“ (Mk 10,21). „Komm, folge mir!“ Der Ruf, den der Herr an jenem Tag an den jungen Mann richtete, klingt als Echo bis in unsere Zeit. Die Kirche wiederholt diesen Ruf, wenn der Papst, die Bischöfe und solche, die sich in der Jugendseelsorge betätigen, die jungen Leute einladen, zusammenzukommen. Gelegenheiten zu solchen Jugendtreffs bieten sich viele, in Pfarreien und Diözesen und in den letzten zehn Jahren bei den Weltjugendtagen: in Rom, dann in Buenos Aires in Argentinien, darauf in Santiago de Compostela in Spanien, in Jasna Göra, Tschenstochau in Polen und in Denver in den Vereinigten Staaten. Heute sind wir hier in Manila in den Philippinen, im Femen Osten. Wenn auch Delegationen aus den meisten Ländern der Welt hier sind, so müssen wir doch sagen, daß dies in besonderer Weise der Weltjugendtag der Kirchen Asiens und des Femen Ostens ist. 2. Das Fünfte Internationale Jugendforum, veranstaltet vom Päpstlichen Rat für die Laien unter dem Vorsitz von Eduard Kardinal Pironio, hat die Delegierten der Bischofskonferenzen und Delegierte von internationalen Bewegungen, Vereinigungen und kirchlichen Gmppen zum Erfahrungsaustausch über das Apostolat in den verschiedenen Teilen der Welt und zum Nachdenken über das Thema des Weltjugendtages zusammengeführt. Das Thema ist dieses Jahr ausgedrückt in den Worten Christi an die Apostel nach der Auferstehung: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Vor zweitausend Jahren haben diese Worte die nie endende Sendung der Kirche zur Verkündigung der Heilsbotschaft bis an die Enden der Erde in Bewegung gesetzt. Der Herr Jesus sagte zu den Aposteln: „Empfängt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22), und im Gehorsam gegenüber dem Sendungsauftrag nahm die Mission am Pfingsttag ihren Anfang, als der Heilige Geist auf die Apostel herabkam und diese einfachen Männer mit göttlicher Kraft ausstattete, die sie befähigte, mutig, ja sogar bis zum Blutvergießen das Evangelium zu verkündigen. 3. Was wollen diese Worte heute sagen? Was bedeuten sie für euch Jugendliche des Internationalen Jugendforums? 230 REISEN Wenn Jesus sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“, dann haben diese Worte jetzt die gleiche Bedeutung, wie sie sie unmittelbar nach der Auferstehung hatten. Und zugleich haben sie eine stets neue Bedeutung, eine Würde. Die Aufgabe des Weltjugendtages und vor allem die Aufgabe des Forums besteht darin, diese Bedeutung in ihrem ewigen und zugleich dem unserer Zeit entsprechenden Sinn zu erschließen. Ihr habt gewissermaßen die Aufgabe, den Heiligen Geist in diesen pfingstlichen Abendmahlssaal der Philippinen einzuladen, wo die Worte Jesu wieder zu einer Mission, einer Sendung von Aposteln werden können. 4. Immer ist es Christus, der sendet. Aber wen sendet er? Ihr Jugendlichen seid es, die er in Liebe anblickt. Christus, der sagt: „Folge mir nach!“, will, daß ihr euer Leben mit einem Bewußtsein der Berufung lebt. Er will, daß euer Leben eine ganz bestimmte Bedeutung und Würde hat. Die meisten von euch sind zur Ehe und zum Familienleben berufen, aber einige werden die Berufung zum Priestertum oder zum Ordensleben erhalten. Bei dieser Messe ist auch eine Gruppe von Seminaristen, von Novizinnen und Novizen und jungen Ordensleuten vertreten. Ich grüße jeden von euch und ermutige euch, standhaft zu sein in der Antwort auf den Ruf zur vollkommenen, liebenden Hingabe an den Herrn. Er wird viel von euch fordern. Er wird den vollen Einsatz eures ganzen Seins für die Ausbreitung des Evangeliums und den Dienst an seinem Volk verlangen. Aber habt keine Angst! Seine Ansprüche sind auch das Maß seiner Liebe zu jeder und jedem von euch persönlich. 5. Was erwartet Christus von Jugendlichen, was sollen sie tun? Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns besser zum Bewußtsein gebracht, daß es vielerlei Weisen gibt, die Kirche aufzubauen. Jede Form des Apostolates ist gültig und bringt Frucht, wenn es in der Kirche, durch die Kirche und für die Kirche ausgeübt wird, den Mystischen Leib Christi, von dem der hl. Paulus spricht. Der Weltjugendtag kann für euch alle eine Gelegenheit sein, eure Berufung zu entdecken, den bestimmten Weg zu erkennen, den Christus euch zu gehen heißt. Die Suche und Entdeckung von Gottes Willen für euch ist ein Bemühen, das tief geht und faszinierend ist. Es verlangt eurerseits die Haltung des Vertrauens, wie sie das Psalmwort der Liturgie des heutigen Tages ausdrückt: „Du zeigst mir den Pfad zum Leben. Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle, zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit“ (Ps 15/16,11). Jede Berufung, jeder Weg, zu dem Christus uns beruft, führt letztlich zu Erfüllung und Glück, denn er führt zu Gott, zur Teilnahme an Gottes eigenem Leben. Und ich sehe, daß die Menschen in den Philippinen sehr frohe Menschen sind. Warum sind sie so froh? Ich bin überzeugt, daß ihr Philippiner deshalb so froh seid, weil ihr die Frohe Botschaft empfangen habt. Wer die Frohe Botschaft empfängt, ist freudig, er strahlt vor Freude und gibt anderen die Freude weiter. Heute schenken die Philippiner dem Papst diese Freude. Sie schenken diese Freude den 231 REISEN Kardinalen, den Bischöfen, den Priestern, euch allen! Und ich und wir alle sind den Menschen der Philippinen so dankbar für ihre frohe Gastfreundschaft. 6. Zu unserem Text zurückkehrend, sage ich: Zögert nicht, auf den Ruf Gottes Antwort zu geben! Aus dem Abschnitt aus dem Buch Exodus, der in dieser Messe gelesen wird, können wir lernen, wie der Herr bei jeder Berufung vorgeht (vgl. Ex 3,1-6; 9-12). Zuerst ruft er neu ins Bewußtsein, daß er anwesend ist - der brennende Dornbusch. Wenn wir beginnen, Interesse zu zeigen, ruft er uns beim Namen. Wenn unsere Antwort bestimmter wird und wir wie Mose sagen: „Hier bin ich“ (vgl. Vers 4), dann zeigt er deutlicher sich selbst und seine leidenschaftliche Liebe zu seinem Volk, das in Not ist. Stufenweise bringt er uns dazu, die Art und Weise zu entdecken, wie wir ihm tatsächlich dienen sollen: „Ich will dich senden.“ Für gewöhnlich kommen dann Ängste und Zweifel auf, die uns beunruhigen und die Entscheidung erschweren. Dann müssen wir auf die Zusage des Herrn hören: „Ich bin mit dir“ {Ex 3,12). Jede Berufung ist eine tiefe persönliche Erfahrung der Wahrheit dieser Worte: „Ich bin mit dir.“ Die Worte werden zur persönlichen Überzeugung. Es hatte für mich eine so große Bedeutung, sie zu hören. „Ich bin mit dir. Fürchte dich nicht!“ So sehen wir, daß jede Berufung zum Apostolat aus dem Vertrautsein mit dem Worte Gottes entspringt und die Sendung einschließt, dieses Wort anderen mitzuteilen. Diese „anderen“ können Leute sein, die schon die Sprache des Offenbarungswortes kennen. Aber es können auch Menschen sein, die diese Sprache noch nicht kennen, wie es im Fall der Missionsberufung ist. Das Wort Gottes ist manchen unbekannt, weil sie es noch nicht gehört haben. Andere haben es vergessen oder haben aufgegeben, was sie einst gehört haben. Welche Schwierigkeiten es auch immer geben mag, der Apostel weiß, daß er nicht allein ist: „Ich bin immer mit dir.“ Ich bete jeden Tag, daß die jungen Katholiken der Welt den Ruf Christi hören und so antworten, wie der Antwortpsalm sagt: „Du Herr, hältst mein Los in deinen Händen ... Ich habe den Herrn beständig vor Augen. Er steht mir zur Rechten, ich wanke nicht“ {Ps 15/16,5.8). 7. Ungeheure Aufgaben liegen vor der Jugend der Welt, vor allem vor der katholischen Jugend der Philippinen, Asiens und des Femen Ostens, am Vorabend des Dritten Jahrtausends. Das größte Missionsland der Welt braucht Arbeiter, und die Kirche bittet beständig den Herrn der Ernte, sie zu senden, uns zu senden, euch zu senden. Wenn ich nun an den Altar trete, möchte ich zusammen mit den hier versammelten Bischöfen und Priestern unter der Gestalt von Brot und Wein all das aufopfem, was ihr, junge Männer und Frauen, in euren Herzen tragt. Brot und Wein werden in der Eucharistie zum Leib und Blut Christi. Mögt ihr, wenn ihr ihn in der heiligen Kommunion empfangt, den Mut haben, auf seinen Ruf zu hören. Laßt mich diesen Ruf in die Worte eines Liedes fassen (ohne es aber zu singen!), das ich von jungen Leuten hörte, als ich noch in meiner Heimat war. Es heißt so: „Komm mit 232 REISEN mir, die Welt zu retten, denn es ist schon das zwanzigste Jahrhundert!“ Nun geht aber das zwanzigste Jahrhundert schon zu Ende. Und so sagt Christus: „Komm mit mir ins dritte Jahrtausend, um die Welt zu retten!“ Ich freue mich sehr darauf, euch nach der Feier persönlich zu begegnen und jedem von euch aus so vielen verschiedenen Sprachen, Ländern und Nationen der ganzen Welt nahe zu sein. Ich freue mich darauf, euch zu sehen und, auf diesen Spazierstock gestützt, euch zu begegnen. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ...“ Amen. Die Sache des Menschen kommt nur voran, wenn sich die Wissenschaft mit dem Gewissen zusammenschließt Ansprache an die Studenten und die akademische Welt auf dem Sportgelände der katholischen Universität „Santo Tornas“ von Manila am 13. Januar Hoch würdiger Pater Rektor! Liebe Dominikanerbrüder, Dozenten und Studenten der Universität „Santo Tomas“! Liebe Fakultätsmitglieder und Studenten der „University Belt“! 1. Ich danke euch allen sehr herzlich, daß ihr hierher gekommen seid, und dem Pater Rektor für seine freundlichen BegrüßungsWorte. Als Päpstliche Universität hat „Santo Tomas“ ein besonderes Anrecht auf die Aufmerksamkeit des Papstes. Es ist in der Tat der dritte Besuch eines Papstes an der ältesten Universität Asiens: 1970 ist Papst Paul VI. hergekommen; ich selbst war 1981 schon einmal hier, und nun hat mir Gott die Gnade geschenkt, wieder hier bei sein zu können zu einer Begegnung mit der „akademischen Welt“ der Philippinen. Da ich selber Student und Universitätsprofessor gewesen bin, fühle ich mich euch ganz besonders nahe. Ich möchte euch auffordem, eure akademische Erfahrung mit aller Hingabe und Einsatzbereitschaft in der Weise zu leben, daß ihr mit großem Verantwortungsgefühl gegenüber euren Familien und der Gesellschaft, gegenüber eurer eigenen und der Zukunft eures Landes nach menschlicher und akademischer Vortrefflichkeit strebt. 2. Eine Universität, vor allem eine katholische Universität muß aufgeschlossen sein für das verbreitete wachsende Bedürfnis der Gesellschaft nach echten Werten, nach sicheren sittlichen Leitbildern und nach einer transzendenten Vorstellung vom Sinn des Lebens. Eine Universität sollte daher nicht nur in Übereinstimmung mit den Prinzipien und Methoden des jeweiligen Studienfaches und mit der gebührenden Freiheit wissenschaftlicher Forschung Kenntnisse weitergeben; sie sollte auch Männer und Frauen ausbilden, die echte Leitbilder und Führungskräfte auf wissenschaftlichem, technischem, wirtschaftlichem, kulturellem und sozialem Gebiet sein sollen. Sie muß eine Gemeinschaft sein, deren Auftrag es ist, Spitzen- 233 REISEN kräfte für sämtliche wichtigen Lebensbereiche auszubilden; Spitzenkräfte, die persönlich eine Synthese zwischen Glaube und Kultur vollzogen haben, die bereit und fähig sind, Aufgaben im Dienst an der Gemeinschaft und an der Gesellschaft im allgemeinen zu erfüllen und dabei privat und öffentlich von ihrem Glauben Zeugnis zu geben. Möge mein Besuch als Ermutigung an die akademische Gemeinde auf den Philippinen dienen, nachzudenken über den „Vorrang der Ethik gegenüber der Technik, über den Primat des Menschen gegenüber den Dingen, über die Überlegenheit des Geistes gegenüber der Materie“ (Ansprache an die UNESCO, Paris, 2. Juni 1980, Nr. 22). Die Sache des Menschen kommt nur voran, wenn sich die Wissenschaft mit dem Gewissen zusammenschließt, wenn die Wissenschaftler - Männer und Frauen - den Sinn für die Transzendenz des Menschen gegenüber der Welt und Gottes gegenüber dem Menschen bewahren (vgl. Apostolische Konstitution Ex corde Ecclesiae, Nr. 18). 3. Die meisten von euch sind noch jung, und die Jugend macht ein sehr wichtiges Kapitel im Buch des Lebens aus: Sie steht für Begeisterungsfähigkeit, Tatkraft, Hoffnung und Erwartung. Die „Probleme des Lebens“ haben sich noch nicht eingestellt. Statt dessen seid ihr dabei, euch die Fähigkeiten und Erfahrungen anzueignen, die euch zu reifen Bürgern eurer Nation und zu wahren Söhnen und Töchtern der Kirche machen werden - der Kirche, die euch liebt und die eure Mitarbeit braucht. Was sucht die Kirche bei den philippinischen Jugendlichen? Sie sucht Hilfe, um eure Generation vor der Perspektivlosigkeit, vor der Frustration und vor der Leere zu retten, in der viele eurer Altersgenossen leben. Wenn ich an alle die Jungen und Mädchen denke, die die Kraft, die Hoffnung, ja das Gewissen der Gesellschaft sein sollten und die sich statt dessen in einem Netz von Ungewißheiten verfangen haben oder verzweifelt nach dem Glück suchen, auf Wegen, die niemals zum Glück führen können, dann bete ich noch inständiger dafür, daß die katholische Jugend des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts zu einer immer tieferen Kenntnis von Jesus Christus gelangen und sich von der faszinierenden Herausforderung und dem Abenteuer, das er für jeden von uns darstellt, überzeugen lassen möge. 4. In Christus und in seiner Lehre werdet ihr „den Weg, die Wahrheit und das Leben“ finden. In ihm werdet ihr die Antwort auf alle grundlegenden Fragen finden. Die Welt und die Kirche brauchen die jungen Menschen, für welche die Schönheit des Lebens darin besteht, sich für die anderen hinzugeben, den anderen Gutes zu tun. Laßt euer Gewissen vom Licht Christi erleuchten über das wahre Gute und über das Übel der Sünde und über alles, was die wahre Liebe trübt. Jugendliche der Philippinen! Die moderne Welt braucht Jugendliche neuen Typs. Sie braucht Männer und Frauen, die zur Selbstdisziplin und zum Einsatz für die höchsten Ideale fähig sind und bereit, die falschen Werte, die viele junge Menschen ebenso wie Erwachsene zu Sklaven gemacht haben, radikal zu verändern. 234 REISEN Das alles ist möglich mit dem Vertrauen in den Herrn und mit Hilfe guter Lehrer in euren Pfarrgemeinden und in euren Gruppen. 5. Diese Universität wurde 1611 gegründet und erhielt den Namen „Santo Tornas de Nuestra Senora del Rosario“. Die Gottesmutter ist für uns alle eine besondere Lehrmeisterin. Sie erteilt uns die wichtigste aller Lektionen: Wir sollen Gott lieben und den Nächsten lieben aus Liebe zu Gott. Möge Unsere Liebe Frau euch alle weiterhin lieben und behüten! Möge sie euren Familien nahe sein! Gott segne euch alle, er segne die philippinische Jugend und ihr Land. Es ist ein großes Privileg, hier zu sein und wieder dieses Phänomen zu entdecken, das ich schon in der Vergangenheit kennengelemt hatte. Heute erkenne ich es noch besser. Dieses großartige Phänomen der Welt und der Kirche, für die Welt und für die Kirche, heißt: das Volk der Philippinen. Ich bin gekommen, um dieses Phänomen, das die Philippinen darstellen und das ich bewundere, wiederzuentdecken. Ich beglückwünsche alle Missionare, die zu euch gekommen sind und euch die Universität „Santo Tornas“ gebracht haben. Ich freue mich über diese besondere Erfahrung, über diese nach dem heiligen Thomas benannte Universität der Philippinen. Ich beglückwünsche mich selbst, ein Schüler dieses großen Kirchenlehrers zu sein. Und schließlich beglückwünsche ich Kardinal Sin, Kardinal Vidal und alle Bischöfe eurer Kirche, dieser wunderschönen Kirche der Philippinen. Vielen Dank! Dank sei Gott für euch alle. Johannes Paul II. liebt euch und segnet euch. Zur missionarischen Dimension der Kirche der Philippinen Ansprache bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz der Philippinen in Manila am 14. Januar Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! 1. Mein Wunsch, den Zehnten Weltjugendtag in Manila gleichzeitig mit der Vierhundert-Jahr-Feier der Erzdiözesen Manila, Cebu, Caceres und Vigan, die die Gemeinschaft der philippinischen Katholiken begeht, zu feiern, schloß auch das Verlangen ein, diese besondere Begegnung mit euch, den Hirten der Kirche Gottes auf den Philippinen, zu haben. In seinem Namen versammelt (vgl. Mt 18,20), sind wir eine lebendige Ikone der Gemeinschaft, die der Kirche Leben schenkt. Jede Begegnung des Bischofs von Rom mit Mitgliedern des Bischofskollegiums erinnert an die Freude und die Begeisterung für das Evangelium am Pfingstfest, als sich „Petrus mit den Elf erhob“ (Apg 2,14) und furchtlos die Frohbotschaft vom Heil durch den Tod und die Auferstehung des Herrn verkündete. Heute erfahren wir in Manila, in diesem Saal, der Domingo Salazar, dem ersten Bischof der Philippinen, geweiht ist, erneut dieses Band der Liebe und Zuneigung, das die Apostel in Jerusalem einte. 235 REISEN 2. Die Jahrhunderte hindurch wurde die christliche Botschaft tief in der philippinischen Seele verwurzelt und bleibt die treibende Kraft eurer Gesellschaft. Über viereinhalb Jahrhunderte nach der ersten Predigt des katholischen Glaubens in diesem Gebiet ruft der Geist, der die Völker dieser Inselwelt bewog, das Evangelium anzunehmen, ohne die zahlreichen positiven Elemente ihres kulturellen Erbes zu vergessen, die Kirche erneut auf, ein neues Zeugnis für die Kraft des Evangeliums zu geben, das menschliche Leben und die menschliche Kultur umzuformen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 58). Um den „großen christlichen Frühling“ (Redemptoris missio, Nr. 86) zu fördern, den Gott mit dem Näherkommen des Dritten Jahrtausends bereitet, haben eure Teilkirchen voll und ganz ihre geistlichen und pastoralen Kräfte in die Neuevangelisierung eingebracht. Das Zweite Plenarkonzil der Philippinen (PCPII), das in Übereinstimmung mit den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils abgehalten wurde, ist ein entscheidender Meilenstein auf eurem Weg dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 entgegen. Ich fordere daher jeden einzelnen auf - Hirten, Priester, Ordensleute und Laien Macht die Umsetzung der Akten und Dekrete des Plenarkonzils und den nationalen Pastoralplan zu einem Schwerpunkt eures Lebens und Apostolates. 3. Wie ihr in eurem Konzilsdokument anerkannt habt, ist die Aufmerksamkeit für die Katechese „das erste Element einer neuen Evangelisierung“ (PCP II, 156). Die Katechese der Neuevangelisierung soll als erster Schritt die Leute zu einer tieferen Bekehrung des Herzens aufrufen. Diese „metanoia“, der Schritt der Bekehrung, die zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 hinführt, schließt den „Entschluß (ein), den Weg des Kreuzes zu gehen“ (ebd., 669). Die Hirten müssen aber wachsam sicherstellen, daß Predigt und Katechese die Frohbotschaft unverkürzt und systematisch ohne Verfälschung vorlegen (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 30), zumal was die Sakramente angeht, durch die der Glaube eures Volkes getragen und genährt wird. Durchdacht entwickelt ihr dazu eine gründliche und nachhaltige Katechese, welche die Gläubigen zu einer mehr vom Gebet geprägten Feier dieser „Meisterwerke Gottes“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1116) anleitet. Auf diese Weise wird die spezifisch übernatürliche Art der Sendung der Kirche gewahrt und werden überreiche geistliche Energien im Leben der Gläubigen geweckt. 4. Der Pilgerweg der Kirche zum Reich Gottes verläuft über die Welt, der sie dienen möchte. Um Gottes Werkzeug der erlösenden Liebe mitten in den sozialen Krisen dieser Zeit zu werden, muß die Kirche ein überzeugendes Zeugnis ihres Herrn sein, der „sich selbst entäußerte und Knechtsgestalt annahm“ (Phil 2,7). Sie ist aufgerufen, „wahrhaft prophetisch zu handeln. Sie klagt die Übel des Menschen in ihrer verschmutzten Quelle an; sie weist hin auf die Wurzel der Spaltung und gibt Hoffnung, daß die Spannungen und Konflikte überwunden werden können, damit man zu Brüderlichkeit und Eintracht und zum Frieden auf allen Ebenen und 236 REISEN in allen Gruppen der menschlichen Gesellschaft gelangt“ (Reconciliatio et paeni-tentia, Nr. 4). Ihr kennt gut die gewaltigen Aufgaben, vor denen ihr als Bischöfe steht: der Verlust edler Ideale, die Verwirrung des moralischen Gewissens bei Gut und Böse, der wachsende Materialismus und die religiöse Gleichgültigkeit, die mit gewissen wirtschaftlichen und politischen Praktiken verbundenen Ungerechtigkeiten, endlich der wachsende Graben zwischen Reichen und Armen. Wenn ihr diese und andere Fragen mit der befreienden Macht des Evangeliums ansprecht, trifft eure pastorale Sendung das Herz der philippinischen Gesellschaft. Daher muß eine integrale Evangelisierung dahin zielen, einen Glauben zu wecken und zu nähren, der zu einer echten Umwandlung der einzelnen und der Gesellschaft führt. Eine Situation, bei der wirtschaftlicher Wohlstand und politische Macht in den Händen weniger konzentriert sind, ist, wie ihr geschrieben habt, „ein Affront gegen die Menschenwürde und Solidarität“ (PCP H, 296). Allzu viele Familien bleiben ohne bebaubares Land oder ohne Heim, wo sie leben können, und allzu viele Menschen haben keine Arbeit und keine notwendigen Stellungen. Euer Bemühen muß dahin gehen, eine neue Haltung schaffen zuhelfen, eine Überzeugung, die auf dem Prinzip der sozialen Bestimmung von Macht und Wohlstand beruht und dann zu entsprechenden Wandlungen in der herrschenden Ordnung führen kann. Die Reichtümer der Schöpfung sind ein Gemeingut der ganzen Menschheit, und jene, die in einer Gesellschaft in verschiedenen Formen „wohlhabend“ sind, müssen sich selbst als „Verwalter und Diener betrachten, die im Namen Gottes handeln“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 13). 5. In Erfüllung eurer Aufgabe als Hirten habt ihr der Kirche auf den Phiüppinen aufgetragen, eine „Kirche der Armen“ zu sein. Ihr habt die Katholiken aufgerufen, „den Geist der Armut im Evangelium aufzugreifen, der die Loslösung vom Besitz mit einem tiefen Vertrauen auf den Herrn als Quelle des Heils verbindet“ (PCP II, 125). Dies ist der Weg des Herrn Jesus mit seiner bevorzugten Liebe zu den Leidenden, an den Rand Gedrängten, den Kleinen und Sündern. Ihr habt also nicht geschwiegen angesichts der Ungerechtigkeiten gegenüber den Armen; ihr habt vielmehr ihre Rechte nachdrücklich verteidigt. Auf den Philippinen sind die Armen freilich auch aufgerufen, tatkräftige Mitarbeiter der Evangelisierung zu sein, und nicht lediglich ihre Objekte. Ihr habt in eurer Lehre über den Wert des menschlichen Lebens und die Heiligkeit seiner Weitergabe die Wahrheit über den Menschen energisch verteidigt. Im letzten Jahr habe ich in meinem Brief an die Familien geschrieben: „Wir stehen vor einer enormen Bedrohung des Lebens: nicht nur einzelner Individuen, sondern auch der ganzen Zivilisation“ (Nr. 21). Wenn mächtige Interessen eine Politik fördern, die sich gegen das dem menschlichen Herzen eingeschriebene moralische Gesetz richtet (vgl. Rom 2,15), verletzen sie die Würde des Menschen, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, und sie untergraben mit ihrem Tun zugleich die Grundlagen der Gesellschaft selbst. Weil die Kirche die göttlichen Gaben der menschlichen Lebens und seiner unveräußerlichen Würde zu wahren 237 REISEN hat, kann sie sich nur nachdrücklich allen Maßnahmen widersetzen, die irgendwie der Förderung der Abtreibung, der Sterilisation oder auch der Empfängnisverhütung dienen. Eure klare Stellungnahme gegen den Pessimismus und die Selbstsucht derer, die sich gegen die Großartigkeit der menschlichen Sexualität und des menschlichen Lebens erheben (vgl. PCPII, 585), ist eine wesentliche Forderung für euren pastoralen Dienst und für euren Dienst am philippinischen Volk. 6. Da „einem jeden die Gabe des Geistes zum gemeinsamen Wohl gegeben ist“, müssen „die verschiedenen Gaben und Dienste“, die in der Gemeinschaft der Christen präsent sind, alle dahin ausgerichtet werden, daß sie den einen Leib Christi aufbauen (vgl. 1 Kor 12,4-7). Als eure „Helfer, Söhne und Freunde“ (Lumen Gentium, Nr. 28) haben die Priester den ersten Anspruch auf eure Anleitung, Ermutigung und Anregung, so daß sie ihren Dienst getreu und ertragreich ausüben können. Eure Bemühungen, der Evangelisierung frischen Impuls zu geben, werden großenteils von der sorgfältigen Aufmerksamkeit für die geistliche Entwicklung der Priester und Seminaristen abhängen. Gern nehme ich zur Kenntnis, daß eure Konferenz ein auf den neuesten Stand gebrachtes philippinisches Programm für die Priesterausbildung vorbereitet, das die Ratio fundamentalis und Pastor es dabo vobis zur Grundlage hat und eine gesunde Ausbildung im geistlichen Leben und in der Theologie des Dienstpriestertums betont (vgl. Nationaler Pastoralplan, 75, 77.1). Die ganze Gemeinschaft sollte die Notwendigkeit verspüren, Priesterberufe zu fördern, und es ist eure Aufgabe, sicherzustellen, „daß das Anliegen der Beru-fungspastoral im Gesamtbereich der ordentlichen Seelsorge stets präsent ist, ja voll in sie integriert und gleichsam mit ihr identifiziert wird“ (Pastores dabo vobis, Nr. 41). Es versteht sich von selbst, daß die männlichen und weiblichen Ordensleute bei der Neuevangelisierung der Philippinen eine größere Rolle zu spielen haben - wie es vom Beginn der Präsenz der Kirche hier auch der Fall war. Jedes Institut ist aufgerufen, sein besonderes Charisma im Licht der Zeichen der Zeit zu überprüfen und seine gemeinsamen Gaben in den Dienst der Kirche zu stellen (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 20). Die regelmäßige Beratung durch offene Kommunikationswege zwischen Bischöfen und höheren Oberen, wie sie im Nationalen Pastoralplan empfohlen wird (vgl. 89.1), kann diese ,Arbeit“ im Weinberg des Herrn - in dem dieser die Ernte reifen läßt - nur wirksamer machen. Das Zweite Vatikanische Konzil - das als „großartiges Geschenk des Geistes an die Kirche gegen Ende des zweiten Jahrtausends“ zu betrachten ist (Tertio millennio adveniente, Nr. 36) - hat die Türen für die Laien geöffnet, die nun ebenfalls eine ihrem Lebensstand eigene Spiritualität zu entwickeln haben. Ich habe sie aufgefordert, in weiterreichender Weise auf den Gebieten des Lebens der Kirche, die ihnen mit Recht eigen sind, mitzuarbeiten. Philippinische katholische Laien müssen zur vollen Übernahme ihrer Verantwortung für die Sendung der Kirche in der Welt ermutigt werden. Da ihre spezifische Berufung in der Ordnung der irdischen Dinge „gemäß dem Plan Gottes“ (Lumen Gentium, Nr. 31) be- 238 REISEN steht, steht vor ihnen die Aufgabe, ihr „ganzes Leben heilig“ zu machen (vgl. 1 Petr 1,15), indem sie andere durch das überzeugende Beispiel ihres Lebens im Bereich der täglichen menschlichen Tätigkeiten zu Christus hinführen. Dafür erwarten sie von euch die Mittel für eine geistliche und lehrmäßige Ausbildung, mit der sie einer in steigendem Maße komplizierten Welt gewachsen sind. 7. Eine besondere Aufgabe für euren Dienst ist der Schutz der Familie und die Stärkung des Familienlebens. Die philippinische Gesellschaft hat auf diesem Gebiet eine starke Überlieferung, doch wie ihr alle gut wißt, braucht die Familie zunehmend Hilfe, um die negativen sozialen und kulturellen Auswirkungen und die sie begleitenden raschen und tiefgreifenden wirtschaftlichen Wandlungen verkraften zu können, die in ganz Asien stattfinden. Ich möchte euch für alles danken, was eure Konferenz und zumal eure Kommission für das Familienleben getan hat, um während des vergangenen .Jahres der Familie“ die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Familie zu lenken. Ebenso verdienen die besonderen Gaben und Bedürfnisse der jungen Menschen sorgfältige pastorale Aufmerksamkeit. Junge Menschen sind die Quelle der Hoffnung für die Zukunft, wie wir beim Zehnten Weltjugendtag eben hier in Manila gesehen haben. Mit ihrer Begeisterung und Energie müssen sie ermuntert und geschult werden, „aktive Subjekte, Protagonisten der Evangelisierung und Erbauer der sozialen Erneuerung“ zu werden (Christifideles laici, Nr. 46). Sie sind Boten des Evangeliums, das sie zu ihren Altersgenossen bringen, zumal zu denen, die sich der Kirche entfremdet haben und durch normale pastorale Tätigkeiten oft nicht erreicht werden können. Während die gewöhnlichen Formen der Jugendarbeit in Pfarreien weitergehen und entfaltet werden sollten, um sicherzustellen, daß die Jugendlichen nicht von der größeren Gemeinschaft isoliert sind, sind Verbände, Bewegungen, eigene Zentren und Gruppen, die sich mit ihren besonderen Bedürfnissen beschäftigen, ebenfalls hilfreich (vgl. Redemptoris missio, Nr. 37). Die Kirche, die immer jung ist, folgt ständig den Wegen der Welt, um die Mitglieder einer jüngeren Generation zu treffen, Anregung von ihrem echten Idealismus, ihrem suchenden Geist und ihren großzügigen Herzen zu gewinnen. 8. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt: Dies sind einige Gedanken, die ich euch mit-teilen wollte, da ihr Gottes Herde in einer Nation in Asien weidet, deren Mitglieder in der Mehrheit Glieder der Kirche sind. Im Namen des Herrn ermutige ich euch, der besonderen Gnade eurer Berufung zu entsprechen und das Evangelium auch über die Gestade dieser schönen Inselwelt hinaus zu anderen Völkern dieses ausgedehnten Kontinents zu bringen. Eine große Ernte wartet auf jene, die diese alten und edlen Kulturen zur Erkenntnis Christi hinführen werden, der allein „Weg, Wahrheit und Leben“ ist (Joh 14,3). Asien braucht eure Hilfe, wenn es die Frohbotschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Christus hören soll. Ihr seid Hirten eines Volkes, das Maria besonders liebt. Möge die Mutter des Erlösers euren bischöflichen Dienst leiten, so daß das Volk dieser lieben Nation, in 239 REISEN Christus versammelt, „mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt wird“ (Eph 3,19). Mit meinem Apostolischen Segen. Petrusamt — Fundament und Zeichen der Einheit Botschaft an die chinesischen Katholiken, übertragen von „Radio Veritas“ am 14. Januar Von Manila aus, wohin ich zur Feier des Zehnten Weltjugendtages gekommen bin, möchte ich einen besonderen und herzlichen Gruß an alle chinesischen Katholiken richten, die auf chinesischem Boden die Kirche Christi gegenwärtig und sichtbar machen: eine, heilige, katholische und apostolische Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Liebe Brüder und Schwestern der Kirche in China, ich bin mir eurer Schwierigkeiten wohl bewußt, inmitten derer ihr berufen seid, euren Glauben an Christus zu bezeugen. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht von der ganzen Kirche in einer Weise, die sich sehr in eure Erfahrung versetzt: „Die Kirche ,schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf dem Pilgerweg dahin und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. 1 Kor 11,26). Von der Kraft des auferstandenen Herrn aber wird sie gestärkt, um ihre Trübsale und Mühen, innere gleichermaßen wie äußere, durch Geduld und Liebe zu besiegen und sein Mysterium, wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt zu enthüllen, bis es am Ende im vollen Lichte offenbar werden wird“ (Lumen Gentium, Nr. 8). Euch, ihr lieben Katholiken Chinas, hat die göttliche Vorsehung die Aufgabe anvertraut, den Glauben inmitten eines Volkes alter kultureller Traditionen zu leben. Ihr seid dazu berufen, das „Salz der Erde“ und das .Dicht der Welt“ zu sein, „damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). Haltet also den Blick fest auf „Christus, das Licht der Völker“, gerichtet. Habt Mut: Er hat die Welt besiegt (vgl. Joh 16,33), Er ist immer mit Euch (Mt 28,20). Euer Zeugnis wird umso beredter sein, wenn es durch Worte und Gesten der Liebe zum Ausdruck kommt. Jesus hat gesagt: ,Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35). Liebe vor allem untereinander, aber auch Liebe gegenüber allen euren chinesischen Brüdern und Schwestern: Eine Liebe, die Verständnis, Respekt, Toleranz, Verzeihung und Wiederversöhnung im Inneren der christlichen Gemeinschaft ist; eine Liebe, die Dienst, Entsagung, Loyalität, Fleiß, Korrektheit und Gerechtigkeit im zivilen Umfeld ist. Eine wahre Liebe, die aber nicht von der Wahrheit losgelöst sein kann. Der hl. Paulus erinnert die Epheser, daß sie „in der Liebe gemäß der Wahrheit“ (4,15) leben sollen. Liebe Brüder und Schwestern, die tiefe Einheit, die jede katholische Gemeinschaft in jedem Teil der Welt charakterisiert, muß auf der Wahrheit begründet sein, die im Evangelium erstrahlt, und in der Nächstenliebe, die vom Herzen 240 REISEN Christi geboren wird. Dies gilt auch für Euch! Jeden Tag bete ich für Euch, indem ich den Herrn bitte, daß er Euch hilft, vereint zusammenzustehen als lebendige Glieder des einen mystischen Leibes Christi. Die Einheit ist nicht das Ergebnis menschlicher Politik oder versteckter und mysteriöser Ziele. Sie geht im Gegenteil aus einer Konversion des Herzens und aus einer aufrichtigen Annahme unveränderlicher Prinzipien hervor, die von Christus für seine Kirche festgelegt worden sind. Besonders wichtig ist unter diesen Prinzipien die wirkliche Gemeinschaft aller Teile der Kirche mit ihrem sichtbaren Fundament: Petrus, dem Fels. Deswegen kann ein Katholik, der ein solcher bleiben will und als ein solcher anerkannt werden will, nicht das Prinzip der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri zurückweisen. Wie viele Glaubenszeugnisse, wie viele Treuebotschaften habe ich von Gemeinschaften überall in China erhalten! Bischöfe, Priester, Ordensfrauen und Laien haben ihre unerschütterliche und volle, Gemeinschaft mit Petrus und mit dem Rest der Kirche bezeugen wollen. Als Hirte der Universalkirche freut sich mein Herz sehr darüber. Ich lade alle sehr herzlich ein, Wege der Gemeinschaft und der Wiederversöhnung zu finden, Wege, die Licht und Inspiration aus der Wahrheit selbst erfahren: Jesus Christus. Ich vertraue euch alle dem mütterlichen Schutz Marias, der Königin Chinas, an. Die Gnade Unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes mögen mit euch sein. Amen. Mit Mut und Freude Jesus Christus bekennen Ansprache beim Weltjugendtag im Luneta-Park Manila (Philippinen) am 14. Januar Liebe Jugendliche des Zehnten Weltjugendtages! 1. In euren Fragen sehe ich einmal mehr, die Szene aus dem Evangelium sich wiederholen, wo ein junger Mensch Jesus fragt: „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17). Das erste, was Jesus festgestellt hat, war die Haltung, die diese Frage verbarg, nämlich das aufrichtige Suchen. Jesus hatte verstanden, daß der junge Mann aufrichtig die Wahrheit über das Leben und seinen persönlichen Weg darin suchte. Das ist wichtig. Das Leben ist ein Geschenk, das eine gewisse Zeit hindurch währt, wo ein jeder von uns sich der Aufgabe stellt, die das Leben selber mit sich bringt: die Aufgabe, ein Ziel zu haben, ein Geschick und darum zu ringen. Das Gegenteil wäre, das Leben oberflächlich anzugehen, unser Leben im Eitlen zu verlieren; nie in uns selber die Fähigkeit zum Guten und zu wirklicher Solidarität entdecken und damit nie den Weg zum wahren Glück finden. Allzu viele Jugendliche verstehen nicht, daß sie selber es sind, die am meisten dafür Verantwortung 241 REISEN tragen, ihrem Leben einen würdigen Sinn zu geben. Das Geheimnis der menschlichen Freiheit steht im Mittelpunkt des großen Abenteuers, das Leben gut zu verbringen. 2. Es stimmt, daß die Jugendlichen heute Schwierigkeiten erfahren, welche die vorausgehenden Generationen nur zum Teil und begrenzt kennengelemt haben. Die Schwäche eines so großen Teils des Familienlebens, das Fehlen des Austausches zwischen Eltern und Kindern, die Isolierung und der entfremdende Einfluß eines Großteils der Medien der sozialen Kommunikation, all das kann in jungen Menschen Verwirrung hervorrufen, was die Wahrheit und die Werte angeht, die dem Leben echten Sinn geben. Falsche Lehrer, von denen viele zur intellektuellen Elite der Welt der Wissenschaft, der Kultur und der Medien der sozialen Kommunikation gehören, legen ein Anti-Evangelium vor. Sie erklären, jedes Ideal sei tot und tragen damit zur tiefreichenden moralischen Krise bei, die den Weg zu einer falschen Toleranz geöffnet haben und sogar zur Betonung von Verhaltensformen führen, die das moralische Gewissen und der gesunde Menschenverstand früher verabscheuten. Wenn ihr sie fragt: Was muß ich tun?, besteht ihre einzige Sicherheit darin, daß es keine endgültige Wahrheit und keinen sicheren Weg gibt. Sie wollen, daß ihr seid wie sie: Zweifelnde und Zyniker. Bewußt oder nicht verteidigen sie einen Zugang zum Leben, der schon Millionen von Jugendlichen zu trauriger Einsamkeit geführt hat, wo sie keinen Grund zur Hoffnung mehr besitzen und zu wahrer Liebe unfähig sind. 3. Ihr fragt, was ich mir von den Jugendlichen erwarte? Im Buch „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“ habe ich geschrieben, das wesentliche Problem der Jugend sei tief persönlich. Die Jugendlichen wissen, daß ihr Leben so weit Sinn hat, wie es zum unentgeltlichen Geschenk für den Nächsten wird. Es stellt sich also einem jeden von euch persönlich eine Frage: Seid ihr fähig, euch selber, eure Zeit, eure Kräfte und euer Talent zum Wohl der anderen hinzuschenken? Seid ihr zur Liebe fähig? Wenn ihr es seid, können sich Kirche und Gesellschaft große Dinge von einem jeden von euch erwarten. Die Berufung zur Liebe im Sinn einer echten Öffnung für die Mitmenschen, unsere Brüder und Schwestern, und der Solidarität mit ihnen ist die am meisten grundlegende Bemfung von allen. Sie ist der Ursprung sämtlicher Berufungen im Leben. Dies suchte Jesus beim jungen Mann, als er ihm sagte: „Halte die Gebote!“ (vgl. Mk 10,19). Mit anderen Worten: „Diene Gott und deinem Nächsten nach allen Erfordernissen eines treuen und aufrichtigen Herzens.“ Und als der Jüngling erklärte, daß er diesen Weg bereits gehe, lud Jesus ihn zu einer noch größeren Liebe ein: „Verlaß alles und folge mir: Laß alles, was dich betrifft, hinter dir, und vereinige dich mit mir bei der unermeßlichen Aufgabe der Rettung der Welt“ (vgl. Vers 21). Auf dem Lebensweg eines jeden hat der Herr für jeden etwas zu tun. 242 REISEN „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Diese Worte richtet Jesus an die Apostel nach seiner Auferstehung. Es sind die Worte Christi, die unser Nachdenken bei diesem Zehnten Weltjugendtag leiten. Heute richten die Kirche und der Papst an euch die gleichen Worte, an euch junge Menschen von den Philippinen, an euch Jugendliche aus Asien und Ozeanien und aus der ganzen Welt. 4. Zweitausend Jahre Christentum zeigen, wie sehr diese Worte wunderbar wirksam waren. Die kleine Gemeinschaft der ersten Jünger, die wie ein kleines Senfkorn war, ist zu einem unermeßlichen Baum herangewachsen (vgl. Mt 13,31-32). Dieser große Baum erreicht mit seinen verschiedenen Ästen alle Kontinente und alle Länder der Welt, deren Mehrzahl hier mit ihren Delegierten vertreten sind. Liebe Jugendliche von den Philippinen: An diesem Baum bildet euer Land einen besonders kräftigen und gesunden Ast, der sich über den ganzen weiten Kontinent Asiens erstreckt. Im Schatten dieses Baumes, im Schatten seiner Zweige und Blätter können die Völker der Welt Ruhe finden. Sie können sich in seinem einladenden Schatten versammeln, um, wie ihr es hier beim Jugendtag getan habt, die wunderbare Wahrheit zu entdecken, die im Mittelpunkt unseres Glaubens steht: daß das ewige Wort, Er, der mit dem Vater eins ist, durch den auch alle Dinge geschaffen wurden, Fleisch geworden und aus der Jungfrau Maria geboren worden ist. Er hat unter uns gewohnt. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade (vgl. den Prolog des Johannesevangeliums). Durch Gebet und Betrachtung soll die Vigil dieses Abends euch zu einem klareren Verständnis dessen helfen, was die außerordentliche Frohbotschaft vom Heil durch Jesus Christus für euer Leben bedeutet. Aus diesem Grund findet der Welttag der Jugend auch an verschiedenen Orten statt. 5. Am Palmsonntag des vergangenen Jahres haben auf dem Petersplatz in Rom katholische Jugendliche aus den Vereinigten Staaten den Vertretern der Kirche der Philippinen das Kreuz des Weltjugendtages übergeben. Dieses pilgernde Kreuz kommt von einem Kontinent zum anderen, und die Jugendlichen von überallher versammeln sich, um gemeinsam die Tatsache festzustellen, daß Jesus Christus für einen jeden derselbe ist, und auch seine Botschaft ist immer dieselbe. In ihm gibt es keine Spaltungen oder völkischen Rivalitäten oder soziale Diskriminierungen. Alle sind Brüder und Schwestern in der einen Familie Gottes. Das ist der Anfang einer Antwort auf eure Frage, was sich Kirche und Papst von den Jugendlichen des Zehnten Weltjugendtages erwarten. 6. Eure Fragen betreffen auch Person und Werk Jesu Christi, unseres Erlösers. Ihr erkennt das Geheimnis seiner Person, das euch anregt, ihn besser kennenzulernen. Ihr seht, wie seine Worte seine Jünger angeregt haben, hinauszugehen und das Evangelium allen Völkern zu predigen und damit eine Mission einzuleiten, die bis 243 REISEN heute weitergeht und die Kirche in alle Teile der Welt gebracht hat. Seid gewiß, wenn ihr ihm folgt, werdet ihr nicht verlassen sein oder enttäuscht werden. Mit anderen Worten: Wie können wir die außerordentliche Wirkung seines Lebens und die Wirksamkeit seiner Worte erklären? Woher stammte seine Vollmacht und Autorität? 7. Ein aufmerksames Lesen des Johannesevangeliums wird uns helfen, eine Antwort auf unsere Frage zu finden. Wir sehen, wie Jesus trotz verschlossener Türen in den Raum kommt, wo die Jünger versammelt sind (vgl. Joh 20,26). Er zeigt ihnen seine Hände und seine Seite. Was bedeuten diese Hände und diese Seite? Sie sind die Zeichen des Leidens und Todes des Erlösers am Kreuz. Am Karfreitag wurden diese Hände von Nägeln durchbohrt, als man seinen Leib ans Kreuz schlug und ihn zwischen Himmel und Erde hängen ließ. Lind als der Todeskampf zu Ende war, durchbohrte der römische Hauptmann auch noch seine Seite mit der Lanze, um sicher zu sein, daß er schon tot war (vgl. Joh 19,34). Sogleich flössen Blut und Wasser heraus als überzeugender Beweis seines Todes. Jesus war wirklich tot. Er starb und wurde ins Grab gelegt, wie es Bestattungsbrauch bei den Juden war. Joseph von Arimathäa überließ ihm sein Familiengrab, das er in der Nähe besaß. Dort lag Jesus bis zum Morgen des Ostertages. An diesem Tag kamen früh einige Frauen von Jerusalem, um den leblosen Leib zu salben. Aber sie fanden das Grab leer. Jesus war auferstanden. Der auferstandene Jesus erreicht also die Apostel in dem Raum, wo sie versammelt sind. Um aber zu beweisen, daß er der Gleiche war, den sie schon immer gekannt hatten, zeigte er ihnen seine Wundmale: seine Hände und seine Seite. Es sind die Zeichen seines Leidens und seines Erlösertodes, die Quelle seiner Kraft, die er ihnen nun mitteilt. Er sagt ihnen ja: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,21). 8. Die Auferstehung Jesu Christi ist der Schlüssel zum Verständnis der Geschichte der Welt, der Geschichte von allem Geschaffenen, der Schlüssel zumal zum Verständnis der Geschichte des Menschen. Der Mensch unterliegt ebenso wie alles Geschaffene dem Gesetz des Todes. Wir lesen im Hebräerbrief: „Es ist dem Menschen bestimmt, einmal zu sterben“ (vgl. 9,27). Doch dank des Werkes Christi wurde dieses Gesetz einem anderen Gesetz unterworfen, einem Gesetz des Lebens. Dank der Auferstehung Christi existiert der Mensch nicht mehr einzig für den Tod, er existiert für das Leben, das sich uns offenbaren soll. Es ist das Leben, das Christus in die Welt gebracht hat (vgl. Joh 1,4). Von da her ergibt sich die Bedeutung der Geburt Jesu in Betlehem, die wir eben zu Weihnachten gefeiert haben. Aus diesem Grand bereitet sich die Kirche auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vor. Das Leben des Menschen, das in Betlehem den Hirten und den Weisen aus dem Morgenland in einer sternhellen Nacht offenbart wurde, hat am Tag der Auferstehung seine Unzerstörbarkeit erwiesen. Es gibt also eine tiefe Verbindung zwischen der Nacht von Bethlehem und dem Tag der Auferstehung. 244 REISEN 9. Der Sieg des Lebens über den Tod ist etwas, das jeder Mensch ersehnt. Alle Religionen, zumal die großen religiösen Überlieferungen, denen der Großteil der Völker Asiens folgt, bezeugen, wie tief die Wahrheit von unserer Unsterblichkeit im religiösen Bewußtsein des Menschen eingeschrieben ist. Das menschliche Suchen des Lebens nach dem Tode findet nun seine endgültige Erfüllung in der Auferstehung Christi. Weil der auferstandene Christus die offenbare Antwort Gottes auf dieses tiefe Verlangen des menschlichen Geistes ist, bekennt die Kirche: „ich glaube an ... die ... Auferstehung der Toten und das ewige Leben“ (Apostolisches Glaubensbekenntnis). Der auferstandene Christus sichert den Männern und Frauen aller Zeiten zu, daß sie zu einem Leben jenseits der Grenze des Todes berufen sind. Die Auferstehung des Leibes ist mehr als die bloße Unsterblichkeit der Seele. Die ganze Person, Leib und Seele, sind für das ewige Leben bestimmt. Ewiges Leben aber ist Leben in Gott. Es ist kein Leben in der Welt, die nach einem Wort des hl. Paulus „der Vergänglichkeit unterworfen“ ist (Röm 8,20). Als Geschöpf in der Welt ist der einzelne wie auch jedes andere Geschöpf dem Tode unterworfen. Die Unsterblichkeit der ganzen Person kann uns nur als Geschenk von Gott zukommen. Sie ist ja eine Teilhabe an der Ewigkeit Gottes selber. 10. Wie aber empfangen wir dieses „Leben in Gott?“ Durch den Heiligen Geist! Nur der Heilige Geist kann dieses neue Leben schenken, wie wir im Credo bekennen: „Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht.“ Durch ihn werden wir nach dem Bild seines eingeborenen Sohnes Adoptivkinder des Vaters. Wenn Jesus sagt: „Empfangt den Heiligen Geist“, sagt er: Empfangt von mir dieses göttliche Leben, die Gotteskindschaft, die ich in die Welt gebracht und in die Geschichte des Menschen eingefügt habe. Ich selber, der Ewige Sohn Gottes, bin durch die Macht des Heiligen Geistes der aus der Jungfrau Maria geborene Menschensohn geworden. Ihr aber sollt durch die Kraft des gleichen Geistes in mir und durch mich Adoptivsöhne und Adoptivtöchter Gottes werden. „Empfangt den Heiligen Geist“ bedeutet: Nehmt von mir dieses Erbe der Gnade und Wahrheit an, das aus euch einen einzigen geistlichen und mystischen Leib mit mir macht. „Empfanget den Heiligen Geist“ bedeutet auch: Werdet teilhaft des Reiches Gottes, das der Geist in eure Herzen als Frucht der Leiden und des Opfers des Sohnes Gottes ergießt, so daß Gott immer mehr alles in allen wird“ (vgl. 1 Kor 15,28). 11. Liebe Jugendliche, unsere Betrachtung hat den Kern des Geheimnisses Christi, des Erlösers, erreicht. Durch seine gänzliche Hingabe an den Vater ist er zum Werkzeug unserer Annahme als geliebte Söhne und Töchter des Vaters geworden. Das neue Leben, das in euch aufgrund der Taufe da ist, bildet die Quelle eurer Hoffnung und eures Optimismus als Christen. Jesus Christus ist derselbe, gestern, heute und immer. Wenn er euch sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende 245 REISEN ich euch“, könnt ihr sicher sein, daß er euch nicht fallen läßt; er wird immer bei euch bleiben! Liebe junge Freunde! 12. Die Einsetzung Unserer Lieben Frau von Antipolo lädt euch ein, auf Maria zu schauen, um zu verstehen, wie ihr auf den Ruf Jesu antworten könnt. Sie bewahrte vor allem alle Dinge in ihrem Herzen. Sie brach sofort auf, um ihrer Kusine Elisabet zu dienen. Beide Haltungen sind wesentliche Teile unserer Antwort an den Herrn: Gebet und Händeln. Dies ist es, was die Kirche sich von ihren jungen Menschen erwartet. Deswegen bin ich gekommen, das möchte ich von euch erbitten. Maria, die Mutter der Kirche und unsere Mutter, wird uns helfen, auf ihren göttlichen Sohn zu hören. 13. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Diese Worte sind an euch gerichtet. Die Kirche richtet sie an alle Jugendlichen der Welt. Heute sind sie in besonderer Weise an die jungen Menschen von den Philippinen gerichtet, aber auch an die Jugendlichen von China, Japan, Korea und Vietnam, an die Jugendlichen von Kambodscha, an die aus Malaysia, Papua-Neuguinea und Indonesien, an die Jugendlichen von Indien und der Inseln des Indischen Ozeans, an die Jugendlichen Australiens und Neuseelands sowie der Inseln des großen Pazifiks. 14. Söhne und Töchter aus diesem Teil der Welt, Vaterland des größeren Teils der Menschheitsfamilie, ihr seid zur gleichen Aufgabe und zur gleichen Herausforderung gerufen, zu der Christus und die Kirche die jungen Menschen aller Kontinente ruft: die Jugendlichen des Mittleren Ostens, von Ost- und Westeuropa, von Nord-, Mittel- und Südamerika und von Afrika. Einem jeden von euch sagt Christus: „Ich sende euch.“ Warum sendet er euch? Weil die Männer und Frauen der ganzen Welt, aus Nord, Ost, Süd und West, auf echte Befreiung und Selbstverwirklichung warten. Die Armen suchen Gerechtigkeit und Solidarität; die Unterdrückten wollen Freiheit und Würde; die Blinden rufen nach Licht und Wahrheit (vgl. Lk 4,18). Ihr seid nicht gesandt, um irgendeine abstrakte Wahrheit zu verkünden. Das Evangelium ist weder eine Theorie noch eine Ideologie! Das Evangelium ist Leben! Eure Aufgabe ist, Zeugnis zu geben von diesem Leben: vom Leben der Adoptivsöhne und -töchter Gottes. Der moderne Mensch braucht, ob er es weiß oder nicht, dringend dieses Leben - genauso wie die Menschheit vor zweitausend Jahren das Kommen Christi brauchte; ebenso wie die Menschen immer bis ans Ende der Zeiten Jesus Christus brauchen werden. 15. Warum brauchen wir ihn? Weil Christus die Wahrheit über den Menschen, über das Leben und das Geschick des Menschen offenbart. Er zeigt uns unseren Platz vor Gott als Geschöpfe und Sünder, als durch seinen Tod und seine Auferstehung Erlöste, als Pilger zum Haus des Vaters. Er lehrt uns das grundlegende Gebot der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten. Er betont die Tatsache, daß 246 REISEN es keine Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Frieden und Solidarität ohne die Zehn Gebote des Bundes geben kann, die dem Mose am Sinai offenbart und vom Herrn auf dem Berg der Seligpreisungen (vgl. Mt 5,3-12) ferner in seinem Dialog mit dem jungen Mann (vgl. Mt 19,16-22) bekräftigt wurden. Die Wahrheit über den Menschen - die der moderne Mensch nur sehr schwer verstehen kann - lautet, daß wir nach dem Bild und Gleichnis Gottes selber gemacht sind (vgl. Gen 1,27), und gerade in dieser Tatsache, abgesehen von jeder anderen Überlegung, die unveräußerliche Würde eines jeden Menschenwesens ohne Ausnahme besteht, vom Augenblick seiner Empfängnis an bis zum natürlichen Tod. Doch was für unsere zeitgenössische Kultur noch schwerer zu verstehen ist, bleibt die Tatsache, daß die bereits im Schöpfungsakt Gottes grundgelegte Würde im Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes noch unvergleichlich erhöht wurde. Dies ist die Botschaft, die ihr der modernen Welt verkünden müßt: vor allem den weniger gut Gestellten, den Obdachlosen und Randexistenzen, den Kranken und Abgelehnten, allen, die durch das Einwirken anderer zu leiden haben. Einem jeden sollt ihr sagen: Schaut auf Jesus Christus, um zu sehen, was ihr wirklich in den Augen Gottes seid! 16. Der Sache der Menschenwürde und der Menschenrechte wird wachsende Aufmerksamkeit geschenkt, und diese werden schrittweise auch formuliert und in der Gesetzgebung auf nationaler und internationaler Ebene niedergelegt. Dafür müssen wir dankbar sein. Doch die wirksame und garantierte Wahrung der Achtung vor der Würde und den Rechten des Menschen wird unmöglich bleiben, wenn nicht die einzelnen und die Gemeinschaften ihre egoistischen Interessen, Angst, Habgier und ihren Durst nach Macht überwinden. Aus diesem Grund muß der Mensch von der Herrschaft der Sünde durch das Leben der Gnade befreit werden: durch die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Jesus sagt euch: ,,Ich sende euch in eure Familien, in eure Pfarreien, in eure Bewegungen und Verbände, in eure Länder, in die alten Kulturen und in die moderne Zivilisation, damit ihr dort die Würde eines jeden menschlichen Wesens verkündet, wie sie von mir, dem Menschensohn, offenbart worden ist.“ Wenn ihr die unveräußerliche Würde eines jeden menschlichen Wesens verteidigt, werdet ihr der Welt zugleich das echte Antlitz Jesu Christi offenbaren, der mit jedem Menschen eine einzige Sache bildet, mit jeder Frau und jedem Kind, egal wie arm, wie schwach oder bedroht sie sind. 17. Wie sendet euch Jesus? Er verspricht euch weder Schwert noch Geld, weder Macht noch etwas von den Dingen, welche die Medien der sozialen Kommunikation für die Menschen von heute anziehend machen. Er sendet euch mit der machtvollen Botschaft seines Paschamysteriums, mit der Wahrheit über sein Kreuz und seine Auferstehung. Das ist alles, was er euch gibt, und das ist zugleich alles, was ihr braucht. 247 REISEN Diese Gnade und diese Wahrheit lassen ihrerseits Mut wachsen. Christus nachfol-gen hat schon immer Mut erfordert. Die Apostel, die Märtyrer, ja ganze Generationen von Missionaren, Heiligen und Bekennem - bekannte und unbekannte und in jedem Teil der Welt - besaßen die Kraft, angesichts von Unverständnis und Gegnerschaft fest zu bleiben. Das gilt auch hier in Asien. In allen Völkern dieses Kontinents haben die Christen den Preis für ihre Treue gezahlt - und das ist die sichere Quelle für die Zuversicht der Kirche. 18. So kehren wir zu unserer ursprünglichen Frage zurück: Was erwarten sich die Kirche und der Papst von euch Jugendlichen des Zehnten Weltjugendtages? Daß ihr Jesus Christus bekennt. Und daß ihr alles das zu verkündigen lernt, was die Botschaft Christi für die echte Befreiung und den wahren Fortschritt der Menschheit enthält. Dies erwartet Christus von euch. Dies sucht die Kirche bei den Jugendlichen der Philippinen, aus Asien und der ganzen Welt. Auf diese Weise werden eure Kulturen entdecken, daß ihr eine Sprache sprecht, die irgendwie schon in den alten Überlieferungen Asiens einen Widerhall besitzt: die Sprache des echten inneren Friedens und der Fülle des Lebens für jetzt und immer. Weil Christus euch sagt: „Ich sende euch“, werdet ihr zum Zeichen der Hoffnung und zum Hort unseres Vertrauens auf die Zukunft. In besonderer Weise seid ihr, Jugendliche des Zehnten Weltjugendtages, ein Zeichen, eine ,Epiphanie“ Jesu Christi, ein Sichtbarwerden des Reiches Gottes. 19. Herr Jesus Christus! Gieße durch diesen Zehnten Weltjugendtag in die Herzen der hier im Luneta-Park von Manila auf den Philippinen versammelten Jugendlichen neues Leben ein. Der hl. Johannes schreibt, daß das Leben, das du gibst, ,Dicht der Menschen“ ist (Joh 1,4). Hilf diesen jungen Männern und Frauen, dieses Licht in ihrem Inneren überallhin zu tragen, woher sie gekommen sind. Gib, daß ihr Licht allen Völkern leuchtet (vgl. Mt 5,16): ihren Familien, ihren Kulturen und Gesellschaften, ihren politischen und wirtschaftlichen Systemen und der ganzen internationalen Ordnung. Als du nach deiner Auferstehung den Raum betratest, wo die Jünger versammelt waren, hast du gesagt: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,21). Gib, daß diese jungen Menschen Träger deines Friedens sind. Lehre sie die Bedeutung dessen verstehen, was du auf dem Berg gesagt hast: „Selig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden“ (vgl. Mt 5,9). Sende sie, wie der Vater dich gesandt hat: um ihre Brüder und Schwestern von Angst und Sünde zu befreien; zum Ruhm unseres himmlischen Vaters. Amen. Am Ende der Ansprache fügte der Papst noch hinzu: Ihr seid sehr liebe Jugendliche. Es ist unglaublich, aber wahr. Ihr seid wirklich sehr liebe Jugendliche. Wir haben es nötig, daß die Philippiner uns inspirieren. Das ist wahr. Ihr seid alle wunderbar. Wißt ihr, wo der nächste Weltjugendtag 248 REISEN stattfinden wird? Er wird in Paris sein! Ich habe soeben ein „top secret“ verraten. Darf ich die Bischöfe bitten, den Segen zu geben? Radio Veritas - Erfüllung eines missionarischen Auftrags Botschaft zum Jubiläum von „Radio Veritas“ am 14. Januar Eminenzen, Exzellenzen, meine Damen und Herrn! 1. Radio Veritas Asien feiert seinen fünfundzwanzigjährigen hervorragenden Dienst für die Verkündigung des Evangeliums und die menschliche Entwicklung. Es ist mir eine große Freude, dieses bedeutende Jubiläum gerade hier in den Philippinen zu feiern, dem Gastland dieses für das Apostolat der Kirche so wichtigen Mediums. Gemeinsam mit euch danke ich Gott für all das, was Radio Veritas im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts zur Förderung des kirchlichen Missionsauftrags geleistet hat, denn seine Stimme konnte selbst an vielen sonst unerreichbaren Orten gehört werden. Radio Veritas Asien begann als Frucht des zupackenden missionarischen Engagements der südostasiatischen Bischöfe, als diese sich 1958 zu einer Generalversammlung trafen. Ihrer Vorstellung nach sollte die Bevölkerung Asiens die Möglichkeit haben, die Frohbotschaft Christi von anderen Asiaten zu vernehmen. Die zeitgemäße Verwirklichung dieses anspruchsvollen Projekts ist mit dem Andenken an Rufino Kardinal Santos verbunden, der die ersten schwierigen Jahre des Senders aufmerksam verfolgte. Heute bemüht sich Radio Veritas Asien, ein wirkungsvoller Ausdruck der Mitverantwortung der asiatischen Bischöfe in ihrem von Weitblick und Begeisterung gekennzeichneten Einsatz für den Missionsauftrag der Kirche zu sein. Die Tatsache, daß das Wort Gottes in so vielen Sprachen dieses Kontinents gehört wird, macht Radio Veritas wahrlich zur „Stimme des asiatischen Christentums“. Hier möchte ich mit Dankbarkeit den Trost und die Kraft erwähnen, die eure Sendungen der Kirche des Schweigens und all den Christen vermittelt haben, die aufgrund ihrer Treue zu demjenigen, den Christus zum sichtbaren Fundament der Einheit der Kirche gemacht hat, gelitten haben und noch immer leiden. 2. Ein Jubiläum wie dieses richtet unseren Blick auch auf die Zukunft mit ihren Hoffnungen und Herausforderungen. Für Radio Veritas Asien kann an der Schwelle des dritten Jahrtausends der Erlösung die Zukunft nur eine noch größere Verpflichtung zur Evangelisierung bedeuten. In meiner Enzyklika Redemptoris missio heißt es: „Ich halte die Zeit für gekommen, da alle kirchlichen Kräfte für die neue Evangelisierung und für die Mission „ad gentes“ einzusetzen sind. Keiner, der an Christus glaubt, keine Institution der Kirche kann sich dieser obersten Pflicht entziehen: Christus muß allen Völkern verkündet werden“ (Redemptoris missio, Nr. 3). Radio Veritas muß bei der Verwirklichung dieser Aufgabe unter- 249 REISEN stützt werden, auch wenn dadurch sicherlich noch größere Opfer und ein erneuertes Engagement von seiten der asiatischen Kirchen erforderlich werden. Der Herr der Ernte wird zweifellos jene reich beschenken, die die Verkündigung des Evangeliums bis an die Grenzen der Welt ermöglichen. Radio Veritas Asien steht vor der dringenden Aufgabe, stets wirksamere Wege zu finden, um den Glauben derer zu stützen und zu fördern, die bereits an Christus glauben, und um ihn und sein Reich jenen zu verkünden, die noch nichts von ihm wissen. Durch seine religiösen Programme vermittelt Radio Veritas Wahrheiten und Werte des Evangeliums und ermöglicht einen weitreichenden, oft kaum wahrnehmbaren geistigen Dialog zwischen der Heilsbotschaft Jesu Christi und den „Samenkörnern des Wortes“, die in den alten - den beiden kulturellen und religiösen - Traditionen Asiens vorhanden sind. Die Verkündigung des Evangeliums -auf respektvolle Weise vollzogen und von der Haltung ausgehend, ein wertvolles Geschenk mit denjenigen zu teilen, die es noch nicht empfangen haben - ist dann einunschätzbarer Dienst an der Menschenfamilie, der Menschenherzen innerlich in Wahrheit und Liebe formt. Radio Veritas Asien kann auf den respektvollen Dialog stolz sein, den es mit den Anhängern anderer Religionen führt, die einen so großen Teil seiner Hörer darstellen. Mehr denn je ist es heute notwendig, daß die Anhänger der verschiedenen Religionstraditionen sich gegenseitig besser kennenlemen, um zusammen jene gemeinsamen menschlichen und geistlichen Werte zu verteidigen, ohne die eine menschenwürdige Gesellschaft nicht aufgebaut werden kann. Durch seine Bildungs-, Nachrichten- und Unterhaltungsprogramme trägt Radio Veritas Asien zur menschlichen Entwicklung unzähliger Personen und Familien bei. 3. Ich möchte Präsident Ramos und den philippinischen Behörden meine dankbare Anerkennung aussprechen für die Verlängerung der Senderechte, die es Radio Veritas Asien ermöglichen, weitere fünfundzwanzig Jahre lang von philippinischem Boden aus zu senden. Für alles, was Radio Veritas Asien im Hinblick auf die pas-torale und missionarische Wirkung der Kirche auf diesem Kontinent darstellt, danke ich auf ganz besondere Weise der Kommission des philippinischen Rundfunkzentrums für Bildungs- und Informationsprogramme und dem Verwaltungsrat ebenso wie den Mitgliedern des Medienreferates der Vereinigung der asiatischen Bischofskonferenzen. Ich möchte auch allen Förderern und Wohltätern des Senders danken: insbesondere dem päpstlichen Missionswerk für die Glaubensverbreitung, das hier durch Jözef Kardinal Tomko, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, vertreten wird; der Deutschen Bischofskonferenz und der Erzdiözese Köln; ebenso den Missionshilfswerken wie Missio, Misereor, Kirche in Not und das Missionswerk der Kinder. In ganz besonderer Weise möchte ich den ständigen Beitrag der Deutschen Bundesregierung dankbar anerkennen, die von Anfang an die Arbeit des Senders unterstützt hat. 250 REISEN 4. Liebe Freunde: Jesus verdeutlichte durch das Gleichnis des Sämanns die unendliche Großzügigkeit, mit der Gott sein Wort des Lichtes und des Lebens verkündet. Der Sinn dieses Gleichnisses erinnert uns an ein anderes Bild - ein Bild unserer technologischen Zivilisation das eines großen Rundfunks, der ständig die Frohbotschaft über die Felder und Straßen derWelt sendet. Das ist die Sendung von Radio Veritas Asien, und ich bete dafür, daß seine Wirkungen zur Verkündigung das Evangeliums nah und fern unter den Völkern dieses Kontinents stets durch die Gnade Christi und die Kraft seines Heihgen Geistes unterstützt werden. Mögen die Herzen aller, die an diesem verdienstvollen Unternehmen beteiligt sind, in reichem Maße von Gottes Frieden erfüllt sein. Die Kirche auf den Philippinen - Eckstein asiatischer Kirchengeschichte Predigt bei der 400-Jahr-Feier des Erzbistums Manila in Manila (Philippinen) am 14. Januar Der Papst ergänzte den vorbereiteten Text mehrmals durch spontane Anmerkungen, die hier in ge- setzt sind. „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,18-19). Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Diese Worte aus dem heutigen Evangelium gewinnen eine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit dem Jubiläum, das die Kirche auf den Philippinen zusammen mit dem Weltjugendtag begeht. Vor 400 Jahren, im Jahr 1595, wurde auf diesen Inseln die erste Kirchenprovinz errichtet: die Erzdiözese Manila mit den Diözesen Cebu, Caceres und Nueva Segovia. [Ich grüße das ganze philippinische Volk - das wunderbare philippinische Volk. Ich grüße alle seine Hirten. Ich danke Kardinal Sin für die freundlichen Begrüßungsworte. Ich grüße auch Seine Exzellenz Präsident Ramos und die Vertreter der Behörden.] Die Errichtung einer Metropolitankirche auf den Philippinen bezeugte die Tatsache, daß die Arbeit der ersten Missionare überreiche Frucht gebracht hatte. Der Prozeß der Einpflanzung und des Aufbaus der Kirche war in anderen Teilen der Welt, insbesondere in den europäischen Ländern, bereits erfolgt: im Fall meiner Heimat, Polen, im Jahr 1000. Später geschah das gleiche in den Ländern Südamerikas, Zentralamerikas und Nordamerikas. So geschah es und geschieht es weiterhin in Afrika, in Australien und in ganz Ozeanien sowie auf dem asiatischen Kontinent. Das alles hat eine Bedeutung und ist nicht einfach eine Frage kirchlicher Verwaltung. Die Kirche ist ein lebendiger Leib. Und wie ein lebendiger Leib er- 251 REISEN reicht sie zu einem gewissen Zeitpunkt ein Reifestadium, das es einer bestimmten Kirche ermöglicht, anderen Kirchen wie sie Leben weiterzugeben. [,,Plantatio Ecclesiae. Mysterium plantationis Ecclesiae. Paulus plantavit; Apollo rigavit. Deus incrementum dedit.“ (Die Einpflanzung der Kirche - das Geheimnis der Einpflanzung der Kirche: Paulus hat gepflanzt, Apollo hat bewässert, Gott hat das Wachstum gegeben.) Ich sehe, daß die Philippiner sehr gut Latein verstehen.] 2. Vor vierhundert Jahren wurde die Kirche in Manila der Metropolitansitz für die Kirche in Cebu, Caceres und Nueva Segovia. Im Verlauf dieser vier Jahrhunderte ist die Zahl der Teilkirchen auf den Philippinen stark gewachsen. Die ersten vier Diözesen sind alle Metropolitansitze geworden, und um sie herum haben sich zahlreiche Teilkirchen entwickelt und wachsen weiter. In diesem Teil der Welt sind es gerade die Philippinen, die sich der größten Fülle kirchlichen Lebens erfreuen. [„Plantatio fecunda, fecundissima.“ (Eine fruchtbare, überaus fruchtbare Ein-Pflanzung.)] Liebe Brüder und Schwestern, wir sind hier zusammengekommen, um Gott eben für diese Gnade, diese große Gnade, zu danken. Nicht nur ihr, die ihr von den ganzen Philippinen hierhergekommen seid, sondern auch Vertreter der Kirchen in ganz Asien und dem Femen Osten. [Ich sehe auch viele Kardinäle aus Europa und aus Afrika ... Kardinäle aus Asien.] Wir alle grüßen die Vertreter der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften wie auch die Vertreter anderer Religionen. Für mich ist es eine große Freude, als Bischof von Rom und Nachfolger Petri an diesem Tag hier unter euch zu weilen. [Petras war der erste bei der „Plantatio Ecclesiae“: in Rom und von Rom aus. „Plantatio Ecclesiae“ in Manila, auf den Philippinen ... Petrus, Nachfolger Petri - auch eine Gnade!] Wir wollen Gott gemeinsam danken für die Gnade dieser 400-Jahr-Feier. In „einem“ großen Chor wollen wir die Kirche auf den Philippinen und die ganze Nation der Vorsehung Gottes anempfehlen: „Hilf deinem Volk, und segne dein Erbe“ (Ps 28,9). In unserer Freude bei diesem Anlaß können wir unsere philippinischen Brüder und Schwestern nicht vergessen, die in schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen leben, und die, welche die Naturkatastrophen zu überwinden suchen, die in letzter Zeit mit einer gewissen Häufigkeit stattgefunden haben. Ich denke besonders an die Opfer des Pinatubo-Ausbrachs und dessen Nachwirkungen. Ich bitte Gott, diejenigen zu stärken und zu trösten, die ihre Lieben, ihr Heim und ihren Lebensunterhalt verloren haben: Ich hoffe sehr, daß ihre Rufe nach weiterer Hilfe und Solidarität nicht ungehört verhallen. [Und ich denke auch an die vielen Philippiner in Rom, in Italien und überall auf der Welt. Ich grüße sie alle. Auch sie sind dasselbe Erbe. Auch sie feiern diesen Anlaß.] 3. Wir dürfen heute auch nicht die ersten Boten der Guten Nachricht vergessen, die zu dieser Inselwelt gekommen sind. Ihre Heimat war in Spanien, denn vor allem die Iberische Halbinsel hat den großen missionarischen Vorstoß verursacht, welcher der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus folgte. Zur gleichen 252 REISEN Zeit reisten mutige Entdecker süd- und ostwärts um Afrika am Kap der Guten Hoffnung herum und über den Indischen Ozean nach Asien und dem Femen Osten. Diese bemerkenswerten Reisen eröffneten der Kirche neue weite Horizonte für ihren Evangelisierungsauftrag. In diesem Kontext begann die Evangelisierung der Philippinen. Es ist bedeutsam, daß der erste bischöfliche Sitz in Manila ursprünglich mit Mexiko verbunden war - ungeachtet der riesigen Entfernung und der Notwendigkeit, den Pazifischen Ozean zu überqueren. Das war natürlich eine vorübergehende Maßnahme, bis die erste unabhängige Kirchenprovinz auf den Philippinen errichtet wurde, und zwar im lahr 1595. Nach anfänglichem Zögern wurde die Missionskirche dieser frühen Zeit allmählich immer philippinischer in dem Maß, als die Zahl der einheimischen Priester und Bischöfe wuchs. Schauen wir heute in die Vergangenheit zurück, müssen wir Gott für die Pioniere danken, welche die Fundamente für die Kirche in diesem Land gelegt haben: für die Augustiner, die als erste ankamen, gefolgt von den Franziskanern, Jesuiten, Dominikanern und Augustiner-Rekollekten. Diese ersten Missionare, welche die einheimische Bevölkerung gegen die Übergriffe von Eroberern und Handelsherren zu schützen versuchten, fanden in dem Dominikaner Fray Domingo de Salazar, dem ersten Bischof von Manila, einen tatkräftigen Führer. Schon im Jahre 1582 berief er die erste Synode ein, die über zahlreiche Fragen hinsichtlich Besitznahme, Ansiedlung und Verwaltung entsprechend den Grundsätzen des Glaubens und christlicher Moral entschied. 4. Der hl. Paulus schreibt an die Epheser: „Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, ... damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid ... und wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist“ (Eph 1,17-19). Was der hl. Paulus der christlichen Gemeinde in Ephesus wünschte, das wünsche ich heute den Katholiken der Philippinen. Ich bete vor allem, daß ihr die Gnade eurer Berufung zum Christentum immer voller zu schätzen wißt, so wie sie vom II. Vatikanischen Konzil in der Konstitution über die Kirche erklärt wurde (vgl. Lumen Gentium, Nr. 40). Diese Berufung hat ihren Anfang und ihre Quelle in Christus selbst. Alle Christen leben von den unerschöpflichen Reichtümem, die uns in ihm geschenkt sind. Der hl. Johannes vom Kreuz, der große spanische Mystiker, der gerade zu der Zeit lebte, als die Evangelisierung der Philippinen begann, erinnert uns an diese Tatsache. Er schrieb im Geistlichen Gesang: „Christus gleicht einer reichen Erzader mit vielen Verzweigungen, die Schätze enthält, und wie Menschen auch immer ihre Ausbeutung versuchen, sie kommen nie ans Ende“ (vgl. Strophe 36). Christus ist so reich! Im Werk der Missionare und in ihrem Dienst für das Volk zeigte sich die Macht des Gekreuzigten und Auferstandenen Christus - die Macht Christi, der zur Rechten des Vaters sitzt und als Erlöser und Bräutigam der Kirche durch sie im 253 REISEN Heiligen Geiste wirkt. Es ist sehr wichtig, die Kirche nicht mit einer bloß menschlichen oder humanitären Organisation zu verwechseln. Die Kirche lebt und wächst in Christus und durch Christus. Alle ihre Glieder sind gerufen, in ihren Gedanken und Werken die lebendige Gegenwart des Erlösers zu bezeugen. 5. Der Vater hat, wie wir im Brief an die Epheser lesen, Christus alles „zu Füßen gelegt und ihn, der als Haupt alles überragt, über die Kirche gesetzt. Sie ist sein Leib“ (Eph 1,22-23). Deshalb hat Christus nach seiner Auferstehung die Apostel mit den Worten ausgesandt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). Diese Heilsmacht des Erlösers hat den Missionaren, die im sechzehnten Jahrhundert auf die Philippinen kamen, Kraft gegeben. Die gleiche Macht hat die Söhne und Töchter eurer Nation befähigt, ein christliches Leben zu führen, christliche Familien zu bilden und eure Kinder im Glauben zu erziehen. Indem sie all dies taten, haben eure Vorfahren die Grundlagen des einzigen vorwiegend katholischen Landes in diesem Teil der Welt geschaffen, einer Region, die für die Evangelisierung noch eine gewaltige Herausforderung darstellt. Mit der Zeit übernahmen Kinder dieses Landes als Priester und Bischöfe die volle pasto-rale Verantwortung, während andere die Reihen der männlichen und weiblichen Kongregationen füllten, so daß die Kirche, die „von ihm erfüllt (wird), der das All ganz und gar beherrscht“ (Eph 1,23), wirklich katholisch und universal wurde, zugleich aber wirklich eingetaucht war in das Leben und die Kultur dieser Inseln. 6. Heute ist daher ein Tag großer Freude; erfreut euch in großer Dankbarkeit gegenüber dem Herrn. Der Antwortpsalm enthält eine passende Aufforderung: „Ihr Völker alle, klatscht in die Hände; jauchzt Gott zu mit lautem Jubel! ... Denn Gott ist König der ganzen Erde ... Gott wurde König über alle Völker“ (Ps 47,2.8-9). Der Glaube, der dem Evangelium entspringt, verwandelt das Leben der einzelnen Menschen wie auch der Nationen. Seit vierhundert Jahren dient die Kirche als Sauerteig und gewissermaßen als Seele der philippinischen Gesellschaft vor allem durch ihre heilende und hebende Auswirkung auf die Achtung vor der menschlichen Person und durch die Weise, wie sie die Familien und Gemeinschaften stärkt und das alltägliche Tun mit einem tieferen Sinn und Bezug zu Gott erfüllt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 40). Von ihrem Glauben inspiriert, haben die philippinischen Katholiken zahllose Initiativen zum Wohl der Gesellschaft ergriffen auf den Gebieten der Erziehung und des Gesundheitswesens sowie in Dienstleistungen aller Art. Aus der religiösen Sendung der Kirche ist in diesen vierhundert Jahren Licht und Kraft geflossen, um der menschlichen Gemeinschaft zu Aufbau und Festigung nach göttlichem Gesetz behilflich zu sein (vgl. ebd., Nr. 42). Das ist die Ursache unserer Freude. [Das ist die Ursache unserer Freude und unserer Dankbarkeit gegenüber dem Herrn, dem allmächtigen Vater.] Das ist der Grund für die Freude der philippinischen Kirche, die in dieser Feier mit all der Farbe und Lebendigkeit eurer Kultur und christlichen Traditionen sichtbar wird. Doch ist das auch eure Aufgabe und Verantwortung: 254 REISEN dem treu zu bleiben, was überliefert worden ist, und darauf aufzubauen, so daß Gottes Gesetz in euren Herzen bleibt und sein Segen immer mehr über eure Nation ausgegossen wird. Einen großen Auftrieb bekommt eure Freude durch die Jugendlichen des Weltjugendtags, die aus jeder Ecke der Philippinen, aus vielen Teilen Asiens und des Femen Ostens und aus anderen Kontinenten nach Manila gekommen sind. Sie sind das Zeichen und die Bestätigung eures lebendigen Glaubens. [Mein Herz geht zu ihnen allen, zu all den philippinischen jungen Männern und Frauen, zu all den jungen Männern und Frauen aus der ganzen Welt, aus so vielen Ländern der Welt, ... europäischen, asiatischen, aus Afrika, Amerika, Lateinamerika, Zentralamerika, Australien, allen Kontinenten.] 7. Die Freude des menschlichen Herzens entspringt der Gegenwart Gottes in uns, [in unseren Herzen], Jesaja schreibt: „(Alle), die an meinem Bund festhalten, sie bringe ich zu meinem heiligen Berg und erfülle sie in meinem Bethaus mit Freude“ (Jes 56,6-7). Die geistliche Freude des Volkes Gottes auf den Philippinen hat also zwei grandlegende Bezugspunkte: das Bethaus und den heiligen Berg. Zuerst versammelt sich die Gemeinde im „Bethaus“ - das ist die Wohnung oder eine Kapelle, eine Pfarrkirche oder eine Kathedrale -, um die Geheimnisse unserer Erlösung zu feiern und den einen, heiligen, katholischen und apostolischen Glauben zu bekennen. Von dort zieht das pilgernde Volk Gottes aus, „den heiligen Berg“ zu ersteigen: in der Hoffnung voran auf die Fülle des Gottesreiches zugehend, immer bestrebt, dieses Reich der Heiligkeit, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität auf allen Ebenen eures persönlichen und nationalen Lebens präsent und wirksam werden zu lassen. [Zwei Punkte also, das Bethaus und der heilige Berg: mit Christus zusammen in den Himmel, in sein Reich emporsteigen. Dazu inspirieren die Texte der heutigen Liturgie.] 8. Philippinisches Volk Gottes: Bei jeder Messe hörst du die Aufforderung, das Herz zu erheben: Sursum corda! Erhebe dein Herz, heilige Kirche, die in vier Jahrhunderten eine solide Wohnstätte für Gott auf diesen Inseln gebaut hat! Ganze Generationen sind von hier den heiligen Berg hinaufgestiegen, wo der Gott der Herrlichkeit wohnt. Die Zeichen dieses Aufstiegs sind eure philippinischen Heiligen, angefangen mit dem hl. Lorenzo Ruiz, den ich zu meiner Freude hier in Manila selig und in Rom heiligsprechen durfte. Sie bleiben eng mit euch verbunden in der Gemeinschaft der Heiligen. Sie zeigen euch den Weg zu Gott, der die Erfüllung der Berufung jedes Menschen ist. Freue dich, [philippinisches Volk,] heilige Kirche von Manila, Cebu, Caceres und Nueva Segovia! Freue dich, [jede philippinische Familie,] jede philippinische Diözese und Pfarrei! Freue dich, denn es hat dem Vater gefallen, dir das Reich zu geben! Diese Verheißung des Vaters aber wird unablässig durch die Macht Christi erfüllt: Ihm sei Ehre und Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen. [Eine lange Predigt, doch nicht zu lang für diesen Anlaß! Mabuhay allen Philippinern! Langes Leben!] 255 REISEN Nächster Weltjugendtag in Paris Angelus am 15. Januar Am Ende der Eucharistiefeier wenden wir uns voll Liebe an die selige Jungfrau Maria und bereiten uns auf das Angelus-Gebet vor. Maria ist das Vorbild all derer, die ihr Vertrauen auf Gott gesetzt haben in der frohen Zuversicht, daß die ihnen vom Herrn gegebenen Verheißungen erfüllt werden (vgl. Lk 1,45). Bevor er am Kreuze starb, vertraute Christus seine Mutter seinen Jüngern an, damit sie auch ihre Mutter sei (vgl. Joh 19,27). Maria, Mutter der Kirche! Du hast im Abendmahlssaal mit den Jüngern deines Sohnes gebetet, als der Heilige Geist in Gestalt von Feuerzungen herabstieg. Bitte für uns, daß die Flamme der Liebe Gottes in unseren jungen Herzen sich überall neu belebt. Jungfrau voll der Gnade! Unbefleckt vom ersten Augenblick deiner Empfängnis an, nun nimmst du voll an der Freude des Himmels teil. Wache über die hier versammelten Jugendlichen und alle jene, die mit uns eins sind in der Gemeinschaft des Leibes Christi. Bitte, daß diese Jugendlichen mutig die Aufgabe übernehmen, die Christus, dein Sohn, ihnen anvertraut, wenn er sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Maria, Königin der Apostel! Wache du über alle jene, die dein Sohn aussendet, seine Boten in aller Welt zu sein. Rege alle Jugendlichen an, daß sie glühende Zeugen der Heilsbotschaft des Evangeliums sind. Mögen sie mit deiner Hilfe mit den anderen das neue Leben teilen, das sich vom Kreuze Christi her ergibt, die Hoffnung, die jedes Herz tröstet, und die Kraft, die den Endsieg über Sünde und Tod gewinnt. Heute möchte ich ankündigen, daß der nächste Weltjugendtag in Paris in Frankreich im Sommer 1997 stattfindet. Maria des neuen Advents! Dir vertrauen wir die Vorbereitung für diese nächste frohe Begegnung im Herzen Europas an. Zu dir, o heilige Mutter Gottes, erheben wir nun unser Gebet. Öffnet euch dem Evangelium - Christus ist unsere Freude Homilie am Weltjugendtag im Luneta-Park in Manila (Philippinen) am 15. Januar Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Wir feiern die heilige Messe vom Jesuskind von Cebu, vom Jesuskind, dessen Geburt in Betlehem die Kirche vor kurzem zu Weihnachten gefeiert hat. Betlehem bedeutet den Beginn der Sendung auf Erden, die der Sohn vom Vater empfangen hat, die Sendung, die zugleich im Mittelpunkt unseres Nachdenkens bei diesem Zehnten Weltjugendtag steht. In der Liturgie von heute finden wir eine herrliche 256 REISEN Erklärung zum Thema des Zehnten Weltjugendtages: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Jesaja sagt: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter“ (Jes 9,5). Dieses Kind ist vom Vater als Fürst des Friedens gekommen, und sein Kommen hat Ficht in die Welt gebracht (vgl. Joh 1,5). Der Prophet fährt fort: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Ficht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf. Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude“ (Jes 9,1-2). Das frohe Ereignis, das der Prophet verkündet hat, fand in Betlehem am Weihnachtsfest statt, das die Christen überall mit großer Freude feiern: in Rom, auf den Philippinen, in allen Ländern Asiens und in der ganzen übrigen Welt. Liebe Brüder und Schwestern der Kirche auf den Philippinen, liebe Jugendliche des Zehnten Weltjugendtages, die ihr aus verschiedenen Völkern, Sprachen, Kulturen, Kontinenten und Ortskirchen hier zusammengekommen seid: Was ist die tiefste Freude unserer gemeinsamen Freude? Die tiefste Quelle unserer Freude ist die Tatsache, daß der Vater seinen Sohn zur Rettung der Welt gesandt hat. Der Sohn nimmt die Last der Sünden der Menschheit auf sich und erlöst sie auf diese Weise, uns aber zeigt er den Weg, der zur Vereinigung mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, mit Gott, führt. Das ist die tiefste Quelle unserer Freude, unserer aller Freude und auch meiner Freude. Es ist meine Freude, und es ist eure Freude. 2. Wenn wir im Antwortpsalm wiederholen: „Hier bin ich, Herr, sende mich“, spüren wir ein fernes Echo dessen, was der Ewige Sohn bei seinem Kommen in die Welt dem Vater gesagt hat: ,Ja, ich komme ..., um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7). Hier bin ich, Vater, sende mich. Er ist gekommen, den Willen des Vaters zu tun. Der Vater hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn für die Rettung der Menschen hingab (vgl. Joh 3,16). Der Sohn hat seinerseits den Vater so sehr geliebt, daß er sich die Liebe des Vaters zur sündigen und hilfsbedürftigen Menschheit zu eigen machte. In diesem ewigen Dialog zwischen Vater und Sohn hat der Sohn seine Bereitschaft bekräftigt, in die Welt zu kommen, um durch sein Leiden und Sterben die Erlösung der Menschheit zu vollziehen. Das heutige Evangelium ist eine Erklärung dafür, wie Jesus dieser messianischen Sendung nachlebte. Es zeigt uns, daß Jesus sich bereits mit zwölf Jahren - ihr seid wohl ein wenig älter - seines Geschickes bewußt war. Müde vom langen Suchen ihres Sohnes sagt Maria ihm: „Kind, warum hast du uns das angetan? Dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.“ Er aber antwortete: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,48-49). Dieses Bewußtsein vertiefte sich und wuchs in Jesus mit den Jahren, bis es in seiner ganzen Kraft zu Beginn seiner Predigt in der Öffentlichkeit aufbrach. Die in ihm tätige Macht des Vaters wurde dann schrittweise in seinen Worten und Taten geoffenbart. Endgültig offenbart wurde sie, als er sich am Kreuz gänzlich dem Vater hingab. In Getsemani, in der Nacht vor seinem Leiden, 257 REISEN erneuerte Jesus seine Gehorsamsbereitschaft: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Er blieb dem treu, was er mit zwölf Jahren gesagt hatte: „Ich muß in dem sein, was meinem Vater, gehört.“ - Ihr seid mehr als zwölf Jahre alt und könntet das besser verstehen. Und ihr versteht es besser, denn ihr singt. 3. „Hier bin ich, Herr, sende mich.“ Hier bin ich, hier auf den Philippinen und überall! Den Blick auf Christus geheftet, wiederholen wir diesen Vers des Antwortpsalms wie eine Antwort des Zehnten Weltjugendtages auf das, was der Herr den Aposteln gesagt hat, jetzt aber allen sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21) ... den Aposteln und zugleich euch, denn diese Worte Christi sind nicht nur zum Thema, sondern auch zur richtunggebenden Kraft dieses herrlichen Treffens hier in Manila geworden. Nach der Betrachtung und der Vigil gestern abend „weiht“ diese Eucharistiefeier unsere Antwort an den Herrn: In eucharistischer Vereinigung mit ihm antworten wir alle gemeinsam: „Sende mich!“ Was bedeutet das? Es bedeutet, daß wir bereit sind, unseren Teil der Sendung des Herrn zu übernehmen. Jeder Christ nimmt an der Sendung Christi in einmaliger und persönlicher Weise teil. Bischöfe, Priester und Diakone nehmen an der Sendung Christi durch ihren geweihten Dienst teil. Die Ordensleute nehmen an ihr durch ihre bräutliche Liebe teil, die im Geist der evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams zum Ausdruck kommt. Die christlichen Laien aber nehmen ebenfalls an der Sendung Christi teil: die Familienväter und -mütter, Alte, Junge und Kinder; einfache und hoch gebildete Leute; Menschen, die die Erde bebauen, Arbeiter, Ingenieure, Techniker, Ärzte, Krankenschwestern und Gesundheitspersonal. Die Sendung Christi wird auch von den Lehrkräften geteilt, von Männern und Frauen im Dienst der Rechtsprechung und von allen, die im öffentlichen Leben tätig sind. Die Schriftsteller und jene, die im Theater, im Film und in den Medien der sozialen Kommunikation wirken, Künstler, Musiker, Bildhauer und Maler - alle haben an dieser Sendung, an der messianischen Sendung Jesu Christi, Anteil. Bei ihr ist Raum für die Universitätsprofessoren, die Wissenschaftler und Spezialisten auf allen Gebieten, auch für alle, die im Bereich der Kultur schaffen. Bei der Sendung Christi kommt ein Teil auch euch zu, Bürger der Philippinen und Menschen des Femen Ostens: Chinesen, Japaner, Koreaner, Vietnamesen, Inder; Christen aus Australien, Neuseeland und dem Pazifik; Christen aus dem Nahen Osten, Europa und Afrika, aus den beiden Amerika. Jeder Getaufte hat Anteil an der Sendung Christi, in der Kirche und durch die Kirche. Und diese Teilhabe an der Sendung Christi bildet die Kirche. Das ist die Kirche: eine lebendige Teilhabe an der Sendung Christi! - Versteht ihr das alle? 4. Am vierhundertsten Jahrestag ihrer kirchlichen Unabhängigkeit und der Gmndlegung ihrer eigenen hierarchischen Struktur ist die Kirche auf den Philippinen zu tiefreichender Emeuemng aufgerufen. Die Richtung dieser Erneuerung 258 REISEN ist bereits beim Zweiten Plenarrat der Philippinen im Jahre 1991 aufgezeigt. Jene Synode hat die Gemeinschaft der Katholiken auf den Philippinen aufgefordert, in vollerem Maße auf Christus zu schauen und in ihm das eigentliche Vorbild und die eigentliche Anregung zu finden. Die Synode hat die Laien gemahnt, im kirchlichen Dienst für die Menschheitsfamilie, der erhebt und befreit, in größerem Maße mitzumachen. Das Schlußdokument betont: „Alle gläubigen Laien sind aufgerufen, die Gesellschaft zu heilen und umzuwandeln, um die zeitliche Ordnung auf das endgültige Kommen des Reiches Gottes vorzubereiten“ (Nr. 435). Das gilt für euch, für die Jugendlichen der Philippinen, die jungen Philippiner. Und das gilt auch für uns alle: Wenn ein Teil etwas für die Kirche tut, hat die ganze Kirche Anteil. Es gilt auch für uns, für mich, den Bischof von Rom, für die europäischen Bischöfe, für die afrikanischen Bischöfe, die amerikanischen Bischöfe und für den großen Pilgerzug der Jugend aus anderen Ländern und Kontinenten. Das gilt für uns! Es ist keine Privatangelegenheit der philippinischen Kirche, es geht uns alle an. Wir alle haben mit dem zu tun, was ein Teil der Kirche, eine Ortskirche, unternimmt. „Res nostra agitur.“ Versteht ihr Latein? 5. Welches ist nun im Rahmen dieses Einsatzes des ganzen Volkes Gottes die Rolle der Jugendlichen in Fortführung der messianischen Sendung Christi? Welches ist eure Rolle? Wir haben über diesen Punkt schon beim Welttag der Jugend nachgedacht, vor allem bei der Vigil in der vergangenen Nacht. Es könnte jemand sagen: „Sie haben getanzt, sie haben gesungen, doch sie haben meditiert!“ Es war eine kreative Meditation über die Sendung, die ihr von Christus erhalten habt. Meditation kann auch durch Tanzen und Singen und Unterhaltung geschehen. Und es war eine sehr unterhaltsame Meditation gestern. Zum Schluß, nach dieser Meditation, gelang es mir zu schlafen. Jetzt, da ich geschlafen habe, möchte ich eine besondere Aufgabe und einen Aufruf hinzufügen hinsichtlich der Heilung einer Ursache von unermeßlicher Frustration und Leid in vielen Familien der ganzen Welt. Eltern und ältere Leute haben oft das Empfinden, den Kontakt mit euch verloren zu haben, und sind verwirrt, ebenso wie Maria und Joseph Sorge empfanden, als ihnen klar wurde, daß Jesus in Jerusalem zurückgeblieben war. Viele betagte Eltern fühlen sich wegen uns verlassen. Ist das wahr oder nicht? Es sollte nicht wahr sein! Es sollte anders sein! Aber manchmal ist es wahr. Manchmal seid ihr sehr kritisch gegenüber der Welt der Erwachsenen (und ich war auch so wie ihr), und manchmal sind sie sehr kritisch euch gegenüber (auch das ist wahr). Das ist nichts Neues und entbehrt nicht immer einer realen Grundlage im Leben. Denkt jedoch immer daran, daß ihr euer Leben und eure Erziehung den Eltern verdankt. Denkt an das, was ihr euren Eltern schuldet. Die Forderungen der Gerechtigkeit ihnen gegenüber faßt das Vierte Gebot knapp zusammen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2215). In der Mehrzahl der Fälle haben sie auf Kosten persönlicher Opfer für eure Ausbildung gesorgt. Dank ihrer wurdet ihr in das kulturelle und soziale Netz eurer Gemeinschaft und eures Landes, eures Heimatlandes, eingefügt. Allgemein gesprochen waren eure Eltern eure ersten Lehrer im Glau- 259 REISEN ben. Die Eltern haben daher das Recht, von ihren Söhnen und Töchtern die reifen Früchte ihrer Bemühungen zu erwarten, so wie die Jugendlichen wieder das Recht haben, von ihren Eltern Liebe zu empfangen und das Bemühen, sie zu einer gesunden Entwicklung zu führen. All das ist das Vierte Gebot. Das Vierte Gebot ist sehr reich. Ich rate euch, über das Vierte Gebot des Dekalogs Gottes zu meditieren. Ich bitte euch nun, Brücken des Dialogs und der Kommunikation zu euren Eltern zu bauen: keine „splendid Isolation“! - Kommunikation! Liebe! Übt einen gesunden Einfluß auf die Gesellschaft aus, indem ihr ihr helft, die Barrieren abzubauen, welche zwischen den Generationen errichtet wurden! Keine Barrieren! Keine Barrieren! Gemeinschaft zwischen den Generationen, zwischen den Eltern und den Söhnen und Töchtern, Gemeinschaft! In dieser Atmosphäre kann Jesus sagen: „Ich sende dich!“ Es beginnt im Schoß der Familie, wo Jesus zuerst sagt: „Ich sende dich.“ Und zu den Eltern sagt er: „Ich sende euren Sohn, ich sende eure Tochter. Ich sage ihnen: Folgt mir!“ Das alles erfordert die richtige Atmosphäre -vollständiges Bild des Gesellschaftslebens auf den Philippinen und anderswo. Und auch in dieser spirituellen Umgebung wird unsere Sendung verwirklicht: „Wie mich der Vater gesandt hat - sagt Christus -, so sende ich euch.“ Warum denken viele Jugendliche, sie wären frei, wenn sie sich von jeder Kontrolle und jedem Prinzip der Verantwortung befreit haben? Weil viele von ihnen denken: Wenn gewisse Verhaltensmuster sozial angenommen werden, sind diese auch moralisch erlaubt. Sie mißbrauchen das wunderbare Geschenk der Sexualität; sie mißbrauchen Getränke oder Drogen und meinen, ein solches Verhalten wäre richtig, weil gewisse Kreise der Gesellschaft es tolerieren. Die objektiven moralischen Normen werden auf ähnlichen Druck hin und unter dem um sich greifenden Einfluß von Moden und Tendenzen, die durch die Medien bekannt gemacht werden, aufgegeben. Millionen von Jugendlichen in der ganzen Welt verfallen verborgenen, doch realen Formen moralischer Sklaverei. Und ihr versteht, was Jesus meint, wenn er sagt: „Ich sende euch unter eure Brüder und Schwestern und andere junge Leute, um dieser Situation entgegenzutreten.“ 6. Meine Lieben, Schwestern und Brüder, baut euer Leben auf dem einzigen Vorbild auf, das euch nicht enttäuscht. Ich lade euch ein, das Evangelium aufzuschlagen und zu entdecken, daß Jesus Christus euer,Freund“ sein will (vgl. Joh 15,14): Er will in jedem Abschnitt eures Lebensweges euer ,Fegleiter“ sein (vgl. Lk 24,13-35). Er will der „Weg“ sein, euer Weg durch die Ängste, Zweifel, Hoffnungen und Träume von Glück hindurch (vgl. Joh 14,6). Er ist die „Wahrheit“, die eurem Bemühen und euren Kämpfen Sinn gibt. Er will euch das „Leben“ schenken, wie er dem Jüngling von Naim neues Leben geschenkt hat (vgl. Lk 7,11-17), wie er dem Zachäus eine vollkommen neue Zukunft schenkte, der im Geist durch Ehrgeiz und Habgier gestorben war (vgl. Lk 19,1-10). Er ist eure ,Auferstehung“, euer Sieg über Sünde und Tod, die Verwirklichung eures Verlangens nach ewigem Leben (vgl. Joh 11,25). Daher wird er eure ,Freude“ sein, der ,Fels“, auf dem eure Schwäche in Kraft und Optimismus umgewandelt wird. Er ist unser Heil, unsere 260 REISEN Hoffnung, unser Glück und unser Friede. Christus! Christus! Christus! Ich spreche, ohne zu kürzen, schlimmer, ich füge noch hinzu. Wenn Christus für euch alles das wird, hat die Kirche gute Gründe, auf die Zukunft zu hoffen. Denn von euch wird das Dritte Jahrtausend abhängen, das manchmal als eine wunderbare neue Epoche für die Menschheit erscheint, das aber auch nicht wenige Ängste und Befürchtungen mit sich bringt. Ich sage dies als jemand, der einen Großteil des zwanzigsten Jahrhunderts miterlebt hat, das nun zu Ende geht. In diesem Jahrhundert haben sich viele traurige und zerstörerische Ereignisse abgespielt, zugleich aber haben wir viele positive Dinge erlebt, die unsere Hoffnung und unseren Optimismus rechtfertigen. Die Zukunft hängt von eurer Reife ab. Die Kirche schaut vertrauensvoll in die Zukunft, wenn sie von euren Lippen die gleiche Antwort vernimmt, die Jesus Maria und Josef gegeben hat, als sie ihn im Tempel wiederfanden: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört ?“ (Lk 2,49). Er hat eure Antwort gegeben, dieselbe! Er war jünger, ihr seid älter. 7. Liebe Jugendliche, der Zehnte Weltjugendtag geht zu Ende. Es ist an der Zeit, uns in vollerem Maß für die Nachfolge Christi zu engagieren in der Erfüllung seiner Heilssendung. Jede Form des Apostolates und jede Art des Dienstes müssen ihre Quelle in Christus haben. Wenn er sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21), dann macht er euch auch fähig, diese Sendung zu erfüllen. In einem gewissen Sinn teilt er sich die Arbeit mit euch. Gerade das hat der hl. Paulus geschrieben: Gott hat uns in Christus vor Grundlegung der Welt erwählt, heilig und untadelig vor ihm zu sein, um voll Liebe zu sein; in gleicher Weise hat er uns durch Christus Jesus vorherbestimmt, seine Adoptivsöhne und -töchter zu sein (vgl. Eph 1,4-5). Gerade durch die Gnade der Gotteskindschaft sind wir in der Lage, die uns von Christus anvertraute Sendung zu übernehmen. Wir müssen den Luneta-Park verlassen mit einem zuversichtlicheren Bewußtsein von dieser außergewöhnlichen Tatsache. Ich sehe, ihr applaudiert, es gibt also immer noch Grund zum Applaudieren. Das ist gut so: Es zeigt, daß ihr denkt, daß ihr nachdenkt. Ich bewundere euer Nachdenken. Ich bewundere die Gnade des Herrn in eurem Nachdenken und auch in eurem Applaudieren. Der Papst spricht also nicht allein, er hat einen Dialog. Er spricht und er hört; er hört zu, und ihr sprecht. Und was ihr sprecht, ist vielleicht noch wichtiger. Ihr aber sprecht, indem ihr applaudiert! Wir haben heute eine große Verspätung. Doch dieser Tag sollte nicht enden; er sollte für immer weitergehen. ,Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Wenn ihr seine Sache und Sendung übernehmt, die er euch anvertraut, dann kann die Menschheitsfamilie und die Kirche in jedem Teil der Welt mit Hoffnung und Vertrauen dem dritten Jahrtausend entgegenblicken. Liebe Jugendliche der Philippinen, Asiens, des Femen Ostens und der ganzen Welt: Seid ein Zeichen der Hoffnung für die Kirche, für eure Länder und für die ganze Menschheit! Seid ein Zeichen der Hoffnung! Möge euer Licht sich von Manila aus 261 REISEN verbreiten in alle noch so entfernten Enden der Welt. Wie das „große Licht“, das in der Nacht von Bethlehem aufgeleuchtet ist. Seid Söhne und Töchter des Lichtes! 8. Liebes Volk Gottes auf den Philippinen, erneuere weiter in der Kraft des Heiligen Geistes das Angesicht der Erde - vor allem deine Welt, deine Familien, deine Gemeinschaften und die Nation, der du angehörst und die du liebst; erneuere das weiter ausgedehnte Gebiet Asiens, demgegenüber die Kirche der Philippinen eine besondere Verantwortung vor dem Herrn hat - ihr jungen Philippiner habt eine besondere Verantwortung für Asien vor dem Herrn, und ihr alle, nicht nur die Philippiner (Mabuhay!), habt dieselbe Verantwortung vor dem Herrn -, und die übrige Welt, indem du durch den Glauben für die Erneuerung der ganzen Schöpfung arbeitest (vgl. Akten und Dekrete von PCP H,7). Das ist eure Verantwortung, euer Ruf, überall: in Europa, in Afrika, in beiden Amerika, in Australien, überall! Gott, der dieses Werk in euch, den Philippinern, vor vierhundert Jahren begonnen hat - für andere ist es mehr oder weniger Jahrhunderte her -, möge es auch zur Vollendung führen am Tag unseres Herrn Jesus Christus! (vgl. Phil 1,6). Amen. Das ist mein Schluß und mein herzlicher Wunsch für euch alle - Schluß am Tag unseres Herrn, Jesus Christus! Jesus Christus! Jesus Christus! Amen! Auf Wiedersehen in Paris! Ansprache beim Weltjugendtag in Manila (Philippinen) am 15. Januar Meine lieben Freunde! Der Zehnte Weltjugendtag geht zu Ende, und wir müssen uns bis zur nächsten Gelegenheit verabschieden. Ich möchte allen danken, die diese Begegnung möglich gemacht haben: den hochherzigen Bürgern von Manila, die uns in diesen Tagen gastlich aufgenommen und betreut haben, der Polizei, der Feuerwehr, dem ärztlichen Personal sowie den für Radio und Fernsehen Tätigen. Wir sind alle Kardinal Sin dankbar, dem Erzbischof von Manila, und allen Freiwilligen, die sich so tatkräftig eingesetzt haben, um dieses Ereignis gelingen zu lassen. Ein besonderes Dankeswort gilt Kardinal Pironio und dem Päpstlichen Rat für die Laien für all das, was sie für die Organisation der Weltjugendtage tun. Ich danke Kardinal Vidal und dem Präsidenten der Bischofskonferenz, Msgr. Morelos, vereint mit der ganzen philippinischen Hierarchie sowie allen Kardinälen und Bischöfen, die aus anderen Teilen der Welt - und das sind noch viele - hergekommen sind. Ein herzliches Dankwort richte ich auch an Präsident Ramos, an die Mitglieder der Regierung und an den Bürgermeister von Manila und seine Mitarbeiter: Ein ganz 262 REISEN herzliches Dankeschön! Der Weltjugendtag war ihnen ein Anliegen, und sie waren sehr entgegenkommend und eine große Hilfe. Vor allem aber möchte ich euch Jugendlichen, Mädchen und Jungen, danken. Euer Einsatz für Christus und die Kirche ist eine Quelle der Hoffnung für uns alle, eine Herausforderung aber auch für eure Führungskräfte und eure Bischöfe, weil sie euch beistehen und gemeinsam mit euch arbeiten wollen, um eine bessere Gemeinschaft der Christen und eine bessere Welt überhaupt aufzubauen. Und nun komme ich zu den verschiedenen Sprachen, nicht zu allen, aber zur Mehrheit der im Forum gesprochenen Sprachen. Der Papst fuhr in französisch fort: Gott möge euch segnen und über euch wachen, während ihr nach Hause zurückkehrt. Richtet meine Grüße euren Familien und euren Freunden aus, und sagt ihnen, daß ich hoffe, sie bei Gelegenheit des nächsten Weltjugendtages in Paris zu sehen. Auf Wiedersehen! Der Papst sagte auf spanisch: Allen Jugendlichen spanischer und auch mexikanischer Sprache aus Spanien und Amerika möchte ich danken für ihre lebendige Beteiligung an diesem Weltjugendtag. Er konnte einfach nicht lebhafter sein, weil es ein Teil des Nationalcharakters spanischsprachiger Völker ist, auch der Philippinos. Nun ist es eure Aufgabe, die Botschaft von Christus in eure Häuser zu tragen, zu euren Schulfreunden und Arbeitskollegen. Bleibt dem Wort treu, das Jesus Christus euch geschenkt hat, und dem Wort, das ein jeder von euch dem Herrn gegeben hat. Mögt ihr immer Licht und Freude finden in seiner Botschaft des Heils und des Lebens. Bis zum nächsten Mal! Italienisch: Liebe italienische Jugendliche! Der Herr sendet euch heute, damit ihr seine Apostel unter euren Altersgenossen seid. Ihr besitzt ein sehr reiches Erbe an christlichem Glauben. Setzt euch dafür ein, daß eure Gesellschaft den Sinn wahrer Brüderlichkeit und Solidarität, die Bedeutung des Dienstes am Gemeinwohl und den Sinn der Liebe neu entdeckt, die zur Selbsthingabe an Gott und den Nächsten wird. Bleibt Christus und dem Evangelium treu! Auf Wiedersehen in Rom! Deutsch: Seid euch immer der Kraft des Gebetes bewußt. Es verbindet uns immer mehr mit Gott und den übrigen Menschen. Macht euch selbst und den anderen das Geschenk des Gebetes. Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen in Deutschland und in Holland! 263 REISEN In englisch fuhr der Papst fort: Ebenfalls grüße ich eine Gruppe aus Irland. Unter den vielen Botschaften, die ich erhalten habe, ist eine, die ich erwähnen möchte, die der Jugend von Sarajevo, die ihre Leiden für den Weltjugendtag aufopfert. Wir wollen für sie beten. Polnisch: Sucht die beredtesten Zeugen der Freiheit zu sein, und zwar jener Freiheit, die Christus schenkt. Verwendet mutig diese seine Gaben, um eine Welt echter Solidarität und wahren Friedens aufzubauen. Russisch: Laßt euch von einer immer tieferen Kenntnis der Liebe Christi leiten. Gestattet, daß seine Liebe euch stark macht, damit sie durch euch die anderen erreichen und erleuchten kann. In italienisch fuhr der Papst fort: Und jetzt kommen wir zu den asiatischen Sprachen, die zwar weniger bekannt, aber gleichermaßen wertvoll sind. Koreanisch: Wir sind alle Kinder Gottes, Brüder und Schwestern im einen Herrn. Möge euer Glaubensleben dieses Bewußtsein nicht nur in euch selbst wachsen lassen, sondern auch in allen, denen ihr begegnet. Vietnamesisch: Der Sieg des Kreuzes Christi zeigt uns, daß das Leben mächtiger ist als der Tod, die Gnade mächtiger als die Sünde. Wandelt immer im Licht und in der Herrlichkeit des auferstandenen Herrn. In italienisch fuhr der Papst fort: Ich denke, der Papst hat es richtig ausgesprochen. Es war wohl gut, denn der Sekretär neben Msgr. Stanislaus, Don Vinzenco, ein Vietnamese, hat sich viel Mühe gegeben, meine Aussprache zu verbessern. Ich weiß nicht, ob er nun zufrieden ist oder nicht. Chinesisch: Ihr habt gespürt und geglaubt, daß Christus der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes ist. Möge euer tägliches Leben in Wort und Tat euren Glauben an Christus verkünden. 264 REISEN In englisch fuhr der Papst fort: Die Chinesen haben es wohl verstanden. Hast Du es verstanden, Du Volk von China? Ich hoffe, die große Menge des Volkes wird eine Antwort geben. Japanisch: Jesus ist immer bei uns. Seid die Botschafter der Liebe und des Friedens, den er in unsere Welt bringt. In italienisch sagte der Papst: Und nun zum Schluß, Filippino, Tagalog! Philippinisch: Christus sendet euch, so wie er gesandt wurde. Ich danke euch, weil ihr sein Wort hört, und ich ermutige euch, Apostel des Evangeliums und Bauleute des Reiches Gottes mitten in euren Familien, euren Pfarreien, euren Gruppen und in jedem Bereich des Lebens auf den Philippinen zu sein. Seid stark im Glauben und in der Liebe! Mabuhay ang Filipinas! Einen besonderen Gruß richte ich an die große Gruppe der Jugendlichen aus den Vereinigten Staaten; in einem gewissen Sinn erwidern sie den Besuch, den wir ihnen in Denver bei Gelegenheit des achten Weltjugendtages abgestattet haben. Vor zwei Jahren haben wir in Denver über das neue Leben nachgedacht, das durch Jesus Christus, den Sohn Gottes und Herrn der Geschichte, in die Welt gekommen ist. In diesem Jahr haben wir in Manila darüber nachgedacht, daß dieses neue Leben, das wir in der Taufe empfangen haben, von uns fordert, daß wir Jünger Christi und Apostel seines Evangeliums werden, indem wir unseren Glauben den anderen mitteilen. Es geht weiter! Es lebe Denver! Mabuhay Denver! Mabuhay Manila! Mabuhay Paris! Mabuhay! In zwei Jahren werden wir 1997 gemeinsam nach Paris in Frankreich gehen, um über die Worte nachzudenken, die Gott an uns gerichtet hat. Möge der Heilige Geist unsere Schritte lenken bis zu dieser weiteren Etappe unseres Pilgerweges. Auf Wiedersehen! Bis zum nächsten Mal! 265 REISEN Glaubwürdige Verkündigung erfordert Achtung vor der ganzen Schöpfung Ansprache bei der Begegnung mit den Mitgliedern der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen in Manila (Philippinen) am 15. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Als ich mich auf diese Begegnung mit den Hirten der Kirche in Asien vorbereitete, habe ich darum gebetet, ein geeignetes Werkzeug für den Heiligen Geist zu sein, der immer und überall der Kirche Leben gibt und sie nach der Verheißung Christi in alle Wahrheit einführt (vgl. Joh 16,13). Ich habe gebetet, daß ich - wie der Psalm sagt - fähig sein möge, „sein Lob in der Gemeinde der Frommen“ (.Ps 149,1) zu singen. Es ist sicherlich mit einem Lied des Lobes und Dankes zu-Gott im Herzen, daß ich mich euch anschließe, wenn ihr nun das Silberne Jubiläum der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen feierlich begeht. Die herzlichen Grußworte von Erzbischof Rozario haben mich tief berührt, und ich möchte auch den anderen Bischöfen danken für ihre wohldurchdachten Anmerkungen zu den lebenswichtigen Fragen hinsichtlich Verkündigung, Leben und Ökologie, die in diesen Tagen das Thema eurer Überlegungen bilden. 2. Die Versammlungen eurer Föderation - die gegenwärtige ist die sechste - bilden nicht nur ein Forum für den Austausch pastoraler Erfahrungen und die Diskussion von Fragen gemeinsamen Interesses. Vielmehr bringen sie, bedeutsamer noch, die tiefe kirchliche Gemeinschaft und herzliche Kollegialität zum Ausdruck, welche die Bischöfe von Süd-, Südost- und Ostasien untereinander und mit dem Sitz des Petrus verbinden. Gemeinsam mit unseren Brüdern, den Bischöfen der ganzen Welt, sind wir die eine Herde, die Christus mit seinem kostbaren Blut losgekauft hat (vgl. 1 Petr 1,19). Laßt uns darum einmütig Gott danken für die Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens, die uns unter dem „obersten Hirten“ (1 Petr 4), dessen Diener wir sind, miteinander verbinden. Unser Treffen findet vor dem Hintergrund des gerade zu Ende gegangenen Zehnten Weltjugendtages statt. Wir alle sind Zeugen der hochherzigen Antwort der Jugend auf den Aufruf der Kirche, das Pilgerkreuz Christi aufzunehmen. Diesbezüglich gebührt besondere Anerkennung den philippinischen Bischöfen, die der geistlichen Vorbereitung der jungen Teilnehmer große Aufmerksamkeit gewidmet haben. Aber in gewisser Hinsicht sind es diese jungen Menschen - und andere gleich ihnen in der ganzen Welt —, die die Kirche herausfordem und die Hirten der Kirche zu einem immer größeren Einsatz drängen, um ihnen Christus in der Fülle seiner Gnade und Wahrheit vorzustellen. Meine Worte möchten deshalb eine brüderliche Ermutigung sein gleich der des hl. Paulus an Titus, er möge das Liebeswerk, das er früher begonnen hatte, nun auch vollenden (vgl. 2 Kor 8,6). Euer Dienst als Bischöfe und die Situation, in der 266 REISEN ihr ihn ausübt, ist das Grundthema dieser Gedanken, die ich mit euch teilen möchte. 3. Seit der Errichtung eurer Föderation vor fünfundzwanzig Jahren haben rascher technischer Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum das Gesicht Asiens umwälzend verändert. Die Kirche anerkennt die Wohltaten einer solchen Entwicklung, muß zugleich aber realistisch den Preis erwägen, der für die Modernisierung bezahlt wurde, und jene Aspekte in Betracht ziehen, die „eine enorme Bedrohung des Lebens (darstellen), nicht nur einzelner Individuen, sondern auch der ganzen Zivilisation“ {Brief an die Familien, Nr. 21). Noch auffallender als Asiens materieller Fortschritt in der letzten Zeit war die Veränderung der geistigen Landschaft des Kontinents. Religiöse Gleichgültigkeit und übertriebener Individualismus bedrohen jetzt die traditionellen Werte, die allgemeinhin dem Leben der einzelnen Menschen und den von ihnen gebildeten Gemeinschaften Sinn und Harmonie verliehen. Die Kräfte des Säkularismus trachten danach, euer reiches religiöses und kulturelles Erbe zu untergraben. Dieser große Kontinent steht an einem geistigen Scheideweg. Ein solcher Augenblick kann die Entschlossenheit der Kirche zur Erfüllung ihres Grundauftrags, Jesus Christus zu verkündigen und die Werte des Gottesreiches zu fördern (vgl. Redemptoris missio, Nr. 34), nur bestärken. Und die Katholiken auf diesem Kontinent sollten, mit allen positiven Kräften zusammenarbeitend, die Dringlichkeit verspüren, „die Zivilisation der Liebe aufzubauen, die sich auf die universalen Werte des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Freiheit gründet, die in Christus ihre volle Verwirklichung findet“ (Tertio Millennio adve-niente, Nr. 52; O.R.dt., 25.11.1994,16). 4. Jesus Christus, der Gottmensch, der Gekreuzigte und Auferstandene, ist die Hoffnung der Menschheit. Er ist das Fundament unseres Glaubens, der Grund für unsere Hoffnung und die Quelle unserer Liebe. Das menschgewordene Wort, der Erlöser und Mittler zwischen Gott und Mensch (vgl. 1 Tim 2,5), ist , jener, der allein Gott auszusagen und zu ihm zu führen vermag“ (Redemptoris missio, Nr. 5). Und Christus allein vermag die eigentliche Größe und Würde der menschlichen Person und ihre höchste Berufung zu erschließen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Das Geheimnis der rettenden Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus offenbart hat, ist ein Glaubenssatz, nicht eine theologische Meinung. Und diese Frohe Botschaft drängt die Kirche, zu evangelisieren! Sie drängt die Bischöfe, die Evangelisierung als eine vorrangige Aufgabe und Verantwortung ihres Dienstes zu fördern. Die Magna Charta der Evangelisierung bleibt das Apostolische Schreiben Evan-gelii nuntiandi Papst Pauls VI., ergänzt durch die Enzyklika Redemptoris missio, die ich 1990 schrieb, um den Begriff „missionarische Evangelisierung“ oder Mission „ad gentes“ zu verteidigen, der in den Augen mancher seine Anziehungskraft, ja seine Berechtigung verloren zu haben schien. 267 REISEN Das Verständnis Pauls VI. von Evangelisierung gibt getreu die Lehre Christi, die Überlieferung der Kirche und die Erkenntnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder. Es ist ein umfassendes Verständnis, das die Gefahr umgeht, den einen oder anderen Aspekt dieser komplexen Wirklichkeit übermäßig zu betonen und dabei andere zu vernachlässigen. Nach der Sicht Pauls VI. schließt Evangelisierung jene Tätigkeiten ein, die die Menschen bereit machen, auf die christliche Botschaft zu hören, ferner die Verkündigung der Botschaft selbst und schließlich die Katechese, welche die im „Kerygma“ enthaltenen Reichtümer der Wahrheit und Gnade entfaltet. Evangelisierung ist nicht nur an die einzelnen gerichtet, sondern auch an die Kulturen, die der Erneuerung durch den Kontakt mit dem Evangelium bedürfen. Die Entwicklung und Befreiung des Menschen sind wesentliche Bestandteile dieses Evangelisierungsauftrags, aber sie sind nicht identisch damit und sind nicht das Ziel der Evangelisierung. Paul VI. war sich darüber im klaren, daß Evangelisierung nicht verkürzt werden darf zu einem bloß weltlichen Projekt der Verbesserung des Menschen. Sie muß immer klar und eindeutig die Verkündigung Jesu Christi als Herrn und Erlöser einschließen, der jenes „Leben in Fülle“ (.loh 10,10) bringt, das nichts Geringeres ist als das ewige Leben in Gott. Gestattet mir einige allgemeine Bemerkungen zur Evangelisierung dieses Kontinents. Ein erstes Erfordernis dieser kirchlichen Aufgabe ist die Erneuerung der katholischen Gemeinschaft auf jeder Ebene - Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien -, damit alle zur Verbreitung des Glaubens beitragen, in welchem wir unseren Standort haben. Es muß unser Gebet sein, daß die Priester, Ordensleute und Laien, die eurem Seelsorgeamt anvertraut sind, niemals den Mut bei der Erfüllung der prophetischen Sendung verlieren, die jedem einzelnen aufgetragen ist. , Jeder Jünger ist unmittelbar persönlich berufen; keiner kommt umhin, seine persönliche Antwort zu geben: ,Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde’ (1 Kor 9,16)“ (Christifideles laici, Nr. 33). Um ein Wort zu wiederholen, das ich einmal zu den italienischen Bischöfen sagte: Die neue Evangelisierung „hat ihren Ursprung nicht im Willen derer, die den Entschluß fassen, Verkündiger ihres Glaubens zu werden. Sie hat ihren Ursprung im Heiligen Geist, der die Kirche zur Ausbreitung anspomt“ (.Ansprache an italienische Bischöfe bei einem Liturgiekurs, 12. Febr. 1988). Jeder, der den Heiligen Geist empfangen hat, jeder Getaufte und Gefirmte ist zur Evangelisierung berufen. 5. Ohne andere wichtige Elemente einer solchen Erneuerung außer acht zu lassen: „Die Zeichen der Zeit“ sind ein dringender Aufruf, die Laien zu befähigen, ihre besondere Rolle wahrzunehmen und die Wahrheiten und Werte des Evangeliums in den Wirklichkeiten der zeitlichen Ordnung zum Tragen zu bringen. Wenn wir uns in der Tat die Zukunft der Evangelisierung auf diesem Kontinent vorzustellen suchen, sehen wir sie dann nicht in der Ausstrahlung eines dynamischen, lebendigen Glaubens, den einzelne Christen und große oder kleine christliche Gemeinschaften - die mit wenigen Ausnahmen eine „kleine Herde“ unter den zahlenmäßig überlegenen „Hörern“ des Wortes bilden - praktizieren und bekennen? Den 268 REISEN Glauben „ausstrahlen“, das stellt höchste Anforderungen an das christliche Leben eines jeden: ein intensives Gebetsleben, sakramentale Praxis und moralische Integrität. Anderen „das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Röm 6,23), verkünden, das verlangt von jedem Glied der Kirche die Heiligkeit und Rechtschaffenheit eines Menschen, für den „Christus das Leben ist“ (vgl. Phil 1,21). Verkündigung wird dann glaubhaft, wenn sie mit Heiligkeit des Lebens einhergeht, mit aufrichtigen Absichten, mit Achtung vor anderen und vor der ganzen Schöpfung. Die Enzyklika Redemptoris missio fordert die Mitglieder der Kirche auf: „Ihr müßt wie die ersten Christen sein und Enthusiasmus und Mut ausstrahlen in selbstloser Hingabe an Gott und an die Brüder und Schwestern: mit einem Wort, ihr sollt euch auf den Weg der Heiligkeit einlassen. Nur so könnt ihr ... in euren Ländern die missionarischen Großtaten der Urkirche neu beleben“ (Nr. 91). Darin liegt eine große Herausforderung für jeden Bischof, insofern er für die Gläubigen vorrangig Lehrer und Führer in der Wahrheit und der Heiligkeit des Lebens ist. Aber auch in dieser Hinsicht wissen wir um die Quelle unserer sicheren Hoffnung und unseres Optimismus. Die Zukunft der Kirche wird nicht nur das Ergebnis unserer menschlichen Anstrengungen sein, sondern, grundlegender, das Ergebnis dessen, was der Geist Gottes wirkt, dem wir kein Hindernis bereiten dürfen, sondern mit dem wir Zusammenarbeiten sollen. 6. Auch den kulturellen Rahmen, in dem die Evangelisierung in Asien durchzuführen ist, gilt es zu beachten. Die religiösen Traditionen sehr alter Kulturen bleiben im Osten starke Kräfte und stellen euch besonderen Herausforderungen gegenüber. Die Kirche hat Achtung vor diesen geistlichen Überlieferungen. „Sie sind ja lebendiger Ausdruck der Seele breitester Gruppen. In ihnen wird das Echo der Gottsuche von Tausenden von Jahren vernehmbar, ein unvollkommenes Suchen, aber oft gelebt mit großer Aufrichtigkeit und Lauterkeit des Herzens“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 53). Die Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in den großen Religionen wahr und heilig ist (vgl. Nostra aetate, Nr. 2), sie kann nur hoffen, daß eines Tages diese Vorbereitung auf das Evangelium auf Wegen, die ganz christlich und ganz asiatisch sind, zur Reife kommt. Als Bischöfen der Kirchen in Asien muß es euch auch ein Anliegen sein, daß die Saatkörner von Wahrheit und Güte, die sich in diesen Religionen finden, weiterwachsen. Unter eurer pastoralen Aufsicht sind Bemühungen um mehr Verständnis, Respekt und Zusammenarbeit zwischen Christen und Anhängern anderer religiöser Traditionen im Gang, und in vielen Fällen finden jetzt in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog Gespräche verschiedener Art statt und haben sich als fruchtbar erwiesen. Interreligiöser Dialog sollte nicht bloß Gegenstand theologischer Diskussion bleiben. Er soll womöglich bis an die Basis gehen, gegenseitige Mißverständnisse zwischen den Gemeinschaften korrigieren und Solidarität beim Aufbau einer gerechteren und menschlicheren Gesellschaft fördern. Dieser „Dialog des Lebens“ muß ausgewogen, aufrichtig und offen wei- 269 REISEN tergeführt werden (vgl. Redemptoris missio, Nr. 57), immer in der Überzeugung, daß es nur dann zu einem echten Gespräch kommt, wenn wir uns, „von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten“ (Eph 4,15). 7. Ferner habt ihr als Bischöfe die anspruchsvolle Aufgabe, der Aufforderung des hl. Paulus entsprechend „allen alles“ (1 Kor 9,22) zu werden und euch mit dem Leben und den Traditionen eures Volkes zu identifizieren, damit die ewige Wahrheit der Offenbarung auf sinnvolle und überzeugende Art und Weise zum Ausdruck kommen kann. Ihr tragt die Verantwortung, klug und getreu die geeignetsten Mittel zu fördern, um das Evangelium in die verschiedenen asiatischen Kulturen zu bringen. Je mehr ihr die Fragen derer berücksichtigt, die ihr zu Christus führen wollt, ihre religiöse Bildung, ihre Sprache, Zeichen und Symbole, um so wirksamer werdet ihr der Sache der Evangelisierung dienen (vgl. Evangelii nunti-andi, Nr. 63). Wie mühsam diese Arbeit echter Inkulturation auch ist, so können wir doch Trost schöpfen aus der Erfahrung der Urkirche. Obschon die Predigt von Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, zu der religiösen Kultur derer in direktem Gegensatz stand, denen das Evangelium zuerst verkündigt wurde, lenkte der Heilige Geist das Wachstum der Kirche. Von Pfingsten an hat der Geist der Wahrheit die Verkündigung der Kirche von Generation zu Generation begleitet und ihre Empfänger zu dem „Gehorsam des Glaubens“ (Röm 1,6) geführt, der ihre Lebensweise läutern und erheben sollte, Gebräuche und Verhalten nach christlicher Auffassung und in christlichem Geist gestaltend. 8. Ein häufig wiederkehrender Aspekt eurer Pastoraltätigkeit ist die Beziehung zwischen Verkündigung und menschlicher Entwicklung. Laßt uns nur kurz bestätigen, daß keine menschliche Not, kein menschliches Leiden die Jünger Christi gleichgültig oder unberührt lassen darf. Aber die Kirche hat keine „technische“ Lösung für alle Übel, die die Menschheit heimsuchen, und sie kann auch nicht beanspruchen, eine solche zu haben. Vielmehr geht die Kirche - wie ein Pilger in einem fremden Land - ihren Weg mitten unter Schwierigkeiten, ja Verfolgungen von seiten der Welt, weiter, einzig durch die Tröstungen Gottes gestärkt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Zugleich hat sie die Pflicht, immer darauf bedacht zu sein, daß ihre Stimme im Gewissen der einzelnen und im Bewußtsein der Gesellschaft gehört wird, wenn sie die Würde jeder nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffenen menschlichen Person verteidigt und für die Grundsätze und Werte von Glauben, Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität eintritt. Sie weiß, daß die schrecklichen Übel, die die Menschheit heimsuchen, ihre Quelle nicht nur im Unrecht von Menschen gegen Menschen haben, sondern im Grund-Unrecht des Menschen in den Augen Gottes. Wenn sie ihren Evangelisierungsauftrag erfüllt, darf die Kirche also nicht die Nöte der Armen, der Hungernden, der Wehrlosen, der Unterdrückten und der kulturell Benachteiligten außer acht lassen. Aber die in diesem Bereich Tätigen müssen wissen, daß ihre Verantwortung weit über das 270 REISEN Heilen der Wunden dieses Lebens hinausgeht. Sie sollen auch das „neue Leben“ vermitteln, das durch die Gnade Jesu Christi kommt. Es ist die Sendung und Bestimmung der Kirche, den Menschen zu retten, den ganzen Menschen. Auf dieser Ebene gibt es keinen Unterschied von Personen, von Juden und Griechen (vgl. Rom 10,12), Reichen und Armen. Allen wird das Wort Gottes und die Gnade der Erlösung angeboten, denn alle sind Sünder (vgl. Röm 5,12). 9. Liebe Brüder im Bischofsamt, wenn ihr euch je entmutigt fühlt angesichts der anscheinenden Unmöglichkeit, die Evangelisierung wirksamer durchzuführen -vielleicht auf Grund der Tatsache, daß manche asiatische Kulturen nicht geneigt sind, auf die Botschaft des Evangeliums zu hören -, so bitte ich euch dringend, denkt daran, daß „nicht ihr reden werdet“ {Mt 10,20), wenn ihr „Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1 Kor 1,24) verkündigt, sondern: „der Geist eures Vaters wird durch euch reden“ {Mt 10,20). Zugleich müßt ihr klar zu verstehen geben, daß der Akt des Glaubens und die Aufnahme in die Gemeinschaft der Kirche durch die Taufe immer vollkommen frei geschehen muß (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 160). Evangelisierung darf nie aufgezwungen werden. Sie muß mit Liebe und Achtung gegenüber denen, die evangelisiert werden, geschehen. Katholiken, die das Recht und die Pflicht der Kirche hervorheben, mit Freude die Frohe Botschaft von Gottes Barmherzigkeit zu verkünden, müssen sorgfältig jeden Verdacht vermeiden, Zwang oder abwegige Überredungskünste anzuwenden (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 4). Andererseits sollte es Anschuldigungen der Proselytenmacherei - welche dem wahren missionarischen Geist der Kirche femliegt - und einem einseitigen Verständnis von religiösem Pluralismus und von Toleranz nicht gestattet sein, eure Sendung für die Völker Asiens zu ersticken. 10. Bevor ich schließe, möchte ich euch dazu aufrufen, alles in eurer Möglichkeit Stehende zu tun, um das, was allgemein die Mission „ad gentes“ genannt wird, zu fördern. Ungeachtet der Tatsache, daß manche diese heilige Pflicht herabzusetzen suchen, darf die Kirche nicht von ihrer Berufung absehen, „zu allen Völkern“ zu gehen und „alle Menschen zu Jüngern“ zu machen {Mt 28,19). Sie kann sich nie als kleine Minderheit oder nur nach innen schauende Gemeinschaft zufriedengeben. Es ist ja der feste Glaube der Kirche, daß jeder Mensch „das Recht hat, den Reichtum des Geheimnisses Christi kennenzulemen, worin, nach unserem Glauben, die Menschheit in unerschöpflicher Fülle alles das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung bringen kann“ {Evangelii nuntiandi, Nr. 53). Nun, da der Anbruch des dritten Jahrtausends naherückt, ist es vor allem „der asiatische Kontinent, auf den sich das Hauptaugenmerk der Mission „ad gentes“ richten sollte“ {Redemptoris missio, Nr. 37). Die Mission „ad gentes“, mit der sich oft die Vorstellung des Aufbrechens zu neuen Ländern und Völkern verbin- 271 REISEN det, bedeutet heute vor allem, sich zu neuen Gebieten in der menschlichen Geographie Asiens aufzumachen: zu den Gesellschaftsgruppen der Armen in den Städten, den Migranten und deren oft sich selbst überlassenen Familien, den Flüchtlingen, den jungen Menschen und zu den modernen Areopagen der sozialen Kommunikationsmittel. Ich bitte euch, bei all eurem pastoralen Planen der missionarischen Evangelisation große Aufmerksamkeit zu widmen: hinsichtlich der Katechese, der Predigt, der Priesterbildung und der Ausbildung der Ordensleute, hinsichtlich des Familien-und des Jugendapostolats, der Verteilung des Personals und der Mittel sowie hinsichtlich des Gebetes, das die Christen stets für die Ausbreitung des Glaubens darbringen sollen. Alle Einzelpersonen, alle Vereinigungen und Gemeinschaften sollten sich fragen, ob es noch etwas gibt, was sie tun könnten, um die Türen und Tore Asiens weit für Christus zu öffnen. 11. In diesen Jahren der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 sind eure Teilkirchen voll damit beschäftigt, der Evangelisierung Asiens einen frischen Impuls zu geben. Wie im ersten Jahrtausend das Kreuz auf dem Boden Europas gepflanzt wurde und im zweiten Jahrtausend auf dem Amerikas und Afrikas, so können wir beten, daß im dritten christlichen Jahrtausend eine große Glaubensemte auf diesem ausgedehnten und so lebendigen Kontinent reifen möge. Wenn die Kirche in Asien die ihr von der Vorsehung zugedachte Aufgabe erfüllen soll, dann muß die Evangelisierung als freudige, geduldige und fortgesetzte Verkündigung des Erlösungswerks des Todes und der Auferstehung Jesu Christi eure absolute Priorität sein. Die Kirche muß all diese Aufgaben mit den Mitteln aufgreifen, die das Zweite Vatikanische Konzil uns gegeben hat. Eines davon ist die Bischofssynode. Im Apostolischen Schreiben Tertio Millennio adveniente habe ich auch den „Plan für eine Kontientalsynode für Asien,, erwähnt. Ich bitte euch dringend, ernstlich ein solches Ereignis in Erwägung zu ziehen, das für die Kirche in Asien eine große Hilfe sein könnte, den Schritt ins nächste Jahrtausend noch entschlossener zu tun. Bei eurer Arbeit werdet ihr gestärkt durch das Beispiel und die Fürsprache der großen Schar von Märtyrern, die durch die Hingabe ihres Blutes der Kirche in Asien Leben geschenkt haben. In glühender Liebe zu Christus und zu seiner Kirche waren diese großen Männer und Frauen aus China, Japan, Korea, den Philippinen, Vietnam und anderen Ländern „mit Heiligem Geist und mit Feuer“ (Lk 3,16) getauft. Mit euren Missionaren und den Heiligen, die für das Evangelium Zeugnis gegeben haben, wurden sie Saat des Christentums in euren Ländern. Abschließend mache ich mir die unvergeßlichen Worte zu eigen, die Papst Paul VI. vor fünfundzwanzig Jahren hier in Manila sprach:, Jesus Christus ist unsere beständige Predigt; seinen Namen verkündigen wir bis an die Enden der Erde (vgl. Rom 10,18) und durch alle Zeiten hindurch {Rom 9,5). Erinnert euch daran, und denkt darüber nach: Der Papst ist zu euch gekommen und hat Jesus Christus verkündigt“ (Predigt am 29. November 1970). 272 REISEN Euch, liebe Brüder, wurde in Süd-, Südwest- und Ostasien diese Gnade zuteil: „den Heiden den ungründlichen Reichtum Christizu verkündigen“ (Eph 3,8). Ich vertraue euch, eure pastoralen Anstrengungen und alle Menschen, denen eure Mühe gilt, Maria, Mutter des Erlösers und Stern der Neuevangelisierung, an und erteile euch mit Freude meinen Apostolischen Segen. Ich komme als Freund und Bruder auf einer Pilgerschaft der Solidarität und mit tiefer Achtung für jeden von euch Ansprache nach der Ankunft auf dem „Jackson International Airport“ von Port Moresby, der Hauptstadt von Papua-Neuguinea am 16. Januar Exzellenz, Herr Generalgouvemeur! Herr Premierminster! Meine Brüder im Bischofsamt! Liebes Volk von Papua-Neuguinea! 1. Es ist eine große Freude für mich, in dieses schöne Land Papua-Neuguinea zurückzukehren. Ich danke Ihnen für Ihren herzlichen Empfang. Ich habe sehnsüchtig diesen Besuch erwartet, um neuerlich den lebendigen christlichen Glauben eures Volkes zu erleben und mir die von eurer Nation erreichten Fortschritte persönlich anzusehen. Exzellenz, Herr Generalgouvemeur, ich danke Ihnen für Ihre herzlichen Worte. Euch allen, die ihr gekommen seid, um mich mit so großer Gastfreundlichkeit zu empfangen, gilt mein tiefempfundener Dank. Ich fühle mich meinen Brüdern im Bischofsamt und allen jenen verpflichtet, die sich um das Zustandekommen dieses Besuches bemüht haben: Möge Gott euch reichlich segnen! 2. Mein Besuch hat einen Doppelcharakter. Ich bin zu meinen katholischen Schwestern und Brüdern dieser jungen Nation als Nachfolger des Petrus gekommen, dem der Herr das besondere Amt anvertraut hat, den apostolischen Glauben zu schützen und die Einheit des Gottesvolkes in der Liebe zu bewahren. Es ist mein Wunsch und mein Ziel, die gläubigen Christen dieses Landes in ihrem Zeugnis für Jesus Christus zu stärken und sie zu ermutigen, immer am Evangelium festzuhalten, das sie durch die Verkündigung der Missionare empfangen haben. Zugleich bin ich zum Volk von Papua-Neuguinea, Christen wie Nichtchristen, als ein Freund und Bruder gekommen auf einer Pilgerschaft der Solidarität und des guten Willens und mit tiefer Achtung für jeden von euch. 3. Wie ihr wißt, ist das zentrale Ereignis meines Besuches die Seligsprechung von Peter To Rot, Katechist und Märtyrer. Ihr könnt wirklich stolz auf euren melane-sischen Bruder sein; er hat eurem Volk Verdienst und Ehre verliehen. Peter To Rot ist ein außergewöhnliches Vorbild eines Familienvaters, eines maßgebenden reli- 273 REISEN giösen Leiters und eines Menschen, der bereit ist, sein Leben für Gott und den Nächsten hinzugeben. Es tut mir leid, daß ich mich aus diesem Anlaß nicht bei dem geliebten Volk der Tolai, dem Peter To Rot angehörte, aufhalten kann, aber die Umstände erlauben es mir nicht, mich nach Neubritannien zu begeben. Ich hätte gern alle Bewohner dieser Inseln besucht, doch mein Besuch wird sehr kurz sein. Allerdings versichere ich euch allen, wo immer ihr seid, daß ich an euch denke. Ich weiß besonders um die Sorge des ganzen Landes um die leidende Bevölkerung von Bougainville. An euch, Volk von Bougainville, richte ich ein besonderes Wort der Ermutigung. Wenn ihr ungerecht behandelt worden seid, lade ich euch ein, keinen Groll in euren Herzen zu hegen. Wenn ihr unrechterweise zu den Waffen greift, ermahne ich euch, sie niederzulegen und die Versöhnung zu suchen. An die Flüchtlinge auf der Halbinsel Gazelle, auf den südlichen Inseln und in den anderen Teilen von Papua-Neuguinea richte ich einen herzlichen Gruß. Ich ermuntere euch, mutig zu sein und euch gegenseitig Mut zu machen. Auch wenn ich nicht zu euch kommen kann, bin ich euch in euren Schwierigkeiten nahe und versichere euch meiner inbrünstigen Gebete. 4. Papua-Neuguinea erklärt in seiner Verfassung, ein christliches Land zu sein, das sich offen zu seinem Glauben an Jesus Christus bekennt. Während meines Pasto-ralbesuches wollen wir also miteinander beten, um unseren Glauben an Christus den Erlöser zu stärken. Ich bitte euch alle, die ihr Jesus als den Herrn betrachtet, eure Herzen füreinander zu öffnen, miteinander zu beten und mit Freude für die Einheit tätig zu sein. Mögen alle Einwohner dieses Landes sich um den Aufbau einer Gesellschaft bemühen, in der die Würde und die Rechte jedes einzelnen von allen respektiert werden. Die katholische Kirche wird sich, ihrer religiösen Natur und ihrer Sendung entsprechend, weiter dieser großen Aufgabe annehmen und großzügig mit allen Bereichen der Bevölkerung Zusammenarbeiten. Zum Abschluß grüßte der Papst die Anwesenden in Pidgin-Englisch: Geliebtes Volk von Papua-Neuguinea! Meine Anwesenheit in eurem Land ist Ausdruck meiner großen Liebe zu dieser Nation und zu jedem von euch. Gott segne Papua-Neuguinea! Gott segne euch alle! 274 REISEN Peter To Rot - Vorbild der Glaubenstreue für die jungen Kirchen Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Laien in Port Moresby (Papua-Neuguinea) am 16. Januar Exzellenz, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Mit der Liebe im Herrn begrüße ich euch alle, Bischöfe, Priester, Seminaristen, Ordensleute, Laien und Katechisten, die ihr heute abend hierhergekommen seid, um Gott zu loben für die „großen Dinge“, die er in eurem Land getan hat (vgl. Lk 1,49). Ich danke Erzbischof Kurongku und den anderen hier anwesenden Bischöfen, den Pfarrern, den Salesianern und allen, die sich so eifrig bemüht haben, unsere Begegnung hier in der Pfarrei „Maria - Hilfe der Christen“ in Gabutu, in der Erzdiözese Port Moresby, zu ermöglichen. Morgen wird der Name von Peter To Rot - einem Sohn von Neubritannien und des Tolai- Volkstammes - in das ruhmvolle Buch, das Martyrologium, eingetragen, in das Verzeichnis der Kirche für die, die aus Liebe zu Gott und ihrem Volk gestorben sind. Wir sollten uns an die Worte des hl. Augustinus erinnern, der gesagt hat, daß die Kirche in einer Nation „um so mehr Früchte trägt, je mehr sie durch das Blut der Märtyrer getränkt wird“ (vgl. De catechizandis rudibus, 24.44). Ebensowenig dürfen wir zur selben Zeit die vielen anderen Männer und Frauen dieser Inseln vergessen - einschließlich jener von anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften -, die während der düsteren Zeit der Militärbesetzung vor fünfzig Jahren ihr Leben für das Evangelium hingegeben haben. Das Zeugnis, das sie für Christus bis zum Blutvergießen ablegten, ist jetzt ein gemeinsames Erbe aller Christen und hat deshalb einen „ökumenisch beredten Zug“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 37). 2. Die Tatsache, daß euer erster Seliger nicht nur Märtyrer, sondern auch Laie, Katechist, Ehemann und Familienvater ist, ist für die geistliche Geschichte eures Volkes von besonderer Bedeutung. Als die ersten Missionare nach Papua-Neuguinea kamen, erkannten sie, daß das Wort Gottes nur dann Wurzeln fassen kann, wenn die Menschen selbst die aktiven Träger ihrer eigenen Evangelisierung werden (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 18). Peter To Rot war einer von denen, die hervortraten, um den Samen der Wahrheit in den Menschen des Tolai-Volksstammes einpflanzen zu helfen. Die Priester in Rakunai ermutigten ihn und leiteten ihn an, und er seinerseits erfüllte die ihm übertragenen Verpflichtungen mit Hingabe und Eifer. Die Priester und Katechisten der Missionsstation Rakunai arbeiteten zusammen, um den Leib Christi aufzubauen, und sie hinterließen den nachfolgenden Generationen ein geistliches Erbe zur Nachahmung. 275 REISEN 3. Liebe Mitbrüder im Priesteramt! Euer Amtspriestertum steht im Dienst des gemeinsamen Priestertums der Gläubigen, „es bezieht sich auf die Entfaltung der Taufgnade aller Christen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, 1547). In der Person Christi, des „erhabenen Hirten seiner Schafe“ (Hebr 13,20), übt ihr die Heilsmacht aus, die ihr im Sakrament der Weihe empfangen habt, um Gottes Wort zu verkünden und um besonders in der Taufe, im Bußsakrament und in der Eucharistie die Versöhnungstat Christi und sein Heilsopfer gegenwärtig zu setzen sowie seine liebevolle Sorge bis zur Ganzhingabe seiner selbst für die Herde deutlich zu machen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 15). Mit Dankbarkeit gegenüber jedem einzelnen von euch und allen euren Mitbrüdem im Priesteramt, die nicht kommen konnten, rufe ich euch auf, die große geistliche Würde und das Geschenk, das ihr empfangen habt, nie aus den Augen zu verlieren! Den Seminaristen möchte ich sagen: Ihr sollt Christus, den Guten Hirten, zum Mittelpunkt, zum Vorbild und zur Antriebskraft eures zukünftigen Lebens und Handelns als Priester machen. Lernt, in Christus zu leben, und habt ständig die unergründlichen Reichtümer der Erlösung in ihm (vgl. Eph 3,8) vor Augen, damit ihr imstande seid, anderen die Frohbotschaft zu verkünden. Seid „in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet“ {Eph 3,17). Andernfalls werdet ihr nichts anderes als „dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke“ (1 Kor 13,1) sein. Nur die ungeteilte Liebe zum Herrn wird eurem priesterlichen Dienst in der Kirche Wirkkraft verleihen und anderen erlauben, seine unverkennbare Gegenwart in euch wahrzunehmen. 4. Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen! In Peter To Rot besitzen alle Ordensleute ein ansprechendes Vorbild der Glaubenstreue. Hier steht ein Mensch, dessen aufrichtige Selbsthingabe so wie die des Herrn war, der „seine Liebe bis zur Vollendung erwies“ (vgl. Joh 13,1). Gleich dem Herrn war er ein „treuer Zeuge“ {Offb 1,15). Ich bitte euch dringend, eure Ordensweihe hochherzig und in unaufhörlicher Treue gegenüber den Anforderungen der vollkommenen Liebe zu leben. Jede eurer Ordensfamilien leistet durch ihre eigenen Gaben einen Beitrag bei der Evangelisierungssendung der Kirche. Eure Namen sind zu zahlreich, um alle genannt zu werden, aber ich danke allen Kongregationen in Papua-Neuguinea und auf den Salomoninseln für das Zeugnis und die Fruchtbarkeit eurer Weihe und eures Apostolats. Die „plantatio Ecclesiae“ schreitet in besonders bedeutsamer Weise fort durch die Auswahl und Bildung begabter Kandidaten des Ordenslebens. Ich sehe viele junge Ordensleute hier: Seid euch dessen bewußt, welche Bedeutung eure Berufung nicht nur für euch selbst, sondern für die Zukunft der Kirche unter den Völkern von Melanesien hat. Hört aufmerksam die zu eurem Herzen gesprochenen Worte. Der Herr sagt zu jedem von euch: „Komm, folge mir!“ Ein besonderes Wort der Ermutigung möchte ich den Mitgliedern der kontemplativen Gemeinschaften sagen. Durch euer ständiges Gebet und eure Buße in Einsamkeit und Stille legt ihr ein unerläßliches Zeugnis zu Ehren des Himmelreiches ab, das „seinen Heiligen“ schon „offenbart“ wurde {Kol 1,26). Liebe Schwestern, be- 276 REISEN tet für die Kirche, betet weiter für mich; seid Führerinnen für die, die eine tiefere Gotteserfahrung suchen. Euer Lebensweg ist Erinnerung und Botschaft für die Kirche und die Gesellschaft: Gott ist über alles zu ehren. 5. Liebe Laien, die Tatsache, daß der erste Selige von Papua-Neuguinea ein Laienkatechist war, ist von besonderer Bedeutung. Ich hoffe, daß Peter To Rot in der ganzen Kirche eine Quelle der Inspiration für all jene werde, die im Laienapostolat tätig sind, besonders für die Katechisten, die „die Grundkraft der christlichen Gemeinden, besonders in den jungen Kirchen, bilden“ (Redemptoris missio, Nr. 73). Die Dorfbewohner von Rakunai wurden durch die ausstrahlende Nächstenliebe und den Eifer von Peter To Rot zu Christus hingezogen und angespomt, ihm nachzufolgen. Seine geistliche Reife zeigte sich in seiner apostolischen Reife. Er achtete besonders auf diejenigen, die in der Praxis des Glaubens lau geworden waren oder ihn verloren hatten. Weil er ein Katechist war, der sich um das geistliche Wohl der anderen sorgte - sogar in Situationen, wo er Festnahme und Gefängnishaft riskierte -, ging er auf die Suche nach dem verlorenen Schaf und ruhte nicht, bis er es gefunden hatte (vgl. Lk 15,4). Wie sehr benötigen die jungen Kirchen in diesem Erdteil Männer und Frauen nach der Art eines Peter To Rot! Anläßlich der morgigen Seligsprechung ermutige ich euch, euren Glauben und eure Hingabe zu erneuern. Denkt daran: „Ihr seid das Licht der Welt ... So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,14.16). 6. Euch allen sage ich: Was ich vor mir sehe, berechtigt zu großen Hoffnungen für die Kirche! Verliert nicht den Mut im Hinblick auf die Zukunft der Evangelisierung! Zögert nicht, die Frohbotschaft klar und mutig zu verkünden, denn es gibt nur eine wahre Hoffnung für die Menschheit: Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, das unter uns gewohnt hat (vgl. Joh 1,4). Die seligste Jungfrau Maria, die Helferin der Christen, schütze euch und erfülle euch mit geistlicher Kraft und Mut; sie lenke eure Schritte auf den Weg des Friedens (vgl. Lk 1,79). Amen. Ein langes Leben der jungen Kirche von Papua-Neuguinea Grußworte an die Gläubigen in der Kirche „Mary Help of Christians“ in Port Moresby (Papua-Neuguinea) am 16. Januar Wie ihr wißt, komme ich jetzt von den Philippinen. Ich komme von Rom, aber genauer gesagt komme ich von den Philippinen. Die Philippinen, der Weltjugendtag, die Jugendlichen, die jungen Frauen und jungen Männer. Es war eine wunderbare Erfahrung. Zum sechsten Mal hat am gestrigen Sonntag dieses große Ereignis stattgefunden. Ungefahr vier Millionen Jugendliche haben daran teilgenommen. Das Bedeutendste dabei war wohl, daß nicht nur Jugendliche von den Philippinen, 277 REISEN sondern auch junge Leute aus allen Teilen der Welt, von allen Kontinenten gekommen waren: aus Nord-, Mittel- und Südamerika, aus Afrika, aus verschiedenen Ländern Europas, aus verschiedenen Nationen Asiens, aus Australien und aus Ozeanien. Der Reichtum der Sprachen, der Kulturen und derselbe Glaube, dieselbe Liebe und dieselbe Hoffnung. Im Geiste dieser Erfahrung komme ich hierher, nach Papua-Neuguinea, zur morgigen Seligsprechung. Unter euch zu weilen, ist für mich eine große Hoffnung und auch ein großes Vergnügen und eine große Freude. Ihr sprecht verschiedene Sprachen, ihr sprecht Englisch, Pidgin-Englisch. Ich habe Pidgin-Englisch gelernt, als ich mich auf meinen Besuch vor zehn Jahren hier vorbereitete. Ich war hier. Ich habe eine große Eucharistiefeier für die Gemeinde von Papua-Neuguinea geleitet. Diesmal hoffe ich, nach Rabaul kommen zu können. Unsere Brüder und Schwestern in jener Stadt, in jener Region, auf jener Insel leiden unter den Folgen des Vulkanausbruchs; wir sind jedoch geistig so mit ihnen verbunden, daß wir sie trösten können. Die Missionare unter euch sprechen verschiedene Sprachen. Sie sprechen Englisch, aber auch Deutsch (Gelobt sei Jesus Christus), Italienisch (Sia lodato Gesü Cristo, sempre sia lodato), Polnisch (Niech bedziech pochwalony Jezuz Chrystus). Das ist der kulturelle Reichtum der alten Welt und der jungen Welt. Ihr seid so jung wie ich! Auch wenn ihr als ethnische Gruppe nicht jung seid, seid ihr doch als Christen jung wie die Kirche. Wir haben allen Grund, den Jugendlichen zuzurufen: Ein langes Leben! Ein langes Leben der jungen Kirche von Papua-Neuguinea! Das gilt für die vielen Christen, für die vielen Getauften, für die vielen Seminaristen, für die vielen Novizen, für die vielen Ordensfrauen und Ordensmänner, für die vielen Priester und für die vielen Bischöfe von Papua-Neuguinea. Von der Jugend der Philippinen und der Welt geht ein neuer Frühling des Christentums auf diesem Kontinent aus Ansprache beim Abschied von den Philippinen auf dem Flughafen ,,Naia“ von Manila am 16. Januar Liebe philippinische Freunde! l.Mein Pastoralbesuch auf dem Archipel der Philippinen geht zu Ende. Ich möchte allen für die herzliche und zuvorkommende Gastfreundschaft danken, die mir seit meiner Ankunft hier zuteil geworden ist. Besonders dankbar bin ich Seiner Exzellenz Präsident Ramos und den Mitgliedern der Regierung für ihre große Teilnahme an jedem Abschnitt meiner Reise. Ich danke herzlich Kardinal Sin, Kardinal Vidal, allen Brüdern im Bischofsamt und ihren Mitarbeitern dafür, daß sie meine Pilgerreise zur Kirche dieser Inseln zu einer so fruchtbaren und freudigen Feier unseres Glaubens an Jesus Christus gemacht haben. 278 REISEN Ich danke denen, die an den Gottesdiensten und an den anderen Veranstaltungen teilgenommen haben, denen, die sie organisiert haben, denen, die Ordnung und Sicherheit gewährleistet haben, denen, die für die Ausstrahlung der Ereignisse über Rundfunk und Fernsehen gearbeitet haben, und denen, die die Bedürfnisse der so zahlreichen Pilger befriedigt haben. Möge Gott es jedem von euch lohnen! 2. Mit besonderer Liebe danke ich den Jugendlichen, welche die Hauptakteure auf diesem Zehnten Weltjugendtag waren. Wie läßt sich das geheimnisvolle Wirken der göttlichen Gnade in so vielen jugendlichen Herzen erklären und einschätzen? Der Herr hat das Reich als ein Samenkorn beschrieben, das ein Mensch ausgesät hat und das dann reiche Ernte gebracht hat. Hier war das Samenkorn bereits auf fruchtbaren Boden gefallen. Viele Personen - Eltern, Lehrer, Katecheten, Ordensleute, Priester - haben über das Samenkorn des Glaubens gewacht und ihm geholfen, sich zu entwickeln, und Gott ließ es wachsen (vgl. 1 Kor 3,6). Bis wann wird es wachsen? Wie viel wird sich von hier aus in der immensen menschlichen Geographie Asiens verbreiten? Das ist die Herausforderung und die Aufgabe, welche die Jugendlichen des Zehnten Weltjugendtages und die ganze Kirche auf den Philippinen angenommen haben und in das nächste Jahrhundert und in das nächste Jahrtausend weitertragen werden. Das alles erfüllt mein Herz mit Dankbarkeit und Freude. Ich werde in den Jugendlichen der Philippinen und der Welt weiterhin eine grenzenlose Hoffnung nähren: Christus bewirkt durch sie einen neuen Frühling des Christentums auf diesem Kontinent. Wir sehen die ersten Ergebnisse dieser Saat; andere werden sich über die reiche Ernte freuen. 3. Ich nehme so viele Bilder des philippinischen Volkes mit. Ich weiß um eure Sehnsucht nach größerer Gerechtigkeit und nach einem besseren Leben für euch und eure Kinder. Die Schwierigkeiten, denen ihr euch stellen müßt, und die harte Arbeit, die ihr vor euch habt, darf niemand verkennen. Vor allem sollte niemand das große Verlangen nach einer wirklichen und wirksamen Solidarität übersehen, einer Solidarität unter den Einzelnen, in den Familien und in der ganzen Gesellschaft. Es muß ein größeres Teilen, ein neues Verantwortungsgefühl jedes einzelnen gegenüber den anderen geben: Wir sind alle Hüter unseres Bruders. Gott helfe euch, den bereits eingeschlagenen Weg fortzusetzen, den Weg zu einer steten Entwicklung, die die echten Werte eurer philippinischen Kultur bewahren und fördern soll! 4. Mein letzter Wunsch kann kein anderer sein als der, den ich für euch ausgesprochen habe, als ich vor fast vierzehn Jahren hierher gekommen bin: Mögt ihr euch in euren Herzen und in euren Häusern immer des Friedens erfreuen können; mögen in eurem Land Gerechtigkeit und Freiheit herrschen; und mögen eure Familien immer treu vereint in der Freude und in der Liebe sein! Gott segne euch alle Gott segne die Philippinen! Mabuhay! 279 REISEN Mit Peter To Rot begann ein neues Kapitel der Heils geschickte Papua-Neuguineas Predigt bei der Seligsprechung von Peter To Rot im „Sir John Guise“-Stadion in Port Moresby (Papua-Neuguinea) am 17. Januar Der Papst begann in der einheimischen Sprache Pidgin bzw. Wantok: Meine lieben Brüder und Schwestern! Ich danke euch für den großartigen Empfang, den ihr mir gestern auf dem Flughafen bereitet habt. Ich habe die farbenfroh geschmückten Menschen dort gesehen und war tief beeindruckt. Eure traditionellen Festtrachten hier in Papua-Neuguinea sind wirklich sehr schön. In englisch fuhr er fort: 1. „... freut euch, daß ihr Anteil an den Leiden Christi habt“ (1 Petr 4,13). Liebe Brüder und Schwestern! Das Volk Gottes von Papua-Neuguinea wiederholt heute voll Inbrunst diese Worte des Apostels Petrus. Ihr jubelt, weil die Universalkirche anerkennt, daß euer Landsmann Peter To Rot die Leiden Christi bis hin zum Martyrium geteilt hat und würdig erachtet wurde, in den Kreis der Seligen aufgenommen zu werden. Mit der Freude, die dieser Anlaß hervorruft, grüße ich das Volk Gottes in Papua-Neuguinea. Ich danke Erzbischof Kurongku und der gesamten Erzdiözese von Port Moresby für den herzlichen Empfang, der mir bereitet worden ist. Erzbischof Hesse und die katholische Gemeinde von Rabaul hätten diese Seligsprechung gerne an jenem Ort gefeiert, an dem der sei. Peter To Rot lebte und schließlich den Märtyrertod starb. In Liebe und Solidarität grüße ich alle Menschen in Neu Britannien - die hier anwesenden und die große Mehrzahl, die nicht in der Lage ist, heute dabei zu sein -, die von den Folgen des jüngsten Vulkanausbruchs betroffen sind. Von Herzen begrüße ich alle meine Brüder im Bischofsamt, alle Priester, Ordensleute und Laien dieses Landes und der Salomoninseln wie auch all jene, die von anderen Inseln des großen pazifischen Ozeans und aus Australien und Neuseeland kommen. Als Zeichen der Freundschaft reiche ich unseren Brüdern und Schwestern anderer christlicher Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften die Hand. Ich danke allen Vertretern der staatlichen Behörden für ihre Anwesenheit bei dieser feierlichen Zeremonie. Mit dem ersten Seligen aus Papua-Neuguinea beginnt eine neue Epoche in der Geschichte des Volkes Gottes in diesem Land. Zu allen Zeiten war das Martyrium Teil der Pilgerschaft dieses Volkes Gottes. In der dem Alten Testament entnommenen Lesung dieser Messe berichtet das Zweite Buch der Makkabäer die Geschichte von der unerschütterlichen Treue Eleasars zu den heiligen Geboten Gottes. Angesichts der schwersten Prüfung sagt er: „Der Herr mit seiner heiligen Erkenntnis weiß, daß ich dem Tod hätte entrinnen können. Mein Körper leidet qual- 280 REISEN voll unter den Schlägen, meine Seele aber erträgt sie mit Freuden, weil ich ihn fürchte“ (2 Makk 6,30). 2. Ähnliches finden wir im Neuen Testament. Angefangen vom Diakon Stephanus (vgl. Apg 7,54-60) und dem Apostel Jakobus (Apg 12,1-2) berichtet das Neue Testament von „einer großen Wolke von Zeugen“ (vgl. Hebr 12,1), die ihr Leben hingaben, um ihren Glauben an Christus und ihre unbeugsame Liebe zu ihm zu bekennen. Im Lauf der Jahrhunderte sind in jeder Generation ruhmreiche Seiten des Martyrologiums der Kirche geschrieben worden. Die Söhne und Töchter vieler Kirchen in Asien sind in den „mit Blut geschriebenen Archiven der Wahrheit“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2474) aufgeführt. Ich selbst hatte die Ehre, die koreanischen und vietnamesischen Märtyrer heiligzusprechen. Wir können uns auch an den hl. Paul Miki und seine Gefährten erinnern, die in Japan das Martyrium erlitten; an Lorenzo Ruiz, den ersten philippinischen Heiligen; an den hl. Peter Chanel, der auf den pazifischen Inseln den Märtyrertod starb. Auch in unserem Jahrhundert hat es eine Vielzahl „treuer Zeugen“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 37) gegeben. Kriege, Konzentrationslager und die Intoleranz unserer eigenen Zeit haben in vielen Teilen der Welt eine reiche Ernte der Märtyrer hervorgebracht! Auch in Papua-Neuguinea gab es viele Christen verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften, die dieses höchste Zeugnis gaben. Heute wird euer Landsmann Peter To Rot, ein verehrter Sohn aus dem Volk der Tolai, ein Katechist aus Neu Britannien, in ihren Kreis aufgenommen. Überall singt die Kirche Gottes Lob für dieses neue Geschenk. 3. Das durch den letzten tragischen Vulkanausbruch verursachte Leid hat die christliche Gemeinschaft in Neu Britannien dem Märtyrer Peter To Rot nähergebracht. In Gottes Heilsplan läßt das Leiden „mehr als alles andere ... in der Geschichte der Menschheit die Kräfte der Erlösung gegenwärtig werden“ (Salvifici doloris, Nr. 27). So wie der Herr Jesus Christus sein Volk erlöste, indem er es „bis zur Vollendung“ ([Joh 13,1) liebte, „bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8), so fordert er auch unablässig jeden seiner Jünger auf, für das Reich Gottes zu leiden. In Verbindung mit dem Erlösungstod Christi wird das menschliche Leiden ein Werkzeug spiritueller Reife und eine großartige Schule evangelischer Liebe. 4. Der sei. Peter To Rot hatte den Wert des Leidens erkannt. Von seinem Glauben an Christus begeistert, war er ein treuer Ehemann, ein liebevoller Vater und engagierter Katechist, der für sein freundliches, liebenswürdiges und teilnahmsvolles Wesen bekannt war. Die tägliche Messe und die heilige Kommunion wie auch häufige Besuche beim Herrn im allerheiligsten Sakrament stärkten ihn und verliehen ihm die Weisheit, den Mutlosen mit seinem Rat beizustehen, und schließlich die Kraft, bis zum Tod auszuharren. Um ein guter Verkündiger des Evangeliums zu sein, lernte Peter To Rot eifrig und suchte den Rat weiser und heiliger „großer Männer“. Vor allem aber betete er - für sich selbst, seine Familie, sein Volk und die Kirche. Sein Zeugnis für das Evangelium inspirierte wiederum andere in sehr 281 REISEN schwierigen Situationen, denn er lebte sein christliches Leben auf so reine und freudige Weise. Ohne sich dessen bewußt zu sein, bereitete er sich sein ganzes Leben lang auf sein größtes Opfer vor: indem er täglich für sich selbst starb, ging er mit seinem Herrn den Weg, der nach Golgota führt (vgl. Mt 10,38-39). 5. In Zeiten der Verfolgung wird der Glaube des einzelnen Menschen und der Gemeinschaften „im Feuer geprüft“ (vgl. 1 Petr 1,7). Christus aber sagt uns, daß wir keine Angst zu haben brauchen. Jene, die aufgrund ihres Glaubens verfolgt sind, werden es deutlicher denn je zum Ausdruck bringen: „Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden“ (Mt 10,20). So war es auch für den sei. Peter To Rot. Als das Dorf Rakunai während des Zweiten Weltkriegs besetzt war und die heroischen Missionsgeistlichen in Gefangenschaft waren, übernahm er die Verantwortung für das spirituelle Leben der Dorfbevölkerung. Er setzte nicht nur die Weiterbildung der Gläubigen fort und besuchte die Kranken, sondern taufte, assistierte bei Trauungen und führte die Menschen im Gebet. Als die Behörden dazu übergingen, Polygamie zu legalisieren und zu fördern, erkannte der sei. Peter To Rot darin den Verstoß gegen die christlichen Prinzipien und verurteilte mit Entschlossenheit diese Praxis. Vom Geist Gottes erfüllt, verkündete er ohne Furcht die Wahrheit über die Heiligkeit der Ehe. Er weigerte sich, den „einfachen Weg“ (vgl. Mt 7,13) des moralischen Kompromisses zu gehen. Er sagte: „Ich muß meine Pflicht als Zeuge der Kirche für Jesus Christus erfüllen.“ Angst vor Schmerz und Tod konnte ihn nicht abhalten. Peter To Rot war auch während seiner letzten Gefangenschaft ruhig, ja sogar voller Freude. Er sagte den Leuten, er sei bereit, für den Glauben und sein Volk zu sterben. 6. Am Tage seines Todes bat Peter To Rot seine Frau, ihm sein Katechistenkreuz zu bringen. Es begleitete ihn bis an sein Ende. Obwohl er ohne Gerichtsverfahren verurteilt worden war, erlitt er sein Martyrium mit großer Fassung. Dem Beispiel seines Herrn - „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29) - folgend, war auch er „wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt“ (Jes 53,7). Dennoch hat dieses „Weizenkom“, das leise in die Erde gefallen ist (vgl. Joh 12,24), die Kirche in Papua-Neuguinea mit einer reichen Ernte gesegnet! Ja, die Weisheit des Evangeliums lehrt uns, daß wir das ewige Leben durch den Tod und wahre Freude durch Leid erlangen. Um das zu verstehen, müssen wir Gottes Maßstab anlegen und nicht den der Menschen (vgl. Mt 16,23). In der heutigen Lesung aus dem ersten Brief des Petrus heißt es: „Wenn ihr wegen des Namens Christi beschimpft werdet, seid ihr seligzupreisen; denn der ... Geist Gottes ruht auf euch“ (1 Petr 4,14). Diese Worte gelten auch für Peter To Rot. Sie verdeutlichen die besondere „Heiligkeit“ derer „aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern“ (Offb 5,9), die in jedem Zeitalter der Kirche den Märtyrertod erlitten haben. In Gottes Augen sind diejenigen wahrhaft heilig, die 282 REISEN aufgrund ihrer Treue zum Evangelium verfolgt werden, denn ihr „Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,12). 7. Es freut mich ganz besonders, hier eine so große Anzahl von Katechisten aus allen Teilen Papua-Neuguineas zu sehen. Ihr, liebe Katechisten, seid „die direkten Zeugen, die unersetzbaren Verkündiger... die Grundkraft der christlichen Gemeinden“ (vgl. Redemptoris missio, Nr. 73). Von Anfang an war die Arbeit der Laienkatechisten in Papua-Neuguinea ein „einzigartiger und unersetzlicher Beitrag zur Verbreitung des Glaubens und der Kirche“ (vgl. Ad gentes, Nr. 17). Ich danke euch im Namen der gesamten Kirche für eure heilige Arbeit. Möge Gott jeden von euch belohnen und segnen. Das Beispiel der Märtyrer spricht auch zu den Ehepaaren. Peter To Rot achtete die Ehe in höchstem Maße und verteidigte auch trotz großer persönlicher Gefahr und hartem Widerstand die Lehre der Kirche von der unzertrennlichen Einheit der Ehe und der Notwendigkeit gegenseitiger Treue. Er behandelte seine Frau Paula mit großer Achtung und betete mit ihr morgens und abends. Er liebte seine Kinder sehr und verbrachte mit ihnen so viel Zeit wie möglich. Wenn eure Familien gut sind, dann werden es auch eure Dörfer sein und in Frieden leben. Haltet an jenen Traditionen fest, die das Familienleben verteidigen und festigen! 8. Ein ganz besonderer Gruß gilt den zahlreichen hier anwesenden jungen Menschen. Der sei. Peter To Rot ist auch für euch ein Beispiel. Er lehrt euch, nicht nur mit euch selbst beschäftigt zu sein, sondern auch bereitwillig für den Dienst an anderen zur Verfügung zu stehen. Als Bürger solltet ihr das Bedürfnis haben, für die positive Entwicklung eures Landes zu arbeiten, und dafür sorgen, daß sich die Gesellschaft nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit in Harmonie und Solidarität entwickelt. Als Jünger Christi, geführt von den Wahrheiten des Evangeliums und den Lehren der Kirche, sollt ihr auf den starken Fels des Glaubens bauen und eure Pflicht mit Liebe erfüllen. Habt keine Angst, euch der Aufgabe zu widmen, Christus vor allem den zahlreichen jungen Menschen in eurem Alter - der weitaus stärksten Bevölkerungsgruppe - näherzubringen und sie zu lehren, ihn zu lieben. 9. Die Seligsprechung von Peter To Rot leitet für die Kirche in Papua-Neuguinea eine neue Phase christlicher Reife ein. In der Geschichte der Ortskirchen eines jeden Landes ist der erste eingeborene Märtyrer stets das Zeichen eines neuen Anfangs. Aus diesem Grand habe ich als Hirte der Universalkirche von ganzem Herzen gehofft, diese große Freude mit euch zu teilen und Gott für den ersten Seligen von Papua-Neuguinea zu danken. Mit ganz besonderer Zuneigung möchte ich die Bevölkerung von Bougainville der Fürsprache des neuen Seligen anvertrauen, denn sie leidet seit sechs Jahren unter den tragischen Folgen von Gewalttätigkeiten, Krieg und Zerstörung. Ein besonderes Wort der Ermutigung richte ich an Bischof Gregory Singkai und die Kirche von Bougainville, die schweren körperlichen und seelischen Belastungen ausge- 283 REISEN setzt sind. Ich fordere mit großer Dringlichkeit alle an den Auseinandersetzungen beteiligten Verantwortlichen auf, mit gutem Willen und konstruktiver Offenheit sich für die Beilegung der Konflikte einzusetzen. Ich hoffe, daß die unlängst eingeleiteten Diskussionen bald zu einem gerechten und dauerhaften Frieden führen werden, der die legitimen Erwartungen und Rechte aller Beteiligten achtet. Mögen Versöhnung und Harmonie erneut die Oberhand gewinnen, damit der von allen ersehnte Wiederaufbau begonnen werden kann. An die Bewohner von Neu Britannien, die Landsleute des sei. Peter To Rot, des Märtyrerkatechisten von Rakunai, möchte ich die Worte aus dem Brief des hl. Petrus richten: „... freut euch, daß ihr Anteil an den Leiden Christi habt“ (7 Petr 4,13). Die jüngsten tragischen Ereignisse, von denen ihr betroffen seid, haben euch eurem Märtyrer ähnlich gemacht; zwar ist euer Leid von anderer Art, aber wie in ihm, so nimmt auch in euch das Leiden und der Tod des Herrn Gestalt an. Der gekreuzigte Jesus ist der Beweis der unerschöpflichen Liebe Gottes für jedes seiner Kinder, für jeden einzelnen von euch. In Wantok fuhr der Papst fort: Möge Peter To Rot immer in eurer Erinnerung lebendig sein. Denkt stets an seinen Glauben; denkt stets an sein Leben in der Familie; denkt stets an seine Arbeit als Katechist. Denn Peter To Rot zeigt uns den Weg. Er zeigt uns allen den Weg, aber insbesondere den Familien hier in Papua-Neuguinea, den Jugendlichen und all den Männern und Frauen, die das Wort Gottes den Menschen verkünden. Freut euch! Möge sich eure Traurigkeit in Freude verwandeln! Amen Eine Gelegenheit zur Festigung des Glaubens Ansprache bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz in Port Moresby (Papua-Neuguinea) am 17. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. An diesem denkwürdigen Tag der Seligsprechung des Martyrer-Katechisten Peter To Rot ist es für mich eine große Freude, mich an euch zu wenden und meine Verbundenheit im Herrn mit einem jeden von euch und dem Volk Gottes, das eurer pastoralen Sorge anvertraut ist, zum Ausdruck zu bringen: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm 15,13). Laßt uns gemeinsam mit der ganzen Kirche in der herrlichen Gemeinschaft der Heiligen Gott, den Vater unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, preisen für das Geschenk des neuen Seligen, und laßt uns darauf vertrauen, daß sein Mut als Märtyrer die Katholiken von Papua-Neuguinea und den Salomoninseln anregt, im Bekenntnis des einen, heiligen, katholischen und apo- 284 REISEN stolischen Glaubens immer noch standhafter zu sein und immer treuer darin, den Forderungen des Evangeliums nachzuleben. Die Kirche ist „Gottes Bau“ (/ Kor 3,9), dessen Baumeister Christus selbst ist (vgl. Mt 16,18). Ihre Fundamente, der Grund für ihre Dauer und Festigkeit sind Petras und die übrigen Apostel. Wir, die wir nach Gottes Plan im apostolischen Dienst nachgefolgt sind, sind beauftragt, das Haus Gottes im Geist zu stützen und wachsen zu lassen (vgl. Christus Dominus, Nm. 1-2). Als Diener des Evangeliums besteht unsere Hauptaufgabe darin, „uns Mühe zu geben, vor allem zum Aufbau der Gemeinde beizutragen“ (vgl. 1 Kor 14,12). Zum Aufbau des Leibes Christi in Liebe gehört sowohl die Evangelisierung wie auch die ständige innere Erneuerung des christlichen Lebens. Unsere Begegnung hier in Port Moresby bietet mir Gelegenheit, euch in der Erfüllung der Aufgaben zu ermutigen, die der Herr auf eure Schultern gelegt hat. Ich darf euch zugleich auffordem, in immer größerer brüderlicher Solidarität für das Wohl der Kirche in dieser „Stunde der Gnade“ zusammenzuarbeiten, die wir mit dem Näherkommen des Dritten Christlichen Jahrtausends, „jenes neuen Frühlings christlichen Lebens [erleben], der von dem Großen Jubeljahr offenbar gemacht werden muß, wenn die Christen fügsam sein sollen gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes.“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 18) 2. Das Jahr 2000 seit der Geburt des Heilandes soll kein Anlaß zu falscher Begeisterung und unrealistischen Erwartungen werden. Nur weil die Ausmaße der Zeit in die Präsenz Gottes eingetaucht sind (vgl. ebd., Nr. 16), kann es als Gelegenheit zur Festigung des Glaubens eures Volkes durch ein intensives Programm von Predigten und Katechesen dienen. Sollen nämlich die Christen und ihre Gemeinschaften im Glauben gefestigt werden, so müssen sie in der Kenntnis Christi und seiner Geheimnisse reifen. Der Katechismus der Katholischen Kirche aber kann eine sehr wirksame Hilfe für die getreue und systematische Darstellung der Fülle der christlichen Lehre sein. Eine gesunde Predigt und Katechese bilden die besten Mittel, um den Männern und Frauen glauben zu helfen, daß Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit sie durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen (vgl. Joh 20,31). Dafür ist die heroische Gestalt des sei. Peter To Rot, des Katechisten und Märtyrers, ein hervorragendes Beispiel. Ich bin mir bewußt, daß sich in den letzten Jahren in dieser Region der Einfluß neuer religiöser Bewegungen und Sekten vermehrt hat. Sie nehmen wenigstens zum Teil deswegen zu, weil einige Aspekte ihrer Aktivitäten eine Lücke ausfüllen, die der Verlust der traditionellen Werte und Lebensauffassungen - ein Verlust, der die massiven Wandlungen im wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben in ganz Melanesien begleitet - mit sich gebracht hat. Ich fordere euch auf, eure pa-storalen Bemühungen zur Meisterung dieser Aufgabe weiterzuführen. Die beste und angemessenste Antwort liegt in der Befähigung eines jeden Getauften, sich die Mahnung aus dem ersten Petrusbrief zu eigen zu machen: „Seid stets bereit, 285 REISEN jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15). 3. Derzeit und in den kommenden Jahrzehnten wird die Kirche von Melanesien von einer vorwiegend missionarischen zu einer mehr und mehr einheimischen übergehen. Dies ist der normale Weg der Entwicklung des kirchlichen Lebens, und das bedeutet im Leben einer jeden Einzelkirche einen sehr heiklen Abschnitt. Die Einpflanzung der Kirche ist das Werk tüchtiger und hingebungsvoller Missionare - Männer und Frauen -, welche die Gemeinde, und zumal die christlichen Familien, schrittweise auf die Bereitstellung der Priester, Ordensleute und führenden Laien, die sie braucht, vorbereiten. Auf diese Weise verwurzelt sich die Kirche fest in Leben und Kultur eines Volkes. Es ist freilich ein langer und empfindlicher Prozeß, der viel geduldige Weisheit und heroische Anstrengung erfordert. Wenn ihr Gott für die Missionare, zumal für die Mitglieder von Ordensgemeinschaften, die mit so viel Hingabe in diesem Teil der Welt gearbeitet haben und weiter arbeiten, dankt, ist euch allen klar, daß ihr noch für lange Zeit die Hilfe von Priestern und Ordensleuten von auswärts braucht. Ich appelliere daher durch euch an die Ordensgemeinschaften, die in euren Ortskirchen Mitglieder haben, alles ihnen Mögliche zu tun, um ihre Präsenz aufrechtzuerhalten und sogar zu verstärken. Ich bin mir der schwierigen Verhältnisse bewußt, worin ihr und eure Priester den Dienst ausüben. In diesem Zusammenhang möchte ich euch ermutigen, euren Priestern nahe zu bleiben und ihnen zu helfen, „die Hamme der Gnade Gottes zu entfachen“ (vgl. 2 Tim 1,6), die sie bei der Weihe empfangen haben. Freilich ist eine ständige intellektuelle, geistliche und pastorale Weiterbildung nötig, so daß die Priester fähig bleiben, ihren geistlichen Dienst für das Volk Gottes zu erfüllen. Diese Unterstützung ist in ihren frühen Priesterjahren besonders wichtig. In diesen „entscheidenden Jahren“ sollen , junge Priester ein persönliches Verhältnis zu ihrem eigenen Bischof und zu einem weisen Seelenführer pflegen und zugleich von Zeit zu Zeit ausspannen sowie die Betrachtung und den monatlichen Einkehrtag halten“ (Kongregation für den Klerus, Direktorium für Leben und Dienst der Priester, Nr. 93). 4. Wenn die Einpflanzung der Kirche voranschreitet und Institute des gottgeweihten Lebens ein neues Niveau erreichen, werden ihr Gebet und ihre treue Beobachtung der evangelischen Räte sowie ihr geschwisterliches Leben mehr und mehr für das Zeugnis der Kirche von der Heiligkeit erforderlich. In den Einzelkirchen müssen daher gottgeweihte Männer und Frauen in steigendem Maße für das geschätzt werden, was sie sind, mehr als bloß für das, was sie tun! Wenn die Gesellschaft Anzeichen der Zersplitterung aufweist und gewisse Erscheinungen des Konsumdenkens und des Materialismus einen Niedergang überlieferter Werte verursachen, müssen sich die Ordensleute im Licht der besonderen Gabe ihrer Gründer und Gründerinnen selbst erneuern, einer Gabe, die sie von Gott empfangen 286 REISEN haben und von der Kirche anerkannt wurde (vgl. Redemptionis donum, Nr. 15). Nur so wird ihr Zeugnis wahrhaft prophetisch sein und ständig an die Präsenz des Reiches Gottes in der Welt erinnern. In besonderer Weise fordere ich euch auf, die geistliche und kirchliche Reife gottgeweihter Frauen zu fördern, indem ihr ihren spezifischen Beitrag zu Leben und Sendung der Kirche anerkennt und voranbringt. In vielen Fällen wird ja gerade durch ihre Tätigkeiten in engem Kontakt mit dem Volk die Kirche als liebevoll präsent empfunden, und das Evangelium wird damit echt in das Geflecht einer gegebenen Gesellschaft, eines Dorfes oder einer Gemeinschaft eingefügt. Soll aber diese Form einer höheren und umwandelnden „Inkulturation“ positive Ergebnisse bringen, sollten die Ordensleute selbst ein wirklich auf Christus konzentriertes geistliches Leben führen sowie auch ernsthaft und kontemplativ die Heilige Schrift studieren und auch die Äußerungen des Lehramtes dazu kennen. 5. Ja, auf viele verschiedene Weisen erbaut der Heilige Geist allezeit die Kirche zu einem „Tempel des lebendigen Gottes“ (2 Kor 6,16)! Einer der hauptsächlichen Kanäle aber für eine tiefe und durchdringende Inkulturation des Evangeliums in einer Gesellschaft ist die christliche Familie, der eigentliche Kern des „Glaubensgebäudes“ (vgl. Gal 6,10). Die Überlegungen und Veröffentlichungen eurer Konferenz zeigen, daß ihr die Stärkung des Familienlebens zu einer eurer pastoralen Prioritäten gemacht habt. Diese grundlegende Gemeinschaft von Personen ist ja keine Schöpfung des Menschen, sie hat vielmehr „im Anfang“, am Beginn der Schöpfung, ihren Ursprung (vgl. Brief an die Familien vom 2. Februar 1994, Nr. 18). Daher muß die Familie immer Hilfe erfahren, um auf das Niveau des ursprünglichen Planes des Schöpfers zu gelangen: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch.“ (Gen 2,24) Im sei. Peter To Rot haben die Gläubigen einen Lehrer der Heiligkeit von Ehe und Familie vor sich, einen Mann, der seine Predigt mit seinem Blut besiegelt hat. Er war ein hingebungsvoller Mann, der die Weisung des Evangeliums prophetisch vorlebte, die Ehegatten sollen „sich einer dem andern unterordnen in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5,21); (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 24). Er war ein liebevoller Vater der seine Kinder „ehrte“ (vgl. Brief an die Familien, Nr. 15). Der Tod des sei. Peter To Rot wurde weitgehend beschlossen, weil er unbeugsam die sakramentale Würde der Ehe verteidigte. Mögen daher die Gläubigen in eurer Lehre stets ein Echo der Stimme des Erlösers vernehmen - wenn ihr zur sakramentalen Eheschließung „im Herrn“ aufruft (/ Kor 7,39), wenn ihr die Werte der Treue und der gegenseitigen Liebe in Erinnerung ruft, aber auch in euren Einladungen an die Eheleute, die volle Wahrheit der ehelichen Keuschheit vorzuleben. Das ist um so wichtiger, da die Ehe für Getaufte zur Würde eines Sakraments erhoben wurde. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt! Dankbar für eure „Partnerschaft im Evangelium“ (vgl. Phil 1,5), versichere ich euch meiner herzlichen Unterstützung. Ich bete für 287 REISEN euch und eure Mitarbeiter im Herrn. Mit Gottes Gnade und dem mütterlichen Schutz Mariens baut ihr die Kirche in Papua-Neuguinea und auf den Salomoninseln auf und gestaltet sie zu einer würdigen Wohnung Gottes. Möge Gott euren Dienst überreich segnen. Von Herzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Freude und des Trostes in Christus, unserem Herrn. Die Sorge für die Leidenden gehört seit jeher zum Auftrag der Kirche Homilie beim Wortgottesdienst für die Kranken in der den Missionaren vom Heiligen Herzen anvertrauten Kirche „St. Joseph“ in Boroko (Papua-Neuguinea) am 18. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gnade und Friede für euch in Jesus Christus! Ich freue mich über diese Gelegenheit, euch zu begegnen und einige ermunternde Worte an euch zu richten. Die Fürsorge für die Kranken und Leidenden ist immer eine besondere Sorge der Jünger des Herrn gewesen. Seit den Anfangszeiten der Kirche, als die Missionare die Frohbotschaft des Evangeliums in die fernsten Länder trugen, brachten sie auch die Liebe und das Mitleid für die Menschen mit, die an Krankenheiten litten. Diese Liebe hat es ermöglicht, daß viele Eingeborene diese Boten Christi willkommen geheißen haben und Gott kennenlemen wollten, der Menschen zu solchen Handlungen selbstloser Großherzigkeit inspirierte. Deshalb bin ich heute zu euch gekommen, um euch zu versichern, daß die Kirche euch, die ihr leidet, nahe ist wie Christus selbst. Die Kirche vertraut euch dem Herrn an. Sie betet dafür, daß er euch den Trost und die Hoffnung gewährt, die euch den Frieden bringen sollen. 2. Das menschliche Leiden ist ein großes Geheimnis, aber unsere christliche Tradition hilft uns, es zu verstehen. Im ersten Petrusbrief wird uns gesagt, daß es uns beschieden sein kann, in unserem Leben das Leiden zu erfahren, daß wir aber nur durch das Zeugnis des Glaubens unser Seelenheil erlangen werden (vgl. 1 Petr 1,6-9). Der einzige Weg, an dem glorreichen Sieg Christi über die Sünde und über den Tod teilzuhaben, ist die Verbundenheit mit ihm in seinem Leiden und Sterben. Der Tod und die Auferstehung Christi sind es, die uns auf den Sinn des menschlichen Leidens hinweisen. Die Gläubigen, die in Einheit mit Christus leiden und sich ihm anvertrauen, tragen dazu bei, die anderen mit ihrem Heil bekanntzumachen. Wenn ihr mit Christus leidet, gebt ihr zu erkennen, selig zu sein, weil ihr, wie uns der Herr im Evangelium sagt an ihm keinen Anstoß genommen habt (vgl. Lk 7,23). Das Leiden und die Kreuzigung Jesu sind für euch kein Hindernis, sondern eine 288 REISEN Quelle der Freude und Hoffnung. Dadurch, daß ihr euer Leiden in dieser Weise annehmt, verhelft ihr den anderen dazu, die Würde der menschlichen Person zu sehen. Ihr offenbart einen Gott, der uns so hebt, daß er einer von uns geworden ist, um unser Leiden und unsere Trauer zu teilen. Ihr macht die Wahrheit bekannt, der zufolge Gott den Tod in eine wunderbare Zukunft verwandeln wird, wo er von unseren Augen „alle Tränen abwischen wird“ (vgl. Offb 21,4). 3. Liebe Freunde, seht, wie wichtig ihr seid! So wie ihr in Einheit mit Christus leidet, seid ihr mit ihm im Gebet verbunden. Erinnert euch an Ijob: Nachdem er schreckliche Leiden und Heimsuchungen ertragen hatte, betete er für seine Freunde, und „der Herr nahm Rücksicht auf Ijob“ (Ijob 42,9). Auch ihr könnt sehr wirksam für einen Nächsten, für Männer und Frauen, für die Kirche und für die Welt beten. Ich möchte euch ermutigen: Ihr sollt die Gegenwart Jesu immer tiefer spüren können, während ihr versucht, euch ihm und seinem Kreuz anzuschließen. Meine Gebete und die Gebete der Kirche begleiten euch immer. Am Ende der Homilie richtete der Heilige Vater an die in der Kirche „St. Joseph“ versammelten Kranken die folgenden Worte: Ich muß noch hinzufügen, daß die Seligsprechung von Peter To Rot für euch alle, für die Kirchen, für die einzelnen Personen und für die Familien, die leiden, eine große Ermutigung sein sollte. Er ist ein Märtyrer, und das Martyrium ist Leiden. Als Märtyrer und als Seliger von Papua-Neuguinea und von den Salomoninseln ist er euer aller Schutzpatron. Er ist ein Beispiel für das Leben in der Gnade der Kinder Gottes. Zweitens ist er euer Fürsprecher. Wendet euch im Gebet an ihn, ruft ihn für eure Sorgen und Nöte an. Ihr und der selige Peter To Rot seid vom selben Kontinent, von derselben Nation, von derselben Kirche. Ihr steht uns nahe. Ihr werdet die volle Gemeinschaft der Heiligen und Gott selber in seiner Barmherzigkeit erlangen. Gott und die Jungfrau Maria mögen euch alle segnen. 289 REISEN Papua-Neuguinea gleicht mit der Vielfalt seiner Sprachen und Traditionen einem phantastischen Wandteppich, an dem Gott webt Ansprache beim Abschied von Papua-Neuguinea auf dem internationalen Flughafen von Port Moresby am 18. Januar Liebe Freunde! Liebes Volk von Papua-Neuguinea! Ich grüße euch und euer herrliches Land mit einem von Dankbarkeit, Freude und Hoffnung erfüllten Herzen. 1. Ich bin zutiefst dankbar für die herzliche Gastfreundschaft, die mir vom Volk von Papua-Neuguinea bereitet worden ist. Ich spreche meinen aufrichtigen Dank allen aus, die diesen Pastoralbesuch möglich gemacht haben, in besonderer Weise Seiner Exzellenz, dem Generalgouvemeur, dem Premierminister und den verehrten Parlamentsmitgliedern. Ich danke außerdem meinen Brüdern im Bischofsamt, dem Klerus, den Ordensleuten und Laien, von denen viele still und diskret Opfer gebracht haben, damit dieser Besuch den anderen Freude und Kraft bereiten konnte. Ich danke auch allen jenen, die mir so großzügig beigestanden sind, jenen, die sichergestellt haben, daß alle Veranstaltungen geordnet verlaufen sind, und allen Mitarbeitern der sozialen Kommunikationsmittel, die es ermöglicht haben, daß meine Stimme die Leute an anderen Orten erreichte. 2. Ich habe während meines kurzen Aufenthalts unter euch große Freude empfunden - Freude vor allem darüber, daß ich die Möglichkeit hatte, hier, in Papua-Neuguinea, die Seligsprechung von Peter To Rot zu feiern, des ersten Sohnes dieses Landes, der offiziell unter die Seligen im Himmel aufgenommen worden ist. Es war für die Katholiken eurer Nation wirklich ein Anlaß zum Fröhlichsein und es war ein bedeutsames Ereignis für euer ganzes Volk. Das Leben des seligen Peter To Rot ist ein kostbarer Schatz, der für immer euch gehört. Der neue Selige ist ein leuchtendes Vorbild, von dem ein strahlendes Licht ausgeht, ein Licht, das euch die edlen Ideale hochhalten läßt, die ihn inspiriert haben: der Glaube an Gott, die Liebe zur Familie, der Dienst am Nächsten und ein starker Mut angesichts der Prüfungen und Opfer. 3. Unsere Begegnungen während dieser zwei Tage haben mir große Hoffnung gemacht. Überall bin ich Menschen begegnet, die ein echtes Verlangen hatten, Gott zu dienen und seinen Weg zu gehen. In eurem Glauben werdet ihr die Weisheit und Inspiration finden, um den Herausforderungen zu begegnen, vor denen euer Land steht. Der Glaube verlangt Solidarität gegenüber den Personen, die von dem tragischen Vulkanausbruch in Neubritannien betroffen sind, und gegenüber den Flüchtlingen in den verschiedenen Teilen von Papua-Neuguinea. Der Glaube ver- 290 REISEN langt, daß alle in den bewaffneten Konflikt und in die Gewalt in Bougainville verstrickten Parteien den Mut haben sollen, nach einer wirklich gerechten und friedlichen Lösung für ihren Konflikt zu suchen. Der Glaube verlangt, daß alle für das Wohl des ganzen Volkes Zusammenarbeiten. 4. Liebe Freunde, wenn ihr euer herrliches Land mit seinen Dschungeln und seinen großen Flüssen, seinen Gebirgen und tiefen Talschluchten, seinen Vulkanen und dem unendlichen Meer betrachtet, dann dankt Gott, dessen Güte grenzenlos ist. Mit euren vielen verschiedenen Sprachen und Traditionen gleicht ihr einem phantastischen Wandteppich, an dem Gott webt und dem er das Bild einer Familie verschiedener, aber geeinter Völker verleiht, über die er seinen Segen sprechen möchte. Ich bete dafür, daß in euren Häusern und in eurem Leben immer dieser Friede herrschen möge! Gott segne euch alle. Gott segne Papua-Neuguinea! Die Ehre der Seligsprechung für Mutter MacKillop ist eine Anerkennung für Australien und seine Menschen Ansprache nach der Ankunft auf dem „Kingsford-Smith“-Flughafen von Sydney, der Hauptstadt des australischen Bundeslandes Neusüdwales, am 18. Januar Seine Exzellenz, Herr Generalgouvemeur! Herr Premierminister! Seine Eminenz! Meine Brüder im Bischofsamt! Liebe australische Freunde! 1. Mit großer Freude und Wertschätzung begrüße ich euch alle, während ich Gott zutiefst dankbar bin, daß er mich noch einmal das geliebte Australien besuchen läßt. Ich danke Ihnen, Exzellenz, daß Sie persönlich zu meiner Begrüßung gekommen sind. Ich danke Ihnen, Herr Premierminister, für Ihre herzlichen Worte, die Sie im Namen der Regierung und des Volkes an mich gerichtet haben. Ich grüße herzlich alle Anwesenden und alle, die mich über den Rundfunk oder das Fernsehen hören. Dem heben Kardinal Clancy und meinen Brüdern im Bischofsamt bringe ich erneut meine brüderliche Liebe im Herrn zum Ausdruck. Ich freue mich sehr, noch einmal mit der katholischen Gemeinde Australiens die Geheimnisse unseres Glaubens und die Hoffnung auf das Heil, die uns in unserem Herrn und Heiland Jesus Christus verbindet, feiern zu können. Ich bin ehrlich erfreut darüber, daß die erste Seligsprechung eines australischen Bürgers - einer Australierin! - gerade an diesem Ort, im geliebten Land von Mutter Mary MacKillop, stattfinden kann. 291 REISEN 2. Obwohl diesmal mein Besuch nur kurz sein kann, bin ich sicher, daß er eine intensive gemeinsame Erfahrung des Gebets, des Dialogs und der Freude sein wird, so wie es mein vorhergehender Besuch im Jahr 1986 gewesen ist. Damals war es mir möglich, in alle australischen Bundesländer und Territorien zu reisen. Ich erinnere mich an die unermeßlichen Dimensionen des Landes, an seinen majestätischen Charakter und seine Naturschönheiten, an eure modernen Städte, an die reiche Mannigfaltigkeit eurer Bevölkerung und an die eindrucksvollen Beweise seiner Leistungskraft und Initiative. Von den Ureinwohnern bis zu den jüngsten Einwanderern, unter Jungen und Alten, unter Eltern mit ihren Familien konnte ich euren kostbarsten nationalen Schatz entdecken: das australische Volk selbst mit seiner ganzen Kreativität und seine Bestimmung. 3. Die reichen Früchte, die dieses Erbe hervorbringen kann, wenn es von einem tiefen Glauben erleuchtet wird, liegen klar zutage in dem Beispiel einer außergewöhnlichen australischen Frau: Mutter Mary MacKillop. Mary MacKillop hat das Beste eures Landes und seiner Menschen verkörpert: echte Offenheit gegenüber den anderen, Gastfreundlichkeit gegenüber den Fremden, Hochherzigkeit gegenüber den Bedürftigen, Gerechtigkeit für alle, die ungerecht behandelt werden, Beharrlichkeit angesichts von Widrigkeiten, Hilfsbereitschaft gegenüber den Leidenden. Ich bete darum, daß das Vorbild dieser Frau viele Australier dazu inspirieren möge, stolz auf ihr christliches Erbe zu sein und für eine bessere Gesellschaft für alle zu arbeiten. Sie sollen das tun, indem sie mutig und engagiert überall tätig werden, wo Armut oder Ungerechtigkeit herrscht, überall wo unschuldiges Leben bedroht oder die Menschenwürde herabgesetzt wird. 4. In den Jahren, die seit meinem letzten Besuch vergangen sind, hat sich in der Welt vieles verändert, und auch in Australien hat sich vieles verändert. Auf internationaler Ebene sind der Zusammenbruch des auf Ideologie gegründeten Totalitarismus und das Nachlassen der politischen und militärischen Spannungen zwischen den Blöcken zweifellos die bemerkenswertesten Ereignisse. Die Segnungen, die man sich von diesen Umwandlungen erwartet haben mochte, scheinen allerdings noch in weiter Feme zu liegen, und schon beginnen sich neue Spannungsund Konfliktquellen abzuzeichnen. Wie viele andere entwickelte Länder muß sich auch Australien wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stellen. Aber viele Menschen, vor allem die Armen und Ausgegrenzten, brauchen immer noch die Hilfe der Gesellschaft. Es gibt eine kulturelle und geistig-geistliche Krise, die viele, vor allem junge Menschen verunsichert und verwirrt hinsichtlich der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens und der Werte, die ihren Anstrengungen einen Sinn und eine Orientierung geben würden. In der modernen Kultur gibt es ein wachsendes Bewußtsein für die Notwendigkeit einer moralischen und geistigen Erneuerung: die Notwendigkeit einer neuen inne- 292 REISEN ren Einstellung, bei der die Menschen mehr zählen als Sachen und menschliche Würde Vorrang haben wird vor dem materiellen Gewinn. 5. Liebe australische Freunde, eure Mary MacKillop bietet den Schlüssel für diese Erneuerung. Sie war eine mutige Frau, die das materielle und geistige Wohl der anderen über jeden persönlichen Ehrgeiz oder Vorteil gestellt hat. Die Ehre, welche die Kirche Mutter Mary MacKillop mit ihrer Seligsprechung erweisen wird, ist in gewisser Weise eine Ehre, die Australien und seinen Menschen erwiesen wird. Sie ist auch eine Einladung, eine Einladung an die ganze Gesellschaft, echte Liebe und aufrichtige Sorge für alle jene zu zeigen, die von den Lasten des Lebens überfordert sind. Ich wage zu sagen, daß eure Antwort ganz wesentlich den Gesellschaftstyp bestimmen wird, den ihr an die künftigen Generationen in diesem großen, vielversprechenden Land weitergeben werdet. Und nun erlaubt mir, daß ich meine Gedanken und meine Gebete an Japan, an die zahlreichen Opfer des gestrigen Erdbebens richte. Beten wir für sie, und Gott möge allen Betroffenen und allen, die Hilfe leisten, Kraft und Mut geben. Danke. Nochmals danke ich allen für den Empfang. Gott segne das geliebte australische Volk. Gott segne euer herrliches Land! Danke. Ein kleiner Kontinent mit großen Möglichkeiten humaner Entwicklung Ansprache bei der Begegnung mit der Bevölkerung in Sydney (Australien) am 18. Januar Liebe australische Freunde! Guten Abend! 1. Ihr seht, ich bin wieder hier in Australien. In den vergangenen Monaten hat sich manch einer gefragt, ob ich in der Lage sein würde zu kommen. Aber die göttliche Vorsehung hat mir gestattet, diese Pilgerreise zu unternehmen, die mich bereits nach Manila auf den Philippinen zum Weltjugendtag und dem vierhundertjährigen Gründungsjubiläum der Kirche dieses Landes geführt hat. Wie ihr seht, sind die jungen Leute sehr energisch. Sie bewogen den Papst, nicht nur in die Philippinen zu kommen, sondern auch nach Australien. Dann war es mir eine große Freude, nach Port Moresby in Papua-Neuguinea zu reisen zur Seligsprechung von Peter To Rot, einem Katechisten, der kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Gefangenenlager sein Leben für den Glauben opferte. Nun bin ich hier in Sydney zur Seligsprechung von Sr. Mary MacKillop. Von hier werde ich dann nach Colombo zu einer weiteren Seligsprechungreisen - die von Pater Joseph Vaz, dem großen Missionar von Sri Lanka. So lange Gott es mir zugesteht, muß ich das Amt des hl. Petrus ausüben, um zu bekennen, daß Jesus Christus Messias und Herr ist 293 REISEN (vgl. Mt 16,16), und um meine Brüder und Schwestern in diesem wahren Glauben zu bestärken (vgl. Lk 22,32). Ich danke euch allen für eure liebenswürdige und freundliche Begrüßung heute abend. Ganz besonders danke ich dem Premierminister von Neusüdwales und allen Vertretern der nationalen, regionalen und lokalen Behörden. Es ist mir eine große Freude, mit Kardinal Clancy und den anderen Brüdern im Bischofsamt, so vielen Priestern, Ordensleuten und Laien der Kirche von Sydney und aus anderen Teilen dieses weiten Landes zusammenzusein. Es ist ein Kontinent! Der kleinste -aber ein Kontinent! Ich begrüße euch alle mit den Worten des Neuen Testaments: „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle“ {2 Petr 1,2). Das sind Worte des hl. Petrus. 2. Hier in Sydney sind wir von eindrucksvollen Symbolen des modernen Australiens umgeben, von bemerkenswerten Bauten, die den Eindruck erwecken, als seien sie Monumente der Gnade, mit der der allmächtige Gott euer Land reich gesegnet hat. Wir werden an all das erinnert, was Künste, Wissenschaften, Regierung und Religion zur schöpferischen und lebenstüchtigen Gesellschaft beigetragen haben, die sich in eurem Land entwickeln konnte. Den Gläubigen erinnern diese von Menschenhand geschaffenen Werke an eine tiefere, geheimnisvollere Realität: die Tatsache, daß wir die lebendigen Steine sind, die Gott für den Aufbau seines Reiches in unserer Mitte ausersehen hat. Er braucht jeden einzelnen von uns, damit die Welt in Gerechtigkeit und Frieden wieder neu erstehen kann. Ihr habt eben eine Darbietung über das Leben und das Werk von Mary MacKillop, Mutter Maria vom Kreuz, gesehen. An ihrem hervorragenden Beispiel erkennen wir, wie Gott den Menschen, wirklich jeden Menschen einsetzt, der aufrichtig den Wunsch hat, Gottes Werkzeug zu sein, um die Dinge zum Besseren zu wenden und Licht und Hoffnung in das menschliche Herz zu bringen. Ihre Geschichte, die Geschichte von Mary MacKillop, fordert alle Australier zu einer radikalen persönlichen und gesellschaftlichen Erneuerung auf und lädt euch ein, unsere Hoffnung in Jesus Christus zu hegen und zu leben (vgl. 1 Petr 1,3). Mary MacKillop hatte ihr ganzes Dasein Gott geweiht, und in der Erfüllung der Pflichten ihrer geistlichen Berufung bemühte sie sich jeden Tag um die Einhaltung des ersten aller Gebote: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken“; und des zweiten Gebots, das ebenso wichtig ist wie das erste: „Du sollst deinen Nächsten heben wie dich selbst“ {Mt 22,37-39). Da ihr Herz in Liebe zu Gott entbrannte, setzte sie sich unermüdlich für die Schwachen, die Armen, die Leidtragenden und all diejenigen ein, die ihr Leben am Rande der Gesellschaft fristen. Sie machte es zu ihrer Aufgabe, Frauen und Familien in Not zu unterstützen und den Bildungsmangel unter den Jugendlichen zu beheben. Mit fester Willenskraft und tiefem Mitgefühl sah sie in jedem ihrer Brüder und Schwestern das Bild und Gleichnis Gottes; in ihren Augen war jeder Mensch eine Seele von unermeßlichem Wert, für die Christus sein so kostbares Blut vergossen hatte. In ihr fanden die Unerwünschten, die Ungeliebten 294 REISEN und von der Gesellschaft Verstoßenen Trost und Kraft. Durch ihre Arbeit wurde sie zu einer starken Quelle der Inspiration für andere gleichgesinnte Frauen, und durch die von ihnen geteilte Erfahrung entstand die Kongregation der Schwestern des hl. Josef. Mary MacKillops Glaube und Einsatz sind Teil eures australischen Erbes geworden: ein tief in der Kenntnis Gottes verwurzelter Glaube, eine von der Gegenwart Christi durchtränkte Hoffnung, eine durch die Selbstlosigkeit eines aufrichtigen und ungeteilten Herzens zum Ausdruck gebrachte Liebe. 3. Australien braucht ein solches Engagement, für das Mary MacKillop ein so einleuchtendes Beispiel ist. Denkt an die Geschichte eures Landes: das heutige Australien ist von jenen Männern und Frauen gegründet worden, die aus allen Teilen der Welt in euer Land kamen, auf der Suche nach einem besseren Leben, nach Freiheit, Gerechtigkeit und Toleranz. Darum setzt sich eure Gesellschaft aus vielen verschiedenen Kulturen zusammen. In einer Welt, in der die Einheit zunehmend durch ethnische Rivalitäten und rassistische Einstellungen bedroht wird, müßt ihr weiterhin unbeirrt an den Idealen der Harmonie und der Solidarität fest-halten, die auf der Achtung der unveräußerlichen Würde jedes einzelnen Menschen - ohne Ausnahme - beruhen. 4. Es ist mir eine große Freude, heute abend hier mit den Vertretern der verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften von Australien zusammenzutreffen. Laßt uns zu Beginn dieser Woche des Gebets für die Einheit der Christen, wenn die Anhänger Christi in aller Welt den Heiligen Geist um das Geschenk der Versöhnung und der Einheit bitten, unsere Hoffnungen und Gebete für die Gnade und die Weisheit vereinen, die notwendig sind, um die Spaltungen der Vergangenheit mit all ihren Mißverständnissen und dem gegenseitigen Mißtrauen zu überwinden. Ich bestärke euch in euren Bemühungen um einen authentischen ökumenischen Dialog, und meinerseits bestätige ich erneut das gleiche Engagement seitens der katholischen Kirche in der bestimmten Hoffnung, daß eines Tages das Gebet Christi beim letzten Abendmal in Erfüllung gehen wird: , Alle sollen eins sein“ ([Joh 17,21). 5. Liebe Brüder und Schwestern, inmitten dieser prachtvollen Szenerie moderner Errungenschaften hier in Sydney möchte ich euch lediglich daran erinnern, daß jeder von uns berufen ist, Bestandteil - einzigartiger und unersetzlicher Bestandteil - einer Struktur zu sein, die viel größer ist als alles, was wir hier sehen. Gott, der alle Dinge schuf, um seine Liebe und seine Weisheit kundzutun, kann unendlich viel mehr als jeder menschliche Erbauer je können wird: Seid willige Werkzeuge in seinen Händen. Schaut auf das Beispiel einer eurer eigenen heroischen Frauen, Mary MacKillop, die heilige Tochter der Kirche. Möge sie in jedem von euch das Verlangen wachrufen, Gottes eigenes Werk zu sein. Es ist mein inniger Wunsch, daß die Kirche in Australien auch heute im Licht des Evangeliums den Aufbau einer Nation begeistern, unterstützen und führen wird, deren Geschichte, 295 REISEN so umfassend wie möglich, eine zutiefst von der Liebe zu Gott und dem Nächsten gekennzeichnete Geschichte ist. Gott segne Australien! Gott segne die Menschen in Sydney und Neusüdwales! Gott segne das Commonwealth von Australien! Eine Zierde der Kirche Australiens Predigt bei der Seligsprechung von Mutter Mary MacKillop in Sydney (Australien) am 19. Januar „Euch muß es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir feiern ein außergewöhnliches Ereignis im Leben der Kirche in diesem Land: die Seligsprechung von Mutter Mary MacKillop, der ersten Australierin, die formell zur Seligen des Himmels erklärt wird. Ich freue mich mit euch allen: mit Kardinal Clancy und meinen Brüdern, den Bischöfen, mit den Priestern und Ordensleuten und euch Laien allen, Männern und Frauen, Familien, Jugendlichen und Kindern, die ein strahlendes und echtes Zeichen für die Lebenskraft der Kirche sind. Ich danke Gott für die Möglichkeit, diese Seligsprechung gerade hier auf australischem Boden vornehmen zu dürfen. Tatsächlich bietet auch Australien selber eine Art Hintergrund für die Gedanken, die ich euch vorlegen möchte. Erst vor wenigen Wochen hat die Kirche das Hochfest der Geburt des Herrn begangen, und die Liturgie von heute enthält noch ein Echo dieses Heilsgeheimnisses. Die erste Lesung aus dem Propheten Jesaja ruft die Adventsliturgie in Erinnerung, und sie enthält einige Bilder, die sich leicht auf euren eigenen Kontinent anwenden lassen. Jesaja schreibt: „Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott“ (40,3) Der Prophet spricht von Kontrasten zwischen Tälern und Bergen, zwischen rauhem Gelände und ebenen Flächen (vgl. 40,4). In all dem bezieht er sich natürlich auf die Geographie des Heiligen Landes. Aber rufen diese Bilder nicht auch die Geographie Australiens in Erinnerung? Gibt es im Zentrum Australiens nicht eine gewaltige Wüste, bei der nur die äußersten Randgebiete reich und fruchtbar sind? Gibt es hier nicht zerklüftete Hochebenen und tiefe Täler? Und finden wir hier nicht neben rauhem Gelände auch schöne und gastliche Landschaften? 2. Die Kontraste reichen aber über die Topographie hinaus; sie werden auch in den ethnischen Ursprüngen des Volkes deutlich. Australien hat geschichtlich betrachtet Einwanderer aufgenommen und wurde damit zum Land der Begegnung zwischen sehr unterschiedlichen Kulturen und Zivilisationen. Schon bevor die ersten Europäer vor mehr als zwei Jahrhunderten herkamen, waren die eingeborenen 296 REISEN Völker hier schon Zehntausende von Jahren präsent. Tatsächlich sagen uns Ethnologen, daß die Ureinwohner Australiens zu den ältesten Völkern der Erde gehören. Diese Kontraste bei den Völkern und Kulturen machen eure Nation zu einer wunderbaren Mischung von Alt und Neu, so daß Australien heute ein Land der Verschiedenheit und Einheit zugleich ist, bereichert durch die Beiträge, die diese verschiedenen einzelnen und Gruppen in den Aufbau der Gesellschaft investiert haben. Die Ermutigung des Propheten Jesaja gewinnt eine besondere Bedeutung für die hier Versammelten und für die Katholiken Australiens. Denn hier in eurem eigenen Land soll der Weg für den Herrn bereitet werden, so daß Australien zum Ort wird, „wo sich die Herrlichkeit des Herrn offenbart und alle Sterblichen sie sehen werden“ (vgl. Jes 40,5). Tatsächlich hat sich diese Herrlichkeit bereits überreich in Mary MacKillop gezeigt, und wenn die Kirche sie zur Sehgen erklärt, dann bedeutet das: Die vom Evangelium verlangte Heiligkeit ist ebenso australisch, wie sie eine Australierin war. Das ist die Botschaft, die ich zumal an Mutter MacKil-lops geistliche Töchter richten möchte, an die Mitglieder der von ihr gegründeten Kongregation. Seid versichert, liebe Schwestern, daß die Kirche euer Zeugnis und eure Treue braucht. Auch Australien schätzt eure Präsenz und euer hingebungsvolles Apostolat. 3. Es ist bezeichnend, daß Mutter Mary MacKillop ihrer Kongregation den Namen des hl. Joseph gab, eines Mannes, der sein ganzes Sein und Leben Gottes hebevoller Vorsehung anvertraut hat. Joseph von Nazaret war ein Mann grenzenlosen Vertrauens. Nur so war er in der Lage, der einzigartigen Berufung nachzuleben, die er von Gott empfangen hatte, nämlich der Bräutigam der Jungfrau Maria und der Hüter von Gottes eigenem Sohn zu werden. In der Geschichte der Kirche war der hl. Joseph stets ein besonderes Vorbild der Heiligkeit. Wenn die sei. Mary MacKillop daher ihrer Kongregation den Namen des hl. Josephs gab, dann brachte sie damit zweifellos einen Zug ihres eigenen geisthchen Lebens zum Ausdruck, einen Zug, der dann für ihre Nachfolgerinnen zum Charisma wurde, aber heute auch für uns alle, die wir von ihrem Beispiel lernen wollen. Im Evangelium sagt der Herr: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, daß ihr etwas zu essen und zu trinken habt ... Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?“ (vgl. Mt 6,25-26). Joseph, der „Gerechte“, lebte nach diesen Worten. Daher geben uns diese Worte auch einen Einblick in das, was die Grundhaltung eines jeden geistlichen Lebens sein muß: Offenheit, Vertrauen und Fröhlichkeit in der Gewißheit von Gottes besonderer Liebe zu jedem Menschen, „dem einzigen Geschöpf auf Erden, das Gott um seiner selbst willen geschaffen hat“ (Gaudium et spes, Nr. 24). 4. Der Herr schließt seine Lehre über das Vertrauen auf die Vorsehung mit der Aufforderung: „Macht euch also keine Sorgen ... Euer himmlischer Vater weiß, 297 REISEN daß ihr das alles braucht. Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,31-33). In der Geschichte des australischen Katholizismus wurde dieses „Suchen des Reiches Gottes“ in hervorragender Weise durch die sei. Mary vom Kreuz verwirklicht. In der Weite des australischen Kontinents ließ sich die sei. Mary MacKillop nicht durch die große Wüste oder die gewaltigen Entfernungen der entlegenen Gebiete noch von der geistlichen „Wildnis“ entmutigen, die so viele ihrer Mitbürger getroffen hatte. Sie bereitete vielmehr kräftig dem Herrn in den am meisten herausfordernden Situationen den Weg. Mit Freundlichkeit, Mut und Mitleid war sie ein Herold der Frohbotschaft unter den isolierten Einzelgängern und den Slumbewoh-nem der Städte. Mutter Mary vom Kreuz wußte, daß hinter der Unwissenheit, dem Elend und dem Leid, auf das sie stieß, Menschen standen, Männer und Frauen, Jung und Alt, die sich nach Gott und seiner Gerechtigkeit sehnten. Sie wußte es, weil sie ein echtes Kind ihrer Zeit und an ihrem Ort war: die Tochter von Einwanderern, die immerfort zu ringen hatten, ein Leben für sich selber in ihrer neuen Umgebung aufzubauen. Ihre Geschichte erinnert uns an die Notwendigkeit, Menschen willkommen zu heißen, auf die Alleingelassenen, Hinterbliebenen und vom Schicksal Geschlagenen zuzugehen. Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen bedeutet, sich bemühen, Christus im Fremden zu sehen, in ihnen Ihm zu begegnen und ihnen zu helfen, Ihm in einem jeden von uns zu begegnen! 5. Ebenso wie in der Zeit von Mutter MacKillop hat die Gemeinschaft der Christen von heute mit zahlreichen modernen „Wüsten“ zu tun: mit den ausgedehnten Bereichen der Gleichgültigkeit und Intoleranz, mit der Trostlosigkeit des Rassenwahns und der Verachtung für andere menschliche Wesen, mit der Unfruchtbarkeit der Selbstsucht und der Glaubenslosigkeit - Sünde in all ihren Formen und Ausprägungen und mit dem Skandal der Sünde, die auch noch von den Medien der sozialen Kommunikation verherrlicht wird. Wenn die Kirche beständig an Gottes Gesetz erinnert, wie es im Herzen des Menschen eingeschrieben sowie im Alten und Neuen Testament geoffenbart ist, dann nicht deswegen, weil sie irgendwie willkürlich an vergangenen Überlieferungen und überholten Anschauungen festhält. Es geht vielmehr darum, daß der von seinem Schöpfer und Erlöser losgelöste Mensch sein Geschick nicht erfüllen und keinen Frieden finden kann. Überall soll daher die Kirche „ein Zeichen und Hort der Transzendenz der menschlichen Person sein“ (Gaudium et spes, Nr. 76). Wenn sie das Leben gegen die Übel der Abtreibung und Euthanasie verteidigt, wenn sie angesichts alter und neuer Angriffe auf seine Festigkeit ein festes Familienleben ermutigt, indem sie auf allen Gebieten durch ihre Soziällehre die Gerechtigkeit fördert, ist die Kirche ein echter Sauerteig des Evangeliums in jedem Bereich menschlicher Tätigkeit (vgl. Gaudium et spes, Nr. 40). Dieses bedeutende Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche in der modernen Welt hat die Mitglieder der Kirche auf etwas aufmerksam gemacht, was zu jeder Zeit angebracht ist: „Die Christen können ... 298 REISEN nichts sehnlicher wünschen, als den Menschen unserer Zeit immer großherziger und wirksamer zu dienen“ (ebd., Nr. 93). 6. Wie sollen wir das schaffen? Die klare und unzweideutige Antwort des hl. Paulus finden wir in der zweiten Lesung dieser Messe. Seine Worte an die Kolosser zeigen an, was das Herz einer jeden christlichen Berufung ist. Er sagt: „Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält“ (Kol 3,14). Was heißt das: ,3ekleidet euch mit Liebe“? Der hl. Paulus erklärt es: „Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat“ (Kol 3,12-13). Hier entnimmt der hl. Paulus seine Anregung den Seligpreisungen, und im gleichen Geist schreibt er über den Frieden Christi, zu dem wir alle berufen sind (vgl. Kol 3,15), endlich über die Notwendigkeit, in allen Dingen Dank zu sagen (vgl. Kol 3,17). 7. In dieser feierlichen Liturgie spricht die Kirche ihre Dankbarkeit an Mutter Mary vom Kreuz aus, an die von ihr gegründete Ordensgemeinschaft und allen Ordensgemeinschaften. Die kürzlich abgehaltene Bischofssynode, die dem Leben und der Sendung des gottgeweihten Lebens gewidmet war, erkannte voll den großen Beitrag an, den die Ordensgemeinschaften der Kirche sowie der Kultur und Zivilisation in der ganzen Welt leisten. Wir aber antworten auf den Aufruf des hl. Paulus, „dankbar zu sein“ (Kol 3,15), indem wir bei Gelegenheit dieser Seligsprechung Christus, dem Herrn, danken für den gewaltigen Dienst, den gottgeweihte Männer und Frauen in Australien auf dem Gebiet der Erziehung und der Gesundheitsfürsorge ferner durch viele weitere Tätigkeiten im Dienst des Gemeinwohls leisten. Beten wir um einen neuen Frühling von Ordensberufungen, so daß diese Gemeinschaften weiter ein lebenskräftiges Zeichen für die Präsenz Jesu Christi in eurer Mitte sind! 8. Ja. Christus ist in Sydney und in ganz Australien präsent! Durch ihn wurden die ganze Schöpfung und zumal alle Menschen zum Dank an den Vater für die Gaben der Erschaffung und Erlösung befähigt, dann auch für die guten Gaben, die aus menschlichen Händen stammen. Christus verleiht dem ganzen Leben eine „eucha-ristische Bedeutung“. Männer und Frauen von heute vergessen dies oft; sie glauben, sie selbst wären die Schöpfer dieser Gaben und verlieren leicht Gott aus den Augen. Als Folge davon suchen sie nicht das Reich Gottes, und allzu oft haben sie für seine Gerechtigkeit nichts übrig. Die Heiligen auf der anderen Seite lehren uns, Christus - Christus, der hier in Australien, in Sydney, präsent ist - als den Mittelpunkt und den Gipfel aller guten Gaben Gottes für die Menschheit anzusehen. Aus diesem Grund ehrt sie die Kirche, erhebt sie zur Ehre der Altäre und stellt sie als nachahmenswerte Vorbilder hin. Sie sind Herolde für den echten Sinn des menschlichen Lebens. Gelobt sei Gott in seinen Heiligen! 299 REISEN 9. „Euch muß es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Mit diesen Worten habe ich meine Homilie begonnen, und mit ihnen möchte ich sie auch schließen. Die Seligsprechung von Mutter Mary MacKillop äst eine Art von „Weihe“ des Volkes Gottes in Australien an Gott. Durch ihr Zeugnis ist die Wahrheit von Gottes Liebe und den Werten seines Reiches in diesem Kontinent sichtbar geworden -Werte, die die eigentliche Grundlage der Gesellschaft Australiens bilden. Möge eure ganze Nation ihrem christlichen Erbe treu bleiben! Und möge die Kirche, die in Australien ihren Pilgerweg geht, weiter ihre Sendung erfüllen, Gottes Reich und seine Gerechtigkeit zu verkünden. Der Papst schloß mit den improvisierten Worten: Und am letzten Tag denke ich immer noch an die Pilger. Ich sehe die Jugendlichen in Manila, aus so vielen Nationen der ganzen Welt... Alle stellen sie die pilgernde Kirche dar, das pilgernde Volk Gottes. Und alle singen sie mit uns: „Te Deum lau-damus!“ So singen wir in dieser Feier: „Dich, Gott, loben wir!“ Du, ganze pilgernde Kirche in Australien, singe, freue dich! Christus ist hier in Sydney und überall. Christus ist hier. Ich danke euch. Alleluja! Die Welt braucht das Zeugnis der Heiligkeit und sittlichen Integrität der Ordensweihe : Homilie bei der Feier der Laudes mit 2500 der von der sei. Mary MacKillop gegründeten Kongregation der St.-Josefs-Schwestem vom Heiligen Herzen Jesu in der St. Mary’s Cathedral in Sydney am 19. Januar Eminenz! Liebe Schwestern und Freunde in Christus! 1. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 118,24). Heute wird zum ersten Mal eine Australierin zur Ehre der Altäre erhoben. Die „barmherzige Liebe unseres Gottes“ (Lk 1,78) spiegelt sich auf dem Antlitz seiner Kirche auf diesem Kontinent mit der strahlenden Heiligkeit eurer Gründerin, Mutter Maria MacKillop. Ich danke euch allen herzlich: den St.-Josefs-Schwestem vom Heiligen Herzen, dem Bund der St.-Josefs-Schwestem, den Assoziierten Josefs-Missionsschwestem und den Mitgliedern der riesigen Familie der Josefs-Schwestern. Viele von euch sind von weither - aus den entferntesten Gegenden Australiens, aus Kambodscha, aus Irland, aus Neuseeland und aus Pem - zur Seligsprechung von Mutter Mary MacKillop gekommen. Wir sind hier in Sydney versammelt, um diese leidenschaftliche und mutige Frau, die der 300 REISEN Herr „heilig, untadelig und schuldlos vor sich treten ließ“ (vgl. Kol 1,22), zu verehren und um Fürbitte anzurufen. „Die souveräne Gnade“ Gottes, der Heiligkeit und der Liebe ist im Leben von Mutter Maria vom Kreuz offenbar geworden, und das ist der Hauptgrund unserer Freude. Die Seligsprechung von Mary MacKillop* erinnert uns daran, daß alle Anstrengungen, das Antlitz der Erde zu erneuern, nichtig sind, wenn sie nicht auf das Geschenk eines neuen und reichen Lebens gegründet sind, durch das ein Mensch „in eine übernatürliche Wirklichkeit des göttlichen Lebens selbst eingeführt und zur , Wohnung des Heiligen Geistes, zum lebendigen Tempel Gottes wird“ (Enzyklika Dominum et vivficantem, Nr. 58). 2. Liebe Freunde, Mary MacKillop kann ohne Bezugnahme auf ihre Ordensberufung nicht verstanden werden. Die letzte Bischofssynode über das geweihte Leben hat über viele die Weihe selbst betreffende Fragen nachgedacht. Aus den Debatten der Synode hat sich mit aller Klarheit ergeben, daß das geweihte Leben eine besondere Berufung ist, die nicht mit anderen Formen des Einsatzes oder der Hingabe an das Apostolat verwechselt werden darf. Die Menschen sehen die Ordensleute, die Seite an Seite mit ihnen den Weg des Lebens gehen, als Personen an, die nach den Kriterien Gottes weise sind. Mutter Maria vom Kreuz hat die Menschen nicht nur durch Schulunterricht von ihrer Unwissenheit befreit oder durch Ein-fühlsamkeit und Mitleid ihre Leiden gelindert. Sie hat vor allem daran gearbeitet, die tiefe, wenn auch manchmal unbewußte Sehnsucht der Menschen nach dem „unergründlichen Reichtum Christi“ (Eph 3,8) zu befriedigen. Mit der Erlösung durch den Tod und die Auferstehung Christi faßt das Reich Gottes in der Geschichte Wurzel - und ihr tragt Sorge für sein Wachstum. In dem Maße, in dem ihr „die Betrachtung der göttlichen Dinge und die ständige Verbindung mit Gott im Gebet“ zu eurer vorzüglichen Verpflichtung macht (vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 663 § 1), werdet ihr zu den wichtigsten Baumeistern der tiefgreifendsten Umwandlung der Gesellschaft. Der Herr hat euch geweiht, „damit ihr den Armen eine frohe Botschaft bringt“ (vgl. Jes 61,1). Die durch falsche Versprechungen betrogene Welt braucht das besondere und sichtbare Zeugnis der Heiligkeit und der sittlichen Integrität der Ordensweihe. Dem Volk Gottes wird mehr Hilfe und Unterstützung durch das zuteil, was ihr seid, als durch das, was ihr tut. Es muß in eurem Leben die Werte der Treue zum sakramentalen und liturgischen Leben der Kirche, das auf Christus und auf das trinitari-sche Leben Gottes konzentrierte persönliche Gebet, ein schlichtes und frohes Gemeinschaftsleben, die bevorzugte Liebe zu den Armen, Freiheit im Gehorsam und in der Freude über die dauernde Zugehörigkeit zu Gott wahmehmen (vgl. Papst Paul VI., Evangelica testificatio, Nr. 55). 3. Mit einem Wort, von jenen, die sich dem geweihten Leben anschließen, erwarten die Kirche und die Gesellschaft, daß sie das lebendige Zeugnis dafür sind, was heißt,, Jesus Christus, und zwar als dem Gekreuzigten“ (vgl. 1 Kor 2,2) zu folgen. Mutter Maria vom Kreuz steht leuchtend vor uns als eine außergewöhnliche Frau, 301 REISEN die das Kreuz nicht wie eine Last oder ein Ärgernis, sondern als die wirksamste Weise angenommen hat, um mit dem Herrn, ihrem Bräutigam, verbunden zu sein. Sie schrieb einmal, „das Kreuz ist ein köstliches und teures Werkzeug in den Händen eines großen und guten Vaters, der seine Kinder so formt, wie es das Recht jedes Vaters ist“. Wie der neue und ewige Bund „am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1,20) gestiftet wurde, so stellt die Profeß der evangelischen Räte in der totalen Selbsthingabe an Gott eine neue Weihe dar (vgl. Apostolisches Schreiben Redemptionis donum, Nr. 7). Diese „besondere Weihe“, die ein ursprüngliches Charisma einschließt, erlaubt der betreffenden Person, die Gipfel der Liebe zu erreichen: eine vollkommene Liebe, die sich unter dem Antrieb des Heiligen Geistes Christus hingibt und durch Christus Gott darbringt. Durch die Profeß der evangelischen Räte wird verkündet, daß Christus mit einem ungeteilten Herzen geliebt (vgl. 1 Kor 7,34), als euer kostbarster Schatz bekannt (vgl. Mt 6,21) und als einziger Herr verehrt werden muß (vgl. Eph 4,5). Die innere Freiheit und die echte geistliche Reife sind das gesegnete Erbe derer, die für die Sache Gottes „ihr Leben hingegeben haben“ (vgl. Mt 16,25). 4. Zu den dringenden Fragen, mit denen sich das Volk Gottes in Australien auseinandersetzen muß, gehört die Notwendigkeit, die Würde und die Sendung der Frau in der Familie, in der Gesellschaft und in der Kirche, die nicht von der „Wahrheit des Evangeliums“ abweicht (Gal 2,14), begreiflich zu machen. Eine glaubwürdige Theologie der Frau, die auf einer im Geheimnis der Schöpfung und der Erlösung offenbarten Anthropologie beruht, läßt das frauliche „Urbild“ und den besonderen „Genius“ der Frauen zutage treten (vgl. Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, Nm. 10; 30). Die Frauen, die nach einem authentischen christlichen Begriff der Fraulichkeit suchen, sollen auf die freie und aktive Rolle schauen, die Maria von Nazaret, die jungfräuliche Mutter des Herrn, übernommen hat. In ihr können alle Frauen „das Geheimnis entdecken, wie sie ihr Frausein würdig leben und zu ihrer wahren Entfaltung gelangen können“ (vgl. Enzyklika Redemptoris Mater, Nr. 46). Es muß klar sein, daß die Kirche jeder Form von Diskriminierung, die in irgendeiner Weise die gleiche Würde von Mann und Frau kompromittiert, entschieden entgegentritt. Die völlige Gleichheit zwischen den Personen geht jedoch mit einer wunderbaren Komplementarität einher. Diese Komplementarität betrifft nicht nur die Rollen, die Männer und Frauen übernehmen, sondern auch und tiefer noch ihre Struktur und ihre Bedeutung als Personen (vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, Nr. 50). Aus diesem Grund bin ich überzeugt: dem Umstand, daß es der Gesellschaft nicht gelingt, die Lehre der Kirche über die wahre Rolle der Frau zu begreifen, liegt eine falsche Anthropologie zugrunde. Diese Rolle wird durch ihren besonderen Bezug zur physischen und geistigen Mutterschaft - der Quelle eines neuen Lebens - in keiner Weise geschmälert, sondern vielmehr aufgewertet. Die Kirche stellt sich außerdem der Herausforderung, 302 REISEN nach neuen, kreativen Möglichkeiten zu suchen, um die Anerkennung und Einbeziehung der besonderen Charismen der Frauen zu gewährleisten, die für den Aufbau des Leibes Christi in Einheit und Liebe wesentlich sind. 5. Wir bereiten uns darauf vor, die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends zu überschreiten. Um das furchtlos tun zu können, müssen unsere Herzen fest mit Christus, der „Hoffnung auf Herrlichkeit“ (Kol 1,27), verbunden sein. Die ganze Kirche, einschließlich der Ordensinstitute, muß noch empfänglicher werden für alles, was der Geist sagt (vgl. Offb 2,7), denn das Große Jubiläum steht unmittelbar bevor. Mit Gelassenheit und voll Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes werden - wie ich kürzlich in dem Apostolischen Schreiben zur Ankündigung des Jubeljahres 2000 geschrieben habe - die Einzelnen und die Gemeinschaften dazu angehalten, „sich durch Reue von Irrungen, Treulosigkeiten, Inkonsequenzen und Verspätungen zu reinigen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 33). In diesen letzten Jahren unseres Jahrhunderts befinden wir uns in der Zeit des „neuen Advent“, der Zeit einer tiefgehenden Umkehr von Geist und Herz, die der Apostel Paulus als „eine geistige Umwälzung“ beschrieben hat (vgl. Eph 4,23). Als Mutter Maria vom Kreuz starb, hinterließ sie ihren Schwestern eine Botschaft von evangelischer Schlichtheit und Kraft: „Habt keine Angst!“, schrieb sie. ,Liebt einander, helft euch gegenseitig und laßt euch in eurem ganzen Leben von der Liebe leiten“. Mit diesem Geist müssen wir den „neuen Advent“ leben. 6. Heute preisen wir dich, o Gott, für das kostbare Geschenk, das du uns mit Mutter Maria vom Kreuz bereitet hast. Wir danken dir für die Wunder der Heiligkeit, die du in ihr als Jüngerin Jesu und treue Tochter der Kirche gewirkt hast. Liebe Schwestern und liebe Freunde, von nun an werdet ihr in der Person der seligen Mary MacKillop eine mächtige Fürsprecherin vor Gottes Thron haben. Ich bete darum, daß ihr Beispiel glühender Liebe zur Kirche, dem Leib Christi, euch dazu inspirieren möge, mit Freude dem Herrn zu dienen - in den Schwachen, in den von Schmerz Gequälten und in den Unterdrückten. In Mary MacKillop haben alle Australier in ihrer Mitte ein Symbol blühender Heiligkeit. „... wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 118,24). Amen. Zum Abschluß der Homilie fugte der Papst noch folgende Worte hinzu: Und ich freue mich wirklich, ich freue mich wirklich sehr, bei euch zu sein. Ich sage euch: Pax. Frieden. Als ich die Kathedrale betrat, bin ich vielen von euch, Schwestern, begegnet, und jede einzelne von euch war für mich Grund zur Bewunderung für das Geheimnis, das ihr in euren Herzen tragt. Das Geheimnis einer neuen Liebe. Jesus Christus hat euch, jede von euch, gerufen und hat zu jeder gesagt: Folge mir, sei meine Braut, ich bin der Bräutigam der Seelen. Sei meine Braut, meine Braut! Vermähle dich mit mir, du wirst Mutter vieler Kinder werden. Das ist das große Geheimnis, das 303 REISEN ich an jeder von euch, an jeder Schwester und jeder Oberin, an jeder Ordensschwester und jeder Ordensoberin auf der ganzen Welt bewundere. Ich bin sehr glücklich, hier unter euch zu sein an diesem großen Tag, an dem die Erste unter euch, Mary MacKillop, seliggesprochen werden wird. Ich danke euch sehr. Die Liebe zur Freiheit und zur Gerechtigkeit muß mit der erhöhten Achtung vor der Heiligkeit des Lebens einhergehen Ansprache beim Abschied von Australien auf dem „Kingsford-Smith“-Flughafen von Sydney am 20. Januar Liebe Freunde! Liebes Volk von Australien! 1. Während ich euer mir so teures Land grüße, danke ich allen von Herzen für die Gastfreundschaft, die mir in jedem Augenblick meines kurzen Besuches erwiesen worden ist. Ihr habt mir mit eurem Wohlwollen, mit eurer Herzlichkeit und mit eurer Begeisterung bestätigt, was ich ohnehin schon glaubte: das Volk von Australien ist und bleibt das größte der Geschenke, die in eurer Nation so reichlich vorhanden sind! Ich danke im besonderen dem Generalgouvemeur, dem Premierminister und allen zivilen Stellen für ihre zuvorkommende Hilfe, die diesen Besuch ermöglicht hat. Allen, die sich um die Sicherheit gekümmert haben, den Mitarbeitern der Massenmedien, die dieses denkwürdige Ereignis begleitet haben, und ganz besonders Kardinal Clancy und meinen Brüdern im Bischofsamt und den Tausenden von Männern und Frauen, die an der Vorbereitung dieser zwei Tage mitgearbeitet haben - euch allen spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus. 2. Zu den lebendigen Erinnerungen, die ich von hier mitnehmen werde, gehört die an eine große und heilige Frau, Mary MacKillop, die erste Australierin, die von der Kirche offiziell in die Reihe der Seligen aufgenommen wurde. Gott hat diese Tochter eures Landes zu einem Zeichen geistlicher Größe, zu einem Vorbild der persönlichen Heiligkeit und des Dienstes am Gemeinwohl gemacht, um sie von allen Menschen, nicht nur in Australien, sondern auf der ganzen Welt betrachten und bewundern zu lassen. Das Leben von Mutter Mary ist eine beredte Aussage, weil sie in etwas fest verankert war, wonach sich jedes Menschenherz sehnt: der innere Friede, jener Friede, der aus dem Bewußtsein kommt, von Gott geliebt zu werden, und vom Willen, seine Liebe zu erwidern (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 1995, Nr. 5). Das ist die einfache und dennoch tiefgehende Lektion der seligen Mary MacKillop. Sie wußte, daß Gott sie liebte und zweifelte nicht daran; frei und bescheiden erwiderte sie diese Liebe voll Vertrauen und Mut. Indem sie 304 REISEN jedem Hindernis entgegentrat, niemanden abstieß und Mitleid und Verständnis für alle bewies, gelang es ihr, allen inneren Frieden und Kraft einzuflößen. 3. Ich richte an alle Australier folgenden Aufruf: Zögert nicht, eure geistigen Ressourcen für die Erneuerung eurer Familien und der ganzen Gesellschaft einzusetzen! Macht von eurer reichen multikulturellen Vielfalt Gebrauch, um unter euch in stärkerem Maße eine gegenseitige Wertschätzung und Bereicherung zu fördern! Seid euch bewußt, daß eure Liebe zur Freiheit und zur Gerechtigkeit nichts nützt, wenn ihr nicht die Achtung vor der Heiligkeit des Lebens und vor der Würde jedes als Abbild Gottes geschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,26-27) erhöht! Der Umstand, daß ich in diesen zwei Tagen vielen von euch begegnet bin, hat mich an die Größe eures Landes und an den Reichtum erinnert, mit dem ihr gesegnet seid. Die Vorzüge und Ressourcen, deren ihr euch erfreut, versetzen euch in eine verantwortliche Stellung in Ozeanien und im pazifischen Raum und gegenüber dem riesigen asiatischen Kontinent, die eine rasante Entwicklung erlebt. Mit Gottes Hilfe müßt ihr zusammen mit anderen weiter daran arbeiten, die Sache des Friedens voranzubringen, eine gesamtmenschliche Entwicklung zu fördern und, soweit als möglich, die bedrückende Last von Armut, Hunger und Krankheiten zu lindem. 4. Liebes Volk von Australien, ich hinterlasse euch meinen Gruß mit großer Zuversicht für eure Zukunft. Wenn ihr das nächste Mal die Verse eurer Nationalhymne hört und die Worte singt „unser Land ist reich an Gaben der Natur von großer und seltener Schönheit“, dankt Gott von Herzen für die vielen Segnungen, die er euch geschenkt hat. Dankt ihm für die Freiheit, die ihr genießt, die Freiheit, euch für das entscheiden zu können, was gut und richtig ist. Dankt ihm für eure Familien, für die Kinder, die eine sichere, vielversprechende Hoffnung auf eine bessere Zukunft sind. Behandelt die Armen und Bedürftigen mit echter Anteilnahme und tätiger Solidarität. Denkt an Mutter Mary MacKillop und lernt von ihr, euch in Liebe und Mitleid füreinander, für alle Australier und für die Welt hinzugeben. Gott schütze euer geliebtes Land! Nur voran, schönes Australien! 305 REISEN Ich komme als Pilger guten Willens Ansprache bei der Begrüßungszeremonie am Amtssitz der Staatspräsidentin von Sri Lanka in der Hauptstadt Colombo am 20. Januar Frau Staatspräsidentin! Frau Ministerpräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Ich bin Ihnen, Frau Staatspräsidentin, Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, und Ihnen allen für den herzlichen Empfang in Sri Lanka zutiefst dankbar. Seit vielen Jahren hatte ich gehofft, die von Naturschönheit strahlende „Perle des Indischen Ozeans“, das Land Mahavahansa, eine Nation, die stolz ist auf ihre alte Kultur, ein Land, das für seine gastfreundlichen, lächelnden Menschen bekannt ist, besuchen zu können. Wie mein Vorgänger, Papst Paul VI., vor fünfundzwanzig Jahren komme ich als Freund aus Rom, wo die ehrwürdige blühende Kultur in diesem Land schon vor zweitausend Jahren bekannt war und geschätzt wurde. Ich komme als Pilger guten Willens und bringe nichts anderes mit als den Frieden in meinem Herzen. Ich kenne gut das reiche geistliche Erbe eures Landes, das sich nicht nur in der Kraft eurer religiösen Traditionen offenbart, sondern auch in der bemerkenswerten Harmonie und im gegenseitigen Respekt der Anhänger der verschiedenen Religionen untereinander. 2. Ich möchte, daß mein Besuch ein Zeichen der tiefen Wertschätzung ist, die ich für alle Einwohner von Sri Lanka hege. Meine größte Hochachtung gilt insbesondere den Anhängern des Buddhismus, der wichtigsten Religion in Sri Lanka, mit seinen Brahmaviharas, den vier großen Werten der Metta, Karuna, Mudita und Upekka, Herzlichkeit, Mitleid, Sympathie und Gerechtigkeit; mit seinen transzendentalen Werten und den Freuden der Shanga, die in den Theragathas so großartig zum Ausdruck kommen. Ich hoffe aus ganzem Herzen, daß mein Besuch dazu beitragen mag, den guten Willen unter uns zu stärken, und alle vom Wunsch der katholischen Kirche überzeugen kann, den interreligiösen Dialog zu pflegen und am Aufbau einer gerechteren und brüderlichen Welt mitzuarbeiten. Ich strecke allen die Hand der Freundschaft entgegen, während ich die herrlichen Worte aus dem Dhammapada wiedergebe: „Ein einziges Wort, das Frieden schenkt, ist besser als tausend unnütze Worte“. Daß die Religion im Leben des Volkes von Sri Lanka eine so bedeutende Rolle spielt, zeigt sich ganz deutlich überall in euren Kultstätten und in euren Heiligtümern, ob sie Buddhisten, Hindus, Muslimen oder Christen gehören. Das Alltagsgeschehen wird von einer großen Vielfalt religiöser Riten belebt. Die religiösen Glaubensbekenntnisse inspirieren die gemeinsamen Werte, wie Annahme der anderen, Dialog, Verständnis bei der Suche nach der Wahrheit. 306 REISEN 3. Ich hoffe inständig, daß euch in dieser Zeit, wo Sri Lanka für eine weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung kämpft, euer reiches geistliches Erbe hilft, das rechte Gleichgewicht zu finden zwischen der Suche nach dem materiellen Fortschritt, der Sorge um das Gemeinwohl und der Öffnung für die Bedürfnisse der Armen und Ausgegrenzten. Es ist dringend notwendig, daß die Gesellschaft die Familien unterstützt, die Kinder zur Achtung gegenüber den anderen erzieht und die Heiligkeit des Lebens gegen jede Form von Gewalt verteidigt. Mögen alle Bewohner von Sri Lanka, die guten Willens sind, stark sein und nicht nachlassen in ihren Anstrengungen, eine gerechte und friedliche Lösung für den ethnischen Konflikt zu finden, der in jüngster Zeit mit seinen Opfern, seiner Zerstörung und seinen daraus folgenden schrecklichen Leiden das Leben der Nation in Schrecken versetzt hat. Die kürzlich in dieser Richtung unternommenen Schritte nähren die Hoffnung (welche die Menschen guten Willens mit euch teilen), daß die an den unseligen Vorgängen Beteiligten der Gewalt abschwören und sich bei der Suche nach dem Einvernehmen, das aus der Versöhnung und aus der vollen Achtung für die Verschiedenheit der Glieder der Gesellschaft erwächst, auf eure Traditionen der Toleranz beziehen. 4. Morgen werde ich mich mit der katholischen Gemeinde von Sri Lanka zum Gebet vereinen, um die Seligsprechung von Pater Joseph Vaz zu feiern, eines heiligmäßigen Mannes des Friedens, der sich durch seine Demut, Güte und Toleranz die Achtung seiner Zeitgenossen verdient hat. Ich bin sicher, daß sich die Katholiken von Sri Lanka durch die Ehrung des Andenkens dieses heiligen Priesters dazu an-gespomt fühlen, sich weiterhin in einem Geist des Dienstes gegenüber allen Mitbürgern und in Solidarität mit ihnen für die Versöhnung und den Frieden einzusetzen. Während ich den höchsten Autoritäten des Staates für ihre herzliche Einladung zum Besuch von Sri Lanka danke, möchte ich bei dieser Gelegenheit allen, unabhängig von ihrer religiösen, ethnischen oder kulturellen Herkunft und Bildung, versichern, daß die Seligsprechung des Gottesdieners Pater Joseph Vaz, auch wenn sie in erster Linie ein katholisches Ereignis ist, zugleich eine aufrichtige ehrende Anerkennung für die tiefen religiösen Traditionen des ganzen Volkes dieses Landes ist! Gott segne Sri Lanka! Er möge euch den Frieden schenken! Ein langes Leben! Ich grüße euch alle! 307 REISEN Gelebtes Apostolat und gelungene Inkulturation Ansprache bei der Vesper mit Klerus, Ordensleuten und Laien in Colombo (Sri Lanka) am 20. Januar Meine Brüder im Bischofsamt, liebe Priester und Ordensfrauen, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Unser Gebet heute abend ist ein Gebet der Freude und der Danksagung. Diese schöne, der hl. Lucia geweihte Kathedrale, die nach dem Vorbild der Petersbasilika in Rom gebaut wurde, ist ein Symbol unserer Gemeinschaft in dem einen Glauben, jenem Glauben, den Petrus und die anderen Apostel ausgesandt waren, in aller Welt zu verkünden. Als Bischof von Rom und Nachfolger Petri ist es mir eine wirkliche Freude, die katholische Gemeinde von Sri Lanka zu besuchen und euch in eurer Hingabe an unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus zu bestärken (vgl. Lk 22,32). Ich danke Bischof Edmund Fernando für seine freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Das Samenkorn des Glaubens, das von den ersten Missionaren auf dieser Insel ausgesät und durch das unermüdliche Apostolat von Pater Joseph Vaz wiederbelebt wurde, hat reiche Früchte kirchlichen Lebens hervorgebracht. Die Kirche in Sri Lanka hat wirkliche Reife erlangt! Ihr werdet von einer einheimischen Hierarchie geleitet, der viele Priester, Ordensleute und Laienführer helfen, und ihr seid reichlich mit Berufungen gesegnet. Auch wenn ihr nur eine ,kleine Herde“ (vgl. Lk 12,32) seid, so leistet ihr dennoch durch euer geistliches Zeugnis und eure Erfolge in vielen Diensten, insbesondere in den Bereichen der Ausbildung und der menschlichen Entwicklung, einen großen Beitrag im Leben dieses Landes. Wenn ihr Gott für diesen Segen danksagt, so erinnert euch daran, daß seine Gaben das Fundament sind, auf dem aufzubauen jede Generation berufen ist. Laßt uns beten, daß die morgige Feier zu Ehren von Pater Joseph Vaz für die Katholiken von Sri Lanka eine Gelegenheit sei, sich erneut dafür einzusetzen, in vollem Maße jenen Glauben zu leben, für den ihre Vorfahren bereit waren, großes Leid auf sich zu nehmen. Möge Pater Vaz eine ständige Inspiration für die Kirche in Sri Lanka sein, wenn sie ihre Sendung erfüllt, Zeugnis für das Evangelium zu geben, die „Kraft Gottes, die jeden rettet“ (Röm 1,16). 2. Aus den heiligen Worten, die wir soeben gehört haben, erfahren wir, wie Jesus auf sich selbst die alte Prophezeiung Jesajas anwandte, die voraussagte, daß der Messias - vom Geist erfüllt - den Armen die gute Nachricht von der Gnade Gottes, den Unterdrückten Freiheit und dort, wo Feindseligkeit und Krieg herrschen, Frieden predigen würde (vgl. Lk 4,21). Die Verkündigung der Heilsbotschaft ist die erste Pflicht im Leben der Kirche und der wichtigste Dienst, den sie der einzelnen Person und der Gesellschaft erweist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 44). Jede andere von Christen verrichtete Arbeit geht von der Evangelisationspflicht der 308 REISEN Kirche aus und führt wieder zu ihr zurück, denn sie kann nicht nur als Verkündigung einer Botschaft verstanden werden, sondern vielmehr als Vermittlung eines „neuen Lebens“ in der Gnade Christi. Jeder Aspekt des Apostolats - Ausbildung, Gesundheitswesen, Sozialdienst, Solidarität, interreligiöser Dialog - ist dazu bestimmt, die Liebe zu offenbaren, die der Vater in Jesus, seinem Sohn, der Welt geschenkt hat, jene Liebe, die er durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist, in unsere Herzen ausgießt (vgl. Röm 5,5). Liebe Brüder und Schwestern, seid freudige Verkünder Christi, eifrig darauf bedacht, mit anderen das neue Leben, das ihr empfangen habt, zu teilen, in voller Achtung für die Freiheit und das Gewissen jedes einzelnen Menschen. Dieses Zeugnis ist nicht immer einfach und oft kann es auf Ablehnung stoßen, aber wahre Jünger Christi, wie die Apostel, können „unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“ {Apg 4,20). 3. Liebe Brüder im Priesteramt, euer ganzes Wesen ist geprägt von der sakramentalen Gleichgestaltung mit dem Herrn, die euch in den heiligen Weihen zuteil wurde. Der Mittelpunkt eures Lebens muß Christus, der Hohepriester, sein, dem ihr jeden Tag in den von euch gefeierten und verwalteten Geheimnissen begegnet. Euer spiritueller Werdegang muß von konstanter innerer Umkehr - „Metanoia“ -und vom Hineinwachsen in das Bild des Herrn gekennzeichnet sein. Eucharistie und Buße sollten die Säulen eures inneren Lebens sein, denn in diesen Begegnungen mit der Gnade Gottes erlangt ihr tiefe Einsicht in eure eigene Sündhaftigkeit und die Wirksamkeit von Gottes unendlichem Erbarmen. Eure Gemeinschaft mit dem Herrn sollte für die Gläubigen deutlich sichtbar sein; sie sollten euch als lebendige Zeichen der umwandelnden Kraft göttlicher Gnade sehen, so wie Pater Vaz es war. Die Heiligkeit eures Lebens ist eine unerläßliche Bedingung für die echte Inkulturation des Evangeliums in diesem Land alter religiöser Traditionen. Hütet euch somit vor der Versuchung, daß näherliegende und praktischere Aspekte eures Apostolats euch etwas von der Zeit wegnehmen, die ihr täglich braucht, um „beim Herrn“ (vgl. Mk 3,14-15) zu sein. Erneuert euch in Geist und Herz, damit ihr mehr und mehr im Geist der Kirche denkt - „sentire cum Ecclesia“ -, mit ihren Augen seht und alle Dinge im Licht der unübertreffbaren Macht des Kreuzes Christi beurteilt. Das ist die Ermutigung, die ich euch und all euren Mitbrüdem im Priesteramt hinterlassen möchte, insbesondere denjenigen, die von seelischen Problemen belastet oder innerlich verwundet sind von den Folgen des traurigen Konflikts, der euer schönes Land verwüstet hat. 4. Es ist mir eine ganz besondere Freude, mit so vielen Ordensmännem und Ordensfrauen zusammenzutreffen. Liebe Brüder und Schwestern, ihr seid die Zeichen der Liebe Gottes, die Verkünder seines Reiches und die Zeugen jener Freude, die wir erfahren, wenn wir Christus mit ungeteiltem Herzen nachfolgen. Strebt danach, dem Herrn jeden Tag näherzukommen, im Geist der Gemeinschaft mit allen Gliedern seines Leibes. Als Christus geweihte Männer und Frauen müßt ihr ein 309 REISEN Beispiel evangelischer Armut sein und Einfachheit und Selbstlosigkeit in eurem Lebensstil erkennen lassen. Macht eure Hingabe deutlich im Ablehnen jener Lebensweisen, die gegen die Werte des Evangeliums verstoßen. Einen wertvollen Beitrag für den Aufbau des Gottesreiches in Sri Lanka haben jene Ordensleute geleistet, deren Aufgabe die Katechese und die Erziehung junger Menschen war. Es ist ein fundamentaler Beweis evangelischer Liebe, wenn sie gemeinsam mit den Eltern den vollen, uneingeschränkten Glauben an die nächste Generation weitergeben. Nichts anderes kann diesen Dienst ersetzen. Ebenso ist eure Arbeit für die Erziehung der Jugend in Schulen und anderen Zentren von größter Wichtigkeit für die Zukunft der Kirche wie auch für den Fortschritt der Gesellschaft als Ganzes (vgl. Gravissimum educationis). Da euer Dienst, den ihr am Volk Gottes verrichtet, in jeder Ortskirche so wertvoll ist, zählt ihr mit Recht darauf, daß die Bischöfe, mit denen ihr im Weinberg des Herrn zusammenarbeitet, euch Mut machen und leiten. Gewisse Elemente der Spaltung in eurer Gesellschaft können eine besondere Herausforderung für religiöse Gemeinschaften sein - Gemeinschaften, die von Harmonie, Bruderliebe und Einheit gekennzeichnet sein sollen. Daher möchte ich euch darin bestärken, Zeugen wahrer Gemeinschaftlichkeit und wirklichen Friedens zu sein, um so kundzutun, daß ihr alle Kinder des gleichen Vaters seid. Ein ganz besonderes Wort väterlicher Ermutigung und Dankbarkeit möchte ich an die Mitglieder der kontemplativen Ordensgemeinschaften richten, die durch ihr unablässiges Gebet und ihre vollkommene Selbsthingabe der gesamten Kirche „eine geheimnisvolle apostolische Fruchtbarkeit“ schenken (vgl. Perfectae carita-tis, Nr. 7). Meine lieben Schwestern, betet weiterhin für das, was der menschlichen Familie nottut, die überall nach vielen Dingen, vor allem aber nach Gott, hungert und dürstet, der allein unserer Rastlosigkeit Ruhe schenken kann. Und betet bitte auch für mich. 5. Liebe Mitglieder der engagierten Laienschaft, zu Pater Vaz’ Zeiten war die Kirche in Ceylon aufgrund der Treue ihrer Laien in der Lage, die Verfolgung zu überleben und neu aufzublühen. Als einzelne Männer und Frauen und als Mitglieder der Laienbewegungen und -Vereinigungen leistet ihr einen absolut notwendigen Beitrag für die Sendung der Kirche, vor allem angesichts der säkularistischen und materialistischen Einstellungen, die in so krassem Gegensatz stehen zu jener tiefgreifenden Spiritualität und Hochachtung religiöser Werte, die Teil eures nationalen Erbes sind. Ihr habt die besondere Aufgabe, euren Familien und den Gemeinschaften, in denen ihr lebt und arbeitet, das Licht des Evangeliums zu bringen. Insbesondere - so betont das Zweite Vatikanische Konzil - „ist es Sache der Laien, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31). Die Katholiken von Sri Lanka sind gerufen, die ihnen eigene Rolle in der Kirche auszuüben und Initiativen zu ergreifen, um der Sauerteig evangelischer Werte in 310 REISEN der Geschäfts- und Berufswelt und in politischen Angelegenheiten zu sein. Ich hoffe, daß der bevorstehende Nationale Pastoralkongreß - augenblicklich noch in der Vorbereitungsphase - sowohl die Laienschaft als auch den Klerus bei der Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben und Verantwortungen innerhalb der christlichen Gemeinschaft unterstützen wird. Ich vertraue darauf, daß alle in gemeinsamer Arbeit auf die heutigen Erfordernisse im Leben der Kirche eures Landes eingehen. 6. Möge der Herr, zu dem wir in diesem Abendlob unsere Herzen erheben, euch allen, den Mitgliedern der katholischen Gemeinschaft von Sri Lanka, erneut die Kraft verleihen, euch im Geiste eures großen Apostels Pater Joseph Vaz mit neuer Kraft der kirchlichen Sendung zur Verkündigung des Evangeliums Christi zu widmen. Pater Vaz ist ein hervorragendes Vorbild gleichermaßen für Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien. Sein Beispiel tiefer Liebe zu Gott und dem Nächsten, seine echte Frömmigkeit und Demut, sein Zeugnis evangelischer Armut und sein liebevoller Eifer für die Seelen sollte für jeden von euch eine Inspiration sein. Das ist das „Gnadenjahr des Herrn“ (Lk 4,19), das Jahr, in dem die Seligsprechung von Pater Vaz jeden Katholiken in Sri Lanka zur tiefen Erneuerung in Heiligkeit und Eifer für das Evangelium auffordert. Möge Maria, die Mutter der Kirche, die die Katholiken eures Landes stets in Liebe verehrt haben, euch allen dazu verhelfen! Durch Christus, unseren Herrn. Amen. Bischöfe sind Brückenbauer für die Verständigung Ansprache bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz in Colombo (Sri Lanka) am 21. Januar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! l.Mein kurzer Besuch in Sri Lanka bietet uns diese Gelegenheit, erneut die „Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens“ zu erfahren, die seit der Zeit der Apostel die Verbindung der Bischöfe der Kirche untereinander und mit dem Bischof von Rom darstellten (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22). Unser Treffen findet in der freudigen Atmosphäre statt, die uns die Seligsprechung von Pater Joseph Vaz, dem Apostel von Sri Lanka, gegeben hat. Laßt uns erneut Gott danksagen, durch den auch wir „den Zugang zu der Gnade erhalten haben, in der wir stehen“ (vgl. Rom 5,2). Durch das in der Bischofsweihe erhaltene Geschenk des Heiligen Geistes wurdet ihr zu „den Nachfolgern der Apostel, die mit dem Nachfolger Petri, dem Stellvertreter Christi und sichtbaren Haupt der ganzen Kirche, zusammen das Haus des lebendigen Gottes leiten“ (Lumen Gentium, Nr. 18). Dieser freudige Anlaß für die Kirche eures Landes gibt auch euch Bischöfen Gelegenheit, euch erneut der Unterweisung, Heiligung und Lenkung des eurem Amt anvertrauten Teils des Gottesvolkes zu widmen. Dieses Amt bedeutet eine schwere persönliche Verantwor- 311 REISEN tung, Schützer und authentische Lehrer des katholischen Glaubens zu sein (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). Die Ausübung eurer apostolischen Autorität zur Wahrung der gesunden Lehre in Dingen des Glaubens und der Sitten und der Förderung der kirchlichen Disziplin ist demnach ein wesentlicher Aspekt eures Amtes, auch wenn es jene „Last“ darstellt, die der Herr auf eure Schultern lädt (vgl. Mt 20,12). Im Namen Christi, des „obersten Hirten“ (1 Petr 5,4), möchte ich euch ermuntern, eure spirituelle Führung zu verstärken und untereinander vollkommen einig zu sein, damit ihr als treue, für die Kirche Gottes sorgende Hirten angesehen werdet (vgl. Apg 20,28). 2. Eure Verantwortung für den Aufbau des Leibes Christi verlangt, daß ihr die euch anvertraute Herde kennt (vgl. Joh 10,14). Die Gläubigen müssen ihren Bischof als „einen wahren Vater sehen können, der sich durch den Geist der Liebe und der Sorge für alle auszeichnet“ (vgl. Christus Dominus, Nr. 16). Mit Recht zählen sie darauf, daß ihr über ihren Glauben wacht und ihn schützt und daß ihr sie angesichts der Herausforderungen und Prüfungen des täglichen christlichen Lebens führt und stärkt. Nehmt den seligen Joseph Vaz als Vorbild für euer Amt. Er reiste bis in jeden Winkel dieser Insel und besuchte die von ihm gegründeten Missionen. Auf diese Weise war er in der Lage, die während der Verfolgung um ihr Überleben kämpfende „kleine Herde“ (pusillus grex) in ihrem Glauben zu lenken, zu korrigieren und zu bestärken. Es gibt keinen wirkungsvolleren Weg, die Sorge des Herrn und seine unendlich große Liebe kundzutun, als den konstanten persönlichen Kontakt mit den Menschen bei euren regulären Pastoralbesuchen in den Pfarreien und anderen Einrichtungen. Ferner werden eure Besuche engere Beziehungen und den Geist eines vertrauensvollen Dialogs zwischen euch und dem Klerus, den Ordensleuten und der Laienschaft fördern. Die beständige geistliche Fruchtbarkeit eurer persönlichen Gegenwart unter euren Priestern und Gläubigen kann gar nicht überbewertet werden. 3. Die größte Herausforderung, der die Hirten der Kirche in Sri Lanka gegenüberstehen, ist die Wiederbelebung des evangelischen Eifers in allen Getauften. Die wahre Erneuerung der Kirche hängt in erster Linie von der Antwort ihrer Mitglieder auf die allgemeine Berufung zur Heiligkeit ab. Das Zeugnis eines freudigen geistlichen Lebens ist die beste Antwort auf Verweltlichung und auch auf die Verbreitung neuer religiöser Sekten, die in ihren Lehren und Methoden gänzlich verschieden sind von der katholischen Kirche. Eine Spiritualität, die sich auf das offenbarte Gotteswort stützt, sich durch die Sakramente nährt und sich in allen christlichen Tugenden übt, mindert in keiner Weise die Aufmerksamkeit gegenüber der Welt und den Bedürfnissen der menschlichen Familie. Das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigt, daß vielmehr „durch diese Heiligkeit auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert wird“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 40). Ich hoffe, daß der bevorstehende Nationale Pastoral- 312 REISEN kongreß ein klares Bild von der Situation der Kirche in jeder einzelnen Diözese gibt und auf jene Prioritäten hinweisen kann, die sich die katholische Gemeinschaft in den kommenden Jahren setzen sollte. 4. Eine stets unverändert bleibende Sorge ist die um das geistliche und intellektuelle Leben der Priester, „damit sie heilig und fromm leben und ihren Dienst treu und fruchtbar verrichten können“ (Christus Dominus, Nr. 16). Es handelt sich hier um ein umfassendesThema, das über das Ziel dieser kurzen Überlegungen hinausgeht. Ich möchte lediglich daran erinnern, daß es seit dem Konzil zahlreiche Veröffentlichungen des kirchlichen Lehramtes gegeben hat, deren Höhepunkte das nachsynodale Schreiben Pastores dabo vobis und unlängst veröffentlichte Dokumente der Kongregation für den Klerus bilden. Ständige theologische Weiterbildung und Voranschreiten der Priester im geistlichen Leben sind für jeden Diöze-sanbischof dringende pastorale Prioritäten. Als Nachfolger der Apostel seid ihr ebenfalls berufen, für die Mission „ad gentes“ Sorge zu tragen im Bewußtsein eurer Verantwortung für das Wort Gottes über die Grenzen eurer eigenen Diözese und Nation hinaus und durch das bereitwillige Teilen eurer Mittel mit anderen (vgl. Ad gentes, Nr. 38). Ferner müssen würdige Priesterkandidaten bestärkt, ausgewählt und ausgebildet werden; ausgebildet vor allem zu einem Leben des Gebetes und williger Selbsthingabe, vereint mit Christus, dem Hohenpriester. Wenn er auch die Bedeutung der den Seminarleitem anvertrauten Aufgaben anerkennt, so bleibt doch der Bischof „erster Repräsentant Christi in der Priesterausbildung“ (Pastores dabo vobis, Nr. 65), und diese schwere persönliche Verantwortung darf, auch wenn sie geteilt werden muß, niemals vollkommen anderen übertragen werden. Ich bestärke euch in all euren Initiativen für die Anpassung eurer Seminare an die klaren Richtlinien des aus der Bischofssynode von 1990 hervorgegangenen nachsynodalen Schreibens Pastores dabo vobis. 5. Es ist nicht notwendig, ausführlich über die Bedeutung zu sprechen, die die Ordensgemeinschaften im Leben der Kirche Sri Lankas haben. Ich möchte euch lediglich aufrufen, euer Amt ihnen gegenüber mit all der Liebe und der Sorge echter Seelsorger zu verrichten. Unterstützt die Ordensleute in der Bewahrung und Entwicklung ihres besonderen Charismas, das Gott jeder Teilkirche geschenkt hat, in der sie ihr Apostolat ausüben. Ermuntert sie, stets vorbildlich zu sein in ihrem Beispiel der Treue zu den evangelischen Räten im Geist der Kirche, deren Lehre und Anordnungen für das geweihte Leben sicherlich nie ein Hindernis für den prophetischen Impuls sein können, der jeder geistlichen Berufung zugrunde liegt. Insbesondere bitte ich euch, väterliche Sorge und Unterstützung für die zahlreichen Ordensschwestern zu zeigen, treu sorgende Frauen, die ihre geistige Mutterschaft in vollkommener, liebender Selbsthingabe an Christus, den Bräutigam, leben, dem sie vor allem in den Kranken, den Behinderten, den Verlassenen, den jungen und 313 REISEN alten Menschen und, allgemein, den Existenzen am Rande der Gesellschaft begegnen (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 21). Ferner möchte ich euch darin bestärken, im Geist grenzenloser Liebe zur Kirche Christi weiterhin mit der Konferenz der Höheren Obern zusammenzutreffen, um die Einbindung der Ordensleute in das pastorale Leben der einzelnen Diözesen und des ganzen Landes besser zu koordinieren und um über eure gegenseitigen Anliegen zu entscheiden. 6. Der Aufbau eines ständig wirksameren Laienapostolats erfordert nicht nur die enge Zusammenarbeit von Priestern und Ordensleuten mit der Laienschaft, sondern die Laien brauchen auch Ermutigung und Unterstützung, um ihre besondere Aufgabe zur Erneuerung der weltlichen Ordnung im Geist des Evangeliums voll erfüllen zu können. Wir brauchen eine fortwährende, eingehende Auseinandersetzung mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils und dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Christifideles laici, um die Führung der Laien auf den Sektoren der geschäftlichen Angelegenheiten, der Erziehung und des bürgerlichen Lebens, wo sie gegenwärtig und zuständig sind, zu fördern. Ebenso sollten alle Bemühungen zur Weitergabe und Verbreitung der kirchlichen Soziallehre unterstützt werden, damit die Laienschaft über die notwendige Einsicht und Kenntnis verfügt, um den mannigfachen moralischen und ethischen Problemen zu begegnen, die eine zunehmend vielschichtige und auf Technologie begründete Gesellschaft aufwirft. 7. Eure Bemühungen, geistliche Werte aufrechtzuerhalten und das Licht des Evangeliums auf Fragen anzuwenden, die das Leben eures Landes betreffen, sind ein großer Dienst für die gesamte Gesellschaft Sri Lankas. Angesichts der ethnischen Spannungen und Konflikte, die euer Land heimsuchen, und der Bedrohung von Menschenwürde und Menschenrechten ist es eure Pflicht, eure Stimme zu erheben und alle Männer und Frauen guten Willens zu bestärken, daß sie nach dem Sieg von Gerechtigkeit, Wahrheit und Harmonie trachten. In eurer aus vielen Religionen zusammengesetzten Gesellschaft bleibt der interreligiöse Dialog eine wichtige Verpflichtung der Kirche auf jeder Ebene. Baut auch weiterhin „Brücken“ der Verständigung und der Kooperation mit den Anhängern anderer Religionen, insbesondere zur Förderung der Hochachtung des menschlichen Lebens und der Sorge für Rechtschaffenheit und Integrität in allen Bereichen des sozialwirtschaftlichen und politischen Lebens wie auch im Einsatz für die Sache des Friedens und der Solidarität zwischen einzelnen Personen und Gesell-schaftsgmppen. Auch auf diese Weise wird die Kirche zur wirkungsvollen Zeugin für das Reich Gottes und die Wahrheit des Evangeliums. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt: Während sich die Kirche von Sri Lanka auf das große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet, geht voll Vertrauen auf die Vorsehung Gottes weiter und baut auf den bereits verwirklichten pastoralen Erfolgen auf. Unterstützt euch gegenseitig in brüderlicher Solidarität, und arbeitet weiterhin 314 REISEN gemeinsam an der Lösung eurer zahlreichen pastoralen Probleme. „Ich danke meinem Gott jedesmal, wem ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott dafür, daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt“ (Phil 1,3-5). Indem ich euch und euer Volk dem Schutz und der Fürsprache Marias, der von euch so innig verehrten Mutter der Kirche, anvertraue, erteile ich euch herzlichst meinen Apostolischen Segen als Zeichen der Freude und des Friedens in Christus, dem Erlöser. Gemeinsam Menschenrechte und Menschenwürde verteidigen! Ansprache an die Verantwortlichen der Religionen in Colombo (Sri Lanka) am 21. Januar Verehrte Verantwortliche der Religionen! 1. Ich bin sehr erfreut, während meines Besuchs in Sri Lanka die Gelegenheit zu einer Begegnung mit den Vertretern der verschiedenen Religionen zu haben, die sehr lange schon in Harmonie auf dieser Insel Zusammenleben: Das sind besonders der Buddhismus, der hier seit über zweitausend Jahren existiert, der Hinduismus, ebenfalls mit einer langen Geschichte, sowie der Islam und das Christentum. Diese gleichzeitige Anwesenheit großer religiöser Traditionen ist eine Quelle der Bereicherung für die srilankische Gesellschaft. Zugleich ist sie eine Herausforderung für die Anhänger und besonders die Verantwortlichen der Religionen, dafür zu sorgen, daß die Religion selbst stets eine Kraft für Harmonie und Frieden bleibt. Anläßlich meines Pastoralbesuchs bei den Katholiken von Sri Lanka möchte ich die tiefe und beständige Achtung der Kirche und meiner Person vor den geistigen und kulturellen Werten, deren Hüter ihr seid, bekräftigen. Besonders seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die katholische Kirche voll verpflichtet, den Weg des Dialogs und der Zusammenarbeit mit den Mitgliedern anderer Religionen zu gehen. Der interreligiöse Dialog ist ein wertvolles Mittel, wodurch die Anhänger der verschiedenen Religionen gemeinsame Berührungspunkte im geistlichen Leben entdecken, während sie die zwischen ihnen bestehenden Schwierigkeiten anerkennen. Die Kirche respektiert die Freiheit der einzelnen, die Wahrheit zu suchen und ihr nach den Geboten des Gewissens zu folgen. In diesem Licht weist sie Proselytenmacherei und den Gebrauch von unmoralischen Mitteln, um Konversionen zu erzielen, entschieden zurück. 2. Die katholische Gemeinschaft hofft, daß alle an eine Religion Glaubenden durch einen fortgesetzten „Dialog des Lebens“ bereitwillig für die Verteidigung und Förderung der sittlichen Werte, der sozialen Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens Zusammenarbeiten werden. Wie viele moderne Gesellschaften steht 315 REISEN Sri Lanka der geistigen Bedrohung einer materialistischen Einstellung gegenüber, die mehr mit dem „Haben“ als mit dem „Sein“ zu tun hat. Die Erfahrung zeigt, daß ein rein technischer Fortschritt die innere Sehnsucht des Menschen nach Wahrheit und Gemeinschaft nicht befriedigt. Man muß tieferen geistlichen Bedürfnissen gerecht werden, wenn die einzelnen, die Familien und die Gesellschaft selbst nicht in eine ernsthafte Wertekrise geraten sollen. Es besteht weiter Raum für die Zusammenarbeit unter den an eine Religion Glaubenden, um dieser Herausforderung zu begegnen. Aus diesem Grand appelliere ich an Sie und ermutige Sie als die religiösen Führer des srilankischen Volkes, an das zu denken, was die Anhänger der verschiedenen Religionen vereint, und nicht so sehr an das, was sie trennt. Der Schutz des geistigen Erbes Sri Lankas erfordert beharrliche Anstrengungen von seiten aller, um die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens vor der Welt zu verkünden, um die unveräußerliche Würde und die unveräußerlichen Rechte jedes Individuums zu verteidigen, um die Familie zu stärken als Grundeinheit der Gesellschaft und Ort, wo Kinder Menschlichkeit, Hochherzigkeit und Liebe lernen, sowie um die Achtung vor der natürlichen Umwelt zu fördern. Die interreligiöse Zusammenarbeit ist auch ein wirksames Mittel zur Förderung ethisch einwandfreier sozioökonomischer und politischer Maßstäbe. Die Demokratie selbst zieht großen Nutzen aus dem religiös motivierten Einsatz der an eine Religion Glaubenden zugunsten des Gemeinwohls. 3. Kaum etwas stellt eine größere Bedrohung für das geistliche Gefüge der srilankischen Gesellschaft dar als der fortdauernde ethnische Konflikt. Es ist nötig, daß die religiösen Kräfte der ganzen Nation sich vereinen, um diese tragische Situation zu beenden. Ich hatte jüngst Gelegenheit, einer internationalen Gruppe von religiösen Führern zu sagen: „Gewaltanwendung in jeder Form steht nicht nur im Gegensatz zu der Achtung, die wir jedem Mitmenschen schulden, sie widerspricht auch dem wahren Wesen der Religion. Was es auch immer in der Vergangenheit an Konflikten gegeben haben mag, ja selbst heute noch gibt, es ist unsere gemeinsame Aufgabe und Pflicht, eine bessere Kenntnis der Beziehung zwischen Religion und Frieden zu verbreiten“ (Ansprache an die 6. Versammlung der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden, 3. November 1994). Der einzige des Menschen würdige Kampf ist „der gegen die eigenen unmäßigen Leidenschaften,... gegen jede Art von Haß und Gewalt: mit einem Wort, gegen all das, was also das genaue Gegenteil von Frieden und Versöhnung ist“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1992, Nr. 7). 4. Sehr verehrte, liebe Freunde: Ich bin sicher, daß die in Ihren Traditionen vorhandenen Grundsätze der Barmherzigkeit und Gewaltlosigkeit eine Quelle der Inspiration für die Srilanker sein werden bei ihren Bemühungen, einen dauerhaften, weil auf Gerechtigkeit und Achtung vor jedem Menschen beruhenden, Frieden aufzubauen. Ich bringe erneut meine Zuversicht zum Ausdruck, daß die lange Tradition religiöser Harmonie Ihres Landes sich weiter festigen wird zugunsten 316 REISEN von Frieden und Wohlstand jedes einzelnen, zum Wohl von Sri Lanka und ganz Asien. Am Schluß fügte der Papst die folgenden Worte frei hinzu: Und nun mache ich Ihnen diese Tage und dieses Treffen zum unvergeßlichen Geschenk. Ich bin sehr dankbar für Ihre Anwesenheit und sehr dankbar für diese Begegnung mit Ihnen - daß wir zusammen sind ... nicht gegeneinander, sondern zusammen! Nicht zusammenzusein ist gefahrvoll. Es ist notwendig zusammenzusein, um in einen Dialog einzutreten. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich sehe in Ihrer Anwesenheit Zeichen guten Willens und einer Zukunft, der guten Zukunft für Sri Lanka und für die ganze Welt. Und so kann ich hoffnungsvoller nach Rom zurückfahren. Ich danke Ihnen. Eine volle Antwort auf die Fragen des Lebens Homilie bei der Seligsprechung von Joseph Vaz in Colombo (Sri Lanka) am 21. Januar „Lobet den Herrn, alle Völker, preist ihn, alle Nationen!“ (Ps 117,1). Liebe Brüder und Schwestern von Sri Lanka! 1. Der Antwortpsalm der heutigen Messe spricht die ganze Welt, jede Nation und jedes Volk an. Die Nationen und Völker auf dem ausgedehnten Kontinent Asien sind ebenfalls aufgerufen, sich in einem Chor des Gotteslobes zu vereinen. Heute danke ich in Colombo Gott, daß ich meine Stimme mit der euren in dieser großen Symphonie des Lobes vereinen darf und mich mit euch über die Seligsprechung von Pater Joseph Vaz freuen kann. Ich spreche meine Dankbarkeit einem jeden der hier Versammelten aus, Erzbischof Fernando, meinem Bruder im Bischofsamt, den Priestern, Ordensleuten, Frauen und Männer sowie euch allen, deren Anwesenheit diese freudenvolle Feier möglich macht. Ich begrüße die staatlichen Autoritäten und danke ihnen für die Teilnahme an diesem Gottesdienst. Das ist ein Tag besonderer Freude für die Anhänger Christi in Sri Lanka! Seit Beginn meines Pontifikats sprachen eure Bischöfe mich bei jeder Gelegenheit, bei der ich ihnen begegnete, an und berichteten mir von eurem großen Verlangen, Pater Vaz zur Ehre der Altäre erhoben zu sehen. Heute nun wurde dieser Joseph Vaz, der Apostel Sri Lankas, zu einem Seligen des Himmels erklärt. Sri Lankas Katholiken können in Dankbarkeit für alles, was Gott in der Geschichte des Volkes auf dieser Insel getan hat, wahrlich mit dem Psalmisten wiederholen: „Mächtig waltet über uns seine Huld, die Treue des Herrn währt in Ewigkeit!“ (Ps 117,2). 317 REISEN 2. Joseph Vaz gilt mit Recht als der zweite Gründer der Kirche in eurem Land. Aus seiner Heimat Indien kam er als hingebungsvoller Priester Jesu Christi in dieses Land mit seinen alten geistlichen Überlieferungen, in ein Land voller Achtung für den Sanyasi, den Mann der Heiligkeit, den Mann Gottes. Als ich während der vergangenen Monate die heutige Seligsprechung vorbereitete, verweilten meine Gedanken oft bei der Hochachtung für geistliche Dinge, welche die Völker Asiens kennzeichnet. Dies erinnerte zugleich an den Abschnitt des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, worin die tiefe Achtung der Kirche vor den alten Religionen Asiens, zumal vor dem Buddhismus und Hinduismus, zum Ausdruck kommt. Das lesen wir im Dokument Nostra aetate. Die Kirche achtet diese Religionen wegen ihrer Fähigkeit, das Leben ihrer Anhänger mit tiefer religiöser Bedeutung zu erfüllen. Männer und Frauen schauen auf die verschiedenen Religionen, um Antwort zu finden auf die tiefen und verwirrenden Geheimnisse, welche die Existenz des Menschen umgeben: Was ist der Mensch? Welches sind Sinn und Auftrag unseres Lebens? Welches ist der Ursprung und das Anliegen des Leidens? Wie kommen wir zu wahrem Glück? Welches ist der Sinn des Todes, und worin besteht jenes letzte Geheimnis, das unser ganzes Sein umfängt und durchdringt, das Geheimnis, das unser Ursprung ist und auf das hin wir ständig unterwegs sind? (vgl. Nostra aetate, Nm. 1-2). 3. Die katholische Kirche „verwirft nichts, was in anderen Religionen wahr und heilig ist, denn sie sieht in ihnen einen Strahl jener Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet“ {ebd., Nr. 2). Zugleich ist sie da, um zu verkünden, daß die volle Antwort auf die Fragen des Lebens sich in Jesus Christus findet, dem menschgewordenen Wort Gottes. Er ist das Ewige Wort des Vaters und zugleich der neue Adam. Durch ihn sind alle Dinge geschaffen, und in ihm finden alle Menschen das Licht, das das Leben der Welt ist (vgl. Joh 1,3-4). Und nun lese ich andere Texte aus Gaudium est spes; diese Konstitution ist Teil des genannten Dokumentes. „In der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe“ macht Christus „dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Aus diesem Grund hört die Kirche nie auf zu verkünden, daß Jesus Christus „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist {Joh 14,6), der Eine, „in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“ {Nostra aetate, Nr. 2). Pater Joseph Vaz kam in dieses Land, um die gleiche Botschaft zu verkünden. Er predigte den Namen Christi, weil er der Wahrheit gehorsam war und den Weg, der zum ewigen Leben führt, auch anderen mitteilen wollte. 4. Pater Joseph Vaz war ein großer Priestermissionar, der in die endlose Reihe der glühenden Herolde des Evangeliums gehört, der Missionare, die zu jeder Zeit ihre Heimat verlassen haben, um das Licht des Glaubens zu anderen Völkern zu brin- 318 REISEN gen. Unter denen, die den Fußstapfen des hl. Paulus gefolgt sind, der um des Evangeliums willen allen alles wurde (vgl. 1 Kor 9,22-23), leuchtet die Gestalt des hl. Franz Xaver vor uns auf als der große Apostel Asiens und der universale Patron der Missionen. Pater Vaz war ein würdiger Erbe des hl. Franz Xaver; er war zugleich ein echter Sohn seiner Heimat Goa, das sich durch seine tiefen christlichen und missionarischen Traditionen auszeichnete. Pater Vaz war ein Sohn Asiens, der ein Missionar in Asien wurde. Die Kirche braucht heute mehr solche Missionare, Männer und Frauen, aus den Völkern verschiedener Kontinente. Wer war nun Pater Joseph Vaz? Vor allem, was bewog ihn, nach Sri Lanka zu kommen? Das Evangelium, das wir heute gehört haben, wirft auf diese missionarische Berufung Licht. Jesus verkündete das Reich Gottes in seiner Heimat Galiläa. Die Leute brachten ihre Kranken zu ihm, und er heilte sie. Andere befreite er aus der Gewalt böser Geister. Wenn er sich selbst zum Gebet zurückzog, begann das Volk ihn zu suchen. Es wollte nicht, daß er es verließ. Doch er antwortete: „Ich muß auch den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden.“ (Lk 4,43) Pater Joseph war bestrebt, den Fußstapfen seines Göttlichen Meisters zu folgen. Auch er war von Gott gesandt, „das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“ zu verkünden (Römisches Missale, Christkönigspräfation). Indem er dem Ruf des Heiligen Geistes folgte, verließ er seine Heimat und kam in dieses Land, wo die Kirche über drei Jahrzehnte keine Priester hatte. Er kam her in absoluter Armut und lebte als Bettler, getrieben von dem brennenden Verlangen, die Menschen für Christus zu gewinnen. Bevor er ankam, lernte er die Tamilsprache und später, als er in Kandy eingekerkert war, Sinhala, um den Namen Jesu Christi in den Sprachen und in der Kultur eures Landes erklingen zu lassen. Joseph Vaz besaß einen feurigen Glauben. Geleitet von dem Beispiel seines Göttlichen Meisters, bereiste er die ganze Insel, ging überall hin, oft barfuß, mit einem Rosenkranz um den Hals als Zeichen seines katholischen Glaubens. Als echter Jünger Jesu nahm er mit Freude und Zuversicht unzählige Leiden auf sich in dem Wissen, daß sich auch in diesen Leiden Gottes Pläne erfüllten. Seine heroische Liebe, die vor allem in seiner selbstlosen Betreuung der Opfer der Epidemie von 1697 zum Ausdruck kam, trug ihm die Achtung aller ein. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Christen von Sri Lanka! Was ist die Botschaft von Joseph Vaz? Der sei. Joseph sollte euch anregen, unermüdliche und geisterfüllte Zeugen des Evangeliums in euren Familien und in euren Gemeinschaften zu sein. In der Taufe wurdet ihr nach dem Bild Christi neugeschaffen und bekamt die Sendung, prophetisch seine Präsenz in der Welt zu verkünden. In der Firmung wurdet ihr durch den Heiligen Geist gestärkt und ausgesandt, euren Glauben in Wort und Tat zu bekennen. Einige von euch hat ein weiterer Ruf erreicht, nämlich asiatische Missionare für Asien zu sein. Am Vorabend des dritten christlichen Jahrtausends ist die ganze Kirche aufgerufen, mit frischem Schwung den Missi- 319 REISEN onsauftrag aufzugreifen, den sie von Christus empfangen hat, und die Aufgaben einer Neuevangelisierung zu übernehmen. Unter den Völkern dieses Kontinents wird die Heiligkeit immer die erste und wirksamste Form der Lehre der Wahrheiten und Werte des Evangeliums sein. Asiens ehrwürdige Überlieferungen des Schweigens, des Nachdenkens, des Gebets, der Aszese und der Selbstverleugnung werden ihre volle Bedeutung in einer lebendigen Begegnung mit dem Geist Jesu Christi finden, einer Begegnung, die gewiß stattfindet, wenn ihr Menschen von tiefer persönlicher Heiligkeit seid, erfüllt von Liebe und Eifer für die Kirche und Gottes Reich. Durch euer Zeugnis „werden alle Völker der Erde erkennen, daß niemand Gott ist als der Herr allein“ (7 Kön 8,60). 6. In der ersten Lesung der heutigen Messe betet König Salomon: „Der Herr, unser Gott, sei mit uns, wie er mit unseren Vätern war. Er verlasse uns nicht und verstoße uns nicht. Er lenke unsere Herzen zu sich hin, damit wir auf seinen Wegen gehen“ (7 Kön 8,57). Diese Worte erinnern daran, wie eure Vorfahren im Glauben Pater Vaz voll Freude aufnahmen. In einer Zeit, da die katholische Kirche verbannt und verfolgt war, als man alle ihre Priester vertrieben hatte, verloren die Katholiken nicht ihren Mut. Sie blieben dem Evangelium treu, das sie empfangen hatten. Und Gott hat sie nicht verlassen. Joseph Vaz konnte sich auf die Laienschaft bei der Aufgabe des Wiederaufbaus der Kirche in eurem Land verlassen; er schulte Laienführer, die in schweren Stunden die verstreute Herde Christi betreuten. Ist das keine Lektion für unsere Zeit? Die Kirche in Sri Lanka braucht eifrige Katholiken, die „Gottes Gebote, Befehle und Anordnungen befolgen, die er den Vätern gegeben hat“ (7 Kön 8,58). Sie braucht hingebungsvolle Priester für die Verkündigung des Evangeliums und zur Feier der Geheimnisse unserer Erlösung; sie braucht Ordensleute, die lebendige Zeichen der Freude sind, die aus der gänzlichen Hingabe an den Herrn und seine Werke stammt. Ich sollte sagen, daß ich diese Freude in euch finde, in euren Priestern und euren Ordensleuten und besonders in euren Männern und Frauen. Ich finde diese große Freude über das Christsein, das Religiössein. Sie braucht Ehepaare, deren getreue Liebe das unzerbrechliche Band der Einheit zwischen Christus und seiner Kirche widerspiegelt; sie braucht christliche Eltern, welche die ersten Lehrer des Glaubens für ihre Kinder sind. Die Kirche braucht junge Menschen, die Apostel für ihre eigene Generation werden: Wie die Hunderttausende, Millionen junger Menschen, die zum Zehnten Weltjugendtag in Manila versammelt waren und sich erneut dafür bereit machten, die Welt in ihrem Umkreis umzuwandeln gemäß den Forderungen des Evangeliums nach Gerechtigkeit, Frieden und Liebe. Wie Joseph Vaz, der in Freiheit den Glauben, den er empfangen hatte, weitergab, und wie jeder, der das Geschenk des Glaubens erhalten hat, aufgerufen ist, dieses Geschenk mit anderen zu teilen. 320 REISEN 7. „Gepriesen sei der Herr, der seinem Volk Israel Ruhe geschenkt hat“ (1 Kön 8,56). Meine Brüder und Schwestern: Es ist meine glühende Hoffnung, daß die Seligsprechung von Pater Joseph Vaz die Einwohner von Sri Lanka anregt, mit immer größerem Eifer für den Frieden in diesem lieben Land zu arbeiten und endgültig die tragische Gewaltanwendung, die so viele Menschenleben gekostet hat, zu beenden. Der Friede ist die Frucht der Liebe! Der hl. Paulus erinnert uns daran, daß sich unsere Liebe in der Weise zeigt, wie wir andere behandeln. Er sagt: „Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung ... Dient dem Herrn mit einem Herzen voll Andacht. Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet“ {Rom 12,10-12). Diese Worte, die Paulus den ersten Christen in Rom schrieb, sind zugleich die Botschaft des sei. Joseph Vaz, eines Mannes, der für seine Milde und die Demut seines Herzens bekannt war. Diese Worte sind an euch gerichtet - und an alle, die ernsthaft nach Frieden in diesem Lande streben. Der hl. Paulus betont: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht“ {Röm 12,17). Das ist Gottes Wille für euch. Das ist Gottes Wille für Sri Lanka! Verzeihung, Versöhnung, Friede: Diese Aufgabe liegt vor euch: vor euch allen, Singhalesen und Tamilen, Buddhisten, Hindus, Muslims, Christen und allen Männern und Frauen guten Willens. Das ist die Berufung für euch alle. Möge das Beispiel von Pater Joseph Vaz eure Herzen ansprechen. Pater Joseph hat eure Nation und alle ihre Menschen geliebt. Er hieß jeden als Kind Gottes willkommen. Und wegen dieser Liebe wird sein Name nun als ein Segen hier in Sri Lanka und in der ganzen Welt angerufen. „Selig, die Frieden stiften“ {Mt 5,9). Wenn bleibender Friede einkehrt, werden alle Einwohner von Sri Lanka gesegnet sein, und euer Land wir in seinervollen Würde und Größe wiederhergestellt werden. Möge der allmächtige Gott dies durch euch bewirken. Möge der allmächtige Gott auf die Fürsprache Unserer Lieben Frau und des sei. Joseph Vaz dies durch euch bewirken. Amen. Liebe Brüder und Schwestern, geschätzte Freunde, mein Herz ist voll von Dank zu Gott über die Schönheit dieser wundervollen Insel und ihr wunderbares Volk. Dankbar bin ich euch allen für das einzigartige Willkommen, das ihr mir bereitet habt, für diese glänzende Feier der Seligsprechung, die so tief geprägt war von Zeichen eurer Kultur und von der Würde, die euch als Volk auszeichnet. Möge der sei. Joseph Vaz euch und eure Familien beschützen. Möge er Fürsprecher sein finden Frieden und die Harmonie, die ihr alle ersehnt und für die ihr betet. Der allmächtige Gott segne Sri Lanka überreich. Wirklich, ich bewundere die Schönheit, die Schönheit dieses Landes, die Schönheit und die Natur dieser Insel, die Schönheit der Menschen - aller Männer und Frauen - und die Anmut in euren Gesten, der Art, euch zu kleiden und an der Li- 321 REISEN turgie teilzunehmen. All das ist ganz wundervoll. Sri Lanka ist ein Land voller Schönheit. Ich danke Gott für diese Gelegenheit, Sri Lanka so natumah erleben zu können. Ich lade euch ein, einmal nach Rom zu kommen. Bleibt schön, mutig und friedfertig! Ich danke euch sehr. Auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit, Toleranz und Solidarität Abschiedsworte in Colombo vor der Abreise aus Sri Lanka am 21. Januar Frau Premierministerin, liebe Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herren! 1. Mein Besuch in Sri Lanka nähert sich dem Ende, und in tiefer Dankbarkeit möchte ich mich von jedem verabschieden, der an den Ereignissen der letzten beiden Tage teilgenommen hat. Ich danke Seiner Exzellenz dem Präsidenten und Ihnen, Frau Premierministerin, den Regierungsmitgliedem wie auch meinen Mitbrü-dem im Bischofsamt für alles, was getan worden ist, um meine Pilgerreise zu ermöglichen. Ich bedanke mich auch herzlichst bei allen Menschen von Sri Lanka für ihre Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft. Wenn ich nun nach Rom zurückkehre, werde ich unvergeßliche Erinnerungen an eure schöne Insel und ihre freundlichen Söhne und Töchter mitnehmen. Ich kam nach Sri Lanka vor allem zu Ehren des sei. Joseph Vaz, den die Katholiken aufgrund seiner außergewöhnlichen Nächstenliebe und vollkommenen Hingabe an unseren Herrn Jesus Christus und die Botschaft des Evangeliums verehren. Wie ein Stern am asiatischen Himmel lehrt uns dieser bedeutende geistliche Führer vieles über das Gute im Menschen und unsere edle Bestimmung als menschliche Wesen. Pater Vaz liebte Sri Lanka und sein Volk. Möge er von seinem Platz im Himmel aus weiterhin über dieses Land und seine Menschen wachen. 2. Wenn ich nun Asien verlasse, so bekräftige ich meine tiefe Hochachtung für den starken religiösen Geist, der viele asiatische Gesellschaften kennzeichnet. Es ist meine volle Überzeugung, daß in der Geschichte der Menschheit für die Anhänger der verschiedenen Religionen der Zeitpunkt gekommen ist, nach neuer gegenseitiger Achtung zu streben. In einer Welt, in der wir zunehmend voneinander abhängig sind, ist der Dialog und die Zusammenarbeit der Gläubigen untereinander eine dringende Notwendigkeit für den Aufbau der Zukunft der Menschenfamilie, gestützt auf das starke Fundament der Hochachtung für die unveräußerliche Würde jeder Person, gleiche Gerechtigkeit für alle, Toleranz und Solidarität in den menschlichen Beziehungen. Alle Männer und Frauen guten Willens müssen für die Förderung einer solchen Zivilisation Zusammenarbeiten in Anerkennung der 322 REISEN Beziehung zwischen wahrer Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Entwicklung. Ich hoffe sehr, daß Sri Lanka diesen Weg weitergehen wird, der mit Sicherheit derjenige ist, der mit der Geschichte dieses Landes und dem Charakter seines Volkes am meisten harmoniert. 3. Im Namen unserer gemeinsamen menschlichen Natur rufe ich alle Menschen in Sri Lanka auf, sich für Versöhnung und Harmonie einzusetzen. Ich bestärke die Regierung und alle anderen beteiligten Parteien, die Verhandlungen für eine gerechte Beilegung des Konflikts fortzusetzen, der das Leben in Sri Lanka in den letzten Jahren so sehr beeinträchtigt hat, und die Voraussetzungen zu schaffen für die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat sowie mit Entschlossenheit an ihren Bemühungen zur Förderung der ganzheitlichen Entwicklung der Gesellschaft von Sri Lanka festzuhalten. 4. Wir Christen haben unlängst das große Weihnachtsfest, die Geburt unseres Herrn Jesus Christus, gefeiert. Das ist die Zeit, in der wir das Loblied der Engel wiederholen: „Herrlichkeit in den Höhen für Gott und auf Erden Friede den Menschen seiner Huld“ (Lk 2,14). Frieden ist in der Tat ein Geschenk Gottes, aber er ist auch eine Aufgabe, eine Herausforderung, eine moralische Verantwortung für die Männer und Frauen unserer Zeit. Er muß immer Schritt für Schritt zustandegebracht werden. Zum Abschied wünsche ich allen Menschen in Sri Lanka, daß -wie eure Manelblume, die, ganz gleich in welcher Umgebung, im Sonnenlicht sich öffnet und zu voller Pracht erblüht - wahrhaft Gutes und wirklicher Frieden auf dieser schönen Insel gedeihen mögen, die im Herzen eines jeden von euch blühen. Gott segne Sri Lanka! Möge er euch Frieden schenken! Ayubovän! Vanakkam! 323 REISEN 2. Pastoralbesuch in Molise (19. März) Die Heilige Familie als Vorbild der Arbeiter und einer sozialen Aufwertung der Hausfrau Angelus in der Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Muttergottes in Castelpetroso am 19. März 1. Meine heutige Wallfahrt findet anläßlich des Festes des hl. Josef statt, und die Gedanken gehen natürlich zur Welt der Arbeit, die in diesem Jahr insbesondere durch ein Treffen mit den Handwerkern ausgezeichnet wird. Muß man da nicht unwillkürlich an das Haus von Nazaret denken, wo Josef und Maria sich gegenseitig in der Haushaltsführung und in der Betreuung des Kindes Jesus halfen? Josef war als Zimmermann ein Handwerker im wahrsten Sinn des Wortes. Maria, die sich um den Haushalt kümmerte, würde heute als Hausfrau und deshalb als Vorbild all jener Frauen gelten, die wahre „Handwerkerinnen des Hauses“ sind. 2. Nach einer Zeit, die durch eine gewisse Verwirrung und ideologischen Druck gekennzeichnet war, kommt heute von mehreren Seiten die Aufforderung, den Zusammenhang von Frau, Familie und Arbeit mit größerer Ausgewogenheit und Objektivität anzugehen mit dem Ziel, die Anwesenheit der Frau im Familienbereich richtig bewerten zu können. In der Enzyklika Laborem exercens schrieb ich: ,Die Erfahrung bestätigt, daß man sich für die soziale Aufwertung der mütterlichen Aufgaben einsetzen muß, für die Aufwertung der Mühen, die mit ihnen verbunden sind, und des Bedürfnisses der Kinder nach Pflege, Zuwendung und Herzlichkeit“ (Nr. 19). Auch darin bietet die Familie von Nazaret ein charakteristisches Beispiel: Maria arbeitet an der Seite Josefs, einem persönlichen und fraulichen Stil entsprechend, den die Erzählungen im Evangelium erahnen lassen. Ihr harmonisches Zusammenleben wird zweifellos durch das Handwerk des Ehemannes sehr begünstigt: Denn Josef kann in unmittelbarer Nähe der Familie arbeiten und Jesus von klein auf dasselbe Schreinerhandwerk lehren. Wir wollen jetzt zu Maria beten und ihr die Hoffnungen und Sorgen aller Familien anvertrauen, besonders jener, die bei ihrer Arbeit Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Es ist noch etwas zum Wind zu sagen, der uns die ganze Zeit beigestanden, mit uns gekämpft hat; ja, es schien, als habe er für uns gekämpft. Und wir haben irgendwie gesiegt. Denn ich denke, daß uns dieser Wind vor dem Regen geschützt 325 REISEN hat. Das ist nicht auszuschließen, eine nicht ganz wissenschaftliche Hypothese. Ich wünsche euch also einen guten Verlauf dieses Sonntags. Meine herzlichen Glückwünsche für alle, die den Namen des hl. Josef tragen, an alle, die Josef oder Josephine heißen. Gelobt sei Jesus Christus! 3. Maria, Mutter Jesu und Braut Josefs, des Handwerkers, in deinem Herzen sind geborgen die Freuden und Mühen der Heiligen Familie. Auch die Stunden des Leidens hast du Gott aufgeopfert, immer vertrauend auf seine Vorsehung. Wir bitten dich, schütze alle Frauen, die sich tagtäglich mühen, damit die häusliche Gemeinschaft in tätigem Gleichklang leben kann. Erwirke für sie, daß sie christlich kluge Frauen sind, Sachkundige des Gebetes und der Menschlichkeit, stark in der Hoffnung und in den Schwierigkeiten, wie du Handwerkerinnen des wahren Friedens. Amen. Förderung des Handwerks ist ein Beitrag zur Humanisierung der Arbeitswelt Ansprache an die Handwerker in Agnone am 19. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich danke dem Herrn Präsidenten der Region und dem Herrn Bürgermeister von Agnone für ihre freundlichen Worte, mit denen sie das gemeinsame Empfinden der Einwohner des Molise zum Ausdruck gebracht und an ihre christlichen Traditionen, ihre berufliche Tüchtigkeit und ihren Heiß erinnert haben. Dem Hirten der Diözese, Bischof Antonio Santucci, und den Bischöfen der kirchlichen Region Abruzzo-Molise, die hierher gekommen sind, entbiete ich meinen brüderlichen Gruß. Ich begrüße auch die anwesenden Vertreter der Behörden und des Militärs, und ich denke dabei besonders an den Herrn Präfekten Enrico Mari-nelli, dem ich gern in seiner Heimat begegne. Schließlich richte ich meinen herzlichen Willkommensgruß an euch, ihr Arbeiter des Molise, insbesondere an euch, ihr Handwerker, denen ich das jährliche Treffen mit der Welt der Arbeit am Fest des hl. Josef widmen wollte. Ich freue mich, hier bei euch zu sein, an diesem alten Mittelpunkt des Molise, von wo aus Botschaften von Kultur und Glauben in die Welt hinausgegangen sind, vermittelt durch die Arbeit seiner Söhne und Töchter und irgendwie auch durch den Klang seiner berühmten Glocken. Bald werde ich die Freude haben, dem Guß einer neuen Glocke der Päpstlichen Glockengießerei Marinelli beiwohnen zu können. Es wird eine Glocke sein, die in Flachrelief die Friedensprophezeiung des Jesaja (2,4) tragen wird und die ich als Symbol des Gebetes und des Friedens mit Freude den Vereinten Nationen zum Geschenk machen werde, wenn ich im Herbst dieser Hohen Internationalen Versammlung meinen Besuch abstatte. Der Guß der Glocke aus Bronze und anderen 326 REISEN Metallen kommt mir wie ein Sinnbild und Wunsch vor für eine Welt, für die es mehr denn je vonnöten ist, aus ihren Verschiedenheiten sozusagen den „Guß“ eines soliden Friedensplanes zustandezubringen. Ich finde es übrigens sehr bezeichnend, daß der Guß der Glocken von Agnone vom Gebet begleitet wird, vor allem von der Anrufung der Muttergottes. Dieser alte Ritus ist nicht nur ein Lob auf den tiefen Sinn der vom Glauben und vom Gebet geheiligten menschlichen Arbeit, sondern auch ein Ausdruck der tiefen Religiosität, die das Leben und die Geschichte dieser Stadt prägt. Und damit sind wir bei einer sehr passenden Einführung für unser Treffen, das der Arbeit gewidmet ist. 2. Die Erinnerung an den hl. Josef, den demütigen Zimmermann von Nazaret, und an seine von der Gegenwart des Gottessohnes geheiligte Arbeit drängt uns, mit aller Kraft die Würde dieser grundlegenden Dimension des menschlichen Lebens, nämlich die Arbeit, erneut zu betonen, und sie spornt an zum Einsatz dafür, daß so viele, die zur Zeit unter der Arbeitslosigkeit leiden oder Opfer von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen sind, eine ihrer Würde entsprechende Beschäftigung finden können. Im Gegensatz zu solchen, die die Arbeit als eine Ware und den Menschen als Produktionsinstrument betrachten, betont die Kirche, dem Worte Gottes getreu, beständig das Prinzip, daß „die Arbeit für den Menschen und nicht der Mensch für die Arbeit da ist“ (vgl. Laborem exercens, Nr. 6). Sie verkündet unaufhörlich den Vorrang des Menschen vor dem Werk seiner Hände. Alles muß der Verwirklichung der menschlichen Person untergeordnet sein: das Kapital, die Wissenschaft, die Technik, die öffentlichen Mittel und das Privateigentum. Dieser Vorrang des Menschen wird in jeder Situation konkret sichergestellt, wenn vermieden wird, daß die kapitalistische und ökonomische Denkweise offene oder versteckte Formen der Unterordnung der Arbeit unter den Profit einführt. Damit ist die Anerkennung der Würde der menschlichen Arbeit in ihren vielfältigen Dimensionen verbunden: in der geistlichen und in gewissem Sinn göttlichen Dimension. Sie offenbart die Arbeit als Fortführung des liebevollen Wirkens des Schöpfers und läßt ihren mühsamen Aspekt im Licht des Ostergeheimnisses Christi begreifen und annehmen. In der sozialen Dimension: Sie macht aus der Arbeit ein Mittel der Solidarität und des Teilens, besonders im Hinblick auf die Anforderungen der Familie und der Förderung des Allgemeinwohls. In der moralischen Dimension: Dank ihrer wird die Arbeit als verantwortliche Annahme des Planes Gottes gelebt in der Erfüllung seines Gesetzes. In der weltumspannenden Dimension: Sie erfordert die Überwindung jener sündigen Strukturen, die Ursachen -und zwar nicht zweitrangige - der tragischen und zunehmenden Unterentwicklung in so vielen Zonen unseres Planeten sind. Es sind Dimensionen, die jeder Art Arbeit eigen sind, auch wenn wir sie heute speziell auf das Gebiet des Handwerks anwenden. 327 REISEN 3. Liebe Handwerker, eure Kultur und eure Tradition lassen euch fast instinktmäßig diese Forderungen der Soziallehre der Kirche erfassen. Die Lebensrhythmen und Lebensbedingungen, die den Menschen und den Familien der Industriegesellschaft auferlegt wurden, haben Veränderungen mit sich gebracht, die nicht immer einen positiven Begriff vom Arbeitseifer des Menschen hatten. Besorgniserregend in dieser Hinsicht sind die Abneigung gegen die Arbeit, der Verlust des Sinnes für ihren Wert zum Reifen der Person, das häufige Suchen nach einer Beschäftigung nur im Blick auf die Bezahlung. In solch einem manchmal frustrierenden und entmenschlichenden Umfeld, das zur Unterbewertung der subjektiven Dimension der Arbeit führt, ist eine geduldige und mutige Wiederherstellung der Beziehungen zwischen der Arbeit und dem Menschen, zwischen dem Unternehmen und dem Wirken des einzelnen, zwischen Gewinn und Allgemeinwohl erforderlich. Gerade diese Zielsetzungen werden oft auf treffende Weise in den Handwerksbetrieben verwirklicht. In ihnen nämlich führen die unmittelbaren Beziehungen zwischen dem Menschen und seinem Werk und die selbständige Wahl bei den Tätigkeiten dazu, das qualitative Profil der Arbeit, den Geist der Initiative, die Förderung der künstlerischen Fähigkeiten und die Freiheit des Arbeiters sowie auch die rechte Beziehung zwischen dem Menschen und der Maschine, der Technik und dem Umfeld zu begünstigen. 4. Große Verdienste hat sich das Handwerk im Lauf der Zeiten erworben. Man braucht nur daran zu denken, wie das Leben der Handwerksverbände in vielen europäischen Ländern zur Bewußtseinsbildung über die Würde des Menschen und zur Entwicklung der Demokratie beigetragen hat. Die handwerkliche Kultur hat außerdem Bedeutendes zum Wohlstand und zur Begegnung zwischen den Völkern beigetragen und den nachfolgenden Zeitaltern bewundernswerte Verbindungen von Kultur und Glauben hinterlassen. Was soll man ferner sagen von dem Form annehmenden Werk, das in den Werkstätten der Handwerker entsteht? Sie sind echte Schulen, wo der junge Mensch in die Kunst, aber vor allem ins Leben eingeführt wird: Das zuständige und maßgebende Wirken des Meisters formt in ihm den Handwerker, erzieht ihn zu den großen Tugenden der Demut, des Hörens, der Geduld, der Beharrlichkeit, des Opfers, die wesentlich sind für den Reifungsprozeß der Person. Im übrigen hat die enge Verbindung zwischen handwerklichem Unternehmen und Familie ideale Bedingungen für einen Erziehungsprozeß geschaffen, der auf die Entfaltung der emotionalen Fähigkeiten, auf Arbeitsamkeit und Gemeinschaftlichkeit konzentriert ist. In eurem Land hatte die Familie auch im wirtschaftlichen Bereich eine bestimmende Rolle. Um sie drehte sich im Einklang mit den Forderungen des sozialen Lebens und einer gesunden Wirtschaft ein ganzes System von Interessen, Werten und Haltungen. Zu einem beträchtlichen Teil war die Familie damit betraut, die natürlichen Reichtümer des Gebietes, seine produktive Lebenskraft und das Gleichgewicht zwischen Umwelt, Reichtum und Arbeit des Menschen zu überwachen. 328 REISEN 5. Die jüngste Geschichte eures Landes deckt sich oft mit den Schwierigkeiten, die das Handwerk betroffen haben, und mit der folgenschweren Erscheinung der Auswanderung. Diese letztere hat bedeutende physische und intellektuelle Energien in andere Regionen gebracht, das menschliche und kulturelle Gefüge in euren Gegenden verarmt und die einst blühenden handwerklichen Traditionen in eine Krise versetzt. Als oft dramatische Anzeichen dafür bleiben Überalterung der Bevölkerung und Entvölkerung von Ortschaften zurück, die in der Vergangenheit reich waren an Leben und Schaffen. Dieser schwierigen Lage gegenüber hat es bei euch nicht an lobenswerten Versuchen gefehlt, das handwerkliche Unternehmen aufrechtzuerhalten und es durch Anpassung an die veränderten Wirtschafts- und Marktgesetze wieder auf die Höhe zu bringen. Um in der handwerklichen Welt das Band zwischen Wohlstand und Kultur zu festigen, darf das Handwerk nicht auf ein nur elitäres Überleben von Freiwilligen zusammenschrumpfen, sondern es braucht eine aufmerksame und fortdauernde Erarbeitung von Programmen und die Unterstützung aller Mitglieder der Gesellschaft. Diesbezüglich möchte ich auch meine große Wertschätzung aussprechen für all das, was die Ortskirchen seit einigen Jahren unternehmen, um die Situation und die Probleme im Gebiet zu studieren, das allgemeine Interesse dafür zu wecken und Initiativen zur soziopolitischen Bildung zu fördern. Einen bedeutenden Beitrag zu diesem Bemühen wird auch die kommende Diözesansynode von Trivento leisten, welche die Themen der Neuevangelisierung und der menschlichen Entwicklung behandeln will. Das sind Zeichen der Hoffnung, die eine Ermutigung zu tatkräftigem Mitwirken und hochherziger Beteiligung von seiten aller verdienen. 6. Liebe Handwerker und alle Bauern und Arbeiter des Molise, gebt euch den augenblicklichen ernsten Problemen gegenüber nicht geschlagen, und laßt nicht davon ab, eure Zukunft zu planen! Trotz des Niedergangs in vielen Branchen habt ihr geduldig und zäh eine stille, aber wirksame produktive Kultur weitergeführt, die heute zu einem bestimmenden Faktor für die Zukunft eures Landes werden kann. Es darf aber nicht der volle und überzeugte Einsatz der öffentlichen Stellen für eine Unterstützung der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit in der Region fehlen: ein konkretes und unverzügliches Entwicklungsprogramm, das die einzelnen und die Gemeinschaften anspomt, die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Möglichkeiten von neuem zu erwägen, das ferner die gesamte Politik der Investitionen überdenkt, in einigen Zonen der Region den weiteren Rückgang der Beschäftigung und das Abwandem verhindert und der Unsicherheit der Zukunftsaussichten entgegentritt sowie in anderen Zonen der unkontrollierten Verstädterung Einhalt gebietet. Eine ausgewogene und aufmerksame Unterstützung aller Teilgebiete der regionalen Wirtschaft sollte der Antrieb sein für das Erkennen der gleichen Würde und der gegenseitigen Ergänzung zwischen den verschiedenen Wirtschaftszwei- 329 REISEN gen, einschließlich des Handwerks, das für die integrale Entwicklung des regionalen Gefüges so viel Bedeutung behält. Im übrigen wird es auch notwendig sein, die Qualität des Gebietes zu schützen und der Versuchung zu widerstehen, hinsichtlich der wichtigen Dienste die Zonen, die am meisten durch Auswanderung und Entvölkerung gelitten haben, auszugrenzen. Nur wenn überall bestmögliche Lebensbedingungen wiederhergestellt werden, wird jeder die Möglichkeit haben, im Land seiner Vorfahren und in seinem Haus zu bleiben. Es handelt sich um Probleme, die im Licht einer tragfähigen Kultur der Solidarität und der Gerechtigkeit gelöst werden müssen: Es kommt kein wirklicher Fortschritt zustande, wenn die Schwächsten und Geringsten sich selbst überlassen werden. Schließlich sollten auch Mittel und Energien für Ausbildungsprogramme eingesetzt werden, die, vor allem bei den jungen Generationen, eine neue Beachtung der Beziehung zwischen der Natur, dem Menschen und der Umwelt anregen sowie eine Untemehmermentahtät, die für den Dialog zwischen Handwerksuntemehmen, Märkten und neuen Technologien offen ist. 7. Liebe Handwerker, liebe Bauern und alle Arbeiter, ehe ich zu euch kam, habe ich die Eucharistie im Marienheiligtum von Castelpetroso gefeiert, das den Einwohnern des Molise so teuer ist. Eure Vorfahren haben in der Begegnung mit dem Schmerz und dem Opfer Mariens und dem Kreuz des Herrn die Kraft gefunden, den Weg wieder aufzunehmen und größere Ziele anzustreben. Möge das dritte christliche Jahrtausend, das nun schon vor der Tür steht, auch euch bereit finden, von der Heiligen Jungfrau die große Tugend der Hoffnung zu lernen, die auch in der täglichen Mühe und nicht selten in der Ungewißheit über das Morgen vertrauensvoll der Zukunft entgegengehen läßt. Der hl. Josef möge euch beschützen. Und die Heiligen und die Glaubenszeugen des Molise mögen euch Vorbilder und sichere Führer sein: der hl. Francesco Ca-racciolo, der sei. Antonio Lucci und der Diener Gottes Pater Matteo von Agnone. Von Herzen segne ich euch alle. Fastenzeit als Bundesangebot Gottes Predigt bei der hl. Messe vor der Wallfahrtskirche von Castelpetroso am 19. März „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs,, (Ex 3,6) 1. Die Lesungen dieses dritten Fastensonntags führen uns tief in das Geheimnis des Bundes Gottes mit dem Menschen ein. Die erste Lesung aus dem Buch Exodus versetzt uns in eine Wüstenlandschaft, die ein typisches Symbol der Fastenzeit ist; sie hat Mose zum Hauptakteur. Es handelt sich um die Erzählung vom „brennenden Dornbusch“, eine der eindrücklichsten und bedeutungsvollsten Geschichten 330 REISEN der ganzen Heiligen Schrift, die durch alle Epochen hindurch die Gläubigen zur Meditation anzuregen vermochte. Durch diesen geheimnisvollen Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt, spricht Gott zu Mose: Er ruft ihn, er gibt sich ihm zu erkennen und beauftragt ihn, die Israeliten aus Ägypten herauszuführen. Zum Schluß offenbart er ihm seinen Namen: „Ich bin der ,Ich-bin-da’ - Jahwe -, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs,, (vgl. Ex 3,14-15). Dieses Ereignis, das sich an den Hängen des Berges Horeb, des „Gottesberges“ (£x3,l) zugetragen hat, stellt gewissermaßen einen Neubeginn des alten Bundes Gottes mit seinem Volk dar. Gemäß der Mose gegebenen Verheißung wird Gott das Volk Israel aus Ägypten und aus der Knechtschaft herausführen, um es durch die Wüste ins Gelobte Land hinaufzuführen. Die Begebenheit am Berg Horeb leitet das ganze Heilswerk Gottes an Israel ein: Es findet seinen Höhepunkt im Bundesschluß am Sinai, der die Zehn Gebote beinhaltet. 2. „Das aber - so mahnt der Apostel Paulus - wurde uns zur Warnung aufgeschrieben“ (7 Kor 10,11), damit wir „Früchte (hervorbringen), die ... Umkehr zeigen“ (Lk 3,8) und nicht wie der Baum des Gleichnisses im Evangelium sind: nutzlos und unfruchtbar (vgl. Lk 13,6-7). Tatsächlich „wird jeder Baum, der keine guten Früchte trägt, umgehauen und ins Feuer geworfen“ (vgl. Lk 3,9 und Joh 15,6). Die Fastenzeit, in der wir uns jetzt befinden, liebe Brüder und Schwestern, sollen wir als erneutes Bundesangebot von seiten Gottes verstehen. Denn „der Herr ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Güte“ (Antwortgesang: Ps 103/102,8). Die Gnade des Herrn und seine unendliche Barmherzigkeit verpflichten uns als einzelne und als Gemeinschaft, den „Baum“ des geistlichen Lebens zu pflegen, durch die Buße „den Boden um ihn herum aufzugraben“, ihn mit dem Wort Gottes zu „düngen“, damit er „doch noch Früchte trägt“ (vgl. Lk 13,8-9). 3. Heute, am 19. März, verehrt die Kirche den hl. Josef, Bräutigam der seligen Jungfrau Maria, obwohl dieses Jahr das liturgische Hochfest erst morgen gefeiert wird. Es ist für mich ein Grund zu großer Freude, gerade heute in Castelpetroso zu sein - in dieser rauhen, aber dennoch schönen und eindrucksvollen Gegend -, in diesem schönen Heiligtum der Schmerzensmutter, die von meinem verehrten Vorgänger, dem Diener Gottes Papst Paul VI., zur Patronin der Region Molise erklärt wurde. An diesen Ort, wohin vor neunzig Jahren eine Gruppe aus dem fernen Krakau pilgerte, kommt heute der Papst, selbst ein Sohn jener Stadt und der polnischen Erde, die ein einzigartiges Band des Glaubens und des Leidens mit der Schmerzensmutter verbindet. Ich möchte einen herzlichen und dankbaren Gruß an die hier anwesenden Kardinale richten, an den Erzbischof-Metropoliten, Msgr. Ettore Di Filippo, und die anderen Bischöfe der Kirchenprovinz Abruzzen-Molise sowie an den Apostolischen Nuntius in Italien, Erzbischof Colasuonno. Ich grüße die Präfekten von Campo-basso und Isemia, die Präsidenten des Regionalausschusses und des Regionalrats, 331 REISEN den Bürgermeister von Castelpetroso und die anderen Bürgermeister aller Orte dieser Region sowie die Parlamentarier und Verwalter der Region Molise und der Provinzen Campobasso und Isemia und die anderen zivilen, militärischen, kulturellen und sozialen Behörden, die an dieser Feier haben teilnehmen wollen. Ich grüße mit brüderlicher Umarmung die hier versammelten Priester und Diakone -auch die alten und kranken, die jetzt mit uns im Gebet vereint sind. Ich grüße die „Piccole Discepole di Gesü“ mit den Mädchen des Dorfes, die Franziskaner und die Franziskanerinnen von der Unbefleckten Jungfrau Maria, die den liturgischen und pastoralen Dienst in diesem Heiligtum besorgen. Ich danke allen, die bei der Vorbereitung und Organisation meines heutigen Besuchs mitgewirkt haben, und euch allen, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, die ihr an diesem bedeutungsvollen geistlichen Ereignis teilnehmt. Ich möchte jeden auffordem, den religiösen Traditionen dieser Erde treu zu bleiben mit dem Eifer, der eure Väter antrieb, großzügig zum Bau des Heiligtums beizutragen und das Kupfer zur Bedeckung des Daches zu stiften. Liebe Brüder und Schwestern! Mögt auch ihr dem Herrn die tägliche Freude und Last darzubringen wissen in Gemeinschaft mit Christus und auf die Fürsprache seiner Mutter, die hier als die Schmerzensmutter verehrt wird, die dem Vater den für unser Heil geopferten Sohn darbietet. Besonders mögt ihr euch für eine tiefe und tatkräftige Einheit einzusetzen wissen: Einheit in den Familien, Einheit in den Pfarreien, Einheit vor allem unter dem Klerus. Möge das Herz der Mutter nie wegen der Uneinigkeit ihrer Kinder Schmerz empfinden müssen! Da ich mich sodann nahe der Heimat meines verehrten Vorgängers Cölestin V. befinde - wir haben letztes Jahr die Siebenhundertjahrfeier seiner Wahl zum Papst begangen -, übersende ich einen lieben Gruß der Diözesangemeinschaft von Iser-nia und ihrem Hirten, Bischof Andrea Gemma. Ich wünsche von Herzen, daß sie, dem Beispiel des hl. Cölestin folgend, in der Treue zu Christus und im evangelischen Zeugnis wachsen möge. 4. Unser Blick kann heute nicht umhin, bei der Gestalt des hl. Josef zu verweilen. Josef steht an der Schwelle des Neuen Bundes, den Gott in Jesus Christus, dem Sohn Mariens, mit der Menschheit geschlossen hat. Die Kirche feiert in wenigen Tagen den eigentlichen Anfang dieses Bundes, nämlich die Verkündigung des Herrn. In diesem Geheimnis, in dem die „begnadete“ (Lk 1,28) Jungfrau, vom Heiligen Geist überschattet (vgl. Lk 1,35), ihr „fiat“ - „mir geschehe“ - (Lk 1,38) spricht, wird das Wort Fleisch (vgl. Joh 1,14), der Gottessohn nimmt im Schoße Mariens Menschennatur an: So beginnt der „neue“ und endgültige Bund Gottes mit dem Menschen. Bei diesem neuen Anfang hat Josef, der Bräutigam Mariens, seine Rolle. Um die gerechtfertigte Bestürzung über die Entdeckung, daß seine Braut ein Kind erwartet, in ihm zu beseitigen, wird auch ihm von Gott eine klärende Botschaft gegeben, die in ihrem wesentlichen Gehalt der Verkündigung an Maria ähnlich ist. Der Engel des Herrn sagt zu ihm: , Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, 332 REISEN ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,20-21). Die Liturgie lobt daher den Glaubensgehorsam, den sowohl Maria als auch Josef unter Beweis gestellt haben, ein Gehorsam ähnlich dem von Abraham, „unserem Vater im Glauben“ (vgl. Römischer Kanon), gezeigten. 5. Was bedeutet es nun, daß Gott mit dem Menschen einen Bund schließt? Wie ist so etwas möglich? Es ist möglich, weil Gott den Menschen als sein Abbild, ihm ähnlich, geschaffen hat. Anders als alle anderen Geschöpfe ist der Mensch in der Lage, mit Gott zu sprechen. Und Gott will, daß diese Beziehung in der Form des Dialogs gelebt wird. So vertraut Gott von Anbeginn an dem Menschen die ganze geschaffene Welt an, indem er spricht: „Unterwerft euch die Erde“ (vgl. Gen 1,28). Mit diesen Worten setzt er die Ordnung der menschlichen Arbeit ein, die in den Plan des Bundes einbezogen ist. Mit ihrer Arbeit machen die Menschen sich die Erde untertan, gewinnen aus den geschaffenen Wirklichkeiten immer neue Mittel, die sie brauchen, um sich und ihre Familien am Leben zu erhalten. Die Kirche sieht es als eine ihrer Hauptaufgaben an, das „Evangelium von der Arbeit“ zu verkündigen, welches einen wesentlichen Aspekt ihrer Lehre über die soziale Gerechtigkeit bildet. Und hier können wir zum Buch Exodus zurückkehren und zu der Befreiungssendung, die Gott Mose anvertraut hat. Denn es handelt sich um eine Befreiung auch in sozialem Sinn. Die Ungerechtigkeit, die die Söhne und Töchter Israels erfahren, besteht in der Ausbeutung ihrer Arbeit - auch zu dem Zweck, sie vom Familienleben und vom Gottesdienst abzuhalten. Der Pharao meint, daß sie auf diese Weise Ägypten nicht mehr gefährlich werden können. Die Strategie des Pharaos, die Israeliten durch Arbeit zu unteijochen, stellt ein typisches Muster dar, wobei Mose für alle die steht, welche im Laufe der Geschichte immer wieder den Kampf für die soziale Gerechtigkeit aufnehmen. Diese besteht unter einem wesentlichen Gesichtspunkt in der Anerkennung der rechten Würde der menschlichen Arbeit und in einem gerechten Lohn, dank dessen der Arbeiter sich mit seiner Familie erhalten kann. Andererseits erfordert sie auch geeignete Maßnahmen zugunsten derer, die ohne ihr Wollen sich in der unsicheren und erniedrigenden Lage der Arbeitslosen befinden. Die Arbeit soll zur Entwicklung des Menschen beitragen und nicht zur versklavenden Unterdrückung seiner Würde. Das ist die grundsätzliche Forderung des „Evangeliums von der Arbeit“. Jesus, der neben Josef an der Werkbank tätig ist, verkündet dieses Evangelium durch sein eigenes verborgenes Leben in Nazaret. Die christliche Soziallehre und alle Sozialenzykliken, angefangen bei Rerum no-varum, sind Ausdruck jener „Sollicitudo rei socialis“, jener Sorge für die soziale Gerechtigkeit, die die Kirche unermüdlich fördert und verwirklicht, indem sie das Evangelium vom Bund Gottes mit dem Menschen verkündet. Und diese Thematik muß am Festtag des hl. Josef immer wieder neu vorgebracht werden. Der bescheidene Zimmermann aus Nazaret an der Seite Jesu von Nazaret 333 REISEN steht auch für die Problematik der sozialen Gerechtigkeit: für uns alle, für die Arbeitswelt und für die Kirche. 6. Liebe Brüder und Schwestern, von diesem Heiligtum aus - Ausdruck des Glaubens eines arbeitsamen und zähen Volkes - vertraue ich der Schmerzensmutter die Erwartungen und Hoffnungen der heutigen Gesellschaft, insbesondere die Erwartungen der Arbeitswelt, an. Sie, die auf Golgota mit dem Erlösungsopfer Christi vereint war, erwirke für ihre Kinder, daß sie dem Gott des Bundes immer treu bleiben, daß sie reiche Früchte der Gerechtigkeit und des Friedens bringen und „die gleiche gottgeschenkte Speise“ essen und „den gleichen gottgeschenkten Trank“ trinken, von denen die heutige Liturgie spricht. Unsere Väter - so bringt uns der Apostel Paulus in Erinnerung - „tranken aus dem lebenspendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus“ (1 Kor 10,4). Christus bleibt der Felsen, von dessen Wassern auch wir trinken. Amen! 334 REISEN 3. Pastoralbesuch in Trient (29./30. April) Stadt der kulturellen Brücken Ansprache bei der Begegnung mit der Einwohnerschaft auf dem Domplatz am 29. April Herr Bürgermeister von Trient, Herr Präfekt, Herr Präsident der Provinz, Herr Minister! Verehrte zivile und kirchliche Prominenz! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich danke Gott, der mir die Möglichkeit gibt, diese eure Stadt, die der gesamten Kirche bekannt und heb ist, aus einem besonders bedeutungsvollen Anlaß zu besuchen. Ich bin hier, um den 450. Jahrestag des Beginns des Konzils von Trient zu begehen, sowie den 850. Jahrestag der letzten Weihe der Kathedrale, Herz und Zentrum dieser uralten christlichen Gemeinschaft, und auch, um einen der bedeutendsten Hirten dieser Kirche, den Diener Gottes Johann Nepomuk von Tschiderer, zur Ehre der Altäre zu erheben. Ich bin Ihnen, Herr Bürgermeister, für den herzlichen Willkommensgruß dankbar, den Sie im Namen der ganzen Bevölkerung an mich gerichtet haben. Meinen Dank sage ich ebenfalls dem Minister für die Hochschulen, die wissenschaftliche und technologische Forschung, der hier die italienische Regierung vertritt, sowie dem Präsidenten der Autonomen Provinz Trient für ihre guten und herzlichen Worte, die sie an mich gerichtet haben. Ich grüße außerdem die hier vertretenen zivilen und kirchlichen Behörden und Euch, liebe Bürger von Trient, die Ihr gekommen seid, mich mit solcher Begeisterung zu begrüßen. Ich hatte angenommen, daß die Begeisterung ein Privileg des Süden sei. Indessen sieht man hier, daß ich mich geirrt habe. Ich weiß, daß ich auf diesem prächtigen Platz, der von bedeutenden Denkmälern der Stadt und der Kirche von Trient eingerahmt wird, einer lebendigen Gemeinschaft begegne, die sich einer langen Geschichte rühmen darf - reich an Ereignissen auf zivilem, kulturellem, künstlerischem und wirtschaftlichem Gebiet: eine Geschichte, die sich über mehr als zwei Jahrtausende erstreckt, die im römischen Tridentum wurzelt und bereits seit dem 4. Jahrhundert dank der ersten Evangelisierung durch den hl. Vigilius und die hl. Märtyrer von Anaunia eine tiefe christliche Prägung aufweist. Die Stadt, die in der Epoche des Heiligen Römischen Reiches auch in weltlicher Hinsicht der Kirche anvertraut war, war die Jahrhunderte hindurch ein Ort der Begegnung, des Austausches und auch der Gegensätze, je nach dem, welche politischen Interessen oder welches kulturelle Klima gerade herrschten. Trient erfüllte die Funktion einer ,3rücke“ und eines „Bindeglieds“ 335 REISEN zwischen zwei großen Kulturen: der lateinischen und der germanischen. Aus diesem speziellen Grund widerfuhr der Stadt die Ehre, Gastgeber des XIX. Ökumenischen Konzils sein zu dürfen, das ihren Namen trägt und das Gesicht und die Geschichte der Kirche und der europäischen Kultur zutiefst geprägt hat. 2. Das Trentino ist ein „Land in den Bergen“: ein herrliches, aber auch rauhes Land, einst arm an natürlichen Ressourcen, so daß es seinen Bewohnern zur Schule der Arbeitsamkeit, Genügsamkeit und des Unternehmungsgeistes wurde; ein gesegnetes Land, das im Zeichen des Kreuzes - auf den Bergeshöhen errichtet, auf der Spitze von Hunderten und Aberhunderten von Kirchtürmen, an den Wegkreuzen aufgestellt und in den Wohnungen den Ehrenplatz einnehmend - eine sichere Orientierung des Lebens, ein solides Element der Kultur und des Fortschritts und eine stets neue Kraft gefunden hat, um die tausend Schwierigkeiten, die auf dem beschwerlichen Weg seiner Geschichte gesät sind, meistern zu können. Denn an Krisensituationen hat es nicht gefehlt. Besonders ernst war diejenige, welche viele Trentiner im letzten Jahrhundert und auch noch in diesem zur Emigration gezwungen hat. Die Präsenz der Auswanderer in ihrer neuen Heimat war von Treue zur Religion der Vorfahren und unermüdlicher Arbeitsamkeit gekennzeichnet. Unter diesen Auswanderern erinnere ich gerne an Paulina Visintainer, die ich vor drei Jahren in Florianopolis in Brasilien seligsprechen durfte. Ich erinnere außerdem an die vielen Missionare, Männer und Frauen, die im Laufe der Jahrhunderte von hier aus in alle Welt aufgebrochen sind. Dabei muß man unbedingt die Jesuiten Martino Martini, Antonio Ceschi di Santa Croce und Eusebio Francesco Chini erwähnen. In neuerer Zeit haben einige hochherzige „Zeugen des Evangeliums“ ihr Werk mit dem Märtyrertod gekrönt. Und wie könnte man es unterlassen, wenigstens zwei wichtige Persönlichkeiten, Antonio Rosmini und Alcide De Gasperi, zu nennen, die in dieser Gegend geboren wurden? 3. Die großartige Geschichte eures Landes, liebe Trentiner, ist vom Glauben geprägt und reich an dauerhaften Werten, die es verdienen, der neuen Generation als Quelle sicherer Inspiration für ihr Leben vorgelegt zu werden: Arbeitsamkeit, Redlichkeit, Solidarität, Einsatz in Geist und Tat, Wahrung der eigenen Identität, Offenheit für die Zusammenarbeit auch mit anderen und fernen Welten. Hier ist das Christentum zum Ferment der Kultur geworden und in einem gewissen Sinn sogar zu einem Element der wirtschaftlichen Entwicklung, wie die weitverzweigte christliche Genossenschaftsbewegung bezeugt, die Ende des letzten und in diesem Jahrhundert die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Bevölkerung milderte und sie unter der Führung von weisen Priestern und Laien, auf den Weg der Solidarität führte. Leider gefährdet der umfassende und rasche kulturelle Wandel der letzten Jahrzehnte auch hier die Grundlagen des Zusammenlebens und mindert die Kraft 336 REISEN der zivilen und religiösen Bezugswerte, die in eurer besten Vergangenheit so stark präsent waren. Es ist darum mehr denn je notwendig, sich mit Geist und Tat dafür einzusetzen, daß die unvergänglichen Werte des Evangeliums in der neuen gesellschaftlichen Wirklichkeit verkörpert werden, damit diese nicht ihrer Seele beraubt werde. Es soll sich jeder aufgerufen fühlen, Wertvolles von Illusorischem bei neuen Vorschlägen und Lebensstilen zu unterscheiden: das, was den Menschen in seiner Innerlichkeit aufbaut von dem, was ihn vernichtet. Eindringlich ermahnt uns das Wort Christi: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“ (Lk 9,25). In diese Richtung bewegt ihr euch bereits. Viel Gutes ist bereits vorhanden; vieles ist getan worden. Es ist nötig, daß ihr alle bei euch vorhandenen positiven Kräfte weiter festigt: lebendige Kräfte, die ihre Wurzeln in der über tausendjährigen christlichen Tradition eurer Gegend haben. In deutscher Sprache sagte der Papst: 4. Wenn ich von den Herausforderungen der gegenwärtigen Gesellschaft spreche und an die Gestaltung der Zukunft Europas denke, dann kommt mir nicht zuletzt das nachbarschaftliche Miteinander der Diözese Trient mit ihren nördlichen Nachbarn Bozen-Brixen, Innsbruck und Feldkirch in den Sinn. Es ist mir daher eine außerordentliche Freude, heute auch zahlreiche deutschsprachige Gläubige mit ihren Bischöfen begrüßen zu können. Euch aus den benachbarten Regionen Italiens und Österreichs ist es in erster Linie aufgegeben, aus dem Geist des neuen Seligen Johann Nepomuk von Tschiderer den Reichtum des euch über staatliche Grenzen hinaus verbindenden christlichen und kulturellen Erbes für eine friedliche Zukunft Europas fruchtbar zu machen. Wieder auf italienisch: 5. Liebe Trentiner! Seid stolz auf eure Geschichte! Das von euren Vätern überkommene Erbe möge euch helfen, mutig den Herausforderungen des gegenwärtigen geschichtlichen Augenblicks zu begegnen. Bei eurem täglichen Bemühen möge der Sauerteig des Glaubens und der christlichen Hoffnung niemals fehlen. Ich danke euch für die herzliche Gastfreundschaft - ein auch den zahlreichen Touristen, die eure Gegend besuchen, bekannter und von ihnen geschätzter Brauch -und vertraue diese Stadt und die anderen Orts- und Kirchengemeinden eurem Schutzpatron, dem hl. Vigilius, an, dem morgen der Diener Gottes Johann Nepomuk von Tschiderer zur Seite gestellt wird. Ich empfehle euch alle der hl. Jungfrau Maria an, die der neue Selige sehr verehrte und die ich in euren Kirchen, auf euren Bergen und in euren Tälern fromm verehrt weiß. Gott segne euch und gewähre euch Freiheit, Frieden, Eintracht und wahren Fortschritt. 337 REISEN Eucharistie verkündet die Auferstehung Predigt bei der Eucharistiefeier zur Seligsprechung von Bischof Johann Nepomuk von Tschiderer in Trient am 30. April 1.,,Deine Auferstehung preisen wir!“ Die Kirche verkündet die Auferstehung Christi im Mittelpunkt jeder hl. Messe, wenn der Priester nach der Wandlung laut die Worte spricht: „Geheimnis des Glaubens!“ Die ganze Gemeinde antwortet darauf mit dem Ruf: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Diese Worte weisen auf den zentralen Kern der Heilsereignisse, die uns im Evangelium überliefert werden. Noch heute verkündet die Kirche Christus, den Gekreuzigten, wie es die Apostel taten, wie es der hl. Paulus tat, der nichts wissen wollte „außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten“ (1 Kor 2,2). Die Kirche verkündet den Tod Christi und weist dabei auf den Beginn des neuen Lebens hin. Herr Jesus, auch wir „preisen“ heute in Trient „deine Auferstehung“. Zusammen mit den Frauen und den Aposteln stehen wir bei dem Stein, der vom Eingang deines Grabes weggewälzt ist, von dem Grab, das jetzt leer ist. Wie die Jünger begegnen wir dir auf dem Weg nach Emmaus. Insbesondere treffen wir dich mit den Aposteln im Abendmahlssaal und berühren mit Thomas deine Wunden. Auch in Galiläa begegnen wir dir, am See Gennesaret, wo man dich früher so oft lehren sah. An diesem See hattest du die Apostel zu deiner Nachfolge berufen. Sie hatten die Fischemetze zurückgelassen und den Weg begonnen, auf dem du Lehrer und Führer bist. An diesem See war einst dein Wort an Petras ergangen: „Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus!“ (Lk 5,4). Und Petras hatte die Weisung befolgt und einen außergewöhnlichen reichen Fang erzielt. Nach der Auferstehung bietet sich dieselbe Szene noch einmal, wie uns der Evangeliumsabschnitt der heutigen Liturgie berichtet. Noch einmal sagst du zu den Aposteln, die müde sind von der ergebnislosen Arbeit während der ganzen Nacht: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen“ (Joh 21,6). Sie werfen also das Netz aus, und es füllt sich so sehr mit Fischen, daß sie große Mühe haben, es ans Ufer zu ziehen. Wenn die Kirche bei der Eucharistiefeier die Auferstehung Christi verkündet, dann tut sie es kraft des Zeugnisses der Apostel, die persönlich ihren Meister als Lebenden wiedergesehen haben. Ihr Augenzeugenbericht ist die erste Quelle des Glaubens der Kirche, die die Auferstehung Christi als tatsächlich geschehenes Ereignis verkündet, als Fundament des Glaubens und Grund der Hoffnung all derer, die das Heil suchen. 2. Aus diesem Glauben lebt die Gemeinschaft der Apostel in Jerusalem. Darauf nimmt die erste Lesung der heutigen Liturgie Bezug. Den Aposteln, die noch einmal vor das Gericht des Hohen Rates gestellt wurden, wird vom Hohenpriester 338 REISEN wiederum vorgehalten: „Wir haben euch streng verboten, in diesem Namen zu lehren; ihr aber habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt; ihr wollt das Blut dieses Menschen über uns bringen“ (Apg 5,28). Die Antwort des Petrus und der Apostel ist einfach, aber auch entschieden: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29). Das heißt: Wir müssen mehr dem gehorchen, was Gott gebietet, was er uns als sein Wort anvertraut, als dem, was uns vom Hohen Rat befohlen wird. Die Apostel, die Christus nach seiner Auferstehung mit eigenen Augen gesehen hatten, konnten ihre außergewöhnliche Erfahrung nicht verschweigen. Wenn Er sich ihnen zeigte, dann tat Er es, damit die Wahrheit über seine Auferstehung durch ihr zuverlässiges Zeugnis zu allen Menschen gelange. Die Auferstehung Jesu ist der neue Anfang des Eingreifens Gottes in die Geschichte des auserwählten Volkes. Wenn die Kirche täglich bei der Eucharistiefeier die Auferstehung Christi verkündet, bezieht sie sich auf diesen Neubeginn: „Deine Auferstehung preisen wir.“ 3. Bei dieser festlichen Liturgiefeier habe ich die Freude, hier in Trient den Diener Gottes Johann Nepomuk von Tschiderer zur Ehre der Altäre zu erheben. Ist diese Seligsprechung nicht eine einzigartige Verkündigung der Auferstehung Christi? Nahm dieser Mann, den wir von heute an einen „Seligen“ nennen, nicht in geistiger Weise an der Begegnung der Apostel mit dem auferstandenen Christus teil, von der das heutige Evangelium spricht? Vernahm nicht auch er dieselbe Frage, die Christus am See Gennesaret an Petrus richtete: „Liebst du mich?“ (Joh 21,15)? Und suchte nicht auch er, wie Petrus, diese Frage mit seinem ganzen Leben zu beantworten: „Ja, Herr, du weißt, daß ich dich liebe“ (Joh 21,15)? Der Papst sagte in deutscher Sprache: Wenn wir diese bedeutsame Gestalt des neuen Seligen Johann Nepomuk von Tschiderer und seine grenzenlose Christusliebe betrachten, so richtet sich unser Blick auch auf die Region seiner Herkunft und seines so überaus segensreichen Wirkens unter deutschsprachigen Gläubigen. Daher richte ich einen besonderen Gruß an die Gläubigen aus den Diözesen Bozen-Brixen, Innsbruck und Feldkirch. Diese Ortskirchen sind mit Bischof Johann Nepomuk zutiefst verbunden. Geboren und getauft in Bozen, hat er als Seelsorger in deutschsprachigen Pfarreien des Bistums Trient gewirkt. Als Weihbischof in Brixen galt seine Hirtensorge auch Feldkirch. Bischof Johann Nepomuk von Tschiderer war also ein Mann, der Grenzen überschritten hat. Er machte sich die Weisung des Herrn zu eigen, zu dienen und sich nicht „dienen zu lassen“ (Mt 20,26). Bischof Johann Nepomuk konnte Grenzen unterschiedlicher sozialer Lage, verschiedener Sprachen und mannigfacher Mentalitäten überbrücken und verbinden. Der neue Selige hat in der Tat im Herzen Europas gewirkt und vermochte in dem leuchtenden Beispiel seiner Person Identitäten zu wahren und doch Gemeinschaft zu fördern. 339 REISEN Seine Liebe zum auferstandenen Herrn und zu seiner Kirche, die gesandt ist, das Evangelium allen Völkern bis an die Grenzen der Erde zu verkünden und alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Mt 28,19), hat in dem neuen Seligen auch die Sorge um geistliche Berufe geweckt. So ist er in diesem Bemühen neben seinem sozialen Engagement in der Diözese Bozen-Brixen noch immer gegenwärtig. Die Bischöflichen Seminare, vor allem das Johanneum, das seinen Namen trägt, vergegenwärtigen auch heute noch dieses für die Kirche so wichtige Anliegen um wohlvorbereitete und für ein ganzes priesterliches Leben tragfähige Antworten auf den Ruf des Herrn in seine besondere Nachfolge. Ich lade alle Gläubigen, Priester und Ordensleute eurer Diözesen ein, nicht im Gebet nachzulassen, damit der Herr der Ernte Arbeiter in seinen Weinberg sende (vgl. Mt 9,37.38). Wieder auf italienisch fuhr er fort: 4. Bischof Johann Nepomuk hatte von Gott in außerordentlichem Maß die Gabe der Liebe erhalten. Alles, was er im Leben tat, atmete eine tiefe, innige Beziehung zum Herrn, die er täglich in Sammlung und Gebet pflegte. Dank dieser Haltung verstand er es, sich jeder Art von Zugeständnissen an irdische Annehmlichkeiten und Ehren femzuhalten. Die verschiedenen Ämter mit ihrer schweren Bürde der Verantwortung, die ihm anvertraut wurden, erfüllte er mit dem Mut, der allein der Demut entspringt. Seiner eigenen Unzulänglichkeit ganz und gar bewußt, zögerte er dennoch nicht, wie Petrus im Vertrauen auf das Wort Christi die Netze auszuwerfen. Wenn in diesen wunderbaren Tälern des Trentino der Name Christi weiterhin heilsam erklingt und wenn die Glaubensantwort an ihn so lebendig geblieben ist, dann ist das gewiß außer der Gnade des Heiligen Geistes den ersten Verkündigern des Evangeliums in dieser Gegend zu verdanken, dem heiligen Vigilius und den Märtyrern vom Nonsberg sowie denen, die nach ihnen wie der neue Selige die Menschenfurcht zu überwinden wußten, um sich bis aufs letzte dem Evangelium hinzugeben. Bischof Johann Nepomuk stellte es an den ersten Platz und verkündete es mit seinen Worten und seinem Leben. Man schrieb in seine Sterbeurkunde: „Er liebte Trient und war die Liebe der Trientiner.“ 5. Liebe Brüder und Schwestern, es ist mir eine Freude, jedem von euch meinen herzlichen Gruß zu entbieten, angefangen bei den anwesenden Bischöfen. Besonders grüße ich den Hirten der Kirche von Trient, den lieben Bischof Giovanni Maria Sartori, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er zu Beginn der Feier an mich gerichtet hat. Ich grüße seinen verehrten Vorgänger, Bischof Alessandro Maria Gottardi, und schließe mich von Herzen dem Glückwunsch für ein langes Leben in liebender Verbundenheit mit der Diözese an, die er fünfundzwanzig Jahre lang geleitet hat. Ich grüße Kardinal Marco Ce, Patriarch von Venedig, und die Mitglieder der Bischofskonferenz von Drei-Venetien zusammen mit den anderen anwesenden Erzbischöfen und Bischöfen - auch aus Österreich -, den Priestern, Ordensleuten und 340 REISEN Laien, die in den zahlreichen Gebieten der Pastoral in der Diözese aktiv tätig sind. Mein hochachtungsvoller Gruß gilt auch den Persönlichkeiten der Verwaltung, der Politik und des Militärs, die an dieser Liturgiefeier teilnehmen. Ein liebevolles Gedenken richte ich an die Kranken, an die körperlich und geistig Leidenden, an diejenigen, die nicht an dieser Feier teilnehmen konnten und über Rundfunk und Fernsehen mit uns verbunden sind. In besonderer Weise grüße ich die Familien. Ihnen gilt die liebevolle Sorge der Kirche, die sie in den Mittelpunkt ihres pastoralen Wirkens stellen möchte, denn sie sind ein Hauptanliegen der Neuevangelisierung. Liebe Gläubige der Kirche Gottes in Trient und in den anderen hier vertretenen Diözesen: Erfüllt die jahrhundertealten Wurzeln eures Glaubens mit neuem Leben; bewahrt und bereichert das kostbare Erbe eurer religiösen Überlieferungen, das ihr von den vorausgegangenen Generationen um den Preis großer Opfer erhalten habt; geht dem dritten Jahrtausend des christlichen Zeitalters mit der Gewißheit entgegen, daß der auferstandene Herr euch zur Seite ist und euch hilft. 6. „Deine Auferstehung preisen wir.“ Die Eucharistiefeier verkündet nicht nur die Auferstehung Christi, bezeugt von den Ereignissen, die nach Ostern in Galiläa und in der ersten Zeit des Wirkens der Kirche nach der Herabkunft des Heiligen Geistes in Jerusalem stattfanden. Sie lenkt unseren Glaubensblick auch auf die endgültige Wiederkunft Christi: „Deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Im Buch der Offenbarung spricht Johannes von der Vision, die er von dem verherrlichten Christus hatte. Ihm gilt das Lob der himmlischen Geister und der ganzen Schöpfung:, Jhm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit“ (Ojfb 5,13). Christus, zur Rechten des Vaters erhöht, wird als das Lamm Gottes beschrieben, das geopferte - das heißt für die Sünden der Welt dargebrachte - Lamm. Genau so wurde Jesus von Johannes dem Täufer am Jordan genannt: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Prophetische Worte, die sich im Ostergeheimnis erfüllen sollten. Wie vielsagend ist die Tatsache, daß sich die Kirche diese Worte jeden Tag bei der Eucharistiefeier im Augenblick der Kommunion zu eigen macht: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.“ Wenn wir Christus in der Kommunion empfangen, wiederholt sich in gewissem Sinn das, was am See von Galiläa geschah. Jesus fragt jeden von uns, die wir zum Empfang der Eucharistie herantreten: ,Hiebst du mich?“ Und nachdem jeder mit den im Evangelium uns überlieferten Worten des Hauptmanns bekannt hat: „Herr, ich bin nicht würdig ...“ (Lk 7,6), antwortet er mit den Worten des Petrus: „Ja, Herr, du weißt, daß ich dich liebe“ (Joh 21,15). Heute verkündet die Kirche von Trient in ganz besonderer Weise den Tod Christi und preist seine Auferstehung. Heute, im Kontext von 450 Jahren seit dem Konzil von Trient, erfährt eure Kirche auch mit besonderer Intensität die Erwartung der Ankunft Christi in Herrlichkeit. Denn sie freut sich mit dem sei. Johann Nepomuk 341 REISEN von Tschiderer und mit allen Heiligen und Seligen über die hundertfache Frucht, die weiterhin aus der Auferstehung Christi erwächst. In Gemeinschaft mit ihnen verkünden auch wir heute deinen Tod, o Herr, und preisen deine Auferstehung, bis du - wie wir es mit sicherer Hoffnung erwarten -am Ende der Zeiten in Herrlichkeit kommst. Amen. Maria und Josef- Leitbilder der Familien Regina Caeli in Trient am 30. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Schluß dieses feierlichen Gottesdienstes, bei dem ich zu meiner Freude den Sohn dieses Landes und Bischof von Trient, Johannes Nepomuk von Tschiderer, seligsprechen konnte, richten wir jetzt unser Gebet an die Gottesmutter Maria, die der neue Selige sehr verehrt hat. Wie ganz Italien ist das Trentino von Marienheiligtümem wie mit Sternen geschmückt. Ich möchte hier auf einige hinweisen, die dem christlichen Volk, das in diesen herrlichen Tälern wohnt, besonders lieb sind: die Madonna von Caravaggio in Montagnaga di Baselga di Pine; die Gnadenmutter von Arco; Maria Helferin von Segonzano; die Gnadenmutter von Folgaria, die mit dem Andenken meines ehrwürdigen Vorgängers Johannes XXHI. verbunden ist; die Madonna del Lares von Bolbeno und die Madonna del Feles von Bosentino; die Schmerzhafte Muttergottes von Cavalese und Mariä Himmelfahrt von Campiglio. 2. Es freut mich, diesen „Kranz“ marianischer Gebetsstätten gerade heute vor Beginn des Maimonats, der traditionsgemäß der Gottesmutter geweiht ist, mit euch in Erinnerung rufen zu können. Man darf nicht glauben, daß diese Tradition überholt sei. Gewiß lebten die früheren Generationen in einem ganz anderen sozialen und kulturellen Umfeld als heute, das einfacher und stärker mit der Natur und ihren Rhythmen verknüpft war; und der ,Monat Mai“ war eine glückliche Synthese von Glaube und Volkstum. Aber hat die heutige Zeit den Frieden und die Harmonie des Leibes und der Seele nicht noch nötiger? Der Mensch von heute muß vor allem die Dimension der Stille und des Gebets wiederfinden, die unerläßlich ist für das Öffnen des Herzens gegenüber Gott und den Mitmenschen. Maria, die vollkommene Jüngerin ihres Sohnes Jesus, ist die Lehrerin all dessen: die Lehrerin des Gebets, des Lebens und einer in der Menschlichkeit verwurzelten Spiritualität. Sie lehrt uns, wie man auf das Wort Gottes hört und wie man es im Leben Tag für Tag in die Praxis umsetzt. 3. Neben Maria denken wir auch an den hl. Josef, den wir morgen, am 1. Mai, als den „Zimmermann“ und Patron der Arbeiter feiern. Wie am vergangenen 19. März 342 REISEN möchte ich auch heute dem hl. Josef die Welt der Arbeit anvertrauen, insbesondere die Männer und Frauen, die im Trentino tätig sind, wo das Handwerk besonders blüht und bekannt ist. Beten wir darum und tun wir unser Möglichstes, damit alle, besonders die Jugendlichen, Arbeit bekommen. Sorgen wir aber dafür, daß sie immer von einer religiösen Lebensauffassung, von der Liebe zu Gott und zum Nächsten sowie von einem empfindsamen und ehrlichen moralischen Gewissen erhellt und getragen wird. Fördern wir ständig den Zusammenhalt der Familie und den Dienst am Leben. Maria und Josef von Nazaret, die Bauleute der Familie und des Lebens, seien Modell und Leitbild für die Jugend, die Eheleute und die Betagten in allen trienti-nischen und italienischen Familien. Anlaß der Gnade und der religiösen Erneuerung Ansprache während der Gedenkfeier zum 450. Jahrestag des Beginns des Konzils von Trient am 30. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133,1). Die Worte des Psalms drücken wirksam die Freude dieser Begegnung aus, die hier, in dieser Kathedrale, die bedeutendsten Mitglieder der Kirche von Trient vereint sieht zusammen mit den Erben jenes gläubigen Volkes, das die Konzilsväter durch alle Phasen des Konzils von Trient hindurch mit begeisterter und frommer Teilnahme begleitete und unterstützte. Ich grüße euch alle herzlich. Ihr seid Kinder einer großen religiösen Tradition, die ihren Ursprung im Blut der Märtyrer Sisinnius, Martyrius und Alexander und im Eifer des Bischofs Vigilius hat, der sich bis zum Opfer seines Lebens dafür einsetzte, dem Volk von Trient das kostbare Gut des Glaubens zu bringen, und auch im leuchtenden Zeugnis des sei. Johann Nepomuk von Tschiderer sowie anderer bedeutender Figuren von Heiligen und Missionaren, die der Stolz dieser Gegend und der ganzen Kirche sind. Mein besonderer Gruß gilt dem Hirten dieser Erzdiözese, Msgr. Giovanni Maria Sartori. Mit ihm erweise ich dem verehrten Bruder im Bischofsamt, Alessandro Maria Gottardi, der lange Jahre Hirte dieser Kirche war, sowie den hier zusammengekommenen Bischöfen Drei-Venetiens die Ehre. 2. Heute begehen wir das Gedächtnis eines großen Ereignisses der Kirchengeschichte: Wir gedenken des Konzils, das den Namen der Stadt Trient trägt, denn vor 450 Jahren, am 13. Dezember 1545, hat es in dieser Kathedrale angefangen, und hier fanden seine wichtigsten Phasen statt. Für dieses außerordentliche Ereignis, das 18 Jahre dauerte, wollen wir zuallererst Gott Dank sagen, der trotz der Zweifel der Menschen und der objektiven Schwierigkeiten jener Zeit seiner Kirche 343 REISEN eine unschätzbare Gelegenheit der Gnade und der religiösen Erneuerung geschenkt hat. Angesichts der geistlichen und kirchlichen Krise der ersten Jahre des 16. Jahrhunderts gelang es der Kirche, in Trient den Mut der Treue zur apostolischen Tradition, den Aufschwung eines erneuerten Einsatzes der Heiligkeit, die Kraft zu einem echten pastoralen Neubeginn zu finden, so daß man nicht übertreibt, wenn man sagt, daß dieses Konzil eine ganze Epoche der Kirche gezeichnet und geprägt hat und auch heute weiter positive Auswirkungen zeitigt. Einberufen, um die Reform innerhalb der Kirche einzuleiten und zugleich grundlegende dogmatische Fragen zu klären, die Gegenstand der Kontroverse waren, verlor das Konzil nie die Hoffnung, den erbitterten Zwist beseitigen zu können, der infolge der protestantischen Reform entstanden war. Auch der Tagungsort des Konzils, diese Stadt Trient, die zum Reich Karls V. gehörte, war ausgewählt worden, „um die Begegnung zu erleichtern, um Brücke zu sein, um die Umarmung der Versöhnung und der Freundschaft anzubieten“ (Paul VI. Ansprache an die Kirche von Trient: Insegnamenti, II, 1964, S. 157). Leider konnte man damals nicht mehr tun, als die Spaltung konstatieren. Doch sollte das Streben nach Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft nie mehr nachlassen; und heute, nach den großen ökumenischen Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils, wird das als eine pasto-rale Priorität der Kirche empfunden. 3. Im sachlichen Rückblick stellt das Konzil von Trient sich als die große Antwort des katholischen Glaubens auf die Herausforderungen der modernen Kultur und die von den Reformatoren aufgeworfenen Fragen dar. Durch sein Werk dogmatischer Klärung und pastoralen Neubeginns zeichnete es die großen Wege der Kirche für die folgenden Jahrhunderte und förderte so jenen authentischen christlichen Humanismus, der in der Kultur, in der Kunst, im religiösen und sozialen Leben nicht wenige Früchte bringen sollte. Von ausschlaggebender Bedeutung für den Verlauf des Konzils war gewiß die Initiative meiner verehrten Vorgänger: Die Umsicht und Entschlossenheit Pauls III., der das Konzil gewollt hat, die Hartnäckigkeit Julius’ III., der die Fürsten und die verschiedenen kirchlichen Komponenten zusammenzubringen wußte, die tatkräftige Konkretheit Pius’ IV., der das Konzil positiv zum Abschluß führte, und schließlich der Eifer Pius’ V., Gregors XIII. und Sixtus’ V., die die Konzilsdekrete zur Anwendung brachten, haben den „Erfolg“ des historischen Ereignisses in gleichem Maße mitbestimmt. Wie sollte man nicht ebenfalls des Untemehmungseifers der päpstlichen Legaten gedenken, großer Männer der Kirche und erfahrener Politiker, die den Fortgang des von mehreren Seiten ständig bedrohten Werkes förderten? Auch müssen die bedeutenden Beiträge von Bischöfen und weisen Theologen erwähnt werden, namentlich desjenigen der gelehrten und frommen Kardinäle Seripando und Hosius, der geschickten Kardinäle Madruzzo, Bischof von Trient, und Morone sowie auch des unermüdlichen hl. Karl Borromäus. All das sind „Lesehilfen“, die zum Ver- 344 REISEN ständnis dessen, was damals geschah, nötig sind; doch die erschöpfende Erklärung des Konzilsereignisses muß in der Liebesinitiative Gottes gesucht werden, der an der Seite seiner Kirche stehen wollte, um ihr in einer besonders schweren Phase ihrer Geschichte zu helfen. 4. In der Tat waren die Probleme, an denen die Kirche zu Beginn des 16. Jahrhunderts litt, zahlreich und verlangten dringend nach einer tiefgreifenden Reform. Insbesondere die theologische Reflexion wies Rückstände auf bezüglich der großen geistigen und religiösen Fragestellungen, die die Kultur jener Zeit gären ließen, und war so dem Glaubensirrtum ausgesetzt. In einem so besorgniserregenden Kontext legte das Tridentinum die katholische Glaubenslehre in klarer und unmißverständlicher Weise neu dar. Es war eine dogmatische Klarstellung, die sich in mehr als einem Fall nicht darauf beschränkte, die geleugnete Wahrheit wiederherzustellen, sondern auch bedeutsame von der protestantischen Reform vorgebrachte Forderungen aufnahm und in den Katholizismus einbrachte. So zum Beispiel hatte die Sorge um die Wahrung des absoluten Primats der Gnade Gottes und ihres Wirkens für das Heil des Menschen die Reformatoren zu einer problematischen Neuinterpretation der Rolle des religiösen Menschen und der Kirche veranlaßt. Das Konzil wußte diesen Hinweis zu würdigen und aufzunehmen und erläuterte seinerseits unter ausführlicher Bezugnahme auf die biblischen Quellen und in einer hochstehenden und zutiefst religiösen Sprache das Werk Gottes und die Heilsrolle des Glaubens. Gleichzeitig unterstrich das Konzil die von der göttlichen Gnade hervorgebrachten Wirkungen objektiver Heilung und appellierte an die verantwortliche Mitarbeit des Menschen, die das Werk Gottes unterstützt. Auf diese Weise wollte das Konzil mit dem Dekret über die Rechtfertigung - eine der kostbarsten Errungenschaften für die Formulierung der katholischen Glaubenslehre - die von Christus der Kirche und ihren Sakramenten zugeteilte Rolle im Prozeß der Rechtfertigung des sündigen Menschen wahren. 5. Eine weitere wichtige Frucht des Konzils, die das Glaubensleben des christlichen Volkes auf zentrale und entscheidende Weise betrifft, ist das Dekret über die Eucharistie. Angesichts einer manchmal wenig erleuchteten Praxis, die den Reformatoren Anlaß geboten hatte, den Wert der Messe als Opfer in Frage zu stellen, vermochte das Konzil eine Theologie der Eucharistie zu formulieren, die uns auch heute noch überraschend deutlich erscheint: In der 22. Sitzung erklärten die Konzilsväter, daß im Geheimnis der Eucharistie das ein für allemal auf Golgota dargebrachte Kreuzesopfer auf wunderbare Weise „vergegenwärtigt“ wird. Die Messe ist fortdauerndes und wirksames Gedächtnis dieses einzigen Opfers und wendet dessen heilbringende Kraft für die Vergebung der Sünden zu. Zuvor hatte das Konzil zur Gewähr der Opferwirklichkeit der Messe in einer vorhergehenden Sitzung, der 13., mit präzisen und unmißverständlichen Ausdrücken („vere, realiter, substanti- 345 REISEN aliter“) die Realität der Präsenz Christi unter den eucharistischen Gestalten Brot und Wein unterstrichen: Präsenz, die den anderen Formen wahrer Präsenz Christi nicht widerspricht, sondern sie ergänzt, erhebt und zur Vollendung bringt. 6. Mit den dogmatischen Formulierungen über die Eucharistie eng und organisch verbunden ist die Lehre über das geweihte Amt: Indem es dessen göttlichen Ursprung verkündet, erläutert das Konzil dessen Wesen als von Christus als wesentlicher Bestandteil seiner Kirche gewolltes Sakrament. Kraft der heiligen Weihe wird der Getaufte unter die Mitglieder der Gemeinde aufgenommen und dazu bestellt, „in persona Christi“ im Dienst an den Brüdern zu handeln. In der 23. Sitzung wird das Profil des geweihten Amtsträgers gezeichnet: Ausschließend, daß dessen Aufgaben sich allein auf das Amt, das Evangelium zu verkünden, beschränken können, wird bestätigt, daß es im Neuen Testament ein sichtbares und äußeres Priestertum gibt mit der Vollmacht, den wahren Leib und das wahre Blut des Herrn zu konsekrieren und darzubringen und Sünden zu vergeben oder zu behalten. 7. Mit dem Einsatz für dogmatische Klärung verband das Konzil von Trient denjenigen für eine großangelegte Wiederbelebung der pastoralen Dimension der Kirche. Ja, es verschmolz die beiden Erfordernisse in einer wunderbaren Synthese, indem es auf entschiedenen Wunsch der Päpste die gläubige Annahme der geof-fenbarten Wahrheit als unerläßliche Bedingung für eine angemessene Seelsorge und für eine echte Reform der Kirche verkündete. So wurden die Bedingungen dafür geschaffen, daß die innere Lebenskraft der Gnade hervorbrechen und dazu beitragen konnte, das Angesicht der Braut Christi zu erneuern. Den Konzilsvätem lag vor allem am Herzen, eine würdige Ausübung des Priesteramtes in der Kirche zu fördern, weshalb sie dessen echt pastorale Merkmale auf allen Ebenen unterstrichen. Denn das war der wahre Notstand in der Kirche jener Zeit und ihr dringendster Bedarf. Darauf zielten die langen Diskussionen über die Residenzpflicht der Bischöfe ab, welche einen beachtlichen Platz in den Konzilssitzungen einnahmen. Es war allgemeine Überzeugung, daß die Reform des Kirchenkörpers nur von würdigen, gut ausgebildeten und tief und konkret der Seelsorge sich widmenden Priestern ausgehen konnte. Unter Aufnahme auch der von den Reformatoren ausgegangenen Anregungen präsentierte die Konzilsversammlung in der 5. und 24. Sitzung die „praedicatio evangelii“ als „praeci-puum episcoporum munus“. So wurde die Verkündung des Wortes Gottes in den Formen der Predigt und der Katechese als wesentliches und wiederbelebendes Element des Glaubens und der Frömmigkeit des Gottesvolkes wieder in den Mittelpunkt der ordentlichen Seelsorge gerückt. 8. Zu dem Zweck einer angemessenen Ausbildung der Priester in Sachen der Glaubenslehre und der Pastoral sorgte das Konzil für die Einrichtung von Priesterseminaren. Und das stellte eine wahre Wende im Leben und in der Praxis der Kirche dar. Die Konzilsväter waren davon überzeugt, daß der Fortschritt der christli- 346 REISEN chen Gemeinschaft nicht möglich ist ohne das Werk eifriger, sowohl geistig als auch sittlich gebildeter Priester. Nicht mindere pastorale Auswirkungen hatten im Tridentinum die Dekrete über die Sakramente. Das Konzil bremste nicht nur die damals im Bereich der Liturgie herrschende Unordnung, sondern es sorgte auch dafür, den liturgischen Feiern Einheit, Wahrheit und Würde zu verleihen, um der zum Gebet versammelten Gemeinde einen wirksamen Dienst zu bieten. Der Einfluß des Konzils ging über die Grenzen der Kirche hinaus und wurde zu einem bestimmenden Kulturfaktor in Europa und - über die große Ausbreitung der Missionstätigkeit - in der restlichen Welt. Wenngleich die Konzilsväter des Tri-dentinums empfänglich waren für die positiven Fermente, die den Anbruch des neuen Zeitalters begleiteten, sahen sie in der Rückkehr zu den christlichen Wurzeln der Kultur die notwendige Bedingung, um einen authentischen Humanismus aufzubauen. Deshalb kann man wahrheitsgemäß sagen, daß in Trient entscheidende Voraussetzungen für jenen „christlichen Humanismus“ gelegt wurden, aus dem ein Philipp Neri, ein Petrus Canisius, ein Franz von Sales und viele andere hervorragende Figuren von Zeugen Christi schöpften, die in der Gesellschaft ihrer Zeit eine so reiche Ernte an Gutem hervorzurufen wußten. 9. Leider reichte dieser wunderbare Schatz an Wahrheit und pastoralen Initiativen nicht aus, um den Bruch zu heilen, der in jenen Jahrzehnten infolge der ,.Reform“ entstanden war. Darauf bedacht, die Aussicht auf Wiedervereinigung nicht noch mehr in Frage zu stellen, vermieden es die Konzilsväter, die Auseinandersetzung durch spezifische Verurteilungen zu verschärfen, wenn sie auch die Lehren der Reformatoren dort, wo sie die Kontinuität der Tradition brachen und deren wesentliche Inhalte verloren, entschieden zurückwiesen. In dem vom Zweiten Vatikanischen Konzil so sehr betonten ökumenischen Geist habe ich in den vergangenen Jahren die Entwicklung des Dialogs mit den Brüdern, die Erben der protestantischen Reform sind, gefördert. Die Resultate der vor einigen Jahren eingesetzten gemischten Theologenkommission hinsichtlich einiger Kemthemen haben sich als wirklich vielversprechend erwiesen und lassen uns die Hoffnung nähren, daß man zu weiteren Punkten der Konvergenz bei den Themen kommen kann, in denen noch keine ausreichende Übereinstimmung erzielt wurde. Die dogmatischen Aussagen des Konzils von Trient behalten natürlich ihren ganzen Wert. Aber eine unbelastete Vertiefung der geoffenbarten Wahrheit im Gehorsam gegenüber dem Geist Gottes und in einer Haltung gegenseitigen Zuhörens wird uns einander immer näher bringen und die Unverständnisse der Vergangenheit zu Gelegenheiten des Wachstums im Glauben und in der Liebe werden lassen. 10. Liebe Brüder und Schwestern! Bei dieser feierlichen Gedenkstunde möchte ich all denen meine Ermutigung zukommen lassen, die sich mit Hingabe und ökumenischer Leidenschaft der historischen und theologischen Forschung widmen und 347 REISEN in dem von der unerbittlichen Suche nach der Wahrheit geleiteten Dialog die Voraussetzungen für die Rückkehr zur vollen, sichtbaren Einheit aller Christen schaffen. Der Einsatz für die Einheit der Christen gewinnt besondere Bedeutung im Hinblick auf die Feier des Jubeljahrs 2000, das eine große Gelegenheit sein soll, um vom Herrn zu erflehen, „daß die Einheit zwischen allen Christen der verschiedenen Konfessionen bis hin zur Erlangung der vollen Gemeinschaft wachsen möge“. Dieses Ereignis wird „die geeignete Gelegenheit für ein fruchtbares Zusammenwirken im gemeinsamen Tun all der vielen Dinge“ sein, „die uns einen und die sehr viel mehr sind als diejenigen, die uns trennen. Wie sehr wäre es in dieser Hinsicht hilfreich, wenn in Anerkennung der Programme der einzelnen Kirchen und Gemeinschaften eine ökumenische Verständigung über die Vorbereitung und Verwirklichung des Jubiläums erreicht würde: Diese würde so vor der Welt noch mehr Kraft gewinnen in der Bezeugung des entschiedenen Willens aller Jünger Christi, baldmöglich die volle Einheit zu erreichen in der Gewißheit, daß ,bei Gott nichts unmöglich ist’“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 16). 11. Unsere Versammlung beherrscht das ernste und ergreifende Bild des Gekreuzigten. Auf diesem antiken Bildnis, das die Väter des Konzils von Trient in den Mittelpunkt ihrer Sitzungen und ihres Gebetes stellten, hat ein gläubiger Bildhauer die Inschrift hinterlassen: „Solus Christus! Sola Gratia!“ Wenn wir dieses milde und leidende Antlitz betrachten, sind wir aufgefordert, das wahre Maß der Barmherzigkeit Gottes und den letzten Sinn seiner Gerechtigkeit zu begreifen; wir sind dazu gedrängt, seiner Gnade zu entsprechen, um auf dem Weg der Kirche immer und einzig das Wesentliche zu erfassen: das Kommen des Reiches Christi, der für unser Heil gekreuzigt wurde und auferstanden ist. Auf diesem Weg der Kirche stellen die Konzilien wichtige und von der Vorsehung bestimmte Etappen dar. Vor 450 Jahren setzte das Konzil von Trient den Anfang eines starken Prozesses geistlichen und pastoralen Neubeginns in der Kirche. In gleicher Weise hat das Zweite Vatikanische Konzil, wahre „Gnade Gottes und Geschenk des Heiligen Geistes“ (vgl. Außerordentliche Versammlung der Bischofssynode zwanzig Jahre nach Abschluß des Konzils, Schlußbericht, Nr. 2), der Kirche unserer Zeit ein erneuertes Bewußtsein ihres Geheimnisses und ihrer Sendung gegeben und der ganzen Gemeinschaft einen prophetischen Impuls der Erneuerung im Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes verliehen, um den Menschen besser zu dienen und ihnen die Botschaft des Evangeliums wirksamer zu bringen. Wie im 16. Jahrhundert die getreue Umsetzung der Konzilslehren den gewünschten pastoralen Neubeginn zur Folge hatte, so wird die getreue Anwendung der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils es heute ermöglichen, angemessene Antworten auf die neuen Problematiken unser Epoche, nunmehr an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends, anzubieten. Maria, die Mutter der Einheit und der Liebe, möge jedem helfen, seine Verantwortung in der Kirche zu übernehmen. Sie möge uns vor allem helfen, Den aufzuneh- 348 REISEN men, der vom Kreuz aus herrscht, um immer bereit zu sein, der Welt das große Zeichen der vollen Gemeinschaft zu bieten, die aus der trinitarischen Liebe erwächst. Samen der Einheit, der Versöhnung und des Dialogs Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen auf der Piazza della Fiera am 30. April Liebe Jugendliche! 1. Ich freue mich sehr, heute mit euch zusammen zu sein. Ich danke euch, daß ihr zu dem Treffen mit mir gekommen seid. Ich grüße euch alle herzlich mit eurem lieben Erzbischof und mit euren Priestern. Ich grüße vor allem die „Sprecher“, die den Willkommensgruß der Jugendlichen von Trient an mich gerichtet und mir auch einige Fragen gestellt haben, die Frucht eurer Überlegungen sind. Ich habe die eindrucksvollen, symbolischen Choreographien bewundert, die ihr aufgeführt habt, und auch die Begeisterung in euren Liedern hat mich beeindruckt. Ich möchte euch alle umarmen und jedem von euch meinen herzlichsten Dank aussprechen! Mein Besuch findet 450 Jahre nach dem Konzil von Trient statt, aber wenn ich euch anschaue, sehe ich die Jugendlichen des Zweiten Vatikanischen Konzils, des Konzils, das die Kirche auf das dritte christliche Jahrtausend ausrichtet. Daher ist das erste, was der Papst euch sagt, folgendes: Lernt das Zweite Vatikanische Konzil gut, und ihr werdet auch dem Tridentinum treu sein! 2. Wir kommen nun zu dem Wort, das im Mittelpunkt unseres Treffens steht, einem jener Worte, die die Tiefen des Herzens Christi ausdrücken: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Diese Bitte gehört zu dem großen Gebet, das Jesus nach dem Evangelisten Johannes vor seiner Passion an den Vater gerichtet hat. Das Johannesevangelium begleitet meine Begegnungen mit den Jugendlichen. Bei dem unvergeßlichen Treffen in Manila im vergangenen Januar - wo, glaube ich, auch einige von euch anwesend waren - ertönten die Worte des auferstandenen Christus: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). So verhält es sich also: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin ...“; „wie mich der Vater gesandt hat ...“ Wenn man diese beiden Wendungen nebeneinanderstellt, sieht man, daß der Vergleichspunkt derselbe ist: Es ist die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn. Und diese Beziehung stellt Christus als Vorbild für seine Jünger hin. Wenn wir auf Gott schauen, begreifen wir, daß wir für die Einheit geschaffen sind. Genau um dieses Thema geht es in der ersten Frage, die ihr mir gestellt habt: Was bedeutet es für die Jugendlichen, in einer zersplitterten Welt 349 REISEN voller Widersprüche Einheit und Versöhnung zu leben? Die Antwort gibt euch Jesus selbst: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein.“ Da ist die Antwort: Ihr könnt sie entdecken, indem ihr die Dreifaltigkeit betrachtet. Der Mensch ist als Abbild Gottes gemacht: Um sich selbst zu kennen, muß er Gott kennen. Und wer ist Gott? Was ist sein wahres Gesicht? „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8.16), schreibt ebenfalls der hl. Johannes. Der Vater liebt den Sohn, der Sohn liebt den Vater, und ihre Liebe ist der Heilige Geist. Gott ist „eins“, er ist das Absolute; aber er ist auch „dreifältig“, er ist Beziehung, Geschenk einer Person an die andere in einer vollkommenen gegenseitigen Öffnung. Jede Person ist sie selbst und von den anderen unterschieden, und doch sind die drei Personen ein einziger Gott. 3. Das ist das Modell, in dem man sich spiegeln soll! Die Dreifaltigkeit, liebe Jugendliche, lehrt euch vor allem, daß jeder suchen muß, er selbst zu sein. Ein Heranwachsender, ein Jugendlicher ist eine Person, die daran ist, die eigene Identität zu formen. In unserer Konsum- und Bildergesellschaft läuft man leicht Gefahr, sich zu verirren, „zu Bruch“ zu gehen. Ein zerbrochener Spiegel ist nicht mehr, in der Lage, das ganze Bild wiederzugeben. Er muß zusammengesetzt werden. Die Person braucht daher ein tiefes und stabiles Zentrum, in dem die verschiedenen Erfahrungen geeinigt werden können. Wie der hl. Augustinus lehrt, darf dieses Zentrum nicht außerhalb des eigenen Ichs, sondern muß im Innersten des eigenen Herzens gesucht werden, wo der Mensch Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist begegnet. In der Beziehung zu Gott, der Einheit ist, kann der Mensch sich selbst einen. 4. Wir wollen unsere Überlegung noch weiter vertiefen: Der Mensch ist nur dann ganz er selbst, wenn er Gott begegnet und sich der Umarmung der Dreifaltigkeit überlassen kann! Der Heranwachsende, der die Liebe Gottes kennt und sich Ihm anvertraut, wird ganz er selbst und überwindet so die große Gefahr, „einer, keiner und hunderttausend“ zu sein - wie ein euch wohlbekannter italienischer Schriftsteller einmal schrieb. Er wird also fähig, sich für die anderen zu öffnen: nicht nur „etwas“ zu geben, sondern „sich selbst“ zu schenken. Liebe Jugendliche! Wenn ihr diesem Weg zu folgen versteht, werdet ihr nie bloße Nummern in der Masse, Kopien der Gesichter ohne Namen aus der Werbung sein. Leider scheint die Konsumgesellschaft nicht selten genau das zu wollen: daß ihr Individuen ohne Persönlichkeit seid, daß ihr den Moden nachlebt auf der Suche nach stets neuen Sinnesreizen, den Impulsen des Augenblicks preisgegeben, weil ihr so zu idealen „Konsumenten“ werdet. Auch das „Übertreten von Regeln“, das einst ein Synonym für Nonkonformismus sein mochte, ist mittlerweile vollkommen der hedonistischen Kultur zweckdienlich. Doch wenn man genau nachdenkt, schwimmt heute der gegen den Strom, der das Evangelium konsequent zu leben weiß. Hier liegt der Heroismus des Alltagslebens, der in jedem Augenblick und in 350 REISEN jeder Lage gelebten Heiligkeit. Wir wollen dem Herrn wirklich danken, daß er uns die Gelegenheit gibt, das Evangelium auf einfache Weise zu bezeugen, indem wir zu Aposteln der Treue und der Hoffnung auf den Straßen dieser Welt werden. 5. Wie aber kann man dieses Lebensideal verwirklichen? Wie kann man vermeiden, daß man sich durch die Schwierigkeiten, denen man begegnet, vom Ziel ablenken und abbringen läßt? Hier setzt eure zweite Frage an, die wissen will, wie man die Erfahrung der Einheit und Gemeinschaft beständig und dauerhaft machen kann. Diesbezüglich können wir an ein weiteres, vom hl. Johannes berichtetes Wort Jesu denken: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15,9). Unterstreicht das Verb „bleiben“! Wenn ihr wollt, daß eure Einheit dauerhaft und nicht nur vom Enthusiasmus eines bestimmten Augenblicks abhängig ist, dann müßt ihr in der Liebe Jesu „bleiben“, so wie die Rebe mit dem Weinstock verbunden bleibt. Wer in ihm „bleibt“, der „bringt reiche Frucht“ (vgl. Joh 15,5). Die erste „Frucht“, die die Apostel bringen, ist gerade, daß sie eins sind und einander lieben, wie Jesus sie geliebt hat (vgl. Joh 15,12). Ist das denn kein Wunder des Glaubens und der Heiligkeit, das auf beredte Weise zu der Menschheit unserer unruhigen, von Spannungen und Bruderkriegen erschütterten Zeit spricht? Aber wo soll man die Kraft finden, um im Herrn zu „bleiben?“ Meine lieben Jungen und Mädchen, die Kirche bietet euch vor allem die Eucharistie an, die das wahre .Anziehungszentrum“ der christlichen Gemeinschaft ist. Paulus schrieb an die Korinther: „Ein Brot ist es. Damm sind wir viele ein Leib“ (I Kor 10,17). Lernt, die Eucharistie in den Mittelpunkt eures Lebens zu stellen. Vertieft ihre Bedeutung durch die Betrachtung des Evangeliums. Das wird euch helfen, den Wert und die Schönheit der Sonntagsmesse zu entdecken und die Freude, zu einem Volk zu gehören, das den gekreuzigten und auferstandenen Christus in seinem Herzen trägt. Versucht sodann, euch dem eucharistischen Christus gegenüber so zu verhalten, wie Er sich uns gegenüber verhält: Er schenkt sich unentgeltlich selbst. Macht vor dem Tabernakel halt, allein, ohne besonderen Grund, auch ohne etwas zu sagen, einfach in seiner Gegenwart verweilend und die äußerste Geste der Liebe betrachtend, die das konsekrierte Brot enthält. Lernt, mit Ihm zu sein, um wie Er lieben zu können. Wenn ihr unter der Woche könnt, nehmt an der hl. Messe teil. Die Treue zur Werktagsmesse hilft, Christus im Alltag zu folgen, sie verleiht dem Berufungsweg Licht und Kraft. In der Eucharistie wird Christus allen alles, um uns in Ihm eins zu machen, und sendet uns dann aus, daß wir den Brüdern von seiner Liebe Zeugnis geben. Auf diese Weise verwirklichen sich die Worte, die Jesus im Abendmahlssaal an den Vater richtete: „... ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Joh 17,23). Die Brüder, die zusammen beten, werden „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32) und können auch in Initiativen und Tätigkeiten 351 REISEN eine wahre Gemeinschaft verwirklichen. Es ist sehr wichtig, daß die christliche Gemeinschaft sich als organischer Leib präsentiert, unterschiedlich in Funktionen und Diensten, Gruppen und Bewegungen, doch eins in den Motivationen, Zielen und einem Lebensstil, der dem Evangelium gerecht wird. Das ist die Lektion der Dreifaltigkeit, die das Verhalten der einzelnen wie der Gemeinschaft dauerhaft prägt und inspiriert. 6. Kommen wir nun zu der dritten Frage: Welches ist der Weg, um ohne Angst die Wahrheit und Freude Christi zu leben und weiterzugeben? Der Weg, meine Lieben, ist der Weg Jesu: der Weg des Dienstes, des Teilens, der Hingabe des eigenen Lebens. Hier nehmen wir wieder das Wort des Auferstandenen auf: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (.loh 20,21). Der Vater hat Jesus gesandt, um das Leben zu schenken und es in Fülle zu schenken (vgl. Joh 10,10), und Jesus sendet die Jünger aus, das gleiche zu tun. „Das Leben geben“: das ist das einzige Ideal, das es wert ist, bis zum Äußersten und um jeden Preis gelebt zu werden. Das ist auch der Weg der Freude, denn wie Jesus sagt: „Geben ist seliger als nehmen“ (Apg 20,35). Man darf diesen Weg nicht mit Aktivismus verwechseln. Denn wer sich zu sehr um die Dinge, die getan werden müssen, kümmert und sorgt, ist nicht mehr in der Lage, den Wert, der in diesem Tun enthalten ist, nämlich die Liebe Gottes, mitzuteilen. Seid vielmehr demütige, einfache Werkzeuge, auch von euch selbst und von euren Aktivitäten losgelöst. Hängt fest an Christus und seinem Wort allein. So werdet ihr Samen der Einheit, der Versöhnung und des Dialogs in den verschiedenen Umgebungen, in denen ihr lebt und arbeitet, säen können. Angefangen bei der Familie, die - wie ihr aus Erfahrung wißt - ein Ort ist, wo es oft Mühe kostet, das Evangelium in den täglichen Beziehungen zu bezeugen; ferner in der Schule, bei der Arbeit, beim Sport, bei gesundem Vergnügen: Verbreitet überall den Frieden und die Freude, die Jesus seinen Freunden gibt. 7. Liebe Jugendliche von Trient, schaut auf Maria! Sie hat in ihre Person und ihre Existenz das unendliche Geheimnis der Liebe des einen und dreifältigen Gottes aufgenommen. Maria hat wie eine ständige Eucharistie gelebt: Sie ist immer ganz eng mit Jesus verbunden geblieben und ist ihm treu gefolgt von seiner Menschwerdung in ihrem jungfräulichen Schoß bis zu Golgota. Nach der Auferstehung „verharrten“ die Apostel zusammen mit ihr „einmütig im Gebet“ (Apg 1,14) . So ist sie die Mutter der Einheit geworden: Urbild der Kirche, welche „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ ist (Lumen Gentium, Nr. 1). Ihr, der hl. Jungfrau, möchte ich euch, liebe Jugendliche, anvertrauen. Ich bin sicher, daß ihr unter ihrer Führung in der Einheit wachsen werdet und allen die grenzenlose Liebe Gottes in Christus Jesus, unserem Herrn (vgl. Joh 17,23), bringen werdet. Und ich begleite euch mit meinem Gebet und segne euch alle von Herzen. 352 REISEN 4. Pastoraireise in die Tschechische Republik und nach Polen (20. bis 22. Mai) Prag - ein Zentrum des Treffens und Teilens Ansprache bei der Ankunft in Prag (Tschechische Republik) am 20. Mai Herr Präsident der Tschechischen Republik, Herr Kardinalerzbischof und Primus von Böhmen, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, geehrte Vertreter der politischen, bürgerlichen und militärischen Obrigkeiten, meine Brüder und Schwestern! 1. Superabundo gaudio (2 Kor 7,4)! Ja, mit übergroßer Freude betrete ich zum zweiten Mal diesen geliebten böhmischen Boden. Ich erinnere mich an den 21. April vor fünf Jahren, als ich meinen innigen Wunsch erfüllen und endlich, wenige Monate nach dem unblutigen Ende der harten Jahre der Diktatur, endlich in eure Mitte, in die Tschechisch-Slowakische Bundesrepublik, kommen konnte. Übergroß ist meine Freude, wieder auf Prager Boden stehen zu können, und gleichzeitig danke ich dem Herrn für diesen ersten Pastoralbesuch in der Tschechischen Republik nach den historischen Ereignissen von 1993, als sich die beiden zuvor vereinten Nationen auf friedliche Weise trennten und so als bedeutendes Beispiel vor aller Welt demonstrierten, wie sich grundlegende Ansprüche auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit mit gegenseitigem Respekt in Frieden und wahrer Brüderlichkeit verwirklichen lassen. Ihre Anwesenheit, Herr Präsident, ist ein sichtbares Zeichen der neuen geschichtlichen Realität, die hier in so kurzer Zeit Wirklichkeit werden konnte. Dank Ihres persönlichen Einsatzes wie auch jener naturgegebenen Eigenschaften der Arbeitsamkeit, Genügsamkeit und Entschlossenheit Ihrer Mitbürger ist es der Tschechischen Republik gelungen, eine geachtete Stellung innerhalb der europäischen und internationalen Gemeinschaft einzunehmen. Während ich Ihnen für die freundlichen BegrüßungsWorte danke, gehen meine Gedanken unweigerlich an jene zurück, mit denen Sie mich im April 1990 als Präsident der Bundesrepublik in dieser Stadt empfingen: „An der gleichen Stelle, an der vor fünf Jahren - an dem Tag, an dem wir uns über die Seligsprechung der Agnes von Böhmen freuten - über die Zukunft unseres Landes entschieden wurde, wird das Oberhaupt der katholischen Kirche die heilige Messe feiern und wahrscheinlich unserer Heiligen für ihre Fürsprache bei demjenigen danken, der den uner- 353 REISEN gründlichen Lauf der Dinge in Händen hält“ (O.R., 22. 4. 1990, S. 4). Es freut mich, auch bei diesem Besuch erneut meine Dankbarkeit der hl. Agnes, der verehrten Schutzheiligen dieses Landes, entgegenbringen zu können. 2. Übergroß ist meine Freude, mit Kardinal Vlk und den tschechischen und mährischen Bischöfen zusammen zu sein, denen ich durch das Band der kirchlichen Gemeinschaft so nahestehe. Mit Ergriffenheit denke ich an den letzten Besuch zurück, als ich den ehrwürdigen Kardinal Frantisek Tomäsek umarmen konnte, dieses lebendige Symbol jener demütigen und heroischen Kraft, der es zusammen mit den anderen lebendigen Instanzen der Nation gelungen war, die geistlichen und sittlichen Kräfte eines ganzen Volkes zu wecken. Wie könnte man über spirituelle und moralische Kräfte eines Volkes sprechen, ohne an die emblematische Initiative der „Charta 77“ erinnert zu werden. Außer Ihnen, Herr Präsident, Unterzeichneten dieses mutige Dokument Männer großer moralischer und kultureller Bedeutung, wie Professor Jan Patocka und der Theologe Josef Zverina, denen heute die Bewunderung und die Dankbarkeit der ganzen Nation gilt. Als ich zum ersten Mal bei euch war, hatte diese Kirche nach großem Leid, Qualen und Entbehrungen soeben die Katakomben verlassen; unlängst erst waren alle Bischöfe, Orts- und Weihbischöfe, wieder in ihre Diözesen zurückgekehrt, von denen einige lange Zeit ohne pastorale Betreuung geblieben waren. Die Bischofskonferenz tat ihre ersten Schritte. Übergroß ist meine Freude, wieder bei euch sein zu dürfen, liebe böhmische und mährische Gläubige: bei den Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen, den Seminaristen, den ständigen Diakonen, den Mitgliedern der Laienorganisationen, den Jugendlichen und den Familienvätern und -müttem. Die gesamte bunte Welt der Kirche hat sich in diesen Jahren weitgehend entfaltet und die traditionelle Vitalität der Christen dieses großzügigen Landes bewiesen. 3. Ganz besonders grüße ich die verehrten Brüder in Christus, die Vertreter der verschiedenen Kirchen und christlichen Gemeinschaften, mit denen ich heute im Sitz der Apostolischen Nuntiatur Zusammentreffen werde. Aber bereits jetzt möchte ich betonen, daß ich als Pilger des Friedens und der Liebe komme. Die schmerzhaften Ereignisse der vergangenen Jahrhunderte sollen, wie ich bereits bei meinem letzten Besuch sagte, „dazu dienen, eine neue Mentalität und neue Beziehungen aufzubauen“ (Insegnamenti, XIII/1, 1990, S. 969). In den letzten fünf Jahren sind in dieser Richtung viele Schritte unternommen worden: ökumenische Initiativen auf verschiedenen Ebenen, Begegnungen und Gespräche, gegenseitige Übereinkommen und vor allem eindringliche Wortgottesdienste haben dazu beigetragen, sich besser kennenzulemen und die beiderseitige Achtung zu fördern. Wir haben den Weg brüderlicher Zusammenarbeit eingeschlagen, der auf weitere bedeutsame Fortschritte hoffen läßt. 4. Höhepunkt dieses Pastoralbesuchs in der Tschechischen Republik sind die beiden Heiligsprechungen in Olmütz. Daher wird mein Aufenthalt in Prag zwar nur 354 REISEN kurz, aber sicherlich sehr intensiv sein. Wir werden uns, so Gott will, 1997 Wiedersehen, wenn ich zu einem längeren Besuch anläßlich der tausendjährigen Jubiläumsfeier des Martyriums des hl. Adalberts zurückkommen und die verschiedenen europäischen Städte besuchen werde, wo er tiefe, durch sein Blutopfer gekrönte Spuren seines Glaubens, seines pastoralen Eifers und seines Zeugnisses hinterlassen hat. Als ich vor fünf Jahren hierherkam, hoffte ich, daß das Jahrzehnt der geistlichen Wiederbelebung, mit prophetischer Intuition von Kardinal Tomäsek im Hinblick auf dieses Ereignis eingeleitet, eine „wirksame Vorbereitung für die Gedenkfeier des tausendjährigen Todestags des hl. Adalbert sein und eine Art Schule für den neuen Lebensstil des kommenden Jahrtausends werden könnte“ (Insegnamenti, Xm/1, 1990, S. 941). Ich bin gewiß, daß der stets zielbewußte und sichere Weg dieser Jahre euch geholfen hat, auf der Suche nach dieser Lebensweise Fortschritte zu machen. Ich wünsche euch, daß ihr euch auch weiterhin beharrlich für die Verwirklichung der von euch übernommenen Verpflichtungen einsetzen werdet, damit die Feierlichkeiten, auf die ihr schon intensiv hinarbeitet, ganz besondere Früchte tragen werden. 5. Unterdessen wollen wir uns darauf vorbereiten, diese Stunde der kirchlichen Gemeinschaft bewußt zu leben. Bei dieser Gelegenheit werdet ihr erneut gemeinsam jenen Glaubensweg gehen, den ihr nach dem Fall des Totalitarismus eingeschlagen habt, um die Tiefe und die Reinheit des Lebens und des Christseins auf böhmischem Boden zur Zeit der wiedergefundenen Freiheit zu erleben. Vor allem aber wird es eine Gelegenheit sein, unsere jeweilige christliche Identität und die von ihr ausgehenden Verantwortungen im Hinblick auf die Aufgabe der Neuevangelisierung auf lebendigere Weise wahrzunehmen. Ich bin sicher, daß - so wie bereits vor fünf Jahren - das Herz Prags und der Tschechischen Republik bei den heutigen Begegnungen wie auch für die gesamte Dauer meines Aufenthalts in eurer geliebten Nation einmütig schlagen wird. Die kostbaren Werte des Glaubens, der Spiritualität, der Geschichte, Kultur und Kunst, die sie besitzt, haben zweifellos - trotz der bestehenden Unterschiede, die anderseits wiederum das geistliche Panorama dieser Nation noch interessanter gestalten - Macht und Kraft, euch alle in einer großen Familie zu vereinen. Angesichts dieser reichen Realität wünsche ich euch allen zunehmenden bürgerlichen, ethischen und sozialen Fortschritt. Herr Präsident, verehrte Brüder, meine Damen und Herrn! Vor diesem wunderbaren Panorama eures geistüchen und kulturellen Guts, das eure Heimat auf ganz außerordentliche Weise bereichert und Prag zu einem geeigneten Zentrum des Treffens und Teilens macht, spreche ich euch erneut meine Hochachtung aus und - in der Hoffnung, euch bei den weiteren Verabredungen des heutigen Tages wiederzusehen - vertraue ich euch und eure Lieben der stets weisen Unterstützung des allmächtigen Gottes an. Pochvälen bud' Jezls Kristus! 355 REISEN Zeichen der Hoffnung für die Zukunft Ansprache beim Gebetstreffen mit der böhmischen Bevölkerung im Sportstadion von Strahov (Tschechische Republik) am 20. Mai 1. Chväla Kristu! Liebe Brüder und Schwestern! Heute erneuert sich in meinem Herzen die Freude, Begeisterung und Dankbarkeit Gott gegenüber, die ich vor fünf Jahren bei meiner Ankunft auf böhmischem Boden empfunden habe. Damals hattet ihr gerade die Zeit der Unterdrückung und der Verfolgung überstanden, und ich wollte in eurer Mitte sein, um die Bewunderung, die Sympathie und die Ermutigung der freien Welt und der Kirche zum Ausdruck zu bringen für das bewundernswerte Beispiel von Stil, Ausgewogenheit und moralischer Überlegenheit, wie ihr es in den vier langen Jahrzehnten der kommunistischen Diktatur gewesen seid. Wir dürfen weder dieses bemerkenswerte Beispiel noch die schmerzliche Situation vergessen, die ihm vorausgegangen ist. Wir dürfen nicht vergessen! Ihnen, Herr Staatspräsident, möchte ich erneut meine Hochachtung aussprechen. Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit, Ihre Aufmerksamkeit und Liebenswürdigkeit! Mit Ihnen grüße ich auch die politischen und militärischen Obrigkeiten der Nation, die Vertreter des sozialen, bürgerlichen und wirtschaftlichen Lebens des Landes und die Mitglieder des diplomatischen Korps. Ferner richte ich einen herzlichen Gruß an Kardinal Miloslav Vlk und die Bischöfe aus Böhmen und Mähren, an die Mitglieder des Klerus, an die Ordensleute und Ordensgemeinschaften, die in diesem Land eine so wertvolle Arbeit geleistet haben und weiterhin leisten. Mein ganz besonderer Gruß gilt den Kontemplativen Nonnen, die zur Verwirklichung dieses Apostolischen Besuchs Opfer und Gebete dargebracht haben, die nur Gott allein kennt und zu lohnen weiß. Mit Bewunderung und Dankbarkeit denke ich an den bedeutenden Beitrag, den die Mitglieder der Ordensgemeinschaften in diesem und anderen osteuropäischen Ländern im vergangenen Herbst für die Synode über das Ordensleben geleistet haben. Ich sehe darin ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft. Ich grüße euch, die Katholiken von Prag, Böhmen und Mähren, die ihr hier mit großer Opferbereitschaft zusammengekommen seid. Ihr alle seid in meinen Gedanken und meiner Zuneigung gegenwärtig. Ein besonderer Gruß gilt auch euch, den Gläubigen der in diesem Land zahlreich vertretenen christlichen Kirchen, mit denen uns der Glaube an Christus verbindet; und euch, die ihr nicht glaubt, aber dennoch von dem gleichen Streben nach den Idealen der Rechtschaffenheit, der Gerechtigkeit und Solidarität beseelt seid. Und schließlich möchte ich alle Bewohner des ganzen mir stets teuren tschechischen Landes wie in einer einzigen großen Umarmung an mich ziehen. 2. Das eben vernommene Wort Gottes verleiht uns die notwendige Erleuchtung, um den Sinn dieses heutigen Treffens zu verstehen: „Vor allem aber“, so schreibt 356 REISEN der Verfasser des ersten Briefes an Timotheus, „fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitten und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können“ (7 Tim 2,1-2). Im Geist dieser sorgenvollen Aufforderung wollen wir unser Treffen dem Gebet anvertrauen, um Gott zu loben, ihn um die Vergebung unserer Schuld zu bitten und um die Anforderungen der Kirche und der Welt wahrzunehmen, vor allem die eures Landes und der katholischen Kirche, die seit über zehn Jahrhunderten ihre Sendung auf tschechischem Boden erfüllt. Diese feierliche Fürbitte bezieht sich gewissermaßen auf die gesamte Geschichte eurer Nation: angefangen von den ersten Przemysliden bis zum hl. Wenzel und der hl. Ludmilla, dem hl. Adalbert, der hl. Agnes von Prag, dem hl. Johannes Nepomuk bis hin zum sei. Johann Sarkander und der sei. Zdislava, die morgen in 01-mütz heiliggesprochen werden. Mit uns sind hier auch die großen Figuren der neuzeitlichen Geschichte dieser böhunischen und mährischem Kirche zugegen: Kardinal Josef Beran, der in der Vatikanbasilika beigesetzt ist; Kardinal Stepän Trochta, der vielbetrauerte Bischof von Leitmeritz; Kardinal Frantisek Tomäsek, der unvergeßliche Hirte dieser Prager Kirche; P. Adolf Kaiper, der im Ruf der Heiligkeit im Gefängnis von Leopol-dov starb; P. Jan Evangelista Urban, der auch in schweren Zeiten ein mutiger Zeuge seines Glaubens war; P. Silvester Braito, der bekannte clrristliche Denker und Journalist; und der Priester Josef Zverina, gelehrter Theologe und unerschrockener Verteidiger verletzter Menschenrechte. Mögen die Heiligen und Seligen der vergangenen Jahrhunderte wie auch die Glaubensbekenner der Neuzeit mit uns und für uns beten! Ihnen verdanken wir es, in das große Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen eindringen zu können, das die Herzen der Gläubigen öffnet und ihnen erlaubt, den dreieinigen Gott zu preisen und den Geist des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe tief einzuatmen. Möge der Heilige Geist bewirken, daß unser gemeinsames Beten jene dreifache Dimension annimmt, von der der hl. Augustinus spricht: Christus „bete für uns als unser Priester; bete in uns als unser Herr; wir beten zu dir als unserem Gott“ (vgl. Enarr. in Ps 85,1: CC 1176). Der Geist führt uns auch in die trinitarische Dimension des Gebets ein, die sich durch den Sohn im Heiligen Geist an den Vater wendet, wie aus der Doxologie aller liturgischer Gebete hervorgeht: „Durch unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ 3. Christus, der Herr, hat uns das höchste Beispiel eines Gebets gegeben. Unter den verschiedenen Stellen des Evangeliums, die davon berichten, hat die eben verlesene besondere Bedeutung: hier wird das Gebet Christi beim letzten Abendmahl, am Vorabend seines Todes am Kreuz, wiedergegeben. Beim Abschiednehmen von den Aposteln wendet er sich an den Vater und vertraut sie ihm an: „Wie 357 REISEN du mich in die Welt gesandt hast, so habe ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind ... Heilige sie in der Wahrheit. Dein Wort ist Wahrheit“ (Joh 17,17-19). Christus spricht als Sohn zum Vater, als ewiges Wort, das die Fülle der Wahrheit ist; Wahrheit, die den Menschen weiht und heiligt, indem sie ihn in die Tiefe der göttlichen Heiligkeit führt. Die Apostel kommen aus der Schule der Wahrheit, die das Wort Gottes ist. Christus sendet sie hinaus in die Welt und vertraut dem Vater ihren Auftrag an. Hier haben wir das erste Glied in der Kette der Überlieferung der göttlichen Wahrheit, von der die Identität der Kirche Christi abhängt, die, eben weif sie auf den Aposteln begründet ist, als apostolisch bezeichnet wird. 4. Aber dieses erste Glied ist lediglich der Anfang. Der Herr sagt nämlich: „Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben“ (Joh 17,20). Das Abendmahlsgebet ist also das Gebet für die Kirche auf ihrem jahrhundertelangen Weg durch die Geschichte der Nationen. Auch durch die Geschichte eurer Nation, Böhmen und Mähren. Dieses Gebet schließt alle Generationen und jedes Zeitalter ein, umgeben von der Fürsorge des Erlösers der Welt und seiner Liebe. Diese Tatsache ist von ganz besonderer Bedeutung in dem Augenblick, wo die gesamte Kirche, und somit auch die eures Landes, mit großen Schritten auf das Jahr 2000 zugeht: Dank dieses Jubiläums wird das hohepriesterliche Gebet Christi besonders wertvoll und aktuell für uns; nicht nur, weil dieses Ereignis einen großen Abschnitt der Geschichte abschließt, sondern insbesondere weil wir beim Übergang in das neue Jahrtausend uns bewußt sind, daß das Abendmahlsgebet Christi die Kirche und die Menschheit begleiten und weiterhin führen wird. Um die Wirklichkeit des bevorstehenden Jubiläums in ihrer vollen Bedeutung leben zu können, ist es also wichtig, tief in das Abendmahlsgebet Christi einzudringen. Für wen betet das fleischgewordene Wort? Eben haben wir die Antwort gehört. Es betet vor allem, damit alle eins werden: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Ja, ein großer Teil der Menschheit glaubt bereits an Christus, aber viele warten noch darauf, zu seinem Geheimnis der Wahrheit und des Heils hingeführt zu werden. Außerdem haben sich diejenigen, die an ihn geglaubt haben, die Christen, im Lauf dieses zweiten Jahrtausends oft in verschiedene Kirchen und kirchliche Gemeinschaften gespalten. Vielleicht betet Christus aus diesem Grund beim letzten Abendmahl gleich zweimal für die Einheit. Denn sich nochmals an den Vater wendend, fügt er hinzu: „Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Joh 17,22-23). Diese Worte Christi sind an uns alle gerichtet. Sie stellen uns jedesmal erneut mit Nachdruck vor die Frage nach der Einheit der Christen. Auch heute erinnern sie 358 REISEN uns daran, daß die vollkommene und sichtbare Einheit eine jener besonderen Aufgaben ist, für die wir als Gläubige verpflichtet sind, uns mit Gottes Hilfe im Hinblick auf das Jahr 2000 einzusetzen. Diese Verpflichtung geht uns alle an, auch euer Heimatland. Die Seligsprechung Johann Sarkanders erinnert in der Tat an einen der dramatischsten Augenblicke der Spaltung der Kirche in Böhmen und Mähren, aber sie bietet gleichzeitig auch jenes Zeugnis, daß die Heiligen, insbesondere die Märtyrer, die auf intensive Weise jenen Wunsch Christi teilen, den er vor dem Leidensweg in seinem hohepriesterlichen Gebet zum Ausdruck brachte, die ersten Fürsprecher der Ökumene sind. Gott „will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,4-6). Liebe Brüder und Schwestern, das ist euer Glauben! Möge er eurem Leben und eurem Gebet rechte Dimensionen und Intensität verleihen. Möge sich die Kirche in der Tschechischen Republik in Erinnerung an das vor allem in diesem Jahrhundert erfahrene Leid mit dem gekreuzigten Christus vereinen, mit jener Hoffnung beten, die der Auferstehung des Herrn entspringt, und mit Zuversicht in die Zukunft schauen. 5. In diesem Sinne, während wir nunmehr mit großen Schritten auf das dritte Jahrtausend zugehen, wünsche ich eurer an kulturellen und religiösen Traditionen so reichen Nation, sich mit großem Eifer für den Frieden und die Förderung des brüderlichen Zusammenlebens der Völker zu verwenden. So werdet ihr einen bemerkenswerten Beitrag für den Aufbau der Kultur der Liebe leisten. Überall in eurer schönen Heimat sind zahlreiche der Mutter Gottes geweihte Heiligtümer verstreut. Möge Maria euch beschützen und euren Familien, den Kindern, der Jugend, den Kranken und der ganzen Bevölkerung Freude bringen. Mögen euch die Heiligen Kyrill und Method wie auch eure böhmischen und mährischen Heiligen auf dem Weg der Treue zum Evangelium führen. Möge auch mein ständiges Gedenken euch begleiten, während ich allen gerne meinen Segen erteile. Das Zeugnis der Heiligen - Licht des Reiches Gottes Predigt bei der Heiligsprechung von Johann Sarkander und Zdislava von Lemberk in Olmütz (Tschechische Republik) am 21. Mai 1. „Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück“ (vgl. Joh 14,28). Jesus sagt diese Worte im Abendmahlssaal am Tag vor seinem Tod. Sie beinhalten, knapp zusammengefaßt, das Ostergeschehen: das Fortgehen durch den Tod am Kreuz und das Wiederkommen durch die Auferstehung. 359 REISEN Aber der Kontext des heutigen Evangeliums weist noch auf eine andere Dimension hin. Nach der Auferstehung am 40. Tag verläßt Christus die Apostel und geht zum Vater. Dieses endgültige Fortgehen ist gleichzeitig die Bedingung für eine weitere Gegenwart, die sich über die Generationen hin erstreckt entsprechend den Worten Christi: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). , Jch bin bei euch“ heißt: Ich bin bei der Kirche, die auf euch erbaut wird, und ich komme immer wieder durch die Kraft des Heiligen Geistes. Es ist ein vielgestaltiges Kommen: im Wort des Evangeliums, in den Sakramenten, besonders in der Eucharistie, und durch das geheimnisvolle Wohnen im Herzen mit Hilfe der Gnade. Auf das letztgenannte Kommen beziehen sich die soeben gehörten Worte: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Die Liebe bewirkt, daß die Personen geistig beieinander wohnen. So ist es im menschlichen Bereich; und das geschieht in der göttlich-menschlichen Dimension in noch viel tieferer Weise. „Wenn jemand mich liebt, ... (wird) mein Vater ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Die Liebe zu Christus zieht also die Liebe des Vaters an und bewirkt, daß der Sohn und der Vater in der Menschenseele gegenwärtig sind, ja sich dem Menschen zuinnerst überlassen. Dieses „Geschenk“ ist ein Werk des Heiligen Geistes, der un-erschaffenen Liebe. Er bewirkt, in das Menschenherz ausgegossen, daß die ganze Heiligste Dreifaltigkeit in diesem gegenwärtig ist und in ihm wohnt. Dieses Innewohnen, das aus der Liebe erwächst und die Liebe fruchtbar macht, will sich in der Wahrheit verwirklichen. Wer Jesus liebt, befolgt sein Wort, das Wort, von dem er sagt: Es „stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat“ (Joh 14,24). Wer Jesus liebt, lebt aus seinem Evangelium. Christus ist das Wort des Vaters. In ihm verwirklicht sich die Fülle der Wahrheit, die in Gott und die Gott selbst ist. Er „ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14), um uns diese Wahrheit durch menschliche Worte, durch menschliche Taten und durch das Ostergeschehen des Kreuzestodes und der Auferstehung endgültig zu vermitteln. Jetzt sagt Christus: , Jch gehe zum Vater“ (vgl. Joh 14,28). Das ist für ihn ein Grund göttlicher Freude, einer Freude, die er seinen Jüngern mitteilen will. Durch seine angenommene Menschheit kehrt das Wort zu seinem Ursprung zurück - zu jener ewigen Quelle ohne Anfang, aus der es seinen Anfang genommen hat. 2., Jch gehe fort und komme wieder zu euch zurück.“ Ich komme in der Kraft des Heiligen Geistes. Christus verspricht: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Indem die Liturgie heute diese von Jesus im Abendmahlssaal am Tag vor seinem Leiden gesprochenen Worte erneut vorlegt, lenkt sie unsere Gedanken schon auf die kurz bevorstehenden Geheimnisse der Himmelfahrt des Herrn und des Pfingstfestes hin. Die Apostel haben den Heiligen Geist bereits am Abend des Ostertages empfangen, als der Auferstandene zu ihnen in den Abendmahlssaal ge- 360 REISEN kommen war und, während er die Wunden an den Händen und an der Seite zeigte, zu ihnen gesagt hatte: „Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,22). Was sich im engen Kreis ereignet hatte, muß sich jetzt unter den am Pfingstfest in Jerusalem versammelten Menschen ereignen. Jesus wird nicht mehr bei den Aposteln im Abendmahlssaal sein, aber das Kommen des Heiligen Geistes wird bewirken, daß Christus in ihnen und durch sie mit neuer Wirksamkeit zu handeln beginnt: als die Wahrheit und die Liebe zu handeln. Der Beistand, der Heilige Geist, wird die Apostel und die Kirche all das lehren, was Christus selbst ihnen gesagt hat. Er wird darüber wachen, daß die Lehre Jesu, seine Wahrheit, in der Kirche ständig andauert; daß das Wort, in der Gottheit eins mit dem Vater, die Menschen von Generation zu Generation durch jene Wahrheit und jene Liebe untereinander eint, die er durch sein erstes Kommen in die Welt offenbart hat. So weist also das Evangelium vom heutigen Sonntag uns schon sehr deutlich auf die Geburt der Kirche und auf ihre Sendung hin. frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27). Christus sagt das in dem Augenblick, als die Gesichter der Apostel einen Ausdruck von Sorge und Angst verraten. Es sind tatsächlich die letzten Stunden vor dem Leiden. Und deshalb sagt er zu ihnen: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht“ (Joh 14,27). Ja, ihr werdet Zeugen meiner Erniedrigung, meiner Kreuzigung und meines schmachvollen Todes am Kreuz sein. Es ist verständlich, daß ihr über eine solche Aussicht beunruhigt seid und leidet bei dem Gedanken, euer Meister müßte euch auf diese Weise verlassen. Aber sorgt euch nicht! Nach diesem Fortgehen komme ich als Auferstandener wieder zu euch zurück, und ihr werdet den Frieden spüren, den ich euch gebe. Inmitten aller Wirrnisse der Welt wird dieser Frieden es euch ermöglichen, meine Zeugen zu sein; er wird euch erlauben, das Evangelium zu verkünden und die Menschen zur Heiligkeit zu führen. 3. „Ich gehe fort und komme wieder zu euch zurück.“ Die von Christus im Abendmahlssaal gesprochenen Worte erfüllen sich von Generation zu Generation. Die Apostel sind vom Pfingsttag an in die ganze Welt gegangen, um das Evangelium allen Völkern zu verkünden, wie uns die erste Lesung aus der Apostelgeschichte berichtet hat. Das Evangelium wurde durch Paulus und Barnabas unter den Heidenvölkem verkündet. Und diese Öffnung zur Welt wurde vom Geist durch den Entscheid der Apostelgemeinschaft bestätigt, wie es im sogenannten Konzil von Jerusalem bezeugt wird. Dasselbe Evangelium der Wahrheit und der Heiligkeit gelangte seinerzeit in unsere slawischen Länder - es kam nach Böhmen und Mähren und faßte hier wie auch in den angrenzenden Gebieten Wurzel. Im Laufe der Jahrhunderte trug es reiche Früchte der Gnade und der Heiligkeit. Es brachte sie auch in dieser eurer altehrwürdigen Kirche hervor, die ich heute zu meiner Freude besuche. Ich begrüße euren Erzbischof, den lieben Msgr. Jan Graubner, dem ich für die herzliche Grußadresse und die freundlichen Wünsche danke, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Mit ihm begrüße ich den Weihbischof und die anderen anwesenden 361 REISEN geistlichen Würdenträger. Ich grüße auch die Priester, die Ordensleute, die Katecheten, die engagierten Laien und euch alle, die ihr zu diesem feierlichen Gottesdienst gekommen seid. In der Tat habe ich heute die besondere Aufgabe, mit euch die Heiligsprechung des sei. Johann Sarkander und der sei. Zdislava von Lemberk zu feiern. 4. Die Lebensgeschichte der hl. Zdislava, die in Mähren geboren ist und in Nordböhmen im 13. Jahrhundert gelebt hat, ist durch eine außerordentliche Fähigkeit der Hingabe an die Mitmenschen gekennzeichnet. Das bezeugt vor allem ihr Verhalten innerhalb der Familie, wo sie als Ehefrau des Herzogs Havel von Lemberk - nach den Worten meines ehrwürdigen Vorgängers Pauls VI. - „ein Vorbild ehelicher Treue, eine Stütze der häuslichen Spiritualität und der sittlichen Ehrbarkeit“ war. Bekräftigt wird es noch von ihrem hochherzigen Engagement im karitativen und pflegerischen Bereich, besonders an der Seite der Kranken, die sie mit solcher Liebe und Güte umsorgte, daß sie auch heute noch als „Heilerin“ angerufen wird. Die hl. Zdislava, die zutiefst in der Spiritualität der Dominikaner-Tertiarierinnen lebte, verstand es, sich selbst zum Geschenk zu machen gemäß dem Wort Jesu: „Geben ist seliger als nehmen“ (Apg 20,35). Das ist das Geheimnis der großen Beliebtheit, die ihre Person schon zu Lebzeiten und dann nach ihrem Tod bis heute erweckte. Ihr Beispiel scheint von großer Aktualität zu sein, vor allem in bezug auf den Wert der Familie, die - so lehrt sie es uns - offen sein muß für Gott, für das Geschenk des Lebens und auf die Bedürfnisse der Armen. Unsere Heilige ist eine wunderbare Zeugin des „Evangeliums von der Familie“ und des „Evangeliums vom Leben“, das die Kirche an dieser Wende vom zweiten zum dritten christlichen Jahrtausend mehr denn je sich zu verbreiten bemüht. Ihr Familien Böhmens, ihr Familien Mährens, der kostbarste Schatz dieser Nation, werdet, was ihr nach dem Plan Gottes sein sollt, indem ihr dem Beispiel eurer Heiligen nacheifert! Und du, Zdislava von Lemberk, führe die Familien deines Heimatlandes und der ganzen Welt zu einem immer tieferen Verständnis ihrer Sendung; du gütige und starke, barmherzige und milde Mutter, mache sie zur Hingabe bereit! 5. Knapp vier Jahrhunderte später begegnen wir dem Priester und Märtyrer Johann Sarkander. Er gereicht vor allem euch zur Ehre, liebe Mährer, die ihr ihn schon immer als Schutzpatron besonders in den schwierigsten Stunden eurer Geschichte verehrt habt. Seine Person tritt vor allem an seinem Lebensende ins Licht, als er eingekerkert wird und vom Herrn die Gnade des Martyriums erhält. In einer Zeit großer Wirrnisse setzt er ein Zeichen der Gegenwart Gottes und seiner Treue inmitten der Widersprüche der Geschichte. Noch heute beeindruckt uns die lautere Festigkeit dieses einfachen und hochherzigen Priesters: seine treue Pflichterfüllung bis zum Tod. Im Kerker von Olmütz -von dem ich bei meinem dortigen Besuch noch einen tiefen Eindruck in Erinne- 362 REISEN rang habe - betete er, während er wochenlang grausamen Mißhandlungen unterworfen wurde, und der Herr verlieh ihm die Kraft, ein seltenes Beispiel der Geduld und der Standhaftigkeit zu geben. Vielleicht können wir heute nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und an der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend mehr denn je das geheimnisvolle Vermächtnis von Johann Sarkander für die Kirche in Europa und in der Welt erfassen. Seine Heiligsprechung gereicht besonders all denen zur Ehre, die in diesem Jahrhundert nicht nur in Mähren und in Böhmen, sondern in ganz Osteuropa lieber den Verlust an Gütern, die Ausgrenzung und den Tod vorgezogen haben, als daß sie sich der Unterdrückung und der Gewalt fügten. Diese Heiligsprechung darf auf keinen Fall schmerzliche Wunden aufreißen, die in der Vergangenheit den Leib Christi in diesen Ländern gezeichnet haben. Heute bitte ich, der Papst der Kirche von Rom, im Namen aller Katholiken um Verzeihung für die Umechte, die an den Nichtkatholiken im Laufe der stürmischen Geschichte dieser Völker verübt wurden; und zugleich versichere ich sie der Vergebung der katholischen Kirche für all das Übel, das ihre Kinder erlitten haben. Möge dieser Tag einen Neubeginn zeitigen in dem gemeinsamen Bemühen, Christus, seinem Evangelium, seinem Gebot der Liebe und seinem höchsten Wunsch nach Einheit der an ihn Glaubenden zu folgen: „Alle sollen eins sein“ (.Joh 17,21). 6. „Die Völker sollen dir danken, o Gott, danken sollen dir die Völker alle“ (Antwortgesang). So singt die Kirche am heutigen Sonntag der Osterzeit. „Die Nationen sollen sich freuen und jubeln. Denn du richtest den Erdkreis gerecht“ (Ps 67,5). Diese Einladung zur Freude entspringt der Erfüllung der Verheißungen Christi im Abendmahlssaal während des letzten Abendmahls: Sie erwächst aus dem Ostergeheimnis seines Todes und seiner Auferstehung. Es ist die Freude von Pfingsten. Denn in der Kraft des Heiligen Geistes haben die Apostel Christi und ihre Nachfolger die Völker und die Nationen der ganzen Welt evangelisiert, damit auf Erden der Weg Christi und unter allen Völkern sein Heil erkannt werden (vgl. Ps 67,3). Zu dieser Freude sind heute besonders die slawischen Völker von Böhmen und Mähren eingeladen, wo der Weg des Evangeliums seit schon über zehn Jahrhunderten bekannt ist. Quelle unserer Freude sind heute insbesondere diejenigen, die diesen Weg gegangen sind und uns so zur Begegnung mit Christus führen: die hl. Zdislava und der hl. Johann Sarkander. Durch ihr Zeugnis ist das Licht des Reiches Gottes gekommen und erleuchtet den Weg der Generationen zum himmlischen Jerusalem, wo die ewige Wohnung Gottes ist. 363 REISEN Böhmen, Mähren und Schlesien — Land der Heiligen Regina Caeli in Olmütz (Tschechische Republik) am 21. Mai 1. Am Schluß dieser zweifachen Heiligsprechung, die in einer Atmosphäre starker Teilnahme in Glaube und Gebet gefeiert wurde, richten wir unsere Augen auf die seligste Jungfrau, die Königin aller Heiligen. Regina caeli, laetare! Freu dich, du Himmelskönigin! Freu dich, Königin aller Heiligen! Maria wurde von diesen beiden Vorbildern der Heiligkeit in ganz besonderer Weise geliebt. Die heilige Zdislava von Lemberk, Vorbild der Liebe zum Nächsten und der Familie, spiegelte gleichsam Maria wider, indem sie deren Zuwendung und Fürsorge gegenüber dem Nächsten, besonders den Armen und Kranken, in ihrem Leben nachgeahmt hat. Der heilige Johann Sarkander erhielt von der seligsten Jungfrau die Kraft zur Treue und Herzensreinheit von dem Augenblick an, als er, ein junger, intelligenter, aufgeschlossener Student im Prager Clementinum, der Marianischen Kongregation beigetreten war, die der spätere Märtyrer Edmund Campion Jahre zuvor an diesem berühmten Kolleg gegründet hatte. 2. Freu dich, Himmelskönigin, auch über die wirklich große Heiligenschar dieser Länder Böhmen, Mähren und Schlesien! Die beiden neuen Heiligen von heute morgen kommen zu der wirklich außerordentlichen Zahl von Vorbildern der Heiligkeit hinzu, die seit Beginn der Verbreitung des Evangeliums Christi in diesen Ländern durch die Brüder Kyrill und Method von Saloniki der religiösen und zivilen Geschichte den Glanz ihrer heroischen Tugenden verliehen. Es ist eine wunderbare Litanei von Namen Heiliger und Seliger: die ersten beiden Schüler der Slawenapostel, Gorazd und Gefährten; dann Ludmilla, Wenzel, Adalbert mit seinem Bruder Radim, Heinrich Zdik (siebenter Bischof von Olmütz), Agnes, Prokop, Hroznata, Johann Nepomuk, Sigismund und die Märtyrer von Böhmen, der Schlesier Melchior Grodecz, der in Kaschau den Märtyrertod erlitt, bis zu den neuzeitlichen Johann Nepomuk Neumann und Klemens Maria Hofbauer. Und wie könnte man den heiligen Norbert, den Gründer des Prämonstraten-serordens, vergessen, der im Kloster Strahov in Prag begraben ist? Und die Märtyrer John Ogilvie und den schon genannten Edmund Campion, die in Böhmen für ihr höchstes Blutzeugnis geformt wurden, das sie dann in Großbritannien ablegten? Und schließlich den heiügen Carlo Spinola, ein angeblich in Prag geborener Italiener, der dann Jesuit wurde und später in Japan den Märtyrertod starb? Du Himmelskönigin, freu dich über die Gegenwart so vieler Heiliger und Seliger in diesen gesegneten Ländern. 3. Freut euch, hebe Brüder und Schwestern! Eure alten, geschichtsträchtigen Länder sind die Heimat von Heiligen! Ich grüße dich, Mähren; ich grüße dich, Böhmen; ich grüße dich, Schlesien; ich grüße dich, Tschechische Republik, Land der Heiligen! Die heutigen Heiligsprechungen sind für uns eine Einladung zur Heiligkeit. Nur diese zählt wirklich in unserem Leben. Ja, denn alle Christen, ohne Un- 364 REISEN terschied, sind zur Heiligkeit berufen, wie das II. Vatikanische Konzil hervorhebt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 40). Wir sind Söhne im Sohn Gottes. Wir müssen diese Glaubenswirklichkeit im persönlichen Alltag wahmehmen, indem wir in einer Christus und dem Evangelium angemessenen Weise leben. Söhne im Sohn! Wie es der schlesische Dichter Angelus Silesius in seinem Cherubinischen Wandersmann gut ausgedrückt hat: „Der wahre Gottessohn ist Christus nur allein, doch muß ein jeder Christ derselbe Christus sein“ (V,9). Freu dich, Himmelskönigin, über die neuen Heiligen Johann und Zdislava! Freut euch, alle Heiligen der Tschechischen Republik! Aber, wir bitten dich, freu dich auch über uns, die wir demütig und unermüdlich auf dem Weg der Heiligkeit als Söhne im Sohn Gottes vorangehen. Söhne in deinem Sohn Jesus Christus. Meine Lieben, ich weiß, daß eure Anwesenheit hier bei so kaltem und regnerischem Wetter große Opfer erfordert. Um so wertvoller ist mir eure Teilnahme. Ich danke euch. Ich wußte, daß hier in Olmütz die Liebe zur Kirche und zum Papst tief verwurzelt ist. Ich danke allen Kardinälen und geistlichen Würdenträgern, und ich grüße herzlich auch die hier anwesenden Herren Minister, die Vizepräsidenten des Tschechischen Parlaments und die Abgeordneten. Gelobt sei Jesus Christus. Ich danke allen Polen, besonders denen aus Schlesien, aus Jauemig, aus Skoczow und aus der Diözese Liegnitz. Auch der Slowakei spende ich meinen Segen. Die Macht der Vorsehung hat ermöglicht, was viele Jahre unerfiillbar schien Worte an die anwesenden Kardinäle und Bischöfe beim Mittagessen am Sitz des Erzbischofs von Olmütz (Tschechische Republik) am 21. Mai Ich weiß nicht, wie ich sprechen soll, vielleicht am besten in Italienisch, denn das verstehen alle. Es ist ein großer Tag gewesen. Ich bin sehr zufrieden. Ich habe zutiefst der Barmherzigkeit Gottes gedankt, die es ermöglicht hat, daß wir in diesem Augenblick hier zusammen sind. Denn viele Jahre lang ist das unmöglich gewesen, ja man konnte nicht einmal daran denken, hierher zu kommen. Ich habe nach Polen reisen können, ja sogar mehrmals. Und ich erinnere mich, daß ich beim ersten Mal, im Jahr 1979, Gelegenheit hatte, in Gnesen die tschechischen Brüder zu begrüßen. Und das erschien bereits wie ein Zusammenbruch des Sowjetsystems in östlichen Ländern. Aber man sieht, daß die Vorsehung stärker ist. Wir konnten noch in diesem Leben Olmütz sehen, nicht nur Prag, Ungarn und andere Länder; die Slowakei werden wir in Kürze besuchen, in Preßburg (Bratislava) sind wir schon gewesen. Die schlimmste Prüfung erleben augenblicklich wohl unsere kroatischen und slowenischen Brüder, Bosnien und Herzegowina. Aber wir hoffen, daß wir auch dorthin kommen können. Die beiden Namen, die wir heute dem Ka- 365 REISEN talog der Heiligen hinzugefügt haben, sind sehr bekannt und werden immer wieder Neugeborenen als Taufnamen gegeben. Heute Nachmittag habe ich noch eine Begegnung mit der Jugend - „ein kleines Manila“, wie der Weihbischof sagt. Einmal wird es vielleicht größer sein. Auch in Tschenstochau hat es ein Manila gegeben, aber es sollte noch ein anderes „ein kleines Manila“ stattfinden, sagt er. Ich möchte alle Mitbrüder, Kardinale und Bischöfe, noch einzeln begrüßen. Jetzt danken wir dem Herrn für dieses Mittagessen in der Residenz des Erzbischofs von Olmütz. Wir danken dem Herrn. Das Gebet des Herrn - eine Stütze im Leben des Menschen Ansprache an die in Svaty Kopecek (Tschechische Republik) versammelten Jugendlichen am 21. Mai Liebe junge Freunde, Jungen und Mädchen! 1. Ich erwidere von Herzen eure freundliche Aufnahme: vitäm väs! Ihr seid singend an mir vorbeigegangen, und ihr habt euch vorgestellt, Diözese für Diözese: Jungen und Mädchen von Brünn, Budweis, Pilsen, Leitmeritz, Königgrätz, Prag, Olmütz! Ihr aus Olmütz habt euch als letzte vorgestellt, um die Pflicht als Gastgeber wahrzunehmen: vorbildlich! Ich grüße und umarme euch alle mit großer Zuneigung. Ich grüße auch die Jugendlichen, die aus anderen Ländern kommen: aus Polen, der Slowakei, Österreich, Deutschland, und alle hier Anwesenden. Ich grüße euren Erzbischof, die Bischöfe, die Priester, die Ordensleute, die euch begleiten. Am Festtag der Heiligsprechung des sei. Johannes Sarkander und der sei. Zdislava begegnen wir uns auf diesem herrlichen „Heiligen Hügel“ („Svaty Kopecek“), nahe dem Marienheiligtum, um die Heiligste Mutter zu hören. Ich habe gesehen, daß ihr die Szene des .jungen Reichen“ dargestellt habt und seine Frage an Jesus: „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17). Diese Episode aus dem Evangelium ist mir sehr lieb, und sie war Ausgangspunkt vieler meiner Betrachtungen, die sich besonders an die Jugendlichen richteten. Heute, hier in Svaty Kopecek, ist es Maria, die uns die Antwort auf diese Frage eingibt: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5). Das sind Worte, die bei der Hochzeit in Kana gefallen sind. Wenige einfache Worte, die einen Plan für christliches Leben entwerfen - einen Lebensplan für jeden Menschen. Maria sprach sie aus, um die Bedingungen für das wunderbare Eingreifen des Sohnes zu schaffen. Mögen diese Worte unsere heutige Begegnung inspirieren, wie sie den Lebensweg des hl. Johannes Sarkander und der hl. Zdislava inspiriert und geleitet haben. 2. „Was er euch sagt, das tut!“ Und was sagt uns Christus? Er wiederholt uns all das, was in den Evangelien geschrieben steht. Er spricht zu uns nicht nur mit seinen Worten, sondern noch mehr durch seine Werke: „Er zog umher, Gutes tuend“ 366 REISEN (vgl. Apg 10,38), wie der Apostel Petrus bezeugt. Er spricht zu uns besonders durch sein Ostergeheimnis: durch die Hingabe seiner selbst im Tod für die Sünden der Welt, bewegt von der Liebe zum Vater und zu uns, seinen Brüder und Schwestern. Er spricht zu uns durch seine glorreiche Auferstehung, mit der er, den Tod besiegend, vor uns die Perspektive auf die künftige Auferstehung eröffnet hat. Es ist unmöglich, den Inhalt der vier Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes in einer kurzen Meditation zusammenzufassen. Gewiß kennt ihr sie gut. Meinerseits fordere ich euch eindringlich auf, unaufhörlich zur Lektüre der Evangelien zurückzukehren. Nun möchte ich mich bei den Worten aufhalten, die zweifelsohne im Mittelpunkt des Evangeliums stehen und die Jesus an jenem Tag zu den Jüngern sprach, als sie ihn baten, sie das Beten zu lehren. Da sagte er zu ihnen: „Wenn ihr betet, so sprecht: Vater ...“ (Lk 11,2). Und er lehrte sie sein Gebet, das Gebet „des Herrn.“ Beten wir es gemeinsam! (An dieser Stelle wurde das Vaterunser gebetet.) 3. „Vater“. Das ist das Wort, das im Evangelium am häufigsten auf den Lippen Christi wiederkehrt. Er spricht immer vom Vater, und ständig wendet er sich an den Vater und lehrt uns, das ebenso zu tun. Man kann sagen, daß in diesem Wort und in dieser Beziehung zum Vater der ganze Inhalt des Evangeliums zusammengefaßt ist. Der Mensch, der, vom Geist Christi angeregt, Gott mit dem Namen „Vater“ anruft (vgl. Gal 4,6), ist der neue Mensch, der wiedergeborene Sohn aus der barmherzigen Liebe Gottes. Es ist der „Sohn im Geist“. Deshalb sangen die Jugendlichen 1991 in Tschenstochau immerzu „Abba, Ojcze“, „Abba, Vater“, und jener Gesang hallt noch auf ihrem, auf eurem Pilgerweg zu den Weltjugendtagen wider. 4. „Geheiligt werde dein Name.“ Das ist die erste Bitte, die aus dem betenden Herzen Christi entspringt: daß alle Gott lieben und seinen Namen heiligen. Das ist auch der Wunsch der Kirche, wie man in einem schönen eucharistischen Gebet des 2. Jahrhunderts liest: „Wir danken dir, o heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, den du in unseren Herzen hast wohnen lassen (...) Du, allmächtiger Herr, hast alles geschaffen zum Ruhm deines Namens“ (Didache, 10,2-3). Und ihr, liebe Jungen und Mädchen, seid ihr fähig, Gott an die erste Stelle zu setzen, indem ihr für ihn in euren Herzen Platz schafft? Seid ihr imstande, seine Allmacht in der Schönheit der Schöpfung zu erkennen, ihn „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (vgl. Dt 6,5) zu lieben? 5. „Dein Reich komme.“ Jesus verkündete im Evangelium das Reich Gottes. Von Pilatus gefragt, ob er ein König sei, antwortete er: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier“ (Joh 18,36). Und als Pilatus sagte: „Also bist du doch ein König?“, antwortete Jesus: „Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, 367 REISEN daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18,37). Das Reich Gottes bestätigt sich nicht mit den Mitteln und den Kräften der irdischen Reiche. „Die Wahrheit - wie uns das II. Vatikanische Konzil lehrt - erhebt nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt“ (Dignitatis humanae, Nr. 1). Auf diesem Boden, wo sich in der Vergangenheit die Christen aus religiösen Gründen bekämpften, möchte ich unterstreichen, was ich im Schreiben Tertio Millennio adveniente geschrieben habe: „Die Berücksichtigung der mildernden Umstände entbindet die Kirche nicht von der Pflicht, zutiefst die Schwachheit so vieler ihrer Söhne zu bedauern, die das Antlitz der Kirche dadurch entstellten, daß sie sie hinderten, das Abbild ihres gekreuzigten Herrn als eines unübertrefflichen Zeugen geduldiger Liebe und demütiger Sanftmut widerzuspiegeln“ (Nr. 35). Liebe Jugendliche, legt Zeugnis ab von der Wahrheit mit der Kraft der Wahrheit, und so werdet ihr zu Erbauern des Reiches Gottes! 6. „Dein Wille geschehe.“ Auf dem Ölberg bat Jesus, der Vater möge den bitteren Kelch der Passion von ihm nehmen, jedoch fügte er gleich hinzu: „Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Dieses Gebet beinhaltet die tiefste Überzeugung, daß Gott stets das Gute will. Sogar dann, wenn er im Leben des Menschen oder in der Menschheitsgeschichte das Böse zuläßt, so tut er das in der Aussicht auf ein größeres Gut für den Menschen. Deshalb konnte der Apostel Paulus schreiben, daß „Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ CRöm 8,28). Von einem solchen Glauben war das Ehe und Familienleben der hl. Zdislava geleitet. Diese Hoffnung stützte den hl. Johannes Sarkander in seiner priesterlichen Sendung, besonders als sich für ihn die Stunde des Ölbergs näherte und er sich auf den Kreuzweg des Martyriums begeben mußte: Das war der Augenblick der härtesten Prüfung, als ihm der Glaube an Christus und das Gebet des Herrn beistanden, den Mut nicht zu verlieren und die Gewißheit zu bewahren, daß das Gute stärker ist als das Böse. 7. „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Jesus lehrt uns, um das tägliche Brot zu beten, denn alles Notwendige im irdischen Leben ist vor allem ein Geschenk Gottes. Gleichzeitig jedoch ist es Aufgabe des Menschen, für das „Brot“ zu sorgen -eine Aufgabe, die seiner Arbeitsamkeit und seiner Fähigkeit, vorzusorgen, seiner Intelligenz und seinem guten Willen anvertraut ist. In den Jugendjahren ist der Mensch aufgerufen, sich durch das Studium und die Berufsausbildung darauf vorzubereiten. In der Tat soll er danach mit der Göttlichen Vorsehung Zusammenarbeiten und das Notwendige für das Leben der eigenen Familie sicherstellen, um so zum Wohl der Gesellschaft und ihres gesunden Fortschritts, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, beizutragen. Die Kirche hat immer gelehrt und lehrt uns, daß Gott 368 REISEN Vorsehung für die ganze Welt ist, aber es ist auch sein Wunsch, daß der Mensch mit dem Einsatz seiner eigenen Intelligenz „Vorsehung“ für sich selbst ist. 8. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem.“ Diese Bitte im Gebet des Herrn hat eine mehrfache Anwendung: angefangen bei jener, die sie in der Zeugnisablegung des hl. Johannes Sarkander fand. Sein Tod war zutiefst erfüllt vom Gebet um die Vergebung Gottes für seine Peiniger und Mörder. Sein Martyrium erlangt auf diese Weise eine außerordentliche ökumenische Bedeutung: Es spricht alle Christen an, die wegen trauriger historischer Ereignisse getrennt sind. Es spricht einerseits von der Verantwortung, die sie tragen wegen der Sünde der Trennung und der folgenden Loslösung großer Teile der Kirche; anderseits erinnert das Martyrium daran, wie wichtig das Gebet um den Nachlaß der Schuld ist. Wir sind gegenseitige Schuldner, die einen gegenüber den anderen. Diese Worte finden auch große Bedeutung im Leben der Nationen und der Gesellschaften. Ich bin auf sie im vergangenen Jahr zurückgekommen anläßlich des Konfliktes, der leider im Balkan anhält, im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Ich weiß in der Tat aus Erfahrung, welch großen Wert diese flehentliche Bitte um Versöhnung zwischen der polnischen und der deutschen Nation hatte: „Vergeben wir und bitten wir um Vergebung!“ 9. Die letzte Bitte des „Vaterunser“ ist die bündigste, aber in gewisser Weise die ergreifendste: „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“; sie entspringt aus der Tiefe des Herzens Christi und hallt im Herzen der ganzen Kirche wider. In der Tat, Christus kam als Retter in die Welt. Seine ganze messianische Sendung war eine Heilssendung: sich der menschlichen Schwächen annehmen, die Kranken heilen, die Toten auferwecken, die Menschen von den vielfachen Leiden befreien, besonders von der Sünde und vom ewigen Tod. In dieser letzten Bitte kommt gleichzeitig der tiefe Glauben zum Ausdruck, daß Gott das Gute und die Quelle des Guten ist, daß Er Vater ist. Auf diese Weise verbindet sich der Schluß des Gebetes des Herrn mit der ersten Anrufung: „Vater unser ...“ 10. „Amen“ schließlich bedeutet: So geschehe es. Damit wird das ganze Gebet nahezu in ein einziges „Ja“ aufgenommen und zusammengefaßt. Auch wir wollen heute bei diesem großen Jugendtreffen beim Heiligtum von Svaty Kopecek Gott unser „Ja“ überbringen, unser „Amen“, in Gemeinschaft mit Christus, mit seiner Mutter und mit allen Heiligen dieser Erde. Zusammen mit uns überbringt dieses „Ja“ die Jugend der ganzen Welt, wie die unzähligen Begegnungen in diesen Jahren beweisen, die in einen Weg münden, der nunmehr reich an Etappen ist: die Weltjugendtage und die Weltjugendtreffen mit dem Papst, von denen das letzte in Manila stattfand und das nächste in Paris 1997 sein wird. In nächster Vorbereitung ist dann die Pilgerfahrt der europäischen Jugend zum Heiligtum der Gottesmutter von Loreto, vorgesehen im nächsten Sep- 369 REISEN tember. Heute schreiben wir in die großen Jugendpilgerfahrten auch diese von Olmütz ein. Liebe Jugendliche der Tschechischen Republik, folgt Christus nach! Tragt sein Kreuz, das die Welt gerettet hat: Es ist nicht Zeichen der Niederlage, sondern des Sieges; es ist der Sieg der unverfälschten Liebe, der Sieg Gottes und des Menschen in Christus. Tragt es mit Stolz und Mut, und ihr werdet die Fülle des Lebens finden, des ewigen Lebens, das eure Herzen mit Freude füllt. Folgt Christus nach, hört auf ihn, und, von Maria geführt, „tut das, was er euch sagt“ (Joh 2,5). Macht dem Evangelium immer Ehre! Ansprache beim Abschied in Ostrau (Tschechische Republik) am 22. Mai Herr Premierminister, Herr Kardinal, ehrwürdige Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Schluß meiner kurzen, aber intensiven Pastoraireise in die Tschechische Republik, bei der ich auch die Gelegenheit hatte, für wenige Stunden mein nicht weit von hier entferntes Heimatland wiederzusehen, möchte ich an erster Stelle Ihnen, Herr Premierminister, meinen Dank aussprechen für Ihr freundliches Kommen, um mich zu begrüßen. Mit Ihnen grüße ich die Mitglieder der Tschechischen Regierung und die hier anwesenden Staatsobrigkeiten. Ich habe die Bereitschaft, die Fähigkeit und die Bemühungen überaus geschätzt, womit der Staat seine Kompetenz zur Verfügung gestellt hat, um das gute Gelingen meines zweiten Pastoralbesuches in Ihrem Land zu garantieren. Ich bitte Sie nochmals, dem Präsidenten Havel und der Regierung der Republik meinen aufrichtigen und herzlichen Dank zu überbringen sowie meine Grüße und Wünsche für den Aufschwung, den Fortschritt und den Frieden in dieser mir immer teuren Nation. Gleichzeitig danke ich allen, die die Vorbereitung und den Ablauf meiner Reise erleichtert haben: dem Außenminister, den Polizeibehörden, den Piloten der Hubschrauber sowie den Beauftragten für Radio und Fernsehen, des Telefondienstes, des Kommunikationswesens und der ärztlichen Betreuung. 2. Einen brüderlichen Gruß richte ich an Miloslav Kardinal Vlk, an den Erzbischof von Olmütz und Primaten von Mähren, Msgr. Graubner, und an alle Bischöfe der Kirche in der Tschechischen Republik. Wir haben trotz der kurzen Begegnungen Stunden intensiver Kollegialität und des starken Gebets - wie in einem neuen Abendmahlssaal - erfahren, besonders während der Heiligsprechung der beiden Zeugen heroischen Glaubens und christlicher Nächstenliebe, der Seligen Johann Sarkander und Zdislava von Lemberk, auserwählte Glieder eures Volkes: eines 370 REISEN aus Mähren und das andere aus Böhmen. Ein besonderer Gedanke geht schließüch an die Volontäre in den verschiedenen Pfarreien sowohl in Prag als auch in Ol-mütz und Ostrau, an die Pfadfinder und an die Mitglieder anderer Organisationen, die auf diskrete, aber wirksame Weise ihren Dienst geleistet haben. Es freut mich, daß ich diesen Pastoralbesuch im Stadtgebiet von Ostrau beenden kann. Ich richte meinen innigen und herzlichen Gruß an alle Bewohner dieser so wichtigen Stadt mit dem Profil der Bergbau und Eisenindustrie - eine Stadt, die aufgrund der historischen Vorkommnisse in der Arbeitswelt, der Sehnsucht nach Freiheit und des Einsatzes für den christlichen Glauben nicht geringfügig berühmt geworden ist. Ich grüße den hier anwesenden Bürgermeister, die Stadtobrigkeiten, die vor allem im Jugendbereich engagierten Priester der verschiedenen Pfarreien und möchte auch die heben katholischen Schulen der Stadt und Umgebung mit ihren Lehrern und Schülern nicht vergessen. Euch allen meine herzliche Umarmung. Ich denke weiter an das alte Schlesien mit seinen vornehmen Städten und Orten, wie zum Beispiel das bekannte und schöne Opava und dann Bruntal, Jesenik, Fry-dek, Cesky Tesin und alle anderen. Das Gebiet mit einer sehr umstrittenen und schwierigen Geschichte und nicht wenigen Prüfungen und Leiden hat sich immer unterschieden durch seine Anhänglichkeit an Christus, seine Treue zur Kirche und die tiefempfundene Frömmigkeit, die von großen Gestalten wie den hll. Ceslao und Melichar Grodziecki, Johann Sarkander, dem Mystiker und Dichter Angelus Scheffler - bekannt als Silesius -und, in neuer Zeit, der sei. Edith Stein verkörpert wird. Der jetzige Moment des Abschieds möge euch die Zuneigung vermitteln, die der Papst für euch alle empfindet, für die Bewohner von ganz Mähren, besonders für die Arbeiter, die Familien, die Jugendlichen, die Kranken. Jedem wünsche ich, daß er zur fortwährenden Entwicklung im sozialen, wirtschaftlichen und besonders spirituellen Bereich eurer Stadt und eures Landes beitragen möge. 4. Nach Rom zurückkehrend, hinterlasse ich euch und allen Katholiken dieser Nation einen mit Hoffnung erfüllten Auftrag: Macht dem Evangelium immer Ehre. Es handelt sich um einen Auftrag, der sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens mit einbeziehen soll, angefangen bei der Familie, der ersten Zelle der Gesellschaft: Nur aus Familien, die geistig reich, den moralischen Verpflichtungen treu und in ihrem Innern vereint sind, kann die Verbesserung der Gesellschaft hervorgehen und sich somit festigen. Bei dieser hervorragenden Aufgabe, die alle Familienmitglieder miteinbezieht, erlangt die große Gestalt der Zdislava von Lemberk, die ich mit Freude in die Liste der Heiligen aufgenommen habe, eine außerordentliche Bedeutung in der heutigen Zeit, und ich empfehle sie zur Nachahmung nicht nur euch, sondern den Familien auf der ganzen Welt. Seid stolz darauf, Christen zu sein! Der Kirche anzugehören bedeutet nicht, Bürger zweiter Kategorie oder Mitglieder von irgendeiner Vereinigung zu sein. Christsein bedeutet, die Aufgabe wahrzunehmen, nicht nur das eigene Leben, son- 371 REISEN dem auch die Umwelt im Licht des Evangeliums zu verändern. Der Christ weiß um seine Berufung, in erster Person am Aufbau einer gerechteren und brüderlicheren irdischen Gesellschaft mitzuwirken in Erwartung der Ankunft des „neuen Himmels“ und der „neuen Erde“ (vgl. 2 Petr 3,13; Apg 21,1), die Gott für seine Auserwählten vorbereitet. Die Kirche fühlt sich verpflichtet, auch am diesseitigen Fortschritt in der Welt mitzuarbeiten, in der sie lebt und wirkt. Seid euch der Verantwortung bewußt, die euch die Kirche anvertraut und an die euch der Papst erinnert. Diese Botschaft kann auch jene nicht gleichgültig lassen, die nicht der kirchlichen Gemeinschaft angehören, aber denen die wahren Werte am Herzen liegen, die das Leben groß und wert machen, gelebt zu werden. 5. Herr Premierminister, Herr Kardinal, liebe Brüder und Schwestern! Indem ich den herzlichen Wunsch erneuere, daß die Tschechische Republik immer weiter auf dem Weg der Freiheit, der Demokratie und des Friedens voranschreiten und sich dadurch ehrenvoll in Europa und in die Welt einfügen möge, gebe ich euch den Termin auf ein Wiedersehen im Jahr 1997 anläßlich der Tausendjahrfeier des Martyriums des hl. Adalbert. Mit diesen Empfindungen segne ich euch hier Anwesende und die ganze liebe Bevölkerung der Tschechischen Republik im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes: S Panem Bohem! Na shledanou! Mam vas velmi rad! Vereint durch den Glauben an Christus und die gemeinsame Heimat Ansprache an die Verantwortlichen der evangelisch-lutherischen Gemeinschaft in Skotschau/Skoczöw (Polen) am 22. Mai Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe von Gott Vater und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes seien mit euch. Mit diesen Worten grüße ich euch alle von Herzen, Brüder und Schwestern der Gemeinschaft der evangelisch-lutherischen Kirche, die ihr hier anwesend seid mit eurem Leiter, Pawel Anweiler, Bischof der Diözese Szczecin (Stettin), und mit einer Gruppe von Pastoren. Ich danke euch sehr für dieses Gebetstreffen. Bei der Vorbereitung meines Besuches in der Diözese Bielsko-Zywiec war mir von Anfang an bewußt, daß dieses Treffen nicht fehlen durfte. Wenn es auch gezwungenermaßen sehr kurz ist, so ist dennoch seine Bedeutung von äußerster Wichtigkeit. Es legt in der Tat Zeugnis ab von unserem gemeinsamen Wunsch, passende Wege zu finden für die vollkommene Einheit der Christen, in Übereinstimmung mit dem Willen unseres Meisters und Herrn: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). 372 REISEN 2. Die Region, in der wir uns befinden - es ist das Gebiet von Bielsko und Schlesien/Stettin ist in Polen als Ort von besonderem ökumenischen Zeugnis bekannt. Seit langem ist es das Gebiet, wo die Gläubigen der katholischen und der evangelisch-lutherischen Kirche harmonisch Zusammenleben und wo ein intensiver ökumenischer Dialog besteht. Dieser wird hier in der tiefen Überzeugung geführt, daß es viel gibt, was uns vereint: Es vereint uns der gemeinsame Glauben an Christus und die gemeinsame Heimat. Anläßlich des heutigen Treffens möchte ich meine persönliche Genugtuung und Dankbarkeit darüber zum Ausdruck bringen, daß sich dieser ökumenische Dialog weiterentwickelt und vertieft und somit in verschiedenen Formen der konkreten Zusammenarbeit zum Ausdruck kommt: sowohl auf Diözesanebene als auch in den Ortskirchen. 3. Vom ökumenischen Dialog sprechend, ist es schwer, nicht zu erwähnen, daß Polen eine reiche Tradition hat, was jenen Dialog angeht, den die katholische Kirche sowohl mit der orthodoxen Kirche als auch mit der reformierten Kirche und deren Gemeinschaften unterhält. Es sei mir gewährt, nur an ein Beispiel zu erinnern. Ein echter Meilenstein auf dem ökumenischen Weg war gewiß das „Colloquium Charitativum“. Es war das Zusammentreffen von Vertretern der Katholiken, der Lutheraner und der Kalvinisten aus ganz Europa, das 1645 vom polnischen König Ladislaus IV. in Thom einberufen wurde. Die Initiative ging von den polnischen Bischöfen aus, und der Zweck der Begegnung war die Wiederherstellung der Einheit zwischen den teilnehmenden Kirchen an diesem Kolloquium. In diesem Jahr feiern wir den 350. Jahrestag dieses äußerst wichtigen ökumenischen Ereignisses. Wenn es auch - die damalige Zeit betrachtend - nicht die erwarteten Ergebnisse erbrachte, so muß man dennoch anerkennen, daß es einen wegbereitenden Charakter besaß; es war für Europa - gespalten aufgrund religiöser Konflikte - eine wichtige Ermahnung: Es gab zu verstehen, daß der Weg zur Einheit jener des Dialogs und nicht der Gewalttätigkeit ist, wie damals leider viele glaubten. Die Idee der Gewissensfreiheit reifte mit Schwierigkeit im europäischen Bewußtsein. Es bedarf vieler Opfer - auf der einen und auf der anderen Seite -, bis Europa das definitive Recht auf Staatsangehörigkeit erlangte. 4. Die Jünger Christi blicken heute immer häufiger auf das Jahr 2000. Diese Jahreszahl ist für uns von großer Bedeutung. Sie veranlaßt uns vor allem zum Lob und Dankgebet für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der Erlösung. Aber sie bietet auch Gelegenheit zu Gewissenserforschung. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente schrieb ich: „Zu Recht nimmt sich daher die Kirche, während sich das zweite christliche Jahrtausend seinem Ende zuneigt, mit stärkerer Bewußtheit der Schuld ihrer Söhne und Töchter an, eingedenk aller jener Vorkommnisse im Laufe der Geschichte, wo diese sich vom Geist Christi und seines Evangeliums dadurch entfernt haben, daß sie der Welt statt eines an den Werten des Glaubens inspirierten Lebenszeugnisses den Anblick von Denk- und Handlungsweisen boten, die geradezu Formen eines Gegenzeugnisses 373 REISEN und Skandals darstellten“ (Nr. 33). Zu den Sünden, die eine besondere Anstrengung zu Buße und Umkehr fordern, zählen mit Sicherheit jene, die zur Spaltung der Einheit der Kirche Christi beigetragen haben, „oft nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten“ (Unitatis redintegratio, Nr. 3). Heute fühlt sich die Kirche von ihrem Meister aufgerufen, die ökumenischen Bemühungen zu intensivieren, damit uns das Jahr 2000, wenn nicht vollkommen vereint, so doch mindestens weniger von einander getrennt, vorfindet. Bitten wir darum mit dem Gebet des Herrn, das wir in wenigen Augenblicken gemeinsam sprechen werden. Vater unser, dein Reich komme: Reich der Liebe, der Einheit und des Friedens! Indem ich mit diesen Worten schließe, danke ich noch einmal den Anwesenden, die die Verwirklichung dieser Begegnung ermöglichten, und grüße alle herzlich. Märtyrer als Vorbilder einer Gewissensbildung im Geist des Evangeliums Predigt in Skotschau/Skoczöw (Polen) am 22. Mai 1. Gelobt sei Jesus Christus! Liebe Brüder und Schwestern! Der hl. Paulus schreibt in seinem zweiten Brief an die Korinther: „Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird“ (1 Kor 4,10). Diese Worte haben eine universale Bedeutung. Sie beziehen sich auf alle Menschen, da alle von Christus erlöst worden sind und er in allen seinen Todeskampf, seinen Tod und seine Auferstehung weiterführt. Diese Worte beziehen sich besonders auf alle Getauften, das heißt auf diejenigen, die durch die Taufe in den Tod Christi getaucht worden sind, um auf sakramentale Weise an seiner Auferstehung teilzunehmen (vgl. Rom 6,3-4). Heute jedoch bringt die Kirche diese Worte speziell in Beziehung zum hl. Johann Sarkander. Gestern war es mir gegeben, den feierlichen Akt seiner Heiligsprechung in Olmütz (Mähren) zu vollziehen. Er ist zur Ehre der Altäre erhoben worden zusammen mit der hl. Zdislava, deren Name auch in Polen sehr oft von den Eltern für ihre Söhne und Töchter gewählt wird. Heute ist es mir gegeben, in Skotschau (Skoczow) auf schlesischer Erde zu stehen, und zwar im Gebiet der neuen Diözese Bielsko-Zywiec. Der hl. Johann Sarkander, Priester und Märtyrer, erblickte hier in Skotschau (Skoczow) das Licht der Welt, und sein Leben war sowohl mit dem schlesischen Cieszyn als auch mit dem nahen Olmütz in Mähren verbunden. Deshalb verehren wir ihn als Schutzpatron Schlesiens und Mährens. Er erlitt den Märtyrertod als Pfarrer von Holeszow während der schwierigen Epoche der nachreformatorischen Zeit, als die Gesellschaften nach dem unmenschlichen Prinzip des „cuius regio, eius religio“ regiert wurden. 374 REISEN Aufgrund dieses Prinzips und unter Mißachtung der grundlegenden Rechte des Gewissens zwangen die Regierenden ihren Untertanen gewaltsam ihre eigenen religiösen Überzeugungen auf. Johann Sarkander erfuhr die Auswirkungen dieses Prinzips seit seiner frühesten Kindheit. Er erfuhr sie besonders an dem Tag, als es ihm vergönnt war, sein Leben für Christus hinzugeben. Er bleibt ein besonderer Zeuge jener Epoche, die für die Kirche und die ganze Welt so schwierig war. Heute stellt sich Johann Sarkander uns als ein neuer Heiliger vor, ein Märtyrer, den die Kirche in ihr Martyrologium einschreibt. Es schreibt ihn vor allem die Kirche in Böhmen und Mähren ein sowie die Kirche in Polen. Er ist einer der Menschen, von denen die heutige Lesung mit den Worten des hl. Paulus spricht: „Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird“ (i Kor 4,10). 2. Heute möchte ich in der feierlichen Liturgie am Tag nach der Heiligsprechung von Johann Sarkander alle Anwesenden grüßen, vor allem euch, die ihr seine Landsleute seid. Auch wenn seit seiner Zeit fast vierhundert Jahre vergangen sind, bleibt die Tatsache, daß er ein Sohn dieser selben schlesischen Erde war und daß hier, nach seinem Märtyrertod, seine Gestalt eine besondere Verehrung erfuhr, vor allem in Skotschau. Wenn ich euch hier so zahlreich versammelt sehe, schaue ich erneut, diesmal als Bischof von Rom, auf diese schöne schlesische Erde, die ich in meiner Jugend mehrmals besuchen durfte, und auch danach als Priester und Bischof und speziell als Metropolit von Krakau. Heute grüße ich diese Erde mit besonderer Ergriffenheit, da in ihr auch die Geschichte meiner Familie eingeschrieben ist, vor allem die Geschichte meines Vaters und meines älteren Bruders. Wenn ich dieses Land grüße, so grüße ich auch die Kirche, allen voran in deiner Person, Msgr. Thaddäus, Oberhirte der Diözese Bielsko-Zywiec, und in der Person deines Weihbischofs, Msgr. Janusz. Ich freue mich, die Diözese Bielsko-Zywiec so kurz nach ihrer Errichtung besuchen zu können, und dazu noch bei solch einer außerordentlichen Gelegenheit. Von hier aus grüße ich ganz Polen und die ganze Kirche in Polen sowie den Kardinalprimas. Ich grüße den Kardinalprimas und die anderen Kardinäle, die Metropoliten - besonders die Metropoliten von Krakau, Breslau, Kattowitz und Tschenstochau - und alle Bischöfe der polnischen Diözesen. Ich grüße den Kardinal von Prag und den Metropoliten von Olmütz. Ich muß dabei hinzufügen, daß, auch wenn ich mich heute hier in Skotschau befinde, ich immer noch deren Gast bin und noch zu ihnen zurückkehren muß. Gerne werde ich heute abend zu ihnen zurückkehren. Ich heiße alle Bischöfe der ganzen Region Mähren, Böhmen und der Slowakei willkommen zusammen mit allen anderen Gästen, die heute hierher gekommen sind. Wir dürfen nicht vergessen, liebe Brüder, daß das Evangelium seinerzeit, noch im 10. Jahrhundert, gerade durch das „Mährische Tor“ nach Polen eingeführt worden ist: daß auf diesem Wege der hl. Adalbert, Bischof von Prag, zu uns gelangt ist, der zusammen mit dem hl. Stanislaus, dem Bischof von Krakau, Polens wichtigster Schutzpatron ist: 375 REISEN Diese beiden Bischöfe und Märtyrer teilen den Schutz mit der Muttergottes von Jasna Göra, der Königin Polens. Ich richte meinen Gruß auch an den Präsidenten der Republik Polen, Lech Walesa, der hier zusammen mit seiner Ehefrau anwesend ist, an den Premierminister, an die Vertreter der Regierung und an die Vertreter der Provinz- und Stadtparlamente von Bielsko-Biala und Skoczow. Schließlich wende ich mich an euch alle, meine Landsleute, und drücke meine Freude darüber aus, daß nach vier Jahren der Abwesenheit die göttliche Vorsehung es mir nochmals erlaubt hat, hier in eurer Mitte zu sein, in meinem heißgeliebten Vaterland. Dieses Mal bin ich nicht nach Warschau, nicht nach Krakau, sondern nach Skot-schau gekommen. Vielleicht sollte man es auch weiterhin so machen: nicht ins Zentrum gehen, sondern näher an die Berge und näher ans Meer. 3. Jesus sagt im heutigen Evangelium: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie an meinem Wort festgehalten haben, werden sie auch an eurem Wort festhalten ... Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr“ (Joh 15,20). Johann Sarkander aus Skotschau kannte diese Worte, er hatte sie öfter gelesen und kannte sie vielleicht auswendig. Sie hatten sein Leben seit seiner frühesten Kindheit und dann auf dem Weg der priesterlichen Berufung als Pfarrer begleitet. Sie kamen ihm sicherlich besonders eindringlich zum Bewußtsein, als er dem Martyrium gegenüberstand und sein Leben für seine Herde hingeben sollte, so wie Christus es getan hatte. Das Martyrium - ein gepeinigter menschlicher Leib, der Leib eines Priesters - eines Pfarrers, der Qual und der Folter ausgesetzt, vernichtet bis zum Tod ... Liebe Brüder und Schwestern! Das Zeugnis der Märtyrer ist für uns immer eine Herausforderung; es provoziert uns und zwingt uns zum Nachdenken. Angesichts eines Menschen, der lieber sein Leben hingibt, als die Stimme seines Gewissens zu verraten, kann man Bewunderung oder Haß empfinden, aber man kann sicher nicht gleichgültig bleiben. Die Märtyrer haben uns viel zu sagen: Vor allem aber befragen sie uns hinsichtlich unseres Gewissenszustandes, sie befragen einen jeden von uns hinsichtlich seiner Treue zum eigenen Gewissen. Das Gewissen ... Das Zweite Vatikanische Konzil nennt das Gewissen „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen“ und erklärt: „Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: tu dies, meide jenes“ (Gaudium et spes, Nr. 16). Wie aus diesem Text zu erkennen ist, stellt das Gewissen für jeden Menschen eine Frage von grundlegender Wichtigkeit dar. Es ist unser innerer Führer, und es ist auch der Richter unserer Taten. Wie wichtig ist es deshalb, daß unser Gewissen redlich ist, daß es auf die Wahrheit gegründete Urteile ausdrückt, daß es das Gute 376 REISEN gut und das Böse böse nennt, daß es fähig ist - wie der Apostel es ausdrückt zu „prüfen und erkennen was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ (Röm 12,2). Unser Vaterland sieht sich heute zahlreichen und schwierigen Problemen sozialer, wirtschaftlicher und auch politischer Art gegenüber. Sie müssen mit Weisheit und Beharrlichkeit gelöst werden. Am wichtigsten bleibt dabei allerdings das Problem einer rechten sittlichen Ordnung. Diese Ordnung ist die Grundlage für das Leben eines jeden Menschen und einer jeden Gesellschaft. Deshalb braucht Polen heute dringend gewissenhafte Menschen! Ein gewissenhafter Mensch zu sein bedeutet vor allen Dingen, in jeder Situation seinem Gewissen zu gehorchen und dessen Stimme im eigenen Selbst nicht zum Schweigen zu bringen, auch wenn diese Stimme manchmal ernst und fordernd ist; es bedeutet, sich für das Gute einzusetzen und es in sich und um sich zu vermehren, und es bedeutet auch, nie dem Bösen nachzugeben, im Geiste der Worte des hl. Paulus: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm 12,21). Ein gewissenhafter Mensch zu sein bedeutet, sich selbst gegenüber anspruchsvoll zu sein, sich wieder zu erheben, sooft man gefallen ist, sich immer wieder aufs neue zu bekehren. Ein gewissenhafter Mensch zu sein bedeutet, sich für die Errichtung des Reiches Gottes einzusetzen - das Reich der Wahrheit und des Lebens, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens - innerhalb unserer Familien, in den Gemeinschaften, in denen wir leben, und im ganzen Heimatland; es bedeutet auch, mutig Verantwortung für die öffentlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen; es bedeutet, eifrig für das Gemeinwohl tätig zu sein und die Augen nicht vor dem Elend und den Bedürfnissen unseres Nächsten zu schließen, im Geiste der Solidarität des Evangeliums: „Einer trage des anderen Last“ (Gal 6,2). Ich erinnere mich, diese Worte 1987 in Danzig bei meinem Besuch in Zaspa gesagt zu haben. Unser 20. Jahrhundert war eine Zeit besonderer, dem menschlichen Gewissen auferlegten Gewalt. Im Namen totalitärer Ideologien sind Millionen Menschen zu Taten gezwungen worden, die mit ihren tiefsten Überzeugungen nicht übereinstimmten. Ganz Mittel- und Osteuropa hat in dieser Hinsicht besonders schmerzliche Erfahrungen gemacht. Wir erinnern uns an diese Zeit der Unterjochung des Gewissens, an diese Zeit des Leidens vieler unschuldiger Menschen, die den Entschluß faßten, ihren Überzeugungen treu zu bleiben. Wir erinnern uns auch an die hervorragende Rolle, die die Kirche in jener Zeit zur Verteidigung der Rechte des Gewissens gespielt hat, und zwar nicht nur zum Vorteil der Gläubigen. In jenen Jahren fragten wir uns oft: Darf die Geschichte als Gegenstrom zum Gewissen laufen? Um welchen Preis „darf1 sie dies? Ich wiederhole: Um welchen Preis? ... Dieser Preis besteht leider aus den tiefen Wunden im sittlichen Gewebe der Nation, vor allem in den Seelen der Polen; noch nicht verheilte Wunden, die noch lange Zeit behandelt werden müssen. 377 REISEN Jene Zeiten, die Zeiten harter Prüfung für das Gewissen der Menschen, müssen in Erinnerung bleiben, weil sie für uns eine Warnung und eine Aufforderung darstellen, die immer aktuell bleibt: damit das Gewissen der Polen nicht der Mutlosigkeit nachgibt, damit es sich nicht von den Strömungen der sittlichen Zügellosigkeit treiben läßt, damit es den befreienden Charakter der Lehre des Evangeliums und der Gebote Gottes entdecken kann und Entscheidungen zu treffen weiß eingedenk der Warnung Christi: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis könnte ein Mensch sein Leben zurückkaufen?“ (Mk 8,36-37). Allem Anschein zum Trotz müssen die Rechte des Gewissens auch heute noch verteidigt werden. Unter dem Wappen der Toleranz macht sich oft, sowohl im öffentlichen Leben als auch bei den Massenmedien, eine starke Intoleranz breit, die vielleicht sogar immer stärker wird. Die Gläubigen berührt dies schmerzlich. Sie nehmen eine zunehmende Tendenz der Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben wahr: Das, was für sie am heiligsten ist, wird lächerlich gemacht und manchmal sogar verhöhnt. Diese Arten wiederholter Diskriminierung erregen unsere Besorgnis und geben uns viel zu denken. Brüder und Schwestern! Die Zeit der Prüfung für das Gewissen der Polen geht weiter! Ihr müßt stark sein im Glauben! Wenn ihr für eine neue Form eures gesellschaftlichen Lebens und des Staates kämpft, so vergeßt nicht, daß diese vor allem anderen davon abhängt, wie der Mensch sein wird und wie sein Gewissen sein wird. Erheben wir deshalb den Ruf unseres Gebets: „Komm, Heiliger Geist... komm, Licht der Herzen ... Reinige das, was schmutzig ist; bewässre das, was trocken ist... erwärme das, was kalt ist; biege das gerade, was krumm ist...“ Komm, Licht des Gewissens! 4. „Stat crux dum volvitur orbis.“ Auf die Wege des menschlichen Gewissens, die oft so schwer und so verworren sind, hat Gott einen großen „Wegweiser“ gestellt, der dem menschlichen Leben seinen endgültigen Sinn und die Richtung zeigt. Es ist das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus. Niemand hat das Geheimnis des Kreuzes Christi so tief erfaßt wie die Märtyrer. In ihrem Leben offenbart sich das Geheimnis des Kreuzes und seiner Macht auf eine Weise, die für jeden Menschen besonders verständlich ist. Es ist deshalb kein Zufall, daß wir uns, wenn wir den Märtyrer von Skotschau, den hl. Johann Sarkander, verehren, uns heute unter dem Kreuz versammeln. Dies ist ein besonderes Kreuz, ein Zeugnis des denkwürdigen Treffens des Papstes mit dem schlesischen Gottesvolk im Jahr 1983. Dieses Zeichen der Kontinuität ist vielsagend. Auch die Tatsache, daß es gerade die Kreuze sind, die zu einer Art Meilensteine der Pilgerreisen des Papstes werden, ist vielsagend. Sei gegrüßt, Kreuz Christi! Das Kreuz Christi ist das Zeichen unseres Heils, das Zeichen unseres Glaubens und das Zeichen unserer Hoffnung. Der hl. Paulus schreibt: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Hei- 378 REISEN den eine Torheit, für die Berufenen aber ... Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1 Kor 1,23-24). Das Kreuz erinnert uns an den Preis unseres Heils. Es sagt uns, welch großen Wert der Mensch - jeder Mensch! - in den Augen Gottes hat, wenn Gott ihn bis hin zum Kreuz geliebt hat: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Wieviel sagen uns doch diese Worte: „bis zur Vollendung“! Denn so liebt Gott: Er liebt den Menschen „bis zur Vollendung“. Der Beweis dafür ist genau das Kreuz Christi. Kann man angesichts eines solchen Liebesbeweises gleichgültig bleiben? Liebe Brüder und Schwestern! In unserem polnischen Land hat das Kreuz eine lange, nun schon über tausendjährige Geschichte. Es ist die Geschichte des Heils, die in jene große menschliche Gemeinschaft, die die Nation darstellt, eingeschrieben worden ist. Durch die Jahrhunderte, und auch in Zeiten schwerer Prüfung, hat die Nation die Kraft, zu überleben und sich nach den denkwürdigen Niederlagen wieder aufzurichten, gerade in ihm, dem Kreuz Christi, gesucht und gefunden! Und nie ist sie dabei enttäuscht worden! Sie war stark durch die Kraft und die Weisheit des Kreuzes! Kann man das vergessen? In diesem Augenblick fallen mir die Worte ein, die ich in Blonia Krakowskie sagte, während meiner ersten Pilgerreise nach Polen im Jahr 1979. Seitdem sind sechzehn Jahre vergangen, doch die Aktualität dieser Worte wächst stetig. Damals sagte ich: „Kann man Christus und all das, was Er in die Geschichte des Menschen eingebracht hat, ablehnen? Er! Sicher kann man das. Der Mensch ist frei. Der Mensch kann zu Christus ,nein’ sagen. Es bleibt aber die grundsätzliche Frage: Ist es zulässig, so etwas zu tun? Und in wessen Namen ist es zulässig? Welches rationale Argument, welchen Wert des Willens und des Herzens kannst du vor dich selbst, vor deinen Nächsten, vor deine Landsleute und vor die Nation setzen, um das zurückzuweisen und dazu ,nein’ zu sagen, von dem wir alle tausend Jahre lang gelebt haben? Das, was die Grundlagen unserer Identität geschaffen hat und sie seit jeher darstellt?“ Heute, während Polen die Grundlagen für seine freiheitliche und souveräne Existenz schafft, nach so vielen Jahren der Erfahrung totalitärer Herrschaftssysteme, muß man sich an diese Worte erinnern. Nach sechzehn Jahren ist eine tiefe Gewissenserforschung im Licht dieser Worte notwendig: Wohin gehen wir? In welcher Richtung bewegt sich das Gewissen? Liebe Brüder und Schwestern, liebe Landsleute! In dieser großen Wende der Geschichte unseres Heimatlandes, da über die zukünftige Gestalt unserer Republik entschieden wird, wird der Papst, euer Landsmann, nicht müde, euch zu bitten, dieses Erbe des Kreuzes Christi aufs neue gläubig und mit Liebe aufzunehmen. Damit ihr aufs neue in Freiheit und Reife das Kreuz Christi wählt, wie es seinerzeit vom hl. Johann Sarkander und vielen weiteren Heiligen und Märtyrern gewählt wurde. Damit ihr die Verantwortung der Präsenz des Kreuzes im Leben eines jeden und einer jeden von euch auf euch nehmt im Leben eurer Familien und 379 REISEN im Leben dieser großen Gemeinschaft, die Polen ist. Verteidigt sie! Der Apostel sagt nämlich: „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen“ (2 Kor 4,7). Christus wartet auf unsere Antwort... Welche Antwort wird Christus heute, an der Schwelle zum Großen Jubeljahr 2000, von Polen erhalten? ... Hört diese Worte aus einem Lied der Fastenzeit: „Herr, du siehst, daß ich das Kreuz nicht fürchte. Herr, du siehst, daß ich mich des Kreuzes nicht schäme. Ich küsse dein Kreuz, ich knie vor ihm nieder. Denn an diesem Kreuz sehe ich meinen Gott...“ (Polnisches Lied). 5. „Dich, Gott, loben wir, dich, Herr, preisen wir ... dich preist der Märtyrer leuchtendes Heer.“ Dies sind Worte aus dem Te Deum. Wir erinnern uns noch an das große Te Deum der Tausendjahrfeier der Taufe Polens, das vor fast dreißig Jahren in unserem Heimatland ertönte, von Westen nach Osten, von der Ostsee bis zur Tatra. Heute ertönt es wiederum hier in Skotschau. Es ertönt als ein Dankeslied für den hl. Märtyrer Johann Sarkander, der gerade von dieser schlesischen Erde aus zur Ehre der Altäre aufgestiegen ist. Und nun, am Ende dieser Meditation, erscheint vor uns der Christus aus der Offenbarung des hl. Johannes, Christus als Guter Hirt und gleichzeitig Christus als Gotteslamm, das sein Leben für seine Herde hingegeben hat (vgl. Offb 7,9-14). Dieser Christus war der Lehrer Johann Sarkanders! Er hat ihm beigebracht, sein Leben für seine Herde hinzugeben. Und nun nimmt er seinen treuen Jünger in das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen auf. Er umfaßt ihn mit dem ewigen Licht der Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist - von Angesicht zu Angesicht. Er leitet ihn zu den tiefsten Quellen des Lebens. Und wir, die wir an dieser Eucharistie, an diesem feierlichen Dankgebet für das Geschenk seiner Heiligsprechung teilnehmen, möchten zu denselben Quellen des Lebens gelangen, indem wir auf sein Beispiel schauen und auf seine Fürsprache vertrauen. Amen. Mein Wunsch an euch: Weisheit, Kraft und Ausdauer Ansprache am Schluß der Eucharistiefeier in Skotschau/Skoczöw (Polen) am 22. Mai „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 117/ 118,1). Zum Abschluß dieser Eucharistiefeier hier in Skotschau (Skoczöw), dem Geburtsort des hl. Märtyrers Johann Sarkander, möchte ich vor allem - der Aufforderung des Psalmisten Gottes folgend - der göttlichen Vorsehung danksagen für das Geschenk dieses Besuchs in meinem Heimatland und für die Gabe des gemeinsamen Gebets mit meinen Landsleuten, mit der Kirche von Bielsko-Zywiec und der gesamten Kirche Polens, die hier in der Person ihrer Bischöfe vertreten ist. 380 REISEN Mit dem Blick des Herzens umfange ich mein ganzes geliebtes Vaterland. Ich freue mich, meine Brüder und Schwestern, über all eure Erfolge. Die wiedergewonnene Freiheit hat viele gute Initiativen in der Nation geweckt. Gleichzeitig bin ich mir aber auch bewußt, wie hoch manchmal die Kosten der sich vollziehenden Wandlungen sind. Ich weiß, daß leider die Ärmsten und Schwächsten davon auf schmerzlichste Weise betroffen sind. Arbeitslosigkeit und die Verarmung der Familien werden mehr und mehr zu einer wirklich sozialen Plage. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß meine Landsleute innerlich dennoch die notwendige Weisheit, Kraft und Ausdauer finden werden, um diesen Problemen zu begegnen. Ich hoffe, daß der Geist der Eintracht, der brüderlichen Zusammenarbeit und der wahren Sorge für das Wohl der Republik siegen wird. Das ist es, was ich meiner Heimat wünsche! Ich schaue auf die Kirche in Polen, eine Kirche, die seit tausend Jahren - und auch heute - treu das Schicksal des Landes teilt, die dieser Nation mit großem Opfergeist dient und unablässig ihre Rechte geltend macht. Hier ist eine Kirche, die auf der Suche nach den Wegen der Neuevangelisierung in der Plenarsynode der Stimme des Heiligen Geistes lauscht; eine Kirche, die sich auf den tausendjährigen Todestag des hl. Märtyrers Adalbert, des Schutzpatrons Polens, und auch auf den für 1997 in Breslau vorgesehenen eucharistischen Weltkongreß vorbereitet. In diesem Augenblick möchte ich mich aber in erster Linie an die junge Kirche in Bielsko-Zywiec wenden. Gemeinsam mit Bischof Taddeo und Weihbischof Janusz grüße ich das Gottesvolk der Diözese, die Hirten - vielen von ihnen habe ich als Metropolit von Krakau das Sakrament der Weihe gespendet Ich grüße die männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften und alle Seminaristen. Mein Gruß gilt auch den Familien, den wahren „Hauskirchen“, den Kranken und Leidtragenden, den Einsamen und Verlassenen. Sie alle schließe ich in mein Gebet ein. Während dieses eucharistische Treffen seinem Ende zugeht, möchte ich den Kirchen von Bielsko-Zywiec wie auch der Kirche in ganz Polen meine tiefe Dankbarkeit aussprechen! Ich danke euch für die Einladung zu dieser feierlichen Danksagung für das Geschenk der Heiligsprechung Johann Sarkanders. Ich danke euch auch für den wunderbaren liturgischen Rahmen dieser Feier. Ich möchte all denjenigen meinen Dank aussprechen, die im Auftrag der Kirche manche Dienste geleistet haben; ich danke den Vertretern der Provinz- und Stadtbehörden von Bielsko-Biala und Skotschau für ihre freundliche Mitarbeit; ferner gilt mein Dank den staatlichen Obrigkeiten, den Femseh-, Rundfunk- und Presseleuten, dem Ordnungsdienst, der Armee und der Polizei - allen, die auf irgendeine Weise zum positiven Ablauf dieses Besuchs beigetragen haben. Nochmals danke ich allen von ganzem Herzen! Ein ganz besonderes Wort des Dankes richte ich an meine Mitbrüder im Bischofsamt nicht nur in Polen, sondern auch in den angrenzenden Ländern. 381 REISEN Ich danke dem Staatspräsidenten für seine Anwesenheit wie auch dem Premierminister und den Vertretern der staatlichen und lokalen Obrigkeiten von Bielsko-Bi-ala und Skotschau. Ich schaue auf euch, liebe Brüder und Schwestern; ich schaue auf euch, die ihr hier so zahlreich versammelt seid, die ihr die Mühe einer oft langen und beschwerlichen Reise nicht gescheut habt - einige von euch kommen sogar aus Weißrußland - und auf diese Weise Zeugen eures Glaubens seid. Ich danke euch für eure Anwesenheit! Ich sehe viele Jugendliche, was mich besonders freut, denn sie sind die Hoffnung der Kirche, ihre Jugend und Hoffnung. Ich grüße euch von ganzem Herzen! Mein Gruß gilt auch den Vertretern der katholischen Bewegungen und Vereinigungen, die sich heute in Polen mit großer Dynamik entwickeln. Die Kirche zählt sehr auf euch im Hinblick auf die Neuevangelisierung! Wir befinden uns nicht weit von der Grenze zwischen Polen und Böhmen und Mähren, von wo ich diesmal komme. Ich möchte besonders von hier aus, aus der Heimat des hl. Johann Sarkanders, herzlichst unsere tschechischen und mährischen Brüder grüßen. Die Heiligsprechung Johann Sarkanders, die gestern in 01-mütz in Mähren stattgefunden hat und die heute durch die Danksagung in Skotschau abgeschlossen wird, hat gezeigt, daß auch die Heiligen zum Aufbau Europas beitragen: eines durch das Fundament der christlichen Werte, auf denen die gesamte europäische Kultur begründet ist, geeinten Europas. Schließlich möchte ich auch jenes Treffen erwähnen, das vor der heiligen Messe in der evangelischen Kirche der Heiligsten Dreifaltigkeit in Skotschau stattgefunden hat. Dort habe ich mich mit unseren Brüdern und Schwestern der evangelisch lutherischen Kirchen zu einem kurzen Gebet für die Einheit der Christen getroffen. Im Zusammenhang mit der Heiligsprechung konnte eine solche Begegnung nicht fehlen. Von Herzen danke ich dafür Bischof Pawel An weder, dem Oberhirten der Diözese Cieszyn. Liebe Brüder und Schwestern! In wenigen Stunden wird der Papst Polen verlassen, um nach Rom zurückzukehren. Erinnert euch jedoch daran, daß ich in Gedanken und mit dem Herzen stets an eurer Seite bin und daß ich die Probleme meines Heimatlandes unweigerlich wie meine eigenen behandele. Eure Freuden sind auch die meinen, eure Sorgen - meine Sorgen. Beim Abschied möchte ich euch bitten, mich auch weiterhin durch euer Gebet zu unterstützen, damit ich Christus und seiner Kirche den Anforderungen jener Zeit entsprechend dienen kann, in der wir zu leben bestimmt sind. Nun, zur Stunde des Angelusgebets oder des Regina Caeli, schauen wir auf Maria, Mutter der Kirche wie auch unsere Mutter und Königin. Der hl. Johann Sarkander war ihr ganz besonders ergeben. Bei ihr hat er in Jasna Göra fast unmittelbar vor seinem Opfertod spirituellen Trost gesucht. Möglicherweise hat er vor dem Bildnis von Jasna Göra die Gnade des Martyriums für sich erfleht. Auch wir wollen all unsere „freudigen und schmerzlichen Geheimnisse“ wie auch die unseres Vater- 382 REISEN lands der Mutter Gottes anvertrauen und das österliche Marienlob singen: „Freu dich, du Königin des Himmels, halleluja!“ 383 REISEN 5. Pastoraireise nach Belgien (3./4. Juni) Pater Damian de VeusterGmßworte bei der Ankunftszeremonie am Flughafen Melsbroek am 3. Juni (Französisch) Majestät! 1. Ich bin den warmherzigen Willkommensgrüßen gegenüber, die Ihre Majestät eben an mich gerichtet haben, sehr aufgeschlossen und versichere Sie meiner tiefen Dankbarkeit. Ihrer Majestät, der Königin, danke ich für ihre Anwesenheit, sowie allen hohen Vertretern der Regierung und der Provinz- und Stadtparlamente, denen es ein Bedürfnis ist, an dieser Ankunftsfeier teilzunehmen. Letztes Jahr hatten mich die Umstände gezwungen, meinen neuerlichen Besuch in Belgien zu verschieben. Ich wollte diesen Besuch machen, um die Seligsprechung von Pater Damian de Veuster, der aus Tremeloo stammte, inmitten des Volkes, dessen berühmter Sohn er ist, zu feiern. Es ist mir eine Freude, heute und zu dieser Gelegenheit in Ihr Land zu kommen. Ich freue mich, erneut auf diesem Boden zu stehen, an diesem Kreuzpunkt, so reich an Begegnungen und Austausch, die den europäischen Kontinent geprägt haben. Es freut mich, Ihr Volk wiederzusehen, das dazu beigetragen hat, die Geschichte und Kultur Europas zu formen, und das heute darin einen besonderen Platz einnimmt. Ich grüße alle Anwesenden, die Einwohner von Melsbroek und die Militärs dieses Stützpunktes zusammen mit ihren Familien und richte einen Gedanken auch an die Mitglieder der Diözese Namur, die mich letztes Jahr in Malonne beim Grab des hl. Mutien-Marie erwarteten. An alle Belgier, sowohl an die Mitglieder der katholischen Kirche als auch an die Anhänger anderer Religionen, richte ich den ganz herzlichen Gruß des Bischofs von Rom. Die Bürger dieses Landes haben es verstanden, die Institutionen zu entwickeln, indem sie ihre Verschiedenheiten eingebracht haben, und ich entbiete ihnen meine innigsten Wünsche für eine Zukunft des Wohlstands und des sozialen Fortschritts in brüderlicher Eintracht. 2. Majestät, vor zehn Jahren war es Ihr Bruder, König Baudouin, der mich in Belgien begrüßt hat. Es ist mir ein Anliegen, bei meiner Ankunft seiner ehrfurchtsvoll zu gedenken. Ich erinnere mich an meine persönlichen Begegnungen mit ihm sowie an die Achtung und die Zuneigung, die ihm von den Belgiern und von unzähligen Menschen auch jenseits Ihrer Grenzen entgegengebracht wurden. Ich grüße 385 REISEN in ihm den Christen, der er verstand, in enger Verbundenheit mit Königin Fabiola seinen Landsleuten mit wahrhaft evangelischer Hingabe zu dienen. (Niederländisch) 3. Ich wende mich nun an meine Brüder im Bischofsamt, die gekommen sind, um mich zu empfangen. Ich grüße sehr herzlich Godfried Kardinal Danneels, den Erzbischof von Mecheln-Brüssel, und die anderen Bischöfe Belgiens. Es ist mir außerdem eine Freude, auf dieser Pilgerreise von Ihren Landsleuten, Kardinal Jean-Jerome Hamer und Kardinal Jan Pieter Schotte, begleitet zu werden, die ihre Erfahrung und ihre Hingabe in den Dienst des Apostolischen Stuhls gestellt haben. In diesen Tagen kann ich die längere Pastoraireise, die ich im Jahr 1985 zu euch unternahm, leider nicht wiederholen. Meine Pilgerreise hat einen ganz bestimmten Zweck, nämlich die Ehre, die die Kirche Damian de Veuster erweist, einem außerordentlichen Ordensmann und Priester, dessen Einfluß sich auf die ganze Welt erstreckt. Die Seligsprechung dieses Dieners Gottes ist eine Freude für die ganze Kirche in Belgien und weit über die Grenzen des Landes hinaus. Er erbte die positiven Eigenschaften seiner Familie und seines Volkes, von denen er auch durch eine größere Distanz nie geistig getrennt wurde. Er ist ein herausragender Zeuge jenes missionarischen Eifers, den zahlreiche Belgier auf allen Wegen der Welt bewiesen haben und der oft aktive Hilfeleistungen zugunsten benachteiligter Völker hervorruft. Im Geiste der Kongregation der Heiligsten Herzen verstand es Pater Damian, die Tiefe des Glaubens und der spirituellen Erfahrung mit einer aktiven und die Menschen respektierenden Nächstenliebe zu verbinden, bis in deren Leiden und ihre extreme Schwachheit. Liebe Katholiken Belgiens, da ich gekommen bin, die Seligsprechung Pater Damians unter euch zu feiern, schenke ich ihn euch als Fürsprecher, der euch helfen und inspirieren kann. Er möge in euch die Treue zum Glauben und die Großzügigkeit des brüderlichen Dienstes festigen, d. h. jene positiven Eigenschaften, die in den jahrhundertealten Traditionen eurer Familien so tief verwurzelt sind. Dies ist der Wunsch, den ich ihm für euch alle anvertraue. 4. Am Anfang dieses kurzen Aufenthalts, der im wesentlichen religiösen Feiern Vorbehalten bleibt, ist es mir ein Anliegen, den Vertretern der Behörden des Königreichs und all jenen, die an der Organisation beteiligt sind, zu danken. Ich erinnere mich auch an die sorgfältige Vorbereitung, die letztes Jahr für meinen Besuch in Gang gesetzt worden war, und ich möchte meine Dankbarkeit und meinen herzlichen Gruß jenen aussprechen, zu denen ich nicht werde gehen können, besonders den Einwohnern von Tremeloo, den Landsleuten von Pater Damian; indem sie sein Andenken treu bewahrt haben, haben sie ihn mit Innigkeit verehrt. Es tut mir leid, nicht bei ihnen sein zu können. Ich denke auch an die Einwohner von Löwen, die ich damals treffen sollte. All denen, die ich hier nicht im einzelnen aufzählen kann, bringe ich meine herzliche Sympathie und meine Ermutigung für ihr geistiges und gesellschaftliches Leben zum Ausdruck. 386 REISEN (Deutsch) Indem ich meine Dankbarkeit für den Empfang Ihren Majestäten, dem König und der Königin, wie auch allen hier versammelten Persönlichkeiten gegenüber erneuere, rufe ich auf alle die Fülle des göttlichen Segens herab. Berufung ist Anspruch zur Nachfolge Ansprache am Schluß der Rosenkranzandacht in der Franziskanerkirche in Brüssel am 3. Juni (Französisch) Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zusammen haben wir zur Jungfrau Maria gebetet und uns so auf die Seligsprechung von Pater Damian, eurem Landsmann, vorbereitet, der sich selbst unermüdlich Maria, unserer himmlischen Mutter, anvertraut hat; tatsächlich trennte er sich nur selten von seinem Rosenkranz, den er Tag und Nacht betete; Maria, Beispiel des Glaubens und der Liebe, half ihm, bereit zu sein, um wie sie am Fuß des Kreuzes zu stehen und um ein Missionar des Evangeliums zu sein. Mit ihr war er imstande, zum Heiland .Ja“ zu sagen, um von ihm die Kraft zum Zeugnis und die Gnade des ewigen Lebens zu erhalten. 2. Zum Schluß dieses Mariengebets heiße ich mit Freuden alle anwesenden Belgier willkommen, besonders die Gläubigen der Pfarrei, bei der wir zu Gast sind. Ich richte einen herzlichen Gruß an all jene, die durch das Radio mit uns verbunden sind. Nach dem Beispiel des Apostels der Aussätzigen fordere ich alle Christen auf, sich ohne Unterlaß Unserer Lieben Frau anzuvertrauen. Brüder und Schwestern in Belgien, laßt eure Hingabe zu Maria wachsen, um das Geschenk Gottes in euch wiederzubeleben! Sie wird euch zu Christus führen. (Niederländisch) 3. Ich möchte heute abend eine besondere Botschaft an die jungen Leute in Belgien richten. Maria hat zur Sendung, die ihr von Gott aufgetragen wurde,, Ja“ gesagt. Indem er den Platz seines kranken Bruders einnahm, hat Pater Damian den Dienst, den Gott von ihm verlangte, auf sich genommen. Durch dieses vollkommene und unumstößliche , Ja“ haben sie, wie viele andere Menschen im Laufe der Jahrhunderte, ihr Glück gefunden. „Gott ruft mich ... Wem kann man dies sagen?“: Dies war das Thema des Tages der Berufungen, der vor kurzem in eurem Land stattgefunden hat. Habt keine Angst davor, die Berufung, zu der ihr bestellt seid - sei es zum Priestertum, zum gottgeweihten Leben oder zur Heirat -, mit Hilfe der Erwachsenen, die um euch sind, zu erkennen. Jesus verlangt nichts Unmögliches, aber er ruft jeden auf, nach 387 REISEN dem Guten in all seiner Wahrheit zu suchen, Quelle des Glücks und der Freude (vgl. Veritatis splendor, Nr. 16). Auf diese Weise wird Christus euch helfen, euer Bestes zu geben. Der Herr hat seinen Blick auf euch gerichtet und wiederholt ohne Unterlaß: „Komm und folge mir nach“ (Mt 19,21). Tatsächlich kommt das wahre Glück auch nur von Gottes unendlicher Liebe, denn Gott sieht nicht auf das Aussehen des Menschen, sondern auf sein Herz (vgl. 1 Sam 16,7), das auf ewig von der Schönheit Gottes gezeichnet ist, trotz der Sünde. Laßt euch von Christus lieben, um dann eurerseits mutig zu antworten, indem ihr ihn liebt und eure Brüder liebt! (Französisch) 4. Wenn Jesus ruft, dann ist es nicht, um die Persönlichkeit eines Menschen unter Druck zu setzen, sondern um sie zum Aufblühen zu bringen in der Wahrheit des Seins und um das Ideal, das sie beseelt, zu verwirklichen. Wenn er ein besonderes Engagement verlangt und er jemanden für eine außergewöhnliche Sendung innerhalb der Kirche auserwählt, wie im Falle von Pater Damian, überschüttet der Heiland mit seinen Gaben denjenigen, der seinem Aufruf folgt, und macht ihn vollkommen frei. Dann wird das, was den Menschen unmöglich erscheint, mit Gottes Hilfe möglich (vgl. Mt 19,26). Andererseits, weit entfernt davon, die Persönlichkeit von der Welt entfernen und sie verarmen zu wollen, erlaubt die Hingabe an den Herrn im Gegenteil jedem Menschen, seinen wahren Platz zu finden gemäß der Freiheit, zu der jeder Mensch gerufen ist - im Dienste an seinen Brüdern, zur Ehre Gottes und zum Heil der Welt. Die Kirche vertraut euch. Die Kirche freut sich über euren Wunsch, in Fülle zu leben. Laßt euch nicht von den faszinierenden Versuchungen und Verführungen mitreißen, die die Welt bietet. Das wirkliche Leben besteht in einer fortschreitenden Erreichung der Selbstdisziplin. Verwurzelt eure Hoffnung und euren Glauben in Christus, in der Hoffnung und in dem Glauben der Kirche! Auf diese Weise wird der Herr euch helfen, jeden Tag besser zu werden, und er wird eure tiefsten Wünsche erfüllen. Schöpft aus dem Quell des Lebens, vor allem durch eine häufige Teilnahme an den Sakramenten der Eucharistie und der Versöhnung. Laßt euch von Christus wiederversöhnen, der aus euch neue Menschen machen wird! 5. Ihr Jugendlichen und Erwachsenen Belgiens, laßt euch vom anspruchsvollen Wort Christi leiten, und arbeitet also zusammen beim Aufbau der Kirche in der Sorge um die Gemeinschaft mit den Hirten und dem Nachfolger Petri! Indem ihr so aus den Sakramenten, aus dem persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet die Kraft der Sendung schöpft, werdet ihr all euren Brüdern gegenüber aufmerksam sein und die Liebe Gottes auf konkrete Weise bezeugen. Möge Pater Damian mit seinem unerschütterlichen Glauben zu Christus und seiner Kirche dabei euer Vorbild sein! 388 REISEN O Maria, die du im Augenblick der „Gabe“ des Heiligen Geistes mit den Aposteln zusammen warst, komm und stütze den Glauben und die Sendung der belgischen Christen! (Deutsch) Maria, Mutter der Kirche, die Menschen in Belgien mögen sich durch deine Fürsprache in Vertrauen dem Herrn zuwenden, um von ihm das ewige Leben zu empfangen und damit auf dieser Erde eine neue Welt entstehe, in der Gerechtigkeit, Friede und Liebe herrschen! Die Geistsendung erfüllt das Heilsverlangen Predigt bei der Seligsprechung von Pater Damian de Veuster in Brüssel am 4. Juni (Niederländisch) Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,21-22). Die Apostel vernahmen diese Worte aus dem Munde des auferstandenen Christus am Abend der Auferstehung. Am Morgen des ersten Tages der Woche stellten die Frauen und danach Petrus und Johannes fest, daß das Grab, in das man Jesus gelegt hatte, leer war. Am Abend desselben Tages zeigte sich Jesus in ihrer Mitte. Es war derselbe Jesus wie der, den sie vorher gekannt hatten, zugleich aber war er anders. An seinem Leib trug er die Male der Kreuzigung, und zugleich war er auferstanden. Da er nicht mehr den Gesetzen der Materie unterworfen war, konnte er in den Abendmahlssaal eintreten, als alle Türen verschlossen waren. Nach dem Gruß an die Apostel „Friede sei mit euch!“ richtet der auferstandene Jesus die wichtigen Worte an sie, die die Zukunft der Kirche bestimmen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). Der wahre Augenblick der Herabkunft des Heiligen Geistes ist am Abend der Auferstehung. Jesus, der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, haucht die Apostel an. Dieser Hauch macht den Ursprung des Heiligen Geistes offenbar, der vom Vater und vom Sohn ausgeht. Dieser Hauch ist heilswirksam: Er enthält die ganze Macht der von Christus gewirkten Erlösung. Man versteht, daß Christus, nachdem er zu den Aposteln gesagt hat: „Empfangt den Heiligen Geist“, ebenfalls von der Vergebung der Sünden spricht. Er gibt ihnen die Macht, die Sünden zu vergeben, eine Macht, die von Gott kommt. Er überträgt sie ihnen zugleich mit dem erlösenden Hauch, der das endgültige Kommen des Heiligen Geistes ankündigt. Am 389 REISEN Pfingsttag führte die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel zur Taufe derer, die auf das Wort des Petrus hin an Christus glaubten und nach dem Heil verlangten, das der ganzen Menschheit durch das Kreuz und die Auferstehung Christi gegeben ist. 2. Die Apostelgeschichte schildert uns das Pfingstereignis in detaillierter Weise. Der Heilige Geist, der Hauch des Vaters und des Sohnes, zeigt seine Präsenz durch das Brausen eines heftigen Sturmes an, zugleich gibt sich der Heilige Geist durch das Element des Feuers zu erkennen. Und über den Aposteln, die im Abendmahlssaal versammelt sind, erscheint wie Feuer, das sich in Zungen teilt; auf das Haupt eines jeden von ihnen läßt sich eine nieder. Der Sturm und das Feuer, Naturelemente, zeugen so vom Kommen des Heiligen Geistes. Diese Erscheinungen sind jedoch von einem Phänomen übernatürlicher Art begleitet. Die Apostel beginnen, vom Heiligen Geist erfüllt, in anderen Sprachen zu sprechen, so wie es der Heilige Geist ihnen eingibt. Dieses Ereignis ruft bei allen, die damals in Jerusalem weilten, großes Erstaunen hervor: „Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel“ (Apg 2,5). Von Bestürzung und Verwunderung erfüllt, rufen sie aus; „Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören?“ (Apg 2,7-8). Wenn der Verfasser der Apostelgeschichte die Liste der zu jener Zeit bekannten Länder der Welt aufstellt, aus denen die am Pfingstereignis teilnehmenden Pilger kommen, zeichnet er damit sozusagen eine Landkarte der ersten Evangelisierung, die die Apostel vollbringen müssen, indem sie in den verschiedenen Sprachen „Gottes große Taten“ verkünden. Abgesehen von Rom, wird kein Land West-, Mittel-, Nord- oder Osteuropas erwähnt. Belgien wird nicht genannt, und erst recht nicht die Inseln des Archipels von Molokai, im fernen Pazifik. Von der Heimat des Pater Damian de Veuster ist nicht die Rede, noch von dem Land, wohin er in die Mission gehen und dort für Christus sein Leben geben sollte, auf diese Weise den Dienst der Nächstenliebe vollbringend. 3. Indem ich die Orte in Erinnerung rufe, die dem Herzen Pater Damians lieb waren, grüße ich Ihre Majestäten, den König der Belgier und die Königin, Ihre Majestät Königin Fabiola, sowie die Mitglieder des Diplomatischen Korps und die Vertreter der Behörden. Meine brüderlichen Glückwünsche bringe ich Kardinal Danneels anläßlich seines Geburtstags zum Ausdruck; auch an Kardinal Suenens, der seinen Geburtstag in einigen Tagen feiert, gehen meine innigen Glückwünsche. Herzliche Grüße richte ich an die Gesamtheit der Bischöfe. Ich freue mich über die Anwesenheit der Familie von Pater Damian, zahlreicher Missionare sowie der Delegationen der Städte Tremeloo, Malonne und Löwen und der Vereinigung der Freunde von Pater Damian. Ich bin glücklich, die Delegierten der Hawaii-Inseln willkommen zu heißen: 390 REISEN (Hawaiisch) Ihnen allen meine innigen und aufrichtigen Wünsche. Der Friede und die Liebe Christi seien mit Ihnen! (Niederländisch) 4. Durch die Jahrhunderte hat die Kirche sich unaufhörlich entfaltet und das Evangelium bis an die Grenzen der Erde getragen in Antwort auf das Gebot Christi selbst, der den Heiligen Geist gegeben hat, die unerläßliche Kraft, damit die Menschen diesen Evangelisierungsauftrag erfüllen können. Die Kirche sagt dem Heiligen Geist Dank für Pater Damian, denn der Heilige Geist hat ihm den Wunsch eingegeben, sich ohne Vorbehalt den Leprakranken auf den Pazifikinseln, insbesondere Molokai, zu widmen. Heute anerkennt und bestätigt die Kirche durch meinen Mund den vorbildhaften Wert Pater Damians auf dem Weg der Heiligkeit und lobt Gott, daß er ihn bis zum Ende seines Daseins auf einem oft schwierigen Weg geführt hat. Mit Freude betrachtet sie, was Gott durch die menschliche Schwäche vollbringen kann, denn er ist es, der uns die Heiligkeit gibt, und der Mensch ist es, der sie empfängt (vgl. Origenes, Homilien über Samuel, 1,11,11). Pater Damian hat im Lauf seines Dienstes eine besondere Form von Heiligkeit entwickelt; er war zugleich Priester, Ordensmann und Missionar. Durch diese dreifache Eigenschaft hat er das Antlitz Christi offenbart, indem er den Weg des Heils zeigte, das Evangelium lehrte und ein unermüdlicher Förderer der Entwicklung war. Er hat das religiöse, gesellschaftliche und brüderliche Leben auf der damals aus der Gesellschaft gebannten Insel Molokai organisiert; mit ihm hatte jeder seinen Platz, jeder war von seinen Brüdern anerkannt und gebebt. An diesem Pfingsttag bitten wir für uns selbst wie auch für alle Menschen um den Beistand des Heiligen Geistes, um uns von ihm ergreifen zu lassen. Wir haben die Gewißheit, daß er uns nichts Unerreichbares auferlegt, sondern unser Sein und Dasein auf manchmal schwierigen Wegen zur Vollkommenheit führt. Diese Feier ist auch ein Aufruf zu einer Vertiefung des geistlichen Lebens, ob wir nun krank oder gesund seien und was auch immer unsere gesellschaftliche Stellung sei. Liebe Brüder und Schwestern Belgiens, jeder von euch ist zur Heiligkeit gerufen: Stellt eure Fähigkeiten in den Dienst Christi, der Kirche und eurer Brüder; laßt euch demütig und geduldig vom Geist durchdringen! Die Heiligkeit ist nicht Perfektion nach menschlichen Kriterien; sie ist nicht einer kleinen Zahl von Außergewöhnlichen Vorbehalten. Sie ist für alle; der Herr läßt uns zur Heiligkeit gelangen, wenn wir bereit sind, zur Ehre Gottes und zum Heil der Welt mitzuarbeiten, trotz unserer Sünde und unserem manchmal rebellischen Temperament. In eurem täglichen Leben seid ihr gerufen, Entscheidungen zu treffen, die „mitunter durchaus ungewöhnliche Opfer“ (Veritatis splendor, Nr. 102) verlangen. Das wahre Glück ist dafür der Preis. Der Apostel der Leprösen ist Zeuge dafür. 391 REISEN (Englisch) 5. Die Feier dieses Tages ist auch ein Aufruf zur Solidarität. Als Damian sich inmitten der Kranken befand, konnte er in seinem Herzen diese Worte sprechen: „Unser Herr wird mir die notwendigen Gnaden geben, um mein Kreuz in seiner Nachfolge bis zu unserem speziellen Golgota von Kalawao zu tragen.“ Die Gewißheit, daß einzig die Liebe und die Selbsthingabe zählen, beseelte ihn und machte ihn glücklich. Der Apostel der Leprösen ist ein hervorragendes Beispiel dafür, daß die Liebe zu Gott nicht von der Welt entfernt, ganz im Gegenteil: Die Liebe zu Christus führt dazu, seine Brüder bis zur Hingabe des Lebens für sie zu lieben. Es freut mich, den Bischof von Honolulu zu begrüßen, der die Pilger aus Hawaii zu dieser feierlichen und freudigen Zeremonie begleitet. (Deutsch) 6. An euch, liebe Brüder und Schwestern Belgiens, liegt es, die Fackel Pater Damians erneut zu ergreifen. Sein Zeugnis ist für euch alle, vor allem für euch junge Menschen, ein Aufruf, um ihn kennenlemen zu können und durch sein Opfer in euch die Sehnsucht nach der Gottesliebe, dem Quell aller wahren Liebe und jedes gelungenen Lebens, und das Verlangen, aus eurem Leben eine fruchtbare Gabe zu machen, wachsen zu lassen. (Französisch) 7. Mein Herz wendet sich denen zu, die heute noch von der Lepra befallen sind. Mit Damian haben sie nunmehr einen Fürsprecher, denn bevor er krank war, hatte er sich bereits mit ihnen identifiziert und sagte oft: „Wir Leprösen.“ Indem er bei Paul VI. den Seligsprechungsprozeß unterstützte, hatte Raoul Follereau die Intuition der geistlichen Ausstrahlung gehabt, die Damian nach seinem Tod haben konnte. Mein Gebet kommt auch wieder all denen zu, die von schweren und unheilbaren Krankheiten getroffen sind oder auf den Tod zugehen. Wie die Bischöfe eures Landes in Erinnerung gebracht haben, haben alle Menschen das Recht, von seiten ihrer Brüder eine ausgestreckte Hand, ein Wort, einen Blick, eine geduldige und liebende Anwesenheit zu erhalten, selbst wenn es keine Hoffnung auf Heilung mehr gibt. Kranke Brüder und Schwestern, ihr werdet von Gott und der Kirche geliebt! Das Leiden ist für die Menschheit ein unerklärliches Geheimnis; wenn es den seinen eigenen Kräften überlassenen Menschen erdrückt, so findet es einen Sinn im Geheimnis des gestorbenen und auferstandenen Christus, der jedem Geschöpf nahe ist und ihm zuflüstert: „(Hab) Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (.Joh 16,33). Ich danke dem Herrn für die Menschen, welche die Kranken, die Kleinen, die Schwachen und Wehrlosen, die Ausgegrenzten begleiten und umgeben: Ich denke besonders an die beruflich im Krankendienst Tätigen, an die Priester und Laien in den Gruppen der Krankenpastoral, an die Mitarbeiter der Besuchsdienste in den Krankenhäusern und an alle, die sich für die Verteidigung des 392 REISEN Lebens, für den Schutz der Kinder sowie dafür einsetzen, daß jeder Mensch ein Dach über dem Kopf und einen Platz in der Gesellschaft hat. Durch ihre Tätigkeit bringen sie die unvergleichliche Würde unserer Brüder, die an ihrem Leib oder in ihrem Herzen leiden, zum Bewußtsein und zeigen, daß jedes Leben, selbst das zerbrechlichste und leidgeplagteste, Gewicht und Wert für Gottes besitzt. Mit den Augen des Glaubens kann man jenseits der äußeren Erscheinung wahmehmen, daß jedes Menschenwesen Träger des reichen Schatzes seiner Menschlichkeit und der Gegenwart Gottes ist, der es gewoben hat von Anfang an (vgl. Ps 139). 8. Im ersten Brief an die Korinther schreibt der hl. Paulus: „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (/ Kor 12,3). Zu sagen, , Jesus ist der Herr“, bedeutet in der Tat, seine Göttlichkeit zu bekennen, wie es der hl. Petrus im Namen der Apostel in Cäsarea Philippi getan hatte. „Der Herr“ - Kyrios auf griechisch - ist der, welcher über die ganze Schöpfung herrscht, der, an den der Psalm gerichtet ist, den wir gehört haben: „Lobe den Herrn, meine Seele! / Herr, mein Gott, wie groß bist du! / Herr, wie zahlreich sind deine Werke! / ... die Erde ist voll von deinen Geschöpfen. /... nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin / und kehren zurück zum Staub der Erde. / Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, / und du erneuerst das Antlitz der Erde“ (Ps 104,1.24.29-30). Diese Verse aus der Liturgie sprechen von der Macht Gottes über die ganze Schöpfung. Sie beziehen sich auf den Heiligen Geist, der Gott ist und mit dem Vater und dem Sohn Leben gibt. Auch betet die Kirche heute: „Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu.“ Der Heilige Geist bewirkt, daß jeder Mensch zur Kenntnis Christi gelangt und seine Göttlichkeit bekennt: ,Jesus ist Herr“-Kyrios! Diesen Glauben an die Göttlichkeit Christi hat Pater Damian in seiner Familie in Flandern gewissermaßen mit der Muttermilch zu sich genommen. Er ist damit aufgewachsen und brachte ihn später seinen Brüdern und Schwestern auf den fernen Molokai-Inseln. Um die Wahrheit seines Zeugnisses bis ins letzte zu bekräftigen, hat er in ihrer Mitte sein Leben aufgeopfert. Was hätte er den Leprösen, die zu einem langsamen Tod verurteilt waren, anderes bieten können als seinen Glauben und die Wahrheit, daß Christus Herr ist und daß Gott Liebe ist? Er wurde zum Leprakranken inmitten der Leprakranken, er wurde zum Leprakranken für die Leprakranken. Er hat gelitten und ist gestorben wie sie im Glauben an die Auferstehung in Christus, denn Christus ist Herr! 9. Der hl. Paulus schreibt weiter: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (i Kor 12,4-7). Mit diesen Worten präsentiert der Apostel eine dynamische Sicht der Kirche, dynamisch und zugleich charismatisch. In dieser charismatischen Sicht 393 REISEN manifestiert sich der Geist, den der Vater im Namen Christi auf die Apostel herabsendet. Alles hat seinen Ursprung in den verschiedenen Gnadengaben, welche die Gläubigen befähigen, die verschiedenen Kräfte, Berufungen und Dienste in der Kirche und in der Welt wirksam zu machen. Die Sicht des hl. Paulus ist universal. Und in dieser universalen Sicht finden wir gewiß einen Teil des Lebens unseres Seligen wieder: sein Charisma, seine Berufung und seinen Dienst. In all dem hat der Heilige Geist sich zum Wohl von allen kundgetan. Die Seligsprechung von Pater Damian dient dem Wohl der ganzen Kirche. Sie hat eine besondere Bedeutung für die Kirche in Belgien und ebenso für die Kirche auf den Inseln Ozeaniens. 10. Es ist von der Vorsehung gegeben, daß diese Seligsprechung im Lauf des Hochfestes Pfingsten stattfindet. In dem Brief an die Korinther fährt Paulus fort: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen ... alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (1 Kor 12,12-13). Dieser Geist hat durch den Dienst von Pater Damian auf den fernen Inseln Ozeaniens geweht; er findet Widerhall in euren Familien, in euren Pfarreien und in den Missionskongregationen. In der Geschichte eures Landes haben sich die Werke für das Wohl und das Wachstum der Kirche vervielfacht. Beachtenswert ist insbesondere das Entstehen zahlreicher religiöser Kongregationen, die durch ihre geistliche, karitative, intellektuelle und soziale Tätigkeit eine bedeutende Ausstrahlung gehabt haben. Daneben haben mit tiefen Charismen ausgestattete Persönlichkeiten begonnen, große Werke zu realisieren: Es genügt, Gründungen wie die katholischen Universitäten von Löwen und von Louvainla-Neuve sowie auch die Katholische Arbeiteijugend (Jeunesse ouvriere catholique - J.O.C.) zu erwähnen; es genügt, an Persönlichkeiten wie Kardinal Mercier, Pionier der Ökumene, oder später Kardinal Cardijn, Gründer der J.O.C., und viele andere zu erinnern, durch die der Heilige Geist zum Wohl der ganzen Kirche nicht nur in eurem Land, sondern darüber hinaus in der ganzen Welt gewirkt hat. 11. Seliger Damian, du hast dich vom Heiligen Geist führen lassen als dem Willen des Vaters gehorsamer Sohn. Durch dein Leben und dein missionarisches Werk zeigst du die Zärtlichkeit und Barmherzigkeit Christi gegenüber jedem Menschen und enthüllst ihm die Schönheit seines inneren Wesens, die keine Krankheit, keine Mißbildung, noch irgend eine Schwäche ganz entstellen kann. Durch dein Wirken und deine Predigt erinnerst du daran, daß Jesus die Armut und das Leiden der Menschen auf sich genommen und deren geheimnisvollen Wert offenbart hat. Bitte Christus, den Arzt des Leibes und der Seele, für unsere kranken Brüder und Schwestern, damit sie sich in Ängsten und Schmerzen nicht verlassen, sondern mit dem auferstandenen Herrn und seiner Kirche vereint fühlen, daß sie entdecken, 394 REISEN daß der Heilige Geist sie besucht und sie so die den Betrübten versprochene Tröstung erhalten. 12. „Ewig währe die Herrlichkeit des Herrn; / der Herr freue sich seiner Werke“ (Ps 104,31). Mit den Worten des Psalmisten möchte ich unsere Meditation an diesem so sehr erwarteten, feierlichen Tag beschließen, in dessen Verlauf die reife Frucht der Heiligkeit - Pater Damian de Veuster - in seiner Heimat der Ehre der Altäre empfängt. Brüder und Schwestern, seid dem Heiligen Geist gefügig, damit die Menschen durch euer Leben Gott entdecken können, von dem alle vollkommene Gabe kommt! Laßt die Waffen schweigen! Regina Caeli in Brüssel am 4. Juni (Niederländisch) Liebe Brüder und Schwestern, 1. Zuallererst möchte ich an einen Moment meines vorhergehenden Besuchs in Belgien (1985), und zwar in Ypres, erinnern. Auf dem großen Friedhof des Ersten Weltkriegs hatte ich die Söhne eures Vaterlands, die zusammen mit Soldaten aus zahlreichen anderen europäischen Ländern gefallen waren, ins Gedächtnis zurückgerufen. Im Laufe dieses Krieges hatte Belgien dem eindringenden Feind mutig Widerstand geleistet und für die eigene Unabhängigkeit gekämpft; das Land leistete seinen Beitrag zum Kampf für die Gerechtigkeit und dem Frieden in Europa. In diesem Jahr des fünfzigsten Jahrestags seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs möchte ich diesen Appell aufs neue an alle Regierenden und alle Völker richten: Laßt die Waffen endgültig schweigen! Möge die Sehnsucht nach Dialog, nach Frieden und nach Brüderlichkeit sich gegen den Durst nach Macht und Rache durchsetzen, damit alle Menschen, besonders die schwächeren und ärmeren, ihren Platz in der Gesellschaft finden können! Ich fordere jeden auf, für den Frieden und die Verständigung zwischen den Völkern prophetisch tätig zu werden. Heute flehen wir zu Maria, der Friedenskönigin, daß unsere Zeitgenossen in allen Kontinenten, wenn sie die Tragödien der jüngeren Geschichte nachlesen, dazu in der Lage sind, die Waffen niederzulegen, und daß die Menschen und die Nationen nie mehr von Bruderkriegen heimgesucht werden, die die Menschheit tief verletzen. Alle sollen sich daran erinnern, daß bewaffnete Konflikte eine Niederlage darstellen und nur der konstruktive Dialog des Menschen würdig ist! (Französisch) 2. „Regina coeli laetare!“ Nach der Seligsprechung von Pater Damian de Veuster möchten wir noch einmal aller Söhne Walloniens und Flanderns gedenken, die wie er ihr Leben für die Würde ihrer Brüder, für die Gerechtigkeit und den Frieden 395 REISEN hingegeben haben in ihrem unermüdlichen Dienst für das Vaterland oder für die Kirche. Freue dich, Mutter des auferstandenen Christus, freue dich, Mutter der Kirche, über all das Gute, das diese belgische Erde hervorgebracht hat! Freue dich über Pater Damian! Es ist mir eine große Freude, daß ich ihn hier in seinem Heimatland zur Ehre der Altäre erheben konnte. Auf diese Weise habe ich die Verpflichtung ausgleichen können, die ich zur Zeit meiner Studien in Rom mit dem belgischen Kolleg und mit allen meinen damaligen Gefährten eingegangen war. Viele von ihnen sind inzwischen vom Herrn heimgerufen worden. Ich bitte euch, ihre Seelen dem Herrn zu empfehlen, wie die des verstorbenen Rektors des belgischen Kollegs, Kardinal von Fürstenberg, seligen Angedenkens. 3. „Regina coeli laetare!“ In der Freude des Pfingstfestes möchte ich auch die Erinnerung an all das wachrufen, was die Kirche in Belgien zugunsten der Einheit der Christen getan hat. Danken wir Gott für Kardinal Mercier, diesen Pionier, dessen großes ökumenisches Werk vom Zweiten Vatikanischen Konzil und durch viele Aktivitäten in eurem Land erweitert worden ist. Danken wir für die Nachfolger von Kardinal Mercier auf dem Bischofsstuhl von Mecheln und Brüssel, für alle Bischöfe eurer Nation, für ihren Beitrag zum Werk des Zweiten Vatikanischen Konzils. Danken wir für die Theologen und für all das, was für die Verwirklichung des Konzils von Nutzen war. Bitten wir die Mutter der Kirche, daß die Kirche in Belgien nie aufhöre, der Sauerteig des Evangeliums zu sein, der das Leben der Gesellschaft formt und dem Wohl der Menschheit dient. Wir danken dir auch, Mutter der göttlichen Gnade, für König Baudouin, für seinen unerschütterlichen Glauben, für das Beispiel seines Lebens, das er seinen Landsleuten und ganz Europa hinterlassen hat. Wir danken dir für seine Kraft bei der Verteidigung der Rechte Gottes und der Rechte des Menschen, und vor allem des Rechtes auf Leben des ungeborenen Kindes. Ich hatte das Glück, die geistige Tiefe König Baudouins kennenzulemen, seine außerordentliche und inbrünstige, auf Christus zentrierte und gleichzeitig marianische Frömmigkeit. Wie könnte man dem Heiligen Geist nicht dafür danken, was er in der Seele des verstorbenen Königs bewirkt hat? Welch großes Beispiel hinterläßt er uns! Welch großes Beispiel hinterläßt er seinen Mitbürgern! (Deutsch) 4. „Regina coeli laetare!“ Maria, Königin des Himmels, wache über die Jugend Belgiens mit mütterlicher Milde. Wache über die jungen Menschen hier, in den verschiedenen Ländern Europas und der Welt, die durch das Zeugnis eines rechten und reinen Lebens sowie durch ein entschiedenes Engagement in der Nachfolge Christi an der Neuevangelisierung beteiligt sind. Mögen sie sich in schwierigen Augenblicken niemals entmutigen lassen, sondern mit Hilfe des Heiligen Geistes jeden Tag mit den Waffen des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe den guten Kampf kämpfen! 396 REISEN (Polnisch) Ich grüße herzlich auch meine eigenen Landsleute, sowohl jene, die in der Heimat leben, als auch jene, die hier und in der ganzen Welt leben. Praktizierter Glaube hat Zukunft Ansprache bei der Begegnung mit der Belgischen Bischofskonferenz in Brüssel am 4. Juni Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nach der wunderbaren Eucharistiefeier des Pfingstfestes, die wir eben erlebt haben und bei der ich die Freude hatte, die langersehnte Seligsprechung von Pater Damian vorzunehmen, freue ich mich, daß ich mit euch, den Mitgliedern der Bischofskonferenz von Belgien, sprechen kann. Ich danke Kardinal Daneels für seine an mich gerichtete Grußbotschaft und für die Gastfreundschaft, die er mir nun mit euch allen in seinem Hause erweist. Die Gedanken, die ich mit euch teile, möchte ich unter den Schutz des neuen Seligen stellen. Wenn wir einen Diener Gottes mit der Seligsprechung ehren, so geschieht es ja deshalb, weil wir ihn, insbesondere für die Ortskirche, aus der er stammt, als ein herausragendes Mitglied der Gemeinschaft der Heiligen betrachten, an der wir alle teilhaben. Nicht nur die Erinnerung an die besonderen Aspekte seines Daseins im vorigen Jahrhundert gibt uns Anregung und Ermutigung für unser eigenes Tun, sondern auch und vor allem die Aktualität seines beispielhaften Lebens und die Erfahrung seiner Fürsprache. 2. Die Verdienste von Pater Damian sind klar ersichtlich auf seinen Glauben zurückzuführen, ja ich möchte sagen, auf seinen Elan zu Gott hin, der die Menschen durch seinen Sohn rettet. Der Apostel der Nächstenliebe, der sich für seine kranken Brüder hingegeben hat, war zugleich auch ein Mann mit intensivem geistlichen Leben. Sein Mut als Zeuge für das Evangelium möge uns ein Antrieb sein! Auf seine einfache, schlichte Weise kann er den Gläubigen eurer Diözesen bei-bringen, ihr Glaubensleben und die Praxis des kirchlichen Lebens zu verstärken. Damian schätzte die Eucharistie so hoch! Vertraut euch seiner Fürbitte an, damit er seinen Brüdern und Schwestern von heute helfe, ein tiefes Verständnis für die Sonntagsmesse zu gewinnen, wofür ihr ja in eurem Pastoralprogramm zur Aufwertung des Sonntags eintretet. Wir denken auch daran, welche Bedeutung die Beichte für ihn hatte. Das gesamte sakramentale Leben muß beständig und klar den Getauften vor Augen gestellt werden, damit sie begreifen, daß sich darauf das christliche Leben konzentriert als auf die Quelle der Gnaden für jeden. Hier ist die echte Grundlage für die Lebenskraft der Pfarreien zu suchen, wenn man nur einmal verstanden hat, daß das sak- 397 REISEN ramentale Leben die Quelle ist, aus der die missionarische Tätigkeit fließt, und daß es seine natürliche Auswirkung findet in den verschiedensten pastoralen Tätigkeiten. In dieser Hinsicht sind eure Initiativen zur Jugendkatechese grundlegend, damit die jungen Menschen zu einer organischen Sicht des Glaubens kommen können, wie sie für ihr geistliches Wachstum notwendig ist. In gleicher Weise ist bei den Erwachsenen ein Fortschritt im Verständnis ihrer christlichen Sendung nötig. Ich freue mich, daß ich hier die kürzlich erfolgte Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche begrüßen kann. Im übrigen hoffe ich, daß die Priester- und Ordensberufung des sei. Damian neue Berufungen unter der Jugend Belgiens anregt. Zweifellos sind die Wege verschieden, und die Ausdrucksformen wechseln der Zeit entsprechend. Aber der Anruf des Herrn bleibt im Grund der gleiche, nämlich: Ihm zu dienen in den Gliedern seines Leibes, der die Kirche ist. Verwendet Aufmerksamkeit darauf, Berufungen zu wecken, besonders in den Jugendbewegungen. Laßt deshalb den jungen Männern in euren Seminaren eine ausgewogene Bildung zuteil werden, die sie dank eines tiefen geistlichen Lebens und einer gediegenen intellektuellen Ausbildung zu einem gut in die Gesellschaft unserer Zeit eingegliederten Dienst befähigt. 3. In Damian ist der Elan zu Gott hin untrennbar mit der Liebe zum Nächsten verbunden. Er ist an die Stelle eines seiner Brüder getreten, weil er die Notwendigkeit empfand, das Evangelium zu denen zu bringen, die Gott noch nicht kannten. Das ist bei ihm eine erstrangige Form der Bruderliebe, und ich weiß gut, daß zahlreiche belgische Missionare sie, gleich ihm, in bewundernswerter Weise praktiziert haben. Aber die Aufgabe ist noch riesengroß. Ihr Bischöfe seid die Erstverantwortlichen für die Evangelisierung. Euch kommt es zu, jene zu ermutigen und an-zuspomen, die berufen sind, das Evangelium zu ihren Brüdern und Schwestern in fernen und in nahen Regionen zu bringen. Der Pflngstgeist, der uns die Furcht überwinden läßt und in uns spricht (vgl. Mt 10,19), mahnt uns, das besonders heute zu tun. Zweifellos wird das Zeugnis für die Nächstenliebe, die Damian unermüdlich übte, in den Augen der Welt am deutlichsten im Dienst an den Armen und Kranken, der bei ihm so weit ging, daß er selbst leprakrank wurde und sein Leben opferte. Ist es notwendig zu betonen, daß die Liebe zu den Armen, den Leidenden und den Schutzlosen heute in Belgien ebenso notwendig ist wie gestern für Damian in Molokai? Ich erwähne es nur, um euch zu sagen, wie wichtig es ist, daß die Gläubigen ihre Pflicht erkennen, dem Leben der Gesellschaft nach den je eigenen Möglichkeiten zu dienen. Ich schätze eure Bemühungen zur Verteidigung des Lebensrechtes der Ungeborenen und zur Unterstützung ihrer Mütter und ihrer Familien, euren Einsatz für die Aufnahme der Fremden und für die Obdachlosen, für die Reintegration der Ausgegrenzten und den Beistand für jene, die physisch oder psychisch am Ende ihrer Kräfte oder dem Ende ihres Lebens nahe sind. Diesen ihren geringsten Brüdern müssen ja die Jünger Christi in treuer Liebe nahe sein (vgl. Mt 25,40). 398 REISEN Wir alle wissen, daß das Feld der Nächstenliebe noch weit umfassender ist. Zu ihm gehören verschiedene Arten des Dienstes am Nächsten in der internationalen Solidarität und im Einsatz für den Frieden. Ohne länger bei diesem Punkt zu verweilen, möchte ich nur als Beispiel erwähnen, daß die Entwicklungshilfe für die bedürftigen Völker ebenso ein Teil echter Bezeugung der Nächstenliebe im Sinn des Evangeliums ist wie jedes Eintreten zugunsten der menschlichen Würde und des Friedens. Viele eurer Mitbürger haben sich schon in diesem Sinn eingesetzt, und es ist mir ein Anliegen, dies hier vor euch anzuerkennen. Das bringt mich dazu, auch die schwierige, aber notwendige Form der Bruderliebe zu erwähnen, wie sie in der bürgerlichen Gesellschaft und im wirtschaftlichen und politischen Leben bei verantwortlichen Aufgaben ausgeübt wird. Fordert die dazu befähigten Christen auf, ihre Rolle im sozialen Leben voll wahrzunehmen. Eine gute Kenntnis der Soziallehre der Kirche wird sie nicht nur dazu bringen können, ihre Aufgaben gut und redlich zu erfüllen, sondern sie auch veranlassen, sich nicht dem Dienst am Gemeinwohl zu entziehen. 4. Liebe Brüder im Bischofsamt, nach diesen Gedanken, die von dem beeindruk-kenden Beispiel der Gottes- und Menschenliebe des sei. Damian ausgegangen sind, möchte ich euch Mut zusprechen zur Erfüllung eurer Sendung. Je mehr ihr in fruchtbarem Übereinkommen handelt, umso besser könnt ihr den Schwierigkeiten unserer Zeit begegnen. In einem Land wie dem euren, in dem die Verschiedenheit kein Hindernis für einen wirklichen Zusammenhalt darstellt, kann die Bischofskonferenz einen wertvollen und ermutigenden Halt für jeden von euch bilden. In gleicher Weise werdet ihr die pastorale Dynamik intensiver gestalten, wenn ihr den Austausch mit euren Priestern intensiviert und wenn ihr sie zu brüderlicher Zusammenarbeit ermutigt. Das alles muß von den verschiedenen Formen des Einvernehmens und der Zusammenarbeit zwischen Weltklerus, Ordensklerus, Ordensfrauen und Laien begleitet sein. Vertrauensvoller Austausch und gegenseitiges Anhören sind auf allen Ebenen notwendig. Sie sind Voraussetzungen für die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses, denn sie zeigen konkret die gegenseitige Liebe, an der die Welt uns als Jünger Christi erkennen soll (vgl. Joh 13,35). Die kirchliche Gemeinschaft stellt eine rechtmäßige Verschiedenheit dar. Sie kann aber nur dann ein treues Zeugnis für den Herrn sein, wenn ihre Glieder harmonisch Zusammenwirken und die Einheit in Liebe erhalten bleibt. Andererseits wird das von den Gliedern des Leibes Christi gegebene Glaubenszeugnis nur dann sein volles Maß erreichen, wenn Übereinstimmung über das Wesentliche unserer Botschaft besteht. Wir müssen dahin gelangen, die Offenbarungsbotschaft in ihrer realen Einheit zu erfassen mit allen ihren Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Die Wahrheit ist nicht teilbar. Christus anhangen bedeutet auch, „an seinem Wort festhalten“ unter allen Umständen (vgl. Joh 14,23). Die Morallehre der Kirche, die heute vielfach mißverstanden wird, kann nicht vom Evangelium getrennt werden. Das wollte ich in zweien meiner jüngst erschienenen Dokumente zeigen: im Hinblick auf das, was die Grundlagen 399 REISEN der Moral angeht, in der Enzyklika Veritatis splendor, und hinsichtlich dessen, was den unantastbaren Wert des Lebens betrifft, in der Enzyklika Evangelium vi-tae. An euch ist es nun, diese Lehre aufzunehmen und sie den Gläubigen in einer den einzelnen Gruppen am besten entsprechenden Form vorzulegen, um ihnen zu helfen, daß sie ihre persönlichen Verantwortlichkeiten, die Übereinstimmung zwischen ihren Entscheidungen und den Erfordernissen des Glaubens und ihr treues Festhalten an der Wahrheit, die befreit (vgl. Joh 8,32), besser beurteilen können. Auf diese Weise wird man vor allem dem heute zum Aufbau einer Kultur des Lebens notwendigen „kulturellen Wendepunkt“ näherkommen (vgl. Evangelium vi-tae, Nm. 95-100). Mehr als einer dieser eben in Erinnerung gerufenen Aspekte erscheint in den Richtlinien, die im Apostolischen Schreiben Tertio Millennio ad-veniente dargestellt wurden. In diesem Dokument lade ich die ganze Kirche zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 ein, das Jubiläum der Geburt des Erlösers. Durch euren bischöflichen Dienst werden alle Glieder der Kirche in Belgien aufgerufen, in den nächsten Jahren einen aufsteigenden Weg zu gehen, um mit mehr Klarheit und Hochherzigkeit als aktive Glaubenszeugen, Träger einer sicheren Hoffnung und von glühender Liebe erfüllt, in das neue Jahrtausend einzutreten. Der sei. Damian de Veuster, der hl. Mutien-Marie und alle Heiligen eures Landes mögen für euer Volk Fürsprache einlegen, und die Mutter des Erlösers beschütze es! In Liebe mfe ich auf euch und auf eure Brüder und Schwestern in Belgien den Segen Gottes herab. Überwindung des Egoismus als menschliche Selbstverwirklichung Ansprache bei der Begegnung mit Ordensleuten in der Kathedrale von Brüssel am 4. Juni (Spanisch) Liebe Brüder und Schwestern der Kongregation der Heiligsten Herzen, hebe Brüder und Schwestern der Hawaii-Inseln und Belgiens! 1. „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft“ (Apg 2,42). Die brüderliche Gemeinschaft der ersten Gemeinde in Jerusalem ist das Vorbild der Gemeinschaft in der Kirche, die durch das Werk des Heiligen Geistes zustande kommt. Man sollte sich diese Wahrheit über die Kirche vergegenwärtigen, in der die tiefste Gemeinschaft der ganzen Menschheit in Christus verwirklicht wird; dank dieser Verbindung der Herzen entsteht ein ständiger Austausch von Gaben. Das Leben und der Tod von Pater Damian gehören zu diesem Austausch. Flandern hat einen seiner Söhne den weit entfernten Einwohnern des Pazifik geschenkt; dage- 400 REISEN gen hat der „Apostel der Aussätzigen“ seiner Heimat die Verdienste des Leidens jener fernen Völker zurückgegeben. Das religiöse Leben ist ein ausdruckskräftiges Zeugnis dieser Verbindung, die nicht nur von der Aktivität der Menschen, sondern vor allem vom Werk des Geistes abhängt. 2. Liebe Brüder und Schwestern von der Kongregation der Heiligsten Herzen! Pater Damian ist euch als Beispiel für euer religiöses Leben gegeben worden. Er ist ein Modell für eure endgültige Weihe an Christus, für die es kein Zurück gibt. Er fordert euch auf, Christus auf neue Art nachzufolgen, wie Pater Enrique Lo-sada, Generalsuperior der Kongregation der Patres der Heiligsten Herzen, gerade erwähnt hat, dem ich herzlich für seine warmherzigen Willkommensgrüße danke. Ich grüße ebenfalls Mutter Jeanne Cadiou, Generaloberin der Schwestern der Heiligsten Herzen, sowie alle anwesenden Patres und Schwestern, die aus allen Kontinenten kommen und so die Universalität der Kirche zum Ausdruck bringen. 3. Woher kommen diese Klarheit und Seligkeit in Pater Damian, selbst in oft schwierigen Situationen? Er schöpfte seine Kraft aus der Spiritualität seiner Kongregation: der Kontemplation der Eucharistie, Geheimnis der Liebe, in dem Christus sich wahrhaft demjenigen mitteilt, der ihn aufnimmt, und diesen zur vollkommenen Hingabe verpflichtet. „Ich finde meinen Trost in meinem einzigen Gefährten, der mich nicht verläßt“, pflegte er zu sagen, wenn er von der wirklichen Anwesenheit Christi im Tabernakel sprach. Die eucharistische Gemeinschaft ist das tägliche Brot der Priester und Ordensleute, die Kraft für denjenigen, der Missionar sein möchte. Es ist genau in dieser Herz-zu-Herz-Beziehung zu Christus, in den treuen Begegnungen des Stundengebets und der „lectio divina“ und in der Kontemplation, daß die Tätigkeit von Damian seinen Sinn und seine Vollendung fand. Durch die „lectio divina“ können sowohl die Ordensleute als auch die Gläubigen „das Herz Gottes im Wort Gottes entdecken“ (hl. Gregor der Große, Briefe, V,46). Kraft dieser innigen geistigen Verbindung konnte Damian seinen Eltern nach seiner Priesterweihe schreiben: „Macht euch um mich keine Sorgen, denn wenn man Gott dient, ist man überall glücklich.“ Die Kontemplation entfernt einen nicht von den Menschen und ist keine verlorene Zeit. Der „Apostel der Aussätzigen“ hat sich zum Herzen Christi gewandt wie der Lieblingsjünger und fand darin die Tatkraft, die er für seine fieberhafte Aktivität nötig brauchte. Damian erfuhr die Liebe seines Herrn auch im Sakrament der Buße, das er oft empfangen wollte, denn er pflegte zu sagen: „Armer Sünder, der ich bin.“ Einmal unterschrieb er einen seiner Briefe: „de Veuster, der sündige Aussätzige, der so selten beichtet.“ Wenn man bekennt, daß man ein Sünder ist, bittet man Gott zuallererst, seine Macht und seine Liebe zu offenbaren, die in dem, der reuig ist, Wunder wirken können. Man entdeckt auch, daß die Vergebung das vollkommene Geschenk der Liebe ist, die den Menschen nicht in seinem Fehler einschließt, son- 401 REISEN dem ihn davon befreit, um seinen Weg fortzusetzen mit der Sicherheit im Herzen, daß jeder Mensch mehr wert ist als das, was er getan hat. (Französisch) 4. Flandern hat den Einwohnern des fernen Pazifik einen seiner Söhne geschenkt; der Apostel von Molokai hat dafür seiner Heimat die Verdienste des Leidens jener fernen Völker zurückgegeben; dieses Leiden erhebt die Welt im Geheimnis der göttlichen Liebe. Wie der Apostel Paulus gesagt hat: .Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). Dieser große Austausch an Gaben zwischen den verschiedenen Gemeinschaften der Kirche stellt einen unermeßlichen Nutzen der Aktivität der Missionare und der missionarischen Kongregationen dar. Er entsteht aus dem Geheimnis Gottes, der Dreifaltigkeit der Liebe. Die Tatsache, daß die Kongregation, der Pater Damian angehörte, dem Herzen Jesu und dem Herzen seiner Mutter geweiht ist, ist vielsagend. Zwischen diesen beiden Herzen findet ein Austausch von Gaben statt im Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung. Pater Damian schöpfte seine Inspiration aus diesem Austausch, und er ist ihm bis zuletzt gefolgt. „Wie süß ist es, als ein Kind des Heiligsten Herzens zu sterben“, wird er noch am Tag seines Todes sagen (Ostermontag 1889). Heute wird sein Geschenk in die Hände jener selben Mutter zurückgelegt, der er sich seit dem Beginn seiner Berufung anver-traut und geschenkt hat; dieses Geschenk wird in der Herrlichkeit Gottes vollkommen. Freue dich, himmlische Mutter! Sei freudig, Heimat Pater Damians! Lebe in Freude, Volk der Hawaii-Inseln! In eurem Land hat Pater Damian das Wort Gottes ausgesät, dessen Liebe sich durch das Evangelium und das Leben seiner Jünger offenbart. (Niederländisch) 5. In dem Zeitalter, in dem wir leben, ist es wichtig, den Jugendlichen aller Länder das Ideal des religiösen und missionarischen Lebens vor Augen zu halten; durch die Hingabe ihrer selbst werden die Jugendlichen die Freude entdecken, die darin besteht, sich in den Dienst Christi und der Brüder zu stellen. So wird ihr Leben, das gewöhnlich erscheinen könnte, zu einem außergewöhnlichen Leben, denn es leistet seinen Beitrag zur Ehre Gottes und zur Größe des Menschen. Tatsächlich erinnert ein Ausschnitt aus einem der Briefe Damians, der sein Grab ziert, an seine wirkliche Sendung: „Ich bin der glücklichste Mensch, denn ich kann dem Herrn dienen durch die Vermittlung der armen und kranken Kinder, die von den anderen abgelehnt werden.“ 6. Freut euch, ihr Einwohner von Tremeloo, die ihr der Kirche und der ganzen Welt einen Apostel geschenkt habt, dessen Leben und Werk bis an die Grenzen des Globus bekannt sind! Eure Stadt kann heute besonders stolz sein, da das Le- 402 REISEN ben eines ihrer Kinder verehrt wird. In Tremeloo werden nunmehr alle Einwohner und alle Pilger an das Werk erinnert, das Pater Damian vollbracht hat, dank des Museums, der Renovierung seines Geburtshauses und der Statue, die auf dem zentralen Platz aufgestellt worden ist. Ihr habt viel getan, um Pater Damian bekannt zu machen. Er wird euch große Gaben zuteil werden lassen. Ich wünsche, daß er in euch den Geist der brüderlichen Nächstenliebe und das Streben wiederbelebt, den Ärmsten unserer Gesellschaft zu Hilfe zu kommen. Um im gemeinschaftlichen Leben gut zu bestehen, offenbart uns Damian ein Geheimnis: Unter dem Auge Gottes müssen wir auf unseren Egoismus verzichten, um alles aus Liebe zu den anderen zu tun, im Hinblick auf das Gemeinwohl, und um seinen Brüdern zu vergeben, damit eine Kränkung den Beziehungen keinen endgültigen Abbruch tut. Sagt Dank, Freunde von Pater Damian, die ihr sein Werk fortführt, mit derselben Geduld und derselben Beharrlichkeit! Brüder und Schwestern in Tremeloo und Löwen, Mitglieder der Vereinigung der Freunde von Pater Damian! Damian ist wieder zu euch zurückgekommen, um euch aufzufordem, das Werk der Solidarität weiterzuführen, das er errichtet hat. Damian ist wieder zu euch zurückgekommen wie der ältere Bruder, der sich schon Christus angepaßt hat und euch den Weg der Heiligkeit und das Geheimnis des Glückes ohne Ende zeigt. Folgt seinem Beispiel, und schöpft aus dem Gebet und aus dem brüderlichen Leben die nötige Kraft, um in der Menschlichkeit zu wachsen! Liebe Freunde von Tremeloo und ganz Belgien, Gott hat euch als Hüter seines Volkes eingesetzt, damit ihr diesem Volk die Welt zeigen könnt und damit ihr, in der Nachfolge eures Landmanns, denjenigen die Hand reicht, die in ihrem Herzen oder ihrem Körper leiden, und allen, denen das Leben Wunden zugefügt hat. Auf diese Weise werdet ihr eine brüderlichere Stadt aufbauen, die die zukünftige Welt vorwegnimmt, wo Gott alle Tränen von den Augen abwischen wird und es kein Leiden mehr geben wird (vgl. Offb 21,4). Dies ist unser Glauben, dies ist unsere Hoffnung. (Englisch) Meine Dankbarkeit geht auch an die Menschen, die von den Hawaii-Inseln hierher gekommen sind. Sie bringen uns das Land nahe, wo Damian das Evangelium Christi ausgesät hat; durch ihre Anwesenheit zeigen sie, daß der Glauben keine Grenzen kennt, daß die Kirche universal ist und daß die Solidarität im Namen Christi ein Quell der Gemeinschaft ist. Ich bin den Pilgern aus Hawaii für ihre lange Reise und ihre Pilgerfahrt sehr dankbar, vor allem den Frauen für ihre Aufführung. Und all dies unter strömendem Regen! 403 REISEN (Französisch) 7. „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Ein Geschenk hat seinen Ursprung in der Liebe. Die Liebe, die von Gott kommt, erzeugt im Menschen die Fähigkeit, sich selbst den anderen zu schenken, und erlaubt durch diese Hingabe der eigenen Person die Verwirklichung des eigenen Menschseins; die Liebe läßt das Gute in der Welt wachsen, das seinerseits den Anfang des Aufbaus des Reiches Gottes darstellt. Möge das Vorbild von Pater Damian, der heute zur Ehre der Altäre erhoben worden ist, für die gegenwärtigen und zukünftigen Generationen ein Zeugnis sein! Möge er für alle Jugendlichen eine Einladung dazu sein, ihrerseits zu Aposteln ihrer Brüder zu werden! (Polnisch) Nun möchte ich noch einige Worte auf polnisch hinzufügen, da man sehr gut hören konnte, daß sich in dieser Kirche Polen befinden, die ziemlich laut singen. Deshalb möchte ich euch, und nicht nur euch, bitten, mit der heutigen Seligsprechung von Pater Damian die Gebete für die Seligsprechung eines anderen Dieners Gottes zu verknüpfen, der sich vollkommen den Aussätzigen Madagaskars gewidmet hat. Es ist P. Jan Beyzym. Ich vertraue euren Herzen den Seligsprechungsprozeß von Pater Beyzym an, dessen Postulator in Rom der Jesuit Pater Drazek ist. Denkt daran! (Französisch) 8. Durch die Fürsprache des sei. Damian bete ich heute zum Herrn vor allem für die Ordensmänner und Ordensfrauen der Kongregation der Heiligsten Herzen. Mögen sie die würdigen Erben des Apostels von Molokai sein und unermüdlich das Evangelium dort verkünden, wohin sie gesandt werden! So tragen sie zum Wachstum der kirchlichen Gemeinschaft bei, in der ein ständiger Austausch von Gaben stattfindet. Durch ihr Gebetsleben und ihr brüderliches Zusammenleben und durch ihre Werke sollen sie sich bewußt sein, am Auftrag der Kirche teilzuhaben, der ihren Gründern durch den Hl. Stuhl anvertraut wurde -woran auch die Fenster in der Antonius-Kapelle erinnern: die Liebe Gottes, in Jesus Christus geoffenbart, betrachten, leben und verkünden. Das Geheimnis der Eucharistie und die Liebe zu den Heiligsten Herzen müssen die Pfeiler und die Grundlagen der Spiritualität dieser Kongregation bleiben. Gerne gewähre ich allen Mitgliedern der Kongregation der Patres und Schwestern der Heiligsten Herzen meinen Apostolischen Segen und wünsche ihnen, sich von Christus ergreifen zu lassen, um sich vollkommen für die Sendungen einzusetzen, die ihnen in allen Kontinenten anvertraut worden sind. Ich spende meinen Segen auch den Delegierten aus den Hawaii-Inseln und allen ihren Landsleuten, den Gläubigen von Tremeloo und von Löwen sowie den Einwohnern von Malonne, die den Heiligen Mutien-Marie verehren, und all jenen, die das Werk des „Apos- 404 REISEN tels der Aussätzigen“ fortsetzen im Rahmen der Vereinigung der Freunde von Pater Damian. Zum Schluß möchte ich noch einmal Kardinal Danneels danken, der uns in seiner Kathedrale aufgenommen hat. Wenn ich diese Kathedrale sehe, denke ich, daß sie die Braut ihres Bischofs ist, und ich wünsche dem Kardinal, Erzbischof von Me-cheln-Brüssel, daß diese Braut, die Kathedrale, fruchtbar sei. Dies bedeutet, daß er hier viele neue Priester weihen möge. Das ist mein Wunsch. Ich weiß gut, was es heißt, wenn die Ortskirche, die Kathedrale, als geistige Braut nicht fruchtbar ist und zu keinen Berufungen führt. Ich erneuere deshalb bei dieser heutigen Gelegenheit von ganzem Herzen meinen Wunsch an Kardinal Danneels, und dieser Wunsch gilt auch allen Bischöfen Belgiens und der ganzen Welt. Vielen Dank. Wiederversöhnung ist das Gebot der Stunde Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen Melsbroek am 4. Juni (Niederländisch) Hoheit, sehr geehrter Herr Premierminister, sehr geehrte Vertreter der staatlichen Behörden, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe belgische Freunde! 1. Wenn ich heute abend nach Rom zurückkehre, werde ich die kostbare Erinnerung an die Stunden, die ich bei euch verbringen durfte, im Herzen bewahren. Diese Stunden waren von der großartigen Gestalt eines Sohnes eurer Nation erleuchtet, des sei. Damian de Veusters. Seine demütige Heiligkeit war für seine Zeit leuchtend; sie ist nun auch offiziell von der Kirche verkündet worden als ein besonderes Ergebnis der christlichen Eigenschaften eures Volkes und der Fruchtbarkeit seiner Traditionen. Ich beende meinen kurzen Besuch in Belgien also in Freude und Erkenntlichkeit. Ich möchte auch meine Dankbarkeit gegenüber Seiner Königlichen Hoheit Prinz Philipp aussprechen, der eben mit großem Feingefühl die Gedanken der hier versammelten Persönlichkeiten und ihrer Mitbürger in Worte gekleidet hat. Er möge doch bitte noch einmal Ihren Majestäten, dem König Albert II. und der Königin, meine dankbaren Gefühle für ihren freundlichen Empfang zum Ausdruck bringen. Herr Premierminister, Sie haben den guten Ablauf dieser Tage garantiert, und ich danke Ihnen dafür. Ich bitte Sie, Ihren Mitarbeitern bei den verschiedenen Diensten, die an der Organisation meines Aufenthalts beteiligt waren, meine Botschaft zu überbringen: Sie sollen wissen, daß ich ihren Einsatz sehr geschätzt habe. 405 REISEN Ich möchte auch die Journalisten der gedruckten und audio-visuellen Medien grüßen; sie haben es einer große Zahl eurer Landsleute erlaubt, an den Feierlichkeiten und Begegnungen der letzten Tage teilzunehmen, und sie haben ebenfalls dazu beigetragen, die Botschaft des sei. Damian auch über die Grenzen dieses Landes hinauszutragen. (Französisch) 2. Meine Gedanken verweilen in diesem Augenblick bei vielen eurer Landsleute, die ich nicht treffen konnte, besonders den Kranken oder jenen, die unter schwierigen Umständen leben müssen, die einsam sind oder die sich in Haft befinden; ich möchte an all jene eine herzliche Botschaft richten. Ich bitte Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, keinen von ihnen ohne Hoffnung und ohne brüderliche Unterstützung zu lassen, damit ein jeder seine Würde als Mensch geachtet weiß; dies ist auch die Botschaft von Pater Damian, der eine Vorliebe für die ärmsten unter seinen Brüdern hatte. 3. Ihnen, Kardinal Godfried Danneels, und meinen Brüdern, den Bischöfen Belgiens, sage ich von ganzem Herzen Dank für die sorgfältigen Vorbereitungen der Feiern dieser Tage und dafür, daß sie mich mit solch großzügiger Gastfreundschaft aufgenommen haben. Überbringt meine herzlichen und dankbaren Grüße all jenen, die an eurer Seite gearbeitet haben, um es der Kirche in Belgien zu ermöglichen, zusammen mit dem Bischof von Rom den neuen Seligen würdig zu ehren. Zu dem Zeitpunkt, da ich Belgien verlasse, möchte ich all eure Diözesangemein-schaften der Sympathie des Nachfolgers Petri versichern. Ich ermutige sie, auf ihren verschiedenen Wegen voranzuschreiten und sich dabei der glühenden evangelischen Nächstenliebe von Pater Damian zu erinnern. Ich rufe sie auf, ohne Unterlaß die Gaben zu entwickeln, die sie bekommen haben, und mit großzügiger Tatkraft das wichtige Gedenkfest des Jahres 2000 vorzubereiten: Dann werden wir den zweitausendsten Jahrestag seit Christi Geburt feiern im Bewußtsein des Erbes, das wir empfangen durften. Möge es allen gegeben sein, in größerer Einigkeit zu leben und der Frohen Botschaft immer treuer Gehör zu schenken, als mutige Zeugen der Wahrheit des Menschen, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen worden ist! Möge es den Priestern, den Diakonen, den Ordensmännem und Ordensfrauen gegeben sein, ihre Berufung und ihr Amt als treue Verwalter des Evangeliums zu erleben, zur Freude ihres Herrn (vgl. Mt 25,21)! Seien wir auch unermüdliche „Handwerker“ der Wiederversöhnung in dieser Welt, die immer noch von schmerzhaften Konflikten in verschiedenen Teilen des Planeten heimgesucht wird, obwohl man schon gehofft hatte, endlich ein Zeitalter des Friedens zu erleben! Laßt uns eine aktivere gegenseitige Fürsorge betreiben, zugunsten unserer nahen und fernen Menschenbrüder! 406 REISEN (Deutsch) 4. Liebe Freunde in Belgien, euch allen entbiete ich meine besten Wünsche für Glück und Wohlergehen. Hoheit, Ihnen gegenüber erneuere ich den Ausdruck meiner Dankbarkeit, ebenso allen hier versammelten Persönlichkeiten, für die beeindruckenden Augenblicke, die mit Ihnen zu erleben Sie mir ermöglicht haben. Gott segne Belgien und alle seine Bewohner! 407 REISEN 6. Pastoralbesuch in der Slowakischen Republik (30. Juni bis 3. Juli) Nutzt eure Traditionen zum Aufbau des Staates! Ansprache bei der Ankunft in Preßburg am 30. Juni Herr Präsident der Slowakischen Republik, Herr Ministerpräsident, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, sehr geehrte Vertreter der politischen, zivilen und militärischen Obrigkeiten, Brüder und Schwestern! 1. Mit dem Gefühl großer Freude befinde ich mich heute zum zweiten Mal auf slowakischem Boden. Danke für die freundliche Aufnahme! Mein achtungsvoller Gruß geht vor allem an den Präsidenten der Republik, Michal Koväc, dem ich herzlich für die Einladung zu diesem Besuch danke wie auch für die hebenswürdigen Willkommensworte, mit denen er mich empfangen hat. Mit ihm möchte ich den Premierminister, Herrn Vladimir Meciar, die Regierungs- und Parlamentsmitglieder und die zivilen und militärischen Obrigkeiten, die hier anwesend sind, herzlich begrüßen. Ich lenke sodann besondere Aufmerksamkeit auf Jan Chryzostom Kardinal Korec, eine symbolhafte Gestalt des slowakischen Bekenntnisses in schwierigen Zeiten, an Jozef Kardinal Tomko, der aus diesem Land stammt und mein tüchtiger Mitarbeiter ist. Mein herzlicher Gruß geht an den hiesigen Metropolitan-Erzbischof, Msgr. Jan Sokol, an den Vorsitzenden der Slowakischen Bischofskonferenz, Msgr. Rudolf Balaz, und an ahe verehrten Hirten dieser besonders teuren Kirche, die es verstand, in ihrer jahrhundertealten Geschichte leuchtende Beispiele der Treue zu Christus und zum Evangelium hervorzubringen. Ich richte ein brüderlichem Gedenken an die Mitglieder der verschiedenen christlichen Konfessionen und anderer Religionsgemeinschaften in diesem Land, mit deren Vertretern ich morgen eine besondere Begegnung haben werde. Schließlich grüße ich mit tiefer Zuneigung alle katholischen Gläubigen und das ganze slowakische Volk, wie auch die Angehörigen anderer nationaler Gemeinschaften, besonders der ungarischen, die in der Slowakei leben. 2. Vor fünf Jahren, als ich mich von euch verabschiedet habe, brachte ich den Wunsch zum Ausdruck, euch wiederzusehen. Ja, es war damals seit kurzem jene, mit wirkungsvollem Bild bezeichnete „sanfte Revolution“ zu Ende gegangen. Heute, wo sich der damals ausgesprochene Wunsch erfüllt, hat das Land ein weite- 409 REISEN res Ziel erreicht: Die Slowakei ist unabhänging und selbständig nach dem wichtigen Abkommen, das 1993 die beiden Nationen - die slowakische und die tschechische - zu einer friedlichen Trennung geführt hat. Ihr habt der Welt ein bedeutendes Beispiel geboten, wie Probleme, die in den Beziehungen zwischen Völkern und Nationen entstehen, durch den Dialog und die Achtung der gegenseitigen Rechte gelöst werden können. Die Aufgabe, die sich nun der slowakischen Gesellschaft stellt, ist wichtig und anspruchsvoll: den neuen Staat aufzubauen auf den festen Fundamenten der Wahrheit, der Solidarität und der wahren Demokratie mittels des einträchtigen Beitrags aller seiner Mitglieder. Die Atmosphäre der wiedergefundenen Freiheit kann durch den Dialog und die Zusammenarbeit, die sich auch auf die anderen mittel-und osteuropäischen Nationen aus weiten sollen, gestärkt werden. Ein bezeichnendes Beispiel für diese Bemühungen war das mit Ungarn abgeschlossene Abkommen über die Zusammenarbeit und die friedliche Lösung der Auseinandersetzungen, die möglicherweise in Zukunft entstehen könnten. 3. Liebe Slowaken! Wohl bekannt sind die schmerzlichen Auswirkungen der harten Jahre des totalitären Regimes, die in der Vergangenheit eine wahrhafte Zerstörung sowohl im sozialen und kulturellen wie auch im politischen und religiösen Bereich hervorgerufen haben. Heute komme ich zu euch als Pilger Christi, um euch zu ermutigen, auf dem eingeschlagenen Weg voranzugehen. Die Freiheit und der Frieden sind eine Errungenschaft, die Tag für Tag unter tatkräftiger Mitwirkung aller Bürger geschützt und vertieft werden muß. Ich komme, um den fundamentalen Beitrag zu bezeugen, den die Gläubigen beim Aufbau der Nation anbieten möchten, um ihr eine Zukunft zu sichern, die auf den Werten der Wahrheit und der Solidarität gründet. Ich komme vor allem, um meine Brüder und Schwestern im Glauben zu stärken, und um allen die Botschaft Christi, des einzigen wahren Retters des Menschen, erneut zu verkünden. 4. Die Geschichte der Slowakei legt Zeugnis ab über die Bedeutsamkeit der christlichen Tradition als festes Fundament, auf das sich das Leben und die Entwicklung der gesamten Gesellschaft stützen. Seit seiner ersten Evangelisierung durch das Wirken der hll. Kyrill und Method ist dieses Land zutiefst von der Verkündigung des Evangeliums geprägt. Vielmehr, das reiche bürgerliche und geistliche Erbe des Christentums wurde anerkannt und als Lebensprogramm auch in der Gegenwart von der Konstitution eurer Republik wieder eingebracht. Die Botschaft der heiligen Brüder von Saloniki bleibt ein stets gültiger Bezugspunkt für die Neuevangelisierung, die alle Bereiche des menschlichen Daseins erneuern soll. Unter Berufung auf diese festen christlichen Wurzeln haben zahlreiche mutige Söhne dieses Landes sich den furchtbaren Jahren der Prüfung gestellt und sie überwunden, als das totalitäre Regime jegliche Form von Freiheit unterdrückte, vor allem aber die Religionsfreiheit. Das Wissen um dieses reiche Erbe hat den Glauben und die Hoffnung all derer - Bischöfe, Priester, Ordensleute und gläu- 410 REISEN bige Laien - gestützt, die die ungerechte Gewalt und sogar die Verfolgung ertragen haben, um die gläubige Anhänglichkeit zu Christus und zur Kirche zu erhalten. 5. Bei der Abreise von Vajnory, zum Schluß des Besuches im Jahre 1990, hinterließ ich euch diese Botschaft: „Nebojte sa!“ - „Habt keine Angst!“. ,,Nebojte sa!“ wiederhole ich heute bei meiner Ankunft bei euch. In der Stunde des Aufbaus der freien, unabhängigen und demokratischen Slowakei ist es notwendig, sich der göttlichen Hilfe anzuvertrauen und ohne Vorbehalt der Festigung der bereits erreichten Ziele zu widmen. Es ist unerläßlich darauf hinzuwirken, damit allen die Gelegenheit geboten wird, die notwendigen Mittel für ein ehrliches und arbeitsames Leben zu erlangen; es ist notwendig, jedem die Möglichkeit für eine sichere Arbeit zu garantieren und dabei die Gestaltungsmöglichkeiten der sozialen Solidarität gegenüber den betroffeneren Schichten zu berücksichtigen sowie die grundsätzlichen demokratischen Rechte der gesamten Bevölkerung zu schützen. Es müssen dann die jüngeren Generationen gewarnt werden vor der Verblendung des leichten Erfolgs, dem Verdienst aus unehrlichen Tätigkeiten, Konsumismus und Hedonismus ohne Ideale und Werte. Es sollen weiter die demokratischen Einrichtungen unterstützt und dabei die Teilnahme aller Bürger am öffentlichen Leben der Nation in einer korrekten Gegenüberstellung von Ideen und Vorhaben begünstigt werden, um damit das allgemeine Wohl zu fördern. Die Geschehnisse, die sich im letzten Abschnitt des Jahrhunderts ereignet haben, lehren, daß der Emeuerungsprozeß der Gesellschaft sich als vorübergehender Wind erweisen kann, wenn er nicht auf festen ethischen und kulturellen Wurzeln begründet ist. Auf dieser Linie schlägt sich der Beitrag der Kirche am gesamten Fortschritt der Nation nieder. Die christliche Kultur, die die Schritte eures Volkes auf den Wegen der Geschichte erleuchtet hat, muß auch heute fortdauem und den Weg der Slowaken zum einmütigen Zusammenleben im Bereich der europäischen Nationen stützen. 6. „Nebojte sa!“ Diese Aufforderung kommt auch aus dem leuchtenden Zeugnis der Treue zu Christus bis hin zum Blutvergießen der drei Märtyrer von Kaschau, die ich mit Freuden im Verlauf dieses Pastoralbesuches heiligsprechen werde. Markus von Krizveci, Stefan Pongracz und Melchior Grodecz kamen in die Slowakei, um das Evangelium zu verkünden und um ihre großherzige Hilfe anzubieten. Ihr Opfer hat dieses Land befruchtet, damit es den Samen des Wortes des Evangeliums aufnehmen und daraus Früchte tragen kann. Liebe Brüder und Schwestern, die Begegnung ist am nächsten Sonntag, wenn ich die Freude haben werde, sie in das ruhmreiche Verzeichnis der Heiligen einzuschreiben. Danken wir gemeinsam dem Herrn für das Geschenk, diese Brüder in das Martyro-logium der Kirche, die in der Slowakei lebt, eingereiht zu sehen. 411 REISEN 7. In diesen Tagen werde ich dann Gelegenheit haben, zwei verehrte Marienheilig-tümer zu besuchen: das der Schmerzensjungfrau von Sastin und das der Heimsuchung Mariä in Levoca, zu denen sich jedes Jahr zahlreiche Gläubige aus allen Teilen der Nation aufmachen. Zusammen mit euch werde ich der seligen Jungfrau Maria danken können für den fortwährenden Schutz der slowakischen Bevölkerung in vielen Jahrhunderten der Geschichte. Es ist Maria, die wir als Schmerzensjungfrau und besondere Patronin der Slowakei anrufen, der ich ab jetzt die Tage meines Aufenthaltes unter euch anvertrauen möchte, damit sie zu Vermittlern der Gnade und des Wohles aller werden mögen. Mit diesem Wunsch erteile ich euch und euren Lieben meinen Apostolischen Segen. Eine erneuerte Kirche im jungen Staat Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus und den Ordensleuten in der Konkathedrale von Preßburg am 30. Juni 1. „Dank sei Gott, der uns stets im Siegeszug Christi mitführt und durch uns den Duft der Erkenntnis Christi an allen Orten verbreitet!“ (2 Kor 2,14). Mit diesen Worten des Apostels Paulus bringe ich meine Dankbarkeit gegenüber dem Herrn zum Ausdruck, weil er es mir gewährte, heute in diesem wunderbaren Dom des hl. Martin, der vor kurzem als Konkathedrale der Erzdiözese von Preß-burg-Tymau anerkannt wurde, zu verweilen. Ich freue mich, bei euch zu sein, liebe Priester, Ordensleute und junge Seminaristen, die ich herzlich grüße. Ich umarme den Erzbischof dieser Erzdiözese, Msgr. Jan Sokol, brüderlich und danke ihm für die herzlichen Worte des Willkommens und der geistlichen Nähe, die er an mich gerichtet hat. Ich danke den verehrten Kardinälen Jan Chryzostom Korec und Jözef Tomko, wie auch den Weihbischöfen des Erzbischofs und den übrigen anwesenden Bischöfen, dem Erzbischof John Bukovsky, Apostolischer Nuntius und Vertreter des Hl. Stuhls bei der Russischen Föderation, dem Erzbischof McCarrick von Newark in den Vereinigten Staaten sowie dem Botschafter der Slowakischen Republik beim Hl. Stuhl. Wie könnte man nicht in dieser eindrucksvollen geistlichen Umgebung das Gedenken wachrufen an die Jesuiten Markus von Krizveci, Diözesanpriester und Kanoniker, Stefan Pongräcz und Melchior Grodecz, die ich die Ehre haben werde, im Verlauf dieses Pastoralbesuches heiligzusprechen. Dank sei Gott, der es seinem Volk nie an führenden Persönlichkeiten und heiligen Hirten fehlen läßt. Der gute Geist der Heiligkeit dieser eurer Beschützer breitet sich aus in der ganzen kirchlichen Gemeinschaft und durch sie in der ganzen Welt. 2. Liebe Brüder und Schwestern, es sind nicht wenige unter euch, die mit heldenhafter Treue die Anhänglichkeit an Christus während der vierzig Jahre kommu- 412 REISEN nistischer Diktatur durchgehalten haben. Der Papst bringt euch heute im Namen der Kirche seine Wertschätzung zum Ausdruck. Ihr habt in euch den Leidensweg Jesu fortgesetzt; mit Ihm habt ihr es angenommen, Leiden zu erdulden; mit Ihm ist es euch gelungen, den Ungerechtigkeiten und Gewalttaten zu widerstehen; mit Ihm könnt ihr euch nunmehr freuen über die siegreich überstandene Prüfung. Dessen war ich mir wohl bewußt, während ich Bischof auf der gegenüberliegenden Seite der Tatra-Berge war. Ich weiß gut um die Situation dort und hier. Ich hoffe, daß sie Früchte tragen möge. Die anwesenden Seminaristen sind diese Früchte. Für dieses wunderbare Beispiel an Treue sei Gott gedankt! Man kann gut sagen, daß euer Leiden, in Verbindung mit dem Kreuz gelebt, nicht umsonst war, sondern reiche Früchte der Heiligkeit und zahlreicher himmlischer Gnaden getragen hat und noch tragen wird. 3. Liebe Priester, wenn ihr bis vor einigen Jahren an der Ausübung des normalen Pastoralen Dienstes gehindert wurdet, wenn euch Bücher und Studienhilfen zur Vertiefung des Gotteswortes und des kirchlichen Lehramtes entzogen wurden, so könnt ihr heute endlich eure priesterliche Berufung in der so sehr ersehnten Freiheit leben. Niemand kann dieses Glück mehr schätzen als ihr: Dies soll euch an-spomen, eure geistliche und kulturelle Bildung weiter auszubauen und zu verbessern, um einerseits die verlorene Zeit aufgrund der harten Erfahrung der Diktatur aufzuholen und anderseits den täglichen Erfordernissen eures Dienstes vollkommen zu entsprechen. Die Augen fest auf Christus gerichtet, vertieft das Bewußtsein eurer Identität: Ihr seid für die Kirche und in der Kirche die sakramentale Vertretung des einzigen und ewigen Priesters. Von Jesus, dem Haupt und Hirten, verkündet ihr glaubwürdig das Wort, wiederholt die Riten der Vergebung und Darbringung, wirkt mit liebenswürdigem Eifer, durch Selbsthingabe für den Dienst am Volk Gottes. Priester Christi auf ewig! Stets kostbar für die Kirche und für die Welt: heute in Freiheit, wie gestern gezwungenermaßen im Verborgenen. Die Kirche, die sich anschickt, den Anbruch des dritten christlichen Jahrtausends zu feiern, verspürt die Dringlichkeit einer Neuevangelisierung als Aufgabe der gesamten kirchlichen Gemeinschaft. In dieser weitreichenden und anspruchsvollen Sendung ist euer Beitrag selbstverständlich vorrangig und unersetzbar. 4. Um Überbringer der frohen Botschaft des Evangeliums mit der Barmherzigkeit des Guten Hirten zu sein, werdet ihr es nicht versäumen, euch mit Eifer dem geistlichen Leben zu widmen unter Anwendung „allgemeiner und besonderer Mittel, neuer und alter, zu denen der Heilige Geist im Volk Gottes unaufhörlich Anstoß gab und welche die Kirche zur Heiligung ihrer Glieder empfiehlt, ja bisweilen sogar befiehlt“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 18). Diese sind: die verantwortungsvolle Erfüllung des Dienstes, die Verwirklichung der Tugenden Keuschheit, Armut und Gehorsam, die angemessene Feier der heiligen Messe, das pünktliche Stundengebet, der Rosenkranz, die Meditation, der regelmäßige Empfang des 413 REISEN Bußsakraments. Dies sind unverzichtbare religiöse Grundsätze, will man die Heiligung des Lebens erlangen, wie sie von der Teilhabe am Priestertum Christi erwartet wird. Von großem und wirksamem Nutzen sind auch die geistlichen Exerzitien, die ich euch empfehle, regelmäßig jedes Jahr einzuplanen. Ich fordere euch nicht nur auf, selbst davon die bevorzugten Begünstigten zu sein, sondern ich ermutige euch, zu überzeugten Aposteln dieser Erholungsphasen der Reflexion und des Gebets zu werden, die nicht nur für die geweihten Personen sondern auch für die gläubigen Laien von Nutzen sind. Der hier anwesende Herr Krcmery weiß dies sehr gut. 5. In Anbetracht dessen erinnert das II. Vatikanische Konzil daran, daß alle Gläubigen mit Recht von den Lippen der Priester das Wort des lebendigen Gottes verlangen (vgl. ebd., Nr. 4). Dieses Wort - gelesen, gebetet und täglich meditiert im Licht der Werke der Väter und der Dokumente des Lehramtes - gründet in der echten Quelle, aus der ich euch auffordere, die reiche und gesunde Lehre zu schöpfen, die wie „eine geistliche Arznei für das Volk Gottes ist“ (Pont. Rom., De Ordinatione Presbyterorum). Versäumt es besonders nicht, die Soziallehre der Kirche zu vertiefen, um dadurch fähig zu sein, den Gläubigen die Prinzipien und die Werte zu vermitteln, an denen sie sich im Dienst am Gemeinwohl des Landes bei der Erfüllung ihrer Aufgabe inspirieren. Liebe Mitbrüder im Priesteramt! Versteht es, eine ausgewogene Verbindung von Dienst, Gebet und Studium zu erwirken. Seid zutiefst davon überzeugt, daß den pastoralen Bemühungen aus dem Gebet Früchte erwachsen, und daß die Zeit, die ihr dem Studium und der kulturellen und pastoralen Erneuerung widmet, euer geistliches Leben bereichert und für die Ausübung eures Dienstes charakteristisch ist. 6. Ein besonderes Wort gilt nun euch, ihr Ordensmänner und Ordensfrauen! Eure Präsenz in der Kirche ist ein unverzichtbares Geschenk. Mit dem Bekenntnis der evangelischen Räte begründet ihr für alle einen mächtigen Anspruch an die zeitbedingt wandelbaren Wirklichkeiten und die unvergängüchen Werte des Gottesreiches. Welche Glaubenszeugnisse für Gott und die Liebe konntet ihr für die Brüder in der Verborgenheit der dunklen Jahre des Totalitarismus ablegen! Glaube an Gott und Liebe zu den Brüdern, die zu Vergebung und Gebet wurden gegenüber den für die Verfolgung Verantwortlichen, die darauf gerichtet war, euch zu vernichten; sie wurden durch beharrliche Geduld bereit, den jungen Generationen das Geschenk des geweihten Lebens nicht zu entziehen; sie wurden zum prophetischen Zeugnis im Dunkel der Prüfung, am Anfang besserer Zeiten. Wer hätte erwartet, daß der Papst heute in dieser Kirche anwesend sein würde. In diesen schwierigen Jahren war der Herr mit euch. Seine Liebe stützte euch und euer Herz erweiternd lehrte sie euch, das Kreuz zu umarmen und auf dem schma- 414 REISEN len Weg voranzugehen, der zum wahren Leben führt. Euer Zeugnis war groß und die Kirche ist euch dankbar dafür! Mein Gedenken gilt auch den heben Klausurschwestem! Ihre lautlose Anwesenheit unter dem Volk Gottes ist ein Geschenk, das immer mehr angenommen und aufgewertet werden muß. Deshalb ermutige ich euch, liebe Schwestern, durch die betende Ausdruckskraft eures Daseins, dem Herrn die Bedürfnisse, die Ängste und die Hoffnungen der Menschheit unserer Zeit vorzutragen und für sie vor allem das höchste Gut der rettenden Begegnung mit dem Erlöser zu erflehen. Gerade diese stetige Fürbitte für die Brüder wird euch dabei helfen, auf dem Weg der Askese leicht und mühelos voranzugehen, um so im Verborgenen und in der Stille des Klosters Dienerinnen des Herrn im Dienst an der Kirche zu sein. 7. Liebe Brüder und Schwestern, alle zusammen, in der Verschiedenheit der Charismen und der Dienste, die vom Heiligen Geist ausgehen, blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Gestützt von der Gnade des Herrn, beharrt freudig und unbeschwert auf dem Auftrag der persönlichen Heiligung und der apostolischen Hingabe. Die pastorale Barmherzigkeit von euch Priestern, die freudige Brüderlichkeit von euch, Ordensmännem und -frauen und das inständige Gebet von euch Klausur-schwestem mögen Stütze und Antrieb sein für alle diejenigen aus der jungen Generation, die der Herr beruft, sich seinem Dienst vollkommen zu weihen. Die Kirche in der Slowakei erwartet viel von euch, hebe Seminaristen, Novizen und Novizinnen. Gebt eine großherzige Antwort auf die Einladung des Herrn, ihm zu folgen. Bereitet euch vor, mutige Zeugen seines Evangeliums zu sein, bereit, sich Schwierigkeiten und Widerständen entgegenzusetzen, um Ihm treu zu bleiben, der euch auserwählt hat, lebendige Überbringer seiner barmherzigen Liebe zu sein. 8. Für alle erflehe ich den himmlischen Schutz Mariens, der heiligsten Jungfrau und Mutter Gottes, die euch begleiten und euren täglichen Dienst reich an Früchten machen möge, besonders, wenn ihr die Leidenden und Einsamen tröstet. Mögen euch die heiligen Patrone der Slowakei beistehen. Mögen euch auch meine Gebete, deren ich euch versichere, eine Ermutigung sein mit meinem besonderen Apostolischen Segen, den ich gern den hier Anwesenden und allen Lieben im Herrn erteile. Gelobt sei Jesus Christus. Nur die Wahrheit wird euch frei machen! Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen in Neutra/Nitra am 30. Juni Ein Gruß gilt dem Herrn Präsidenten des Slowakischen Parlamentes Gasparovic, dem Herrn Ministerpräsidenten Meciar und den verehrten Gästen. Ich begrüße alle jungen Freunde. 415 REISEN Gelobt sei Jesus Christus! 1. Liebe Jugend! In dem soeben vorgetragenen Evangelienabschnitt war die Rede von einigen Griechen, die Jesus sehen wollten. Griechen waren auch die beiden Heiligen von Thessaloniki, die Brüder Kyrill und Method. Dank ihrer Hingabe im Apostolat hat der Geist den guten Samen des Evangeliums in eurem Lande auf fruchtbaren Boden fallen lassen. Hier haben eure Vorfahren ihren Willen kundgetan, Christus kennenzulemen. Dieser Wunsch wurde durch die Boten des Fürsten Ratislav in Konstantinopel geäußert. Und in diese Furche haben dann die heiligen Brüder gesät. Sie widmeten ihr Leben dem Einpflanzen und Wachsen des Gottesreiches. Ihr, liebe Jungen und Mädchen, seid eine neue Ernte dieses Gottesfeldes, jener Ernte, deren Wurzeln bis zu der Zeit der Evangelisierung durch die beiden Heiligen von Thessaloniki zurückreichen. Um ihr Werk würdig fortzusetzen, nehmt die Herausforderung an, euch großzügig dem Werk der Neuevangelisierung zu weihen und eine Brücke zwischen dem zweiten und dem dritten christlichen Jahrtausend zu bilden. Neutra zeugt vom ersten Jahrtausend: wurde doch hier in der Nähe die erste christliche Kirche ganz Zentral-Osteuropas errichtet. Hier wurde seit dem Jahre 828 der Weizen in der Eucharistie zum Leibe Christi, der in sich alle jene vereint, die ihn mit Glauben empfangen. Deshalb wollte ich Neutra besuchen: Noch zu Lebzeiten Methods wurde hier die erste Diözese errichtet, und die Kathedrale, die das Bild der Stadt beherrscht, ist einer der ältesten Bischofssitze der slawischen Welt. In dieser Region wurde Gorazd geboren, „ein Landsmann von euch, wohl unterrichtet ... und rechtgläubig“, ein vertrauenswürdiger Jünger, den Method zu seinem Nachfolger bestimmte. Mit Ergriffenheit sehe ich den Umriß des Zobor. An seinen Abhängen erhob sich um das Jahr Tausend das Kloster des hl. Hippolyt, wo mein Landsmann, der hl. Andreas Svorad und sein Jünger, der hl. Benedikt, die himmlischen Patrone eurer Stadt und Diözese, ihre Bildung empfingen. Diese und viele andere weniger bekannte Helden des Glaubens - ich denke da z. B. an den hl. Bischof Bystrik -sind wie der Samen, der in die fruchtbare Erde Neutras gefallen ist, ein Land von Herolden und unerschütterlichen Aposteln Christi. 2. In diesem gesegneten Land treffe ich heute mit euch, liebe Jungen und Mädchen der slowakischen Diözesen, zusammen, und ich grüße euch ganz herzlich, zusammen mit dem Bischof von Neutra, Jan Chryzostom Kardinal Korec, mit seinem Weihbischof, Frantisek Rabek, und den anderen anwesenden Bischöfen und allen euren Priestern. Ich grüße auch die Jugendlichen aus den benachbarten Ländern Böhmen, Mähren, Österreich, Ungarn und Polen, wie auch die Jugendlichen aus Rom. Ich freue mich, auch die Repräsentanten derer hier zu sehen, die gerade ihren Militärdienst ableisten. Ein besonderer Gruß gilt aber auch jenen, die aus ver- 416 REISEN schiedenen Gründen nicht kommen konnten, im Geiste aber hier mit uns vereint sind. Meine Lieben, wie die Griechen, von denen das heute verkündete Evangelium spricht, wollt auch ihr „Christus sehen“. Christus, der Sohn Gottes und Erlöser des Menschen, antwortet in ganzer Fülle auf die wirklich echten Wünsche des Menschenherzens. Er ist gekommen, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10), Er hat „Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68), Er ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Viele unter euch sind davon überzeugt. Viele haben auch persönlich für die Treue zu Christus bezahlt. Andere konnten vielleicht Christus und die Kirche nicht richtig kennenlemen, weil es ihnen verwehrt wurde, und heute tun sich ihnen so viele Fragen über den Glauben auf. Andere sind unentschlossen, ratlos und gehen das Risiko ein, dem trügerischen Ruf vergänglicher Scheinlehren zu folgen. 3. Wir lesen im Evangelium, daß die Griechen sich an Philippus wandten, einen der Zwölf, um Jesus kennenzulemen. Jesus hat das glaubwürdige Zeugnis über seine Wahrheit den Aposteln anvertraut. Erinnert ihr euch, was geschah, als die Jünger seine Worte hörten? Viele von ihnen zogen sich zurück. Er fragte die Zwölf: „Wollt auch ihr Weggehen?“. Es war damals Petrus, der ihm antwortete: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,67-69), der Messias also. Jesus selbst hob hervor, daß ein solches Glaubensbekenntnis von seiten des Petrus ein Geschenk des himmlischen Vaters sei. Und auf eben diesem Glauben wurde die Kirche gebaut (vgl. Mt 16,16-18). Für diesen Glauben des Petrus betete Jesus, damit er seine Brüder zu stärken vermöge (vgl. Lk 22,32). Deshalb also besucht der Nachfolger des Petrus die über die Erde verbreiteten Kirchen; und heute ist er hier mitten unter euch. Und ihr seid mit einem ähnlichen Wunsch zu mir gekommen, wie ihn die Griechen hatten, die sich an den Apostel Philippus wandten und sagten: „Wir wollen Jesus sehen.“ Ja, meine Lieben, das wahre Wissen über diesen Jesus könnt ihr nur in Gemeinschaft mit den Nachfolgern der Apostel finden, die im selben Glauben mit dem Nachfolger des Petrus verbunden sind. ,Jesus Christus ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Liebe Jugendliche, macht den apostolischen Glauben der Kirche zu eurem Glauben! Bleibt mit euren Hirten vereint, hört auf sie, kommt mit den Priestern zusammen, in den Pfarreien und Schulen! Unter ihrer Führung vertieft ihr die Kenntnis Christi. Hört eifrig das Wort Gottes, betet, empfangt die Sakramente, besonders das Sakrament der Eucharistie und das Bußsakrament. Das sage ich immer den Jugendlichen eines jeden Landes, ganz besonders aber bei den Weltjugendtreffen, und das wiederhole ich heute bei euch, meine slowakischen Freunde! 4. Wenn der Glaube echte persönliche Zugehörigkeit zu Christus ist, nimmt er im Leben Gestalt an. Jesus sagt: „Wenn jemand mich hebt, wird er an meinem Wort 417 REISEN festhalten“ (Joh 14,23). Am Wort des Herrn festhalten heißt, die Sendung verwirklichen, die uns anvertraut ist. In Manila haben wir uns etwas eingehender mit der Wirklichkeit dieses Wortes beschäftigt und sie mit Jugendlichen aus der ganzen Welt meditiert. Uns haben die Worte geleitet, die der auferstandene Herr an die Apostel richtete: „Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch“ {Joh 20,21). Diese Sendung betrifft jeden Christen, jeden von euch! Neutra war der Sitz einer starken Missionsbewegung. Liebe Jugendliche, ihr habt die Aufgabe, den Enthusiasmus von einst wiederzubeleben. Jesus hat Vertrauen in euch. Durch euch will er jedes soziale Umfeld erreichen und es mit der Kraft seiner Wahrheit und Liebe verwandeln. In dieser Mission seid ihr nicht alleine; der Heilige Geist ist mit euch. Der hl. Kyrill hat kurz vor seinem Tode die Gabe des Geistes für die Christen dieses eures Landes mit folgenden Worten erbeten: „Gieße ihren Herzen das Wort deiner Sohnschaft ein!“ Nur wer innerlich durch den Heiligen Geist lebendig gemacht wurde und sich wie ein Kind Gottes verhält, kann Same dieses neuen Lebens sein. Öffnet euch also, liebe Jugendliche, diesem göttlichen Hauch, dieser Teilhabe am Leben, an der Liebe Gottes! Der Heilige Geist ist der Geist Christi, der den mystischen Leib der Kirche lebendig macht. Um vom Geist beseelt zu werden, muß man mit der Kirche vereint bleiben. Es täuscht sich, wer sich im Namen des Geistes der Kirche entgegenstellen wollte. Nur wer die Kirche hebt und für ihre Einheit arbeitet, wird vom göttlichen Geist bewegt und geht auf den Wegen des Evangeliums. 5. Liebe Freunde, werdet euch der unschätzbaren Gabe, die euch von Gott gegeben wurde, bewußt: Sie wurde euch über den langen Weg von Generationen zuteil, der zur Zeit der hll. Kyrill und Method begann. Nehmt sie in verantwortungsbewußter Freiheit an und entwickelt sie mit Eifer. Zieht euch nicht von den radikalen Anforderungen des Evangeliums zurück! Denkt daran, daß der Geist Gottes, der in euch ist, stärker ist als der Geist dieser Welt (vgl. 1 Joh 4,4). Mit seiner Hilfe ist es möglich, die Gebote zu halten und sie in Freude zu halten. Verwechselt nicht Freiheit mit Individualismus! Es gibt keine wahre Freiheit ohne die Liebe zu den Mitmenschen: die Christen leben die Freiheit als einen Dienst, in der Überzeugung, daß davon die Entwicklung der wahren Zivilisation in Europa und auf der ganzen Welt abhängt. Die hll. Kyrill und Method haben dafür, daß sie sich weigerten, den Glauben an gewisse Interessen anzupassen, ihr Leben riskiert. Der Glaube verteidigt immer die wahre Freiheit und verurteilt die Sklaverei, sei sie physischer, sei sie moralischer Art. Die physische Sklaverei ist eher sichtbar als die moralische, aber die moralische ist deshalb nicht weniger gefährlich. Es gibt in der Tat eine Sklaverei, die von anderen aufoktroyiert wird, aber es existiert auch jene Sklaverei, in die sich der Mensch selbst begibt. Slowakische Jugend, haltet die Augen immer weit auf! Laßt euch nicht von der Ideologie einer falschen Freiheit irritieren, die im Namen eines scheinbaren Wohlstandes Gleichgültigkeit und Relativismus verbreitet und das Wertbewußtsein aushöhlt, welches uns auf den Sinn des Lebens aufmerksam macht. Und im sozialen Umfeld darf die Freiheit 418 REISEN nicht mit Nationalismus verwechselt werden. Die Vielfalt der Kulturen ist ein Gut, das es mit großem gegenseitigen Respekt und engagierter Zusammenarbeit zu verwalten gilt. Lehnt jegliche Art von Gewalt und Rassismus ab! Arbeitet für den Frieden, und seid immer zum Dialog und zur Solidarität bereit! 6. Seid bereit, hochherzig dem Ruf Christi zu antworten! Seid vor allem ihr, liebe Jugendliche, bereit, die ihr das Geschenk der Berufung zum Priester oder Ordensleben empfangen habt. Liebe Seminaristen, liebe Novizen und Novizinnen bereitet euch gewissenhaft darauf vor, nach dem Beispiel der hll. Kyrill und Method dem Herrn und euren Brüdern zu dienen. Aber auch ihr, liebe Jugendliche, die ihr zu Ehe und Familie berufen seid, sollt immer bereit sein: Auch dies ist eine großartige Berufung! Lernt von Christus die wahre Liebe, die anspruchsvoll ist, die nicht selbstbezogen egoistisch Genuß sucht, sondern bereit ist, sich selbst zu schenken. Mit dieser inneren Einstellung werdet ihr Familien gründen können, die wahre Heiligtümer der Liebe sind, wo das menschliche Leben aufgenommen, gehegt und gepflegt wird vom ersten Augenblick an bis zu seinem natürlichen Erlöschen. Viele von euch sind dabei, sich auf einen Beruf oder eine Arbeit in der Gesellschaft vorzubereiten, andere haben schon einen Beruf. Wirkt immer mit großem Engagement und Können, seid immer der christlichen Moral treu und bereit, einen Dienst im zivilen und politischen Feld zu tätigen, ohne das Allgemeinwohl aus dem Blickfeld zu verlieren. Wie könnten wir nicht auch an jene Jugendlichen denken, die Schwierigkeiten verschiedener Art zu erdulden haben, wie Arbeitslosigkeit, Krankheiten, Behinderung und Mutlosigkeit? Christus, der das Kreuz auf sich nahm, um uns von der Sünde zu befreien, ist besonders denen nahe, die diese Last tragen, und er stärkt uns in solchen Prüfungen mit seinem Geist. Meine Lieben, Christus hat es uns heute wiederholt: „Wer mir dienen will, der folge mir nach“ (Joh 12,26). Und zu unserer Bestärkung fügte er hinzu: „Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren“ {Joh 12,26). So geschah es mit den hll. Kyrill und Method und vielen anderen Heiligen der slawischen Länder: der Vater hat sie geehrt. Dies wird auch bei den drei Märtyrern von Kaschau (Kosice) der Fall sein, die ich in zwei Tagen, für die ganze Kirche verbindlich, heiligsprechen werde: sie sind Christus gefolgt, und der Vater hat sie vor der ganzen Welt geehrt. Sind wir fähig, das Wort Christi glaubwürdig erscheinen zu lassen? Sind wir fähig, seine Anforderungen auf uns zu nehmen und ihm nachzufolgen, um ihm zu dienen? Wir wissen ja, daß dies nur im Heiligen Geist möglich ist! Ich bete zu Gott für jeden von euch und für alle Jugendlichen, die in diesem Lande am Fuße des Tatragebirges leben: „Herr, gieße ihnen das Wort deiner Sohnschaft ein!“ Von Herzen segne ich euch alle und eure Familien. 419 REISEN Chancen und Risiken im Werden einer neuen Ortskirche Ansprache bei der Begegnung mit den Mitgliedern der Slowakischen Bischofskonferenz in Sastin am 1. Juli Verehrte Brüder im Bischofsamt! 1. Ganz herzlich grüße ich euch in Freude über meine erste Begegnung mit der neuen Slowakischen Bischofskonferenz, die nach den Ereignissen errichtet wurde, die eurem Volk die Unabhängigkeit brachten. Diese letztere, ein Ereignis, das die Welt in Staunen versetzte: In der Tat verstanden es die Tschechen und Slowaken, ihre Ziele auf den Wegen des Dialogs des Friedens und der Demokratie zu erreichen und haben damit ein Vorbild für so viele von blutigen Auseinandersetzungen heimgesuchten Völker geschaffen. So wurde in der tausendjährigen Geschichte eures Landes eine neue Phase eingeläutet, in welcher die Slowakische Bischofskonferenz berufen ist, eine äußerst wichtige Rolle zu spielen: auf konkrete Weise die Liebe der Kirche zur Nation zu bezeugen durch eine erneuertes Engagement für die Evangelisierung und die Förderung der wahren menschlichen Werte. Da es der Kirche, woran uns das Zweite Vatikanische Konzil erinnert, „aufgege-ben ist, mit der menschlichen Gesellschaft, in der sie lebt, in ein Gespräch zu kommen, ist es in erster Linie Pflicht der Bischöfe, zu den Menschen zu gehen und das Gespräch mit ihnen zu suchen und zu fördern. Damit immer Wahrheit mit Liebe, Einsicht mit Güte gepaart sind, muß sich dieser Heilsdialog sowohl durch die Klarheit der Rede als auch zugleich durch Demut und Sanftmut auszeichnen, ferner durch gebührende Klugheit, die jedoch mit Vertrauen verbunden sein muß, das ja die Freundschaft fördert und somit darauf hinwirkt, die Geister zu einen“ (Dekret Christus Dominus, Nr. 13). Nach dem Beispiel der hll. Kyrill und Method, der beiden Brüder, die das Volk der Slowaken evangelisiert haben, ist die Slowakische Bischofskonferenz dazu aufgerufen, die Gemeinsamkeit fördernder Mittelpunkt für die ganze christliche Gemeinschaft zu sein. In dieser schwierigen Phase der Anerkennung und des Aufstiegs eures Heimatlandes, das in den christlichen Werten immer eine tragfähige Grundlage seiner eigenen Identität gesehen hat, warten auf die Kirche neue und anspruchsvolle Aufgaben: sie wird deutlich wahrnehmbares und beispielgebendes Vorbild sein müssen für uneigennützigen Dienst, Dialog, Liebe zu den Geringsten und für moralische Spannkraft, um zum Aufbau einer Zukunft beizutragen, die des Menschen würdig ist. 2. Die Öffnung der Grenzen, die neuen Bedingungen der Freiheit und Demokratie, die erweiterte Möglichkeit des Austausches und der Information sind dabei, in eure neue Lage zusammen mit unleugbaren Vorteilen auch neue Schwierigkeiten für die Gläubigen und das geordnete bürgerliche Zusammenleben zu bringen. Es ist also erforderlich, daß ihr so, wie ihr eurem Volk geholfen habt, die Angriffe 420 REISEN des atheistischen Kommunismus abzuwehren, euch nun darum bemüht, ihm geeignete Hilfsmittel anzubieten, um es gegen die Feinde von heute zu stärken: den verschärften Subjektivismus, den praktischen Materialismus, die religiöse Gleichgültigkeit, den Konsumismus, den Säkularismus und Hedonismus. Auch für eure Kirchen „ist die Stunde gekommen, eine Neuevangelisierung zu unternehmen!“ (Christifideles laici, Nr. 34). Diese besteht vor allem darin, Christus, den Erlöser des Menschen und seinen „unergründlichen Reichtum zu verkünden, den keine Kultur, noch irgend eine Zeitepoche ausschöpfen kann, und auf den wir Menschen allezeit zurückgreifen können, um uns zu bereichern“ (Insegnamenti da Giovanni Paolo II., Bd. XV, 2, S. 318). In der Tat gibt „es keine wirkliche Evangelisation, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheißungen, das Reich und das Geheimnis von Jesus von Nazaret, des Sohnes Gottes, verkündet werden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 22). Angesichts der Herausforderungen der Welt von heute ist es aber notwendig, daß ein neues Leuer die Verkündigung der Frohbotschaft erfüllt und festigt. Dieser Enthusiasmus muß zu einem neuen, echt christlichen Lebensstil antreiben und zu einem ständigen Bemühen, die immerwährende Jugendlichkeit der Heilsbotschaft in voller Treue zum Glaubensgut mit geeigneten Methoden und Ausdrucksweisen zu überliefern. So wird das Evangelium für euer Volk Bezugspunkt, wahre Seele seiner Kultur und entscheidender Faktor seiner Zivilisation sein. Konkret bedeutet das, wie ich in dem Apostolischen Schreiben Christifideles laici in Erinnerung rief, daß es notwendig ist, „überall die christliche Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern. Voraussetzung dafür aber ist die Erneuerung der christlichen Substanz der Gemeinden“ (Nr. 34). Die Neuevangelisierung hat also zum Ziel, eben dieses Leben eurer Kirche einzubeziehen, die in den veränderten Situationen zu neuer Treue und erneuerter Liebe zu Christus berufen ist. Wie das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi erinnert, „beginnt die Kirche, die Trägerin der Evangelisierung, damit, sich selbst nach dem Evangelium auszurichten ... Sie muß unablässig selbst vernehmen, was sie glauben muß, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist. Als Volk Gottes, das mitten in dieser Welt lebt und oft durch deren Idole versucht wird, muß die Kirche immer wieder die , Verkündung der Großtaten Gottes’ hören, die sie zum Herrn bekehrt haben, muß von neuem von ihm gerufen und geeint werden. Das will mit einem Wort heißen, daß es die Kirche immer nötig hat, selbst evangelisiert zu werden, wenn sie ihre Lebendigkeit, ihren Schwung und ihre Stärke bewahren will, um das Evangelium zu verkünden, gerufen werden“ (Nr. 15). Eine erneute Ausrichtung zur Heiligkeit, ein neuer Gemeinschaftsstil, eine intensivere Hingabe an das Evangelium, eine transparentere Präsenz im Leben eures Volkes: das ist es also, was die Neuevangelisierung fordert! 3. Es ist ein Werk des ganzen Gottesvolkes; diese erneuerte Verkündigung des Evangeliums hat sein Antriebszentrum in der Ortskirche und in der Pfarrei, welche 421 REISEN der „unmittelbarste und greifbare Ausdruck und die örtliche Realisierung“ dafür ist (Christifideles laici, Nr. 26). Es muß daher jegliche Anstrengung unternommen werden, damit auch in eurem Lande diese altehrwürdige Struktur der Pfarrei zu einer entschiedeneren Erneuerung angeregt werde. Das Wort Gottes, aufgenommen, gefeiert und bezeugt, wird so mit erneuertem missionarischen Enthusiasmus in die Welt der jungen Generationen, die Familien, die Schulen und die ganze Gesellschaft einströmen, alles mit der Kraft und dem Licht des Evangeliums durchwirkend und beseelend. Neben der Pfarrei müssen aber auch die Laienbewegungen und Vereinigungen ermutigt und unterstützt werden, die von der kirchlichen Autorität anerkannt und auch in anderen Teilen der Welt verbreitet sind: Diese Laienorganisationen tragen, indem sie vor allem in den Schichten wirken, zu denen es schwierig ist, durch die gewöhnliche Seelsorge Zutritt zu finden, mit ihrem Charisma, ihrer Lebendigkeit und ihrem Eifer zu einer immer lebensnäheren und konkreteren Verkündigung des Evangeliums bei und ebenso zu einer Erneuerung eben dieser seelsorglichen Tätigkeit der Ortskirche. 4. Verehrte Brüder im Episkopat, für ein gutes Ergebnis der Neuevangelisierung werden zwei seelsorgliche Anstrengungen entscheidend sein, die ja schon in glücklicher Weise in euren Kirchen eingeleitet wurden: die Ausbildung des Klerus und die Vorbereitung der Laien. Nach Jahren der Isolation und der Unmöglichkeit, sich normaler Mittel und Hilfen zu bedienen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, worunter ja so viele Priester zu leiden hatten, ist es nun notwendig, ihrer ständigen Weiterbildung eine absolute Priorität zu geben, nicht nur, um einige Lücken aufzufüllen, sondern vor allem, um sie für die neuen seelsorglichen Aufgaben zu rüsten und so Energien und spirituelle Reichtümer, die sich in den Jahren der Verfolgung angehäuft haben, auf neue missionarische Ziele hin zu orientieren. In erster Linie muß ihnen geholfen werden, die großen Dokumente des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils, des zentralen Ereignisses der christlichen Geschichte unseres Jahrhunderts, kennenzulemen, damit die großen konziliaren Intuitionen in ganzer Fülle als Gnade und unabdingbares Hilfsmittel für die Verkündigung des Evangeliums in der heutigen Gesellschaft aufgenommen werden. 5. Auf das Erreichen dieser Ziele hin werden die normalen Wege geistlicher Weiterbildung orientiert: Exerzitien, spirituelle Einkehrzeiten, Begegnungen zu theologischer und pastoraler Aktualisierung, Konfrontierungen mit anderweitig gemachten Erfahrungen, um eine Spiritualität der Gemeinschaft und einen Stil gemeinsamer pastoraler Verantwortung zu fördern. Nicht weniger wichtig ist dann natürlich auch die Vorbereitung der zukünftigen Priester. Mit großer Freude stelle ich fest, daß die Anzahl der Seminaristen in eurem Land steigend ist: dies bezeugt die Vitalität und jugendliche Frische eurer Kirchen und ist ein vielversprechendes Zeichen der Hoffnung für die Zukunft. 422 REISEN Diese Blüte der Berufungen spornt euch dazu an, die Priesterausbildung und die Struktur der Seminare an die Weisungen anzupassen, die das Konzil und die darauf folgenden kirchlichen Dokumente herausgaben, um die notwendigen pädagogischen Richtlinien mit den Angelpunkten jeder Seminarausbildung in Einklang zu bringen: die rechte Lehre und eine solide Spiritualität und pastorale Qualifikation. 6. Die Neuevangelisierung, ein Werk der gesamten christlichen Gemeinschaft, fordert außerdem auch einen großen Eifer in der Weiterbildung der Laien. Da diese ja von der so vielversprechenden Ära des Laienengagements, welche seit den Zeiten des II. Vatikanischen Konzils in der ganzen Kirche anbrach, ausgeschlossen blieben, warten sie darauf, daß ihnen geholfen wird, die verlorene Zeit aufzuholen. Das Bemühen um sie muß im Mittelpunkt eurer pastoralen Fürsorge stehen. Kraft der Taufe und Firmung vollwertige Mitglieder des Gottesvolkes, müssen sie immer mehr in die prophetische, priesterliche und königliche Mission der ganzen Kirche miteinbezogen werden, um aktiv zu der Inkulturation des Glaubens innerhalb der neuen Perspektiven beizutragen, die sich für euer Land auftun. Ihnen müssen vielfältige Möglichkeiten der Ausbildung geboten werden, die darauf angelegt sind, das volle Wissen um die Forderungen des Evangeliums aufzuarbeiten, dank eines immer lebendiger werdenden Verantwortungsbewußtseins. In der Tat läuft über die Weiterbildung der Laien die gesamte christliche Erneuerung der Familie, der Kultur, der Schule, der Arbeitswelt, der Poütik und der ganzen Gesellschaft. Die christliche Laienbildung hat ihre Angelpunkte im Gebetsleben, in der geistlichen Leitung und vor allem in der organischen und systematischen Katechese, die jeden Lebensabschnitt, von Beginn der für jede weitere Entwicklung grundlegenden Schulzeit an begleiten muß. In diesem Sinne wird der Katechismus der Katholischen Kirche von großer Hilfe sein, der „ein sicherer und authentischer Bezugstext für die Unterweisung der katholischen Lehre ist, und in ganz besonderer Weise für die Erarbeitung der örtlichen Katechismen“ (Apostol. Konst. Fidei depositum, Nr. 4). Besondere Aufmerksamkeit muß der Erwachsenenkatechese Vorbehalten sein, die ein zentrales Problem der Seelsorge unserer Zeit und gleichsam „die Hauptform der Katechese überhaupt ist, insofern sie an Personen gerichtet ist, die größte Verantwortung tragen und die Fähigkeit besitzen, die in ihrer ganzen Fülle entwickelte christliche Botschaft zu leben“ (Catechesi tradendae, Nr. 43). Dazu ist es notwendig, daß die christliche Gemeinschaft geeignete Orte der Katechese anzubieten weiß und es versteht, durch eine systematische Verkündigung des Wortes die traditionellen Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit zu erneuern. Es darf nicht vergessen werden, daß der erste und wichtigste Ort der Katechese die Familie ist und bleibt, der folglich ein privilegierter Rang in der Seelsorge eingeräumt werden muß! 423 REISEN 7. Das Sprechen über die Laienbildung wäre lückenhaft, würde ich nicht mit Nachdruck betonen, wie wichtig es ist, einen gebildeten christlichen Laienstand zu fördern, der von erleuchtetem Glauben genährt, den Schatz der Tradition, in dem gleichsam die Seele der Nation eingeschlossen ist, tief in sich aufgenommen hat und der imstande ist, sich den Erfordernissen unserer Zeit zu öffnen und sie in einer neuen Synthese mit den universalen Werten aufzunehmen, die das Fundament für einen echten Humanismus bilden. Das ist die Aufgabe der wahren Kultur: aus eben diesem Grunde kann man sagen, daß die Kultur die Nation schafft: die Zukunft eines Volkes wird vorbereitet im Schmelztiegel der kulturellen Debatte, die die jeweils besten Menschen untereinander führen. Es ist daher von erstrangiger Wichtigkeit, passende Strukturen zu schaffen, um eine Brücke zwischen dem Reichtum der menschlichen und christlichen Tradition und den Perspektiven zu schaffen, die durch die Errungenschaften der Gegenwart eröffnet wurden; und auch, was die Gegenwart selbst angeht, zwischen der antiken, klassischen Kultur und der neuen, wissenschaftlichen Kultur, zwischen den Beiträgen der modernen Kultur und der immerwährenden Botschaft des Evangeliums: es ist dies eine Herausforderung, angesichts derer die Kirche nicht gleichgültig bleiben kann. Im Zusammenhang mit der Qualifikation des Laienstandes schließlich, darf Schulung zum sozialpolitischen Engagement nicht unberücksichtigt bleiben, und zwar mittels der Verbreitung und des Studiums der kirchlichen Soziallehre in angebrachten Formen. Dies betrifft ja wirklich die katholischen Laien, sie sollen in geeigneter Weise dazu ausgebildet sein, sich der Sendung anzunehmen, die Botschaft des Evangeliums in jedes Umfeld der Gesellschaft hineinzutragen, auch in das politische. Die Bischöfe ihrerseits sind dazu berufen, in das Gewissen der Menschen und Gläubigen guten Willens Klarheit zu bringen, indem sie die ethischen Prinzipien hervorheben, die die Basis einer wahren Demokratie bedeuten, einer Demokratie, die die Würde des Menschen und seine humane und christliche Berufung respektiert. Es ist weiterhin Aufgabe der Bischöfe, sich dafür zu verwenden, daß im sozialen Leben die Suche nach dem Allgemeinwohl, nach Eintracht und Versöhnung vorherrsche. 8. In eurer Republik leben außer den Slowaken noch Katholiken anderer nationaler Zugehörigkeit: Tschechen, Sinti und Roma sowie besonders viele Ungarn. Mir ist eure Mühe bekannt, mit der ihr versucht, Bedingungen zu einer angemessenen Pastoralen Hilfe für diese Gläubigen zu sichern, so daß jeder von ihnen den Herrn in seiner eigenen Sprache loben kann. In euren Seminaren lernen auch die slowakischen Priesteramtskandidaten die ungarische Sprache, um seelsorglich für solche Gemeinschaften zu sorgen. Einige Bischöfe kennen ja sehr gut die ungarische Kultur und Sprache. Sicherlich werden solche Bemühungen fortgesetzt, damit das gegenseitige Verständnis wachse. Die Verschiedenheit der Sprachen und Kulturen darf niemals ein Grund für Zwietracht sein, sondern vielmehr eine Gelegenheit für gegenseitige Bereicherung. In dem Einsatz, mit dem sich die Kirche den berechtigten Erwartungen der Gemein- 424 REISEN schäften dieser Minderheiten öffnet, wird die Dimension ihrer Katholizität noch viel deutlicher sichtbar. Natürlich kann sich die Kirche nicht für Forderungen irgend einer Art von Nationalismus hergeben oder sich zu dessen Instrument machen lassen, aber aufgrund ihrer zweitausendjährigen Erfahrung fühlt sie sich verpflichtet, die Rechte und Pflichten sowohl der Gemeinschaft zu respektieren, die die Mehrheit darstellt, als auch jene der Minderheiten, die in eurer Nation existieren. 9. Geliebte und verehrte Brüder im Bischofsamt! Die Ankunft des dritten Jahrtausends ruft die Kirche dazu auf, den Glauben an den einen Herrn mit neuer Kraft zu bekennen und vor der Welt von heute ein deutlicheres und sichtbareres Zeugnis der Liebe und Einheit abzulegen. Ich freue mich über den Einsatz für die Erneuerung eurer Gemeinschaften, der sein Hauptinstrument in dem zehnjährigen Pastoralplan und seine Kraft in der Vorbereitung auf das große Jubiläum des Jahres 2000 findet, und ich sporne euch dazu an, mit großem Mut dieses begonnene Werk weiterzuführen. Das Zeugnis und Beispiel eurer hll. Patrone Kyrill und Method, das leuchtende Beispiel der Märtyrer von Kaschau, die ich die Freude habe, morgen heiligzusprechen, mögen euch Ansporn sein, den Grund für all eure Vorhaben und Taten immer mehr in die Liebe Christi und in die vollkommene und selbstlose Hingabe an die Sache des Evangeliums zu legen. Der Schmerzensmutter und Patronin der Slowakei vertraue ich euch alle an, euch, eure Verpflichtungen und eure Vorhaben, und ich möchte diese meine Wünsche mit der Zusicherung des ständigen Gedenkens beim Herrn und mit dem besonderen Apostolischen Segen begleiten. Marienheiligtümer sind Stätten der Umkehr Predigt in der Basilika beim Besuch des Marienwallfahrtsortes Sastin am 1. Juli 1. „Du bist die gütige Mutter - die mitleidvolle Patronin, bitte deinen göttlichen Sohn immer für unsere Nation“ (JKS 394). Mit diesen Worten grüßen die Pilger, die aus der ganzen Slowakei hierher nach Sastin kommen, die Muttergottes. Patronin der Nation. In ähnlicher Weise grüßen sie die polnischen Pilger in Tschenstochau: „Du bist groß, die Glorie unserer Nation!“ Liebe Brüder und Schwestern, Sastin ist das Nationalheiligtum der Slowakei. Heute betritt der Papst als Pilger diese Basilika zu Beginn seines apostolischen Besuches. Dieses heilige Haus erinnert an alle Generationen von Pilgern, die aus allen Teilen eures Landes hierher gekommen sind. Es birgt die Erinnerung an all das, was deren Leben ausmacht: Freude, aber auch Traurigkeit und Leid, die in eurer, wie in der Geschichte eines jeden Menschen und jeder Nation auf Erden, nicht gefehlt 425 REISEN haben. Es ist gut, daß der Mensch jemanden hat, mit dem er Freud und Leid teilen kann. Es ist gut, daß es in eurer großen slowakischen Familie eine Mutter gibt, auf die ihr bauen und der ihr Schmerz und Hoffnung an vertrauen könnt. Ihr verehrt sie hier als die Schmerzhafte, die Mutter der Sieben Schmerzen, als die Mutter, deren Herz unter dem Kreuz von den sieben Schwertern des Schmerzes durchbohrt wurde, wie dies die Tradition hervorhebt. Es ist wohl eine Fügung, daß gerade dies das Marienheiligtum eures Volkes ist, ein Heiligtum, zu dem die ganze Slowakei pilgernd hinaufzieht. Eure Landsleute haben hier für ihre nicht einfache Existenz Halt gesucht, besonders in Zeiten, die vorwiegend von Leid gezeichnet waren. 2. Die heutige Liturgie gestattet es uns, das Heiligtum von Sastin mit dem Abendmahlssaal in Jerusalem in Verbindung zu bringen. Der Abendmahlssaal war der Ort, an dem Jesus die Eucharistie eingesetzt hat. Es war auch der Ort, an dem nach Christi Himmelfahrt die Jünger zusammen mit Maria, der Mutter Christi, im Gebet verharrten. So will uns also auch die heutige Liturgie sagen, daß hier, an diesem Ort, Maria mit uns betet. Es sind nicht nur wir, die wir ihr unsere Gebete, unsere Anhegen, unsere Akte der Dankbarkeit und Wiedergutmachung darbringen, sondern es ist vor allem sie selbst, die hier mit uns zusammen betet, wie sie zusammen mit den Aposteln gebetet hat, als sie auf das Pfingstereignis warteten. Und dieses betende Warten wurde mit der Herabkunft des Heiligen Geistes gekrönt, der sich auf die im Abendmahlssaal versammelten Jünger niederließ und ihre Herzen verwandelte. Kraft dieser Verwandlung wurden aus ängstlichen Männern mutige Zeugen, die bereit waren die Aufgabe auf sich zu nehmen, die ihnen von Christus anvertraut wurde. Noch am selben Tage begannen sie von Jerusalem aus ihre apostolische Mission. Was bedeutet das für uns, die wir hier versammelt sind, für euch, die ihr aus den verschiedensten Teilen der Slowakei hier in Sastin zusammengekommen seid? Nun, Maria nimmt uns hier in dieselbe Gebets Versammlung auf, wie sie die Apostel mit ihr damals im Abendmahlssaal von Jerusalem bildeten, und in dieser Versammlung betet sie mit uns um die „Metanoia“ unserer Herzen. In der Tat sind ja die Marienheiligtümer Orte der geistlichen Umwandlung, Orte der Umkehr. Die Erfahrung zeigt, daß dies Orte sind, an denen die Menschen häufiger zum Sakrament der Versöhnung zurückkehren, um im Haus der Mutter ein neues Leben zu beginnen, um im Geiste erneuert wieder heimzukehren. Als Hirte der ganzen Kirche möchte ich heute auf besondere Weise der Schmerzhaften Mutter von Sastin danken für die Umwandlung der Herzen der Menschen. Gleichzeitig aber möchte ich im Wissen um die neuen Zeiten und die neuen geistlichen Nöte der Bevölkerung dieses Landes die Heilige Jungfrau in diesem Heiligtum bitten, daß sie nicht aufhören möge, uns ihren mütterlichen Beistand für die Bekehrung der Herzen zu leisten. Ich bitte sie, über das geistliche Leben der ganzen Slowakei zu wachen. Ganz besonders aber vertraue ich ihr die jungen Generationen, all die Leidtragenden und all jene an, die auf der Suche sind. Ich vertraue 426 REISEN ihr eure ganze Nation an, die erst vor kurzem die Schwelle jener Unabhängigkeit überschritten hat, die ihr seit so langer Zeit ersehnt habt. Als unabhängige Nation könnt ihr nun mit noch größerer Freude an der Schwelle des Marienheiligtums von Sastin singen: ,,Du bist die gütige Mutter - die mitleidvolle Patronin, bitte deinen göttlichen Sohn immer für unsere Nation“ (JKS 394). 3. An vielen Orten der Erde und an vielen Tagen des Jahres wird der Abschnitt des Johannesevangeliums vorgetragen, der Maria unter dem Kreuz zeigt. Diese Orte sind vor allem die Marienheiligtümer, in denen sich immer wieder von neuem dieses Evangelium verwirklicht. Als Jesus am Kreuze seine Mutter und neben ihr den Jünger stehen sah, sagte er zu seiner Mutter: „Frau, dies ist dein Sohn.“ Dann sagte er zu dem Jünger: „Siehe, deine Mutter.“ Und von dieser Stunde an nahm sie der Jünger zu sich (vgl. Joh 19,25-27). Christus hat uns gelehrt, uns an Gott zu wenden, wie er selbst es tat, indem er ihn „Vater“ nannte. Auf diese Weise wenden wir uns an den Unsichtbaren, der im Himmel ist und gleichzeitig die ganze Schöpfung umschließt: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.“ Dieses Gebet hat uns Christus gelehrt, der eingeborene Sohn des himmlischen Vaters und wahrer Gott. Und er hat darin all das Wichtigste zusammengefaßt, was der Mensch vor dem himmlischen Vater aussprechen kann und muß. In ähnlicher Weise hat uns der gleiche Christus als wahrer Mensch gelehrt, uns an seine irdische Mutter mit den Worten zu wenden, die ihre endgültige Bestätigung im Augenblick des Kreuzestodes fanden: „Mutter, siehe dein Sohn.“ Maria empfängt diese Worte durch die Stimme und aus dem Herzen des gekreuzigten Jesus. Sie beziehen sich unmittelbar auf den Apostel, der zusammen mit Maria unter dem Kreuz steht, nämlich auf den Evangelisten Johannes. Zu ihm sagt Christus: „Siehe, deine Mutter.“ Diese Worte haben aber auch eine umfangreichere Tragweite. In seiner Todesstunde offenbart Christus, Sohn Gottes und Mariens, die Wahrheit über die universale Mutterschaft seiner Mutter im Hinblick auf uns Menschen. Der unter dem Kreuz stehende Apostel Johannes repräsentiert einen jeden von uns. Und wir können in den Worten, die Christus an Johannes richtete, dieselbe Wahrheit über die Mutterschaft Mariens wiederfinden, wie sie an ihn überliefert wurde. Seither können wir also sagen: ,Meine Mutter“ und „unsere Mutter“. ,Meine Mutter“ als Einzelperson, „unsere Mutter“, als Gemeinschaft. Ganze Nationen können sie Mutter nennen, wie ihr es tut und ihr „euer ganzes Tagwerk anvertraut“. 4. Die Bestätigung hierfür sind die Schlußworte des heutigen Evangeliums. „Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich“ (Joh 19,27). Sie sollte mit ihm gemeinsam leben, wie eine Mutter mit ihrem Sohn. Diese Besonderheit, die im Johannesevangelium vermerkt ist, spielt auch für euch eine wichtige Rolle, die ihr Maria ,Mutter“ nennt. Sie möchte, daß ihr sie in eure Häuser aufnehmt, in jedes slowakische Haus, in euer ganzes nationales Leben. Was repräsentiert denn ei- 427 REISEN gentlich dieses Heiligtum von Sastin, wenn nicht die Tatsache, daß Maria, Mutter der Slowaken, in diesem einzigartigen Haus wohnt, in dem sich alle Söhne und Töchter eurer Nation wie im Haus der Mutter fühlen? Hier möchte Maria, die Mutter Christi, für euch Mutter sein; sie möchte, daß ihr besonders bei ihr aufrichtig und schlicht seid. Hier ist ihre Bleibe und dank der Tatsache, daß hier in eurem slowakischen Lande sich das Haus der Gottesmutter befindet, ist niemand von euch ohne ein Zuhause. Jeder kann hierherkommen und sich hier wie im Haus der Mutter fühlen. Beim Besuch des Heiligtums von Sastin will der Papst auf besondere Weise der Gottesmutter für dieses Haus der Familie danken, in dem alle Bürger der Slowakei, alle Gläubigen, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit sich zu Hause fühlen und sich der Liebe einer Mutter anvertrauen können, die sie immer erwartet, um ihnen Gehör zu schenken, sie zu verstehen und ihnen Halt zu geben. Maria Mutter Christi und der Kirche, unsere Mutter, bitte für uns! Maria - Patronin der Slowakei Ansprache beim Rosenkranzgebet in Bratislava/Preßburg am 1. Juli 1. „Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.“ Das ist das Marienlob, das auch wir heute Abend - den Gruß der Elisabet fortführend - wiederholen, indem wir den Rosenkranz beten. Erheben wir unseren Lobgesang zur Heiligen Jungfrau, in Gedanken bei den vielen Marienheiligtümem dieses Landes verweilend, und schauen wir vor allem auf das Bild der Schmerzensmutter, der großen Patronin der Slowakei. Die Frucht des Leibes Mariens ist das fleischgewordene Wort, Christus, der uns erlöst hat, indem er das Kreuz auf sich nahm (vgl. Hebr 12,2). In ihm wollte der Vater alle und alles mit sich versöhnen. Maria trägt den Erlöser der Welt in ihrem Schoß. Sie bietet ihn dar als „Zeichen des Widerspruchs“ und Versöhnungsopfer für die ganze Menschheit. Unter dem Kreuz nimmt Maria, lebendige Ikone der Kirche, erneut den Leib Christi in ihre Arme. Auch die Kirche zeigt der Welt Christus, den Erlöser, und ist immer aufmerksame Zeugin dessen, der von den Menschen so große Feindseligkeit ertragen hat. 2. Als erste und herrliche Frucht der Erlösung geht uns Maria im Glauben voran und verkündet allen die Geheimnisse der Hoffnung und der Herrlichkeit. Sie hat, vom göttlichen Geist beschattet das fleischgewordene Wort empfangen und zur Welt gebracht, und sie begegnet uns wieder im Mittelpunkt der Gemeinschaft der Apostel im Augenblick des Pfingstereignisses als Mutter der Kirche. Mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen, ist sie der Welt zum Vorbild einer erneuerten Menschheit geworden. 428 REISEN Mit ihr schauen auch wir zum Himmel auf, in den unsere Menschheit bereits zusammen mit Christus eingegangen ist, der auf gefahren ist und zur Rechten des Vaters sitzt, um uns einen Platz neben sich in der Herrlichkeit zu bereiten (vgl. Joh 14,2-3). 3. Heute Abend rufen wir den Schutz Mariens auf uns herab, damit sie, die Mutter des Erlösers, für uns um die Gabe des Friedens Christi bitte: einen dauerhaften und tragfähigen Frieden, Quelle des Fortschritts für die ganze Gesellschaft der Slowakei. Jeder möge die Freude finden, in Freundschaft, mit Vertrauen und Engagement inmitten der Brüder der eigenen Nation und des eigenen Landes leben zu können. Maria, Königin des Friedens, gib, daß es der gesamten Gemeinschaft der Völker und Nationen Europas gelingt, einander zu verstehen, zu achten, und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, um so gemeinsam an einer Zukunft der Solidarität und des Fortschrittes zu bauen. Möge Maria, die Mutter des gekreuzigten Erlösers den Frieden für die leidenden Völker erlangen, die Opfer von Intoleranz und Unterdrückung sind. Möge auch für sie bald die Morgenröte des Frieden und des neuen Lebens aufgehen. 4. Heilige Jungfrau, wir verkünden, gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Führe uns zum Verständnis seines Wortes, das wohl viel fordert, aber wahr ist und die wahre Freude des Herzens wieder erwecken kann. Schmerzensmutter, laß uns die Gesinnung Christi, deines Sohnes, teilen. Hilf uns, ihm auf dem steilen Weg hinauf nach Kalvaria zu folgen, damit wir im Kreuz das Geheimnis eines neuen Lebens entdecken, das nicht mehr dem Tod unterworfen ist. Du glorreiche Jungfrau, belebe in schwierigen Augenblicken in uns die Hoffnung auf die seligmachende Begegnung mit Gott, wenn „wir ihm ähnlich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1 Joh 3,2). Heilige sind Wegweiser der Heils geschickte Predigt bei der Heiligsprechung der Märtyrer von Kosice/Kaschau am 2. Juli 1. „Te Deum laudamus, Te Dominum confitemur. Te aetemum Patrem omnis terra veneratur ...“.[Großer Gott, wir loben dich; Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich ...] Zusammen mit euch allen, liebe Brüder und Schwestern, möchte ich dieses „Te Deum“ auf slowakischem Boden, hier in Kaschau anstimmen. Denn mit dieser Stadt und mit dieser Kirche ist in der Tat seit mehreren Jahrhunderten der Kult der Märtyrer von Kaschau verbunden. Kehren wir also nochmal zum Hymnus „Te Deum laudamus“ zurück, in dem wir ausrufen: „Te gloriosus apostolorum chorus. Te prophetarum laudabilis numerus, Te martyrum candidatus laudat exercitus“. [Der Apostel heilger Chor, der Propheten hehre Menge, der Blutzeugen lichte Menge.] 429 REISEN Wir sind es gewohnt, mit dem liturgischen Gedächtnis der Märtyrer die Farbe Rot zu verbinden. Wenn der ambrosianische Lobgesang aber von der „weißen Schar der Märtyrer“ - d. h. candidus - spricht, hat das seine Grundlage im Buch der Offenbarung, in dem der Apostel Johannes schreibt, daß die Märtyrer „ihre Gewänder gewaschen haben und im Blute des Lammes weiß gemacht haben“ (vgl. Offb 7,14). Es handelt sich hierbei um eine einzigartige Reflexion des Mysteriums der Erlösung, an dem die Kirche durch all die Heiligen teilnimmt, die den Namen Gottes preisen. 2. Heute möchte ich gerne, während ich die Freude habe, hier im slowakischen Kaschau der Liturgie der Heiligsprechung seiner Märtyrer vorzustehen, an alle Heiligen erinnern, die euer geliebtes Land im Laufe seiner zwölf Jahrhunderte langen christlichen Geschichte kennengelemt hat. Die ersten dieser großen Schar sind die beiden Slawenapostel, Kyrill und Method, die ihre Mission der Evangelisierung vor allem in Großmähren ausführten und so den Grundstein für das Christentum in der Slowakei und in Böhmen legten. Das bezeugt in hervorragender Weise die sehr alte Gründung des Bischofssitzes von Neutra (Nitra), mit der das Gedächtnis des hl. Bischofs Bystrik verbunden ist. Hier hatten die Brüder aus Saloniki zahlreiche Jünger. Einer von ihnen war der hl. Gorazd, ein Sohn des slowakischen Landes. Das Ende des zehnten Jahrhunderts ist erleuchtet durch das Eremitenleben der beiden hll. Andreas und Benedikt, die auch in der Region Südpolens und zwar besonders in der heutigen Diözese Tamow wirkten und sich schließlich in der Skalka bei Trencln, im Vähtal niederließen. Ihre Reliquien ruhen in Neutra. Es muß auch noch an die beiden hll. Adalbert und Johannes Nepumuk erinnert werden, die zwar direkt mit Böhmen im Zusammenhang stehen, in der Slowakei aber wohl bekannt sind. Dasselbe gilt für die hl. Zdislava und den hl. Johann Sar-kander, die ich ja vor kurzem die Freude hatte, im mährischen Olmütz heiligzusprechen. Natürlich haltet ihr ja auch die Heiligen des benachbarten Ungarn in Ehren und zwar besonders den hl. Stephan und die hl. Elisabeth von Ungarn. 3. In dem weiten Zusammenhang, der sich uns bezüglich der Gemeinschaft der Heiligen auftut, wollen wir heute innehalten, um auf besondere Weise über die drei Heiligen von Kaschau nachzudenken, die während der schmerzhaften Ereignisse in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts zusammen mit vielen anderen Opfern der mörderischen Gewalt ihr Leben für die Sache Christi und des Evangeliums hingegeben haben. Wir begegnen in diesem Zusammenhang vor allem dem Kanoniker von Esztergom (Strigonia), Markus von Krizveci, einem gebürtigen Kroaten, der in das Land der Slowaken kam, um einer Kirche seinen eigenen großzügigen Seelsorgedienst anzubieten, die aufgrund der reduzierten Anzahl an Priestern in Schwierigkeiten geraten war. Nach dem Vorbild des Guten Hirten verließ Markus von Krizveci seine Herde im Moment der Gefahr nicht, wie es wohl ein Söldner getan hätte (vgl. 430 REISEN Joh 10,11-15), sondern er blieb im Dienste des Gottesvolkes, indem er ein leuchtendes Beispiel der Treue zu Christus und zur eigenen Sendung gab. Heute wacht er weiterhin vom Himmel aus über euch, und lädt jeden von euch zum mutigen Zeugnis des Evangeliums und zum großzügigen kirchlichen Dienst ein. 4. Nicht weniger Heldenhaftigkeit wußte Jesuitenpater Stefan Pongräcz zu beweisen. Er war ungarischer Herkunft und besiegelte sein Dasein, das ganz dem Dienst Gottes und der Brüder gewidmet war, mit der Hingabe des Lebens. Aus dem benachbarten Transsilvanien stammend, Heß Stefan die Aussicht auf eine glänzende weltliche Karriere hinter sich und kam in das Gebiet der Ostslowakei, um das Evangelium zu verkünden. Hier in Kaschau war es, wo er mit Mut die schwierige Aufgabe des Apostolates übernahm, die ihm anvertraut war und wo der Herr seine bereitwillige Verfügbarkeit und seinen Opfergeist mit dem glorreichen Siegeszweig des Martyriums auszeichnen wollte. Heute schreiben wir ihn in das Marty-rologium der slowakischen Kirche ein. Jesuit war ebenso Melchior Grodziecki, polnischer Staatsangehörigkeit, jedoch schlesischer Herkunft. Er kam hierher, nachdem er jahrelang den priesterlichen Dienst in Prag als Jugenderzieher ausgeübt hatte. Durch den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges war er gezwungen, zusammen mit den anderen Jesuiten die Stadt zu verlassen und durchquerte so Mähren und die Slowakei. Schließlich ließ er sich in Kaschau nieder. Hier durfte er seine ganze Hingabe an Christus und den Dienst für die Brüder mit Märtyrerblut besiegeln. Heute erinnern wir uns in dankbarer Verehrung an diese drei mutigen Zeugen des Evangeliums, die sowohl den Versuchungen als auch der Folter widerstanden, als der Augenblick der Prüfung gekommen war, und schauten dem Tod ins Angesicht, um ja nicht den Glauben und die Treue zu Christus und der Kirche leugnen zu müssen. Dieses höchste Zeugnis der drei Märtyrer erscheint heute vor uns als leuchtendes Beispiel für die innige Verbundenheit mit dem Evangelium auf, zu dem wir in Momenten schwieriger und riskanter Entscheidung aufzuschauen haben, die auch heute nicht fehlen. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Die heutige Liturgie lädt uns dazu ein, über die tragischen Ereignisse zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts nachzudenken, indem wir einerseits die Absurdität der Gewalt, die sich gegen unschuldige Opfer entfesselte, hervorheben und andererseits das leuchtende Beispiel so vieler Jünger Christi aufzeigen, die Leiden jeglicher Art zu begegnen wußten, um nur nicht das eigene Gewissen zu verleugnen. Neben den drei Märtyrern von Kaschau gibt es ja in der Tat noch so viele andere, auch Angehörige anderer christlicher Konfessionen, die der Folter anheim gestellt wurden und schwerwiegende Verurteilungen ertragen: einige wurden sogar getötet. Wie könnten wir zum Beispiel an dieser Stelle nicht der geistlichen Größe der 24 Gläubigen gedenken, die protestantischen Bekenntnissen angehörten und in Presov ermordet wurden? Ihnen und all jenen, die Leid und Tod auf sich nahmen, um ihren eigenen Gewissensüberzeugungen 431 REISEN treu zu bleiben, läßt die Kirche Lob zuteil werden und drückt ihnen ihre Bewunderung aus. In diesem Geist der weiten kirchlichen Gemeinschaft möchte ich euch alle grüßen, liebe Brüder und Schwestern. Einen besonderen Gruß aber möchte ich an die Kar-dinäle Jan Chryzostom Korec und Jozef Tomko und an den Hirten dieser Diözese, Msgr. Alojz Tkäc mit seinem Weihbischof, Msgr. Bemard Bober sowie an alle anwesenden Bischöfe aussprechen. Ganz herzlich grüße ich auch die Priester und Angehörigen männlicher und weiblicher Ordensgemeinschaften, die Mitglieder kirchlicher Verbände und Bewegungen und das ganze Volk Gottes. Mit Hochachtung grüße ich den Präsidenten der Slowakischen Republik, Michal Koväc, und den Ministerpräsidenten, Vladimir Meciar, und danke ihnen von Herzen für die Teilnahme an dieser Festfeier. Meine Ehrerbietung gilt außerdem auch der zivilen Obrigkeit, sowohl der politischen als auch der militärischen und nicht zuletzt den offiziellen Delegationen aus Kroatien, Polen und Ungarn, denen ich für ihre Anwesenheit bei dieser feierlichen Zelebration danke. Ganz besonders fühle ich auch die geistliche Anwesenheit der Kranken, die durch die große und verdiente Familie der Unbefleckten Empfängnis organisiert wurde, sowie die aller Leidenden, die in diesem Augenblick mit uns über Radio und Fernsehen vereint sind. Ich bin allen dankbar für die Unterstützung im Gebet, das zu Gott erhoben wird, zusammen mit der Opfergabe des Leides: Der Dienst des Papstes, der Bischöfe und Priester verdankt dieser geistlichen und wirklich wertvollen Zusammenarbeit sehr viel. 6. Heute scheint es uns, als würden wir aus dem Munde der heiligen Märtyrer die Worte vernehmen, die uns die Liturgie hat hören lassen. Mit dem hl. Paulus sagen sie erneut zu uns: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? ... Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. „Denn ich bin gewiß“ - schreibt der Apostel - „Weder Tod noch Leben,... weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges ... noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem Herrn.“ (Röm 8,35-39) Das Martyrium ist die vollkommenste und radikalste Manifestation einer solchen Liebe nach Jesu Wort: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Mit Freude schreiben wir die drei Märtyrer von Kaschau in das Martyrologium der Kirche ein, dieses glorreiche Buch, welches in einer außergewöhnlichen Gemeinschaft der Heiligkeit uns durch die ganze Geschichte zurück, mit den Zeiten der Apostel verbindet. Der Zahl der Märtyrer des antiken christlichen Okzidentes und des Orientes und Märtyrer der darauffolgenden Jahrhunderte und zwar in besonderer Weise des siebzehnten Jahrhunderts fügt unser Jahrhundert eine neue Schar von leuchtenden Zeugen Christi hinzu, die mit ihrem Tod die Treue zum Bund der Liebe verkünden, den Gott mit der Menschheit geschlossen hat. Auf dieses Martyrologium nahm ich auch Bezug im Apostolischen Schreiben Tertio millennio ad-veniente, indem ich dazu aufrief, es auf den neuesten Stand zu bringen und es, 432 REISEN nach den entsetzlichen Erfahrungen dieses Jahrhunderts, mit den Namen der Märtyrer zu vervollständigen, die uns den Weg in Richtung des neuen Jahrtausends der Christenheit geöffnet haben (vgl. Nr. 37). Das Martyrium vereint uns mit allen, die an Christus glauben und mit denen wir immer noch die volle kirchliche Einheit erwarten, sei es im Osten, sei es im Westen (vgl. Nr. 34). Ich möchte also hiermit meine Freude darüber ausdrücken, daß heute dem Marty-rologium der slowakischen Kirche diese neuen Namen angefügt werden konnten, und ich vertraue darauf, daß dies eine Ermutigung für unsere Schwesterkirchen bedeutet, vor allem für jene Schwesterkirchen Mittel- und Osteuropas. Die drei neuen Heiligen gehörten drei verschiedenen Nationen an, aber sie teilten denselben Glauben und, durch diesen aufgerichtet, wußten sie auch vereint für diesen Glauben in den Tod zu gehen. Möge ihr Beispiel euren Landsleuten der heutigen Zeit das Engagement im gegenseitigen Verständnis neu entfachen und möge es vor allem unter den Slowaken und den Angehörigen der ungarischen Minderheit die Bande der Freundschaft und Zusammenarbeit stärken. Nur auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung der Rechte und Pflichten von Mehrheiten und Minderheiten kann ein pluralistischer und demokratischer Staat leben und gedeihen. 7. „Salvum fac populum Tuum Domine et benedic haereditati tuae.“ [Sieh dein Volk in Gnaden an. Hilf uns, segne, Herr, dein Erbe.] Der ambrosianische Hymnus nimmt, nachdem er die wichtigsten Glaubenswahrheiten verkündet hat, den Ton eines inständigen Bittgebetes an. Gott, der „der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes“ ist (2 Kor 1,3), Christus, der der Erlöser der Welt ist, und der Heilige Geist, der unser Tröster ist, erhören dieses Bittgebet, das wir heute im Herzen der Slowakei emporsenden. „Salvum fac populum Tuum Domine.“ Dieses Volk ist dein Erbe, Christus, durch die ganze Geschichte hindurch reich an glorreichen Ereignissen. Dieses Volk lebt vom Glauben an die Erlösung, die durch dein Kreuz und deine Auferstehung für uns in Erfüllung ging. Dieses geliebte Volk ist auf dem Weg durch sein geliebtes Land, am Fuße des Tatragebirges gelegen, auf das Ziel aller Gläubigen hin: die ewige Heimat. „Rege eos et extolle illos usque in aetemum.“ [Führe es durch diese Zeit, nimm es auf in Ewigkeit.] Dieses Volk will dich jeden Tag preisen, Gott, in deiner unendlichen Majestät: „in singulos dies benedicimus Te et laudamus nomen Tuum in sae-culum et in saeculum saeculi“. [Alle Tage wollen wir dich und deinen Namen preisen und zu allen Zeiten dir Ehre, Lob und Dank erweisen.] Durch meinen Mund erweist dir heute das Land der Slowaken Dank für all die Heiligen, die uns den Weg der Heilsgeschichte in diesem Lande gewiesen haben. Es preist dich für die hll. Markus von Krizevci, Stefan Pongräcz und Melchior Grodziecki. Es singt dir Lob auch für den Bischof Jan Wojtassäk von Spis, für den Bischof Pavol Gojdic von Presov sowie für all die anderen Söhne und Töchter dieses Landes, die den verschiedenen Konfessionen angehören und ihr heldenhaftes 433 REISEN Zeugnis von Christus ablegten und zwar bis zur Hingabe ihres Lebens, welche die höchste Gabe ist. „Benedicamus, Patrem et Filium et Sanctum Spiritum, laudemus et exaltemus eum in saecula.“ Amen! Märtyrer sind als Zeugen Christi Vorbilder Angelus in Kosice/Kaschau am 2. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zum Abschluß der Heiligsprechung der heiligen Märtyrer von Kosice/Kaschau wollen wir an den Herrn unseren Lobpreis richten für die „großen Taten“ (vgl. Lk 1,49), die er an ihnen vollbracht hat, indem er an schwachen und hinfälligen Menschen die siegreiche Kraft seiner Gnade deutlich werden ließ. In ihnen wurde das Wort Christi Wirklichkeit: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid“ (Joh 15,26-27). Die Apostel gaben für Jesus Zeugnis durch das Wort, durch das Beispiel und durch das Blut. Nach ihnen haben zahllose andere Menschen im Laufe der Jahrhunderte dieses Wort Christi in ihrem Leben verwirklicht, während sie in den Opfertod gingen. Zu dieser edlen Schar gehören auch die heiligen Märtyrer von Ka-schau. Durch ihr Beispiel und ihre Fürsprache ermutigen sie auch die Gläubigen der heutigen Generation, nicht zurückzuweichen vor den Schwierigkeiten, welche die konsequente Zustimmung zu den Erfordernissen des Glaubens mit sich bringt. 2. In diesem Augenblick der Freude und kirchlichen Gemeinschaft richte ich einen herzlichen Gruß an euch alle, hebe Brüder und Schwestern der Slowakei, die ihr heute über das Geschenk dieser drei neuen Heiligen jubelt. Mit euch möchte ich auch all jene grüßen, die aus den Nachbamationen, insbesondere aus den Geburtsländern der drei Märtyrer, nach Kaschau gekommen sind, um diesen mutigen Zeugen Christi Ehre zu erweisen. In ungarisch sagte der Papst: Ein herzliches Willkommen richte ich an die Delegation von Ungarn, die mit dem Erziehungsminister Gabor Fodor an der Spitze hierher gekommen ist, sowie an euch alle, liebe ungarische Pilger, die ihr auch an der Heiligsprechung der Priester und Märtyrer von Kaschau, Markus von Krizevci, Stefan Pongräcz und Melchior Grodecz, teilgenommen habt. Durch euch grüße ich aus ganzem Herzen auch alle Ungarn in der Slowakei, während ich sie aufrufe, sich ihren Landsmann Istvän Pongräcz zum Vorbild zu nehmen und Christus das mutige Zeugnis eines Lebens darzubringen, das sich an den Werten des Evangeliums inspiriert. Der Herr stärke 434 REISEN euren Glauben durch die Fürsprache der drei heiligen Märtyrer und begleite euch mit seinem Segen. In kroatisch sagte der Papst: Herzlich grüße ich die Mitglieder der kroatischen Delegation, die mit den Pilgern aus Kroatien zur Heiligsprechung der drei Märtyrer von Kaschau gekommen sind; unter ihnen ist auch euer Landsmann Markus von Krizevci, der das Martyrium erlitt, weil er den katholischen Glauben und die Treue zum Bischof von Rom nicht verleugnen wollte. So ist der hl. Markus ein Symbol der geschichtlichen Wirrnisse eurer Nation und der heroischen Treue des kroatischen Volkes zum Papst und zum Heiligen Stuhl. Das Beispiel des hl. Markus sei euch allen ein Aufruf, in angemessener Weise die katholische Lehre kennenzulemen, Zeugen Jesu Christi und Verkünder seiner Botschaft zu werden und die Bande der Einheit mit dem Apostolische Stuhl weiter zu verstärken. Herzliche Grüße an die Delegation, die aus Rumänien zur Heiligsprechung der heiligen Märtyrer von Kaschau gekommen ist. Ich denke an diese Nation und wünsche ihr alles Gute. In polnisch fuhr der Papst fort: Ich grüße auch sehr herzlich die Pilger, die aus Polen zur heutigen Heiligsprechung der drei Märtyrer von Kaschau gekommen sind, unter ihnen der hl. Melchior Grodziecki, der aus Grodziec stammt, aus einem zwischen Bielsko und Cieszyn gelegenen Dorf. Weiter grüße ich den hier anwesenden Primas Jözef Kardinal Glemp, den Kardinalerzbischof von Krakau, die Erzbischöfe und die Bischöfe sowie Bischof Tadeusz Rakoczy zusammen mit einer Pilgergruppe aus der Diözese Bielsko-Zywiec, aus der der hl. Melchior stammte. Ich grüße auch die Regierungsdelegation der Republik Polen sowie die Päpstliche Theologische Akademie von Krakau. Der hl. Melchior Grodecz, übergab Christus „seine ganze Freiheit, seinen Willen, alles, was er hatte und besaß“. Diese Liebe fürchtete nicht die drohenden Folterungen, weder das Martyrium noch den Tod. Möge das Beispiel dieses heiligen Mär-tyrerpriesters und seiner Gefährten Stefan Pongräcz und Markus von Krizevci alle ermutigen, ein kühnes Zeugnis für Christus und sein Evangelium abzulegen, ohne jedes Zugeständnis an diese Welt. 3. Das Beispiel der heute heiliggesprochenen Märtyrer lädt uns auch zu einer aufrichtigen Verehrung der Gottesmutter ein. Sie zeichneten sich durch eine tiefe Liebe und Verbundenheit zur Muttergottes aus. Sie, die unter dem Kreuz schweigende Zeugin des Heilstodes Jesu war und geistlich an seinen Leiden teilhatte, bitte für uns alle und mache uns zu mutigen Aposteln des Evangeliums und zu Boten der Wahrheit in allen Lebenslagen. 435 REISEN Die Schmerzhafte Jungfrau, die Patronin der Slowakei, stehe jedem bei durch ihren mütterlichen Schutz, wie sie den hll. Markus, Stefan und Melchior im Augenblick der äußersten Prüfung nahe war. Königin der Apostel und der Märtyrer, bitte für uns! Zum Schluß sagte der Papst in italienisch: Herzlich grüße ich die vielen Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe aus verschiedenen Ländern, die an dieser feierlichen Konzelebration teilgenommen haben. Besonders herzlich grüße ich den Generaloberen der Gesellschaft Jesu und alle anwesenden Jesuiten. Einen liebevollen Gruß richte ich auch an die vielen ehemaligen Alumnen des Deutsch-Ungarischen Kollegs. In die Schar der strahlenden Heiligengestalten der vom hl. Ignatius gegründeten Gesellschaft wurden heute zwei neue Märtyrer eingereiht, die in diesem Land und in dieser Stadt Kaschau Zeugnis für Christus abgelegt haben. Begegnung der Konfessionen führt zum Dialog Ansprache an die Katholiken des byzantinischen Ritus in Presov/Preschau am 2. Juli „Slava Isusu Christu!“ (Ehre sei Jesus Christus!) Verehrte Brüder im Bischofsamt, geliebte Gläubige dieser griechisch-katholischen Eparchie, hebe Bürger von Presov! 1. „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,49). Das Magnificat, das wir in dieser schönen byzantinischen Liturgie gehört haben, ist der freudige Lobgesang Marias, der demütigen Magd des Herrn, die das Große, das der Allmächtige an ihr getan hat, betrachtet. Mit den Worten Marias drückt die Kirche dem Herrn ihren Dank für die empfangenen Wohltaten aus; dies tut besonders die griechisch katholische Kirche in der Slowakei, die nach Jahren harter Unterdrückung nun wieder in Freiheit aufatmen kann. Mit denselben Worten der Heiligen Jungfrau, hebe Brüder und Schwestern, vereint sich heute der Nachfolger Petri mit euch. Ganz herzlich grüße ich euer Oberhaupt Bischof Jan Hirka, seinen Weihbischof Msgr. Milan Chautur, die anwesenden Bischöfe. Ich grüße den Herrn Präsidenten, den Herrn Ministerpräsidenten, die Repräsentanten der Stadt und euch alle, die ihr an diesem feierlichen ,Moleben“ teilnehmt. Ich bin hier, um mit euch gemeinsam den Herrn zu loben und mich über die großen Dinge zu freuen, die er an euch und für euch getan hat. Herzlich gern möchte ich meinen Gruß auch der Orthodoxen Kirche und ihren Hirten zukommen lassen. Während in mir noch die Freude über die Begegnung lebendig ist, die ich vor wenigen Tagen, am Fest der hll. Petrus und Paulus, in 436 REISEN Rom mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. hatte, bete ich, daß die auf historische Gründe zurückgehenden Spannungen überwunden werden und man mit gegenseitigem Verständnis auf die volle Einheit zugehen kann. Ich möchte einen Gedanken auch an die hier anwesenden Rutenen richten. Liebe Brüder, ich danke euch für eure Teilnahme. Der Herr möge euren Gemeinschaften und euren Familien Frieden und christliches Wohl zuteil werden lassen. 2. Es kommen einem die an die Epheser gerichteten Worte des hl. Paulus in den Sinn: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,4-6). Bei diesem Besuch in der Slowakei, vor allem in diesem östlichen Teil des Landes, habe ich mir einen direkten Eindruck von den Besonderheiten, die das religiöse Leben und die Traditionen des Gebiets kennzeichnen, verschaffen können. Hier treffen Orient und Okzident aufeinander, hier begegnen sich lateinischer und orientalischer Ritus. Auf fast greifbare Weise können wir hier die Spuren des Erbes und der Botschaft der Slawenapostel und Konpatrone Europas, Kyrill und Method, gewahren. Die heiligen Brüder aus Thessaloniki haben durch ihr Evangelisierungswerk ein Modell kirchlichen Lebens geschaffen, das den kanonischen, liturgischen und theologisch-geistlichen Reichtum der orientalischen Tradition mit dem Prinzip der „una, sancta, catholica et apostolica Ecclesia“ in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, verbindet. 3. Im Laufe der Geschichte hat es Momente gegeben, in denen es allzu schwierig schien, dieses Modell zu erhalten, das die Verschiedenheit der Traditionen mit der Forderung der von Christus für seine Kirche gewollten Einheit in Einklang brachte. Eure Anwesenheit ist jedoch ein beredtes Zeugnis dafür, wie es die Jahrhunderte hindurch trotz Schwierigkeiten möglich ist, dem von Kyrill und Method verwirklichten ursprünglichen Modell treu zu bleiben und dennoch die Gemeinschaft mit der universalen Kirche und dem Sitz von Rom zu bewahren, der nach göttlichem Willen ihr Zentrum ist. Seid stolz auf diese uralte Tradition, und pflegt eure innere Einheit, bewahrt sie vor jeglichem Keim der Zwietracht und Spaltung. Die Einheit des Sinnes, die sich in einstimmigem Vorgehen äußert, ist eure Kraft. Allen ist die dramatische Situation der jüngsten Vergangenheit in Erinnerung, als die Mächte einer der Freiheit und der Würde des Menschen entgegengesetzten Ideologie eure kirchliche Gemeinschaft zum Verschwinden verdammt hatten. Aber Gott „stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,52), damit sie untereinander einig in der Liebe Christi seien. 4. „Selig sind die, die geglaubt haben, daß die Worte des Herrn sich erfüllen“ (vgl. Lk 1,45). Die griechisch-katholische Gemeinschaft ist aus dieser Prüfung erneuert und gestärkt hervorgegangen auch dank des Zeugnisses und des Blutes nicht weni- 437 REISEN ger Märtyrer. Der Glaube einer großen Anzahl von Laien, Ordensmännem und Ordensfrauen, Priestern und Bischöfen ist hierfür ein lebendiges Dokument. Man denke zum Beispiel an die Leiden von Bischof Vasil Hopko und an das Martyrium von Bischof Pavol Gojdic. An der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends ist dies der wertvolle Beitrag, den eure Gemeinschaft zum Schatz der Kirche, und besonders für das Anliegen der Ökumene, beiträgt. Der Weg zur vollen Einheit aller Jünger des Herrn ist eine Aufgabe, die jeden verpflichtet; sie entfaltet sich im Gebet, in der apostolischen Arbeit, im täglichen Zeugnis, in der Bereinigung des historischen Gedächtnisses und vor allem in der Bekehrung des Herzens. Diesbezüglich habe ich in der jüngsten Enzyklika über die Ökumene geschrieben, daß „es einen ruhigen und klaren, der Wahrheit verpflichteten und von der göttlichen Barmherzigkeit belebten Blick (braucht), der imstande ist, den Geist zu befreien und in einem jeden eine neue Bereitschaft zu wecken im Hinblick auf die Verkündigung des Evangeliums an die Menschen jedes Volkes und jeder Nation“ (Ut urium sint, Nr. 2). Der Herr Jesus hat am Abend vor seinem Leiden den Vater gebeten: „Alle sollen eins sein“, damit „die Welt glaubt“ (Joh 17,21), und gleich darauf hinzugefügt: „denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind“ (Joh 17,22). Das ist der Plan Gottes für die Kirche: Sie ist,glicht in sich selbst geschlossen, sondern fortwährend für die missionarische und ökumenische Dynamik offen“, sie ist dazu berufen, „alle und alles in Christus zu vereinen, allen untrennbares Sakrament der Einheit zu sein’“ (Glaubenskongregation, Erklärung Communionis notio, Nr. 4). Auf diesem Weg müssen wir alle gehen, bewegt von der Liebe zur Wahrheit, ohne aber jemals die Erfordernisse der gegenseitigen Liebe zu vernachlässigen. 5. „Ein Leib und ein Geist“ (Eph 4,4). Die Einheit der Kirche Christi wird durch die „koinonia“ der berechtigten Verschiedenheiten verschönert, die es im Lauf der Geschichte der lebenspendenden Botschaft des Evangeliums erlaubten, zu einem spezifischen Erbe und einer eigenen Tradition eines jeden Volkes zu werden. Ihr, Brüder und Schwestern orientalischen Ritus, habt Jahrhunderte hindurch eure Liturgie bewahrt und ein vielgestaltiges geistliches Erbe angesammelt, das für eure Kirche kennzeichnend ist und in Sakralbauten, Ikonen, Liedern und Frömmigkeitsformen Ausdruck findet. Seid Gott dankbar für den Reichtum, der euch zuteil wurde, und bleibt den Gaben, die er euch geschenkt hat, treu! 6. Oft haben slowakische Pilger, die nach Rom kamen, mir diese Einladung zugerufen: „Heiliger Vater, kommen Sie doch auch einmal die Südseite der Tatra besuchen!“ Heute ist dieser - euer und mein - Wunsch in Erfüllung gegangen. Die Tatra, unsere gemeinsame Tatra, die den Polen wie den Slowaken so viel bedeutet, birgt eine Vielzahl kleiner Seen, „plesä“ genannt, in sich. In ihren klaren Wassern spiegelt sich die majestätische Größe der Gipfel wider: Diese in der Vielfalt der Schöpfung einmalige Landschaft erzählt uns von der Schönheit und Güte des Schöpfers. 438 REISEN Vom Südhang der Tatra bis zur Zemplfner Ebene leben seit Jahrhunderten Seite an Seite mit den Brüdern und Schwestern lateinischen Ritus die Gemeinden orientalischen Ritus. Auch sie sind wie die kleinen „Plesä“-Seen gerufen, die transparente und leuchtende Großzügigkeit Gottes zu repräsentieren. Der Herr selbst bereichert seine Kirche mit der Vielfalt der Formen und Traditionen. Wo auch immer Katholiken byzantinischen Ritus sich in einer Umgebung anderen Ritus befinden, ist es deshalb Aufgabe aller, nicht zuzulassen, daß diese „Seen“ kleiner werden oder gar verschwinden. 7. In dem kürzlich herausgegebenen Apostolischen Schreiben Orientale lumen habe ich hervorgehoben, daß im ersten christlichen Jahrtausend „die Herausbildung unterschiedlicher Erfahrungen kirchlichen Lebens ... kein Hindernis dafür (war), daß die Christen durch gegenseitige Beziehungen weiterhin die Gewißheit empfinden konnten, in jeder Kirche zu Hause zu sein, weil von allen in einer wunderbaren Vielfalt von Sprachen und Modulationen das Lob des einen Vaters durch Christus im Heiligen Geist emporstieg; alle haben sich versammelt, um die Eucharistie zu feiern, Herz und Vorbild für die Gemeinschaft nicht nur im Hinblick auf die Spiritualität oder das sittliche Leben, sondern auch ... in der Vielfalt der Ämter und Dienste unter dem Vorsitz des Bischofs, des Nachfolgers der Apostel“ (Nr. 18). Gerade das hatte das Zweite Vatikanische Konzil im Sinn, als es forderte, daß man überall für die Erhaltung und das Wachstum der Teilkirchen orientalischen Ritus sorgen solle (vgl. Dekret Orientalium ecclesiarum, Nr. 4): Die Begegnung unterschiedlicher christlicher Traditionen soll zum wahren Dialog führen, der immer ein gegenseitiger Austausch geistiger Gaben ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 13). Das ist grundlegend für das Wachstum in der Gemeinschaft. 8. Euch Jugendlichen ist dieses Erbe anvertraut, das eure Väter eifrig und mutig zu bewahren wußten. Entdeckt eure Wurzeln neu! Es sind die christlichen Wurzeln, die ganz Europa, dem Osten wie dem Westen, Werte und Kultur gebracht haben. Sie beziehen ihre Kraft aus dem Zeugnis eurer Väter, die hartnäckig Christus die Treue zu bewahren wußten trotz der Schwierigkeiten und der Herausforderungen, die sie im Lauf der Jahrhunderte zu bewältigen hatten. Denen, die aus verschiedenen Gründen den tiefen Sinn dieses Erbes verloren haben, mögt ihr eure Hilfe auf dem Weg der Wiederentdeckung des Glaubens zu bieten verstehen, damit sie den Glauben gut kennenlemen, ihn lieben und sich bemühen können, ihn im Alltagsleben in die Tat umzusetzen. Auch das ist eure Aufgabe, die ihr an der Seite eurer Eltern, der Katecheten und Priester in voller Einheit mit eurem Bischof erfüllen sollt. 9. Liebe Gläubige! Heute richten wir den Hymnus Akathistos zum Himmel, diesen wunderschönen Gesang, den die byzantinische Liturgie zu Ehren Marias, der allezeit jungfräulichen „Theotökos“ - Gottesmutter, verfaßt hat, die der Welt den Erlöser des Menschen geschenkt hat. Von hier aus möchte ich mich in geistiger 439 REISEN Wallfahrt an all jene Orte begeben, wo sich die Gläubigen dieser Eparchie seit Jahrhunderten versammeln, um zu Maria zu beten: Lutina, Klokocov Kräsny Brod und Bukovä Hörka, und in Gedanken in noch vielen anderen der Muttergottes geweihten Kirchen verweilen. In jeder Familie ist die Person, die alle Mitglieder vereint, die Mutter. Sie ist es, die mit ihrer Liebe Kontraste auszugleichen und Verständnislosigkeit zu überwinden weiß. Möge die allezeit jungfräuliche Maria, Mutter des Herrn und Mutter der Kirche, bei ihrem Sohn Fürsprache für uns alle einlegen können. Möge sie insbesondere die Einheit für die Mitglieder eurer Kirche, für alle Christen und für die Menschen guten Willens erlangen, die in diesem schönen Teil der Slowakei leben. In diesem Sinne erteile ich gerne allen den Apostolischen Segen. Wallfahrtsorte - ständige Glaubenszeugnisse Predigt auf dem „Marienhügel“ in Levoca/Leutschau am 3. Juli 1. „Selig ist die, die geglaubt hat“ (Lk 1,45). Das Heiligtum auf dem „Marienhügel“ in Levoca ist dem Geheimnis der „Heimsuchung“ geweiht, dem „zweiten freudenreichen Geheimnis“, das wir heute anhand des Lukasevangeliums betrachten: Maria besuchte nach der Verkündigung ihre Verwandte Elisabet im Haus des Zacharias. Elisabet war zur Mutter Johannes des Täufers auserwählt worden; dieser sollte das Kommen des Messias vorbereiten. Die Begegnung in diesem Haus ist also nicht nur die Begegnung zweier Mütter, sondern in gewissem Sinn auch die Begegnung der beiden Söhne. Elisabet bringt dies deutlich bei der Begrüßung zum Ausdruck: „Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib“ (Lk 1,43-44). Nicht nur Elisabet begrüßt also Maria, auch Johannes in ihr begrüßt Jesus, den Maria seit dem Augenblick der Verkündigung unter ihrem Herzen trägt. „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42). Die Worte Elisabets sind uns wohlbekannt. Wir beten sie viele Male im Engel des Herrn: „Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.“ Man kann sagen, daß diese Worte das ganze Evangelium von der „Heimsuchung“ einschließen, das ein besonderer Inhalt unseres Glaubens ist. Im Geist des Geheimnisses der „Heimsuchung“ komme ich heute nach Levoca Und ihr, die ihr aus der Zips und der ganzen Slowakei hierher gepilgert seid, werft euch im Geist des Evangeliums der „Heimsuchung“ der Jungfrau zu Füßen. 2. Ich erinnere mich gut daran, was dieses Evangelium von der „Heimsuchung“ in der Zeit des mutigen Widerstandes gegen das materialistische marxistische System für mein Vaterland bedeutete. Auf Initiative der polnischen Bischöfe und Anre- 440 REISEN gung von Kardinal Wyszynski verließ damals das berühmte und verehrte Bildnis der „Heiligen Mutter Gottes von Jasna Göra„ Tschenstochau, um sämtliche polnischen Pfarreien und Kommunitäten zu besuchen. Diese Pilgerreise der Heiligen Jungfrau dauerte fast fünfundzwanzig Jahre. Unterwegs gab es verschiedene Versuche, diese „Heimsuchung“ unmöglich zu machen durch die Beschlagnahme des Bildes und dessen „Hausarrest“ in Jasna Göra. So wurde dann der Rahmen des Bildnisses auf die Pilgerreise geschickt; und die Beredsamkeit dieses leeren Rahmens war in gewissem Sinne größer, weil er denen, die ihn sahen, viel mehr sagte. Er unterstrich augenscheinlich das Fehlen der Religionsfreiheit, einer Freiheit, auf die die Nation hingegen ein Amecht hatte. So wurde das Evangelium von der „Heimsuchung“ in mein Gedächtnis und in mein Herz geschrieben, und heute bin ich gekommen, um euch gerade hier in Levoca Zeugnis davon zu geben, damit auch ihr euch an jene Zeiten der Unterdrückung erinnert. Die Älteren erinnern sich bestimmt an die verehrungswürdigen Gestalten von Bischof Jan Vojtassäk und von Bischof Pavol Gojdi~, beide nach Scheinprozessen ins Gefängnis geworfen. Sie verdienen es heute, daß der kirchliche Seligsprechungsprozeß für sie eingeleitet wird, denn sie haben ein Zeugnis treuen Dienstes für die Kirche in der Slowakei abgelegt. 3. „Selig ist die, die geglaubt hat.“ Noch bevor Maria das Ereignis der Verkündigung erzählen kann, kommt ihr Elisabet zuvor und ruft aus: „Selig ist die, die geglaubt hat, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Ja, Elisabet bezieht sich auf die Verkündigung. Maria ist zu ihr gekommen, um der älteren Cousine zu erzählen, was an ihr auf geheimnisvolle Weise in Nazaret geschehen war. Doch Elisabet, erleuchtet vom Heiligen Geist, erkennt in ihr, noch bevor sie spricht, den vollbrachten Glaubensakt und nennt sie „selig“ wegen des von ihr ausgesprochenen „fiat“. In der Verkündigung ist gewissermaßen das ganze Evangelium enthalten. Während Elisabet ihrer Cousine den Gruß entgegenbringt, hat Maria deutlich das Geschehen von Nazaret vor Augen: jenes Ereignis, das den Beginn des neuen Bundes Gottes mit den Menschen darstellt. „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lk 1,28): Jedes Wort des himmlischen Boten trägt die Botschaft des Neubeginns der Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Zugleich sind diese Worte aber nur die Einführung zu dem, was Maria nun aus dem Munde ihrer Cousine vernimmt: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen“ (Lk 1,42). Nach der Schrift will Maria, die Verlobte des „Zimmermanns“ Josef, Jungfrau bleiben, sie ist entschlossen, diese Jungfräulichkeit zusammen mit ihrem Verlobten zu bewahren. Daher ihre Frage an den Engel: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ (Lk 1,34). Der von Gott gesandte Bote erklärt ihr: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Der Engel erklärt Maria, auf welche Weise sie Mutter werden und doch Jungfrau bleiben wird: Es wird durch das Wirken des Heiligen Geistes geschehen. 441 REISEN Dank dieser übernatürlichen, göttlichen Fruchtbarkeit wird der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, Gott von Gott, Licht vom Licht, ewiges Wort des Vaters, in Marias Schoß Menschensohn werden. Einst glaubte Abraham Gott und folgte seinem Ruf; er legte so den Grundstein für das große Erbe des Offenbarungsglaubens. Im Augenblick der Verkündigung glaubt nun Maria den Worten des von Gott gesandten Boten und legt den Grundstein für ein neues Glaubenserbe, in dem das alte enthalten ist und zur Vollendung gebracht wird. 4. Das neue Glaubenserbe, das neue und ewige Erbe des Paschamysteriums, das Erbe Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, zeigt eine neue Tiefe des Glaubens. Als die im Abendmahlssaal versammelten Apostel Christus nach der Auferstehung sehen, erkennen sie ihn und glauben an ihn. Thomas, einer von ihnen, war jedoch nicht anwesend. Er will seinen Brüdern kein Gehör schenken, die ihm versichern, Christus gesehen zu haben. „Wenn ich nicht sehe, glaube ich nicht“ (vgl. Joh 20,25). Nach acht Tagen aber heißt ihn der Auferstandene, der wiederum in ihrer Mitte erscheint, seine Wunden zu berühren. Erst da fällt Thomas auf die Knie und bekennt: „Mein Herr und mein Gott“ {Joh 20,28). Christus antwortet ihm und sagt: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ {Joh 20,29). Aus der Seligpreisung des Glaubens Marias erschließt sich die in den Worten Christi an den Apostel Thomas zum Ausdruck gebrachte Perspektive: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Diese haben nicht gesehen, aber sie haben das Zeugnis derer aufgenommen, die gesehen hatten, d. h. das Zeugnis der Apostel und der Kirche; unablässig nehmen sie es auf. Sie nehmen auch das Zeugnis der Mutter Christi an, die auch heute die großen Taten Gottes erzählt, da sie den Menschen aller Zeiten Christus verkündet. Ein Ort in der Slowakei, an dem Maria dieses Zeugnis ablegt, ist sicherlich dieses Heiligtum in Levoca. Wir sind die Generation des zwanzigsten Jahrhunderts, das sich nunmehr dem Ende zuneigt. Wir müssen anerkennen, daß der Fortbestand des Glaubens in dieser Region auch dem Zeugnis dieses Wallfahrtsortes zu verdanken ist. Von den Männern und Frauen der jetzigen Generation könnten wir noch mehr sagen. Sie haben nicht nur ,glicht gesehen, sondern sie haben geglaubt“; sie sind im Glauben fest geblieben, obwohl alles getan wurde, um sie davon abzubringen. Diese Generation hat im Gedächtnis, wie man mit verschiedenen, oft schändlichen Mitteln versucht hat, die Menschen des Glaubens zu berauben, sie zum Atheismus zu zwingen, sie zu zwingen, sich von der Kirche und der religiösen Praxis zu entfernen. 5. Kann der Mensch die Existenz eines unsichtbaren Gottes als Wahrheit annehmen? Das ist eine stets aktuelle Frage, die in den Zeiten eine besondere Wichtigkeit erlangt, in denen der Atheismus zum Programm des öffentüchen Lebens, der Erziehung und der Kommunikationsmittel gemacht wird. Dann muß der Mensch noch neu und tiefer über die Frage der Existenz Gottes nachdenken. Nochmals 442 REISEN muß er die „via rationalis“ beschreiten, von der im Neuen Testament der Brief des Apostels Paulus an die Römer spricht: „Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit“ (Rom 1,20). Der Mensch kann durch die Betrachtung der sichtbaren Schöpfung dahin gelangen, den unsichtbaren Schöpfer zu erkennen. Das Buch der Weisheit im Alten Testament verkündet dieselbe Wahrheit und tadelt die Menschen, „da sie die Welt in ihrer Vollkommenheit vor Augen hatten, ohne den wahrhaft Seienden erkennen zu können. Beim Anblick der Werke erkannten sie den Meister nicht“ (Weish 13,1). Dem heutigen Menschen geschieht es mitunter, daß die Werke der Schöpfung, und noch mehr die seiner Hände, ihn auf diesem zum Schöpfer emporführenden Weg behindern, anstatt ihm zu helfen, und ihn zu einer Haltung verleiten, die ihn ausschließlich an die Güter der Erde bindet und ihn Gott vergessen läßt. „Wir leben, als ob Gott nicht existierte.“ Das ist eine Gefahr, die besonders den reichen und säkularisierten Gesellschaften droht. Allen Formen des alten oder neuen Atheismus tritt Christus entgegen, der das authentischste Zeugnis von Gott als Vater ablegt: Vom Vater, der die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16). Die Marienheiligtümer sind Orte, an denen das Zeugnis Christi besonders wirksam wird. Sicher verdanken es viele Söhne und Töchter des slowakischen Landes dem Heiligtum in Levoca, daß die Wahrheit über Gott und der Glaube an ihn in ihren Herzen lebendig geblieben ist. 6. Laßt uns daher an diesem Ort zusammen mit der Gottesmutter den wunderbaren Lobeshymnus zum Himmel erheben, den die ganze Kirche täglich singt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter ... Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1,46-50). Wenn alle Geschlechter Maria seligpreisen, so verwandelt sich die auf ihre Person gerichtete Seligpreisung immer in einen Lobgesang an den Schöpfer. Maria ist die schönste Kreatur, die jemals auf Erden erschienen ist. Und wenn alle Kreaturen die Herrlichkeit Gottes verkünden, um wieviel mehr verkündet sie dann diejenige, die die Kirche Königin des Himmels und der Erde nennt! Durch sie, mit ihrem Mund und mit ihrem Herzen verkündet die ganze Schöpfung die Herrlichkeit Gottes. Ihr Lobeshymnus ist das Magnificat, und hier in Levoca, wie auch in Sastin wird dieser Lobeshymnus von der ganzen Slowakei gesungen. Das ist der Ort, an dem wir „Wasser schöpfen voll Freude aus den Quellen des Heils“ (vgl. Jes 12,3). Das ist der Ort, an dem ihr im Geiste wiedergeboren werden könnt. Hier kommt ihr her, um eure Liebe zu Gott und zu den Menschen zu erneuern. An diesem Ort bereitet ihr euch ferner in besonderer Weise darauf vor, in das dritte christliche Jahrtausend einzutreten. 443 REISEN In der Weihnachtsnacht des Jahres 2000 werden überall Freudengesänge erklingen. Ihr werdet Christus, zu Betlehem geboren, begrüßen, wie ihn einst die Hirten und die Weisen aus dem Morgenlande begrüßten: „Sei gegrüßt, oh Jesus, Sohn Mariens“! Die Heilige Jungfrau möge euch diesem historischen Ziel zuführen! Sie möge den Glauben in euren Herzen erneuern, so daß jeder Sohn und jede Tochter dieses Landes in Christus den Erlöser erkennen und in ihm Heil finden möge. Gelobt sei Jesus Christus! Friede sei in euren Mauern — Friede sei in euren Herzen Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Poprad am 3. Juli Herr Präsident der Slowakischen Republik, Herr Präsident des Ministerrates, verehrte Brüder im Bischofs und im Priesteramt, hebe Brüder und Schwestern! 1. Am Ende meiner Pastoraireise in die Slowakei fühle ich mich verpflichtet, an euch alle ein Wort der Anerkennung zu richten für die herzliche Aufnahme, die ihr mir habt zuteil werden lassen, und für die Zeichen des guten Willens, die ich Tag für Tag so intensiv und zahlreich in den Begegnungen mit der zivilen und kirchlichen Obrigkeit und mit zahllosen Gläubigen habe feststellen können. Ich danke vor allem Gott dafür, daß er mir gewährt hat, den Bischöfen, Priestern und Ordensangehörigen, nicht zuletzt aber auch den Gläubigen der katholischen Kirche in bedeutungsvollen Augenblicken des Gebetes und der Reflexion zu begegnen. Ich werde immer an die bewegenden Ausdrücke der Brüderlichkeit und Einheit im Glauben denken, die jede Etappe meiner Pilgerreise mitten unter euch charakterisiert haben. Ein besonderes Wort des Dankes geht an die Verantwortlichen der Behörden: an die Bürgermeister der Städte, die ich besucht habe, an die Befehlseinheiten des Militärs und der Polizei, an die Angestellten des Sanitätsdienstes, an die Mitarbeiter von Fernsehen und Rundfunk und an die Journalisten für ihre anspruchsvolle Arbeit sowie auch an die so vielen freiwilligen Helfer und Helferinnen, die die Strukturen und Dienste bereitgestellt haben, um die Menschen, die zu den verschiedenen in diesen Tagen aufeinander folgenden Veranstaltungen gekommen sind, zu fassen und zu betreuen. 2. Meine Worte der Anerkennung richten sich nun an das ganze slowakische Volk, das ich in dieser Abschiedsstunde in einer einzigen großen Umarmung an mein Herz drücke. Liebe Slowaken, wie könnte man vergessen, daß die Wurzeln eures Glaubens weit zurückreichen, fest gepflanzt durch die Glaubensverkündigung der hll. Missionare 444 REISEN der slawischen Völker, Kyrill und Method? Auf ihr ruhmreiches und beispielhaftes Gedächtnis, auf ihr großherziges und unermüdlichen Vorbild bitte ich euch, stets in Gedanken zurückzukommen. Die beiden Brüder Kyrill und Method legen vor euch und der ganzen Kirche Zeugnis dafür ab, wie man die Völker Christus nahebringt und wie man die gute Nachricht des Heils predigt. Mit ihrem Leben sagen sie euch, wie man auch heute dem Weg der Neuevangelisierung dient und was man tun muß, damit die Liebe, die Christus gepredigt hat, jedes Hindernis und jede Schwierigkeit überwinden kann. Zu keiner Zeit hat es an Opposition und Widerstand gegen den authentischen Weg des Glaubens gefehlt, das Evangelium hat jedoch die Macht in sich, Hindernisse in von der Vorsehung ausersehene Gelegenheiten zu verwandeln, das Heil zu verkünden. 3. Das bezeugen Kyrill und Method, die so tief mit den Ursprüngen der Christengemeinschaft der Slowakei verbunden sind. Ihre Botschaft ist heute noch für den Glaubensweg eures Landes gültig. Das bezeugen auch die drei Märtyrer, die ich die Freude hatte, gestern vormittag in Kaschau (Kosice) im Laufe einer unvergeßlichen liturgischen Feier heiligzusprechen. Das bezeugt aber auch das Beispiel heroischer Treue zu Christus, das von zahllosen Männern und Frauen in den langen Jahren der harten kommunistischen Diktatur gegeben wurde. Unter ihnen sind Angehörige verschiedener christlicher Konfessionen, die der militante Atheismus in dem gleichen Los der Unterdrückung und Vernichtung vereinte. Sie alle zeigen uns die Annahme des Evangeliums als den Weg, auf dem es möglich ist, eine Gesellschaft zu errichten, die sich durch wahre Freiheit, Achtung vor den anderen und Solidarität ohne Schranken auszeichnet. Das ist der Weg des wahren Fortschritts, der aus der Botschaft des Evangeliums Kraft und Bestand gewinnt und sich durch eine immer vollkommenere und sozial weitgefächerte Aneignung der Werte, auf denen sich das Gemeinwohl von allen gründet, verwirklicht. Wie wichtig ist es doch, die wahre Freiheit zu entdecken! Nicht alles, was einzelne Personen oder auch ganze Systeme als Manifestation der Freiheit verkünden, ist auch wirklich Freiheit. Man muß die wahre Freiheit des Menschen zu verteidigen und täglich in der Wahrheit zu errichten wissen. Wißt die Brüderlichkeit und die Eintracht in einer Gesellschaft zu fördern, die Personen verschiedener Kulturen und unterschiedlicher ideologischer Herkunft umfaßt. Wendet eure Aufmerksamkeit eher dem zu, was eint, als dem, was trennt, und wachst in der Suche nach der Wahrheit: Dann werdet ihr mehr Raum für Freundschaft finden; Zusammenarbeit und Dialog werden unter euch entstehen; ihr werdet offener für die Armen sein können; es wird sich in euch der Wunsch nach Gemeinschaft in den geistigen und materiellen Gütern vermehren. Allein die brüderliche Liebe bewirkt, daß der, der besitzt, sich nicht im Egoismus verschließt, und daß der, der arm ist, sich nicht in der eigenen Bedürftigkeit gedemütigt fühlt. 4. Ich kehre nach Rom zurück mit dem Bild eurer Berge vor Augen, das sich mir ins Gedächtnis eingeprägt hat: das Tatragebirge, das dem Herzen der Slowaken 445 REISEN und Polen so teuer ist! Es trennt die beiden durch so viele Ereignisse miteinander verbundenen Völker nicht, sondern stellt einen gemeinsamen Bezugspunkt für sie her. Das Bild „unserer“ Berge sei immer eine Einladung, die Gedanken zum Herrn zu erheben, denn von Gott kommt jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk (vgl. Jak 1,17). Ich verlasse euch mit dem Gruß und dem Wunsch des Friedens: Es ist der Gruß des auferstandenen Christus an seine vielgeliebten Jünger. Friede sei in euren Mauern, d. h. in den Häusern und den zivilen Gemeinschaften der ganzen Slowakei. Friede sei in euren Herzen. Der Friede möge seinen Ausgangspunkt und seine Grundlage in euch finden, in euren Herzen, die entschlossen sind, Christus und seiner Lehre treu zu sein. Mit diesem Besuch konnte ich auch ein Versprechen erfüllen. Vor fünf Jahren hatte ich euch „Auf Wiedersehen“ gesagt, und jetzt bin ich zurückgekommen. Nochmals vertraue ich nun mein Hoffen und Wünschen dem Willen Gottes und den Plänen seiner Vorsehung an. Ich versichere euch, daß ich diese providentiellen Tage in tiefer und herzlicher Erinnerung behalten werde, und segne euch von ganzem Herzen: „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Gott schütze die Slowakei und alle ihre Bürger! Auf Wiedersehen! Gelobt sei Jesus Christus. 446 REISEN 7. Fastoralbesuch in Aosta (16. Juli) Gottesliebe - Nächstenliebe Predigt in Les Combes im Aostatal am 16. Juli „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen ... und deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst“ (Lk 10,27). 1. Mit diesen Worten faßt die Liturgie des heutigen Sonntags das ganze göttliche Gesetz zusammen, das im Glauben aufzunehmen und in ihrem Leben konkret zu erfüllen die Menschen berufen sind. Wie im Evangelium die beiden Hauptgebote, das der Gottesliebe und das der Nächstenliebe, eng miteinander verbunden sind, so müssen sie auch im Leben der Gläubigen eine Einheit bilden. Ja, die Liebe zu Gott zeigt sich praktisch in der Liebe zum Bruder, und die Haltung der Solidarität und des Offenseins für den Nächsten hat ihre tiefste Wurzel in der Gottesliebe. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Ich freue mich, heute hier in Les Combes mit euch zusammen die eucharistische Liturgie zu feiern, die unter den Wundertaten Gottes gleichsam den Höhepunkt bildet. Ich begrüße euch alle herzlich und danke dem Herrn Pfarrer, dem Herrn Bürgermeister und allen Einwohnern und Sommergästen des Ortes für die erlesene Gastfreundschaft, die ich auch in diesem Jahr mit Freude in dieser herrlichen Alpengegend erfahren darf. An einem so schönen und gastfreundlichen Ort kann man besonders eingehend die Herrlichkeiten der Schöpfung bewundern und, durch sie aufsteigend, das Geheimnis der Schönheit des menschgewordenen göttlichen Wortes betrachten, „denn - wie uns soeben der hl. Paulus gesagt hat - in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare“ {Kol 1,16). 3. Die Stille ringsum und der wiederholte Kontakt mit der Natur sind schon in sich eine willkommene Einladung zur Einkehr in uns selbst, um die Stimme des Herzens zu vernehmen im Heiligtum des Gewissens, dort, wo der Herr sein göttliches Gesetz in uns gelegt hat. „Das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen“ (Dtn 30,14), so hat uns die erste Lesung in Erinnerung gerufen. Wenn wir beim Anblick der Schöpfung, der uns von der Höhe dieser großartigen Berge aus geboten wird, den Kontakt mit Gott suchen, dann lädt uns das dazu ein, unseren Blick auch auf die ganze Welt auszuweiten. Bei der heutigen Eucharistiefeier wollen wir nicht die ungeheuren Leiden vergessen, die bedauerlicherweise immer noch so viele unserer Brüder und Schwestern niederdrücken, und wir wollen den Herrn inständig um das Geschenk des Friedens für die ganze 447 REISEN Menschheit bitten. Bekehre, o Herr, unser Herz, unsere Seele, unseren Geist zu dir, und lehre uns unseren Nächsten heben wie uns selbst. Amen. Berufung der Frau zur Hüterin des Lebens Angelus in Les Combes am 16. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Auch heute in diesem schönen Gebirgsort möchte ich das Thema weiterführen, das ich seit einigen Wochen behandle. Man kann nie genug darauf dringen, daß die Frau in allen Lebensbereichen an Einfluß zunehmen muß. Man muß aber auch zugeben, daß unter den ihr eigentümlichen Fähigkeiten und Aufgaben ihre Berufung zur Mutterschaft besonders herausragt. Durch sie erhält die Frau gleichsam eine „Gründer“-Rolle der Gesellschaft. Es ist eine Rolle, die sie mit dem Ehepartner teilt, aber es ist unbestritten, daß die Natur ihr dabei die Hauptrolle zugedacht hat. Darüber schrieb ich in Mulieris dignitatem: „Die Elternschaft gehört zwar zu beiden; sie verwirklicht sich jedoch viel mehr in der Frau, besonders in der vorgeburtlichen Phase. Die Frau muß unmittelbar für dieses gemeinsame Hervorbringen neuen Lebens ,bezahlen’, das buchstäblich ihre leiblichen und seelischen Kräfte aufzehrt. Der Mann muß sich daher voll bewußt sein, daß ihm aus dieser gemeinsamen Elternschaft eine besondere Schuldverpflichtung gegenüber der Frau erwächst“ (Nr. 18). Von der mütterlichen Berufung kommt die einzigartige Beziehung der Frau zum menschlichen Leben. Indem sie sich der Mutterschaft öffnet, fühlt sie in ihrem Schoß das Leben entstehen und wachsen. Vorzugsweise können die Mütter diese unvergleichliche Erfahrung machen, aber alle Frauen haben eine gewisse Ahnung davon, weil sie zu diesem wunderbaren Geschenk prädestiniert sind. 2. Die mütterliche Sendung bildet auch die Grundlage einer besonderen Verantwortung. Die Mutter ist zur Hüterin des Lebens berufen. Ihr obliegt es, es liebevoll anzunehmen, indem sie den anfänglichen Dialog des Menschen mit der Welt fördert, der sich gerade in der Symbiose mit dem Mutterleib verwirklicht. Hier beginnt die Geschichte jedes Menschen. Jeder von uns - wenn er diese Geschichte zurückverfolgt - kann nicht umhin, auf diesen Augenblick zu stoßen, wo er im Mutterleib mit einem ausschließlichen und unverwechselbaren Lebensplan zu existieren begonnen hat. Wir waren „in“ der Mutter, aber ohne uns mit ihr zu vermischen: Wir bedurften ihres Leibes und ihrer Liebe, waren aber in unserer persönlichen Identität vollkommen selbständig. Die Frau ist berufen, dem Kind, das in ihr wächst, ihr Bestes zu geben. Und indem sie sich zum „Geschenk“ macht, gelangt sie zu einer besseren Selbsterkenntnis und Verwirklichung ihres Frauseins. Man könnte sagen, daß die Schutzlosigkeit ihres Kindes ihre besten affektiven und geistlichen Energien weckt. Es ist ein 448 REISEN wahrer Austausch von Gaben! Das Gelingen dieses Austausches ist von unschätzbarem Wert für die gute Entwicklung des Kindes. 3. Maria, die wir heute unter dem Titel Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel an-rufen, hat diese Erfahrung in vollem Maße gemacht, als sie die Aufgabe hatte, den ewigen Sohn Gottes zu gebären. In ihr erreichte die mütterliche Berufung den Höhepunkt ihrer Würde und Möglichkeiten. Die seligste Jungfrau helfe den Frauen, daß sie sich ihrer Sendung immer stärker bewußt werden, und sie gebe der ganzen Gesellschaft den Anstoß, den Müttern jede mögliche Form der Dankbarkeit und tatkräftigen Hilfe zukommen zu lassen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst in französisch: Herzlich grüße ich die Bevölkerung von Introd und des ganzen Aosta-Tales; zugleich grüße ich alle, die hier in diesem Sommer ihre Ferien verbringen. Liebe Freunde, ich danke für den herzlichen Empfang, den ihr mir auch in diesem Jahr bereitet habt! Der Herr schenke euch und euren Familien den Frieden und die Freude in Gott! In italienisch fuhr der Papst fort: Einen herzlichen Gruß richte ich an die Obrigkeiten der Autonomen Region des Aosta-Tales, an den Bürgermeister von Introd, an die Polizeikräfte und an alle, die mithelfen, die Ruhe und Sicherheit des Papstes zu gewährleisten. Allen spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus. Das Aosta-Tal ist immer wieder schön! Jedesmal kommt man gern in eure Berge zurück! Die Wiesen, die Wälder und die Flüsse sind ein unschätzbares Erbe, das der Schöpfer dem Menschen anvertraut hat. Es stellt nicht nur ein materielles Gut dar, sondern ist sozusagen auch ein moralischer und geistlicher Wert, weil die Schönheiten der Schöpfung uns zu Gott erheben, indem sie die innere Sammlung und Dankbarkeit ihm gegenüber fördern, der das alles geplant und geformt hat. Seid immer gute Verwalter dieses Erbes zum Nutzen für euch und eure Kinder und auch für die Feriengäste und Touristen. Die Diözese Aosta hat den Wechsel von zwei Oberhirten erlebt. An sie möchte ich jetzt einen besonderen Gruß richten: Msgr. Ovidio Lari bringe ich meine Wertschätzung für das Zeugnis der Treue und Hirtenliebe zum Ausdruck, das er in so langen Dienstjahren unter dieser Bevölkerung gegeben hat, und ich danke ihm für die große Freundlichkeit, mit der er mich immer aufnahm. Msgr. Giuseppe An-fossi, der vor kurzem unter euch seinen Dienst angetreten hat, wünsche ich einen fruchtbringenden bischöflichen Dienst und bitte den Heiligen Geist, er möge ihn mit der Liebe Christi, des guten Hirten, erfüllen. 449 REISEN Verbrechen gegen die Menschlichkeit Die Nachrichten und die Bilder, die aus Bosnien und insbesondere aus Srebrenica und Zepa kommen, bezeugen, wie tief Europa und die Menschheit in den Abgrund der Niedertracht gesunken sind. Keine Sache, kein Plan können so barbarische Handlungen und Methoden recht-fertigen: Es sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit! Wie sehr wünsche ich, daß mein Wort, meine Liebe und mein Gebet zu den Brüdern und Schwestern gelangen, die auf dem Weg der Vertreibung in das äußerste Elend gestürzt worden sind! Ich bitte alle Menschen guten Willens, diesen gemarterten Völkern unermüdlich weiter zu helfen. Was sich vor den Augen der ganzen Welt abspielt, ist eine Niederlage der Zivilisation. Diese Verbrechen werden eines der traurigsten Kapitel der Geschichte Europas bleiben. Möge Gott die Herzen rühren und die verirrten Geister erhellen! 450 REISEN 8. Pastoralbesuch in Loreto (9./10. September) Baut ein Europa der Hoffnung, des Friedens und der Solidarität! Einleitende Worte zu Beginn des Europäischen Jugendtreffens in Loreto am 9. September Liebe Jugendliche! An euch, die ihr so zahlreich nach Montorso gekommen seid, und an euch alle, die ihr in diesem Augenblick mit uns über Radio und Fernsehen verbunden seid, geht mein herzlicher Gruß. Loreto, das Marienstädtchen, erlangt in diesen Tagen das Wesen einer geistlichen Hauptstadt der europäischen Jugend. Der Wallfahrtsort des Heiligen Hauses, dessen Siebenhundertjahrfeier wir in diesem Jahr begehen, steht heute wie im „Zentrum“ dieses alten und neuen Kontinents, von euch „Eur-Hope“ - „Europa-Hoffnung“ - genannt. Loreto wurde somit zum Wallfahrtsort der Hoffnung. Von diesem Ort aus umarmen wir bei unserem Treffen heute abend den ganzen Kontinent. Deshalb sind wir mit einigen besonders bedeutungsvollen Orten verbunden. Ich grüße euch, Jugendliche in Belfast, Paris, Santiago de Compostela, Jugendliche in Litauen - versammelt auf dem Berg der Kreuze -, Jugendliche in Dresden, der Stadt, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wiederaufgebaut wurde. Mit besonderer Zuneigung umarme ich euch, Jugendliche von Sarajevo und aus dem ehemaligen Jugoslawien! Euch, die ihr im Geiste an dieser wunderbaren Feierlichkeit teilnehmen könnt, und euch, die ihr dies aufgrund der Isolation, in der euch der Krieg festhält, leider nicht könnt. Wir sind euch nahe, wir sind mit euch! Wie in Santiago, in Tschenstochau, in Denver und in Manila sind wir zahlreich, wollen jedoch mit der Gnade des Heiligen Geistes ein einziges Herz und eine einzige Seele bilden. Aus verschiedenen Orten kommend, vereinen wir uns alle gedankenmäßig im Haus Marias, und so wie sie öffnen wir das Herz, um das Wort Gottes zu hören und um in jenes Europa, das in diesen Tagen von Qualen heimgesucht ist, einen Samen von Hoffnung zu setzen. 451 REISEN Anschließend begrüßte der Papst die über Radio und Fernsehen verbundenen Jugendlichen in ihrer Landessprache. An die Jugendlichen in Dresden sagte er auf deutsch: Von Herzen danke ich euch, liebe Jugendliche, die ihr in der wiedererrichteten Kathedrale von Dresden versammelt seid. Euch allen gelten meine besten Segensgrüße. Ihr selbst sollt die Bausteine einer lebendigen und menschenfreundlichen Kirche sein, die allen Raum bietet für Brüderlichkeit und Frieden. Botschaft an die Jugendlichen Europas vom 9. September 1. Mit Aufmerksamkeit habe ich eure vorgetragenen Stellungnahmen gehört, liebe Jugendliche, die ihr hier anwesend oder dank des Radios und Fernsehens mit uns verbunden seid. Ich danke für eure Teilnahme, eure Glaubensbezeugungen, euren evangelischen Einsatz und für eure Begeisterung. Von Loreto aus haben wir am heutigen Abend eine einzigartige Pilgerfahrt unternommen, vom Atlantik bis zum Ural, in jeden Winkel des Kontinents, überall dorthin, wo Jugendliche sind auf der Suche nach einem „gemeinsamen Haus“. Allen sage ich: Hier ist euer Haus, das Haus von Christus und Maria, das Haus Gottes und des Menschen! Jugendliche Europas auf dem Weg zum Jahr 2000, tretet ein in dieses Haus, um gemeinsam eine andere Welt aufzubauen, eine Welt, wo die Zivilisation der Liebe herrscht! Ihr befindet euch im Frühling des Lebens und entdeckt euch als Bäume, die in Blüte stehen und dazu berufen sind, reiche Früchte zu tragen. Diese Jahre am Ende des zweiten Jahrtausends sind gekennzeichnet von einem wahren Sich Überstürzen von Herausforderungen und Fragen, von Anregungen und Erwartungen. Es ist die Zeit eurer Jugend. Wißt, die einmaligen Möglichkeiten, die sich euch täglich bieten, zu schätzen. Trotz ihrer Probleme ist dies eine außerordentliche Zeit, ein „günstiger Moment“, in dem jeder imstande sein soll, die eigene Verantwortung voll zu übernehmen im persönlichen und sozialen Bereich. Vergeßt deshalb nicht, welches eure Wurzeln sind. Der Baum, der wachsen und Früchte tragen will, muß mit seinen Wurzeln Nahrung aus einem guten Boden aufnehmen. Jugendliche Europas, das Evangelium ist dieser Boden, in den die Wurzeln für eure Zukunft zu setzen sind. Im Evangelium begegnet man Christus. Entdeckt und genießt seine Freundschaft, ladet ihn ein, an jedem Tag euer Wegbegleiter zu sein. Nur er hat Worte des ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68). Der Neuaufbau Europas ist Aufgabe der Jugend 2. Jugendliche, Hoffnung Europas! Es freut mich, euch hier zu sehen im Rahmen dieses eindrucksvollen Treffens, das - auch dank der modernen Kommunikationsmittel - Städte und Länder mit verschiedenen Kulturen vereint. Der kürzliche Fall 452 REISEN von historischen Mauern hat den Traum von einer neuen Welt in Freiheit und Brüderlichkeit wachgerufen. Die darauffolgenden Ereignisse haben leider in nicht wenigen Fällen die Erwartungen untergraben. Die Herausforderung jedoch bleibt dringend und verbindlich. Niemand darf sich der Entmutigung hingeben. Niemand darf sich der Aufgabe entziehen, ein Europa aufzubauen, getreu seiner edlen und fruchtbaren Tradition, in weltlicher und geistlicher Hinsicht. Wir wollen dem neuen Jahrtausend einen Kontinent übergeben, der fortwährend im Evangelium das grundsätzliche Prinzip für ein Zusammenleben in Freiheit und Solidarität sucht. Wie schon oft in der Vergangenheit mußte Europa Zeiten entgegentreten, im Wandel begriffen und von Krisen heimgesucht: Immer hat es diese überwunden mit Hilfe neuer Nahrungskraft aus der unermeßlichen Quelle an Lebensenergie des Evangeliums. So war es zum Beispiel zur Zeit des hl. Benedikt. Und heute, in einem nunmehr planetenartigen Zusammenhang, ist es notwendig, noch tiefgreifender eine neue Verbindung zwischen den Werten und Bedürfnissen, zwischen Glauben und Kultur, zwischen Evangelium und Leben herzustellen. Dazu bedarf es des Mutes und der Unerschrockenheit von wirklich Glaubenden, bereit, jeder Versuchung zu widerstehen, und entschlossen, furchtlose Arbeiter für Gerechtigkeit und Frieden zu werden. 3. Jugendliche im Dienst am Leben und Baumeister des Friedens. Wenige hundert Kilometer von hier entfernt, auf der anderen Uferseite des adriatischen Meeres, hält das Sterben auf den Straßen und Plätzen an, ganz abgesehen von den Schlachtfeldern. Es sterben Frauen und alte Menschen, während sie anstehen für ein wenig Wasser oder Brot. Kinder sterben, sie werden getroffen von der mörderischen Bleikugel inmitten ihrer unschuldigen Spiele. Wie viele eurer Altersgenossen sind unter den Opfern dieser Tragödie! Wie viele gebrochene Leben! Man spricht ununterbrochen von Frieden, aber man hört nicht auf, Krieg zu führen. Das alte Europa kennt diese unmenschliche Wirklichkeit gut. Die Generation, der ich angehöre, war jung während des Zweiten Weltkrieges, an dessen Ende vor 50 Jahren wir mit einer Gedenkfeier vor kurzem erinnert haben. Aber auch eure Generation kennt das Drama der unaufhörlichen Konflikte. Liebe Jugendliche, erklärt den stumpfsinnigen und gewaltbereiten Ideologien eine Absage. Haltet euch fern von jeder Form von erbittertem Nationalismus und Intoleranz. Euch ist es aufgetragen, „neue Wege der Brüderlichkeit zwischen den Völkern zu eröffnen, um durch Vertiefung des Gesetzes ,der Gegenseitigkeit von Geben und Empfangen, von Selbsthingabe und Annahme des anderen’ eine einzige Menschheitsfamilie aufzubauen“ (.Botschaft anläßlich des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa, Nr. 15). Ihr seid aufgerufen, die fruchtbare „Kultur des Evangeliums“ zu verbreiten, wo Christus, „lebendig gestern, heute und immer“, die konkrete Antwort auf die wesentlichsten Fragen des besorgten Herzens des Menschen ist. Ihr selbst seid lebendige Antworten Christi mit dem Evangelium als Grundsatzregel in eurem Handeln 453 REISEN und in euren Wünschen. Auf diese Weise schreibt ihr unveröffentlichte Seiten der Neuevangelisierung für diese unsere Zeit, besonders unter euren Altersgenossen. Glaube und Hoffnung sind Stärke der Jugend 4. „Eur-Hope“: Europa und Hoffnung. Es war euer Wunsch, der heutigen eindrucksvollen Vigil diesen Titel zu geben. In dem Ausdruck „Eur-Hope“ verschmelzen die Worte Europa und Hoffnung unzertrennbar. Das ist eine schöne, jedoch gleichzeitig stark verpflichtende Vorahnung. Sie verlangt, daß ihr Männer und Frauen der Hoffnung seid: Menschen, die an den Gott des Lebens und der Liebe glauben und mit starkem Vertrauen verkünden, daß es für den Menschen eine Zukunft gibt. Ihr seid das junge Angesicht Europas. Die Zukunft des Kontinents, wie der ganzen Welt, gehört euch, wenn ihr es versteht, auf dem Weg voranzugehen, den Christus euch weist. Das Geheimnis ist dasselbe wie immer: Christus, gestorben und auferstanden für das Heil der Welt; es ist das Kreuz Christi. Der Papst vertraut euch heute abend dieses alte und immer neue Geheimnis an: Liebe Jugendliche, folgt Ihm, der „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Ihr seid seine Hände und sein Herz für eure Brüder und Schwestern: Das Herz, um zu lieben und zu beten, die Hände, um zu arbeiten und zu dienen. 5. Mit Maria auf das Jahr 2000 hin. Wir können diesen unseren Dialog nicht beenden, ohne auf die heilige Jungfrau zu schauen, das „Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes“ {Lumen Gentium, Nr. 68). Jugendliche von ganz Europa, ich vertraue euch Maria an, damit ihr sie in eure Liebe einschließt. Nehmt sie auf in eurem Haus, heute und für immer! Hier im Heiligtum von Loreto wacht und wirkt die Jungfrau in Stille seit sieben Jahrhunderten, wie im Haus von Nazaret. Ihr Wesen ist die Demut, die Treue, das Dienen. Es ist das Wesen von Nazaret, das Wesen von Loreto. Macht es euch zu eigen! Sie nachahmend, werdet ihr die Freude und den Frieden erfahren, die ein Geschenk des Heiligen Geistes sind. Mit ihr zusammen könnt ihr euch mutig an die Arbeit machen, ein Europa der Hoffnung aufzubauen, den eigenen Wurzeln treu, ein Land der Gastlichkeit, der Solidarität, des Friedens für alle. Das Evangelium auf den Straßen Europas verwirklichen Predigt bei der Eucharistiefeier mit über 500 000 Jugendlichen auf dem Montorso-Gelände in Loreto am 10. September 1. Mutter Christi, Mutter der göttlichen Gnade, Mutter, du Reine; kluge Jungfrau, Spiegel der Gerechtigkeit, Ursache unserer Freude, Heil der Kranken, Zuflucht der 454 REISEN Sünder, Trost der Betrübten; Königin aller Heiligen, Königin des Friedens, Königin der Welt. Diese Anrufungen aus der Lauretanischen Litanei helfen uns, mit dem Herzen Mariens diese Eucharistiefeier zu beginnen, zu der sich Tausende von Jugendlichen aus verschiedenen Regionen Europas in Loreto versammelt haben. Sie sind auf einer Pilgerfahrt des Friedens und der Liebe unter dem Leitwort: „Mit Maria unterwegs zum Jahr 2000, um das Evangelium auf den Straßen Europas zu verwirklichen.“ An euch alle, vor allem an euch junge Pilger aus der ganzen Welt, richte ich einen herzlichen Willkommensgruß an diesem Ort, an dem das Haus verehrt wird, das uns an das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes erinnert. Ich grüße den Päpstlichen Delegaten Erzbischof Pasquale Macchi und danke ihm für das herzliche Grußwort, das er soeben an mich gerichtet hat. Ich grüße auch Kardinal Eduardo Pironio und mit ihm die anderen Kardinale, Erzbischöfe und Bischöfe. Ein besonderer Gruß gilt Bischof Seraphim von der Rumänischen Orthodoxen Kirche, Metropolit für Deutschland und Mitteleuropa, sowie Bischof Sigheteanul, der im Namen des Patriarchen von Rumänien eine Gruppe von jungen Orthodoxen zu diesem Treffen begleitet hat. Ich grüße sodann Bischof Lav-rentije vom Patriarchat von Serbien und den Archimandriten, der vom Patriarchen von Moskau mit der Jugendpastoral beauftragt wurde, und den Archimandriten, der den griechisch-orthodoxen Metropoliten Damaskinos vertritt. Ein herzlicher Gruß gilt ferner den Priestern, Ordensleuten und engagierten Laien, die an der Feier teilnehmen. Schließlich richte ich einen ehrerbietigen Gruß an den Regierungschef Ministerpräsident Dini sowie die anderen Vertreter der Obrigkeit, die diesen Gottesdienst mit ihrer Anwesenheit beehren wollten. Ein besonderes Jubiläum ist der Anlaß zu unserem Treffen beim Heiligtum von Loreto: Denn vor siebenhundert Jahren wurde diese Kirche errichtet und begann, zu einem Ziel nicht nur für Pilger aus Italien, sondern auch aus vielen Gegenden der Welt, besonders aus Europa, zu werden. Unter den zahlreichen Marien-Wall-fahrtsorten, die auf dem alten Kontinent entstanden, hat Loreto einen besonderen Charakter und bietet eine eigene geistliche Botschaft an. Wenn nämlich die Muttergottes in den Marien-Heiligtümem aufgrund eines Bildes oder einer Ikone verehrt wird, die sie darstellt, so wird sie hier in Loreto wegen des Hauses verehrt, wo die Überlieferung die Wohnstatt der Heiligen Familie sieht. Hier verehren wir sie als Mutter Christi, Mutter der Heiligen Familie, Frau Josefs, Patronin aller Familien und derer, die zum Familienleben berufen sind; als Mutter der schönen Liebe, Mutter der Einheit, Mutter des Bundes, der den Mann und die Frau als Eheleute und Eltern durch ein unvergängliches Band der Gemeinschaft vereint und verbindet, dank dessen die Familie ein unersetzlicher Ort des Lebens und der Liebe ist. 2. Davon spricht die heutige Liturgie in der zweiten Lesung, die dem Brief des hl. Paulus an die Galater entnommen ist:, Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, ... damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil 455 REISEN ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater!“ (Gal 4,4-6). Dank dieser Sendung hat Christus auf Erden eine unermeßliche Zahl von Brüdern und Schwestern, wie aus dem Text des heutigen Evangeliums klar wird: „Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 12,49-50). Wir werden Brüder und Schwestern Christi im Heiligen Geist, der der Geist der Weisheit ist. Davon spricht auch in der ersten Lesung ein poetischer Text aus dem Buch Jesus Sirach, worin die Weisheit mit einem großen Fluß verglichen wird, der alles Geschaffene durchtränkt: „Ich will meinen Garten tränken, meine Beete bewässern“ (Sir 24,31). Wenn wir uns fragen, was in diesen Lesungen auf das Haus von Nazaret hinweist, so heißt die Antwort: Vor allem ist Maria kraft ihrer Gottesmutterschaft das Haus, das von der ewigen Weisheit, vom menschgewordenen, eingeborenen Sohn Gottes, des Vaters, bewohnt ist. Jesus nahm in ihr Wohnung wie in einem geistigen Tempel, den der Vater durch den Heiligen Geist bereitgemacht hatte. Durch Maria ist das Haus von Nazaret zu einem so außergewöhnlichen Symbol geworden: als Wohnstatt, wo sich das Leben des menschgewordenen Göttlichen Wortes nach der Rückkehr aus Ägypten entfaltet hat, als Ort, an dem Christus heranwuchs, an dem seine Weisheit zunahm und er Gefallen fand bei Gott und den Menschen (vgl. Lk 2,52). Mit dreißig Jahren verließ der Herr jenes Haus, um allen das Haus des himmlischen Vaters zu zeigen, das vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne immer weit offensteht, um jeden Mann und jede Frau aufzunehmen, die berufen sind, Glieder des Gottesvolkes, Brüder und Schwestern Christi zu sein, wie ihr, die ihr aus vielen Teilen des europäischen Kontinents hierhergekommen seid. Das Haus von Nazaret hat seinen Platz im Geheimnis der Menschwerdung. Man könnte sagen, daß in ihm das Evangelium von der Kindheit und der Jugend des Menschensohnes verkündet wurde. Das aber spricht uns in besonders wirksamer Weise an, denn es zeigt, daß unser Glaube und unser Christsein mit einem konkreten Haus zu tun haben, worin sich das Geheimnis der Menschwerdung vollzogen hat. 3. Diese große Menge von Jugendlichen aus Europa, die zur Eucharistiefeier hier versammelt sind mit der Wallfahrtskirche im Hintergrund bildet auch einen vielsagenden Ausdruck für eine bedeutende geschichtliche Wahrheit: Seit zweitausend Jahren hat das Christentum seine Wurzeln in die Nationen unseres Kontinents gesenkt und ist der heilsträchtige Keim für das Leben, die Kultur und die Zivilisation Europas geworden. Das gilt nicht nur für die Vergangenheit. Wenn es stimmt, daß die europäische Kultur - vor allem die moderne - aus vielen Wurzeln kommt, so ist nicht weniger richtig, daß sie vor allem aus christlichen Wurzeln gewachsen ist. Das läßt sich auf vielen Ebenen wahmehmen. Vielleicht hat die Präsenz des Evangeliums in Europa wie nirgendwo sonst einen derart reichen Ausdruck gefunden: nicht nur in Werken der Kultur und der Kunst, wie sie überall anzutreffen sind, 456 REISEN sondern auch im Zeugnis zahlreicher Heiligen und Sehgen, angefangen mit den Aposteln Petrus und Paulus, Andreas und Jakobus. Wie viele Heilige sind im Lauf der Jahrhunderte aus den verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften in Europa hervorgegangen! In der westlichen wie der östlichen Tradition haben sie ihren Ursprung, zwei Überheferungen, die sich gegenseitig ergänzen: Sie sind nicht nur Modelle der Inkulturation des Christentums in das Leben der Kulturen und Nationen, sondern gewissermaßen auch die beiden Lungenflügel, mit denen der geistige Organismus der Kirche Christi atmet. Das ist insbesondere in unserem Jahrhundert zu erkennen, das - wie die Anfangszeit der Kirche - zu einer Zeit ganzer Scharen von Märtyrern geworden ist, das heißt von Zeugen, die ihre Zugehörigkeit zu Christus mit ihrem Blut besiegeln. Das ist die Wahrheit über Europa! Wenn unser Jahrhundert möglicherweise in der Geschichte durch die größten Absagen an das Christentum gekennzeichnet ist, so ist es doch auch zu dem Jahrhundert geworden, das durch seine außerordentliche Schar von Bekennem und Märtyrern hervortritt, die gemäß dem seit jeher gültigen Prinzip: „Sanguis martyrum - semen christianorum“ den Samen zu einem neuen Leben in Europa und in der Welt ausgestreut haben. 4. Liebe junge Pilger, ihr kommt aus fast allen Ländern des europäischen Kontinents. Den Appell, den wir heute an Europa und zugleich an die ganze Welt richten, könnte man in dem einzigen Wort: „Haus“ zusammenfassen. Ein Schlüsselwort! Denken wir vor allem an das Haus von Nazaret: das Haus, in dem der Sohn Gottes Wohnung nahm, das Haus der Heiligen Familie. Ein zutiefst menschliches Haus. Es ist nicht nur ein großes Symbol, sondern ein Ziel, das vor uns steht. Wir sind hierhergekommen, um für jeden Menschen unserer Zeit ein Haus zu erbitten, für die Familien auf der ganzen Welt: für jene, die in ihrer Heimat leben, und für jene, die ausgewandert, auf der Flucht, verfolgt sind. Wir sind insbesondere gekommen, um zu bitten, daß in unseren europäischen Gesellschaften niemand ohne Haus sein muß. Wir bitten um ein Haus für alle Menschen und für alle Familien. Das Haus ist auch ein Symbol des Friedens. Wir sind hier, weil wir um den Frieden bitten wollen. Ihr jungen Menschen habt nicht die Erfahrung des Ersten und des Zweiten Weltkriegs gemacht, die in so viele Häuser unseres Kontinents Zerstörung und Tod brachten. Aber wir alle sind Zeugen des Kriegs auf dem Balkan, dieses nicht enden wollenden Kriegs, der alle Menschlichkeit vernichtet hat und immer noch Häuser, Schulen, Universitäten zerstört und Stätten ruhiger Arbeit und frohen Lebens in Friedhöfe verwandelt, wo vor allem junge Menschen ihr Grab finden, die in erster Linie ihr Leben an den Fronten dieses sinnlosen Krieges opfern müssen. Mit ihren weinenden Müttern und Vätern knien wir an den Gräbern so vieler jungen Menschen nieder. Und während wir um ewige Ruhe für sie bitten, beschwören wir mit der stummen Sprache ihres Todes alle für den Krieg Verantwortlichen, daß sie sich Gedanken der Versöhnung und des Friedens zuwenden mögen. 457 REISEN Wir tun es in der Gewißheit, daß wir damit dem Empfinden aller Menschen guten Willens Ausdruck geben. Jeder muß seinen Teil tun, um seine Stimme hören zu lassen und konkrete Gesten des Friedens zu machen. In diese Richtung, liebe jugendliche Pilger, geht die Initiative, die ihr zugunsten eurer Altersgenossen in der Herzegowina unternommen habt. Es ist eine bezeichnende Geste der Solidarität, die ich von Herzen segne und befürworte in der Hoffnung, daß sie reiche Früchte bringe. 5. Rufen wir uns noch einmal die Worte des hl. Paulus in Erinnerung: „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau, ... damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn, bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott“ (Gal 4,4-7). Liebe junge Pilger, die ihr heute aus so vielen Teilen Europas und der Welt um das Haus von Nazaret versammelt seid, das ist die besondere Sendung, die euch anvertraut ist: Ihr sollt in eurem Leben die göttliche Sohnschaft bezeugen; jene Kindschaft, die uns vom eingeborenen Sohn Gottes als Erbe übertragen wurde. Sie entreißt uns jeder Gefahr von Sklaverei. Sie schenkt uns in der höchsten und reifsten Form unsere Freiheit zurück. Sagt nicht wiederum Paulus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest“ (Gal 5,1)? Auf diesem Kontinent, wo vor über zweihundert Jahren das Programm von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verkündet, leider aber durch das Blut vieler Unschuldiger entstellt und befleckt wurde, muß mit neuer Kraft das Programm der Freiheit, zu der Christus uns berufen hat, ertönen. Nur die Freiheit, zu der Christus uns befreit, kann zur Quelle der Gleichheit und der Brüderlichkeit werden. Sie ist nicht Freiheit, die ihr Ziel in sich selbst hat -das heißt, eine absolute und egozentrische Freiheit, die, wie die Erfahrung lehrt, oft zur Zerstörung führt. Die wahre Freiheit ist das wunderbare Mittel, um das Ziel zu erreichen; und dieses Ziel ist vor allem anderen die Liebe, aus der die Brüderlichkeit hervorgeht. Möge eure Pilgerfahrt zum Geheimnis des Heiligen Hauses euch die Fähigkeit zu einer solchen Freiheit vermitteln. Macht euch bereit, liebe Jugendliche, als „freie“ Menschen in den Ländern Europas und der Welt die Schwelle zum Dritten Jahrtausend zu überschreiten, Christus folgend, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Joh 14,6). Der Aufbau eines großen europäischen Hauses erwartet euch. Ihr seid hier beim Heiligtum von Loreto versammelt, um die nötige Kraft zu diesem Unternehmen zu erbitten. Die Mutter Christi möge euch erlangen, daß das Haus von Nazaret euch bei eurem hochherzigen Einsatz ein fester Bezugspunkt und eine unaufhörliche Inspiration sei. 458 REISEN Der Ruf der Jugend nach Frieden übertöne den Lärm der Waffen! Angelus in Loreto am 10. September Liebe Jugendliche! 1. Ich danke euch für die frohe Atmosphäre, die ihr hier nach Loreto gebracht habt, wohin ihr aus so vielen Ländern Europas gekommen seid. Ihr habt eure Stimmen und die Farben eurer Fahnen zu einem Regenbogen der Hoffnung vereint. Ihr habt vor der Welt das Geheimnis der Brüderlichkeit bezeugt, das von der Heiligen Familie von Nazaret ausstrahlt. Aus euch erhebt sich der Ruf nach Frieden. Ich bitte euch, ihn weiterhin laut, eindringlich erschallen zu lassen, damit er den Lärm der Waffen übertöne und die Herzen derer rühre, die für die Gewalttaten verantwortlich sind, die Europa und die Welt mit Blut beflecken. Seid Boten des Friedens! Darum bitte ich besonders euch, junge Frauen: Werdet „Erzieherinnen des Friedens“ durch euer ganzes Sein und euer ganzes Tun (Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 1995, Nr. 2). 2. Wie könnten wir nicht an die Konferenz denken, die in Peking über die Lage der Frauen in der Welt stattfindet, während wir bei dem Haus Marias, der vollkommenen Frau, verweilen? In dieser großen Versammlung treten .Aktionslinien“ zutage, die zu großer Hoffnung für den Gesamtausblick auf eine gerechtere und brüderlichere Welt berechtigen. Leider fehlt es in einigen Punkten nicht an fragwürdigen Einstellungen. Euch obliegt die Aufgabe des wachsamen und mutigen Unterscheidens. Wißt das Gute zu behalten, wo immer es auftritt. Aber weist alles ab, was im Gegensatz zu dem Plan Gottes und deshalb auch zur Würde des Menschen steht. Diese Botschaft kam gerade vor dreißig Jahren vom H. Vatikanischen Konzil vor allem in Gaudium et spes, der Konstitution über die Kirche in der Welt von heute. Als Krönung eures einzigartigen Treffens möchte ich euch dieses wertvolle und immer belebende Dokument überreichen. Lest es aufmerksam. Ihr werdet Klarheit finden über eure Berufung als Männer und Frauen, die ihr in dieser wunderbaren und zugleich dramatischen Zeit zu leben berufen seid, ein Netz der Brüderlichkeit zu knüpfen und Frieden zu bauen. 3. Maria, die uns in diesen Tagen in ihrem Haus aufgenommen hat, segne die Jugend Europas und der Welt. Sie ermutige alle, die Dimension der Familie in den gegenseitigen Beziehungen neu zu entdecken, jenseits der Unterschiede, der nationalen Grenzen und der Wunden, die durch den Haß und die Feindschaft der Vergangenheit und die Gewalttaten der Gegenwart geschlagen wurden. Sie schenke uns von neuem Christus, den König des Friedens. 459 REISEN Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst die Jugendlichen in ihren einzelnen Landessprachen; in deutsch sagte er: Seid Zeugen Christi, der durch sein Kreuz die Welt erlöst hat! Zum Schluß sagte der Papst in italienisch: Liebe Jugendliche Europas und ihr alle, die ihr aus anderen Erdteilen zu diesem Treffen gekommen seid! Geht voll Hoffnung in das dritte christliche Jahrtausend. Die seligste Jungfrau, die Mutter Christi und unsere Mutter, lenke immer eure Schritte! Geistliche Pilgerschaft als Solidarität mit der Jugend von heute Botschaft an die Klausurschwestem Italiens und der Welt, bei der Begegnung im Heiligen Haus, überreicht am 10. September Liebe Schwestern! 1. Es ist für mich ein Grund zu großer Freude, anläßlich der Wallfahrt der jungen Europäer nach Loreto auch Euch zu begegnen, die Ihr zu den Gemeinschaften der beiden Klöster der Stadt gehört - dem „Nazaret“-Kloster der Unbeschuhten Kar-melitinnen und dem Kloster „St. Gabriel von der Schmerzhaften Mutter“ der Pas-sionistinnen -, und zwar an diesem so bedeutsamen Ort, der an das große Geheimnis der Menschwerdung erinnert. Meine Gedanken gehen in diesem Augenblick zu allen Klausurschwestem Habens und der Welt. Liebe Schwestern, Ihr seid Vertreterinnen jener besonderen Berufung zum kontemplativen Leben, die die ganze Geschichte der Kirche durchzieht und alle daran erinnert, wie dringend notwendig es ist, daß wir auf unserem Weg stets auf die endgültige und beseligende Begegnung mit dem Herrn ausgerichtet sind. Es ist ein Zeugnis, dessen gerade unsere heutige Zeit besonders bedarf, da wir dem Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend schon so nahe sind. Wichtig ist darum Eure geistliche Beteibgung an dem kirchlichen Treffen der jungen Europäer, die nach Loreto gekommen sind, um neue Energien für die Pilgerfahrt zu finden, die sie dem großen Ereignis des neuen christlichen Jahrtausends entgegenführt. 2. Das Heibge Haus, das Heiligtum, in dem wir uns befinden, erinnert uns an die grundlegende Bedeutung, die das , Ja“ Mariens auf den Ruf des Herrn für das Heil des Menschengeschlechtes hatte. Was anders ist das Leben in der Klausur als die ständige Erneuerung eines ,Ja“, das die Pforten des eigenen Seins für die Aufnahme des Erlösers öffnet? Ihr sagt dieses ,Ja“ in der täglichen Zustimmung zum göttlichen Wirken und in der hingebenden Betrachtung der Erlösungsgeheimnisse. 460 REISEN So lebt Ihr, ohne Euch im materiellen Sinn auf den Weg zu machen, Eure geistliche Pilgerschaft, die aus dem Geheimnis, das im Heiligen Haus seinen Ursprung hat, seine Inspiration und seine Orientierung empfängt. Gerade dank der Ortsgebundenheit und der Klausur durchschreitet Ihr „die Szene dieser Welt“, ohne Euch in den irdischen Dingen festzusetzen, sondern stets nach dem Ziel ausgestreckt. Die Nonne, eine Pilgerin in ihrer Klausur, ist immer unterwegs auf den Herrn zu. Jeden Morgen kann sie mit dem Psalmisten singen: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir ... Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum“ (Ps 62,1.3). Und mit der Braut im Hohenlied kann sie sagen: , Aufstehen will ich, die Stadt durchstreifen, die Gassen und Plätze, ihn suchen, den meine Seele liebt“ (Hld 3,2). 3. Im Kloster ist alles auf das Suchen des Antlitzes Gottes ausgerichtet, alles ist auf das Wesentliche zurückgeführt, denn wichtig ist nur das, was näher zu Ihm hinführt. Die monastische Sammlung bedeutet Aufmerksamkeit auf die Gegenwart Gottes: Wenn man sich in vielen Dingen verliert, verlangsamt sich der Gang, und man verliert das Ziel aus den Augen. Viele Jugendliche sind heute empfänglich für den Ruf zur Pilgerfahrt. Sie finden um sich hemm eine Welt, die oft keine geistlichen Werte und keine Ideale mehr kennt: Für viele ist das, was zählt, der Genuß des Heute und die Wahrung der eigenen Interessen, auch auf Kosten der anderen, oft bis zu Unterdrückung und Gewalttat. Die Wallfahrt nach Loreto kann eine günstige Gelegenheit bilden, auf eine so enge und enttäuschende menschliche Umwelt zu reagieren. Das Haltmachen im Heiligen Haus wird für sie zur Einladung, über die echten Werte nachzudenken und das Herz für die weiten Horizonte des Glaubens und der Liebe zu öffnen. Liebe Schwestern, aus dem Innern Eurer Klöster könnt Ihr Euch mit diesen jungen Menschen tief solidarisch fühlen und sie mit Euren Gebeten und mit Euren Opfern unterstützen auf ihrer Suche nach der Antwort, die dem unruhigen Herzen Frieden geben kann. Die Antwort ist - Ihr wißt es - Christus, das Wort des Vaters, das Mensch geworden ist, um den Menschen zu retten. 4. Wie kostbar ist also Eure Bemfung der besonderen Weihe! Sie ist wirklich ein Geschenk, das seinen Platz im Zentrum des Geheimnisses der kirchlichen Gemeinschaft hat und die apostolische Sendung derer begleitet, die sich in der Verkündigung des Evangeliums abmühen. Insbesondere ist der Beitrag wichtig, den Ihr für den Einsatz der Kirche zur Neuevangelisierung darzubringen berufen seid, vor allem jetzt, da wir dem Großen Jubiläum näherkommen. Wie die Apostel, im Abendmahlssaal mit Maria und anderen Frauen im Gebet versammelt, mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden (vgl. Apg 1,14), so rechnet heute die Gemeinschaft der Gläubigen damit, auch dank Eurer Gebete ein neues Pfingsten erfahren zu dürfen für ein wirksameres Zeugnis für das Evangelium an der Schwelle des neuen Jahrtausends. 461 REISEN Liebe Schwestern, ich empfehle Eure Gemeinschaften und jede einzelne von Euch wie auch alle, die danach trachten, Eure geistliche Erfahrung zu teilen, Maria, der treuen Jungfrau und Gott geweihten Wohnstätte, an. Die Mutter des Herrn möge erlangen, daß durch die jungen Menschen, die als Pilger hierhergekommen sind, erneut aus Loreto ein Strahl jenes Lichtes in Europa aufleuchte, das in der Welt erstrahlte, als das Wort Heisch wurde und unter uns Wohnung nahm! Euch allen meinen Segen. Solidarisch mit allen Flüchtlingskindem Ansprache an die Kinder auf dem Vorplatz des Heiligtums am 10. September Liebe Kinder! 1. Es ist sehr schön, daß ich während dieser Pilgerfahrt eine besondere Begegnung mit euch und mit euren Eltern haben darf. Ich grüße euch alle mit Liebe und danke denjenigen, die im Namen aller gesprochen haben. Ich freue mich, daß ihr meinen Brief an die Kinder gelesen habt und daß er euch gefallen hat. Ich möchte euch einen Rat geben: Hebt ihn auf und lest ihn ab und zu wieder. Das ist ein Weg, um dem Papst nahe zu bleiben, um an ihn zu denken und nach seinem Wunsch zu beten. Ich sagte, daß bei dieser Pilgerfahrt eine Begegnung mit den Kindern und ihren Familien nicht fehlen durfte. In der Tat macht uns das Haus von Maria, das seit sieben Jahrhunderten im Heiligtum von Loreto verehrt wird, an das Leben der Heiligen Familie in Nazaret denken. Wir können uns den kleinen Jesus in seiner alltäglichen Umgebung vorstellen: Während er ums Haus läuft und spielt, oder während er schläft, oder auch mit seinen Eltern beim Essen sitzend. Dann sehen wir ihn das Haus verlassen, samstags, um zur Synagoge zu gehen, wo er dem Lesen der Heiligen Schrift zuhörte und an den rituellen Gebeten seines Volkes teilnahm. Wer weiß, ob es zu jener Zeit in Nazaret auch eine Schule gab? Aber das ist vielleicht etwas, woran ihr lieber nicht denken wollt, besonders in diesen letzten Ferientagen. Wie auch immer, auch für Jesus ist die erste wahre Schule fürs Leben eben seine Familie gewesen: Von Josef und Maria hat er das Wichtigste gelernt: die Demut, die Treue, das Gebet, die Arbeit... Und so wuchs Jesus, wie der hl. Lukas erzählt, „heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). 2. Liebe Kinder, ihr wißt, daß die Familie von Jesus, als dieser noch sehr klein war, sich gezwungen gesehen hat, von Palästina nach Ägypten zu fliehen, weil Herodes das Jesuskind töten wollte. Josef, Maria und Jesus sind „Flüchtlinge“ gewesen, wie man mit einem Wort sagt, das leider heute häufig wiederkehrt. In unse- 462 REISEN ren Tagen gibt es Millionen von Flüchtlingen auf der Welt. Der Großteil unter ihnen sind Familien und sehr viele, besonders in Afrika, mit kleinen Kindern. In diesem Moment zusammen mit euch, möchte ich der Jungfrau Maria und der Heiligen Familie alle Flüchtlingskinder der Welt anvertrauen. Ebenso fordere ich euch auf, an viele eurer Altersgenossen zu denken, die Vater oder Mutter oder beide aufgrund des Krieges verloren haben. Letztes Jahr habe ich mich gerade hier in Loreto mit einer Gruppe von Frauen aus Sarajevo getroffen, Witwen aufgrund des Krieges. Unser Gebet will nicht bei Worten stehenbleiben: Wir wollen uns engagiert fühlen als Christen, als Kirche, „Heimat“ zu sein für den, der ohne Heimat ist, „Familie“ zu sein für den, der ohne Familie ist. Ich weiß, daß ihr Kinder besonders empfänglich für diese Probleme seid. Das habt ihr mir auch geschrieben in der Antwort auf meinen Brief, worin ich euch aufforderte, mit mir für den Frieden zu beten. Ich sage euch nochmals, daß ich mich sehr auf euch verlasse bei diesem friedlichen Kampf, den wir gegen die Kräfte des Bösen ausfechten. Laßt euch nie vereinnahmen von den negativen Beispielen und Botschaften, die uns heute leider häufig von vielen Seiten erreichen. Es gibt viele Probleme und Gewalttätigkeiten auf der Welt, aber richtet eure Augen und eure Herzen auf die Liebe, auf die Güte, auf die Wahrheit. Lernt von Jesus, der das Böse mit dem Guten besiegte. 3. Noch etwas will ich euch sagen, während ich an Jesus denke, als er im selben Alter war wie ihr. Erinnert ihr euch, was er zu den Eltern gesagt hat, als sie - besorgt, ihn aus den Augen verloren zu haben und nachdem sie ihn überall gesucht hatten - ihn schließlich fanden, während er mit den Doktoren im Tempel sprach? Der Mutter Maria, die ihn fragte: „Kind, wie konntest du uns das antun?“ (Lk 2,48), antwortete er: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49). Nach diesem Vorfall kehrte Jesus mit seinen Eltern nach Nazaret zurück und, so spricht das Evangelium, „war ihnen gehorsam“ (Lk 2,51). Jeder von uns hat einen Vater im Himmel und eine Familie auf der Erde. Wir müssen lernen, die Stimme Gottes, des Vaters, anzuhören, die im Herzen spricht. Das bedeutet „groß werden“! Eine Person ist „groß“, wenn sie Gott als Vater anerkennt und sich wie ein würdiger und dankbarer Sohn verhält. Jesus, mit zwölf Jahren, wollte seinen Eltern zu verstehen geben, daß er vor allem dem Willen des himmlischen Vaters folgen wollte und, wir könnten sagen, gerade deswegen ist er immer gehorsam geblieben, indem er in Nazaret lebte und Josef bei der Arbeit als Zimmermann half. Auf diese Weise wird er ein zu imitierendes Vorbild im Gehorsam euren Eltern gegenüber. Gleichzeitig fordert er auf, mit ganzem Herzen den Vater im Himmel zu lieben und seine Stimme anzuhören, die einen jeden ruft, eine einmalige Sendung in der Kirche und in der Gesellschaft zu erfüllen. Liebe Kinder, wenn Gott euch zu verstehen gibt, daß er ein Zeichen von Liebe, von besonderer Verehrung 463 REISEN von euch will, habt keine Angst, es zu tun, und auch eure Eltern werden merken, daß ihr dabei seid, reife Christen zu werden, die Gott über alles lieben. 4. Wie viel anderes könnte man noch sagen, aber die Zeit drängt, und der Moment ist gekommen, uns zu verabschieden. Hier in Loreto herrscht eine ganz besondere Situation: Inmitten der Häuser befindet sich das Haus von Maria. Liebe Kinder und liebe Eltern, richtet es so ein, daß die Gefühle, die Taten, die Verhaltensweisen von Jesus, des heiligen Josef und der Muttergottes auch die euren seien: Mögen in jedem Haus die Liebe, die Achtung und der Frieden herrschen. Und der Herr möge den Familien von Loreto gewähren, richtige Hauskirchen zu sein, gemäß der Bemfung jeder christlichen Familie. Und den Kindern von Loreto, wahrhaftige Freunde von Jesus zu sein! Darum vertraue ich euch alle dem Schutz der Heiligen Familie an und segne euch von Herzen. Zusätzliche improvisierte Ansprache an die Kinder Ich möchte für dieses abschließende Geschenk danken, das mir gerade von Eurer Exzellenz im Namen der Kirche von Loreto überreicht worden ist: die Madonna von Loreto. Dieses Geschenk empfange ich aus den Händen aller Gläubigen der Diözese von Loreto und besonders aus den Händen dieser Kleinen. Ich denke, daß diese Begegnung mit den Kindern am Tag des europäischen Jugendtreffens aus zwei Gründen sehr passend ist. Vor allen Dingen, weil die Jugendlichen einmal Kinder waren wie ihr, und ihr Kinder in ein paar Jahren Jugendliche werdet wie sie. Diese Verbindung ist notwendig, dieser Fortbestand der Generationen vor der Heiligen Jungfrau von Loreto, vor diesem Heiügen Haus. Der zweite Grund ist sehr wichtig, weil das Haus von Loreto, das Haus der Heiligen Familie, von Maria, von Josef und Jesus, euren Häusern von Loreto ähnlich war. Ihr habt also zwei Häuser: euer eigenes und dieses heilige von Loreto. Ich wünsche euch, bei euch zu Hause zu sein, als wäret ihr im Heiligen Haus von Loreto. Ich habe gesehen, wie die Kinder sehr einfach und fröhlich vor diesem Haus sind, als spielten sie in ihrer familiären Umgebung. Ich wünsche euch, diese Natürlichkeit und diese Nähe zum Haus von Loreto und zu Maria immer beizubehalten, und möchte alle Anwesenden und besonders die Kinder segnen. 464 REISEN 9. Pastoraireise nach Afrika (14. bis 20. September ) Gott segne ganz Afrika! Ansprache bei der Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen Nsimalen am 14. September Herr Präsident der Republik, meine Damen und Herren der Regierung und der Behörden, meine Damen und Herren des diplomatischen Korps, meine Herren Kardinale, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde in Kamerun! 1. Mit großer Freude betrete ich in Ihrem schönen Land Kamerun wieder afrikanischen Boden. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für den Empfang und für Ihre Worte. Mein Dank gilt auch den zahlreichen Persönlichkeiten Kameruns und den Mitgliedern des diplomatischen Korps, die diese Begrüßungszeremonie mit ihrer Anwesenheit haben beehren wollen. Meine Ankunft in Ihrem Land weckt die kostbaren Erinnerungen an den Pastoral-besuch in mir, den ich vor zehn Jahren mehreren Regionen Kameruns abstattete, dieses anziehenden Landes mit seinen vielgestaltigen Landschaften und vor allem seiner an altem Kulturerbe reichen Bevölkerung. An alle Kameruner möchte ich einen herzlichen, ehrerbietigen Gruß richten und ihnen alles Gute für ihr Land und für die menschliche und geistliche Entfaltung aller in Eintracht und Frieden wünschen. Und meine Gedanken gehen weiter zu allen Völkern Afrikas. Ich möchte ihnen schon gleich in den ersten Augenblicken meines Besuches sagen, daß ich ihre Präsenz in der Welt und ihre Rolle in der internationalen Gemeinschaft für unersetzlich halte. Die Zukunft der Völker Afrikas liegt mir am Herzen; ich kann ihnen versichern, daß die katholische Kirche sie in ihren unterschiedlichen kulturellen und religiösen Überlieferungen achtet, daß sie die Nationen der Welt weiterhin aufrufen wird, einem Kontinent, der im Lauf der letzten Jahrhunderte allzu oft benachteiligt wurde, konkrete Solidarität zu erweisen. Ich kann das Leid und die Konflikte, die zahlreiche Länder heimsuchen, nicht vergessen. Allen Afrikanern wünsche ich brennend, daß sie den Frieden wiederfmden und zur Versöhnung bereit sind, daß die Menschenrechte aller in Gerechtigkeit und Achtung vor der Würde jedes einzelnen gewährleistet seien, daß die am meisten Bedürftigen - vor allem die Kranken und die Flüchtlinge - die geschwisterliche Hilfe finden, die sie erwarten. 465 REISEN 2. Diese neuerliche Reise, die ich nach Afrika mache, hat die feierliche Erinnerung an die Synode für Afrika zum Hauptanlaß, deren Arbeitssitzungen voriges Jahr in Rom stattgefunden haben. Durch meine persönliche Anwesenheit und die der Kardinale und Bischöfe, die mich umgeben, möchte die Universalkirche die jungen Kirchen Afrikas, die zu einer echten Reife gelangen, grüßen und die Gläubigen dieses Kontinents in der Sendung ermutigen, die sie mit allen Jüngern Christi in der ganzen Welt gemeinsam haben: eine Sendung im Dienst an der Menschheit, welche die Frohbotschaft des Heils zu empfangen berufen ist, um zur Zivilisation der Liebe zu gelangen, nach der alle Verlangen haben. Indem ich die Bischöfe grüße, die hier die Episkopate von 29 Ländern des Kontinents vertreten, möchte ich den Gruß des Nachfolgers Petri an die Gläubigen aller Teilkirchen Afrikas richten und ihnen den Dank der ganzen Kirche für das, was sie beitragen, zum Ausdruck bringen: für ihren Eifer im Glauben, ihren Mut in den Prüfungen, ihre Beharrlichkeit in der Hoffnung und ihre Freude in der Bruderliebe. Mit Freude richten ich auch einen herzlichen Gruß an die Vertreter der anderen christlichen Gemeinschaften, an die Vertreter des Islam und der traditionellen afrikanischen Religion. Ich bin ihnen dankbar, daß sie bei dieser Empfangszeremonie haben dabeisein wollen, die für ihre katholischen Landsleute ein wichtiges Ereignis ist. Der Papst, der auf französisch begonnen hatte, sagte nun auf englisch: 3. Mein Gruß richtet sich auch an die Menschen englischer Sprache in Kamerun und aus anderen Ländern Afrikas, die heute bei uns sind. Die Afrikanische Synode ist ein Ausdruck der Reife der katholischen Kirche in Afrika und ein Aufruf, das Evangelium mit immer größerem Eifer zu verkündigen. Möge die Synode in jedem eine vollere Wertschätzung der unermeßlichen geistigen Ressourcen Afrikas herbeiführen und unter allen, die der Zukunft dieses Kontinents verpflichtet sind, Verständnis, Zusammenarbeit und Freundschaft aufbauen. Und wieder auf französisch: 4. Ganz besonders möchte ich der katholischen Kirche in Kamerun meine herzliche Zuneigung zum Ausdmck bringen. Ich grüße die Hirten, die zu diesem Treffen gekommen sind. Ich danke ihnen, daß sie mich und eine große Anzahl von Syn-odenmitgliedem aufgenommen haben. Herzliche Wünsche und meine Ermutigung auch an die Priester, die Diakone, die Ordensleute, die Katechisten und alle Laien. Ich denke in diesem Augenblick an eure Diözesen, eure Pfarreien und eure verschiedenen Gemeinschaften, an eure Schulen und eure Hilfswerke: Sie alle bezeugen die Lebenskraft der Kirche, die vor kaum einem Jahrhundert auf diesem Boden gegründet wurde. Mein Wunsch ist, daß ihr weiterhin selbstlos im Dienst an euren Brüdern und Schwestern verharrt, wie es das Evangelium verlangt. Auch möge euer Platz in der Gesellschaft in Kamerun immer mehr anerkannt werden. 466 REISEN Ich hoffe, daß die Familien die Möglichkeit haben werden, die allgemeine und religiöse Erziehung ihrer Kinder unter den besten Bedingungen in der Schule ihrer Wahl zu erhalten, und daß die Jugendlichen in den Genuß einer Berufsausbildung kommen können, die ihnen den Eintritt ins Arbeitsleben erlaubt. Ich schätze auch die Anstrengungen, die Mitglieder der Kirche entfaltet haben, um Gesundheitszentren zu führen, die ihren kranken Landsleuten aller Religionen offenstehen. Ich möchte euch sagen, daß ich eure Besorgnis angesichts der Unsicherheit und der Gewalttätigkeiten, die einige von euch erleiden mußten, teile. Unter ihnen erinnere ich mit Ergriffenheit an den ehemaligen Erzbischof von Garoua, Yves Plumey, diesen verehrten Hirten, der so viel für die Kirche im Norden Kameruns getan hat und der vor vier Jahren unter noch ungeklärten Umständen ermordet wurde. Möge die Hingabe derer, die so hochherzig ihr Leben eingesetzt haben, fruchtbar sein wie das Korn, das ins Erdreich gefallen ist! Ich weiß, daß die Katholiken Kameruns den aufrichtigen Wunsch haben, durch Arbeit für das Gemeinwohl am nationalen Leben teilzunehmen. Es ist erfreulich zu sehen, daß der Staat den Wert gewisser Initiativen bestätigt, wie es das kürzlich erreichte Abkommen zur Anerkennung der vom „Institut catholique“ in Yaounde verliehenen Diplome zeigt. Ich sehe darin das positive Zeichen einer natürlichen Zusammenarbeit zwischen den Katholiken und allen, die die Nation bilden, in gegenseitiger Achtung für die verschiedenen Überzeugungen und für die Gewissensund Religionsfreiheit. 5. Herr Präsident, ich freue mich zu sehen, daß Ihr Land dank der an mich gerichteten Einladung Gastgeber für den ersten Abschnitt des feierlichen Abschlusses der Synode ist. Ich danke Ihnen noch einmal für den Empfang und für alles, was Sie in so freundlicher Weise getan haben, um meinen Aufenthalt in der Hauptstadt von Kamerun angenehm zu gestalten. Gott segne Kamerun! - Gott segne ganz Afrika! Mit Mut und Zuversicht auf dem Weg der Evangelisierung Ansprache bei der ersten Synoden-Festversammlung in der Kathedrale von Yaounde (Kamerun) am 15. September Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Gelobt sei Jesus Christus! Gelobt sei das Wort Gottes, denn „alles ist durch das Wort geworden“, denn es ist „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“, denn „allen ..., die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (.loh 1,3.9.12)! 467 REISEN Wir sagen Gott Dank für die Kirche, die auf dem Boden Afrikas Wurzeln gefaßt hat - Familie der Glieder des Leibes Christi. Wir sagen Gott Dank für die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode, die eine schöne Fracht der Reife der Kirche auf diesem Kontinent ist. Mit Hoffnung feiern wir den Abschluß dieser Synode, deren Appelle an die Söhne und Töchter der Familie Gottes in Afrika der Bischof von Rom glücklich ist, hierherzutragen. Nehmt heute die Reflexionen und Weisungen entgegen, die das nachsynodale Apostolische Schreiben bilden. Hirten und Gläubige, seid Zeugen Christi, die sich mit neuem Eifer in der Evangelisierungssendung der Kirche einsetzen, die dem Jahr 2000 entgegenblickt! 2. Ich möchte all denen gegenüber meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, die es möglich gemacht haben, daß die Synodenversammlung - in tiefer Solidarität mit den von allzu vielen Prüfungen gezeichneten Völkern und als Zeuge der großen Taten, die Gott unter euch vollbracht hat - den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, die die Kirche in Afrika beseelen, widerspiegelt. Ich danke in dieser Kathedrale Kardinal Christian Tumi und den Bischöfen, die das Wort ergriffen haben: Sie haben mit Eifer von der intensiven Erfahrung der Gemeinschaft berichtet, die die Arbeiten der Synode gewesen sind, und haben das Schreiben vorgestellt, worin ich die von den Vätern angeregten Orientierungen aufgenommen habe. Ich grüße die Gläubigen der anderen christlichen Konfessionen und danke ihnen für das durch ihre Anwesenheit und die Worte ihres Repräsentanten unserer Versammlung entgegengebrachte Interesse. Einen herzlichen Graß richte ich auch an die Gläubigen des Islam sowie an die der traditionellen afrikanischen Religion und bekunde ihnen meine Dankbarkeit für ihre Teilnahme an diesem Ereignis, das die Synode für die katholische Kirche in Afrika ist. Der Papst hatte auf französisch begonnen und sagte nun auf portugiesisch: 3. Ich richte einen liebevollen Graß an die Hirten und Gläubigen der Nationen, deren offizielle Sprache Portugiesisch ist: Ich bewahre ein glückliches Andenken an meine Besuche bei euch und weiß, was für einen ganz speziellen Platz in euren Herzen ihr dem Nachfolger Petri bereithaltet. Bei dieser feierlichen Synodensitzung, die ich einberufen habe, um euch das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa zu übergeben, welches die Prioritäten und Aufgaben für die zukünftige Evangelisierung des Kontinents enthält, lasse ich im Geist das bunte Mosaik von Völkern, Gegensätzen und Herausforderungen eurer Geschichte an mir vorbeiziehen. Laßt nicht zu, daß die Unterschiede und Entfernungen unter euch zu Mauern erstarren, die euch trennen, sondern setzt euch vielmehr dafür ein, daß sie zu Gelegenheiten und Appellen werden, den außerordentlichen Reichtum des Herzens Christi zu entdecken und miteinander zu teilen: Er ist der Ort der Begegnung und Erlösung, denn in gewisser Weise ist er mit jedem Menschen vereint und hat durch sein Kreuz die Mauern der Feindschaft niedergerissen und alle in sich zu „einem“ 468 REISEN neuen Menschen gemacht. Brüder und Schwestern, seid Zeugen eines „ver“-teilten, nicht aber eines „ge“-teilten Christus! Dann auf spanisch: 4. Ich hoffe inständig, daß die kirchlichen Gemeinschaften Äquatorialguineas, indem sie die Weisungen dieser Synode in die Praxis umsetzen, es möglich machen, daß die Inkulmration der christlichen Botschaft zum Aufbau des Reiches Gottes beiträgt und ein Klima der Eintracht, des Friedens, der Achtung vor den Menschenrechten sowie einen rechten Fortschritt für alle fördert. Und wieder auf französisch: 5. Unter den behandelten Themen der Synode wurde der Inkulmration natürlich große Aufmerksamkeit geschenkt. Im Grunde geht es für die Völker der Welt darum, den menschgewordenen Sohn Gottes aufzunehmen, durch den die Men-schennatur „zu einer erhabenen Würde erhöht worden (ist)“, Ihn, der „sich ... gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“, Ihn, der „freiwillig sein Blut vergossen und uns Leben erworben (hat)“, Ihn, in dem „Gott uns mit sich und untereinander versöhnt (hat)“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Diese wesentlichen Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils leiten unsere Überlegungen auf dem Weg der Inkulturation. Jeder Mensch ist gerufen, Christus in seiner tiefen Natur aufzunehmen. Jedes Volk ist gerufen, ihn mit dem ganzen Reichtum seines Erbes aufzunehmen. Mit ihrem ganzen Sein läßt die von Christus geliebte und gerettete Menschenperson sich von seiner Gegenwart ergreifen und vom Hl. Geist reinigen. Es ist eine verwandelnde Begegnung, denn die Liebe wandelt den, der den Herrn empfängt. Und Jesus kommt zugleich in Hoheit und in brüderlicher Selbsterniedrigung; durch seine Gegenwart bereichert er, was gut im Menschen ist, und wandelt, was noch umein ist. In der Messe habe ich an das Gleichnis vom Weinstock und den Reben erinnert: Wahre Inkulturation verwirklicht sich, wenn die lebendigen Reben sich auf den Weinstock Christus pflanzen und sich vom Winzer, dem Vater, beschneiden lassen. Der Reichtum dieser Begegnung mit Christus, die die Inkulturation ist, kommt aus der einzigartigen Gabe der Erlösung, aufgenommen mit allen Kräften des in seiner Würde wiederhergestellten Wesens: Die Botschaft des Heils wird in allen Sprachen der Völker verkündet; die Gesten und die Kunst aller Kulturen drücken deren Gebetsantwort auf den Ruf zur Heiligkeit aus; in den verschiedenen Etappen des Lebens, der Arbeit, der sozialen Solidarität werden die verschiedenen Traditionen durch das Wort Gottes und die Gnade befruchtet. Von Anbeginn des Christentums an fand Inkulturation bei den Völkern statt, die sich zum Evangelium bekehrten und bei denen die Kirche Wurzeln schlug. Dieser Weg geht weiter; von Epoche zu Epoche widerspiegelt die Kirche in der Verschiedenheit die Gegenwart des Auferstandenen: Unzählige Jünger werden durch 469 REISEN die Gaben der Heiligkeit erleuchtet. Heute werdet ihr der Reichtümer der einzigen Gründung durch die Apostel und des eingebrachten Gutes, welches die lebendige Tradition bildet, teilhaftig; fahrt eurerseits mit dem Aufbau des Leibes Christi fort, ihr jungen und fruchtbaren Mitglieder der Familie Gottes, nehmt die notwendigen Reinigungen an und tragt mit dem Besten der afrikanischen Kultur dazu bei, das Antlitz der Kirche noch schöner zu machen (vgl. Ecclesia in Africa, Nm. 59-62)! 6. Damit die christliche Botschaft gut von den Afrikanern verstanden wird und das Leben eurer Kirche sich in voller Treue auf den Herrn ausrichtet, möchte ich die Rolle der Theologie unterstreichen. Ich tue das umso lieber, als wir uns nicht weit von einem der großen katholischen Universitätszentren dieses Kontinents befinden. Die theologische Arbeit ist unablässig weiterzuführen und zu vertiefen. Sie trägt offenkundig zur Inkulturation bei; diesbezüglich hat die Synode mehrere Gebiete der Forschung aufgezeigt, wo die Arbeit dringend ist (vgl. Ecclesia in Africa, Nm. 62.103). Afrika hat der universalen Kirche - ich habe es heute morgen erwähnt - bereits große Gestalten des christlichen Gedankens geschenkt. Ihr Beispiel zeigt, daß man die Reflexion nicht vom gelebten Glauben trennen kann: Tatsächlich sind die größten Theologen und Zeugen der Tradition auch Heilige. Die Forschung stützt sich notwendigerweise auf alle Mittel, über die die Wissenschaft verfügt, ohne jedoch jemals zu vergessen, daß es dämm geht, den Sinn eines Wortes des Lebens zu erforschen, das ein Geschenk Gottes in der Person des fleischgewordenen Wortes ist. Die Forschung stellt sich in den Dienst der Teilkirchen, doch dazu, daß sie mit ihren eigenen Gaben am Evangelisierungsauftrag der ganzen Kirche teilnehmen. Die Befriedigung des Theologen besteht ohne Zweifel darin, mit seiner ganzen Intelligenz ein Werk zu vollbringen; aber findet er seine wahre Freude nicht etwa darin, daß er es seinen Brüdern möglich macht, in Christus das Heil zu entdecken, ihr Leben besser auszurichten und zu klugen und überzeugenden Zeugen des Evangeliums zu werden (vgl. Ecclesia in Africa, Nm. 76.103)? Der Papst fuhr auf englisch fort: 7. Das Licht Christi bringt neues Leben und öffnet die Herzen der Menschen für die anderen. Von der Liebe, die von Gott kommt, beseelt, begegnen die Christen all ihren Brüdern und Schwestern mit wahrer Freundschaft und Wertschätzung. Sie verspüren die Notwendigkeit eines aufrichtigen Dialogs mit denen, die ihren Glauben nicht teilen. Die Synode hat auf einem solchen Dialog bestanden. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das Hauptmotiv, das echtem Dialog zugrundeliegt, deutlich hervorgehoben: „Alle Völker sind ... eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung ...; auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel. Seine Vorsehung, die Bezeugung seiner Güte und seine Heilsratschlüsse erstrecken sich auf alle Menschen“ (Nostra aetate, Nr. 1). Jeder Mensch fragt dieselben Fragen nach dem Sinn des Lebens; und in jedem Menschenherzen findet sich die- 470 REISEN selbe Offenheit für den Geist. Wir glauben, daß alle Menschen die gleiche Würde besitzen, weil sie als Abbild Gottes, ihm ähnlich, geschaffen wurden. Der Glaube, der unsere Haltung gegenüber der menschlichen Befindlichkeit beeinflußt, fordert uns auf, alle Brüder und Schwestern hochzuschätzen, mit denen wir dieselbe Menschennatur teilen, insbesondere alle Angehörigen der traditionellen Religionen und alle Bekenner des Islam. Interreligiöser Dialog ist nicht nur ein Gedankenaustausch unter Bischöfen und Theologen; er gehört sehr oft zum täglichen Leben von Familien und örtlichen Gemeinschaften, am Arbeitsplatz und in den öffentlichen Diensten. Auf der praktischen Ebene findet ein Austausch des Besten eines jeden Menschen statt: Unterstützung derer, die am meisten der Hilfe bedürfen, und gemeinsame Anstrengungen für die menschliche Entwicklung. Es ist jedoch wichtig, nicht zu vergessen, daß der „Dialog des Lebens“ zu einem „Dialog des Geistes“ führen muß und daß der interreligiöse Dialog wahrhaft vom Evangelium inspiriert ist in der Hoffnung auf das Heil (vgl. Ecclesia in Africa, Nm. 66-67). 8. Ebenso kann ich es nicht unterlassen, die Notwendigkeit eines brüderlichen Dialogs mit den Mitgliedern der mit der katholischen Kirche nicht in voller Gemeinschaft stehenden Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften hervorzuheben. Der Weg zu der Einheit aller Getauften, der vom Herrn gewollte Weg, ist zweifellos noch lang. Doch ist er - wie ich bei vielen Gelegenheiten gesagt habe - heute, da das dritte Jahrtausend herannaht, eine vorrangige Verpflichtung, und wir sind uns der Spaltungen bewußt, die überwunden werden müssen, wenn wir dem Willen Gottes treu sein wollen. Werdet nicht müde, gemeinsame Initiativen in Afrika zu unternehmen, um das Wort Gottes vollkommener in eure Sprachen und Kulturen aufzunehmen, um es denen zu verkünden, die es noch nicht empfangen haben, und um den Ärmsten der Armen zu dienen - mit einem Wort, um das zu verwirklichen, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 3,22) (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 65). Der Papst auf französisch: 9. In Gemeinschaft mit der Synode, zu der eure Bischöfe zusammengekommen sind, möchte ich hier einen Aufruf zum Dialog an das Volk Gottes in Afrika richten: Dialog unter den Christen, Dialog unter den Glaubenden der verschiedenen Religionen und Dialog unter den Völkern und Nationen. Der Dialog, beseelt von einem wirklich brüderlichen und alle achtenden Geist, setzt voraus, daß alle den Wunsch haben, das Hindernde und Trennende zu überwinden. Die Sünde, die trennt, die Feindseligkeit und der Haß, die so viele Nationen ins Unglück stürzen, sind ein Stein des Anstoßes. Brüder und Schwestern in Afrika, laßt euch mit Gott versöhnen, damit die Versöhnung unter den Menschen Frieden hervorbringen kann! Vergebt unablässig, wie auch Gott unablässig vergibt. Mögen die Gegner neu entdecken, daß sie in Wahrheit Brüder sind! Wir denken hier alle an die Wunden, die Afrika entstellen. Möge Gott sein Erbarmen über diese Erde ausbreiten! 471 REISEN Möge der Geist der Liebe und der Heiligkeit alle Herzen erfüllen (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 79)! 10. In den nächsten Tagen wird die Feier der Synode an anderen Orten weitergehen und Gelegenheit zu neuerlichen Appellen bieten. In Anwesenheit der Synodenväter aus 25 Ländern des Kontinentes ruft heute der Nachfolger Petri in Yaounde die Kirche in Afrika auf, ihre Evangelisierungssendung mit Mut zu erfüllen. In Schwierigkeiten und Prüfungen wird ihr die Unterstützung der Schwesterkirchen der ganzen Welt nicht fehlen. Und - ich lege Wert darauf, es zu sagen -durch die missionarische Dynamik, die ihr nunmehr eigen ist, bietet sie den Schwesterkirchen in anderen Weltgegenden ein anregendes Beispiel und eine wirkliche Hilfe. Laßt uns danken für diesen Austausch von Gaben! Geliebtes Afrika, gehe trotz der Armut und des Leidens, die allzu oft auf dir lasten, auf deinem Weg mit Zuversicht voran! Völker dieser geliebten Erde, die ihr soviel Liebe zum Leben habt und aus eurem uralten Erbe so kostbare Gaben schöpft, öffnet eure Herzen noch weiter für die Gute Nachricht Christi! Geliebte Kirche in Afrika, die du Früchte der Heiligkeit trägst, die du die Mutter des Herrn gerne verehrst und zu ihr betest, singe das Lob des Herrn der Herrlichkeit, dessen „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,4), des Schöpfers und Vaters der Barmherzigkeit, des Sohnes, der gekommen ist, den Weg des Heils zu öffnen, des Geistes der ewigen Weisheit! Amen. Die Ergebnisse der Afrika-Synode in Leben umsetzen Predigt bei der hl. Messe auf dem Gelände des Militärflughafens in Yaounde (Kamerun) am 15. September 1. „Alle Enden der Erde sahen das Heil unseres Gottes“ (Ps 98,3). Diese Psalmworte bekamen neue Aktualität, als Christus zu seinen Aposteln sagte: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28,19). Dieser Missionsauftrag des Herrn wurde auf dem afrikanischen Kontinent von der ersten Generation der Jünger Christi an erfüllt. Die Apostelgeschichte spricht in der Tat von der Taufe, die der Diakon Philippus einem Mann vom Hof der Königin von Äthiopien spendete (vgl. Apg 8,27-40). Und sehr schnell hat das Christentum begonnen, sich entlang der Nordküste Afrikas auszubreiten. Es war eine beachtenswerte Evangelisierung. Ihr ist es zu verdanken, daß der ganze Mittelmeerraum das erste Gebiet war, wo die Kirche Wurzeln schlug: Von Jerusalem aus breitete sie sich nach Norden über Kleinasien, Griechenland, Italien, bis nach Spanien aus, während im Süden die Evangelisierung in Ägypten, Äthiopien, Libyen und den Gebieten des heutigen Tunesien, Algerien und Marokko - mehrheitlich 472 REISEN muslimischen Ländern stattfand; damals waren es blühende Zentren des christ-hohen Lebens. Unter ihnen ist Karthago gebührend hervorzuheben, die Stadt, wo der hl. Augustinus lange gelebt hat, der Mann, der für das ganze Abendland führend wurde im christlichen Denken. „Ex Africa lux!“ Man kann die Entwicklung des christlichen Denkens nicht gründlich studieren, ohne die Abhandlungen des hl. Augustinus zu betrachten; und zweifellos wird das auch nie anders sein. Unter den Kirchenvätern ist der hl. Augustinus einer von denen, die die Theologie des Ostens mit der des Westens verbanden. Mit ihm erreicht das Denken der lateinischen Kirchenväter einen bedeutenden Höhepunkt. An ihn schloß sich im Mittel-alter auch die Entwicklung der Philosophie und der Theologie an, vor allem im Werk des hl. Thomas von Aquin. Die Theologie gibt stets Zeugnis von einem durchdachten Glauben. Und doch dachte Jesus, als er seinen Aposteln gebot, in die ganze Welt zu gehen, damit die ganze Erde das Heil Gottes sähe, zunächst an die Verkündigung des Evangeliums, das heißt an die Erst-Evangelisierung. Die Verkündigung des lebendigen Gotteswortes ist immer an das Wort des Menschen gebunden. Die Kirche hat das Evangelium natürlich in den Worten von Menschen weitergegeben, die zu ganz bestimmten Völkern oder Ländern gehörten. Auch heute noch ist das so. Auf dem afrikanischen Kontinent spricht die Kirche die Sprachen der Völker Afrikas, um ihnen die Frohe Botschaft des Wortes Gottes zu übermitteln. Durch diese Übermittlung werden die einzelnen Kulturen zu einer besonderen Würde erhoben. Die alten europäischen Nationen wissen das wohl. Die Völker Schwarzafrikas wissen es auch: Im Lauf der letzten zwei Jahrhunderte haben sie es deutlich erfahren. 2. Die Afrika-Synode - was war das eigentlich? Es war eine Versammlung der Bischöfe eures Kontinents, vereinigt in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, um die Probleme der Kirche zu untersuchen und der Evangelisierung eine Richtlinie zu geben. Der erste Teil hat voriges Jahr im April und Mai in Rom stattgefunden. Auf dem afrikanischen Kontinent vollzieht sich jetzt die zweite Phase der Arbeiten. Gemäß den mit den Kardinälen getroffenen Entscheidungen kommen wir in Afrika an drei ausgewählten Orten zusammen, um die Ergebnisse der Synodenarbeit bekanntzumachen. Auch wollen wir Gott für die Reife danken, die die afrikanischen Kirchen bei diesen Arbeiten bewiesen haben, und deren Früchte mit Freude ernten. Es ist nicht nur das Werk der Bischöfe, eurer Hirten, sondern auch das Werk aller Gemeinschaften und ihrer gläubigen Laien. Hier in Afrika hat die ganze Vorbereitungsphase der Synode stattgefunden. Zahlreiche Laien haben aktiv daran teilgenommen. Und hier, unter dem Volk Gottes der Kirchen Afrikas, wollen wir dieses große Werk zum Abschluß bringen. Ich danke dem Erzbischof dieser Diözese, Msgr. Jean Zoa, für die herzlichen Worte, die er im Namen eurer großartigen Versammlung gesprochen hat. Ich grüße den Präsidenten der Republik und die Persönlichkeiten, denen daran gele- 473 REISEN gen war, an diesem Fest der Kirche in Afrika teilzunehmen. Liebe Brüder und Schwestern, in euch grüße ich aufs herzlichste alle afrikanischen Völker, die hier durch ihre Hirten, die Synodenmitglieder, vertreten sind. Auf portugiesisch sagte der Papst, der auf französisch begonnen hatte: 3. Ich denke dankbar an die Gemeinschaften von Kap Verde, Guinea-Bissau und Säo Tome und Principe, die ich im Herrn umarme: Möge das Licht Christi jetzt in der zweiten Phase der Evangelisierung Afrikas über euch leuchten, die ihr Generationen von Missionaren aufgenommen habt, die zu den Grenzen der Erde aufgebrochen waren. Heute möchte ich euch noch einmal im Namen all jener danken, die ihr beherbergt und versorgt habt. Eure Wünsche und alles, was euer Glaube und eure Liebe an Früchten von diesem synodalen Weg des ganzen Kontinents und der afrikanischen Inseln erhofft, nehme ich am eucharistischen Tisch entgegen und hebe sie zum Himmel empor. Auf spanisch: 4. Nun möchte ich auch die Bischöfe, Priester, Ordensgemeinschaften und katholischen Gläubigen von Äquatorialguinea grüßen, die durch ihr Gebet und ihren persönlichen Beitrag zum guten Verlauf der Synode für diesen Kontinent beigetragen haben. Und wieder auf französisch: 5. Eine Synode ist stets ein besonderer Ausdruck der Gemeinschaft. Der Name sagt es: Das Wort „Synode“ bedeutet ein Zusammengehen der Wege, auf denen die Kirche in den verschiedenen Ländern und Kontinenten und in der ganzen Welt voranschreitet. In Afrika ist die Tradition der Synoden sehr alt. Sie geht zurück auf die ersten Jahrhunderte des Christentums. Es ist jedoch das erste Mal, daß wir Zeugen und Mitwirkende einer Synode sind, die den ganzen Kontinent betrifft. Diese Synode ist auf die Zukunft ausgerichtet. Sie möchte die Wege aufzeigen, die die Kirche auf dem afrikanischen Kontinent in Zukunft zu gehen hat. Das ist von großer Bedeutung in dieser Periode des Übergangs vom zweiten ins dritte Jahrtausend. Die Afrikasynode spielt eine entscheidende Rolle für die Vorbereitung aller auf den Einstieg in das dritte Jahrtausend des Christentums. Dem Willen Christi gemäß verkündet die Synode das menschgewordene Wort (vgl. Joh 1,14), das von Anbeginn an zum Heil des Menschen angekündigt wurde. Der Weg zum Heil führt jedoch über den irdischen Weg. Dieser muß daher sowohl vom Gesichtspunkt Gottes als auch vom Gesichtspunkt des Menschen her ins Auge gefaßt werden. Genau das ist der Leitgedanke der afrikanischen Synode für alle Menschen und alle Völker, die auf eurem Kontinent leben. Denn „die ganze Erde soll das Heil unseres Gottes sehen“ (vgl. Ps 98,3). 474 REISEN Der Papst sagte auf englisch: 6. Im heutigen Evangelium berichtet uns Lukas, wie Jesus von Nazaret sich zuerst den Leuten seiner Heimatstadt als der von Gott gesandte Messias vorstellte. Laßt uns noch einmal die Worte des Propheten Jesaja hören, die Jesus in der Synagoge von Nazaret vorlas: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn aus-rufe“ (ZA 4,18-19). Die Worte des Jesaja waren den Zuhörern gewiß gut bekannt. Aber als Jesus sie vorlas, verschlug es jedem den Atem, und sie hörten genau hin: Was sagte er ihnen da? Er kam doch aus ihrer Stadt, war nun dreißig Jahre alt, und seit den Tagen seiner Kindheit kannten sie ihn als den Sohn Josefs, des Zimmermanns, und Marias. Der Kommentar, den Jesus zu den Worten des Propheten gibt, ist ganz klar und einfach: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (.Lk 4,21) - in eurer Mitte hat es sich erfüllt. Was meinte Jesus damit? Die Leute in Nazaret verstanden zweifellos, daß er die Worte des Propheten auf sich selbst bezog. Sagte er zu ihnen: „Ich bin der verheißene Messias?“ Nein, er sagte einfach, daß sich die Worte des Propheten erfüllt hätten. Denen, die schon wußten, daß er die Erfüllung der Verheißung war, bestätigte er ihre Auslegung. Wenn einige noch dachten, er sei nur der Sohn des Zimmermanns, so wurde ihnen nun die wahre Bedeutung der Worte des Jesaja klarer: Jesus von Nazaret war der Christus, der Messias, gesalbt durch den Heiligen Geist und vom Vater gesandt, um „den Armen eine gute Nachricht zu bringen“. Die Wahrheit dieser Botschaft sollte später durch die Zeichen und Wunder bestätigt werden, die Jesus dann wirkte. Mit Christus traten Israel und die ganze Menschheit in den Bund der Gnade und der Freiheit der Kinder Gottes ein. Und wieder auf französisch: 7. In der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte bestätigt Petrus, was Christus in der Synagoge von Nazaret von sich selbst sagt. Petrus richtet die folgenden Worte an seine Zuhörer: „Ihr wißt, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet. Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben. Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkündigen und zu bezeugen: Das ist der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten. Von ihm bezeugen alle Prophe- 475 REISEN ten, daß jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt“ (Apg 10,37-43). Petrus verkündet den gekreuzigten und auferstandenen Christus, den Erlöser der Welt, in dem alle Menschen und alle Völker das Heil Gottes empfangen. Das, was wir auf allen Seiten der Apostelgeschichte lesen, geschieht auch in Afrika. Die Kirche hat das Erbe des Petrus empfangen, und sie verkündigt das gleiche Evangelium Christi. Sie führt die Menschen und die Völker zum Heil, das der ganzen Menschheit durch den Heiligen Geist im Ostergeheimnis Christi zuteil wurde. Auch die Afrikasynode verkündet die gleiche Wahrheit am Ende des zweiten Jahrtausends im Zusammenhang mit den Erfordernissen eures Kontinents und den Aufgaben, die euch obliegen. Auch ihr kennt Jesus von Nazaret, den Christus. Er ist durch eure Länder gezogen und weilt weiterhin in ihnen und in euren Gemeinschaften, immer Gutes tuend. Ganz besonders im Lauf des vergangenen Jahrhunderts seid auch ihr, Einwohner von Schwarzafrika, seine Zeugen geworden. Er hat euch die Wahrheit über Gott, unseren Vater, gelehrt, der jeden Menschen liebt, der danach strebt, in der Furcht Gottes zu leben und zu tun, was recht ist, in jeder Nation, jedem Volk und Stamm (vgl. Apg 10,34-35). 8. Die afrikanische Synode, die in dieser Woche auf eurem Kontinent stattfindet, möchte euch das Schlußdokument - die Frucht ihrer Arbeiten - vorstellen. Unter den Themen, die besonders hervorgehoben werden, verdient das der Inkulturation besondere Aufmerksamkeit, denn es ist mit der Verkündigung der Frohen Botschaft an die Völker und Nationen eures Kontinents und mit deren Eintritt in das Leben nach dem Evangelium verbunden. Die Nationen leben von ihrer Kultur. Das Evangelium wird - wie man gesagt hat - in die Kulturen „eingeschrieben“ und erneuert sie. So empfinden es die Menschen und die Völker Afrikas, und darum suchen sie dieses Thema ins Licht zu rücken. Wir wollen heute also diesen Begriff der Inkulturation vertiefen. Das Gleichnis vom Weinstock und den Reben, das bei Johannes zu finden ist (vgl. Joh 15,1-11), kann uns dabei in besonderer Weise helfen. Die Kultur ist nichts anderes als die Tätigkeit des Kultivierens. Im Gleichnis wird der himmlische Vater zu Recht als Winzer dargestellt. Er sorgt für den Weinberg. Er sorgt für diesen Weinberg der Menschheit, indem er seinen Sohn sendet. Er sendet ihn nicht nur als Träger einer Heilsbotschaft. Er sendet ihn als ein Edelreis, das den Reben die Möglichkeit geben soll, im göttlichen Weinberg Wurzel zu fassen. Darum ist der Sohn Gottes, der wahrer Gott und gleichen Wesens mit dem Vater ist, Mensch geworden. Er ist Mensch geworden, damit das Menschengeschlecht, dem er als Edelreis aufgepfropft wurde, veredelt werde und auf diese Weise das neue Leben besitze. Das Ziel besteht darin, die Menschheit in allen Völkern, welcher Rasse oder Hautfarbe sie auch sein mögen, beständig und allmählich zu veredeln. Wenn darin die Kultur, d. h. die Kunst, den Weinberg des großen afrikanischen Kontinents zu kultivieren, besteht, dann besteht Inkulturation in all dem, was die 476 REISEN Anwesenheit Christi in euren afrikanischen Kulturen bestätigt, also in euren Sprachen, eurer Literatur, euren Gesängen und Tänzen, in der Art, die Eucharistie zu feiern, und auch in der Art, euer tägliches Leben zu leben. Sind wir bei dieser Begegnung nicht Zeugen all dessen? Ist diese Liturgie in Yaounde, in Kamerun, nicht wirklich etwas Ureigenes - so wie auch die Liturgie der anderen Kirchen des Schwarzen Kontinents? In wenigen Augenblicken werdet ihr eure Gaben, Brot und Wein, zum Altar bringen, die Gaben, die wir darbringen, damit unter den Gestalten von Brot und Wein Christus sein Opfer in unblutiger Weise erneuere. Die Art und Weise, wie ihr diese Gaben zum Altar bringt, ist ganz und gar afrikanisch. Sie geschieht unter der Begleitung von Gesängen und Tänzen, wie man sie in anderen Erdteilen nicht findet. Afrika spricht zu Gott mit den Früchten seiner Erde und den Früchten der Mühen seiner Hände. „Gepriesen bist du, Herr des Alls ...“ Gott, von deiner großen Güte haben wir dieses Brot, haben wir diesen Wein empfangen; wir bringen sie dir dar. Möge das Brot uns Nahrung zum Heil werden! Möge der Wein uns Getränk des Geistes werden, denn Christus, dein Sohn, der in der Eucharistie die Gaben des Menschen annimmt, nimmt sie in sein unersetzliches Opfer auf, das Er, der Ewige Sohn, dir darbringt, Ewiger Vater! In wenigen Augenblicken werde ich mit meinen Brüdern im Bischofs und im Priesteramt an den Altar des Herrn treten, um das Opfer des Gottesvolkes an diesem bedeutsamen Ort des afrikanischen Kontinents darzubringen. Wir bitten den Herrn, er möge die Früchte der Bischofssynode annehmen, damit auf lange Zeit die Richtung, die die Kirche auf eurem Kontinent einzuschlagen hat, gut abgesteckt und Christus als Erlöser der Welt und Guter Hirt immer mehr in eurer Mitte sei. Ja zu Versöhnung und Koexistenz Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von Johannesburg (Südafrika) am 16. September Herr Präsident, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe südafrikanische Freunde! 1. Von ganzem Herzen danke ich dem allmächtigen Gott, daß er mich noch einmal nach Afrika geführt hat, auf jenen Kontinent, dem meine ganz besondere Zuneigung und Sorge als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus gilt. Ich komme nach Südafrika mit großer Achtung für seine Völker und Kulturen. Ich bin sicher, daß die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Republik Südafrika und dem Hl. Stuhl, die im vergangenen Jahr die Aufnahme gegenseitiger diplomatischer Beziehungen ermöglichten, sich weiterhin festigen und intensivieren wer- 477 REISEN den. Ich hoffe auch, daß es mir bald möglich sein wird, zu einem weiteren Pasto-ralbesuch zurückzukommen, der jenen katholischen Gemeinden gewidmet sein wird, die ich jetzt leider nicht besuchen kann. Wohin wir auch schauen, sehen wir ein sich wandelndes Afrika. Noch ist unklar, wohin dieser Wandel führen wird. Wir wissen aber, daß die Hoffnungen und Erwartungen von Millionen von Menschen nicht ignoriert werden können. Sie sind eine moralische Herausforderung für uns alle. Daher ist meine jetzige Reise von besonderer Bedeutung, in erster Linie für mich selbst und die Mitglieder der katholischen Kirche, aber auch, so hoffe ich, für all diejenigen, denen das Wohl Afrikas am Herzen liegt. Zweck meines Besuches ist es, die Ergebnisse der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika darzulegen, die im vergangenen Jahr in Rom stattgefunden hat. Die Synode bestärkt die Kirche darin, sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die spirituelle und die volle menschliche Förderung der afrikanischen Bevölkerung einzusetzen. Überall in Afrika wird die katholische Gemeinschaft nach innerlicher Erneuerung streben, um jedem in Liebe zu begegnen in der Überzeugung, daß sich der Sohn Gottes in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). 2. Heute führt mich meine Reise nach Südafrika, in das neue Südafrika, eine Nation, die entschlossen den Weg der Versöhnung und der harmonischen Koexistenz aller Bürger eingeschlagen hat. Zu Beginn meines Besuchs möchte ich Ihnen, Herr Präsident, meine Hochachtung ausdrücken, der Sie nun, nachdem Sie ein stummer und leidgeprüfter ,(Zeuge“ für das Verlangen Ihres Volkes nach wahrer Befreiung waren, die Last tragen, jeden für die Aufgabe der nationalen Aussöhnung und des Wiederaufbaus zu gewinnen und herauszufordem. Ich erinnere mich an unsere Begegnung im Vatikan im Juni 1990, kurz nach Ihrer Freilassung. In Ihren freundlichen Begrüßungsworten erkenne ich heute den gleichen Geist, der Sie auch damals darin bestärkte, ein besseres Leben für die Menschen dieser Nation zu verwirklichen. Wir alle sind Ihnen und dem früheren Präsidenten, F. W. de Klerk, den beiden Nobelpreisträgern von 1993, für ihr umsichtiges und mutiges Handeln zu Dank verpflichtet. Und laßt uns in unseren Gebeten all diejenigen Gott anvertrauen, die für den Tag gearbeitet und gelitten haben und sich weiterhin mühen, an dem die Würde eines jeden voll anerkannt und überall in diesem Land und auf diesem Kontinent geachtet und gewährleistet sein wird. 3. Südafrika bezeichnet sich selbst als „Regenbogennation“, um die Verschiedenheit der Rassen und Volksgruppen, der Sprachen, Kulturen und Religionen hervorzuheben, die so kennzeichnend für das Land sind. Auch habt ihr den vielsagenden UBUNTU-Begriff, der euch führen kann, entsprechend den Worten: „Menschen werden zu Menschen durch andere Menschen.“ Zweifellos werden die Bemühungen der Nationalen Einheitsregierung, alle Menschen dieses Landes in einer geeinten, gerechten und wohlhabenderen Gesellschaft zusammenzubringen, 478 REISEN von den Verantwortlichen der verschiedenen Religionen in Südafrika, den Christen, den Juden, den Muslimen, den Hindus und den traditionellen Religionsgemeinschaften geteilt, die ich alle von Herzen und voll Hochachtung grüße. Indem sie an dem festhalten, was vereint, können alle Gläubigen, ihre geistigen Kräfte nutzend, „gemeinsam bauen“, um die Hamme der Hoffnung am Horizont des Wegs der Menschheit in eine bessere Zukunft nicht erlöschen zu lassen. 4. Mit ganz besonderer Freude grüße ich meine Brüder im Bischofsamt und die Gläubigen der katholischen Kirche des gesamten südlichen afrikanischen Kontinents. Ich habe gehofft und gebetet, unseren Glauben hier in der Republik Südafrika gemeinsam feiern zu können und euch in der Aufgabe zu bestärken, die Wunden früherer Ungerechtigkeiten heilen zu helfen und das moralische Empfinden einzelner wie ganzer Völker im Hinblick auf die Anforderungen ihrer menschlichen Würde und des christlichen Dienstes zu prägen. 5. Mit Freuden reiche ich den Vertretern der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften in Südafrika die Hand der Freundschaft. Wir dürfen nichts unversucht lassen, damit die zwischen uns bereits bestehende intensive ökumenische Beziehung und Kooperation auch weiterhin eine Quelle tiefer und beständiger Harmonie bleibt: Damit wir auf der höheren Ebene unseres gemeinsamen Glaubens an den Herrn Jesus Christus mehr und mehr zu überzeugenden Zeichen und Werkzeugen der Einheit der ganzen Menschenfamilie wie ihrer innigsten Vereinigung mit Gott werden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Wohin ich auch gehe, rufe ich die Verantwortlichen der Religionen und alle Männer und Frauen guten Willens zur Förderung dieses Einvernehmens und Dialogs auf, denn durch ihn allein können wir uns kennenlemen, Vorurteile abbauen und den ernsten Problemen unserer Zeit erfolgreich entgegenwirken. 6. Der tiefgreifende Wandel, um den sich Südafrika bemüht, verlangt das Beste, das jeder einzelne für das Wohl aller geben kann. Er wird harte Arbeit und viele Opfer verlangen. Der Erfolg wird letzten Endes ein Geschenk des Allmächtigen, des Herrn über das Leben und die Geschichte der Menschheit, sein. Möge er Sie, Herr Präsident, die Vizepräsidenten und die Mitglieder Ihrer Regierung wie auch alle Ihre Mitbürger bei dieser schweren Aufgabe, die Sie nun vor sich haben, unterstützen! Ich mache den Psalm „Der Herr gebe Kraft seinem Volk. Der Herr segne sein Volk mit Frieden“ (29,11) zu meinem persönlichen Gebet Gott segne euch alle! 479 REISEN Afrika wird leben! Ansprache bei der zweiten Synoden-Festversammlung in der Kathedrale von Johannesburg (Südafrika) am 17. September Liebe Brüder im Bischofsamt, Priester, Diakone und Seminaristen, liebe Ordensschwestern und Ordensbrüder, Mitglieder der Laienschaft, liebe afrikanische Freunde! 1. Ich erhebe mein Herz in Lob und Dank zu Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, daß er mich nach Afrika geführt hat, um das von der Vorsehung gegebene Geschenk der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode zu feiern. Hier in Johannesburg in Südafrika sind wir in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche in diesem südlichen Teil des Kontinents vereint, um das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa zu veröffentlichen, das die von den Synodenvätem am Ende der Arbeits-Session im April und Mai 1994 in Rom gemachten Vorschläge enthält. Mit der apostolischen Vollmacht, die dem Nachfolger Petri eigen ist, lege ich der ganzen Kirche Gottes in Afrika und Madagaskar die Erkenntnisse, Überlegungen und Beschlüsse der Synode vor. Ich tue es mit derselben geistlichen Freude und demselben Vertrauen auf den Herrn, die die Bischöfe veranlaßt haben, sie „Synode der Auferstehung, Synode der Hoffnung“ zu nennen (Botschaft der Synode, Nr. 2; in: O.R.dt. v. 10. 6. 1994, S. 7). Sie wußten, auf wen sie ihr Vertrauen gesetzt hatten: „Christus, unsere Hoffnung, lebt; auch wir werden leben!“ 0ebd.). Ja, Afrika wird leben! 2. Nach zweitausend Jahren bleibt die Verkündigung des Evangeliums vom Heil in unserem Herrn Jesus Christus das vorrangige und allumfassende Ziel des Lebens und der Sendung der Kirche. In den wechselnden Umständen von Zeit und Ort führt und erneuert der Heilige Geist die kirchliche Gemeinschaft, um das Neue des Lebens in Christus Jesus bekanntzumachen (vgl. Röm 6,4). Die Inspiration und Erneuerung, die der Geist der ganzen Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil vermittelt hat, hat er nun durch die Synode für die speziellen Umstände in Afrika weiter erläutert und zur Geltung gebracht. Der Geist drängt die Kirche in Afrika, eine „Missionskirche, die selbst missionarisch wird“ (Ecclesia in Africa, Nr. 8), zu sein. Über die Kraft des Evangeliums, die rettet (vgl. Röm 1,16), nachdenkend, haben die Bischöfe der Synode für Afrika wirklich wichtige Fragen ins Auge gefaßt und sich miteinander bemüht, angemessene Antworten zu finden. In diesem Sinn bilden die Früchte der Synode, die in dem Apostolischen Schreiben dargelegt sind, eine Art pastoralen Aktionsplan für die Kirche in Afrika bei ihrem Bemühen, ihrer Berufung und Sendung treu zu sein, und beim Dienst an der leidenden Menschheit in dieser veränderlichen und turbulenten Periode der Geschichte. 480 REISEN 3. Auf der Synode haben die Bischöfe den unerschütterlichen Glauben und den standhaften Einsatz ihrer Gemeinden bezeugt. Sie haben in lebendiger Weise die Bedingungen, unter denen sie und ihre Helfer täglich die Seelsorge an ihrem Volk versehen, beschrieben. Oft mußten sie aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung von „besonders besorgniserregenden Situationen“ sprechen, in denen die meisten Afrikaner leben: „die allgemeine Verschlechterung der Lebensqualität, unzureichende Mittel für die Ausbildung der jungen Menschen, das Fehlen der elementaren Dienste bei der medizinischen und sozialen Versorgung mit der Konsequenz des Anhaltens endemischer Krankheiten, die Ausbreitung der entsetzlichen Geißel AIDS, die drückende und bisweilen untragbare Last der internationalen Verschuldung, der Schrecken der von einem skrupellosen Waffenhandel genährten Bruderkriege, das beschämende und beklagenswerte Drama der Flüchtlinge und Vertriebenen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 114). Die moralische Beurteilung dieser Situation durch die Synode ist sowohl mitleidsvoll als auch streng. Wie Christus, der Mitleid mit der Menge hatte, hat die Synode den Angstschrei der Ohnmächtigen und Wehrlosen vernommen. Wie Christus, der seine Entrüstung über die Geldwechsler im Tempel kundtat, haben die Bischöfe die üblen Taktiken und Handlungsweisen angeprangert, die so viele ihrer Brüder und Schwestern ihres materiellen und geistigen Wohls, ihrer Menschenwürde und Menschenrechte und nicht selten auch des Lebens beraubt. Die Synodenväter haben klar erkannt, daß die Situation der Entmenschlichung und Unterdrückung, wovon ihre Völker betroffen sind, die kirchliche Gemeinschaft vor eine „Krisis“ - im ursprünglichen Sinn von „Entscheidungssituation“ - und eine Herausfordemng stellt: vor die Krise der Umkehr, Heiligkeit und Integrität, um glaubwürdige Zeugen sein zu können - vor die Herausforderung, das ganze Potential der evangelischen Botschaft von der Gotteskindschaft zur Entfaltung zu bringen, um die Männer und Frauen unserer Zeit von der Sünde und den „Strukturen der Sünde“ zu befreien. 4. Es ist wahr: Afrika weist eine lange, traurige Geschichte der Ausbeutung durch andere auf (vgl. Predigt zur Eröffnung der Synode für Afrika, 10. April 1994, Nr. 7). Heute besteht diese Situation in neuen Formen weiter, sie schließt die erdrückende Last der Schulden, ungerechte Handelsbedingungen, Lagerung schädlicher Abfallstoffe und die Überfordemden Bedingungen struktureller Anpassungsprogramme ein. Nicht nur die Kirche, sondern auch viele internationale Organismen und das im März dieses Jahres von den Vereinten Nationen in Kopenhagen veranstaltete Gipfeltreffen für Soziale Entwicklung haben Hilfsprogramme und wirtschaftliche Maßnahmen verlangt, um durch Unternehmungen zur Ausmerzung der Armut, durch Ankurbelung der Beschäftigungsmöglichkeiten sowie durch alle Gesellschaftsbereiche erfassende Hilfen zu aktiverer Beteiligung an öffentlichen Debatten, die sich auf politische Praktiken beziehen, einen wirklichen sozialen Fortschritt und eine wirkliche soziale Entwicklung zu fördern. 481 REISEN Es gibt noch einen anderen Afrika beeinträchtigenden Faktor, der ernstlich in Betracht gezogen werden muß: der internationale Waffenhandel. Ich mache mir die Empfehlungen der Synode zu eigen und richte einen Appell an die Länder, die an Afrika Waffen liefern, davon Abstand zu nehmen, und ich bitte die afrikanischen Regierungen, „auf die übermäßigen Militärausgaben zu verzichten, um mehr Mittel für die Erziehung, das Gesundheitswesen und den Wohlstand ihrer Völker aufzuwenden“ (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 118). In portugiesischer Sprache sagte der Papst: 5. In der Tat wendet sich die Synode eindringlich und mit großer Hoffnung an die Afrikaner selbst, denn in erster Linie müssen sie selbst die Erbauer einer besseren Zukunft sein. Unter den Übeln, die einmütig von den Synodenvätem verurteilt wurden, tritt eines wegen seiner besonders ernsten Folgen für die Afrikaner hervor: die ethnischen Entzweiungen und Spannungen, die manchmal zu unheilvollen Verbrechen führen, wie es in letzter Zeit in Ruanda und Burundi geschehen ist. Die Kirche in Afrika ist sich der mit einer solchen Zwietracht verbundenen Herausforderung zutiefst bewußt, und sie fühlt die dringende Verantwortung, die daraus entstandenen Folgen zu heilen. Die Synode kann an den Millionen von Flüchtlingen und der noch größeren Zahl der Vertriebenen auf afrikanischem Boden nicht vorbeisehen. Naturkatastrophen, Hungersnöte, Kriege und menschliche Vergehen haben bewirkt, daß eine Unmenge von Menschen in ihrem Leben alles verloren hat, Menschen, deren Leid kein Ende nehmen will. Das aber ist kein Problem von Statistiken allein: Es geht um unsere Brüder und Schwestern, die der Hilfe der internationalen Gemeinschaft bedürfen, die der Hilfe Afrikas bedürfen. Die Gründe ihrer maßlosen Tragödie müssen beseitigt werden. Allen, die sich der Bedürfnisse der Flüchtlinge annehmen, gebührt unsere ganze Dankbarkeit. Ich denke vor allem an viele Ordensleute und Freiwillige, die alle Widerwärtigkeiten überwinden und sich aufopfem, um diesen unglücklichen Menschen zu Hilfe zu kommen und ihnen Schutz zu bieten. Ebenso ist sich die Synode bewußt, daß „viele Problematiken des Kontinents die Folge eines häufig von Korruption durchsetzten Regierungsstils sind“ (Ecclesia in Africa, Nr. 110); sie ermahnt die Kirche in Afrika, alles Mögliche zu tun, um die Gewissen aufzurütteln und die Entschlossenheit zur Änderung voranzutreiben. Die Synode hat darum ihr Gebet um redliche und fähige Führungspersönlichkeiten an den Herrn gerichtet, denn sie weiß, daß es „große Geschicklichkeit in der Kunst des Regierens“ erfordert, um „tiefgreifende Unterschiede in Einklang zu bringen, alte ethnisch bedingte Feindschaften zu überwinden und sich in eine Weltordnung zu integrieren“ (ebd., Nr. 111). Die Frage, die alle für das politische Leben in Afrika Verantwortlichen sich hinsichtlich ihres politischen Handelns stellen müssen, lautet: „Welche Folgen entstehen daraus für das Volk?“, und vor allem: „Welche Folgen hat es für die Armen?“ Ein Modell wirtschaftlichen Wachstums, das nicht 482 REISEN imstande ist, den wirklichen und unmittelbaren Notwendigkeiten des betreffenden Volkes zu entsprechen, verletzt die schuldige Achtung vor dessen Würde. Ein charakteristischer Zug im neuen politischen und sozialen Klima in einem Großteil Afrikas ist das zunehmende Verlangen der Völker nach größerer Respektierung des Wertes der Gesetze und nach stärkerer demokratischer Beteiligung am Leben des eigenen Landes. Das ist gewiß ein wichtiger Schritt in der rechten Richtung. Es ist ein Prozeß, der unterstützt und ermutigt werden muß durch die Hinführung der öffentlichen Meinung zu den Verantwortlichkeiten der Demokratie und durch Unterstützung der notwendigen und friedlichen Umgestaltung der Institutionen. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft hängt zum großen Teil von der Art und Weise ab, wie es diesem Prozeß gelingt, das Volk dazu zu bringen, daß es sich für den Aufbau seiner nationalen Zukunft einsetzt. Wieder auf englisch sagte der Papst: 6. Afrika fordert die Kirche heraus, denn es ist ihre universale Sendung, überall die Völker auf dem Weg zu ihrer vollen Befreiung, zu ihrer Erlösung in Jesus Christus, dem Sohn Gottes und Erlöser des Menschen, zu erleuchten, zu begleiten und zu ermutigen. Ja nur dann, wenn die Heilsbotschaft - die „Kraft des Evangeliums, die rettet“ (vgl. Röm 1,16) - in den Herzen der einzelnen Menschen und im Kern ihrer Kultur durch Katechese, Gebet und Gottesdienst Wurzel faßt, wird die kirchliche Gemeinschaft der Gesellschaft wirklich einen wahrhaft prophetischen Dienst leisten. Als die Synodenväter die Kirche in Afrika aufriefen, sich immer aktiver in den Kampf „für die Verteidigung der Personwürde, für Gerechtigkeit und sozialen Frieden, für die Förderung, Befreiung und vollständige Entfaltung des Menschen und jedes Menschen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 69) einzusetzen, kam darin das unzerbrechliche Bindeglied zwischen Evangelisierung und menschlichem Aufstieg zur Sprache (vgl. ebd., Nr. 68). Es darf keine Zweiteilung geben zwischen dem Gebot, Gott mit ganzem Herzen und aus ganzer Seele zu lieben, und dem Gebot, unseren Nächsten wie uns selbst zu heben und uns deshalb in Aktivitäten für Gerechtigkeit und soziale Umgestaltung zu engagieren. Aus demselben Grund betonte die Sonderversammlung die Bedeutung des ökumenischen Dialogs mit anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, sowie mit der traditionellen afrikanischen Religion und dem Islam (vgl. ebd., Nr. 49). Auf diese Weise trägt die Kirche wirksam bei zur brüderlichen Koexistenz von Völkern über ethnische, kulturelle, nationale und soziale Unterschiede hinaus. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt und Mitglieder der Kirche, der Familie Gottes: Diesen Synodenteil des feierlichen Abschlusses wollte ich auf afrikanischem Boden begehen, um bei den großen Herausforderungen, die vor euch hegen, die Solidarität der Umversalkirche mit den Ortskirchen dieses Kontinents zum Ausdruck zu bringen. Meine Anwesenheit soll die Verpflichtung neu bekräftigen, die die ganze Kirche diesem Kontinent gegenüber hat. Ich wiederhole, was ich bei einem früheren Besuch sagte:„In manchen Regionen reicht die Präsenz des Christentums 483 REISEN bis auf dessen Anfänge zurück; andere hat es in neuerer Zeit erreicht. In allen Fällen hat sich die Kirche aktiv um die Erziehung der Jugend, die Betreuung der Kranken und die menschliche und geistliche Entwicklung der Völker Afrikas bemüht. Sie hat das nicht im Interesse ihrer eigenen Stellung und noch weniger in der Absicht getan, den Afrikanern eine fremde Lebensweise aufzuzwingen. Sie setzt heute ihr Apostolat und ihre guten Werke fort, um für die fundamentale Hoffnung, auf die sie baut, Zeugnis zu geben: die Hoffnung, daß die gesamte Menschheit geeint wachse und so einer immer innigeren Gemeinschaft mit Gott entgegengehe“ (Abschiedsworte in Khartum, 10. 2. 1993, Nr. 3; in: O.R.dt., 5.3.93). Afrika! Mit der Stimme der Synode versichere ich dir feierlich, daß die Kirche, verkörpert im Leben deiner eigenen Söhne und Töchter, auch weiterhin die Bürde deiner Probleme und die Schwierigkeiten deines Weges in eine bessere Zukunft mit dir teilt. Sie wird nicht aufhören, dich in deiner Suche nach größerer Gerechtigkeit, nach Frieden und Versöhnung, nach einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung, die der Würde der menschlichen Person entspricht, zu unterstützen und zu ermutigen. Vor allem wird sie nicht aufhören, dir die unergründlichen Reichtümer Christi anzubieten, der das „Licht der Nationen“ ist. Ihm sei die Ehre, die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen. Der Geist der Wahrheit ist die echte Quelle des Friedens Predigt bei der Eucharistiefeier mit 500.000 Gläubigen in Johannesburg (Südafrika) am 17. September „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“, sagt der Herr (Joh 14,27). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Jedesmal, wenn wir die Eucharistie feiern, hören wir diese Worte, bevor wir einander ein Zeichen des Friedens geben und die hl. Kommunion empfangen. Es sind die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl, als er von seinen Jüngern Abschied nahm, bevor er sein Leiden und seinen Tod auf sich nahm. Er wußte, daß sein Leiden auch für sie eine schwere Prüfung sein würde, und so sagte er: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht“ (ebd.). Es war, als nähme er den Augenblick des Ostersonntags vorweg, wo er durch die verschlossenen Türen des Abendmahlssaales zu ihnen zurückkommen und zu ihnen sagen würde: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,21-22). Heute rufe ich diesen Frieden auf alle Menschen Südafrikas herab. Herzlich grüße ich Bischof Orsmond, den Hirten der Ortskirche Johannesburg, sowie alle Mitglieder der Katholischen Bischofskonferenz des Südlichen Afrika und der Interregionalen Bischofsversammlung des Südlichen 484 REISEN Afrika. Ich grüße den Klerus, die Ordensleute und die gläubigen Laien; unsere Brüder und Schwestern anderer christlicher Denominationen und religiöser Traditionen; die Vertreter der Obrigkeit von Stadt, Provinz und Nation. Ein besonderes Wort des Grußes und Dankes sage ich Seiner Exzellenz Präsident Mandela für seine freundliche Anwesenheit - und ebenso den Vizepräsidenten und den anderen Vertretern der Behörden. Der Friede Christi ist nicht irgendein Friede. Er ist nichts anderes als die Ausgießung des Heiligen Geistes, „des Herrn und Lebenspenders“. Am Gründonnerstag nannte Jesus den Heiligen Geist mit dem Namen „Beistand“. Er sagte: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt“ (Joh 14,16-17). Der Beistand, der Geist der Wahrheit, ist die echte Quelle des Friedens: des Friedens, der von Gott kommt und stärker ist als alles, was im Leben der Menschen zu Kummer und Sorge Anlaß gibt. 2. Wenn wir das heutige Evangelium betrachten, erfahren wir die Wahrheit über den Frieden. Wir hören das Evangelium vom Frieden, das die Kirche der Menschheit und der Welt immer wieder neu verkündet. Jedes Jahr begeht die Kirche am 1. Januar den Weltfriedenstag, um die Aufmerksamkeit auf dieses unermeßlich große Gut zu lenken und es zu erflehen, wo immer es fehlt: wie in Europa auf dem Balkan und in Afrika vor allem in Ruanda und Burundi, dem Sudan, Algerien und bis vor kurzem in der Republik Südafrika - wegen der Apartheid. Die ganze Kirche atmet auf, und überall freuen sich die Menschen über den Wandel, der in den letzten Jahren in Südafrika stattgefunden hat. Angesichts dessen, was hier geschieht, hoffen die Männer und Frauen guten Willens, daß auch in anderen Teilen dieses Kontinents und in der ganzen Welt die Gewalt dem Dialog und der Verständigung weichen und das Leben schuldloser Männer, Frauen und Kinder nicht länger bedroht sein wird aus Gründen, die sie meist weder gutheißen noch verstehen. Die Kirche glaubt, daß der Friede ein Geschenk Gottes, aber zugleich auch eine uns allen anvertraute Aufgabe ist. Euch allen - meinen Brüdern im Bischofsamt, den Katholiken von Johannesburg sowie den anderen Diözesen Südafrikas und der Nachbarländer, unseren Brüdern und Schwestern anderer christlicher Denominationen sowie denen, die sich zu anderen religiösen Traditionen bekennen, allen Männern und Frauen, welcher Herkunft, Rasse oder Kultur sie auch seien -möchte ich die Worte der heutigen Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja wiederholen: ,3ahnt eine Straße, ebnet den Weg, entfernt die Hindernisse auf dem Weg meines Volkes! ... Friede, Friede den Femen und den Nahen“ (57,14.19). 3. Die Aufforderung, tatkräftig für den wahren Frieden zu arbeiten, ist der Leitgedanke der heutigen Liturgiefeier hier im „Gosforth Park“, wo wir versammelt sind, um in feierlicher Form die Ergebnisse der Sonderversammlung der Bischofssy- 485 REISEN node für Afrika vorzulegen: das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa. In der Tat ist eines der Themen, denen die Synode besondere Aufmerksamkeit widmete, der Zusammenhang zwischen dem Evangelium von unserer Erlösung durch den Glauben an Jesus Christus und der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden auf allen Ebenen der menschlichen Beziehungen. Dieser Zusammenhang, der immer im Denken und Handeln der Kirche gegenwärtig ist, und die daraus sich ergebende Pflicht der Christen, eine ihrer Menschenwürde werte Gesellschaft aufzubauen, wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil neu in den Vordergrund gerückt besonders in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes, die vor genau dreißig Jahren promulgiert wurde. Ein unmittelbares Ergebnis dieses erneuerten Bewußtseins vom Zusammenhang zwischen Evangelisierung und menschlicher Befreiung war die Errichtung des Päpstlichen Rats „für Gerechtigkeit und Frieden“, der entsprechende Kommissionen in jeder Bischofskonferenz und tatsächlich in den meisten Diözesen der Welt hat. Vom Päpstlichen Rat sind im Lauf der Jahre viele beachtenswerte Initiativen ausgegangen. Nicht zuletzt verdient das Treffen in Assisi im Jahre 1986 erwähnt zu werden, zu dem Christen aller Denominationen und Vertreter der Weltreligionen zum Gebet für den in diesem Augenblick der Geschichte stark bedrohten Frieden zusammenkamen. Können wir nicht sagen, daß die Ereignisse in der Folge gezeigt haben, daß dieses Gebet in der Stadt des hl. Franziskus wirklich erhört wurde, insofern als der seitdem eingetretene Wandel in der Weltsituation nicht nur für die Kontinente Europa und Amerika, sondern für alle Völker neue Möglichkeiten öffnet? Die veränderte Weltsituation hat eine tiefe Auswirkung auf Afrika gehabt. Die Zeit der ideologischen Gegensätze ist vorbei, die tatsächlichen Probleme der Völker Afrikas müssen nun mit allen verfügbaren Mitteln in Angriff genommen werden. Das Apostolische Schreiben, das hier jetzt veröffentlicht wird, ist kein Plan für die materielle und politische Entwicklung - diese gehört in die Zuständigkeit verantwortlicher Bürger und Führer in jedem Land. Es bietet eine Sicht der moralischen Pflicht, die jedem zukommt, und zeigt den Weg, den die Kirche einzuschlagen beabsichtigt, um dem Gesamtwohl der afrikanischen Völker zu dienen. Die Kirche weiß um das ungeheure Maß der Herausforderungen, die damit verbunden sind. Sie wendet sich daher ihrem Herrn zu und der Kraft und Inspiration, die aus der verwandelnden Macht seines Wortes und seiner sakramentalen Gegenwart kommen. 4. „Christus ist unser Friede“ (vgl. Eph 2,14), sagt die Lesung aus dem Brief an die Epheser. Und Paulus setzt diesen großartigen Kommentar hinzu: , Jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Feme wart, durch Christus Jesus, nämlich durch sein Blut, in die Nähe gekommen“ {Eph 2,13). Durch die Hingabe seines Lebens an den Vater wurde Christus am Kreuz zum Urquell einer neuen Beziehung zwischen den Menschen und Völkern. Paulus erklärt das so: Christus hat die beiden Teile des Menschengeschlechtes vereinigt und die Wand, die sie trennte, niedergerissen 486 REISEN (vgl. Eph 2,14). „Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet“ (Eph 2,16). Er bezieht sich auf die Denkweise Israels, die die Mitglieder des auserwählten Volkes von den übrigen, von Gott nicht bevorzugten Völkern trennte. Wenn Jesus Christus die Trennungswand niederriß, so bedeutet das, daß in Christus alle Männer und Frauen und alle Völker von Gott erwählt sind: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen ...; denn ihr alle seid ,einer’ in Christus Jesus“, schreibt der hl. Paulus im Brief an die Galater (3,28). Jede Diskriminierung von Herkunft, Rasse und Sprache ist überwunden! Der Papst, der bisher englisch gesprochen hatte, sagte auf portugiesisch: Die erste Herausforderung für die Völker Afrikas ist jetzt eine Bekehrung zur Solidarität in Großmut, gegenseitigem Verzeihen und Versöhnung. Manchem mögen diesen Worte zu hoch für ihre Anstrengungen und Vorsätze erscheinen. Doch ist es der einzig mögliche Weg, um aus dem moralischen Defizit von Rassenvorurteilen und Völker-Rivalitäten herauszukommen. Wahre Solidarität ist möglich, denn wir gehören alle zu der einen Menschheitsfamilie. Unsere Erschaffung nach dem Bild Gottes ist das Fundament und die Wurzel unserer Menschenwürde und daher jedes Rechtes wie auch der Rechte der Nationen. Der Tod und die Auferstehung Jesu Christi geben unserem Einsatz für die Sache des Friedens und der Solidarität eine neue und höhere Motivation. Und wieder auf englisch: 5. Der Prophet Jesaja ruft: „Bahnt eine Straße, ebnet den Weg, entfernt die Hindernisse auf dem Weg meines Volkes!“ (57,14). Die Afrika-Synode richtet diesen Ruf und diese Aufforderung an alle Völker dieses Kontinents. In besonderer Weise ergeht dieser Ruf und diese Aufforderung an die Frauen Afrikas. Die Synode beschäftigte sich eingehend mit den besonderen Lasten, die auf euren Schultern liegen, mit den besonderen Ungerechtigkeiten, denen ihr ausgesetzt seid, mit den Gewalttätigkeiten und Verbrechen, die gegen euch begangen werden. Die Kirche in Afrika beklagt alles, was euch eurer Rechte und der euch gebührenden Achtung beraubt (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 121). Die Kirche weiß, daß ihr, die Frauen Afrikas, eine unersetzliche Rolle bei der Vermenschlichung der Gesellschaft zu spielen habt. Ihr habt ein feineres Empfinden für das, was die Forderung nach Gerechtigkeit und Frieden beinhaltet, weil ihr dem Geheimnis des Lebens und dem Wunder seiner Weitergabe besonders nahesteht. Darum appelliert die Kirche an euch, jedes menschliche Leben - von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Tod - zu achten, zu schützen, zu lieben und ihm zu dienen! Als Mütter gebt ihr euren Kindern das Leben und erzieht sie zum Leben. Jedes Blutvergießen verletzt euer ureigenstes Wesen. Mit all eurer Energie seid ihr darauf bedacht, das Leben zu schützen, das in euch empfangen wurde, das Leben, das der Gegenstand eurer großen Liebe ist. Die Geschichte zeigt, daß 487 REISEN Kriege vor allem von Männern geführt werden. So war es immer, und so ist es heute noch. Was könnt ihr tun, um diese Situation zu ändern? Niemand kann so wie ihr die Realität der Achtung vor jedem Menschenwesen lehren. Indem ihr zu Achtung und Liebe erzieht, lehrt ihr Frieden und dient dem Frieden: in euren Familien, in euren Ländern und in der Welt. Das Thema meiner diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag war: „Die Frau, Erzieherin zum Frieden.“ Und kürzlich habe ich einen Brief an die Frauen der Welt geschrieben und dazu aufgerufen, daß überall die Würde der Frauen anerkannt werde; ich bin nachdrücklich für eine wirksame und kluge Aktion zur Förderung der Frauen eingetreten (vgl. Nr. 6). 6. Angesichts der ungeheuren Aufgabe, die Gewissen zu Gerechtigkeit und Frieden zu erziehen, wendet sich die Kirche an eine Frau um Inspiration und Hilfe: an Maria, die Mutter Christi, die Königin des Friedens. Die Christen haben Maria immer in Zeiten der Gefahr und in Schwierigkeiten angerufen. Ihr wollen wir die Förderung der Gerechtigkeit und des Friedens in Afrika anvertrauen. Ich tue das mit um so größerem Vertrauen, als ich gewiß bin, daß die Kirche auf diesem Kontinent, wenn die Lehre der Synode weitherum verbreitet und angewandt wird, dessen Völker zu einem Leben führen wird, das immer mehr ihrer gottgegebenen Würde entspricht. Mit Maria verkündet die ganze Kirche in Afrika die Größe des Herrn, weil er auf seine Armen schaut, um die, die im Herzen voll Hochmut sind, zu zerstreuen und die Niedrigen zu erhöhen; er beschenkt die Hungernden mit guten Gaben und nimmt sich seiner Knechte an (vgl. Lk 1,46-52). Möge Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, das in uns vollbringen. Amen. Aufbau einer afrikawürdigen Zukunft Angelus am 17. September Liebe Brüder und Schwestern! Während unsere Eucharistiefeier zu Ende geht, wenden wir uns voll Liebe an die seligste Jungfrau Maria und bitten um ihren Schutz für diese geliebte Nation und für ganz Afrika. Maria, Mutter des menschgewordenen Wortes! In deinem Schoß wurde der Sohn Gottes in unsere Menschheitsfamilie eingegliedert. Blicke auf diese wunderbare Vielfalt von Völkern, die diese Nation bilden. Durch deine Fürbitte mögen die Südafrikaner jeden Mann und jede Frau als verwandte Gotteskinder und als geliebte Geschwister betrachten! Der Papst hatte seine Ansprache in englisch begonnen und fuhr in portugiesisch fort: Maria, Königin des Friedens! Du hast Jesus Christus, den Erlöser der Menschheit, geboren, der am Kreuz die Mauern der Sünde und Trennung niedergerissen und die Völker aller Rassen, Nationen und Sprachen versöhnt hat. Wache über die Na- 488 REISEN tionen Afrikas, die auf dem Weg sind, die Unterdrückungen der Vergangenheit zu vergessen und eine neue Zukunft für seine Bewohner aufzubauen. Durch deine Fürsprache möge jede Spur von Haß, Voreingenommenheit und Angst der befreienden Kraft der Achtung, der Hochschätzung und der Liebe weichen! In Sesotho sagte der Papst weiter: Maria, Mutter der Hoffnung! Du hast auch in den dunkelsten Stunden des Leidens und Sterbens deines Sohnes auf die Erfüllung der Verheißung Gottes vertraut. Schaue auf alle, die verunsichert sind und Angst haben oder der Versuchung zur Gewalt nachgeben. Durch deine Fürbitte möge die Macht der Auferstehung Christi allen, die sich um den Anbruch eines neuen Tages der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität bemühen, Freude und Kraft bringen! Abschließend sagte der Papst in englisch: Maria, Königin Afrikas! An der Seite deines Sohnes in Herrlichkeit lebst du jetzt in der Fülle des Friedens seines Reiches. Durch deine Fürbitte mögen alle Afrikaner sich vereinen zum Aufbau einer Zukunft, die der Söhne und Töchter dieses Erdteils würdig ist. Durch deine Fürsprache möge das Erbe der geistlichen Traditionen Afrikas zur Suche nach neuen und wahren menschlichen Modellen des Fortschritts und der Entwicklung anregen. Möge die Afrikanische Synode für alle Christen ein Ansporn sein und sie dazu ermutigen, gemeinsam für die Ausbreitung des Evangeliums zu arbeiten und ein frohes Zeugnis für Christus, den Erlöser, zu geben! Zu dir, heilige Mutter Gottes, erheben wir unser Gebet. Mut zu Gerechtigkeit und Frieden Ansprache bei der Abreise von Johannesburg (Südafrika) am 18. September Liebe Freunde! 1. Mein kurzer Besuch in Südafrika geht nun zu Ende und ich muß Weiterreisen, um auch den Kirchen in einem anderen Teil dieses geliebten Kontinents die Botschaft der Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika zu erkunden. Ich danke Gott und auch allen Menschen in Südafrika für die große Gastfreundschaft, mit der sie mich in diesen Tagen empfangen haben. Ich werde euch alle in mein Gebet einschließen, insbesondere die Jugend, die Kranken, die Armen und all diejenigen, die noch immer um der Gerechtigkeit und des Friedens willen leiden. Ein ganz besonderes Wort des Dankes richte ich an Präsident Mandela und die staatlichen Behörden, die diesen Besuch ermöglicht haben und bei den verschiedenen Anlässen zugegen waren. Ich danke den Vertretern der Behörden und den zahlreichen Freiwilligen, die jede mögliche Unterstützung geleistet haben. Mein 489 REISEN Dank gilt auch den Vertretern von Presse, Rundfunk und Fernsehen, die dieses Ereignis in andere Teile Afrikas und in alle Welt übertragen haben. 2. Auch den katholischen Bischöfen und den Gläubigen möchte ich meine tiefe Dankbarkeit und Anerkennung aussprechen. Gemeinsam haben wir gebetet und die Geheimnisse unseres Glaubens gefeiert. Wir haben Gottes Segen und Schutz für die Kirche und die Gesellschaft erfleht. Ich trage die Bilder und Klänge eurer freudigen Annahme der Ergebnisse der Afrikasynode mit mir fort. Eure hochherzige Bereitschaft, ihre Entscheidungen und Richtlinien auszuführen, sind mir eine große Ermutigung in diesem Moment, wo sich die gesamte Kirche in stets größerer Einheit mit ihrem gekreuzigten und auferstandenen Herrn auf das dritte christliche Jahrtausend vorbereitet. Ich versichere unseren christlichen Brüdern und den Anhängern anderer Religionen, daß die katholische Gemeinschaft, durch ihre Antwort auf das Streben der Völker dieses Kontinents nach wahrer Würde, Freiheit und Frieden, eine Intensivierung der ökumenischen Zusammenarbeit und des interreligiösen Dialogs für notwendig erachtet. Auf dem Weg gegenseitiger Achtung und Freundschaft können wir für das Wohl aller Zusammenarbeiten. Getrennt können wir nur die Verwirklichung von wahrer Gerechtigkeit und wahrem Frieden verzögern. 3. Die moderne Geschichte Südafrikas beweist, daß Frieden der Sieg des menschlichen Geistes ist, der beschließt, Spaltungen und Konflikten ein Ende zu setzen, um den Weg der Vergebung und Brüderlichkeit zu gehen. Eine Nation, die inmitten von Schwierigkeiten jeder Art neu beginnt, braucht die Kooperation und Solidarität aller. Frieden verlangt weit mehr Mut als jene sinnlose Verwegenheit, die es auch weiterhin gäbe, wenn an den alten Methoden der Gewalttätigkeit festgehalten würde. Wenn es auch wichtig ist, daß die Wahrheit über die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit aufgedeckt und, wo notwendig, Verantwortungen geklärt werden, so ist es noch wichtiger, daß die sich entwickelnden Keime einer gerechten und harmonischen vielrassigen Gesellschaft gepflegt werden und heranreifen können. Ganz Afrika, ja die ganze Welt, verfolgt jeden eurer Schritte, im Bewußtsein, daß jeder Erfolg auf dem Weg zu einer gerechteren, humaneren und ihrer Bürger würdigen Gesellschaft ein Sieg für jeden von uns ist, denn er birgt die Hoffnung und Inspiration ähnlicher Erfolge anderswo. Möge Gott all denjenigen seinen Segen spenden, die sich, ohne Diskriminierung, für Gerechtigkeit und Eintracht unter den Völkern Afrikas einsetzen! Möge der Allmächtige seinen Frieden in die Herzen aller Südafrikaner ausgießen! Lebt wohl! Gott segne euch alle! 490 REISEN In Sorge um das Schicksal der afrikanischen Bevölkerung Ansprache bei der Ankunft in Nairobi (Kenia) am 18. September Exzellenz, verehrte Regierangsmitglieder, lieber Kardinal Otunga, meine lieben Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Bevölkerung Kenias! 1. Ich danke dem allmächtigen Gott, dessen wunderbare Vorsehung es mir ermöglicht hat, zum dritten Mal in dieses schöne Land zurückzukehren. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für Ihre freundlichen Willkommensworte. Ich grüße die Vertreter der staatlichen Obrigkeiten, deren Anwesenheit ich als Zeichen der Freundschaft und unseres gemeinsamen Wunsches betrachte, dem Wohl aller Menschen in Kenia zu dienen. Mit aufrichtiger Hochachtung grüße ich die ganze Nation: die gesamte Bevölkerung in ihrer so vielfältigen Abstammung und Kultur. Voller Dankbarkeit für die große Herzlichkeit eurer traditionellen Gastfreundschaft sage ich: „Wananchi wote, wananchi wote wapenzi - Liebes Volk, mein liebstes Volk!“ 2. Mit meiner gegenwärtigen Reise durch Afrika feiern wir die Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika. Dieses wichtige Treffen bekräftigte die tiefe Verpflichtung der katholischen Kirche gegenüber ihrer spirituellen und humanitären Aufgabe auf diesem Kontinent. Als universaler Hirte der katholischen Kirche war es mein Wunsch, zu diesem Zeitpunkt nach Afrika zu reisen, um meine Glaubensbrüder und -Schwestern in der treuen Nachfolge des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus zu bestärken und sie aufzufordem, sich mit nie versagender Hochherzigkeit der von der Synode vorgeschlagenen schwierigen Aufgabe zu widmen: der neuen Evangelisierung, in einem frischen Geist des Dienstes an den Menschen dieses Kontinents. Mit ganz besonderer Freude begrüße ich daher Kardinal Otunga und meine Mitbrüder im Bischofsamt in Kenia wie auch die Vertreter der ostafrikanischen Bischofskonferenzen. Insbesondere freue ich mich auf die Begegnung mit der Geistlichkeit, den Ordensleuten und Laien in der allerheiligsten Handlung unserer Gottesverehrung, der heiligen Eucharistiefeier. Ich komme als Freund Kenias: als jemand, der den Hoffnungen, den Prüfungen und Erfolgen aller Kenianer, ohne Unterschied, nahesteht. Durch die Erfüllung ihrer geistlichen Sendung fördert und schützt die Kirche die Würde, die Freiheit und die Entwicklung der menschlichen Person. In konkreter Hinsicht verwirklicht sie das durch ihre zahlreichen Schulen und Bildungsprojekte, durch ihre karitativen, gesundheitsfördernden und sozialen Einrichtungen, durch ihre intensiven Bemühungen zur Förderung gesellschaftlichen Fortschritts. Die Kirche in Kenia kann unter der Führung der Bischöfe auf eine solide Tradition des Dienstes für das Gemeinwohl zurückschauen, und ich bin sicher, daß, im Inte- 491 REISEN resse der Nation, jedem ein größeres Maß an gegenseitigem Vertrauen und Zusammenarbeit wünschenswert erscheint. 3. Liebe Freunde, ich bin mir durchaus der Bedeutung bewußt, die Kenia, und insbesondere Nairobi, als Handels-, Kommunikations-, Bildungs- und Kulturzentrum und als Sitz vieler internationaler Organisationen und Vertretungen für den gesamten afrikanischen Raum hat. Ich komme als jemand, der um das Schicksal der afrikanischen Bevölkerung tief besorgt ist. Afrika steht am Scheideweg. Seine Menschen und ihre Führer müssen all ihre Weisheit aufbringen, um die schwierige und dringende Aufgabe einer Entwicklungsförderung zu meistern, die nicht nur wirtschaftlicher und materieller Natur ist, sondern auch den Aufbau einer Kultur einschließt, die die Achtung aller Mitglieder der Gesellschaft, ihrer Rechte und Freiheiten wie auch die spirituelle Natur eines jeden voraussetzt; eine Kultur, die auf den besten Traditionen dieses Erdteils begründet ist, die Menschen über Materielles stellt; eine Kultur, die Einvernehmen, Harmonie und Kooperation und keine spaltenden Tendenzen fördert. Soziale Einheit und Solidarität sind auch unter den besten Voraussetzungen nicht leicht zu verwirklichen. Umso schwieriger wird es, wenn durch ethnische, politische und gesellschaftliche Trennungen das in den Herzen der Menschen verankerte Verlangen nach wahrem Frieden unterdrückt wird. Die Kirche ist ein Verbündeter aller, die sich für ein besseres Afrika einsetzen. Sie wird weiterhin den Weg der Eintracht und des Friedens lehren, denn im Evangelium heißt es: „Selig, die Frieden stiften“ (Mt 5,9). Sie wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Armen, die Schwachen und diejenigen zu schützen, die ohne Stimme sind, denn: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“ (Mt 5,6). Die Afrikasynode, die der Anlaß meiner Reise war, ist ein providentielles Geschenk für die Kirche und die gesamte afrikanische Gesellschaft. Die Synode ruft die Kirche auf, in allen Afrikanern die Hoffnung auf die wahre Befreiung zu stärken. Unsere Zuversicht, daß dies möglich sein wird, ist in jenem Versprechen Gottes begründet, das uns versichert, daß unsere heutige Geschichte nicht in sich abgeschlossen ist, sondern für die umwandelnde Gnade und Liebe Gottes offensteht (vgl. Ecclesia inAfrica, Nr. 14). Ich erflehte Gottes reichen Segen für euch alle und danke euch für den freundlichen Empfang. 492 REISEN Die Familie - erste Stätte der Evangelisierung Predigt bei der Eucharistiefeier in Nairobi (Kenia) am 19. September „Laßt uns preisen den Herrn, den Quell des Lebens“ (Antiphon) Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Im vorigen Jahr hielt die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode ihre Arbeitssitzung in Rom, beim Grab des Apostels Petrus. Jetzt, ein Jahr später, sind die Ergebnisse der Synode in dem nachsynodalen Schreiben Ecclesia in Africa zusammengefaßt, und der Nachfolger des Petrus kommt zur Kirche in Afrika, um alle aufzufordem, der Botschaft der Synode Beachtung zu schenken und sie in die Praxis umzusetzen. Mit Freude grüße ich meinen Heben Bruder, Kardinal Otunga, und die Mitgheder der Bischofskonferenz von Kenia wie auch die Bischöfe der Vereinigung von Bischofskonferenzen in Ostafrika (AMECEA). Ich grüße die Priester, die Diakone und die Seminaristen, die Ordensschwestern und Ordensbrüder, die Laien - Männer und Frauen, jung und alt. Herzlich heiße ich die Mitgheder der anderen christlichen Denominationen und die Anhänger anderer rehgiösen Traditionen willkommen. Ein spezieller Gruß geht an Seine Exzellenz den Präsidenten sowie an die anderen Vertreter der Behörden der Stadt und des Staates, denen ich für ihre geschätzte Anwesenheit danke. Mit innigem Dank Gott gegenüber mache ich diese Reise durch Afrika. Jeder Abschnitt dieser Reise zur Feier des Synodenabschlusses hebt den einen oder anderen Leitgedanken der Synode hervor: in Yaounde, Kamerun, die lebenswichtige Frage der Evangelisierung der Kultur und der Inkulturation; in Johannesburg, Republik Südafrika, die Frage von Frieden und Gerechtigkeit in Gesellschaft und Kirche; und hier in Nairobi, der Hauptstadt von Kenia, richten wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Träger der Evangehsierung, insbesondere die Familie. 2. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 1,3). Mit diesen Worten aus dem Brief an die Epheser wendet sich diese ganze eucharisti-sche Versammlung an den Vater, zu dem die Kirche jeden Tag das „Gebet des Herrn“ betet. Wir wenden uns an Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Durch ihn, das Ewige Wort, wird Afrika - der Kontinent von Familien, Rassen und Völkern - sowie die ganze menschliche Geschichte in Gottes ewigen Plan eingebracht, der verwirkhcht wurde in Christus, dem einziggezeugten Sohn, geboren von der Jungfrau Maria durch die Kraft des Heiligen Geistes. Unsere Herzen wenden sich dem Vater zu, der uns in Christus mit allem geistlichen Segen beschenkt und uns vor Beginn der Welt in ihm erwählt und uns in Liebe im voraus dazu bestimmt hat, durch Christus seine eigenen, angenommenen Kinder zu sein (vgl. Eph 1,3-5). Aufgrund der treueh Liebe des Sohnes zu uns sind wir erlöst worden, und unsere Sünden wurden durch sein Blut vergeben. Darum sagen wir: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem.“ 493 REISEN Der gekreuzigte und auferstandene Herr wurde zum Haupt der Kirche, seines mystischen Leibes, der auf dem Pilgerweg ist zur Fülle der Zeit, zum endgültigen Kommen des Herrn, wenn die ganze Schöpfung mit der Herrlichkeit des lebendigen Gottes erfüllt wird. Das ist der Glaube, den wir jeden Tag in der Eucharistiefeier bekennen, wenn wir nach der Wandlung sagen: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit. 3. Ich habe den brennenden Wunsch, in diese Eucharistiefeier hier in Nairobi die ganze große Familie der Völker Afrikas einzuschließen, angefangen mit dem Volk Kenias. Auf kiswahili sagte der Papst: Christus ist unser Friede! Volk Kenias, werde nie müde, um den Frieden zu beten und für den Frieden zu arbeiten! Auf französisch: Um diesen Altar möchte ich die Völker Kameruns und der Südafrikanischen Republik vereinen, die ich soeben verlassen habe; die Völker von Zaire, die noch darum bemüht sind, einen demokratischen Zusammenschluß zustandezubringen, und die Völker des Kongo, die Völker von Malawi und Mosambik, von Sambia und Simbabwe, von Lesotho und Swasiland, von Botswana und Namibia. Ich lade die Völker Angolas, die seit langen Jahren vom Bürgerkrieg gequält sind, zu diesem Altar ein. Ich rufe die Völker von Senegal, von Kap Verde, von Säo Tome und Principe, die Völker der Sahelzone, von Burkina Faso, Niger, Mali und Mauretanien. Ich rufe Tunesien, Marokko und Algerien - Länder mit muslimischer Mehrheit, in denen es seit den ersten Jahrhunderten des Christentums auch Christen gibt. Ich rufe die Elfenbeinküste, Ghana, Togo und Benin, Gambia, Guinea-Bissau, die Republik Guinea, Äquatorialguinea, Gabun, Sierra Leone und Liberia. Ich wende mich nach Zentralafrika und lade die zahlreichen, nahezu hundert Millionen Menschen zählenden Völker von Nigeria ein sowie die Zentralafrikanische Republik und das Uganda der Märtyrer. Ich mfe Ägypten, Libyen und den Sudan, wo ich vor einigen Jahren die Reliqien der seligen Josephine Bakhita verehrt habe. Sie wurde in ihrer Kindheit als Sklavin verkauft; nachdem sie befreit worden war, empfing sie die Taufe und wurde Ordensfrau; sie führte ein beispielhaftes Leben; zur Ehre der Altäre erhoben, wurde sie zur himmlischen Patronin ihres so sehr von Unruhen zerrissenen Heimatlandes, zur himmlischen Patronin des Sudan. Ich rufe die Völker von Burundi und Ruanda. Ich erinnere mich lebhaft an meine Besuche in diesen herrlichen Ländern zur Friedenszeit. Heute aber denken wir alle mit Traurigkeit, mit Besorgnis an den furchtbaren ethnischen Konflikt, der immer noch latent besteht, nachdem er so viele unschuldige Opfer verschlungen hat. Während der Afrikasynode haben wir, die Hirten der Kirche, die Pflicht empfun- 494 REISEN den, unsere große Bestürzung zum Ausdruck zu bringen und einen Aufruf zur Vergebung und Versöhnung zu erlassen. Nur durch sie lassen sich die Bedrohungen zerstreuen, die über dem Afrika des Ethnozentrismus hängen, der in der letzten Zeit Ruanda und Burundi so brutal betroffen hat. Zu dieser großen eucharistischen Versammlung rufe ich die Völker des Tschad und der alten Länder Äthiopien, Somalia, Eritrea und Dschibuti. Unsere Gedanken wandern nach Tansania, an den Fuß des Kilimandscharo. Ich grüße Madagaskar und die Inseln des Indischen Ozeans mit ihren Völkern afrikanischen und indischen Ursprungs, Mauritius, Reunion, die Seychellen und die Komoren. Wieder auf englisch sagte der Papst: 4. Ich habe früher die meisten dieser Länder besuchen und der großen afrikanischen Völkerfamilie begegnen können. Wo das noch nicht möglich war, dorthin hoffe ich eines Tages noch zu kommen. Oft wird die Frage gestellt: Warum besucht der Papst Afrika so oft? Ein hervorstechender Grund ist der: Afrika ist der Kontinent der Familie, und die Zukunft des Evangelisierungsauftrags der Kirche geht durch die Familie. Am höchsten Punkt seines Schöpfungswerkes rief Gott den Menschen ins Dasein, „als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Weiter sagt das Buch Genesis: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Heisch“ (Gen 2,24). Durch die Vereinigung von Mann und Frau wird immer wieder das Wunder der Schöpfung erneuert; das Wunder, durch das der Schöpfer ein neues Wesen nach seinem Bild und Gleichnis ins Dasein ruft. Das Ehepaar, Mann und Frau vor Gott zusammengeschlossen, bildet eine einzige Einheit, die bleibend und unauflöslich sein muß, wenn die Familie eine echte Gemeinschaft des Lebens und der Liebe werden soll, wenn sie die Zukunft ihrer Kinder sicherstellen soll, wenn sie die „Hauskirche“ und der Hauptort der Evangelisierung sein soll, wie es die Afrikasynode gefordert hat. In Afrika ist die Familie grundlegend! Die afrikanische Gesellschaft ist tief in der Familie verwurzelt! Das ist ein Schatz, der erhalten werden muß und nie zu gering bewertet werden darf, denn jede Schwächung der Familie bildet eine Quelle kaum zu bewältigender Probleme. Wenn eine utilitaristische und materialistische Auffassung von der Familie vorherrscht, dann sind ihre Glieder auf Erwartungen aus und stellen individualistische Anforderungen. So entzweien sie die Einheit der Familie und ihre Fähigkeit, Harmonie aufzubauen und in Solidarität zu erziehen. Wo hingegen die Familie als Wert in sich selbst gesehen wird, begreifen die Mitglieder, daß ihr persönliches Wohl zusammengeht mit ihrer Verpflichtung zu Liebe, Achtung und gegenseitiger Hilfe. Ihre liebende Verbundenheit und gegenseitige Unterstützung helfen ihnen, zusammen allen möglichen Herausforderungen entgegenzutreten und viele schwierige Momente zu überwinden. 5. Kana in Galiläa spricht zu uns über die Familie und über Evangelisierung. Jesus ging mit seiner Mutter und den Aposteln dorthin zu einem Hochzeitsfest. Als seine 495 REISEN Mutter darauf aufmerksam machte, daß kein Wein mehr da war, verwandelte er das Wasser in Wein. Maria spielte bei diesem ersten Wunder Jesu eine besondere Rolle. Ihr mütterliches Feingefühl wollte dem Paar eine Beschämung ersparen, denn sie wußte, daß ihr Sohn sie nicht enttäuschen würde. So sagte sie zu den Dienern: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Jesus trägt ihnen auf, die Krüge mit Wasser zu füllen und dem Tafelmeister etwas davon zu bringen. Als der Tafelmeister es versucht hatte, rief er den Bräutigam und sagte: „Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zuviel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten“ (Joh 2,10). Was an diesem Abschnitt auffällt, ist die Tatsache, daß der Herr seine messianische Tätigkeit von der Familie aus begann. Kana in Galiläa sagt uns, daß die Familie der erste Ort der Evangelisierung ist. Es sagt uns, daß, wenn auch beide Eltern in allem für die Familie verantwortlich sind, es doch die Mutter ist, die gewöhnlich in der Evangelisierung die erste ist. Maria war es, die sagte: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Die Erfahrung zeigt, daß oft christliche Mütter die ersten sind, die die Wahrheit über Gott lehren und als erste ihre Kinder die Hände falten lehren und mit ihnen beten. Mütter lehren ihre Kinder, Gutes vom Bösen zu unterscheiden. Sie lehren sie die Gebote Gottes, sowohl die Gebote, die Gott dem Mose auf dem Berg Sinai gab, als auch die Gebote der Gottesliebe und der Nächstenliebe, die Jesus in die Herzmitte des christlichen sittlichen Lebens stellte. Die wunderbare Berufung und Verantwortung der Eltern, und in erster Linie der Mütter, besteht nicht nur darin, Kinder zur Welt zu bringen, sondern sie zu geistiger Reife zu führen. Die Familie ist die natürliche Umgebung, in der diese Aufgabe erfüllt werden kann. Die Erziehungsrolle der Familie ist nie leicht, aber sie ist immer ein hohes und edles menschliches Unternehmen. Noch ehe es in Pfarreien und Schulen geschieht, sind Väter und Mütter die Lehrer der Seligpreisungen, die im heutigen Evangelium verkündigt wurden. Die Seligpreisungen bilden das volle Programm des christlichen Lebens: des Lebens im Geist und in der Wahrheit (vgl. Joh 4,23). Sie lehren uns Barmherzigkeit zeigen, Reinheit des Herzens bewahren, einander lieben und Frieden aufbauen. Sie lehren Armut vor Gott, und das ist der größte Reichtum des Menschen. Sie lehren uns, Traurige trösten, Hunger und Durst haben nach dem, was recht ist. Sie lehren uns Sanftmut, das heißt jenes innere Schweigen, das uns zur Kontrolle über uns selbst und über unsere Angelegenheiten befähigt. Ebenso lehren uns die Seligpreisungen, Verfolgungen um der Gerechtigkeit willen leiden. Sie sind das Gesetz derer, die der Fülle des Himmelreiches entgegenwandem, wo Gott uns alle Tränen aus den Augen wischen wird (vgl. Offb 21,4). Darum sagt Jesus: „Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,12). 6. In ihrer Aufgabe, den Geist des Evangeliums zu übermitteln, haben christliche Familien ein vollkommenes Vorbild in der Heiligen Familie von Nazaret. Wir sollten nicht meinen, in der Heiligen Familie habe es keine Probleme, Prüfungen und Leiden gegeben. Die Heilige Familie kannte Armut, Gefahr, Verfolgung und 496 REISEN Flucht. Harte Arbeit bildete die sich wiederholende Bedingung des täglichen Lebens. Glückliches Familienleben bemißt sich nicht daran, daß es keine Notlagen gäbe, sondern an dem Mut, der Treue und der Liebe - zueinander und zu Gott -, womit die Familienmitglieder Prüfungen begegnen und sie entweder überwinden oder annehmen als Ausdruck des Willens Gottes und als Gelegenheiten, am Erlösungsopfer Jesu Christi Anteil zu haben. In unserem Glauben und unserer Frömmigkeit ragt die Heilige Familie als das lebendige Evangelium des Lebens, das Evangelium der Arbeit und das Evangelium der Liebe hervor. Zur Eröffnung und zum Abschluß des noch nicht lange zurückliegenden Jahres der Familie, einer Initiative der Vereinten Nationen, die der Heilige Stuhl als geistliche und moralische Herausforderung aufgriff, ging ein Päpstlicher Legat nach Nazaret, um jenes Jahr in besonderer Weise der Heiligen Familie zu weihen. Während eben jenes Jahres fand die Arbeitssitzung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode statt. Das war ein providentieller Ansporn für die Synodenväter, die Bedeutung der Familie in der Evangelisierung zu betonen und die Kirche selbst als Familie Gottes in Afrika und in der Welt zu sehen. 7. Mögen die afrikanischen Familien in der Heiligen Familie von Nazaret den sicheren Weg für ihre Reise durch die sozialen Umwälzungen finden, die sie materiell und geistig aus ihren gesunden Wurzeln auszureißen drohen! Mögen die christlichen Familien dieses Kontinents spüren, daß die Kraft und Freude des Heiligen Geistes über sie ausgegossen wird für die große Aufgabe, evangelisiert zu sein, um zu evangelisieren. Auf kiswahili fügte der Papst hinzu: Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen, und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe. Alleluia. Amen. Zum Flüchtlingselend Am Ende dieser hl. Messe möchte ich sagen, wie sehr ich die lebhafte Teilnahme aller geschätzt habe. Mit euren Gesängen und Tänzen und Gesten habt ihr uns allen geholfen, Gott mit Freude zu verehren. Ich weiß, daß die Kenianer fröhliche Leute sind. Seid immer so! Und besonders ihr jungen Leute! Kenia ist voller prächtiger junger Leute! Lebt weiterhin euren Glauben mit Mut, Hingabe und Freude. Ihr seid die Hoffnung der Kirche, ihr seid die Zukunft Afrikas! Werdet ihr dieser Hoffnung und dieser Verantwortung entsprechen? Vergeßt nie, der Herr ist bei euch. Seid also stark und hochherzig! Folgt dem Herrn, wohin auch immer er euch führt! Ich danke den Pfaireien, Gruppen, Bewegungen und Vereinigungen für ihre Anwesenheit. Und ich grüße auch herzlich euch alle, die ihr aus anderen afrikanischen Ländern gekommen seid. Gott segne euch alle! 497 REISEN (Französisch:) Am Ende dieser Eucharistiefeier, die ein schönes Fest Afrikas war, möchte ich die Hirten und die Gläubigen französischer Sprache grüßen, die zum Teil von sein-weit her gekommen sind. Insbesondere spreche ich den Flüchtlingen aus Ruanda und aus Burundi meinen liebevollen Trost zu. Liebe Flüchtlinge, wißt, daß ich euch mehr denn je nahe bin und euren unermeßlichen Schmerz teile. Was in euren Ländern vor sich geht, ist eine schreckliche Tragödie, die ein Ende nehmen muß. Wißt, daß ihr nicht allein seid und daß der Papst und die Kirche mit euch sind. Ich versichere euch, daß ich weiterhin alles mir Mögliche tun werde, damit ihr die Hilfe empfangt, die ihr braucht, und damit ihr nach Hause zurückkehren könnt. Ich bitte Gott, euch in eurem Leiden zu stärken und das Kreuz, das ihr tragt, weniger schwer sein zu lassen. Den schwierigen Weg des Kreuzes gehen Ansprache bei der dritten Synoden-Festversammlung in Nairobi (Kenia) am 19. September „Die Bischöfe Afrikas ... betonten ihren festen Glauben daran, daß die Allmacht und Barmherzigkeit Gottes vor allem in der erlösenden Menschwerdung des Sohnes Gottes offenbar geworden sind, des Sohnes, der eines Wesens mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes ist... Das - beteuerten die Synodenväter - ist unser Glaube, es ist der Glaube der Kirche, es ist der Glaube aller über den afrikanischen Kontinent verstreuten Ortskirchen, die sich auf dem Weg zum Haus Gottes befinden“ (Ecclesia inAfrica, Nr. 10). In diesem Glauben grüße ich Sie, Heber Kardinal Otunga, Hirte der Kirche in Nairobi, und euch, meine Brüder, ihr Bischöfe von Kenia, von Afrika und Madagaskar und aus anderen Teilen der Welt. Ich grüße auch meine Brüder im Priesteramt und die Diakone und die Seminaristen, die Ordensleute und die gläubigen Laien der Familie Gottes in Afrika. Ich grüße unsere Freunde aus den anderen christlichen Gemeinschaften und aus anderen religiösen Traditionen. 1. Die Kirche, durch die wir Zugang zum Vater haben durch Christus in dem einen Geist (vgl. Eph 2,18), diese Kirche kömmt vom Vater. Auf ihrem Pilgerweg zurück zu ihm geht sie durch die Welt, also auch durch Afrika. Zu dieser Welt muß sie von dem sprechen, „was im Himmel ist“ (vgl. Kol 3,1). Da das dritte Jahrtausend näherkommt, ruft der Geist die Kirche auf, daß sie, immer eindringlicher und immer stärker dessen bewußt, was für das Wohl der MenschheitsfamiHe auf dem Spiel steht, die volle und echte Befreiung verkündige, die durch Jesus Christus kommt. Die Kirche in Afrika hat diesen Ruf des Geistes bei der Sondersitzung für Afrika der Bischofssynode gehört. In Einheit mit ihren Hirten hat die ganze ka- 498 REISEN tholische Gemeinschaft sich verpflichtet, sich in Heiligkeit zu erneuern, ständig in einem Zustand der Sendung zu sein und mit Mut und unerschütterlicher Hoffnung mit den Männern und Frauen dieses Kontinents den schweren Weg des Kreuzes zu gehen. Was der Geist von der Kirche in Afrika will, wird sich als reife Frucht ergeben, wenn alle Glieder der Kirche sich mit ganzer Hingabe einsetzen - Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien -, um das Pastoralprogramm zu verwirklichen, das die Synodenväter erarbeitet haben und das jetzt in dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa dargelegt ist. Das Schreiben erinnert daran, daß der Apostel Petrus in einem entscheidenden Augenblick des öffentlichen Lebens Jesu seinen Glauben und den der anderen Apostel mit folgenden bedeutsamen Worten bekannte: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,68). Als Nachfolger des Petrus habe ich mich von Herzen darauf gefreut, noch einmal nach Afrika zu kommen, um euch darin zu bestärken, daß ihr auf dem Weg zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 die Ergebnisse der Synode zum Ziel und Leitfaden eures kirchlichen Lebens macht. 2. Das Dokument selbst ist aber nur ein Werkzeug und ein Anfang. Was zählt, ist die wirkliche Erneuerung der Glieder der Kirche und die immer hochherzigere Erfüllung ihres Auftrags und Dienstes. Die Kirche ist dazu da, die Sendung des Sohnes in der Kraft des Heiligen Geistes weiterzuführen und der Menschenfamilie die Frohe Botschaft der Erlösung zu bringen. Um aber die Gnade und die Lebendigkeit zu besitzen, das Evangelium vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn zu verkündigen und zu bezeugen, muß die Kirche selbst, muß die Gemeinschaft ihrer Glieder vollkommen evangelisiert sein. In Gottes Plan ist die Kirche kein Mittel, dessen man sich zu irgendeinem menschlichen Unternehmen, sei es auch noch so edel und nützlich, bedient. Da die Kirche aus der liebenden Hand des Vaters zu uns kommt, ist sie vielmehr das Zeichen und Werkzeug für die Gemeinschaft der Menschheitsfamilie mit Gott selbst und für die tiefste Einheit der Menschheit. Wenn Afrika zersplittert und zerteilt ist, muß die Kirche als die Familie Gottes ein Vorbild der Einheit für die Gesellschaft sein. Wenn Afrika von Armut, Korruption, Ungerechtigkeit und Gewalt verwundet ist, muß die Kirche eine heilende, versöhnende, vergebende und helfende Gemeinschaft sein. Liebe ist die bindende Kraft dieser Gemeinschaft, in der niemand so arm ist, daß er nichts zu geben, und niemand so reich ist, daß er nichts zu empfangen hätte. Liebe zu Gott und Liebe zu jedem Menschen, vor allem zu den Armen und Schutzlosen, das ist die motivierende Kraft der Evangelisierungssendung, zu der ihr berufen seid. Die Liebe drängt die, die Christus nachfolgen, sein Licht und seine Heilung bis zu den Enden der Erde zu tragen: und darum auch in jeden Winkel Afrikas. 499 REISEN 3. Zu Beginn dieses Jahres war es mir vergönnt, den Weltjugendtag mit Millionen junger Menschen in Manila in den Philippinen zu begehen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich die Bischöfe treffen, die an der Vollversammlung der Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen teilnahmen. Was ich zu ihnen über die große Aufgabe der Evangelisierung sagte, läßt sich ebenso auf Afrika anwenden: „Wenn wir uns die Zukunft der Evangelisierung auf diesem Kontinent vorzustellen suchen, sehen wir sie dann nicht in der Ausstrahlung eines dynamischen, lebendigen Glaubens, den einzelne Christen und große oder kleine christliche Gemeinschaften ... praktizieren und bekennen? Den Glauben ,ausstrahlen’, das stellt höchste Anforderungen an das christliche Leben eines jeden: ein intensives Gebetsleben, sakramentale Praxis und moralische Integrität. Anderen ,das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn’ (Röm 6,23) verkünden, das verlangt von jedem Glied der Kirche die Heiligkeit und Rechtschaffenheit eines Menschen, für den ,Christus das Leben ist’ (vgl. Phil 1,21). Verkündigung wird dann glaubhaft, wenn sie mit Heiligkeit des Lebens einhergeht, mit aufrichtigen Absichten, mit Achtung vor anderen und vor der ganzen Schöpfung“ (Ansprache an die Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen, Manila, 15. 1. 1995, Nr. 5; in: O.R.dt. 10. 2. 1995). 4. Mit welchen Ressourcen wird es der Kirche in Afrika gelingen, diese gewaltigen Herausforderungen aufzugreifen? Die Synode sagt: „Die bedeutendste (Ressource) ist, nach der Gnade Christi, das Volk. Das ganze Volk Gottes, verstanden im theologischen Sinn von Lumen Gentium - dieses Volk, das die Glieder des Leibes Christi in seiner Ganzheit umfaßt -, hat den Auftrag erhalten, der eine Ehre und eine Pflicht zugleich ist, die Botschaft des Evangeliums zu verkündigen ... Die ganze Gemeinschaft muß für die Evangelisierung vorbereitet, motiviert und gestärkt werden, ein jeder nach seiner spezifischen Rolle in der Kirche“ (Nr. 53). Darum vertraue ich mit übergroßer Freude und Hoffnung das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa jedem Glied des Volkes Gottes in Afrika, den Trägem der Evangelisierung, an. In erster Linie den Laien. Das Reifen der katholischen Gemeinschaft in Afrika wird in großem Ausmaß davon abhängen, daß die Laien ermächtigt werden, verantwortlich ihre volle christliche Berufung und Stellung auszuüben und einzusetzen. Laien, Männer und Frauen und vor allem Jugendliche, sind manchmal enttäuscht, daß ihnen in der Kirche wenig Raum gegeben wird und daß ihnen nicht geholfen wird, ihre besonderen Charismen völlig zu entwickeln. Die Synodenväter sahen ein, daß eine dynamische Laienschaft notwendig ist: Eltern, die tief gläubig sind, Erzieher, die sich ihrer Verantwortung bewußt sind, politische Führer, die ein tief verankertes moralisches Bewußtsein haben (vgl. ebd., Nr. 22). Auf französisch sagte der Papst: Die Früchte der Synode werden ganz besonders den Familien anvertraut, den Familien, die sich bemühen, ihre christliche Berufung voll und ganz zu leben, denn „die Familie ist die erste Schule des christlichen Lebens und ,eine Art Schule reich 500 REISEN entfalteter Humanität’“ {ebd., Nr. 92). Gerade wegen der Stärke der afrikanischen Familientraditionen haben die Synodenväter die Auffassung von der Kirche als der Familie Gottes als den Leitgedanken für die Evangelisierung dieses Kontinents betrachtet (vgl. ebd., Nr. 63). Gerade in der Familie und durch die Familie kann die wichtige Frage der Inkulturation des Glaubens im Zusammenhang mit der praktischen Alltagserfahrung gestellt werden. Die herzüchen Beziehungen in der afrikanischen Familie, die gegenseitige Aufmerksamkeit der Familienmitglieder füreinander, vor allem gegenüber den Kindern und den Alten, die Solidarität, die die Familie mit der größeren Gemeinschaft verbindet, ihre große Liebe und Achtung gegenüber dem empfangenen und dem werdenden Leben - das alles ist ein ausgezeichneter Boden, in welchem der Geist des Evangeliums eine wunderbare Blüte im Sinn der Seligpreisungen zur Entfaltung bringen kann. Wenn die überkommenen Werte der Familie durch ihre Berührung mit dem Evangelium des Lebens gereinigt, erhoben und umgestaltet werden, entdeckt die katholische Gemeinschaft erneut die wesentlichen Dimensionen der christlichen Geschwisterlichkeit und Liebe, die der übertriebene Individualismus der säkularisierten Gesellschaften in Gefahr bringt (vgl. ebd., Nr. 43). Die Synode konnte nicht die neuen Herausforderungen übersehen, die sich durch die manchmal aufgezwungene Übernahme von nicht der afrikanischen Wesensart entsprechenden Modellen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung ergaben und denen die afrikanische Familie entgegentreten muß. So gibt es in allen afrikanischen Ländern die Phänomene der „Entwurzelung der Familien, Verstädterung und Arbeitslosigkeit, verbunden mit materiellen Versuchungen aller Art, sowie ... eine intellektuelle Erschütterung, die eine Lawine unkritisch hingenommener, von den Medien verbreiteter Ideen auslöst“ (ebd., Nr. 76). Afrika hat gewiß die menschlichen und geistüchen Ressourcen in sich, die es braucht, um seinen Weg zu einer besseren materiellen Entwicklung und zu mehr Wohlstand zu finden, ohne das zu importieren, was sich in den Konsumgesellschaften an weniger Gutem findet! Im Apostolischen Schreiben wollte ich auf das zurückkommen, was ich bei meinem Besuch in Malawi 1988 sagte: „Ich stelle euch heute vor eine Herausforderung. Sie besteht darin, eine Lebensweise, die der Qualität eurer lokalen Traditionen nicht entspricht, abzulehnen. Viele Menschen in Afrika schauen nach der sogenannten ,Freiheit der modernen Lebensweise’ jenseits von Afrika aus. Ich lege euch heute inständig ans Herz, in euch selber zu blicken. Blickt auf den Reichtum eurer Traditionen, blickt auf den Glauben, den wir bei dieser Zusammenkunft feiern. Da werdet ihr wahre Freiheit finden, da werdet ihr Christus finden, der euch zur Wahrheit führt“ (ebd., Nr. 48). Wieder auf englisch sagte der Papst: 5. Ich vertraue die Ergebnisse der Synode der Jugend Afrikas an, denn junge Menschen bilden den größten Teil der Bevölkerung und sind eure Zukunftshoffnung. Junge Afrikaner sind oft in einer Identitätskrise befangen: Sie sehen sich zwischen 501 REISEN gegensätzlichen Lebensmodellen, sind verwirrt und haben keine Ideale mehr. Die Kirche muß passende Wege finden, um ihnen nahe zu sein, und muß besonders auf Schulentlassene, Straßenkinder, heimatlose und Flüchtlingskinder achten. Die Synode ruft die jungen Menschen auf, Apostel für ihre Altersgefährten zu sein und anderen das Licht Christi zu bringen, das ihr eigenes Innere hell macht (vgl. ebd., Nr. 93). In besonderer Weise werden die Früchte der Synode den Katechisten anvertraut, deren Rolle „bei der Gründung und Ausbreitung der Kirche in Afrika entscheidend war und bleibt“ (ebd., Nr. 91). Im Namen der ganzen Kirche danke ich allen Katechisten. Ich danke euch für die unverzichtbare Arbeit, die ihr im Dienst des Evangeliums leistet. Oft arbeitet ihr in stiller, verborgener Weise. Der Herr, der in die Verborgenheit eures Herzens schaut, wird nicht versäumen, euch zu belohnen! 6. Mit besonderem Vertrauen übergebe ich die Durchführung der Synodenbeschlüsse dem Zeugnis und Handeln der gottgeweihten Menschen, der Ordensleute, seien sie aus Afrika oder Missionarinnen und Missionare aus anderen Ländern. Ihr seid die lebendigen Zeichen ungeteilter Liebe zu Gott und absoluter Hingabe an die Ausbreitung seines Reiches. Das Apostolische Schreiben ermutigt euch, durch Förderung neuer Berufungen Wege zu Wachstum und Ausbreitung zu suchen, und weiterhin die Reichtümer eurer Charismen den Kirchen und den Völkern zu bringen, denen ihr dient, so wie ihr es getan habt seit dem Beginn der „plantatio Eccle-siae“, der Einpflanzung der Kirche auf diesem Kontinent. Insbesondere wende ich mich an die kontemplativen Ordensgemeinschaften, daß sie fortfahren mögen, die Nöte der Kirche und der Völker Afrikas vor den Thron der göttlichen Gnade zu tragen. Durch das Beispiel eurer Anbetung und eures Opfers lehrt weiterhin, daß Gott der wahre Mittelpunkt und das Ziel des menschlichen Lebens ist, und bringt über das Volk Gottes die übernatürliche Fruchtbarkeit, die die kommenden Jahre zu einem neuen Frühling für die Kirche in Afrika macht. 7. In Einheit mit unseren Brüdern im Bischofsamt vertraue ich feierlich das Apostolische Schreiben den Priestern und Diakonen Afrikas an. Es wird vor allem von euch und euren Bischöfen abhängen, ob eure Pfarreien, Gemeinschaften und Organisationen die Erneuerung erfahren, die der Heilige Geist anbietet und deren die katholischen Völker Afrikas bedürfen, um das dritte christliche Jahrtausend zu beginnen „in dem entschlossenen Engagement, die Entscheidungen und Richtlinien, die ich mit der apostolischen Autorität des Nachfolgers des hl. Petrus in diesem Schreiben vorlege, mit großer Treue in die Tat umzusetzen. Es sind Entscheidungen und Richtlinien, die auf der unverfälschten Linie der Lehre und Anweisungen der Kirche und besonders des Zweiten Vatikanischen Konzils liegen, das die wichtigste Inspirationsquelle der Sonderversammlung für Afrika gewesen ist“ (ebd., Nr. 141). Mit tiefempfundener Liebe im Herrn zu einem jeden von euch fordere ich euch auf, Diener und Führer zu sein durch die Treue 502 REISEN zur Eucharistie und zum Worte Gottes. Ihr steht in der vordersten Linie des großen Unternehmens der Neuevangelisierung, die die Wahrheiten und Werte des Evangeliums in die Sprache, die Geschichte und das soziale, politische und wirtschaftliche Leben eurer Völker „inkamieren“ soll (vgl. ebd., Nr. 59). 8. Die Synode ist vorüber. Die Synode hat gerade begonnen. Der vor uns liegende Weg wird nicht leicht sein, aber jedes Glied der Familie Gottes in Afrika - Bischöfe, Priester, Diakone, Seminaristen, Ordensleute und Laien alle sollen auf das Versprechen des Herrn vertrauen: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,20). Ihm sei Herrlichkeit und Ehre in Ewigkeit! Chancen für eine bessere Zukunft wahrnehmen Ansprache vor der Abreise aus Nairobi (Kenia) am 20. September Herr Präsident, Eminenz, Exzellenzen, liebe kenianische Freunde! 1. Schon ist es Zeit, Abschied zu nehmen. Mein Besuch ist allzu schnell zu Ende gegangen. Es war mir eine große Freude, wieder in Kenia sein zu können. Ich danke jedem für die freundliche Aufnahme und das Interesse, die mich stets begleitet haben. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, wie auch den Mitgliedern der Regierung, den staatlichen und militärischen Behörden und allen, die zum reibungslosen Ablauf dieses Besuchs beigetragen haben; ich danke den Vertretern von Presse, Rundfunk und Fernsehen, die die Ereignisse dieser Tage verfolgt haben. Mein ganz besonderer Dank gilt Kardinal Otunga und Erzbischof Okoth, dem Präsidenten der Bischofskonferenz, allen Bischöfen und Priestern, den Ordensleuten und Laien, die mit so großer Begeisterung an der Messe und der Synodenkonferenz teilgenommen haben oder den Ereignissen im Geiste aus der Feme gefolgt sind. Indem ich die katholische Gemeinde in Ostafrika nun verlasse, versichere ich euch meiner herzlichen Zuneigung in Jesus Christus, unserem Herrn. Ein Wort des Dankes möchte ich auch an die Vertreter der anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften richten, deren Wunsch es war, an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Es ist ermutigend zu sehen, welch großes Vertrauen und welche Freundschaft die ökumenischen Beziehungen der Christen in Kenia kennzeichnen. Möge der Heilige Geist euch auf diesem Weg zu stets tieferem Einvernehmen und gegenseitiger Unterstützung führen. Gleichfalls bete ich zu Gott, daß Christen und Muslime weiterhin Bande beiderseitiger Verständigung und Achtung knüpfen, damit alle, die an den Allmächtigen glauben, sich gemeinsam für das Wohl der Gesellschaft als Ganzes einsetzen werden. 503 REISEN Auch möchte ich allen Anhängern der traditionellen afrikanischen Religionen meine Anerkennung und Hochachtung ausdrücken. 2. Hiermit bin ich am Abschluß meiner Reise angelangt, die mich nach Kamerun, Südafrika und Kenia geführt hat, den drei Etappen einer geistigen Pilgerreise zu allen Völkern Afrikas. Welche Überlegungen liegen nun am Ende dieser Pilgerschaft nahe? Ich sehe einen Kontinent, der bestrebt ist, einen besseren Lebensstandard und neue Würde zu erlangen. Ich sehe einen tiefgreifenden Wandlungsprozeß: Menschen, die Fragen stellen, die nach den Gründen der langsamen Entwicklung suchen, und es wagen, neue Wege zu erkunden, um den Anforderungen der sich wandelnden politischen und wirtschaftlichen Situation in der Welt entgegentreten zu können. In einer Welt, in der alle in zunehmendem Maße von einander abhängig sind, weiß die afrikanische Bevölkerung, daß sie die Gelegenheit wahmehmen muß, um nicht nur auf materieller Ebene, sondern vor allem auf dem Weg der Achtung der Menschenrechte und wahrer demokratischer Freiheit Fortschritte zu machen. Die afrikanische Bevölkerung will sich die Chance einer besseren Zukunft geben. Sie dürfen sich nicht enttäuschen oder dürfen nicht von anderen enttäuscht werden. 3. Tief aus dem Herzen Afrikas geht ein Hilferuf an diejenigen, die in der Lage sind zu helfen. Der sogennante Süden der Welt fordert den Norden auf, von seinem Vorsatz nicht abzulassen, das Problem der Armut, wirtschaftlicher und kultureller Unterentwicklung und das Flüchtlingsproblem zu bekämpfen. Die nach wie vor bestehende Kluft zwischen den reichen und armen Gebieten der Welt ist eine ernsthafte Bedrohung für die globale Stabilität. Die moralische Pflicht der Solidarität ist in grundlegender Form mit der menschlichen Natur und der Tatsache verbunden, daß die Menschen unbedingt aufeinander angewiesen sind. Auch Nationen und Kontinente müssen dieser Notwendigkeit entsprechen, da sonst ein harmonisches Zusammenleben unmöglich ist. Die Armen beneiden die Reichen nicht um ihren Fortschritt! Sie fordern sie auf, die von ihrer privilegierten Stellung ausgehenden Verantwortungen zu übernehmen, um der ethischen Forderung der universalen Bestimmung der Ressourcen unserer Welt gerecht zu werden. Der Hilferuf, den die Bevölkerung Afrikas an die reicheren Nationen richtet, fordert jene Unterstützung, Kooperation und Solidarität, die Menschen, ob arm oder reich, machtlos oder mächtig, effektiv als Menschen zu achten, die alle in der einen menschlichen Familie und der gleichen menschlichen Würde vereint sind. Niemand darf sich von den überwältigenden Anforderungen eines des Menschen wahrhaft würdigen Fortschritts entmutigen lassen. Allein das Ausmaß und die Bedeutung dieses Unternehmens sollte bereits eine Quelle der Inspiration und der Ermunterung für Afrikas Söhne und Töchter sein. 4. Ich bete jeden Tag für die Menschen Afrikas. Der Allmächtige, der Herr der Geschichte, gibt Männern und Frauen guten Willens die Kraft, beharrlich vorwärts- 504 REISEN zugehen und mutig für Entwicklung und Frieden zu arbeiten. Er garantiert uns, daß wir nicht vergebens hoffen. Liebe Freunde, Kenia hat eine zentrale Stellung auf diesem vielversprechenden afrikanischen Kontinent. Es verfügt über die notwendigen Mittel, gegen die Hindernisse anzugehen, die dem Fortschritt im Weg stehen, und sich für eine gerechte und einträchtige Gesellschaft einzusetzen. Alle Kenianer müssen auf ihr Land stolz sein können. Alle sollen fähig sein, die Zukunft ihres Landes mitaufzubauen. Das ist mein Wunsch für euch alle. Das ist das Gebet, das ich für das wunderbare Volk Kenias an den allmächtigen Gott richte. Möge der Gott des Friedens an eurer Seite sein! Gott segne Kenia! Gott segne Afrika! 505 REISEN 10. P'astoralbesuch in den Vereinigten Staaten von Amerika (4. bis 8. Oktober) Amerika - Sein Beitrag zu einer gerechteren Welt Ansprache bei der Ankunft in Newark am 4. Oktober Herr Präsident, liebe Freunde, liebes Volk von Amerika! 1. Es ist mir eine große Freude, erneut in die Vereinigten Staaten zu kommen, wie ich es eigentlich letztes Jahr vorhatte. Ich danke Ihnen allen für Ihre warmherzige Aufnahme. Dieses ist ein Land wahrer Großherzigkeit, und sein Volk war immer schnell bereit, seine Hände in Freundschaft und Gastfreundschaft anderen entgegenzustrecken. Mein spezieller Dank gilt Ihnen, Herr Präsident Clinton und der First Lady, dafür, daß Sie heute in diesem selben Geiste hierher gekommen sind. Meinerseits grüße ich Sie und alle Vertreter der Regierung auf Bundes-, Staaten-und lokaler Ebene. Ich grüße die Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten und die einzelnen Bischöfe, die mich in ihre Diözesen eingeladen haben und die mit der Hilfe von unzähligen Mitarbeitern so viel getan haben, um diesen Besuch vorzubereiten. Ich freue mich darauf, die katholischen Gemeinden von Newark, Brooklyn, New York und Baltimore sowie unsere Brüder und Schwestern aus anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu treffen. Einen sehr herzlichen Gruß richte ich an die Anhänger des jüdischen Glaubens zusammen mit meinen ehrerbietigen Glückwünschen an diesem für sie so bedeutsamen Tag. 2. Ich grüße alle Menschen dieser Nation, Menschen von jeder Rasse und Hautfarbe, von jedem Glauben und jeder sozialen Stellung. Ich bete für Sie alle und versichere Sie meiner Wertschätzung. Vor genau dreißig Jahren sprach mein Vorgänger Papst Paul VI. vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen und vermittelte eine Botschaft, die auch heute noch in vielen Herzen widerhallt. „Keinen Krieg mehr, nie wieder Krieg!“ Er rief dann dazu auf: „Frieden, Frieden muß die Geschicke der Menschen leiten“ (Papst Paul VI., Ansprache an die Generalversammlung der Vereinten Nationen, 4. Oktober 1965). Auch ich komme als ein Pilger des Friedens und der Verständigung unter den Völkern. Zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Vereinten Nationen werde ich morgen an deren Sitz zurückkehren, um meine tiefe Überzeugung auszudrücken, daß die Ideale und Vorsätze, die diese weltweite Organisation vor einem halben Jahrhundert ins Leben gerufen haben, mehr denn je unverzichtbar sind in einer Welt, die nach einem Ziel sucht. 507 REISEN Die Welt macht nämlich zur Zeit einen tiefen Wandel durch. Erste Ansätze zugunsten von Gerechtigkeit, Versöhnung und Entwicklung sind auch in Teilen der Welt sichtbar, in denen sie vor ein paar Jahren noch kaum ausgemacht werden konnten — sie scheinen fast in unserer Reichweite und sind doch immer noch so schwer zu fassen. Alte Rivalitäten und Argwohn schaden der Sache des Friedens immer noch. Wir müssen Wege finden, um sie zu beseitigen. Wenn wir dies nicht tun, werden die Geschichte und der Herr der Geschichte hart über uns urteilen. 3. Insbesondere seit den Ereignissen im Jahre 1989 hat die Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt eine neue Vormachtstellung erhalten. Ihr breitgefächerter Einfluß ist gleichzeitig politisch, wirtschaftlich, militärisch und - dank Ihrer Kommunikationsmittel - kulturell. Es ist für die Menschheitsfamilie lebenswichtig, daß Amerika bei seinem weiteren Aufwärtsstreben in vielen verschiedenen Bereichen - Wissenschaft, Wirtschaft, Erziehung und Kunst und wohin sonst Ihre Kreativität Sie führt - Mitgefühl, Großherzigkeit und Sorge für andere im innersten Kern seiner Anstrengungen behält. Besonders für jene Nationen und Völker, die aus einer längeren Zeit der Prüfung und des Leidens kommen, steht Ihr Land in der Weltszene als Modell einer demokratischen Gesellschaft auf einer hohen Entwicklungsstufe da. Die Macht Ihres Beispiels bringt eine große Verantwortung mit sich. Nutze sie gut, Amerika! Sei ein Beispiel an Gerechtigkeit und bürgerlicher Tugend, ein Beispiel an Freiheit, die in der Güte ihre Erfüllung findet, sowohl zu Hause als auch anderswo! 4. Seit ihrer Entstehung bis auf den heutigen Tag waren die Vereinigten Staaten ein Zufluchtsort für viele Generationen von Neuankömmlingen. Männer, Frauen und Kinder sind aus allen Winkeln der Welt hierher geströmt, haben sich hier ein neues Leben aufgebaut und so eine Gesellschaft mit einer reichen ethnischen und rassischen Vielfalt geschaffen, die auf der Verpflichtung zu einer gemeinsamen Haltung im Hinblick auf die Menschenwürde und den Frieden beruht. Man kann von den Vereinigten Staaten tatsächlich sagen: ,3 pluribus unum.“ Es ist meine Hoffnung im Gebet, daß Amerika an diesen seinen besten Traditionen der Offenheit und der Möglichkeiten festhalten wird. Es wäre wirklich traurig, wenn die Vereinigten Staaten sich von dem Unternehmungsgeist abwendeten, der stets nach den praktischsten und verantwortlichsten Wegen gesucht hat, um den reichen Segen, den Gott diesem Land hat zuteil werden lassen, weiter mit anderen zu teilen. Der gleiche Geist kreativer Großherzigkeit wird Ihnen helfen, den Bedürfnissen Ihrer eigenen Armen und Benachteiligten gerecht zu werden. Auch sie spielen eine Rolle beim Aufbau einer Gesellschaft, die der menschlichen Person wahrhaft würdig ist - einer Gesellschaft, in der keiner so arm ist, daß er nichts zu geben, und keiner so reich, daß er nichts anzunehmen hätte. Die Armen haben Bedürfnisse, die nicht nur materieller und wirtschaftlicher Art sind, sondern auch mit der Frei- 508 REISEN Setzung ihres Potentials verbunden sind, damit sie ihr Schicksal formen und für das Wohl ihrer Familien und Gemeinschaften sorgen können. Amerika wird auch in Zukunft ein Land der Verheißung sein, wenn es ein Land der Freiheit und der Gerechtigkeit für alle bleibt. 5. Herr Präsident, meine Damen und Herren: Ich komme als einer, der beständige Hoffnung in Amerikas edles Geschick setzt. Ich danke Gott, der mir erlaubt hat, zu Ihnen zurückzukehren. Ich danke Ihnen; Gott segne Sie alle! Mitarbeit am Frieden in Demut Ansprache während der Vesper in der Herz-Jesu-Kathedrale von Newark am 4. Oktober Lieber Erzbischof McCarrick und liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Mitbrüder im Priesteramt, liebe Seminaristen, Ordensleute und Laien der Familie Gottes, der Kirche in Newark! 1. Wir sind hier in der dem Heiligsten Herzen Jesu geweihten Bischofskirche versammelt, um der Heiligsten Dreifaltigkeit für die Bande des Glaubens und der Liebe zu danken, die uns in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche vereinen. Die Anwesenheit des Präsidenten der Vereinigten Staaten bei diesem Abendgebet will uns in Erinnerung rufen, daß gerade unser Dienst für Gott den gesunden Stolz erweckt und begründet, den wir alle für unser Heimatland empfinden. Laßt uns heute abend Gott danken für das außerordentliche menschliche Epos, das die Vereinigten Staaten von Amerika darstellen. Dieses herrliche Gebäude steht im Herzen von Newark als mächtiges Gedächtnis der immerwährenden Liebe Gottes zu seinem Volk und als Zeichen des Glaubens an Christus, unsere „Hoffnung auf Herrlichkeit“ (Kol 1,27). Die aus Stein erbaute Kathedrale ist das Symbol der lebendigen Kirche, des „Hauswesens Gottes“ (.1 Tim 3,15), das jedem ohne Ausnahme, Männern und Frauen „aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern“ (Offb 5,9) offensteht. Ihr -das Volk Gottes in Newark und ganz New Jersey - seid die „lebendigen Steine“ (1 Petr 2,5), die den Leib Christi in eurer Stadt und eurem Staat bilden. Wo immer ihr seid, in euren Familien, eurem Wohnviertel, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, seid ihr berufen, die Kirche in Glaube, Hoffnung und Liebe aufzubauen. 2. In euch lebt die Kirche! Gott, der Baumeister dieses heiligen Tempels, hat seine Liebe in eure Herzen durch den Heiligen Geist ausgegossen (vgl. Röm 5,5)! Ihr habt das Geschenk des neuen Lebens empfangen. Ihr seid beauftragt, „allen Geschöpfen“ (Mk 16,15) die Frohe Botschaft zu bringen. 509 REISEN Die lebendige Herausforderung der Neuevangelisierung - deren Ziel es ist, zu verkünden, daß Jesus Christus der Mittelpunkt der Geschichte, die Hoffnung der Menschheit und die Freude aller Herzen ist (vgl. Gaudium et spes, Nr. 45) - wurde von der Synode der Erzdiözese des vergangenen Jahres in Angriff genommen. Herzlich grüße ich euch alle, die ihr als Delegierte an dieser bedeutsamen Versammlung so eifrig teilhabt. Die Synode hat wohlweislich eine weitreichende Mobilisierung der Kräfte gefordert, damit alle Katholiken die solide geistliche und theologische Bildung erhalten können, die sie brauchen, um ihren Glauben wahrhaft bezeugen und ihre Rolle bei der Sendung der Kirche voll übernehmen zu können. Ich bete darum, daß die Erzdiözese Newark als Ergebnis der Synode immer mehr „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32) werde, eine Gemeinschaft, die sich mit ihren Bischöfen und Priestern im aufmerksamen Hören des Wortes Gottes, in der andächtigen Feier der Sakramente und in der hochherzigen Hilfe für die Nöte der anderen froh vereint. 3. Mit besonderer Zuneigung grüße ich meine Mitbrüder im Priesteramt: Ich danke jedem von euch für euren hingebungsvollen Dienst am Evangelium! Der Herr hat euch erwählt, „an vorderster Front zu stehen“ bei der Hinführung der Menschen zu ihm (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 27). Wie Christus, das Haupt und der Hirt der Kirche, müßt ihr eure Herde kennen und hüten und für sie euer Leben hingeben (vgl. Job 10,11-16). Das Weihesakrament macht euch Christus, dem Knecht, gleichförmig - ihm, der sich erniedrigte und die Füße seiner Apostel wusch, weil er nicht zu uns gekommen war, „um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mk 10,45). Solch selbstloser Dienst ist das Vorbild allen Dienstes in der Kirche. Wenn ihr in eure Pfarreien oder verschiedenen Apostolate zurückkehrt, in denen ihr tätig seid, bete ich darum, daß nach den Worten des Apostel Paulus „Gott euch eurer Berufung würdig mache und in seiner Macht allen Willen zum Guten und jedes Werk des Glaubens vollende“ (2 Thess 1,11). An die Seminaristen - wie herzerfrischend ist es zu wissen, daß eure Zahl ansteigt! - richte ich ein besonderes Wort der Ermutigung. Die Neuevangelisierung Amerikas verlangt von euch große geistliche Reife. Das Geschenk des Priestertums erfordert, daß ihr Christus „bis zum Tod am Kreuz“ nachfolgt (vgl. Phil 2,8). Ohne die Tugenden der Selbstbeherrschung, der eifrigen Betrachtung der Wahrheit, der Einfachheit des Lebens und frohen Hingabe für die anderen werdet ihr nicht die innere Kraft haben, die Kultur des Todes zu bekämpfen, die die moderne Welt bedroht. Ich empfehle euch eindringlich, jeden Tag zu beten: „Guter Jesus, mache mich zu einem Priester nach deinem Herzen.“ Christus selbst ist euer Erbe (vgl. Ps 16,5-6). Er wird euch weder verlassen noch enttäuschen! 4. Mit tiefer Dankbarkeit für ihren großartigen Beitrag zum Leben der Kirche umfange ich alle Ordensleute. Ob „euer Leben mit Christus verborgen ist in Gott“ (vgl. Kol 3,3), in Einsamkeit, Buße und Kontemplation, oder ob ihr in der Welt tätig seid, die ganze kirchliche Gemeinschaft blickt auf euch, um zu sehen, was es 510 REISEN heißt, den Herrn mit ungeteiltem Herzen zu lieben. Die Anerkennung des „Genius der Frau“ und der besonderen weiblichen Charismen, die die Ordensfrauen in das Leben und die Sendung der Kirche einbringen, ist ein von der Vorsehung gewolltes Zeichen unserer Zeit. Wenn in der Vergangenheit diese Gaben in ihrer berechtigten Ausdrucksweise manchmal nicht genügend beachtet, ja sogar unterdrückt wurden, ist es jetzt für uns alle an der Zeit, zusammenzuarbeiten und dem Herrn in Liebe und Treue dorthin nachzufolgen, wohin er führt. Möge der Heilige Geist euer Herz festigen, damit „ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott, unserem Vater“ (i Thess 3,13), so daß ihr seinem Volk mit immer größerer Freude dient. Für die ganze Kirche in Newark und New Jersey wiederhole ich die ermutigenden Worte aus dem ersten Petrusbrief: „Deshalb seid ihr voll Freude,... da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil“ (1 Petr 1,6-9). 5. Liebe Freunde in Christus, der erste Petrusbrief mahnt uns, im Umgang miteinander in Demut gekleidet zu sein. Wir lesen: ,3eugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöht, wenn die Zeit gekommen ist“ (5,6). Diese Niedrigkeit und Demut bedeutet, daß wir uns ganz den Händen Gottes überlassen: „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch“ (ebd., 5,7). Ja, Gott schätzt das Menschsein überaus hoch! Gott bewahrt alles, was wahrhaft menschlich ist, alles, was einzelne und Gesellschaften, Nationen und Staaten betrifft! Wie ihr wißt, bin ich im Zusammenhang mit dem 50. Gründungsjubiläum der Vereinten Nationen in die Vereinigten Staaten gekommen. Diese Organisation besteht zu dem Ziel, dem Gemeinwohl der Menschheitsfamilie zu dienen, und deshalb ist es angebracht, daß der Papst dort als Zeuge der Hoffnung spricht, die das Evangelium schenkt (vgl. Kol 1,23). Die Organisation der Vereinten Nationen ist ein Werkzeug des Dialogs und des Friedens. Der Maßstab ihres Handelns sollte immer das ganzheitliche Wohl der Völker sein. Die Herausforderung, vor die die Mitgliedstaaten, die Vertretungen und das Personal ständig gestellt sind, ähnelt dem Auftrag, der jedem Menschen gegeben ist: , Alle aber begegnen einander in Demut“ (1 Petr 5,5). Die Großen und Mächtigen sollten in ihren Verhandlungen mit den Schwachen Sanftmut bezeigen. Die Mächtigen sollen immer daran denken, daß sie ihre Stellung Gott verdanken - ihm, der „den Stolzen entgegentritt, den Demütigen aber seine Gnade schenkt“ (vgl. ebd.). Nationen und Regierungen wie auch die einzelnen Menschen sollen anerkennen, daß der Herr „den Erdkreis gerecht richtet; er richtet die Völker nach Recht und regiert die Nationen auf Erden“ (vgl. Ps 67,5-6). 6. Der erste Petrusbrief ruft die Notwendigkeit der Wachsamkeit in Erinnerung: „Seid nüchtern und wachsam“ (5,8). Vor fünfzig Jahren, nach dem Ende der durch den Zweiten Weltkrieg hervorgerufenen ungeheuren Zerstörung, wurde die Organisation der Vereinten Nationen gegründet als ein internationales Forum der Aufsicht im Dienst des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Die Vereinten Na- 511 REISEN tionen haben eine notwendige Rolle inne bei der Vorbeugung und Hilfe in den ungeheuren Leiden, die die Völker und Nationen der Welt einander zufügen - Leiden, welche im 20. Jahrhundert in Kriegen und Konflikten nie dagewesene Ausmaße erreicht haben -, sowie bei politischer und ideologischer Unterdrückung, die von der Gier und Überheblichkeit derer verursacht wird, die Böses im Sinn haben. Die Geschichte der Welt in den vergangenen fünfzig Jahren kann nicht ohne Bezug auf die Organisation der Vereinten Nationen geschrieben werden. Ist sie nicht immer noch notwendig, um zu wachen und zu warnen und zu mahnen, wenn Konflikte und Ungerechtigkeiten Ruhe und Ordnung bedrohen? Sollte sie nicht verstärkt werden als Garant für Frieden, Gerechtigkeit und humanitäre Hilfe - sei es auf dem Balkan, in Afrika oder an anderen Orten, wo diese Werte gefährdet sind? Sollte sie nicht erneuert werden, um sicherzustellen, daß sie von einer objektiven Einschätzung der internationalen Lage geleitet wird, damit sie ein glaubwürdiges Forum ist, in dem Fragen von grundlegender Bedeutung für den Aufbau einer menschlicheren und gerechteren Welt behandelt werden können? 7. Unser Gebet um Frieden ist deshalb auch ein Gebet für die Organisation der Vereinten Nationen. Der hl. Franz von Assisi, dessen Fest wir heute feiern, leuchtet auf als ein großer Förderer und Baumeister des Friedens. Laßt uns seine Fürsprache auf das Werk der Vereinten Nationen für Gerechtigkeit und Frieden in aller Welt herabflehen. Der Gott aller Gnaden, der uns zur ewigen Herrlichkeit in Christus berufen hat, festige und stärke alle, die für den Frieden und das Wohlergehen der Menschheitsfamilie arbeiten und leiden. Er allein ist der Herr des Lebens und der Geschichte. Zu Ihm beten wir: „Gott sei uns gnädig und segne uns. Er lasse über uns sein Angesicht leuchten, damit auf Erden sein Weg erkannt wird und unter allen Völkern sein Heil“ (Ps 67,2-3). Ihm empfehlen wir die Kirche in den Vereinigten Staaten, die Ortskirche von Newark und die Nachbardiözesen an. Ihm sei Ehre, Ruhm und Lobpreis! Amen. Gebet der Kinder zählt doppelt - nein, dreifach! Spontane Grußworte an eine Gruppe von Kindern, die dem Papst vor seinem Besuch bei den Vereinten Nationen am Eingang zum UNO-Glaspalast Blumen überreicht und ein Ständchen gebracht hatten, am 5. Oktober Euer Singen für den Frieden war wunderbar: wunderbar, weil es für den Frieden war; und wunderbar, weil ihr gesungen habt. Denn wir kennen einen großen Mann, den hl. Augustinus - kennt ihr ihn? 512 REISEN Nicht so gut ... Augustinus war ein großer Lehrer der Kirche, ein großer Philosoph, ein Theologe. Er sagte: „qui cantat bis orat“, singen ist zweimal beten. Wenn ihr für den Frieden singt, betet ihr also zweimal für den Frieden. Aber ich sollte nicht nur „zweimal“ sagen: Ihr betet dreimal. Denn ihr betet, indem ihr singt - also zweimal und ihr betet als Kinder: Und Kinder haben eine besondere Macht über das Herz des Vaters. Dieses Gebet für den Frieden, das ihr gesungen habt, war also sehr schön und sehr fruchtbar. Und es wird fruchtbar sein, davon bin ich überzeugt. Ich habe einen Brief an die Kinder in der ganzen Welt geschrieben. Ich habe sie gebeten, für den Frieden, für die Menschheit, für die Kirche, für den Frieden zu beten. Und ich sehe, daß ihr das auf eine sehr gute Weise tut; und deshalb segne ich euch. Die Menschheit braucht Mut zur Zukunft Ansprache vor den Vereinten Nationen zum 50jährigen Bestehen der Weltorganisation in New York am 5. Oktober Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! 1. Es ist eine Ehre für mich, in dieser Versammlung der Völker das Wort zu ergreifen, um mit den Männern und Frauen aller Länder, jeder Rasse, Sprache und Kultur die fünfzig Jahre seit der Gründung der Organisation der Vereinten Nationen zu feiern. Ich bin mir voll bewußt, daß ich, wenn ich mich an diese erlesene Versammlung wende, die Gelegenheit habe, mich in gewissem Sinn an die gesamte Völkerfamilie dieser Erde zu wenden. Mein Wort, das ein Zeichen der Hochachtung und des Interesses des Apostolischen Stuhls und der katholischen Kirche für diese Institution sein will, vereint sich gern mit der Stimme derer, die in der UNO die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die menschliche Gesellschaft sehen. Herzlich danke ich an erster Stelle dem Generalsekretär Dr. Boutros Boutros-Ghali, der wärmstens zu diesem Besuch ermutigt hat. Sodann bin ich Ihnen, Herr Präsident, dankbar für den liebenswürdigen Willkommensgruß, mit dem Sie mich in dieser so hohen Versammlung empfangen haben. Schließlich grüße ich Sie alle, Mitglieder dieser Generalversammlung: Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit und für Ihre freundliche Aufmerksamkeit. Ich bin heute zu Ihnen gekommen mit dem Wunsch, meinen Beitrag anzubieten zu diesem bedeutsamen Nachdenken über die Geschichte und die Rolle dieser Organisation, zu einer Besinnung, die ja die Feier des Jahresgedächtnisses unbedingt begleiten und wesentlich gestalten muß. Der Hl. Stuhl war aufgrund seiner ihm eigenen geistig-geistlichen Sendung, die ihn um das ganzheitliche Wohl jedes Menschen besorgt sein läßt, von Anfang an ein überzeugter Befürworter der Ideale 513 REISEN und der Ziele der Organisation der Vereinten Nationen. Die jeweilige Zielsetzung und die Arbeitsweise sind natürlich verschieden, doch die gemeinsame Sorge um die Menschheitsfamilie eröffnet vor der Kirche und vor der UNO beständig weite Gebiete der Zusammenarbeit. Und dieses Bewußtsein gibt meiner heutigen Überlegung Orientierung und Anregung: Sie wird nicht bei bestimmten sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Fragen verweilen, sondern vielmehr bei den Folgen, welche die sich in den letzten Jahren ereigneten außerordentlichen Wandlungen für die Gegenwart und die Zukunft der ganzen Menschheit haben. 2. Meine Damen und Flerren! An der Schwelle eines neuen Jahrtausends sind wir Zeugen eines außergewöhnlichen und weltweiten schnellen Anwachsens jener Suche nach Freiheit, die eine der starken Antriebskräfte in der Geschichte des Menschen ist. Diese Erscheinung beschränkt sich nicht auf einen einzelnen Teil der Welt und ist nicht der Ausdruck nur einer Kultur. Im Gegenteil, in jedem Winkel der Erde haben Männer und Frauen, auch von Gewalt bedroht, sich um der Freiheit willen Gefahren ausgesetzt und gefordert, daß ihnen im sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben ein ihrer Würde als freie Personen angemessener Platz zuerkannt werde. Dieses universale Freiheitsstreben ist wirklich eines der ausgeprägten Kennzeichen unserer Zeit. Bei meinem vorigen Besuch bei den Vereinten Nationen am 2. Oktober 1979 hatte ich Gelegenheit hervorzuheben, daß dieses Freiheitsstreben unserer Zeit ihr Fundament in jenen allgemeinen Rechten hat, deren sich der Mensch aufgrund des einfachen Tatbestands seines Menschseins erfreut. Gerade die gegen die Menschenwürde festgestellte Barbarei brachte die Vereinten Nationen dazu, kaum drei Jahre nach ihrer Gründung jene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zu formulieren, die eine der höchsten Ausdrucksformen des menschlichen Gewissens in unserer Zeit bleibt. In Asien und in Afrika, in Amerika, in Ozeanien und in Europa haben sich überzeugte und mutige Männer und Frauen auf diese Erklärung berufen, um ihren Forderungen nach einer intensiveren Beteiligung am Leben der Gesellschaft Nachdruck zu verleihen. 3. Für uns ist es wichtig, das zu begreifen, was wir die innere Struktur dieser weltweiten Bewegung nennen könnten. Gerade ihr weltumspannender Charakter bietet uns eine erste und grundlegende „Chiffre“, die uns bestätigt, daß es tatsächlich allgemeine, in der Natur der Person wurzelnde Menschenrechte gibt, in denen sich die objektiven und unverzichtbaren Forderungen eines universalen Moralgesetzes widerspiegeln. Weit davon entfernt, abstrakte Behauptungen zu sein, sagen uns diese Rechte vielmehr etwas Wichtiges im Hinbhck auf das konkrete Leben jedes Menschen und jeder Gesellschaftsgruppe. Sie erinnern uns auch daran, daß wir nicht in einer irrationalen oder sinnlosen Welt leben, sondern daß es im Gegenteil eine Logik der Moral gibt, die die menschliche Existenz erhellt und den Dialog zwischen den Menschen und zwischen den Völkern möglich macht. Wenn wir wollen, daß ein Jahrhundert des Zwanges einem Jahrhundert der Überzeugung 514 REISEN Platz macht, dann müssen wir den Weg finden, in einer verständlichen und gemeinsamen Sprache über die Zukunft des Menschen zu diskutieren. Das allgemeine, ins Herz des Menschen eingeschriebene Sittengesetz ist eine Art „Grammatik“, die der Welt dient, um sich mit dieser Diskussion über ihre eigene Zukunft zu befassen. So gesehen, ist ein Grund zu ernster Besorgnis die Tatsache, daß heute manche die Universalität der Menschenrechte leugnen, so wie sie leugnen, daß es eine menschliche Natur gibt, die alle miteinander teilen. Es gibt sicherlich nicht nur ein einziges Modell politischer und wirtschaftlicher Organisation der menschlichen Freiheit, da ja verschiedene Kulturen und unterschiedliche geschichtliche Erfahrungen in einer freien und verantwortlichen Gesellschaft verschiedene institutionelle Formen hervorbringen. Aber es ist eine Sache, für einen legitimen Pluralismus von ,Formen der Freiheit“ einzutreten, und es ist eine andere Sache, der Natur des Menschen oder der menschlichen Erfahrung jedwede Allgemeinheit oder den freien Willen des Menschen an sich abzusprechen. Diese letztere Sichtweise macht eine internationale Politik der Überzeugung äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich. 4. Die moralischen Antriebskräfte des allgemeinen Strebens nach Freiheit haben sich in Mittel- und Osteuropa bei den gewaltlosen Revolutionen des Jahres 1989 deutlich gezeigt. Diese historischen Ereignisse, die sich zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten abgespielt haben, haben eine Lehre vermittelt, die jedoch weit über die Grenzen eines bestimmten geographischen Bereiches hinausgeht: Die gewaltlosen Revolutionen des Jahres 1989 haben gezeigt, daß das Freiheitsstreben eine ununterdrückbare Forderung ist, die der Anerkennung der unschätzbaren Würde und des Wertes der menschlichen Person entspringt, und es kann nicht anders sein, als daß sie sich mit dem Einsatz zugunsten dieser menschlichen Person verbindet. Die moderne totalitäre Regierungsform war vor allem anderen ein Angriff auf die Würde der Person, ein Angriff, der so weit ging, daß er sogar den unverletzlichen Wert ihres Lebens verneinte. Die Revolutionen des Jahres 1989 sind möglich geworden durch den Einsatz von mutigen Männern und Frauen, die sich an einer anderen, und im letzten tieferen und kraftvolleren Sichtweise inspirierten: an der Sicht des Menschen als vernunftbegabte und freie Person, die ein Geheimnis in sich trägt, das sie übersteigt, und die mit Denk und Entscheidungsfähigkeit begabt und daher der Weisheit und der Tugend fähig ist. Entscheidend für das Gelingen dieser gewaltlosen Revolutionen war die Erfahrung der gesellschaftlichen Solidarität: den von der Gewalt der Propaganda und des Terrors gestützten Regimen gegenüber bildete diese Solidarität den moralischen Kern der ,Macht der Ohnmächtigen“. Sie bildete eine erste Hoffnung und bleibt ein Anmahner der dem Menschen gegebenen Möglichkeit, auf seinem Weg durch die Geschichte der Bahn der vornehmen Bestrebungen des menschlichen Geistes zu folgen. 515 REISEN Wenn wir heute von diesem herausragenden Beobachtungspunkt dieser Welt aus auf jene Ereignisse blicken, zeigt sich unübersehbar das Zusammentreffen zwischen den Werten, die jene Volksbewegungen der Befreiung inspiriert haben, und vielen der moralischen Verpflichtungen, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind. Ich denke z. B. an die Verpflichtung, „den Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit ... erneut zu bekräftigen“, wie auch an die Verpflichtung, „den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern“ (Präambel). Die einundfünfzig Staaten, die im Jahre 1945 diese Organisation gegründet haben, haben wirklich eine Fackel entzündet, deren Licht die von der Tyrannei verursachte Finsternis zerstreuen kann - ein Licht, das den Weg zu Freiheit, Frieden und Solidarität zeigen kann. 5. Das Streben nach Freiheit in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hat nicht nur den einzelnen Menschen, sondern auch die Nationen in Anspruch genommen. Fünfzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist es von Bedeutung, daran zu erinnern, daß jener Konflikt wegen Verletzungen der Rechte der Nationen entstanden ist. Viele von ihnen haben furchtbar gelitten aus dem einzigen Grund, daß sie als „anders“ bezeichnet wurden. Entsetzliche Verbrechen wurden im Namen von verhängnisvollen Lehren begangen, die die „Minderwertigkeit“ mancher Nationen und Kulturen predigten. In gewissem Sinn kann man sagen, daß die Vereinten Nationen aus der Überzeugung hervorgegangen sind, daß diese Lehren unvereinbar waren mit dem Frieden. Und die Verpflichtung der Charta, ,künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“ (Präambel), schloß mit Sicherheit die moralische Verpflichtung ein, jede Nation und Kultur vor ungerechten und gewaltsamen Angriffen zu schützen. Leider wurden auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Rechte der Nationen weiterhin verletzt. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die Baltischen Staaten und weite Gebiete der Ukraine und von Weißrußland eignete sich die Sowjetunion an, wie es auch schon mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien und dem Kaukasus geschehen war. Gleichzeitig verloren die sogenannten „Volksdemokratien“ Mittelund Osteuropas in Wirklichkeit ihre Souveränität, und sie wurden gezwungen, sich dem Willen zu unterwerfen, der den ganzen Block beherrschte. Das Ergebnis dieser künstlichen Teilung Europas war der „Kalte Krieg“, das heißt eine Situation internationaler Spannung, bei der das Nuklear-Holocaust drohend über der Menschheit hing. Erst als die Freiheit für die Nationen Mittel- und Osteuropas wiederhergestellt war, begann der versprochene Friede, der mit dem Ende des Krieges hätte beginnen sollen, für viele der Opfer jenes Konfliktes wirklich Form anzunehmen. 6. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 angenommen wurde, hat beredt die Rechte der Persönlichkeit behandelt. Aber es gibt noch keine ähnliche internationale Vereinbarung, die angemessen die Rechte der Nationen aufge- 516 REISEN griffen hätte. Es handelt sich um eine Situation, die aufmerksam in Erwägung gezogen werden muß wegen der drängenden Fragen, die sie über Gerechtigkeit und Freiheit in unserer heutigen Welt aufwirft. In Wirklichkeit hat sich das Problem der vollen Anerkennung der Rechte der Nationen wiederholt dem Gewissen der Menschheit gestellt und auch eine beachtliche ethisch-juridische Reflexion hervorgerufen. Ich denke an die Debatte beim Konzil von Konstanz im 15. Jahrhundert, als die Vertreter der Akademie von Krakau, angeführt von Pawel Wlodkowic, mutig das Recht auf Existenz und Autonomie verschiedener europäischer Bevölkerungsgruppen verteidigten. Besser bekannt ist auch in der gleichen Epoche die Reflexion, die von der Universität Sala-manka hinsichtlich der Völker der Neuen Welt eingeleitet wurde. Wie sollte man sodann in unserem Jahrhundert nicht an das prophetische Wort meines Vorgängers Benedikt XV. denken, der während des Ersten Weltkriegs alle daran erinnerte, daß „die Nationen nicht sterben“, und dazu aufforderte, „mit ruhigem Gewissen die Rechte und die gerechten Bestrebungen der Völker abzuwägen“ (An die kriegführenden Völker und ihre Oberhäupter, 28. Juli 1915)? 7. Heute stellt sich das Problem der Nationalitäten in einem neuen Welthorizont, der von einer starken „Mobilität“ gekennzeichnet ist und, von vielfältiger Dynamik wie Migrationen, Massenmedien und Weltwirtschaft getrieben, die ethnisch-kulturellen Grenzen der verschiedenen Völker immer weniger deutlich erkennen läßt. Aber gerade in diesem Horizont der Universalität sehen wir, wie sich mit Nachdruck wieder ethnisch kulturelle Partikularismen erheben, gleichsam wie ein hervorbrechendes Bedürfnis nach Identität und Überleben, eine Art Gegengewicht gegen homologierende Tendenzen. Es ist eine Gegebenheit, die nicht unterschätzt werden darf, als ob sie nur ein Überbleibsel aus der Vergangenheit sei. Sie muß vielmehr durch eine vertiefte Reflexion auf anthropologischer und ethisch-juridischer Ebene aufgeschlüsselt werden. Diese Spannung zwischen partikular und universal kann man in der Tat als dem Menschen innewohnend betrachten. Kraft der Gemeinsamkeit ihrer Natur sind die Menschen als solche gedrängt, sich als Glieder einer einzigen großen Familie zu fühlen. Aber durch die konkrete Geschichtlichkeit dieser gleichen Natur sind sie in stärkerer Weise an bestimmte menschliche Gruppen gebunden, vor allem an die Familie, sodann an verschiedene Gruppen der Zugehörigkeit, bis hin zum Gesamten der betreffenden ethnisch-kulturellen Gruppe, die nicht von ungefähr als „Nation“ bezeichnet wird, was an „nascere“ (geboren werden) denken läßt, während die Benennung „patria“ („Vaterland“) an die Realität der Familie selbst erinnert. Der Mensch ist zwischen diese beiden Pole - Universalität und Partikularität -eingebunden, Pole, die in lebendiger Spannung zueinander stehen, einer unvermeidlichen Spannung, die aber außerordentlich fruchtbar ist, wenn sie in ruhiger Ausgeglichenheit gelebt wird. 517 REISEN 8. Auf dieser anthropologischen Grundlage beruhen auch die „Rechte der Nationen“, die nichts anderes sind als die auf dieser besonderen Ebene des Gemeinschaftslebens gepflegten „Menschenrechte“. Eine Reflexion über diese Rechte ist gewiß nicht leicht, wenn man bedenkt, wie schwierig es schon ist, den Begriff „Nation“ zu definieren, der nicht ohne weiteres und nicht notwendig mit dem Staat identisch ist. Aber es ist eine unaufschiebbare Überlegung, wenn die Irrtümer der Vergangenheit vermieden werden sollen und man Vorsorge für eine gerechte Weltordnung treffen will. Vorbedingung für die anderen Rechte einer Nation ist sicherlich ihr Recht auf Existenz: Niemand also - weder ein Staat noch eine andere Nation, noch eine internationale Organisation - ist je zu der Ansicht berechtigt, daß eine einzelne Nation nicht wert sei, zu existieren. Dieses fundamentale Recht auf Existenz erfordert nicht notwendigerweise eine staatliche Souveränität, da ja verschiedene Formen des rechtlichen Zusammenschlusses zwischen verschiedenen Nationen möglich sind, wie es zum Beispiel bei Bundesstaaten, bei Konföderationen oder bei Staaten geschieht, die durch weitgehende regionale Autonomien gekennzeichnet sind. Es kann historische Umstände geben, unter denen verschiedene Weisen des Zusammenschlusses unter der einen staatlichen Souveränität sogar ratsam sein können, vorausgesetzt, daß das in einer Atmosphäre wirklicher Freiheit geschieht, die durch die praktische Selbstbestimmung der Völker garantiert ist. Das Recht auf Existenz schließt natürlich für jede Nation auch das Recht auf die eigene Sprache und Kultur ein, durch die ein Volk sich ausdrückt und die das fördern, was ich die ihm eigene geistige „Souveränität“ nennen möchte. Die Geschichte zeigt, daß unter extremen Bedingungen (wie die, die es in meinem Geburtsland gegeben hat) gerade die eigene Kultur es ist, die einer Nation beim Verlust ihrer politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit das Überleben ermöglicht. Jede Nation hat folglich auch das Recht, ihr Leben nach den eigenen Überlieferungen zu gestalten, ausgeschlossen natürlich jede Verletzung der grundlegenden Menschenrechte und insbesondere die Unterdrückung der Minderheiten. Jede Nation hat das Recht, ihre eigene Zukunft aufzubauen und für eine angemessene Ausbildung ihrer jüngeren Generationen zu sorgen. Wenn aber die „Rechte der Nation“ die lebenswichtigen Erfordernisse der „Partikular) tat“ zum Ausdruck bringen, so ist es nicht weniger wichtig, die Forderungen der Universalität durch ein starkes Bewußtsein in bezug auf die Pflichten zu unterstreichen, die die Nationen hinsichtlich der anderen Nationen und der ganzen Menschheit haben. Die erste dieser Pflichten besteht sicherlich darin, in einem Geist des Friedens, des Respekts und der Solidarität mit den anderen Nationen zu leben. Auf diese Weise fördert die Ausübung der Rechte der Nationen im Gleichgewicht mit der Anerkennung und der Einhaltung der Pflichten einen fruchtbaren ,Austausch von Gaben“, der die Einheit unter allen Menschen stärkt. 9. In den vergangenen siebzehn Jahren konnte ich bei meinen Pastoraireisen zu den Gemeinschaften der katholischen Kirche den Dialog mit einer reichen Vielfalt 518 REISEN von Nationen und Kulturen in allen Teilen der Welt aufnehmen. Leider muß die Welt es noch lernen, mit der Verschiedenheit zu leben, wie die jüngsten Ereignisse in den Balkanländern und in Zentralafrika uns schmerzlich in Erinnerung gerufen haben. Die Realität der Verschiedenartigkeit und die Besonderheit des „Anderen“ können manchmal als eine Last oder gar als eine Bedrohung empfunden werden. Verstärkt durch historisch bedingte Haßgefühle und durch Manipulationen skrupelloser Personen verschärft, kann die Angst vor der „Verschiedenheit“ sogar dazu führen, daß dem „anderen“ sein Menschsein abgesprochen wird - und das Ergebnis ist, daß die Menschen in eine Spirale der Gewalt geraten, von der niemand verschont bleibt - nicht einmal die Kinder. Situationen dieser Art sind uns heute gut bekannt, und mein Herz und meine Gebete wenden sich in diesem Augenblick besonders den Leiden der gequälten Völker von Bosnien-Herzegowina zu. Aus bitterer Erfahrung wissen wir also, daß die Angst vor der „Verschiedenheit“ -besonders wenn sie sich durch einen engen und ausschüeßenden, dem „anderen“ jedes Recht verweigernden Nationalismus ausdrückt - so weit führen kann, daß sie zu einer wahren Schreckensgestalt der Gewalt und des Terrors wird. Und doch, wenn wir uns bemühen, die Dinge objektiv zu werten, können wir sehen, daß es jenseits aller Verschiedenheiten, die die einzelnen Menschen und die Völker unterscheiden, eine grundlegende Gemeinsamkeit gibt, weil ja die verschiedenen Kulturen in Wirklichkeit nichts anderes als verschiedene Weisen sind, an die Frage über den Sinn des persönlichen Daseins heranzugehen. Und gerade hier können wir eine der Quellen feststellen, aus denen die Achtung entspringt, die jeder Kultur und jeder Nation gebührt: Jede Kultur ist ein Bemühen, über das Geheimnis der Welt und vor allem des Menschen nachzudenken; sie ist eine Weise, der transzendenten Dimension des menschlichen Lebens Ausdruck zu geben. Das Herz jeder Kultur ist ihr Streben, dem größten aller Geheimnisse näherzukommen, dem Geheimnis Gottes. 10. Darum hat unsere Achtung vor der Kultur der anderen ihre Wurzel in unserer Achtung vor dem Versuch, den jede Gemeinschaft macht, um Antwort auf das Problem des menschlichen Lebens zu geben. In diesem Zusammenhang ist es uns möglich festzustellen, wie wichtig es ist, das fundamentale Recht auf Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit als wesentliche Säulen in der Struktur der Menschenrechte und Fundament jeder wirklich freien Gesellschaft zu erhalten. Niemandem ist es erlaubt, diese Rechte zu unterdrücken und durch Zwang eine Antwort auf das Geheimnis des Menschen aufzuerlegen. Sich der Realität der Verschiedenheit zu entfremden - oder, was schlimmer ist, zu versuchen, diese Verschiedenheit auszulöschen - bedeutet, sich die Möglichkeit zu verschließen, das Geheimnis des Menschenlebens in seiner Tiefe zu ergründen. Die Wahrheit über den Menschen ist das unabänderliche Kriterium, nach dem alle Kulturen beurteilt werden; jede Kultur aber hat etwas über die eine oder andere Dimension dieser komplexen Wirklichkeit zu lehren. Daher kann die von manchen so bedrohlich empfundene „Verschiedenheit“ mit Hilfe eines achtungsvollen Di- 519 REISEN alogs zur Quelle werden, das Geheimnis des menschlichen Daseins tiefer zu verstehen. 11. In diesem Zusammenhang ist es nötig, den wesentlichen Unterschied zu klären zwischen einer ungesunden Form des Nationalismus, der die Geringschätzung der anderen Nationen oder Kulturen lehrt, und einem Patriotismus, der hingegen in der rechten Liebe zum eigenen Heimatland besteht. Echter Patriotismus sucht nie das Wohl der eigenen Nation auf Kosten anderer voranzubringen. Das würde in Wirklichkeit damit enden, daß auch der eigenen Nation Schaden zugefügt und verderbliche Folgen sowohl für den Angreifer wie auch für das Opfer hervorgerufen würden. Daher steht der Nationalismus, besonders in seinen radikalsten Ausdrucksformen, im Gegensatz zum echten Patriotismus, und heute müssen wir alles daransetzen, daß der extreme Nationalismus nicht zu neuen Formen der Verirrungen des Totalitarismus hinführt. Es ist eine Verpflichtung, die natürlich auch gilt, wenn man sogar das religiöse Prinzip als Grundlage für den Nationalismus übernähme, wie es leider bei gewissen Erscheinungen des sogenannten „Fundamentalismus“ vorkommt. 12. Meine Damen und Herren! Die Freiheit ist das Maß der Würde und der Größe des Menschen. Die Freiheit leben, die die einzelnen Menschen und die Völker suchen, das ist eine große Herausforderung für das geistige Wachstum des Menschen und für die moralische Lebenskraft der Nationen. Die Grundfrage, mit der wir alle uns heute befassen müssen, ist die des verantwortungsbewußten Gebrauchs der Freiheit sowohl in der persönlichen wie in der sozialen Dimension. Es ist also notwendig, daß unsere Überlegung sich der Frage der sittlichen Struktur der Freiheit zuwendet, die die innere Architektur der Kultur der Freiheit bildet. Die Freiheit ist nicht einfach eine Abwesenheit von Tyrannei oder Unterdrückung noch auch die Erlaubnis, alles zu tun, was man will. Die Freiheit besitzt eine innere „Logik“, die sie kennzeichnet und veredelt: Sie ist auf die Wahrheit hingeordnet und verwirklicht sich im Suchen und im Tun der Wahrheit. Losgelöst von der Wahrheit der menschlichen Person, verfällt sie im Leben des einzelnen in Zügellosigkeit und im politischen Leben in Willkür der Stärkeren und Vermessenheit der Machthaber. Darum ist, weit entfernt davon, eine Einschränkung oder eine Bedrohung der Freiheit zu sein, die Beziehung zur Wahrheit über den Menschen -eine Wahrheit, die allgemein erkennbar ist durch das Sittengesetz, das jedem ins Herz geschrieben ist - in Wirklichkeit die Garantie für die Zukunft der Freiheit. 13. In diesem Licht begreift man, wie der Utilitarismus - eine Lehre, die die Sittlichkeit nicht aufgrund dessen definiert, was gut ist, sondern aufgrund dessen, was Vorteil bringt - eine Bedrohung für die Freiheit der einzelnen und der Nationen ist und den Aufbau einer wahren Kultur der Freiheit verhindert. Er hat oft verheerende politische Konsequenzen, denn er weckt einen aggressiven Nationalismus aufgrund dessen zum Beispiel eine kleinere oder schwächere Nation unterdrückt und das als gute Sache bezeichnet wird, weil es den eigenen nationalen Interessen 520 REISEN entspricht. Nicht weniger schwerwiegend sind die Resultate des wirtschaftlichen Utilitarismus, der die stärkeren Länder anleitet, die schwächeren abhängig zu machen und auszubeuten. Oft verbinden sich diese beiden Formen des Utilitarismus, und das ist eine Erscheinung, die weithin die Beziehungen zwischen dem „Norden“ und dem „Süden“ der Welt gekennzeichnet hat. Für die Entwicklungsländer war das Erreichen der politischen Unabhängigkeit allzu oft von einer tatsächlichen Situation der wirtschaftlichen Abhängigkeit von anderen Ländern begleitet. Man muß betonen, daß in manchen Fällen die Entwicklungsgebiete geradezu einen Rückschritt erlitten haben, so daß einige Staaten nicht die Mittel haben, um die wesentlichen Bedürfnisse ihrer Völker zu bestreiten. Solche Situationen verstoßen gegen das Gewissen der Menschheit und bilden eine gewaltige Herausforderung für die Menschheitsfamilie. Das Aufgreifen dieser Herausforderung erfordert offensichtlich Änderungen sowohl in den Entwicklungsnationen als auch in den wirtschaftlich fortgeschritteneren Ländern. Wenn die ersteren sichere Garantien für den richtigen Gebrauch der Ressourcen und der Hilfsmittel zu bieten wissen und ebenso für die Respektierung der Menschenrechte, indem sie, wo notwendig, ungerechte, korrupte und autoritäre Regierungsformen durch andere von mitbestimmendem und demokratischem Typ ersetzen - setzen sie dann nicht wirklich die besten zivilen und wirtschaftlichen Energien des eigenen Volkes frei? Und müssen nicht die schon entwickelten Länder ihrerseits zu Haltungen heranreifen, die von rein utilitaristischer Logik Abstand nehmen und von mehr Gerechtigkeit und Solidarität geprägt sind? Ja, meine Damen und Herren, auf der internationalen wirtschaftlichen Bühne muß sich eine Ethik der Solidarität durchsetzen, wenn man will, daß die Teilhabe, das wirtschaftliche Wachstum und eine gerechte Güterverteilung die Zukunft der Menschheit kennzeichnen sollen. Die internationale Zusammenarbeit, auf die die Charta der Vereinten Nationen sich beruft, „um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen“ (Art. 1,3), darf nicht ausschließlich im Rahmen von Hilfe und Beistand gedacht werden oder gar auf Vorteile abzielend, die für die zur Verfügung gestellten Ressourcen zurückfließen. Wenn Millionen Menschen Armut leiden - und das bedeutet Hunger, Unterernährung, Krankheit, Analphabetentum und Entwürdigung -, müssen wir uns nicht nur daran erinnern, daß niemand das Recht hat, den anderen zum eigenen Nutzen auszubeuten, sondern auch und vor allem unseren Einsatz für jene Solidarität verstärken, die es anderen erlaubt, in den konkreten wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen jene Kreativität zu leben, die ein bezeichnendes Charakteristikum der menschlichen Person ist und die den Reichtum der Nationen ermöglicht. 14. Wie sollte man angesichts dieser enormen Herausforderungen nicht die Rolle anerkennen, die der Organisation der Vereinten Nationen zukommt? Fünfzig Jahre nach ihrer Gründung sieht man noch mehr ihre Notwendigkeit, aber man sieht 521 REISEN auch aufgrund der gemachten Erfahrung besser, daß die Wirkungsmöglichkeit dieses größten Instrumentes für Synthese und Koordinierung internationalen Lebens von der Kultur und der internationalen Ethik abhängt, die es unterstützt und ausdrückt. Es ist notwendig, daß die Organisation der Vereinten Nationen sich immer mehr aus dem kalten Stadium einer Institution administrativer Art zu dem eines geistigen Zentrums erhebt, in dem sich alle Nationen der Welt zu Hause fühlen und ihr gemeinsames Bewußtsein entfalten, sozusagen eine „Familie der Nationen“ zu sein. Der Begriff „Familie“ läßt sogleich an etwas denken, was über die bloß funktionellen Beziehungen und das bloße Übereinstimmen von Interessen hinausgeht. Die Familie ist ihrer Natur nach eine auf gegenseitigem Vertrauen, gegenseitiger Unterstützung und gegenseitiger Achtung begründete Gemeinschaft. In einer wirklichen Familie gibt es nicht die Vorherrschaft der Starken; im Gegenteil, die schwächeren Glieder werden - gerade wegen ihrer Schwäche - mit doppeltem Wohlwollen umgeben und bedient. Diese auf die Ebene der .Familie der Nationen“ übertragenen Gefühle müssen noch vor dem bloßen Recht in die Beziehungen zwischen den Völkern verwoben sein. Die UNO hat die historische, vielleicht epochale Aufgabe, diesen Qualitäts-sprung des internationalen Lebens zu fördern: nicht nur dadurch, daß sie als Zentrum wirksamer Vermittlung zur Lösung von Konflikten tätig ist, sondern auch dadurch, daß sie jene Werte, jene Haltungen und jene konkreten Initiativen der Solidarität voranbringt, die sich fähig zeigen, die Beziehungen zwischen den Nationen von der „organisativen“ auf die sozusagen „organische“ Ebene emporzuheben, vom bloßen „Dasein mit“ zum „Dasein für“ die anderen in einem fruchtbaren Gabenaustausch, der vor allem für die schwächeren Nationen vorteilhaft, letztlich aber Vorbote des Wohlstands für alle ist. 15. Nur unter dieser Bedingung wird es eine Überwindung nicht nur der „gekämpften Kriege“, sondern auch der „kalten Kriege“ geben; nicht nur die Gleichberechtigung unter allen Völkern, sondern auch ihre aktive Teilnahme am Aufbau einer besseren Zukunft; nicht nur die Achtung vor den einzelnen kulturellen Gruppen, sondern ihre volle Wertschätzung als gemeinsamer Reichtum des Kulturerbes der Völker. Weist nicht die Charta der Vereinten Nationen auf dieses Ideal hin, wenn sie als Grundsatz der Organisation „den Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder“ (Art. 2,1) bezeichnet oder wenn sie der Organisation das Ziel setzt, „freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln“ (Art. 1,2)? Das ist die Hauptstraße, die bis zu Ende gegangen werden muß, wenn auch gelegentlich mit notwendigen Abänderungen vom Arbeitsmodell der Vereinten Nationen mit Rücksicht auf das, was in diesem halben Jahrhundert geschehen ist, in dem so viele neue Völker zur Erfahrung der Freiheit gelangt sind in dem legitimen Verlangen, mehr zu „sein“ und mehr zu „zählen“. 522 REISEN All das darf nicht als nicht realisierbare Utopie erscheinen. Dies ist die Stunde einer neuen Hoffnung, die uns auffordert, die lähmende Hypothek des Zynismus von der Zukunft der Politik und des Lebens der Menschen zu entfernen. Dazu fordert uns gerade der Jahrestag auf, den wir jetzt feiern, indem er uns die Idee der „vereinten Nationen“ wieder zu Bewußtsein bringt, eine Idee, die beredt von gegenseitigem Vertrauen, von Sicherheit und von Solidarität spricht. Sollten wir, angeleitet vom Beispiel derer, die das Risiko der Freiheit auf sich genommen haben, nicht auch das Risiko der Solidarität und daher das Risiko des Friedens auf uns nehmen? 16. Eines der großen Paradoxien unserer Zeit ist, daß der Mensch, der die Epoche, die wir .Moderne“ nennen, mit einer zuversichtlichen Behauptung seiner „Reife“ und .Autonomie“ begonnen hat, dem Ende des zwanzigsten Jahrhunderts mit Angst vor sich selbst, erschreckt vor dem, was er selbst zu tun imstande ist, mit Angst vor der Zukunft entgegengeht. Tatsächlich hat die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts das nie gekannte Phänomen einer - angesichts der Bedrohung durch einen nuklearen Krieg - sogar hinsichtlich der Möglichkeit einer Zukunft ungewissen Menschheit erlebt. Diese Gefahr scheint, Gott sei Dank, in die Feme gerückt; und man muß auf internationaler Ebene entschlossen alles beseitigen, was sie wieder näherbringen, wenn nicht gar akut werden lassen kann. Dennoch aber bleibt die Angst für die Zukunft und vor der Zukunft. Damit das nunmehr vor der Tür stehende Jahrtausend Zeuge einer neuen, von einer wahren Kultur der Freiheit geförderten Blüte des menschlichen Geistes sein kann, muß die Menschheit lernen, die Angst zu überwinden. Wir müssen lernen, keine Angst zu haben, und zu einem Geist der Hoffnung und Zuversicht zurückfinden. Hoffnung ist kein oberflächlicher Optimismus, diktiert von der naiven Zuversichtlichkeit, daß die Zukunft notwendigerweise besser sei als die Vergangenheit. Hoffnung und Zuversicht sind die Voraussetzung einer verantwortlichen Arbeitsamkeit und finden Nahrung im innersten Heiligtum des Gewissens, wo der Mensch „allein ist mit Gott“ (Gaudium et spes, Nr. 16) und von daher ahnt, daß er nicht alleingelassen ist mit den Rätseln des Daseins, weil die Liebe des Schöpfers ihn begleitet! Hoffnung und Zuversicht könnten Themen scheinen, die über die Zielsetzungen der Vereinten Nationen hinausgehen. In Wirklichkeit ist es jedoch nicht so, denn die politischen Tätigkeiten der Nationen, Hauptgegenstand der Sorge Ihrer Organisation, rufen immer auch die transzendente und geistig-geistliche Dimension der menschlichen Erfahrung auf den Plan und könnten nicht daran vorbeisehen, ohne der Sache des Menschen und der Freiheit des Menschen Schaden zuzufügen. Alles, was den Menschen mindert, setzt der Sache der Freiheit Schaden zu. Um am Ende dieses Jahrhunderts der Leiden unsere Hoffnung und unsere Zuversicht wiederzugewinnen, müssen wir neu den Blick für jenen transzendenten Horizont der Möglichkeiten gewinnen, dem der menschliche Geist zustrebt. 523 REISEN 17. Als Christ kann ich sodann nicht umhin zu bezeugen, daß meine Hoffnung und meine Zuversicht sich auf Jesus Christus gründen, dessen Zweitausendjahrfeier der Geburt am Anbruch des neuen Jahrtausends begangen wird. Wir Christen glauben, daß in seinem Tod und seiner Auferstehung die Liebe Gottes und seine Sorge für die ganze Schöpfung vollends offenbar geworden sind. Jesus Christus ist für uns Gott, der Mensch wurde, der in die Geschichte des Menschen eingetreten ist. Gerade deshalb erstreckt sich die christliche Hoffnung für die Welt und ihre Zukunft auf jeden Menschen: Es gibt nichts wirklich Menschliches, das im Herzen der Christen nicht Widerhall fände. Der Glaube an Christus treibt uns nicht zur Intoleranz, im Gegenteil, er verpflichtet uns, mit den anderen Menschen einen respektvollen Dialog zu unterhalten. Die Liebe zu Christus hält uns nicht vom Interesse für die anderen ab, sondern gebietet uns vielmehr, uns um sie zu kümmern, ohne irgend jemanden auszuschließen, und unsere Vorliebe hingegen den Schwächsten und Leidenden zuzuwenden. Während wir uns der Zweitausendjahrfeier der Geburt Christi nähern, verlangt die Kirche daher nichts anderes, als diese Heilsbotschaft respektvoll vorlegen und in einem Geist der Liebe und des Dienstes die Solidarität der gesamten Menschheitsfamilie fördern zu können. Meine Damen und Herren! Ich stehe vor Ihnen wie vor genau dreißig Jahren mein Vorgänger Papst Paul VI.: nicht als einer, der weltliche Macht hat - das sind seine Worte -, noch als religiöser Führer, der um besondere Privilegien für seine Gemeinschaft bittet. Ich stehe hier vor Ihnen als ein Zeuge: ein Zeuge für die Würde des Menschen, ein Zeuge für die Hoffnung, ein Zeuge für den Glauben, daß das Geschick jeder Nation in der Hand einer barmherzigen Vorsehung liegt. 18. Wir müssen unsere Angst vor der Zukunft überwinden. Wir können sie jedoch nur miteinander ganz überwinden. Die „Antwort“ auf diese Angst ist weder Zwang noch Unterdrückung oder Auferlegung eines einzigen Gesellschafts-,Modells“ für die ganze Welt. Die Antwort auf die Angst, die die menschliche Existenz am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts verdunkelt, ist die gemeinsame Anstrengung, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen, die auf den universalen Werten des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Freiheit gründet. Und die „Seele“ der Zivilisation der Liebe ist die Kultur der Freiheit: Freiheit der Individuen und der Nationen, gelebt in freigiebiger Solidarität und Verantwortlichkeit. Wir dürfen keine Angst vor der Zukunft haben. Wir dürfen keine Angst vor dem Menschen haben. Es ist kein Zufall, daß wir uns hier befinden. Jeder einzelne Mensch ist nach dem ,3ild und Gleichnis“ dessen geschaffen, der der Ursprung all dessen ist, was existiert. Wir haben in uns die Fähigkeit zur Weisheit und zur Tugend. Mit diesen Gaben und mit der Hilfe der Gnade Gottes können wir im kommenden Jahrhundert und für das nächste Jahrtausend eine der Menschenperson würdige Zivilisation, eine wahre Kultur der Freiheit errichten. Wir können und müssen es! Und indem wir es tun, werden wir uns bewußt werden können, daß die Tränen diese Jahrhunderts den Boden für einen neuen Frühling des menschlichen Geistes bereitet haben. 524 REISEN Dienst an der Familie ist Dienst an der Menschheit Ansprache an die Mitarbeiter der Vereinten Nationen in New York am 5. Oktober Meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine große Freude, Sie, den Mitarbeiterstab der Vereinten Nationen, zu begrüßen und Ihnen meine Anerkennung für den wichtigen Beitrag auszusprechen, den Sie für diese Weltorganisation und ihre Bemühungen zur Förderung von Eintracht und Solidarität unter den Völkern leisten. Ihr Dienst hier ist nicht nur ein Einsatz für Sie selbst, sondern er ist auch ein Zeichen für die ernsthaften Bemühungen Ihrer jeweiligen Heimatländer, sich für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einzusetzen. 2. Wir alle sind uns schmerzvoll bewußt, daß es in unserer heutigen Welt leider noch immer zu furchtbaren bewaffneten Auseinandersetzungen und politischen und wirtschaftlichen Spannungen kommt, die das menschliche Leben und die Freiheit auf unsagbare Weise verletzen. Angesichts solcher Tatsachen sollten wir all jener gedenken und sie der liebenden Gnade Gottes anvertrauen, die ihr Leben im Dienst für die Vereinten Nationen und ihrer Ideale hingegeben haben, insbesondere derer, die für die Erhaltung des Friedens bei humanitären Missionen gefallen sind. Ihr Opfer ist ein integraler Bestandteil der Geschichte der Vereinten Nationen. Angesichts dieser endlosen Tragödie und Schlechtigkeit verlieren wir dennoch nicht die Hoffnung für die Zukunft, denn wir sind Zeugen für das aufrichtige Streben vieler Nationen nach Zusammenarbeit, Partnerschafts-Politik und gemeinsamer Verantwortung, wenn es darum geht, alte und neue Probleme zu lösen. In diesem Klima internationaler Zusammenarbeit ist Ihr Beitrag als Mitarbeiter der Vereinten Nationen unentbehrlich. Sie bringen wertvolle Erkenntnisse und Erfahrungen Ihrer jeweiligen Länder und Völker mit. Sie zeigen Vertrauen und Treue gegenüber Ihren Traditionen und Kulturen, während Sie gleichzeitig fähig sind, über sie hinauszuschauen. Sie zeigen eine ganz besondere Sorge für die gesamte menschliche Familie. Ich möchte Ihnen versichern, daß die katholische Kirche Sie bei Ihrer Arbeit zur Förderung von Gerechtigkeit und Frieden und für die weltweite Anerkennung der Menschenwürde und der Menschenrechte voll und ganz unterstützt. 3. Die Kirche selbst gibt weder technische Ratschläge noch kann sie besondere politische oder wirtschaftliche Programme fördern. Sie wendet sich vielmehr an die Herzen der Menschen und wird zum Sprecher des menschlichen Gewissens. Sie macht es zu ihrer Aufgabe, die Menschen zu erziehen und sie zu erheben, damit sie für sich und andere die Verantwortung übernehmen. Im Kontext mit der Gemeinschaft der Nationen ist die Botschaft der Kirche einfach, aber dennoch absolut entscheidend für das Überleben der Menschheit in der Welt: die menschliche 525 REISEN Person muß der wahre Mittelpunkt aller gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Vorgänge sein. Diese Wahrheit, auf wirksame Weise in die Tat umgesetzt, wird uns zeigen, wie die Kluft zwischen Reich und Arm überbrückt, das ungleiche Verhältnis zwischen Starken und Schwachen ausgeglichen und der Mensch mit sich selbst und Gott versöhnt werden kann. Denn Männer und Frauen sind als Ebenbild und Gleichnis Gottes geschaffen worden (vgl. Gen 1,27). Der Mensch darf daher niemals lediglich als Objekt betrachtet oder für politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Vorteile geopfert werden. Wir dürfen nie zulassen, daß Menschen von Ideologien oder Technologien manipuliert und abhängig werden. Ihre von Gott gegebene Würde und ihr Wert als Menschen verbieten das. 4. Liebe Freunde, diese für die nationale und internationale Politik so entscheidende Wahrheit ist im Zusammenhang mit Ihrer täglichen Arbeit hier im Hauptquartier der Vereinten Nationen nicht minder wichtig. Für Sie bedeutet es, sich entschlossen für Rechtschaffenheit und persönliche Integrität bei Ihrer Arbeit und Ihren beruflichen Beziehungen einzusetzen. Es bedeutet, die religiösen und kulturellen Traditionen anderer zu achten und sie, wenn notwendig, auch zu schützen und zu fördern. Es bedeutet, für sich selbst die gleichen Verhaltens und Höflichkeitsregeln anzuwenden, die man von anderen erwartet. Und nicht nur das: Es bedeutet auch, auf ganz besondere Weise für das Familienleben, Ihr eigenes und das anderer, Sorge zu tragen. Die mit der Gründung einer Familie, der Betreuung und Erziehung der Kinder verbundenen Schwierigkeiten sind zweifellos persönliche Belange, aber sie können auch Ausdruck jener Liebe und Aufmerksamkeit sein, mit der Sie Ihren Völkern, Ihren Nationen und der Welt dienen. 5. Vor siebzehn Jahren, am Anfang meines Pontifikats, schrieb ich, daß es schwer falle zu sagen, welche Bedeutung das Jahr 2000 im Ablauf der Menschheitsgeschichte haben und wie es für die einzelnen Völker, Nationen, Länder und Kontinente ausfallen würde (vgl. Redemptor hominis, Nr. 1). Heute ist es nicht leichter, diese Dinge vorauszusehen. Ich kann aber sagen, daß Ihre hingebungsvolle Arbeit hier bei den Vereinten Nationen ein vielversprechendes Zeichen dafür ist, daß das neue Jahrtausend ein erneutes Aufblühen wahrer Menschlichkeit durch Anteilnahme, Offenheit und Solidarität zwischen Völkern und Nationen erleben wird. Meine Gebete begleiten Sie und Ihre Familien. Möge der allmächtige Gott Ihnen stets seinen Segen schenken und Sie mit seiner Gnade und seinem Frieden stärken, damit Sie ihm auch weiterhin dienen eben durch jenen Dienst, den Sie der ganzen Menschheitsfamilie leisten. 526 REISEN Lebensschutz hat in den Vereinigten Staaten eine lange Tradition Predigt bei der Eucharistiefeier im Giants-Stadion in Newark am 5. Oktober „Dein Reich komme!“ {Mt 6,10). Lieber Erzbischof McCarrick und hebe Mitbrüder im Bischofsamt, hebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Jeden Tag beten wir im Vaterunser: „Dein Reich komme!“ (vgl. Mt 6,9-13). Und im heutigen Evangehum hörten wir von Jesus, der seine Jünger aussandte, damit sie verkündeten, daß „das Reich Gottes nahe ist“ (vgl. Lk 10,9). Heute feiern wir die Frohe Botschaft vom Gottesreich hier im Giants-Stadion, in der Erzdiözese Newark, in New Jersey, dem Garten-Staat. Ich grüße die ganze katholische Gemeinschaft von Newark, insbesondere euren Oberhirten und meinen treuen Freund Erzbischof Mac Carrick, dem ich für seinen herzhchen Will-kommensgruß danke. Ich grüße das von Gott gehebte Volk aus ganz New Jersey -die Bischöfe, Priester, Diakone, Seminaristen, Ordensleute, Eltern, Kinder, Junge, Alte, Kranke; der Gruß gilt auch unseren Brüdern und Schwestern der Diözesen des orientalischen Ritus, deren Anwesenheit hier ein lebendiges Zeugnis von der reichen Vielfalt der heiligen Kirche Gottes gibt. Ebenso dankbar bin ich den Obrigkeiten von Stadt und Staat und den Vertretern der verschiedenen religiösen Bekenntnisse, die diese Stunde des Gebets mit uns teilen. Der Papst hatte in englischer Sprache begonnen und fuhr in spanisch fort: Ich möchte den spanisch-sprechenden Personen, die an dieser Messe teilnehmen, danken, denn die Kirche in den Vereinigten Staaten spricht sehr gut spanisch. Ich ermuntere sie, ihren Glauben in ihrem täglichen Leben, in der Sorge um ihre Familie und in ihren beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen immer deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Mögen sie nie die Freude und Hochherzigkeit verlieren, mit der sie gelernt haben, unserem Herrn Jesus Christus nachzufolgen. Der Papst sagte weiter in englisch: Was ist dieses Reich, das Jesus angekündigt hat und das die Kirche über Jahrhunderte weiter verkündet? Zum ersten ist es die Bekräftigung der Herrschaft Gottes über die ganze Schöpfung. Als Schöpfer herrscht er über die Welt, die er geschaffen hat. Aber das Reich bedeutet mehr. Es bedeutet, daß Gott als der Herr in dieser Welt gegenwärtig ist. Das Reich ist vor allem in Jesus Christus gegenwärtig, dem Sohn von Ewigkeit her, der Heisch geworden ist und unter uns gewohnt hat (vgl. Joh 1,14). Das Reich umfaßt weiter uns alle: Durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung von den Toten hat Christus uns von unseren Sünden erlöst und 527 REISEN uns ein neues Leben aus dem Geist geschenkt. Durch das Ostergeheimnis hat Gott - wie der Apostel Paulus schreibt - „uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes“ (Kol 1,13). 2. Wie das Volk Israel, von dem in der ersten Lesung berichtet wurde, daß es sich um den Priester Esra versammelte und tief bewegt dem Wort Gottes lauschte (vgl. Neh 8,5), haben wir uns erhoben, um die Botschaft von Gottes Gegenwart und Liebe zu hören, die die Liturgie uns heute abend anbietet. Nehemia berichtet über die Zeit nach der Babylonischen Gefangenschaft, als das jüdische Volk in seine Heimat zurückkehrte. Am Ende der Lesung „pries Esra den Herrn, den großen Gott; darauf antworteten alle mit erhobenen Händen: Amen, amen!“ (Neh 8,6). Dieses große Amen wird in jeder Meßfeier wiederholt, wenn wir am Ende des Eu-charistischen Gebetes dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist Ehre und Lobpreis darbringen. Mit diesem Amen erkennt die ganze Gemeinschaft die wirkliche Gegenwart Jesu Christi an, des lebendigen und ewigen Wortes des Vaters, auf dem Altar. In dem Geist dieses großen Amen lobpreisen wir alle hier im Giants-Stadion Versammelten Jesus Christus für die Neuheit des Lebens (vgl. Rom 6,4), das er uns im Heiligen Geist schenkt. Gelobt sei unser Herr und Heiland Jesus Christus! 3. Das Evangelium führt uns Jesus vor Augen, der seine Jünger aussendet, die Frohe Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden (vgl. Lk 10,1). Er sagt ihnen offen, daß manche Leute ihre Botschaft nicht beachten oder ablehnen werden. Aber ein solcher Widerstand seitens der Menschen wird das Kommen des Reiches nicht aufhalten (vgl. Lk 10,10-11). Das Reich ist immer gegenwärtig, weil der Vater selbst es in die Welt gebracht hat durch das Leiden und Sterben und die Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus. Seit dem Pfingsttag hört der Heilige Geist nicht auf, die Macht des Königtums Christi mitzuteilen und Männer und Frauen einzuladen, ihr Heil in dem zu suchen, der „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ ist (vgl. Joh 14,6). Um uns dieses Heil zu bringen, stiftete Christus die Kirche gleichsam als „das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, Nr. 1). Eines der schönsten unter den vielen herrlichen Bildern, die die Bibel verwendet, um die Kirche zu beschreiben, ist das von dem Haus, in dem Gott unter seinem Volk wohnt (vgl. Eph 1,19-22; 1 Tim 3,15). Der Herr will, daß seine Kirche in jedem Volk „eine Wohnung erbaut“, indem sie die Heilsgaben in die Geschichte und Kultur jeder Nation einpflanzt. Im heutigen Evangelium sendet Jesus seine Jünger in die Wohnungen der Leute, um ihnen seinen Frieden zu bringen (vgl. Lk 10,5). In jeden Ort, wo Menschen ihre Wohnungen bauen und ihr Leben entfalten, muß ein Jünger Jesu kommen und sagen: „Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,9). 4. Heute abend sagen wir Gott Dank für die Weise, in der die Kirche in Amerika „eine Wohnung erbaut hat“. Am Anfang erwuchs die Kirche in diesem Land aus 528 REISEN dem Glauben von Menschen aller Kulturen und Volksstämme, eingeschlossen der Eingeborenen und Neusiedler. Überall sehen wir die Erfolge der Arbeit von unzähligen Priestern, Ordensleuten, christlichen Familien und einzelnen Laien, Männern und Frauen, die die Kirche in der amerikanischen Gesellschaft durch das große Netz der Pfarreien, Schulen, Krankenhäuser und karitativen Einrichtungen vergegenwärtigten. Dieses ruhmvolle Erbe sollte euch als Inspiration und Ansporn dienen, wenn ihr die Herausforderungen unserer Zeiten zu bewältigen sucht. Die Kirche muß die geistige Wohnung Gottes in Amerika weiterbauen! Hier in der Kirche in Newark hat die Synode der Erzdiözese im vergangenen Jahr die ganze katholische Gemeinschaft in den „Missionszustand“ versetzt. Die Synode hat die Laien insbesondere aufgerufen, für das Reich Gottes zu arbeiten, indem sie sich bemühen, die Gesellschaft in Übereinstimmung mit den Plänen Gottes zu formen. Kein Lebensbereich - ob in der Familie, am Arbeitsplatz, in den Schulen und in den wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Tätigkeiten - läßt sich ja der Herrschaft Gottes entziehen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 36). Während wir die Zweitausendjahrfeier der Geburt Christi vorbereiten, erkennt eure Synode mit der ganzen Kirche die Notwendigkeit einer Neuevangelisierung, einer neuen und lebendigen Verkündigung des Evangeliums mit dem Ziel, euren Glauben immer mehr in das Gefüge eures täglichen Lebens zu integrieren. Mit den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzil: Wo „der Mensch sich zuwenig darum müht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird“ (Gaudium et spes, Nr. 16), muß die Kirche sich besonders anstrengen, die objektiven Wahrheiten der moralischen Ordnung zu lehren, die Gewissen zu formen, die Menschen zur Umkehr zu rufen und die unerschöpflichen Reichtümer des Erbarmens Gottes in den Sakramenten und besonders im Sakrament der Buße deutlich zu machen. 5. Das christliche Leben ist eine dynamische Wirklichkeit: Der Samen des Glaubens, der in eure Herzen durch die Taufe eingesenkt wurde, muß wachsen und reifen in eine reiche Ernte der Verbundenheit mit Gott und durch gute Werke des Dienstes am Nächsten. Jesus verwendet den Vergleich mit der Ernte, um die Aufgabe der Kirche in der Welt zu beschreiben. Von Generation zu Generation, zu allen Zeiten und an allen Orten reift die Saat, die Gott durch den Tod und die Auferstehung Christi in die menschliche Geschichte eingesenkt hat, und wartet auf die Ernte. Jesus erinnert uns daran, daß für die Ernte mehr Arbeiter notwendig sind, und er befiehlt uns, um sie zu beten: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Mt 9,37-38). Die Frage der Berufungen ist für die Kirche lebenswichtig. Jeder hat eine Berufung: die Eltern, Lehrer, Studenten, Arbeiter, Freiberuflichen und Rentner. Jeder hat etwas für Gott zu tun. Wir müssen darum beten, daß die jungen Menschen vor allem Gottes Ruf hören, als Priester, als Ordensfrauen und -männer, als Missionare und Missionarinnen zu Hause und in anderen Ländern zu dienen. Jugend von 529 REISEN Newark und New Jersey, junge Amerikaner, der Herr braucht euch! Die Kirche braucht euch! 6. Im Vergleich zu vielen anderen Teilen der Welt sind die Vereinigten Staaten ein bevorzugtes Land. Aber auch hier gibt es so viel Armut und menschliches Leiden. Es herrscht großer Mangel an Liebe und Liebeswerken; es mangelt an gesellschaftlicher Solidarität. Die ersten Amerikaner waren stolz auf ihren ausgeprägten Sinn der Verantwortlichkeit des einzelnen, aber das verleitete sie nicht dazu, eine radikal „individualistische“ Gesellschaft aufzubauen. Sie errichteten eine auf Gemeinschaft gegründete Gesellschaft, weit offen und empfänglich für die Nöte ihrer Nachbarn. In der Nähe der Küste von New Jersey erhebt sich ein weltweit bekannter Landstrich, der als ein immerwährender Zeuge der traditionellen amerikanischen Begrüßung der Fremden gilt und der uns etwas sehr Wichtiges sagt über die Nation, die Amerika sein wollte. Es ist die Freiheitsstatue mit ihrem berühmten Gedicht: „Gib mir deine müden, deine armen, deine zusammengepferchten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen ... Sende sie, die Heimatlosen, Sturmdurchrüttelten zu mir.“ Wird das heutige Amerika unempfänglicher, hebloser gegenüber den Armen, den Schwachen, den Fremden und Notleidenden? Das darf es nicht! Heute wie früher sind die Vereinigten Staaten berufen, eine gastliche Gesellschaft und eine aufnahmebereite Kultur zu sein. Würde Amerika sich einkapseln, wäre das nicht der Anfang vom Ende dessen, was den Wesenskem der „amerikanischen Erfahrung“ bildet? Die Geschichte von Amerika war zum Großteil die Geschichte eines langen und schwierigen Kampfes für die Überwindung der Vorurteile, die gewisse Menschengruppen von der vollen Teilhabe am Leben des Landes ausschloß: zuerst der Kampf gegen die religiöse Intoleranz, dann der Kampf gegen die Rassendiskriminierung und zugunsten der Bürgerrechte für jeden. Traurigerweise wird heute eine neue Menschenklasse ausgegrenzt. Wenn das ungeborene Kind - der „Fremdling im Mutterleib“ - als außerhalb des Schutzes der Gesellschaft stehend erklärt wird, werden nicht nur Amerikas tiefste Traditionen radikal unterminiert und gefährdet, sondern ein moralischer Gifthauch wird auf die Gesellschaft gesenkt. Ich denke auch an die Gefährdung der Betagten, der Schwerbehinderten und all derer, die nutzlos für die Gesellschaft zu sein scheinen. Wenn unschuldige Menschen für unangemessen oder lästig und damit des gesetzlichen und gesellschaftlichen Schutzes unwürdig erklärt werden, wird den moralischen Grundlagen der demokratischen Gemeinschaft schwerer Schaden zugefügt. Das Recht auf Leben ist das erste aller Rechte. Es ist das Fundament der demokratischen Freiheiten und der Eckstein des Gebäudes der bürgerlichen Gesellschaft. Als Amerikaner und Anhänger Christi müssen die amerikanischen Katholiken sich für den Schutz des Lebens in allen seinen Phasen und Umständen einsetzen. 530 REISEN 1. Liebe Schwestern und Brüder! Christus hat die Kirche und die ganze Menschheitsfamilie auf die Zukunft ausgerichtet, als er den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzte und das Geheimnis des neuen Lebens enthüllte. In seiner Auferstehung offenbart der Herr uns die neue Schöpfung, die Verheißung des neuen Himmels und der neuen Erde (vgl. 2 Petr 3,13). Wir leben als Christen durch den Glauben und in der Hoffnung. Wir warten auf die Wiederkunft des Herrn als Richter über die Lebendigen und die Toten. Wir erwarten seine Wiederkunft in Herrlichkeit, das Kommen des Reiches Gottes in der Fülle. Das ist die ständige Einladung des Psalms: „Hoffe auf den Herrn, und sei stark! Hab festen Mut, und hoffe auf den Herrn!“ {Ps 27,14). Unsere Zuversicht auf die Zukunft, die Gott uns eröffnet hat, befähigt uns, dieses Leben auf Erden im richtigen Licht zu sehen. Im Ausblick auf das Reich Gottes erkennen wir die wahre Bedeutung aller Leistungen der menschlichen Zivilisation und Kultur, all unserer Errungenschaften, unserer Kämpfe und unserer Leiden. Als Amerikaner seid ihr mit Recht stolz auf die großen Errungenschaften eures Landes. Als Christen wißt ihr, daß alle menschlichen Dinge den Boden bilden, in dem das Reich Gottes Wurzel fassen und reifen soll! An die Kirche in den Vereinigten Staaten, an dich, Kirche in Newark, richte ich diesen Appell: Macht die zeitliche Wirklichkeit nicht zu einem Idol! „Wißt, daß das Reich Gottes nahe ist“ (vgl. Lk 10,11). ,Hoffe auf den Herrn, und sei stark! Hab festen Mut!“ {Ps 27,14). Hoffe auf den Herrn! Amen. Eine Kultur des Lebens stützt die Familie Predigt bei der Eucharistiefeier in Brooklyn am 6. Oktober Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Jesu Worte im heutigen Evangelium führen mich in meine Jugend zurück und erinnern mich an ein Lied, das wir in meiner Heimatpfarrei in Wadowice zu singen pflegten. Der Text des Liedes ist sehr einfach, aber zugleich von sehr tiefer Bedeutung: „Komm, Heiliger Geist, wir brauchen notwendig deine Gnade. Laß uns wachsen in der himmlischen Erkenntnis, die du offenbart hast. Mach es uns leicht, sie zu verstehen, und möge sie durch unsere Beharrlichkeit in uns bleiben. Von dieser Wahrheit erleuchtet, werden wir bestärkt im Guten.“ Diese Worte bringen sehr gut die Theologie vom Heiligen Geist zum Ausdruck, durch den der Vater offenbart, was „den Weisen und Klugen verborgen“ ist“ {Mt 11,25), und durch den der Sohn den Vater offenbart (vgl. Mt 11,27). Der Geist ist tatsächlich die handelnde und wirkende Kraft des Evangelisierungsauftrags der Kirche. Deshalb ruft die Kirche ständig den Heiligen Geist auf die einzelnen Ge- 531 REISEN meinschaften herab, und heute wiederholen wir diese Anrufung hier auf der Aque-duct-Pferderennbahn in Queens. 2. Ich freue mich, so eine große Versammlung von Gläubigen dieser Ortskirche zu sehen. Ich grüße euch alle voll Liebe: euren tüchtigen Oberhirten Bischof Thomas Daily; meine Brüder: Kardinale und Bischöfe; die Priester, Diakone, Ordensleute und Laien aus der Diözese Brooklyn und aus vielen anderen Diözesen. Meine Grüße sind zugleich an die Führungskräfte der verschiedenen Konfessionen und an die Obrigkeiten der städtischen und staatlichen Regierung gerichtet. Es freut mich ebenso, die verschiedenen Kanzler der Kolumbus-Ritter aus den Vereinigten Staaten und Kanada zusammen mit dem Obersten Ritter, Mr. Virgil Dechant, hier vertreten zu sehen. Um den Altar des Herrn versammelt, wollen wir diesen Gottesdienst darbringen und um die Kraft bitten, die Herausforderungen der Neuevangelisierung bewältigen zu können, zu der der Heilige Geist die Kirche Gottes ruft. Der Papst hatte seine Predigt in englisch begonnen und fuhr in spanisch fort: Bei dieser Meßfeier sind viele Personen, Familien und Gemeinschaften spanischer Sprache anwesend. Sie haben im Herzen des Papstes und der Kirche einen besonderen Platz. Jedem von ihnen bringe ich meine herzliche Liebe und Zuneigung im Herrn zum Ausdruck. In englisch sagte der Papst weiter: 3. Das Leitwort der heiligen Messe heute morgen lautet: „Fortschritt der Völker.“ Dies ist ein angemessenes Thema im Zusammenhang mit meinem Besuch der Vereinigten Staaten anläßlich des 50. Gründungsjubiläums der Organisation der Vereinten Nationen. Die Anwesenheit des Papstes in diesem internationalen Forum ist in der Tat ein Akt der Evangelisierung mit dem Ziel, dem Fortschritt der Menschheit in der großen Familie der Nationen zu dienen, die diese Weltorganisation darstellt. Der „Fortschritt der Völker“ ist eng mit der Verkündigung der christlichen Botschaft der Erlösung und Hoffnung verbunden. Von dieser Erlösung spricht Jesaja in der ersten Lesung: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf ‘ (Jes 9,1). Dieses Dunkel bedeutet die geistige Finsternis, die manchmal Völker, Nationen und selbst die Geschichte wie einen trostlosen Mantel umhüllt. Gewiß hat auch das 20. Jahrhundert solche Zeiten der Dunkelheit erlebt. Die beiden Weltkriege waren Zeiten großer Dunkelheit, die Völker und Nationen in ungeheure Leiden stürzte. Für viele Völker ist das 20. Jahrhundert immer noch eine Zeit schrecklicher Angst und Marter. Aus der Tiefe dieser traurigen Erfahrung sucht die Menschheitsfamilie einen Weg der Gerechtigkeit und des Friedens. 532 REISEN Der Papst sagte wieder in spanisch: Jesaja versichert weiter, daß wahre Gerechtigkeit und Frieden, der echte Fortschritt der Völker, im Plan Gottes darauf ausgerichtet sind, einen Erlöser zu senden. Ja, er schreibt: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt... Seine Flerrschaft ist groß, und der Friede hat kein Ende ... Er festigt und stützt sie durch Recht und Gerechtigkeit, jetzt und für alle Zeiten“ (Jes 9,5-6). Hier spricht der Prophet vom Messias, auf dessen Ankunft Israel mit so großer Sehnsucht wartete. Er ist der Messias, in den die Männer und Frauen von heute so große Hoffnungen setzen, besonders wenn sie den zerstörerischen Erfahrungen des Krieges, der Konzentrationslager, der Gewalt und der Mißachtung der Menschenwürde ausgesetzt sind. Hier erhält das Wort Jesu, der unsere Rettung und unsere Hoffnung ist, eine besondere Bedeutung: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11,28). Christus selbst nahm eine Last auf sich, und zwar seine Last: das Kreuz, das durch unser aller Sünden weit mehr wog. Aber Christus flüchtete nicht vor dem Kreuz; er nahm es freiwillig auf sich. Und jetzt steht er denen, die harte Prüfungen und Verfolgungen erleiden, zur Seite, und er bleibt an ihrer Seite bis zum Ende. Gerade für alle und mit allen trug er das Kreuz bis auf Golgota, und dort wurde er ans Kreuz genagelt für uns alle. Er starb wie ein Verbrecher den schmachvollsten Tod, den es damals gab. Deshalb kann er in unserem Jahrhundert denen, die auf ihren Schultern ungeheure Lasten tragen, sagen: „Kommt zu mir. Ich bin euer Bruder im Leiden. Es gibt keine Erniedrigung oder kein An-den-Rand-Drängen, die ich nicht kenne.“ Der Papst fuhr in englisch fort: 5. Gerade durch das Evangelium des Kreuzes und durch seine Auferstehung legt Christus die Fundamente für das Fortschreiten des Reiches Gottes in der Welt. Die Gegenwart dieses Reiches eröffnet uns die Dimension der Ewigkeit in Gott und enthüllt den tiefsten Sinn unserer Bemühungen, das Leben hier auf Erden zu verbessern. Überall sehnen sich Völker nach dem vollen und freien menschenwürdigen Leben. Es besteht eine große Sehnsucht nach politischen, sozialen und wirtschaftlichen Einrichtungen, die den einzelnen und den Nationen helfen, ihre Würde zu bekräftigen und zu entfalten (vgl. Gaudium et spes, Nr. 9). Welche Art von Gesellschaft ist des Menschen würdig? Die Kirche antwortet mit der einzigartigen Sichtweise der Heilsgeschichte. Sie verkündet die Wahrheit, daß das Wort Gottes, durch das alles geschaffen wurde, selbst Fleisch angenommen und unter uns gewohnt hat. Es trat in die Weltgeschichte - unsere Geschichte - ein als Mensch, ein Menschen wesen, eine göttliche Person; er nahm unsere Geschichte an und vervollständigte sie. Durch seine Auferstehung wurde er der Herr, und ihm wurde alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben. Durch die Kraft seines Geistes wirkt Christus jetzt in unseren Herzen und in unserer Welt. Der Geist flößt uns die Sehnsucht nach der zukünftigen Welt ein, er inspiriert, reinigt 533 REISEN und stärkt aber auch diese edlen Bestrebungen, durch die wir das irdische Leben menschlicher gestalten wollen (vgl. ebd., Nr. 38). 6. Liebe Freunde, wir sind hier in dieser riesigen Metropole New York versammelt, die von vielen als Höhepunkt der modernen Zivilisation und des Fortschritts, als ein Symbol Amerikas und des amerikanischen Lebens betrachtet wird. Über zweihundert Jahre lang kamen Menschen verschiedener Nationen, Sprachen und Kulturen hierher und brachten Erinnerungen und Traditionen des „alten Landes“ mit, während sie zugleich Teil der neuen Nation wurden. Amerika besitzt weltweites Ansehen, den Ruf der Macht, Geltung und Wohlstand. Aber nicht jeder ist hier mächtig; nicht jeder ist hier reich. In der Tat, der manchmal ausufemde Überfluß Amerikas verbirgt oft viel Not und Armut. Vom Standpunkt des Reiches Gottes müssen wir deshalb eine sehr grundlegende Frage stellen: Haben die Menschen, die in dieser riesigen Metropole leben, die Seligpreisungen aus den Augen verloren, die denen, die arm sind vor Gott, verheißen sind? Inmitten der großartigen wissenschaftlichen und technologischen Zivilisation, auf die Amerika stolz ist, und besonders hier in Queens, in Brooklyn, in New York, ist da noch Raum für das Geheimnis Gottes? Für das Geheimnis, das „den Unmündigen offenbart“ wird {Mt 11,25); das Geheimnis des Vaters und des Sohnes in der Einheit des Heiligen Geistes; das Geheimnis der göttlichen Liebe, die die Quelle von allem ist? Ist da noch Raum für das Geheimnis der Liebe? Ist noch Raum für die Offenbarung des Lebens - des transzendenten Lebens, das uns Christus um den Preis seines Kreuzestodes und durch den Sieg seiner Auferstehung bringt? Das Evangelium vom Reich Gottes ist für jeden Aspekt des irdischen Fortschritts offen, der den Menschen hilft, die Dimension des göttlichen Lebens, die Dimension des ewigen Heils zu entdecken und zu betreten. Das ist das Werk der Kirche; das ist das Werk, das der Heilige Geist durch uns alle vollbringen will, wenn wir nur auf die Wahrheit achten, die er offenbart, und im Guten bestärkt werden. 7. Mit anderen Worten, diese Wahrheit sagt uns, daß es kein menschenwürdiges Leben geben kann ohne eine Kultur - und eine Gesetzgebung -, die die Ehe und Familie achtet und schützt. Das Wohlergehen des einzelnen und der Gemeinschaften hängt von dem gesunden Zustand der Familie ab. Vor einigen Jahren stellte eure Nationale Kommission für die Familien in den Städten Amerikas fest und ich zitiere: „Der Familientrend unserer Zeit ist der Verlust der Institution Ehe und die steigende Auflösung der Mutter-Vater-Kindererziehungseinheit ... Kein häuslicher Trend ist gefährlicher für das Wohlergehen unserer Kinder und für unsere langfristige nationale Sicherheit“ (Report, Januar 1993). Ich zitiere diesen Wortlaut, um zu zeigen, daß nicht nur der Papst und die Kirche voll Sorge über diese wichtigen Fragen sprechen. Die Gesellschaft muß nachdrücklich das Recht des Kindes bekräftigen, in einer Familie aufzuwachsen, wo so weit wie möglich beide Eltemteile anwesend sind. 534 REISEN Familienväter müssen ihren ganzen Teil der Verantwortung für das Leben und Aufziehen ihrer Kinder übernehmen. Beide Eltemteile müssen Zeit für ihre Kinder aufbringen und persönliches Interesse an ihrer moralischen und religiösen Erziehung bezeigen. Kinder brauchen nicht nur materielle Unterstützung von ihren Eltern, sondern viel wichtiger ist ein gesicherter, liebevoller und moralisch gesunder Familienverband. Katholische Eltern müssen lernen, ihre Familie zu einer „Hauskirche“ zu entwickeln, einer Kirche zu Hause, wo Gott geehrt und sein Gesetz befolgt wird, wo Gebet etwas Gewohntes, die Tugend durch Wort und Beispiel vermittelt wird und wo jeder die Hoffnungen, Probleme und Leiden aller anderen teilt. All das will nicht die Rückkehr zu einem überholten Lebensstil verteidigen, sondern die Rückkehr zu den Wurzeln der menschlichen Entwicklung und des menschlichen Glücks! 8. Die Wahrheit, die Christus offenbart, sagt uns, daß wir einander stützen und mit den anderen Zusammenarbeiten müssen, trotz kultureller, sozialer oder religiöser Unterschiede. Sie fordert uns heraus, uns zu engagieren. Sie gibt uns den Mut, Christus in unserem Nachbarn zu sehen und ihm dort zu dienen. Und unseren göttlichen Meister nachahmend, der gesagt hat: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt“ (Mt 11,28), sollten wir andere einladen, zu uns zu kommen, indem wir den Menschen in Not unsere helfende Hand reichen, die Zugewanderten willkommen heißen und an die Trauernden ein Wort des Trostes richten. Das ist die Güte, in der uns der Heilige Geist stärkt! Auf diese Weise könnt ihr - Frauen und Männer, jung und alt, Eheleute und Alleinstehende, Eltern, Kinder und Familien, Schüler und Lehrer, Freiberufliche, Arbeiter und solche, die unter der schrecklichen Last der Arbeitslosigkeit leiden -, so kann jeder einen positiven Beitrag zu Amerika leisten und eure Kultur in eine pulsierende Kultur des Lebens umwandeln helfen. Das, liebe Brüder und Schwestern, will heißen, für das Reich Gottes heute in Amerika zu arbeiten. Das ist der Weg, der zum wahren Fortschritt der Nationen und Völkern führt; es ist der Weg der Gerechtigkeit und des Friedens, das Licht, das in der Finsternis leuchtet, das Joch, das nicht drückt, und die Last, die leicht ist. Dort werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. „Komm, heiliger Geist, wir brauchen notwendig deine Gnade. Laß uns wachsen in der himmlischen Erkenntnis, die du offenbart hast. Mach es uns leicht, sie zu verstehen, und möge sie durch unsere Beharrlichkeit in uns bleiben. Von dieser Wahrheit erleuchtet, werden wir bestärkt im Guten.“ Gelobt sei Jesus Christus! Amen. 535 REISEN Priester sind für die Menschen Wegbereiter der göttlichen Weisheit Predigt beim Vespergottesdienst in Yonkers am 6. Oktober Liebe Brüder, Kardinäle, Bischöfe, liebe Brüder und Schwestern in Christus! „Du Weisheit des Höchsten, in Kraft und Milde ordnest du alles: Komm und offenbare uns den Weg der Weisheit und der Einsicht!“ {Ruf vor dem Evangelium im Advent, 17. Dezember). 1. Diese Worte des Rufes vor dem Evangelium zur Adventszeit fallen uns ein, wenn wir die Lesung der heutigen Vesper hier in dieser schönen Kapelle des Priesterseminars St. Joseph in Dunwoodie hören. In seinem ersten Brief an die Korinther schreibt der hl. Paulus von der Weisheit: „Vielmehr verkündigen wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung (1 Kor 2,7). Aber was ist das für eine Weisheit? Der hl. Paulus spricht von Gottes Plan für unsere Erlösung, dem Plan, der zur Vollkommenheit gebracht wird vom Ewigen Wort, der Göttlichen Weisheit selbst, dem Sohn, der eines Wesens ist mit dem Vater, dem heiligen Wort Gottes, auf das der Ruf vor dem Evangelium im Advent sich bezieht. Es ist natürlich das Wort, von dem der hl. Johannes im Prolog zu seinem Evangelium spricht: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen“ (Joh 1,1.14). 2. Liebe Mitglieder dieser Seminargemeinschaft und auch ihr aus anderen Seminaren sowie die vielen Leute draußen vor dieser Kapelle, die sich uns angeschlossen haben: Die Ewige Weisheit ist Fleisch geworden und wurde von der Jungfrau Maria geboren. Dies ist der Grund, warum wir zu Maria als dem „Thron der Weisheit“ (Sedes Sapientiae) beten. Die Weisheit, die Person des Sohnes, wurde in ihrem Leib durch die Macht des Heiligen Geistes empfangen. Aus ihrem Fleisch geboren, ist Jesus die Ewige Weisheit, der Sohn Gottes, dessen Herrlichkeit durch den Übergang vom Kreuz zur Auferstehung offenbar wird. Es ist von entscheidender Wichtigkeit, daß ihr Seminaristen dies versteht, weil - wie der hl. Paulus es formuliert - die „Machthaber dieser Welt“ damals Gottes Weisheit nicht verstanden, denn - so schreibt er - „hätten sie die Weisheit Gottes erkannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt“ (1 Kor 2,8). Viele verstehen es auch heute noch nicht. Sogar einige, die sich Christen nennen, wollen nicht anerkennen, daß Christus der Ewige Sohn des Vaters ist, der der Welt wahre Weisheit bringt. Aus diesem Grunde verstehen oder akzeptieren sie die Lehren der Kirche nicht. Vielleicht seid 536 REISEN ihr damit schon konfrontiert worden. Sicherlich werdet ihr als Priester damit konfrontiert. Wenn ihr Priester werden sollt, so ist es zu dem Zweck - vor allen anderen Zwecken das Wort Gottes zu verkünden und das Volk Gottes mit dem Leib und dem Blut Christi zu nähren. Wenn ihr dies gewissenhaft tut und dabei die Weisheit lehrt, die von oben kommt, dann werdet ihr oft nicht beachtet werden, so wie Christus nicht beachtet wurde, und sogar abgelehnt werden, wie Christus abgelehnt wurde. „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten“, sagt der hl. Paulus (vgl. 1 Kor 1,23). 3. Warum ist der Papst nach Dunwoodie gekommen, um euch eine so ernste Botschaft zu übermitteln? Weil wir Freunde sind in Christus (vgl. Joh 15,15) und Freunde über ernste Dinge reden können. Wenn es eine Herausforderung gibt, der die Kirche und ihre Priester heute gegenüberstehen, dann ist es die Herausforderung, die christliche Botschaft voll und ganz zu überliefern, ohne daß sie ihrer Substanz beraubt wird. Das Evangelium kann nicht auf rein menschliche Weisheit reduziert werden. Die Erlösung liegt nicht in klugen menschlichen Worten oder Projekten, sondern im Kreuz und in der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Die Weisheit des Kreuzes steht im Mittelpunkt des Lebens und des Dienstes jedes Priesters. Das ist die erhabene „Wissenschaft“, die das Priesterseminar euch vor allen anderen Studien beibringen soll: „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt ... Davon reden wir auch, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt“ (1 Kor 2,12-13). Dies ist auch der Rahmen des Dienstes, den ich in diesen Tagen vor den Vereinten Nationen zu erfüllen versucht habe. Wenn der Papst etwas anderes getan hat als das, was der hl. Paulus „den Geisterfüllten das Wirken des Geistes deuten“ (? Kor 2,13) nennt, was für eine Botschaft konnte er dann predigen? Wie könnte ich meine Anwesenheit und meine Rede an jene Versammlung rechtfertigen? Es ist nicht meine Aufgabe, in rein menschlichen Worten über rein menschliche Werte zu reden, sondern in geistigen Worten über geistige Werte, die doch letzten Endes das sind, was uns vollkommen menschlich macht. 4. Uber den wunderschönen Türen dieser Kapelle kann ich einige Worte lesen, die für mich eine ganz besondere Bedeutung haben: „Aperite portas Redemptori.“ Dies waren nämlich meine Worte an die Völker der Erde ganz am Anfang meines Pontifikats. „Helft dem Papst“, sagte ich damals, „und allen, die Christus und mit der Herrschaft Christi dem Menschen und der ganzen Menschheit dienen wollen! Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!“ (Predigt auf dem Petersplatz, 22. Oktober 1978, Nr. 5). Ich sage: „Habt keine Angst“, denn es ist viel Mut nötig, wenn wir unsere Türen für Christus öffnen wollen, wenn wir Christus so vollständig in unser Herz hineinlassen wollen, daß wir mit dem hl. Paulus sagen können: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Die Angst zu überwinden ist der 537 REISEN erste und unverzichtbare Schritt für jeden Priester, wenn er die Türen für Christus, den Erlöser, öffnen will: zuerst die seines eigenen Herzens und dann die der Herzen der Menschen, denen er dient. Ihr braucht Mut, um Christus nachzufolgen, vor allem wenn ihr erkennt, daß ein großer Teil unserer herrschenden Kultur eine Kultur der Flucht vor Gott ist, eine Kultur, die eine ziemlich unverhohlene Verachtung für das menschliche Leben zeigt, angefangen beim ungeborenen Leben bis hin zur Verachtung gegenüber gebrechüchen und alten Leuten. Manche Leute sagen, daß der Papst zuviel über die „Kultur des Todes“ spricht. Aber, wie ich in meiner Enzyklika Evangelium vitae geschrieben habe, „Entscheidungen, die einst einstimmig als verbrecherisch angesehen und vom allgemeinen sittlichen Empfinden abgelehnt wurden, werden nach und nach gesellschaftlich als achtbar betrachtet“ (Nr. 4). Die Kirche kann das, was geschieht, nicht ignorieren. 5. Und doch ist dies nur ein Teil des Bildes. Das komplette Bild ist das, was ich am Anfang derselben Enzyklika geschrieben habe: „Das Evangelium vom Leben liegt der Botschaft Jesu am Herzen. Von der Kirche jeden Tag liebevoll aufgenommen, soll es mit beherzter Treue als Frohe Botschaft allen Menschen jeden Zeitalters und jeder Kultur verkündet werden“ (Nr. 1). Deshalb, liebe Seminaristen, müßt ihr keine Angst haben vor einer Gegenüberstellung der „Weisheit dieser Welt“ mit der Sicherheit der Lehren Christi, auf die ihr baut, aber vor allem mit der Liebe Christi, mit dem Erbarmen und der Gnade Christi, der - wie der Vater -will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (vgl. 1 Tim 2,4). Ein Jünger steht nicht über seinem Meister (vgl. Mt 10,24). Ihr werdet Priester werden, nicht um bedient zu werden oder um das Regiment über andere zu führen, sondern um anderen zu dienen (vgl. Mt 20,28), vor allem den Ärmsten unter den Armen, den materiell Armen und den geistig Armen. Öffnet die Türen eurer Herzen, damit Christus hineintreten und euch seine Freude bringen möge. Die Kirche braucht frohe Priester, die in der Lage sind, dem Volk Gottes wahre Freude zu bringen, die Frohe Botschaft mit ihrer ganzen Wahrheit und ihrer Kraft, Verwandlungen herbeizuführen. 6. Die Lesung des heutigen Abends aus den Schriften des hl. Paulus ist für die Seminargemeinschaft sehr geeignet. Warum seid ihr als Seminaristen hier? Warum seid ihr hier, ihr Mitglieder der Fakultät und andere Mitarbeiter, die dabei helfen, die Seminaristen auf das Priesteramt vorzubereiten? Ist es nicht deshalb, um „zu wissen, was der Herr will“? Der Seminarist muß sich fragen: Ruft Christus mich? Möchte er, daß ich sein Priester werde? Wenn ihr , ja“ antwortet, dann besteht die große Aufgabe des Seminars darin, euch zu helfen, den „natürlichen Menschen“ abzulegen, den „alten Menschen“ hinter euch zu lassen, das heißt den ungeistigen Menschen, der einmal war, um das Wirken des Heiligen Geistes zu erfahren und die Dinge des Geistes Gottes zu verstehen. Ihr sollt ein ganz enges Verhältnis zum Heiligen Geist mit all seinen Gaben aufbauen, so daß euch die Absichten des Herrn für euch klar werden. Dies ist eine weitere Art und Weise, das Bedürfnis 538 REISEN nach Weisheit auszudrücken. Das Priesterseminar muß in der Tat eine Schule der Weisheit sein. Hier sollt ihr mit eurem Schutzpatron, dem hl. Joseph, und mit Maria, der Mutter Jesu, leben; und in der Stille dieser Vertrautheit werdet ihr jene Weisheit erfahren, von der der hl. Lukas spricht: ,Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). Dem Rektor und seinen Mitarbeitern muß ich ein Wort der Würdigung dafür aussprechen, daß sie vor kurzem in das Seminarprogramm ein ganzes Jahr aufgenommen haben, das ausschließlich der geistlichen Formung Vorbehalten ist. Es wird eine kostbare Zeit der Förderung von Weisheit und Fleiligkeit sein, jener Weisheit und Heiligkeit, die für das Priesteramt wesentlich sind. 7. Nächstes Jahr wird das Priesterseminar St. Joseph sein hundertjähriges Bestehen feiern. Es ist eine glückliche Fügung, daß das gleiche Jahr 1996 auch ein Jahr der Evangelisierung in der Kirche in New York sein wird. Es hilft uns, an die unzähligen durch das Blut Christi erlösten Seelen zu denken, die von den Tausenden von Priestern, die in diesem Seminar ausgebildet wurden, auf ihren Weg zum Heil geführt worden sind - Priestern wie dem berühmtesten Schüler dieses Seminars, dem demütigen, frommen Kardinal Terence Cooke, dessen Tod vor zwölf Jahren wir heute im Gebet gedenken. Ihr werdet euch ihnen anschließen, wenn ihr das Werk der Erlösung fortführt, das kein Ende haben wird bis - wie Christus betete - alle eins sind in ihm, so wie er eins ist mit dem Vater (vgl. Joh 17,21-23). Ich danke Kardinal O’Connor, eurem Rektor Monsignore O’Brien, der Fakultät und der Dozentenschaft und all jenen, die mich hierher eingeladen haben, für diese besondere Ehre, mit euch zu beten. Vor allem ermutige ich euch Seminaristen, die Berufung Christi selbstlos zu erwidern und euer Leben seiner Kirche zu schenken. Habt keine Angst! Wenn ihr beginnt, den Mut zu verlieren, wendet euch an Maria, den Thron der Weisheit; mit ihr an eurer Seite werdet ihr nie Angst haben. Amen. Der Papst fügte noch weitere Dankesworte hinzu; u. a. sagte er; Ich möchte euch allen meinen herzlichen Dank für euren warmherzigen Empfang aussprechen. Ich danke allen Priestern und Seminaristen und all den vielen Menschen draußen. Ich danke den Hirten, den Pfarrangehörigen hier in Yonkers, die mich mit solcher Begeisterung und - man kann sagen - Liebe empfangen haben. Ich segne euch alle ... 539 REISEN Geist der Liebe fördert Leben, macht Mut und vertreibt die Angst Predigt während der Heiligen Messe im Central Park in New York am 7. Oktober „Komm, Heiliger Geist...!“ Liebe Brüder und Schwestern, meine Freunde in Christus! 1. Die heutige Liturgie ist voller Hinweise auf den Heiligen Geist. Es genügt, daß wir den Heiligen Geist bitten, zu uns zu kommen, dann ist er schon hier. Er ist hier in so vielen von euch. Er ist hier vor allem in der Handlung der Messe, dem heiligsten Ritus unseres Glaubens. Ich nehme an, daß ihr nicht aus bloßer Neugier hier seid, um den Papst zu sehen, sondern der Messe wegen, weil der Heilige Geist uns alle zu Christus führt! Es ist für mich eine große Freude, so viele freundliche Menschen zu sehen und Herrn Kardinal O’Connor und alle Kardinäle und Bischöfe aus der Kirchenprovinz New York und aus anderen Orten zu begrüßen zusammen mit allen Priestern, Ordensleuten und Laien aus der Erzdiözese, den Repräsentanten verschiedener christlicher Religionsgemeinschaften und den Vertretern der zivilen Behörden des Staates und der Stadt New York. Meine warmherzigen und liebevollen Grüße gehen auch an die Kranken und Behinderten unter uns. Besonders erhebend ist es, so viele junge Leute zu sehen. Ich kann kaum glauben, daß ich nicht in Denver bin; das war damals eine so bereichernde Erfahrung. So viele Tausend junge Leute erstaunten jedermann mit ihrem Geist und ihrem Glauben. Ich erinnere mich gut daran, daß viele Leute sich fragten und sorgten, ob die Jugendlichen Amerikas wohl zum Weltjugendtag kommen würden oder - falls sie kämen - ob sie nicht ein Problem sein würden. Statt dessen machten die Freude der jungen Leute, ihr Hunger nach Wahrheit, ihre Sehnsucht nach der Einheit aller im Leib Christi es allen Menschen klar, daß viele, sehr viele junge Leute in Amerika Werte und Ideale haben, die nur selten Schlagzeilen machen. Wen kann es da wundem, daß der Papst euch liebt? Der Papst fuhr auf spanisch fort: Der Papst liebt ebenfalls die Söhne und Töchter der Kirche, die Spanisch sprechen. Viele von euch sind hier geboren oder leben seit langem hier. Andere wiederum sind erst vor kurzer Zeit angekommen. Aber alle folgen der Spur ihres kulturellen Erbes, das tief in der katholischen Tradition verwurzelt ist. Haltet diesen Glauben und diese Kultur lebendig. 540 REISEN Wieder auf englisch sagte der Papst: Ich weiß, daß das nicht Denver ist, das ist New York! Das große New York! Das ist der Central Park. Die schöne Umgebung des Central Parks lädt uns dazu ein, über eine höhere Schönheit nachzudenken: die Schönheit jedes nach dem Abbild Gottes, ihm ähnlich geschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,26) und die Schönheit des Lebens Gottes in unseren Herzen durch den Heiligen Geist. In Denver haben wir über dieses neue Leben nachgedacht: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Im vergangenen Januar sind in Manila Millionen junger Menschen zusammengekommen, um darüber nachzudenken, wie dieses neue Leben im Heiligen Geist uns zu Aposteln des Reiches Christi macht: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Heute führen wir hier im Central Park diese geistige Pilgerfahrt weiter fort, indem wir uns auf den nächsten Weltjugendtag vorbereiten, der 1997 in Paris stattfinden wird. Ich bin für alles dankbar, was in den Gemeinden und Diözesen in aller Welt getan wird, um die Jugendlichen in den Geist dieser großen geistigen Pilgerfahrt um die ganze Welt einzuführen. Diese Pilgerfahrt begann im Jahr 1984 in Rom und hat uns dann nach Buenos Aires in Argentinien geführt, nach Santiago de Compostela in Spanien, nach Jasna Göra und Tschenstochau in Polen, nach Denver, nach Manila; und nächstes Jahr führt sie uns nach Paris. Auf ökumenischer Ebene führt eine ähnliche geistige Pilgerfahrt nach Taize in Frankreich. Die treibende Kraft dieser ganzen Bewegung der Jugendüchen ist stets der Heilige Geist. 2. Der Geist Gottes, der - wie das Buch Genesis uns erzählt - am Anfang der Schöpfung über dem Wasser schwebte (vgl. 1,2), ist auch der Lebensatem, der dem Menschen eingehaucht wurde, so daß „der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ wurde (ebd., 2,7). Das unterscheidet uns von allen anderen Lebewesen. Mit unserem Leib sind wir nur ein Staubkömchen im riesigen erschaffenen All, aber aufgrund unserer Seele übersteigen wir die ganze materielle Welt. Ich lade euch ein, darüber nachzudenken, was jeden einzelnen von euch wahrhaft wunderbar und einzigartig macht. Nur Menschenwesen wie ihr können denken und sprechen und ihre Gedanken in verschiedenen Sprachen mit anderen Menschenwesen auf der ganzen Welt austauschen - und diese Sprache als Ausdruck verwenden für die Schönheit der Kunst, der Dichtung, der Musik, der Literatur und des Theaters wie auch für so viele andere einzigartige menschliche Leistungen. Und - noch wichtiger als alles andere: Nur Gottes kostbare Menschenwesen können lieben. Die Liebe bringt uns dazu, das Gute zu suchen; die Liebe macht uns zu besseren Menschen. Die Liebe ist es, die Männer und Frauen dazu veranlaßt, zu heiraten, eine Familie zu gründen und Kinder zu haben. Wiederum die Liebe veranlaßt andere dazu, sich für das Ordensleben zu entscheiden oder Priester zu werden. Die Liebe bringt euch dazu, euch anderen zuzuwenden, die bedürftig sind, wer immer sie auch sein und wo immer sie auch sein mögen. Jede echte menschliche Liebe spiegelt die Liebe wider, die Gott selbst ist, in dem Maß, wie der erste Brief des Jo- 541 REISEN hannes sagt: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe“ (4,8). 3. Heute ist das Fest Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz. Die Lesungen der Messe führen uns in die drei ersten freudenreichen Geheimnisse des Rosenkranzes ein, drei grundlegende Momente der Heilsgeschichte, drei Abschnitte auf dem Weg des schöpferischen Eintretens des Heiligen Geistes in die Menschheitsgeschichte: die Verkündigung, der Besuch bei Elisabet und die Geburt Jesu. In der ersten Lesung schreibt der hl. Paulus an die Galater: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (4,4). Mit diesen wenigen Worten sagt der hl. Paulus uns genau das, was der hl. Lukas ausführlicher im Evangelium beschreibt: den Besuch des Erzengels Gabriel bei einer Jungfrau namens Maria in der Stadt Nazaret in Galiläa. Er fordert sie auf, Mutter des Erlösers zu werden. Das Evangelium sagt uns nicht nur, daß Maria von den Worten des Engels überrascht und verwirrt war, sondern auch, daß sie Angst hatte. Ja, Maria hatte Angst, so wie auch wir oft Angst haben! Und der Engel sagte: „Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden“ (Lk 1,30). Die Kraft des Höchsten wird über dich kommen, und durch die Kraft des Heiligen Geistes wirst du Mutter des Gottessohnes werden (vgl. Lk 1,35-37). Wenn auch die Schöpferkraft Gottes im Augenblick der Empfängnis jedes Menschen am Werk ist, so hat doch der Heilige Geist in der Verkündigung etwas unvergleichlich Größeres geleistet. Im Schoß der Jungfrau Maria schuf der Geist einen Menschen, der neun Monate später in Betlehem geboren werden würde, der vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an der Ewige Sohn des Vaters war, das Wort, durch das alles Sichtbare und Unsichtbare gemacht wurde (vgl. Joh 1,3), die Ewige Weisheit, der Archetyp von allem, was in der Schöpfung existiert. 4. Als Maria verstanden hatte, wer sie rief, war alle Angst vorbei, und sie antwortete: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Und in demselben Augenblick wurde sie Mutter des Gottessohnes. Das ist die außerordentliche Wahrheit, über die wir im ersten Geheimnis des Rosenkranzes meditieren: die Verkündigung. All dies ist geschehen, damit wir - wie Paulus sagt - erlöst und als Söhne und Töchter Gottes angenommen würden (vgl. Gal 4,5). In Christus macht uns der Heilige Geist zu Gottes geliebten Kindern. Die Menschwerdung des Gottessohnes ist einmal und unwiederholbar geschehen. Die Annahme als Gotteskinder geht allezeit weiter durch die Kirche, den Leib Christi, und insbesondere durch die Sakramente, durch Taufe, Beichte, Eucharistie und natürlich das Pfingstsakrament, das wir Firmung nennen. Und dann schreibt der hl. Paulus etwas sehr Bemerkenswertes: Der Beweis, daß wir Kinder Gottes sind, ist, daß „Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz (sandte), den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6). Abba! Vater! Das ist unser Gebet, jedesmal wenn wir das Vaterunser beten. Wir aber müssen es im Geist sagen mit dem klaren Bewußtsein, daß wir in Christus „nicht 542 REISEN mehr Sklaven, sondern Kinder und deshalb mit Christus Erben seines Reiches sind“ (vgl. Gal 4,7). Diese neue Befindlichkeit von uns als Christen, also unsere Umwandlung durch die Gnade und unsere Teilhabe am göttlichen Leben selbst, wird ihre Erfüllung in der Ewigkeit erreichen. Dann werden wir das Glück teilen, mit dem Gott selbst glücklich ist, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Seht ihr, wie wichtig es ist, den Heiligen Geist anzurufen und ihn in uns wirken zu lassen? Denken wir daran, daß der Heilige Geist für uns Großes tun kann! Und der Heilige Geist tut jeden Tag Großes für uns. Auf spanisch sagte der Papst: 5. Der nächste Abschnitt des Eintretens des Heiligen Geistes ist das freudenreiche Geheimnis des Besuchs Marias bei Elisabet. Angetrieben vom Heiligen Geist, der ihre Angst verscheucht, und voller Liebe zu ihrer Cousine Elisabet, die in ihrem Alter einen Sohn empfangen hatte, verläßt Maria unverzüglich die Sicherheit ihres Heims und eilt, Elisabet zu helfen. Stellt euch Marias Überrraschung vor, als sie ihre Cousine sagen hört: „Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib“ (Lk 1,43-44). Dieses Kind war Johannes der Täufer, der größte der Propheten, der für Jesus am Anfang seines öffentlichen Lebens Zeugnis ablegte. Daraufhin sprach Maria die Worte des Magnificat, eine wundervolle Hymne des Dankes und Lobpreises: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46-47). Durch alle Zeiten hindurch wiederholt die Kirche jeden Tag das Magnificat in dem Gebet, das wir Stundengebet nennen. Die vielleicht wichtigsten Worte dieser wunderbare Hymne sind: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,49). Und fuhr auf englisch fort: 6. Wie Maria dürft auch ihr keine Angst haben, zuzulassen, daß der Heilige Geist euch hilft, enge Freunde Christi zu werden. Wie Maria sollt auch ihr alle Angst beiseite schieben, um Christus in eure Welt zu bringen, was immer ihr auch tut: in der Ehe, als Einzelpersonen in der Welt, als Studenten, als Arbeiter, als freiberuflich Tätige. Christus möchte - durch euch - an viele Orte in der Welt gehen und in viele Herzen eintreten. Genauso wie Maria Elisabet besucht hat, seid auch ihr gerufen, die Armen, die Hungrigen, die Obdachlosen, die Einsamen und Kranken, zum Beispiel die AIDS-Kranken, in ihren Nöten zu „besuchen“. Ihr seid aufgerufen, für das Leben einzutreten: das Geheimnis des Lebens immer und überall zu achten und zu verteidigen - einschließlich des Lebens der ungeborenen Kinder, indem ihr den Müttern in schwierigen Lebenslagen echte Hilfe und Ermutigung bietet! Ihr seid aufgerufen zu Einsatz und Gebet gegen Abtreibung, gegen jede Art von Gewalt, einschließlich der durch Pornographie gegen die Würde von Frauen und Kindern verübte Gewalt. Tretet ein für das Leben der Alten und Behinderten 543 REISEN gegen Versuche, Selbstmordhilfe („assisted-suicide“) und Euthanasie zu fördern! Tretet ein für die Ehe und das Familienleben! Tretet ein für die Keuschheit! Haltet dem Druck und den Versuchungen einer Welt stand, die allzuoft versucht, eine ganz grundlegende Wahrheit zu ignorieren: nämlich, daß jedes Leben ein Geschenk Gottes, unseres Schöpfers, ist und daß wir Gott Rechenschaft darüber geben müssen, wie wir davon Gebrauch machen zum Guten oder zum Bösen. 7. Da ist noch ein Abschnitt des Eintretens des Heiligen Geistes in die Geschichte, über den wir nachdenken sollten: das dritte freudenreiche Geheimnis des Rosenkranzes, die Geburt des Gottessohnes, die den Hirten von Engeln verkündet wird. ,Fürchtet euch nicht... Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren ... Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“ (Lk 2,10-12). Der hl. Lukas erzählt uns weiter, daß die Hirten zueinander sagten: Laßt uns gehen und dieses Kind sehen (vgl. Lk 2,15). Und sie gingen und fanden das Kind mit Maria und Joseph. Genau das sollen auch wir tun! Wir müssen zu diesem Kind, diesem Mann, dem Sohn Gottes, gehen, ungeachtet aller Mühsal, ungeachtet aller Risiken für uns selbst, weil ihn zu kennen und ihn zu lieben unser Leben wahrhaft verändern wird. Ich erinnere mich an ein Lied, das ich als junger Mann in Polen sang, das ich auch heute als Papst noch singe und das von der Geburt des Erlösers handelt. In der Weihnachtsnacht ertönte dieses Lied in jeder Kirche und jeder Kapelle, und es wiederholte auf musikalische Art und Weise die Geschichte, die das Evangelium uns erzählt. Es lautet so: „In der Stille der Nacht ward eine Stimme gehört: Steht auf, ihr Hirten, Gott ist für euch geboren! Eilt nach Betlehern, um dem Herrn zu begegnen.“ Die gleiche Geschichte erzählt auch das wunderschöne Kirchenlied „Stille Nacht“, das jeder kennt. Es ist ein Lied, das uns tief bewegt, denn es erinnert uns daran, daß Jesus, der Sohn Gottes, von Maria geboren wurde, um uns heilig und zu Adoptivsöhnen und Adoptivtöchtern Gottes zu machen. Es ist eine Lobeshymne an die Schöpferkraft des Heiligen Geistes. Es ist ein Lied, das uns hilft, keine Angst zu haben. 8. Wenn ich von Weihnachten spreche, so deshalb, weil wir in weniger als fünf Jahren das Ende des zweiten Jahrtausends erreichen werden, zweitausend Jahre nach der Geburt Christi in jener ersten Weihnacht in Betlehem. Wir müssen das Wirken des Heiligen Geistes zulassen, um uns auf dieses Ereignis vorzubereiten, das ein weiterer bedeutsamer Abschnitt seines Eintretens in die Geschichte und unserer Pilgerfahrt des Glaubens ist. Euer Erzbischof, Kardinal O’Connor, hat mir die willkommene Nachricht überbracht, daß die Kirche in New York sich auf das neue Jahrtausend vorzubereiten beginnt, indem sie das Jahr 1996 zu einem Jahr der Evangelisierung erklärt. Was für ein herrlicher Anfang: eine gewaltige, ein Jahr dauernde Anstrengung, die Lehre und die Liebe Christi allen, die hören wollen, zu vermitteln, vor allem denen, die sich aus irgendwelchen Gründen von der Kirche entfernt oder entfremdet haben. Kardinal O’Connor wird euch alle brau- 544 REISEN chen, vor allem euch Jugendliche, um der Kirche zu helfen, in das dritte Jahrtausend einzutreten. Ihr Jugendlichen werdet den Großteil eures Lebens im nächsten Jahrtausend leben. Ihr müßt dem Heiligen Geist dabei helfen, den gesellschaftlichen, sittlichen und geistig-geistlichen Charakter dieses Jahrtausends zu formen. Ihr müßt eure Freude, Adoptivsöhne und Adoptivtöchter Gottes zu sein, durch die Schöpferkraft des Heiligen Geistes weitergeben. Tut dies mit der Hilfe Marias, der Mutter Jesu. Heftet euch an ihren Rosenkranz, und ihr werdet nie fern von ihr gehen. Der Papst spricht nun zu euch allen, nicht nur zu den Jugendlichen. Der Papst bittet euch, das zu tun. Er weiß, daß ihr es tun werdet, und deswegen liebt er euch. Dann könnt ihr der ganzen Welt sagen, daß ihr dem Papst sein Weihnachtsgeschenk schon im Oktober, im Central Park von New York, gegeben habt. Habt keine Angst! Die Kraft des Heiligen Geistes ist mit euch! Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen! Entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe! Amen. Anspruch und Berufung im Lichte des Glaubens Ansprache beim Rosenkranz in der Kathedrale von New York am 7. Oktober Lieber Kardinal O’Connor, meine Brüder im Kardinalat und Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern, verehrte Gäste! 1. Es ist mir eine große Freude, wieder hier in der St.-Patrick-Kathedrale zu sein, die eine Art spirituelles Wahrzeichen aller New Yorker und gewissermaßen aller Katholiken in den Vereinigten Staaten ist. Von dieser „Wohnung Gottes“ aus grüße ich „die Hausgenossen Gottes im Geist“ (vgl. Eph 2,19): alle, die „neu geboren sind, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben“ (vgl. 1 Petr 1,3). Vor allem begrüße ich meinen lieben Freund, Kardinal O’Connor, den Hirten dieser großen Erzdiözese, dessen starke Führungsqualität jeder von euch kennt. Ich grüße alle diejenigen - insbesondere die Kranken und Behinderten -, die heute, am Fest Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, hier zusammen mit mir den Rosenkranz gebetet haben. Mit Hochachtung grüße ich auch die Vertreter der städtischen, bundesstaatlichen und nationalen Behörden. 2. Es freut mich, daß Kardinal O’Connor zwei ganz besondere Menschengruppen zum gemeinsamen Gebet heute nachmittag eingeladen hat: Vertreter der in der Erzdiözese ansässigen Ordensinstitute und Familien aus jeder der über vierhundert Pfarrgemeinden. Diese Berufungen ergänzen sich gegenseitig. Die Familie, die typische Berufung der Laien, bezeugt durch die gegenseitige Liebe der Ehegatten 545 REISEN und ihren Dienst am Leben die Gegenwart Gottes in der Geschichte. Die Ordensleute bezeugen durch ihr Leben in radikaler Verpflichtung auf die evangelischen Räte die absolute Vollkommenheit Gottes und, daß sein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe unser höchstes Ziel ist. Daher spielen beide Berufungen eine wesentliche Rolle in der Sendung der Kirche und für die große Aufgabe, die Welt menschenwürdig zu machen. 3. Liebe Ordensleute, indem ihr Christus auf dem „schmalen Weg“ (vgl. Mt 7,14) nachfolgt, erfahrt ihr, wie wahr es ist, daß „bei ihm Erlösung in Fülle“ ist: „copi-osa apud eum redemptio“ (Ps 130,7). Für manche von euch mochte das ein Kreuz sein, das wegen der Versuchung des Zweifels am Sinn und Zweck eures Zeugnisses und wegen der Angriffe auf das Ordensleben und die Kirche selbst schwer zu tragen war. Aber eure Treue hat den Herausforderungen von innen und außen standgehalten und bleibt ein einzigartiges Beispiel in einer Welt, die ,jenes neue Leben in Christus“ (vgl. Röm 6,4) dringend braucht, das durch diese Selbsthingabe verdeutlicht wird, die euer ganzes Leben umfaßt (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 1). Jeden Tag lobe ich in meinem Gebet den Vater der Barmherzigkeit und danke ihm für die heroischen Anstrengungen so vieler Ordensleute, die nach dem „Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus“ (Röm 8,2) leben. Wir wollen Gott inständig bitten, daß durch seine Gnade und die Fürsprache Marias und eurer heiligen Gründer und Gründerinnen ein neues Pfingsten das gottgeweihte Leben beseelen möge, damit alle - insbesondere die Jugendlichen - erkennen, daß das Ordensleben eine vitale, notwendige Kraft in der Kirche ist. Jedem einzelnen von euch und allen treuen Ordensleuten in den Vereinigten Staaten sage ich mit den Worten aus dem Brief an die Hebräer: „Werft also eure Zuversicht nicht weg, die großen Lohn mit sich bringt“ (Hebr 10,35). Die Gesellschaft braucht euer prophetisches und unmißverständliches Zeugnis der Nähe Gottes. 4. Liebe Familien, liebe Mütter, Väter, Töchter, Söhne, Brüder, Schwestern und Großeltern! Ich hätte bereits im vergangenen Jahr zur Feier des von den Vereinten Nationen proklamierten Jahres der Familie nach New York kommen sollen. In meinem eigens zu diesem Anlaß geschriebenen Brief an die Familien deutete ich darauf hin, „daß sich die Familie im Zentrum des großen Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod, zwischen der Liebe und allem, was sich der Liebe widersetzt, befindet (Nr. 23). Daher spielt die Familie eine wesentliche Rolle in der Sendung der Kirche und ihrer Sorge für die Menschheit. Wenn Mann und Frau sich in bedingungsloser Treue , jn Gesundheit und Krankheit, in guten und bösen Tagen“ aneinander binden und jede andere körperliche Liebe ausschließen, werden sie zu Mitarbeitern des Schöpfers und bringen mit ihm neues Leben in die Welt. Ihr Eltern könnt voll Liebe auf eure Kinder schauen und sagen: das ist „Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Euer Leben ist von eurem väterlichen und mütterlichen Wunsch und der Pflicht bestimmt, euren Kindern das 546 REISEN Beste zu geben: ein liebevolles Zuhause, eine gute Erziehung, einen gesunden und positiven Start auf der Straße des Lebens, jetzt und in Ewigkeit. Vor allem ermöglicht ihr euren Kindern, durch die Taufe zu Gottes geliebten Söhnen und Töchtern zu werden, in mystischer Weise mit Christus vereint und in die Kirche eingegliedert! Denkt daran, wie wichtig es ist, in euch selbst und in euren Kindern ein Leben in Glauben und Liebe zu fördern. Unter dem Elochaltar dieser Kathedrale liegt mit früheren Kardinalen und Erzbischöfen von New York der Diener Gottes Pierre Toussaint begraben, ein verheirateter Mann, ein ehemaliger Sklave aus Haiti. Was ist an diesem Mann so außergewöhnlich? Er strahlte einen ganz besonders reinen und freudigen Glauben aus, der täglich durch die Eucharistie und die Anbetung vor dem allerheiligsten Altarsakrament genährt wurde. Angesichts ununterbrochener und schmerzlicher Diskriminierungen erkannte er - wie nur wenige andere -die Bedeutung der Worte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Kein Gut ist so erhebend und umwandelnd wie das Licht des Glaubens. In vieler Hinsicht haben es heute Eltern nicht leicht, die den Reichtum des katholischen Glaubens an ihre Kinder weitergeben wollen. Manchmal wißt ihr selbst nicht mehr, was die Kirche ist. Es gibt viele falsche Lehrer und Stimmen Andersdenkender. Schlechte Beispiele richten großen Schaden an. Außerdem zerstört eine von Zügellosigkeit geprägte Kultur zahlreiche Werte, die die Grundlage eines gesunden Familienlebens bilden. 5. Zwei naheliegende Dinge gibt es, die den katholischen Familien Amerikas helfen können, ihrem häuslichen Leben neue Kraft zu verleihen. Erstens das Gebet: sowohl das persönliche als auch das im Kreis der Familie. Durch Beten erheben wir unseren Geist und unsere Herzen zu Gott, um ihm für seine Wohltaten zu danken und seine Hilfe zu erbitten. Durch das Gebet tritt die Heilskraft Christi in die Entscheidungen und Handlungen unseres täglichen Lebens. Ich möchte den Familien ganz besonders ein Gebet empfehlen - dieses, das wir soeben gebetet haben: den Rosenkranz. Vor allem die freudenreichen Geheimnisse, die uns helfen, über die heilige Familie von Nazaret nachzudenken. Indem sie ihren mit dem Willen Gottes vereinte, hat Maria das Christuskind empfangen und wurde zum Modell aller Mütter, die ihr Kind im Schoße tragen. Durch den Besuch bei ihrer Cousine Elisabet hat Maria die heilbringende Gegenwart Jesu in eine andere Familie getragen. Maria hat Jesus unter bescheidensten Umständen zur Welt gebracht und ihn im Tempel Simeon dargereicht, wie in der Taufe jedes Kind zu Gott gebracht wird. Maria und Josef sorgten sich um das verlorene Kind, bevor sie es im Tempel wiederfanden: So erfahren die Eltern jeder Generation, daß die Prüfungen und der Kummer des Familienlebens zu einer stets engeren Gemeinschaft mit Jesus führen. Ein berühmt gewordener Satz des verstorbenen Paters Patrick Peyton besagt: Die Familie, die gemeinsam betet, bleibt zusammen! 547 REISEN 6. Zweitens rate ich den Familien, vom Katechismus der Katholischen Kirche Gebrauch zu machen, um sich Glaubensinhalte anzueignen und auftretende Fragen beantworten zu können - insbesondere Fragen zur Moral, mit denen heute jeder konfrontiert wird. Liebe Eltern, ihr seid Erzieher weil ihr Eltern seid. Ich rufe die Bischöfe und die gesamte Kirche in den Vereinigten Staaten auf und bestärke sie darin, die Eltern bei der Erfüllung ihrer Berufung als erste und wichtigste Glaubenslehrer ihrer Kinder zu unterstützen. Ferner möchte ich ein ganz besonderes Wort des Dankes an alle diejenigen richten, die sich dafür einsetzen - manchmal sogar auf heroische Weise -, daß katholischen Kindern durch das katholische Schulsystem oder durch religiöse Schulungskurse in euren Pfarrgemeinden eine angemessene Glaubensbildung zuteil wird. Ich weiß, daß die Erzdiözese New York auf ihre katholischen Schulen und ihre religiösen Bildungsprogramme stolz ist. Diese Initiativen erfordern unendlich viel Mühe in Anbetracht großer Schwierigkeiten. Möge Gott alle Beteiligten belohnen! 7. Auch Familien in Schwierigkeiten oder Paare in irregulären Situationen haben ein Anrecht auf die pastorale Sorge der Kirche. Andere, stärkere und spirituell reifere Familien können eine großartige Rolle spielen, indem sie solchen Paaren und Familien Ermutigung und Hilfe bringen. Jede Stärkung der familiären Bande ist ein Sieg für die Gesellschaft. Ich appelliere an euch alle, die Achtung für das Geheimnis des Lebens und der Liebe zu fördern, das Gott in ganz besonderer Weise den Familien anvertraut hat. Ich rufe auch euch Ordensleute auf, im Herzen der Kirche in den Vereinigten Staaten das zu sein, als was das Zweite Vatikanische Konzil euch bezeichnet hat: „ein leuchtendes Zeichen des Himmelreiches“ (Perfectae caritatis, Nr. 1). Möge Gott euch allen seinen Segen gewähren! Gott segne die Kirche von New York! Arbeit zur Förderung des Weltfriedens Ansprache während der Segnung des Gebäudes der Ständigen Vertretung des Hl. Stuhls bei der UNO in New York am 7. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. An der Schwelle des dritten Jahrtausends haben wir Gelegenheit, über Allmacht und Gegenwärtigkeit des Herrn in unserem Leben und unserer Welt nachzudenken. Vor fast zweitausend Jahren kam Jesus Christus in das Reich Gottes hier auf Erden, und auch in unserer heutigen Zeit führt er Männer und Frauen in das Licht seiner Wahrheit. So wie er seiner Kirche in ihren frühesten Tagen befahl: „... geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ {Mt 28,19), ruft er die Gläubigen - Bischöfe, Priester ebenso wie Ordensleute und Laien - auch heute 548 REISEN auf, Werkzeuge der Evangelisierung für das Heil der ganzen Menschheitsfamilie zu sein. 2. Letzten Endes ist das der Grund, warum Papst Paul VI. vor über dreißig Jahren die formelle Mitwirkung des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen in die Wege leitete und somit die spirituelle und humanitäre Erfahrung der Kirche jenen Männern und Frauen guten Willens zur Verfügung stellte, die sich für die Förderung von Frieden und Gerechtigkeit in der internationalen Gemeinschaft einsetzen. In dieser Eigenschaft erinnert der Hl. Stuhl die Nationen unentwegt daran, daß der Brennpunkt ihrer Aufmerksamkeit stets das ganzheitliche Wohl der menschlichen Person sein muß. 3. Mit der Absicht, diese Initiative über die streng diplomatischen Parameter der Ständigen Vertretung des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen auszudehnen, wurde 1991 die Stiftung „Weg zum Frieden“ gegründet. Seitdem hat die Organisation erfolgreich zur Verbreitung jener Botschaft beigetragen, mit der die katholische Kirche, durch das Dienstamt des Nachfolgers Petri und die Initiativen des Hl. Stuhls, bemüht ist, „unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken“ (vgl. Lk 1,79). Jedes Jahr würdigt die Stiftung „Weg zum Frieden“ die Verdienste einer einzelnen Person für seinen oder ihren außergewöhnlichen Einsatz für den Frieden in der Welt, und zollt diesen oft unbesungenen Helden in vielen Bereichen, die lediglich das Ziel und den Wunsch haben, dort sein zu können, wo die Not am größten ist, die entsprechende Hochachtung. Außerdem ist es ihr Ziel, jene Männer und Frauen anzuerkennen, die ihre Zeit, ihre Fähigkeiten und Mittel zur Verfügung stellen, um die notwendigen Werkzeuge zur Unterstützung und Verbreitung der Sendung der Kirche im Geist des Evangeliums für die Vermittlung der Botschaft Christi in allen Teilen der Welt bereitzustellen. 4. Diese neue Einrichtung bezeugt die Unterstützung und Einsatzbereitschaft zahlreicher Menschen sowohl für die Delegation des Hl. Stuhls als auch die Stiftung „Weg zum Frieden“ und ihre gemeinsame Arbeit zur Förderung des Weltfriedens. Euch allen, Wohltätern und freiwilligen Helfern, danke ich von ganzem Herzen. Indem wir dieses Gebäude der Sache Christi weihen, wollen auch wir uns erneut seinem Dienst widmen und stets für das Heil der gesamten Menschheitsfamilie arbeiten und beten. 549 REISEN Nur die Suche nach Wahrheit ermöglicht Freiheit Predigt während der Heiligen Messe in Baltimore am 8. Oktober „Ach, würdet ihr doch heute auf seine Stimme hören! Verhärtet euer Herz nicht“ (.Ps 95,7-8). Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Jeden Tag beginnt die Kirche das Stundengebet mit dem Psalm, den wir eben zusammen gebetet haben: „Kommt, laßt uns jubeln vor dem Herrn ...!“ (Ps 95,1). In diesem Aufruf, der durch die Jahrhunderte erklingt und von einem zum anderen Ende der Erde widerhallt, fordert der Psalmist das Volk Gottes auf, den Lobpreis des Herrn zu singen und Zeugnis abzulegen für die wunderbaren Dinge, die Gott für uns getan hat. Priester, Ordensleute und eine immer größere Zahl von Laien beten jeden Tag das Stundengebet und bewirken so eine kraftvolle Mobilisierung im Lobpreis Gottes - „officium laudis“ -, der durch sein Wort die Welt und alles, was in ihr ist, geschaffen hat: „In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge. Sein ist das Meer, das er gemacht hat, das trockene Land, das seine Hände gebildet“ (Ps 95,4-5). Wir sind nicht nur Geschöpfe Gottes. In seinem unendlichen Erbarmen hat Gott uns als sein geliebtes Volk auserwählt: „Denn er ist unser Gott, wir sind das Volk seiner Weide, die Herde, von seiner Hand geführt“ (Ps 95,7). Er hat uns auserwählt in Christus, dem Guten Hirten, der sein Leben für die Schafe hingegeben hat und der uns zum Mahl seines Leibes und Blutes einlädt, zur heiligen Eucharistie, die wir heute zusammen feiern. 2. Der Aufruf des Psalmisten, auf die Stimme des Herrn zu hören, hat für uns, die wir diese hl. Messe in Baltimore feiern, eine ganz besondere Bedeutung. Maryland war der Geburtsort der Kirche in Kolonialamerika. Vor über 360 Jahren kam eine kleine Gruppe von Katholiken in die Neue Welt, um sich ein Zuhause aufzubauen, wo sie in Freiheit vor dem Herrn jubeln konnten (vgl. Ps 95,1). Sie gründeten eine Kolonie, deren Kennzeichen die religiöse Toleranz war, die später zu einem kulturellen Eckpfeiler der amerikanischen Demokratie werden sollte. Baltimore ist der älteste Metropolitensitz in den Vereinigten Staaten. Dessen erster Bischof, John Carroll, war eine herausragende Persönlichkeit und ein Vorbild, das auch heute noch die Kirche in Amerika inspirieren kann. Hier wurden die großen Provinz und Plenarkonzilien abgehalten, welche bei der Ausbreitung der Kirche den Weg wiesen, als Wellen von Einwanderern auf der Suche nach einem besseren Leben diese Gestade erreichten. Hier in Baltimore haben 1884 die Bischöfe der Vereinigten Staaten den Baltimore Catechism genehmigt, der den Glauben von Dutzenden von Millionen Gläubigen jahrzehntelang geformt hat. In Baltimore nahm auch unter der Leitung der hl. Elizabeth Ann Seton das katholische Schulsystem seinen Anfang. Hier wurde das erste Priesterseminar der Vereinigten Staaten unter dem 550 REISEN Schutz der jungfräulichen Gottesmutter errichtet und auch Amerikas erstes katholisches College für Frauen. Seit jenen heroischen Anfängen haben Männer und Frauen jeder Rasse und Gesellschaftsschicht die katholische Gemeinschaft aufgebaut, die wir heute in Amerika sehen: eine große geistliche Bewegung des Zeugnisses, des Apostolats, der guten Werke, der katholischen Einrichtungen und Organisationen. Ganz herzlich grüße ich daher euren Erzbischof, Kardinal Keeler, und danke ihm für seine feinfühlige Führung dieser Ortskirche und für seine Arbeit in der Bi-schofskonferenz. Mit Hochachmng grüße ich die anderen Kardinäle und Bischöfe, die hier in großer Zahl anwesend sind, die Priester, Diakone und Seminaristen, die Ordensmänner und Ordensfrauen und das ganze Gottesvolk, die „Lebendigen Steine“ (7 Petr 2,5), die der Heilige Geist benutzt, um den Leib Christi aufzubauen. Voll Freude grüße ich die Mitglieder der verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Ich versichere sie des brennenden Wunsches der Kirche, das Jubiläum des Jahres 2000 als eine große Gelegenheit zu feiern, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends näherzukommen (vgl. Tertio Millennio Adveniente, Nr. 34). Ich danke den Vertretern der zivilen Behörden, die bei dieser heiligen Feier bei uns haben sein wollen. Der Papst sagte auf spanisch: Ich danke den Gläubigen spanischer Sprache, die hier anwesend sind, und all denen, die diese hl. Messe über Radio oder Fernsehen verfolgen. Die Kirche ist euer geistliches Zuhause. Eure Pfarreien, Verbände, Schulen und Programme für Religionserziehung brauchen eure Mitarbeit und den Enthusiasmus eures Glaubens. Besonders fordere ich euch auf, eure katholischen Traditionen an die jungen Generationen weiterzugeben. Und fuhr wieder auf englisch fort: 3. Unsere heutige Feier spricht zu uns nicht nur von der Vergangenheit. Die Eucharistie macht uns immer wieder neu das Erlösungsgeheimnis des Todes und der Auferstehung Christi gegenwärtig und weist auf die zukünftige, endgültige Erfüllung des Heilsplanes Gottes hin. Vor zwei Jahren war ich in Denver tief beeindruckt von der Lebendigkeit der amerikanischen Jugendlichen, die für ihre Liebe zu Christus ein begeistertes Zeugnis ablegten und zeigten, daß sie vor den Forderungen des Evangeliums keine Angst hatten. Heute zelebriere ich diese Messe für eine Stärkung dieser Lebendigkeit und christlichen Mut auf allen Ebenen der Kirche in den Vereinigten Staaten: unter den Laien, unter den Priestern und Ordensleuten, unter meinen Brüdern im Bischofsamt. Die ganze Kirche bereitet sich auf das dritte christliche Jahrtausend vor. Die Herausforderung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 ist die Neuevangelisierung: Vertiefung des Glaubens und volle Antwort auf die christliche Berufung zu Heiligkeit und Dienst. Der Nachfolger 551 REISEN Petri ist nach Baltimore gekommen, um jedem von euch Mut zu machen, das Evangelium unserer Erlösung zu bezeugen. Im heutigen Evangelium bitten die Apostel Jesus: „Stärke unseren Glauben“ (Lk 17,5). Das soll auch unser ständiges Gebet sein. Der Glaube ist immer fordernd, weil der Glaube uns über uns selbst hinaus führt. Er führt uns direkt zu Gott. Der Glaube vermittelt uns auch eine Sicht vom Zweck unseres Lebens und spornt uns zur Tat an. Das Evangelium Jesu Christi ist nicht eine private Meinung, ein entrücktes geistliches Ideal oder einfach ein Programm für persönliche Entwicklung. Das Evangelium ist die Kraft, die die Welt verändern kann! Das Evangelium ist keine Abstraktion: Es ist die lebendige Person Jesu Christi, des Wortes Gottes, des Abglanzes der Herrlichkeit des Vaters (Hebr 1,3), des menschgewordenen Sohnes, der den tiefsten Sinn unserer Menschlichkeit und die edle Bestimmung, zu der die ganze Menschheitsfamilie gerufen ist, (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22) offenbar macht. Christus hat uns geboten, das Licht des Evangeliums in unserem Dienst an der Gesellschaft leuchten zu lassen. Wie können wir unseren Glauben an das Wort Gottes bekennen und uns dann weigern, dieses Wort unser Denken, unser Tun, unsere Entscheidungen und unsere Verantwortungen füreinander inspirieren und leiten zu lassen? 4. In Amerika hat der christliche Glaube in einer beeindruckenden Reihe von Zeugnissen und Errungenschaften Ausdruck gefunden. Wir müssen mit Dankbarkeit an die vorbildliche Erziehungsarbeit denken, die in unzähligen Familien, Schulen und Universitäten verrichtet wird, und an alle Pflege und allen Trost, die in Krankenhäusern, Heimen und Notunterkünften vermittelt werden. Wir müssen danken für die praktische Umsetzung des Anrufs Gottes in den hingebungsvollen Dienst an anderen, in das Engagement für soziale Gerechtigkeit, in die verantwortliche Beteiligung am politischen Leben, in die weitgefächerte Vielfalt der karitativen und sozialen Organisationen und in die Zunahme ökumenischer und interreligiöser Verständigung und Zusammenarbeit. In einem weiter gefaßten Kontext sollten wir Gott danken für die Großherzigkeit der amerikanischen Katholiken; ihre Unterstützung der Ausland-Mission stellt einen großen Beitrag für das seelische und materielle Wohl ihrer Brüder und Schwestern in anderen Ländern dar. Die Kirche in den Vereinigten Staaten hat beherzte Missionare und Missiona-rinnen zu anderen Nationen geschickt; nicht wenige von ihnen haben das äußerste Zeugnis für die alte Wahrheit abgelegt, daß das Blut der Märtyrer Samen der Christenheit ist. Auf meinen Besuchen bei katholischen Gemeinschaften in aller Welt begegne ich oft amerikanischen Missionaren: Laien, Ordensleuten und Priestern. Ich möchte einen Appell an die jungen Katholiken richten, daß sie die missionarische Berufung in Betracht ziehen mögen. Ich weiß, daß der „Geist von Denver,, in vielen jungen Herzen lebendig ist. Christus braucht noch viel mehr engagierte Männer und Frauen, um diesen „Geist“ an alle Enden der Welt zu tragen. 552 REISEN 5. Heutzutage sind allerdings einige Katholiken versucht, wie der Prophet Haba-kuk in der ersten Lesung Mutlosigkeit und Ernüchterung zu verfallen. Sie sind versucht, auf andere Weise zum Herrn zu rufen: Warum greift Gott nicht ein, wenn sein Volk von Gewalt bedroht wird? Warum läßt es Gott zu, daß wir Ruin und Elend sehen? Warum erlaubt Gott das Böse? Wie der Prophet Habakuk und wie die durstigen Israeliten in der Wüste von Meriba und Massa kann auch unser Vertrauen wanken; wir können die Geduld mit Gott verlieren. Im dramatischen Ablauf der Geschichte können wir unsere Abhängigkeit von Gott eher als eine Last denn als eine Befreiung empfinden. Auch wir können „unsere Herzen verhärten“. Und doch gibt der Prophet uns eine Antwort auf unsere Ungeduld: „Wenn es sich verzögert, so warte darauf; denn es kommt, es kommt und bleibt nicht aus“ (Hab 2,3). Ein polnisches Sprichwort drückt dieselbe Überzeugung auf andere Weise aus: „Gott braucht seine Zeit, aber er ist gerecht.“ Unser Warten auf Gott ist nie vergeblich. Jeder Augenblick ist eine Gelegenheit, uns Jesus Christus nachzugestalten: um der Kraft des Evangeliums zu erlauben, unser persönliches Leben und unseren Dienst an den anderen nach dem Geist der Seligpreisungen zu verwandeln. „Leide mit mir für das Evangelium“, schreibt Paulus an Timotheus in der heutigen zweiten Lesung (2 Tim 1,8). Es handelt sich dabei nicht um eine leere Ermahnung zum Durchhalten. Nein, es ist eine Aufforderung, tiefer in die christliche Berufung einzudringen, die durch die Taufe uns allen gehört. Es gibt nichts Böses auf der Welt, dem Christus sich nicht zusammen mit uns stellen würde. Es gibt keinen Feind, den Christus nicht schon besiegt hätte. Es gibt kein Kreuz, das Christus nicht schon für uns getragen hätte und jetzt mit uns trägt. Und jenseits von jedem Kreuz finden wir die Neuheit des Lebens im Heiligen Geist, jenes neue Leben, das in der Auferstehung seine Erfüllung findet. Das ist unser Glauben. Das ist unser Zeugnis vor der ganzen Welt. 6. Liebe Brüder und Schwestern in Christus: Die Offenheit für den Herrn - die Bereitschaft, unser Leben vom Herrn verwandeln zu lassen - sollte unter den amerikanischen Katholiken eine erneuerte geistliche und missionarische Vitalität hervorbringen. Jesus Christus ist die Antwort auf die Frage, die jedes menschliche Leben stellt. Und die Liebe Christi drängt uns, diese große gute Nachricht mit allen zu teilen. Wir glauben, daß Christi Tod und Auferstehung die wahre Bedeutung der menschlichen Existenz offenbar machen. Daher findet sicher alles wirklich Menschliche in unseren Herzen Widerhall. Christus ist für alle gestorben, deshalb müssen wir uns in den Dienst aller stellen. „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben ... Schäme dich also nicht, dich zu unserem Herrn zu bekennen“ (2 Tim 1,7-8). So schrieb der hl. Paulus an Timotheus vor fast zweitausend Jahren; so spricht die Kirche heute zu den Katholiken Amerikas. Das christliche Zeugnis nimmt in den verschiedenen Momenten des Lebens einer Nation auch verschiedene Formen an. Manchmal wird „Zeugnis ablegen für Christus“ heißen, daß man aus einer bestimmten Kultur die volle Bedeutung ihrer edel- 553 REISEN sten Bestrebungen herausstellt - eine Fülle, die in Christus offenbart wird. Zu anderen Zeiten heißt „Zeugnis ablegen für Christus“, daß man gegen diese Kultur Einspruch erhebt, vor allem wenn die Wahrheit über die menschliche Person angegriffen wird. Amerika wollte immer ein Land der Freien sein. Heute ist die Herausforderung, vor der Amerika steht, Erfüllung der Freiheit in der Wahrheit zu finden: in der Wahrheit, die ein wesentliches Merkmal des menschlichen Lebens ist, das nach Gottes Abbild geschaffen und ihm ähnlich ist; die Wahrheit, die in den Herzen der Menschen geschrieben steht; die Wahrheit, die durch den Verstand erfaßt werden kann und deshalb zur Grundlage eines tiefen und universalen Dialogs zwischen allen Menschen werden kann hinsichtlich der Ausrichtung, die sie ihrem Leben und ihrer Tätigkeit geben sollen. 7. Vor 130 Jahren fragte Präsident Abraham Lincoln, ob eine Nation, „die in Freiheit entstand und von dem Grundsatz ausging, daß alle Menschen gleich erschaffen werden, lange Dauer haben“ könne. Die Frage Präsident Lincolns ist nicht minder eine Frage für die heutige Generation von Amerikanern. Demokratie kann nicht bestehen ohne eine gemeinsame Verpflichtung auf gewisse moralische Wahrheiten über die menschliche Person und die menschliche Gemeinschaft. Die grundsätzliche Frage für eine demokratische Gesellschaft ist die folgende: „Wie sollten wir zusammen leben?“ Wenn die Gesellschaft eine Antwort auf diese Frage sucht, kann sie dann moralische Wahrheit und moralische Argumentation ausschließen? Kann die biblische Weisheit, die eine so prägende Rolle bei der Gründung eures Landes gespielt hat, von dieser Diskussion ausgeschlossen werden? Würde diese Art zu verfahren nicht bedeuten, daß die Gründungsdokumente Amerikas keinen festlegenden Inhalt mehr haben, sondern nur noch der formale Rahmen einer sich ändernden Meinung sind? Würde diese Art zu verfahren nicht bedeuten, daß Dutzende Millionen Amerikaner nicht mehr den Beitrag ihrer tiefsten Überzeugungen zur Gestaltung der öffentlichen Politik leisten können? Es ist sicher wichtig für Amerika, daß jene moralischen Wahrheiten und Grundsätze, die die Freiheit ermöglichen, jeder neuen Generation weitergegeben werden. Jede Generation von Amerikanern muß wissen, daß Freiheit nicht nur darin besteht, daß wir tun und lassen können, was wir wollen, sondern auch darin, daß wir das Recht haben, zu tun, was wir sollen. 8. Wie angebracht ist doch der Auftrag des Apostels Paulus an Timotheus! gewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt“ (2 Tim 1,14). Dieser Auftrag spricht zu Eltern und Erziehern; er spricht in einer besonderen und eindringlichen Weise zu euch, meine Brüder im Bischofsamt, als Nachfolgern der Apostel. Christus gebietet uns, über die Wahrheit zu wachen. Hat er uns doch versprochen: „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (.loh 8,32). „Depositum custodi!“ Wir haben über die Wahrheit zu wachen, die Voraussetzung für echte Freiheit ist; die Wahrheit, die es der Freiheit erlaubt, ihre Erfüllung im 554 REISEN Guten zu finden. Wir müssen wachen über das uns anvertraute Gut der göttlichen Wahrheit, das uns in der Kirche überliefert worden ist - vor allem angesichts der Herausforderungen einer materialistischen Kultur und einer permissiven Mentalität, die Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselt. Aber wir Bischöfe müssen mehr tun, als diese Wahrheit zu beschützen. Wir müssen sie jahraus jahrein verkünden; wir müssen sie mit dem Volk Gottes in den Sakramenten feiern; wir müssen sie in Caritas und Dienst leben; wir müssen öffentlich Zeugnis ablegen für die Wahrheit, die Jesus Christus ist. 9. Katholiken von Amerika! Laßt euch jederzeit von der Wahrheit leiten - von der Wahrheit über Gott, der uns erschaffen und erlöst hat, und von der Wahrheit über den Menschen, der nach dem Abbild Gottes geschaffen und ihm ähnlich, für eine glorreiche Erfüllung im kommenden Reich ausersehen ist. Seid immer beredte Zeugen für die Wahrheit.,Entfacht das Geschenk Gottes zu einer Flamme“ - jenes Geschenk, das euch in der Taufe zuteil wurde. Leuchtet eurem Land - leuchtet der Welt - mit dem Feuer dieser Hamme! Amen. Christen müssen Sauerteig dieser Gesellschaft sein Angelus in Baltimore am 8. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! Zum Abschluß unserer Eucharistiefeier wenden wir uns voll Liebe an die seligste Jungfrau Maria, um den ,Engel des Herrn“ zu beten. Laßt uns gemeinsam den Schutz der Gottesmutter auf die Vereinigten Staaten und seine Bevölkerung herabflehen. Maria Immakulata, ohne Erbsünde empfangen, Patronin der Vereinigten Staaten! Vom ersten Augenblick deines Daseins an warst du von Gott berufen, die Mutter seines menschgewordenen Sohnes zu sein. Du, Vorbild des Glaubens, hast über den menschgewordenen Gottessohn gewacht, während er heranwuchs, seine Weisheit zunahm und er Gefallen fand bei Gott und den Menschen (vgl. Lk 2,52). Blicke auf die Völker dieser großen Nation, die von Gott mit materiellen und geistlichen Mitteln so reich gesegnet wurde. Mögen sie aus den höchsten Idealen ihrer demokratischen Tradition neue Inspiration schöpfen und zum Aufbau einer Welt im Zeichen der Solidarität, der Gerechtigkeit und des Friedens beitragen, einer Welt, in der jeder als Gast und Gefährte an dem großen Festmahl des Lebens willkommen ist. Maria, unsere Königin, Patronin der Erzdiözese Baltimore! Zu Füßen des Kreuzes standest du deinem Sohn zur Seite, und du freutest dich über seine Auferstehung von den Toten. Du, Vorbild unserer Hoffnung, wartetest auf die Erfüllung der Verheißung Christi am Pfingsttag. Jetzt hast du teil an der Fülle des Lebens in seinem ewigen Reich. Bücke auf alle, die mit deinem Sohn in der Taufe verbunden 555 REISEN und berufen sind, an seiner königlichen Sendung teilzuhaben. Mögen sie der Sauerteig des Reiches Gottes in der amerikanischen Gesellschaft sein, indem sie ihren Brüdern und Schwestern in Not dienen und treu Zeugnis ablegen für die Herrlichkeit der Wahrheit Christi und für die Heilsmacht seines Evangeliums. Maria, Mutter der Kirche, Mutter der Christen! Der Herr hat dir alle seine Jünger anvertraut, damit du unsere Mutter bist (vgl. Joh 19,27). Du, Vorbild der christlichen Liebe, lebst in der Anschauung deines Sohnes in Herrlichkeit und bittest für die Glieder seines Leibes auf Erden. Blicke auf die Kirche in den Vereinigten Staaten an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends. Mögen die Anhänger Christi durch Buße, Gebet und tätige Liebe den Herausforderungen der Neuevangelisierung begegnen und sich um eine echte Erneuerung der menschlichen Gesellschaft im Einklang mit der Wahrheit des Wortes Gottes bemühen. Indem sie mit allen Männern und Frauen guten Willens Zusammenarbeiten, mögen sie frohe Boten und Diener des Evangeliums des Lebens sein! Seligste Jungfrau Maria! Deiner Fürsprache empfehlen wir Amerika und seine Völker, während wir jetzt beten. Hilfe im Geist katholischer Soziallehre Botschaft an die „Catholic Relief Services“ in Baltimore am 8. Oktober Liebe Freunde in Christus! 1. „Caritas Christi urget nos“ (2 Kor 5,14). Über fünfzig Jahre haben die „Catholic Relief Services“ für die Verwirklichung dieses Auftrags gearbeitet, den die Kirche von ihrem Herrn erhalten hat: „damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe ... damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze ...“ (Lk 4,18). Mein Pastoralbe-such in Baltimore gibt mir Gelegenheit, eurer Organisation und allen, die sie durch ihr Gebet und ihre großzügigen Beiträge unterstützen, meine große Dankbarkeit auszudrücken. Vor allem danke ich dem allmächtigen Gott, der euch ermöglicht, Zeugen jener Wahrheit zu sein, die besagt, daß „der Glaube, der in der Liebe wirksam wird“ (vgl. Gal 5,6), das Zeichen authentischer Nachfolge ist. Die „Catholic Relief Services“ sind für ihre wirksamen und innovativen Unterstützungsprogramme bekannt, die sie überall in der Welt fördern. Stets jederzeit bereit, den Opfern von Naturkatastrophen und den von Armut, Hunger, Epidemien und Krieg heimgesuchten Völkern zu helfen, seid ihr von jener festen Bindung zur reichen Tradition der katholischen Soziallehre inspiriert, deren Ziel „die Verteidigung und der Schutz der Würde des Menschen“ (vgl. Centesimus annus, Nr. 3) ist. In der Tat gehört auch die Lehre der Kirche über die moralischen und religiösen Zusammenhänge des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens 556 REISEN zu ihrer heiligen Pflicht, das Evangelium „allen Geschöpfen“ (Mk 16,15) zu verkünden. 2. Das erste Prinzip der kirchlichen Soziallehre, von dem alle anderen ausgehen, besagt, daß die menschliche Person „Wurzelgrund, Träger und Ziel aller gesellschaftlicher Institutionen ist und sein muß“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 25). Jeder Mensch, ohne Ausnahme, ist nach dem ,Abbild Gottes“ (vgl. Gen 1,27) geschaffen und durch das Blut Christi erlöst worden. In einer von religiösen Spaltungen und nationalen Rivalitäten gezeichneten Welt sind die „Catholic Relief Services“ Zeugen für die Einheit der Menschheitsfamilie und die gleiche und unveräußerliche Würde jedes einzelnen. Die Projekte der „Catholic Relief Services“ in Bosnien-Herzegowina, El Salvador, Haiti, Indien, Ruanda und Vietnam - um nur einige der jüngsten Initiativen zu nennen - bestätigen deutlich das erklärte Ziel der Organisation, nämlich Menschen „aufgrund ihrer Bedürfnisse und nicht aufgrund ihres Glaubens, ihrer Rasse oder Staatszugehörigkeit“ beizustehen (Missionserklärung). Der Glanz der Herrlichkeit Christi spiegelt sich im Angesicht eines jeden Menschen wider, um so mehr, wenn dieses Antlitz von Hunger ausgezehrt, durch Verbannung betrübt oder durch Armut und Elend voll Schwermut ist (vgl. Mf 25,31-46). Mit Mut und Anteilnahme müssen die Christen stets offen sein für den Hilferuf der Armen und so dem Herrn dienen, der in ihrer Not gegenwärtig ist. „Muß man“ als unerläßliche Bedingung für die Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 „die Vorzugsoption der Kirche für die Armen und die Randgruppen nicht entschiedener betonen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 51)? 3. Die Wahrheit über die menschliche Würde lehrt uns ein korrektes Gesellschaftsbild. Seit dem Beginn meines päpstlichen Dienstes habe ich wiederholt auf die Bedeutung von Solidarität innerhalb der Gesellschaft hingewiesen, als Werkzeug für den Aufbau der Kultur der Liebe, nach der sich die Menschheit sehnt. Solidarität „ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das ,Gemeinwohl’ einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Auch wenn Solidarität zunächst in der Familiengemeinschaft und dann in der Öffentlichkeit und auf nationaler Ebene gelebt wird, so hat sie doch eine universale Offenheit der gesamten Menschheitsfamilie gegenüber. Leider wird die Kirche mit Hindernissen konfrontiert, die die Umsetzung weltweiter Solidarität verhindern, einschließlich gewisser Formen von Isolationismus, die zur Schwächung eines internationalen Verantwortungsbewußtseins führen. Anderen Herausforderungen liegen Ideologien zugrunde, die Rassenhaß und religiöse Intoleranz predigen. Inspiriert von der Lehre und dem Beispiel Christi, hallt in der Einsatzbereitschaft der „Catholic Relief Services“ das Versprechen des Herrn der Geschichte wider: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). 557 REISEN 4. Liebe Brüder und Schwestern: Eure zielstrebigen Bemühungen, den Bedürfnissen unzähliger Menschen in aller Welt zu begegnen, die euch um Hilfe bitten, sind ein beredtes Zeugnis christlicher Tugend und Nächstenliebe. Wie ihr wißt, bedeutet die Linderung der Not so vieler moderner Kalvarienberge, die mit lauter Stimme nach eurer Aufmerksamkeit und Unterstützung rufen, nicht nur für die Minderung unmittelbaren Leids zu arbeiten, sondern auch im Licht des Evangeliums für die Förderung von Selbstachtung und Solidarität der Armen untereinander zu kämpfen. Die beste Art der Unterstützung ist diejenige, die die Bedürftigen darin bestärkt, die ersten Sachverständigen ihrer eigenen gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung zu sein. Dieses Verfahren spiegelt die authentische „Subjektivität“ der Menschen wider und befähigt sie, die Schöpfung „zu unterwerfen“ (vgl. Gen 1,28), wodurch die Menschheit das Kommen des göttlichen Reiches vorbereitet. In dieser Hinsicht brauchen wir innovative Strategien und kreative Anregungen, um die strukturellen Probleme der Unterentwicklung zu lösen, die ihrerseits oft das Ergebnis von mangelnder Sensibilität und Ungerechtigkeit sind. Die Antwort auf diese Herausforderung ist somit ein wesentlicher Aspekt der Arbeit eurer Organisation, die stets unter genauer Beachtung der kirchlichen Soziallehre ausgeführt werden sollte. 5. Als Hirte der Weltkirche möchte ich euch für euren unermüdlichen Dienst an den , Annen des Herren“ danken. Gerne vertraue ich die „Catholic Relief Services“ - ihre Wohltäter, Mitarbeiter und freiwilligen Helfer - Maria an, der liebevollen Trösterin der Notleidenden, und mache mir das Gebet des hl. Paulus zu eigen: „Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen“ (1 Thess 3,12). Mit meinem Apostolischen Segen. Baltimore, den 8. Oktober 1995 Wahre Toleranz respektiert das Leben in allen Situationen Gruß wort beim Besuch der Kathedrale von Baltimore am 8. Oktober Lieber Kardinal Keeler, 1 lieber Erzbischof Borders, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. In dieser Kathedrale ,Maria, unsere Königin“ vertraue ich während den letzten Stunden meines Besuchs das Ergebnis meiner Anwesenheit bei den Vereinten Nationen und meiner Pilgerfahrt zu der Kirche in Newark, Brooklyn, New York und Baltimore der Fürsprache der Mutter des Erlösers an. Ich grüße euch alle herzlich, besonders Kardinal Keeler, den Hirten dieser Ortskirche. Durch die Vertreter der 558 REISEN 162 Pfarreien und durch die verschiedenen Organisationen und Einrichtungen der Diözese grüße ich die ganze katholische Gemeinschaft. Ich strecke meine Hand freundschaftlich den Mitgliedern anderer christlicher Gemeinschaften entgegen sowie auch den jüdischen und muslimischen Gästen und den Vertretern der Universitäten und Colleges in Baltimore und Umgebung und auch den hier anwesenden Bundes-, Staats- und kommunalen Beamten. 2. Maryland nimmt in der Geschichte des amerikanischen Katholizismus eine besondere Stellung ein, eigentlich sogar in der Religionsgeschichte der ganzen Nation. Hier wurde die Religionsfreiheit und die staatsbürgerliche Toleranz in der Erfahrung Amerikas bewahrt, wie auch in neuerer Zeit Maryland ein Vorposten des ökumenischen und interreligiösen Dialogs gewesen ist. Heutzutage kann die religiöse Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Amerikanern nicht einfach ein funktionelles oder pragmatisches Unterfangen sein, eine simple Anpassung an die Tatsache der Vielfalt und Verschiedenheit. Nein, die Quelle eurer Verpflichtung an die Religionsfreiheit stellt selbst eine tief religiöse Überzeugung dar. Religiöse Toleranz gründet auf der Überzeugung, daß Gott wünscht, von Menschen angebetet zu werden, die frei sind: eine Überzeugung, die von uns verlangt, daß wir das innere Heiligtum des Gewissens, in dem jede Person Gott begegnet, achten und ehren. Die katholische Kirche unterstützt diese Überzeugung in jeder Hinsicht, wie die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils es in der historischen Erklärung über Religionsfreiheit verkündet haben. Die Herausforderung, der ihr gegenübersteht, hebe Freunde, ist, das Bewußtsein der Menschen zu schärfen hinsichtlich der Wichtigkeit von Religionsfreiheit für die ganze Gesellschaft; außerdem: diese Freiheit gegenüber jenen schützen, die die Religion aus dem öffentlichen Leben verbannen und den Säkularismus als offiziellen Glauben Amerikas einsetzen wohen. Es ist sogar für das Überleben der Erfahrung Amerikas lebensnotwendig, der nächsten Generation das kostbare Erbe der Religionsfreiheit und die Überzeugungen, die diese Freiheit tragen, weiterzugeben. 3. Die katholische Erziehung hat in eurer Gemeinschaft einen bleibenden Eindruck hinterlassen, seit der Zeit der hl. Elizabeth Ann Seton bis auf den heutigen Tag. Ich bin zuversichtlich, daß ihr alle - Bischöfe, Priester und Gottesvolk der Erzdiözese Baltimore - versteht, wie wichtig es ist, diese bedeutende Tradition der katholischen Erziehung fortzuführen, ja sie sogar zu erweitern in euren Gemeinden, euren Gymnasien, euren Colleges und Universitäten. Geschichtlich und als Erfüllung einer Pflicht haben katholische Schulen einen erheblichen Beitrag für die Gesellschaft geleistet, indem sie den wirtschaftlich schlechter gestellten Teilen der Gesellschaft ihre besondere Aufmerksamkeit schenkten. Ich hoffe, daß ihr weiterhin nach Wegen suchen werdet, um die Fortführung dieses wesentlichen Dienstes zu gewährleisten trotz der finanziellen Belastung, die dies mit sich bringt. Katholische Erziehung dient der Zukunft aller Amerikaner, denn es werden genau jene 559 REISEN Tugenden gelehrt und weitergegeben, auf denen die amerikanische Demokratie gegründet ist. Andere Formen der katholischen Erziehung sind zu einem bemerkenswerten Charakteristikum des Lebens dieser Ortskirche geworden: das umfangreiche Programm religiöser Erziehung für Kinder an öffentlichen Schulen, eure Arbeit in der Erwachsenenkatechese - zum Beispiel die innerhalb des ,,Renew“-Programms -, das Programm „Emmaus“ und weitere Programme zur Fortbildung für Priester. Ich ermutige euch in all euren Bemühungen und fordere euch auf, den Katechismus der Katholischen Kirche zur Hand zu nehmen als eine sichere Richtschnur, um diese Programme an den einen, heiligen, katholischen und apostolischen Glauben anzupassen. 4. Zu den Mitgliedern der verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften, die hier anwesend sind, möchte ich sagen, daß wir uns nun um so ernsthafter bemühen müssen, die Wunden der Vergangenheit zu heilen, da wir uns dem dritten Jahrtausend und dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 nähern. Ich ermutige einen jeden, den ökumenischen Dialog zu stärken und zu erweitern, der so lange schon ein Kennzeichen dieser Gemeinschaft gewesen ist. Wir müssen zusammen erkunden, wie wir uns dem Herrn vorstellen können als ein Volk, das sich mit ganzem Herzen auf dem Weg der Einheit befindet, für die Christus in jener Nacht betete, bevor er sein Leben für unsere Rettung hingab (vgl. Joh 17,21). Allen Gläubigen des „einen wahren Gottes“ spreche ich die Hochachtung und Wertschätzung der katholischen Kirche aus. Wie ich schon vor den Vereinten Nationen sagte, muß die Welt lernen, mit der „Verschiedenheit“ zu leben, wenn auf ein Jahrhundert des Zwangs ein Jahrhundert der Überzeugung folgen soll. Ich versichere euch, liebe Freunde, daß die katholische Kirche auf den Pfad des Dialogs festgelegt ist, was ihr Verhältnis zu Juden und Muslimen betrifft; und ich bete dafür, daß durch diesen Dialog ein neues Verständnis geprägt werden möge, das in der Lage ist, den Frieden in der Welt zu sichern. Ihr habt in dieser Gemeinschaft gezeigt, wie Dialog und Zusammenarbeit zu einer Verbesserung des Lebens führen können: in der Arbeit, die ihr zusammen getan habt, um die Unterweisung hinsichtlich moralischer Werte an öffentlichen Schulen zu fördern, sowie bei der Bereitstellung von Wohnraum für die Armen. Möge diese Arbeit gesegnet sein und möge sie zunehmen, indem euer Dialog des Glaubens im Laufe der kommenden Jahre an Tiefe gewinnt. 5. In den Evangelien stellt Christus sich dar als einer, der dient (vgl. Mt 20,28). Auch die Kirche, die der Leib Christi ist, ist eine dienende Kirche, die die leidende Menschheit auf ihrer Pilgerreise durch die Zeiten begleitet. Das Werk der „Catho-lic Relief Services“ und der katholischen Caritas-Organisationen hier in Baltimore legt für diese Verpflichtung zum Dienen Zeugnis ab. Ich möchte diesen Einrichtungen für ihre Arbeit danken, und ich ermutige sie, ihren Aktionsradius auszu- 560 REISEN dehnen und ihre von der Soziallehre der Kirche geprägte katholische Identität zu vertiefen. Unsere Verpflichtung zugunsten der Würde und des Wertes aller menschlichen Wesen ist der Grund dafür, daß die kirchliche Gemeinschaft Dinge wie z. B. Suppenküchen einrichtet, den Obdachlosen Unterkünfte und den Armen medizinische Versorgung zur Verfügung stellt, den Alkohol- und Drogenabhängigen Rat gibt und den Menschen hilft, besser am Leben der Gesellschaft teilzunehmen. Als Kardinal Lawrence Shehan aus Baltimore vor fast dreißig Jahren öffentlich die Bürgerrechte der Afro-Amerikaner verteidigte, gab er damit einer moralischen Wahrheit über die gleiche Würde aller menschlichen Wesen vor Gott Ausdruck. Dieselbe Überzeugung leitet seine Nachfolger und sollte heute euch alle drängen, das Recht auf Leben eines jeden menschlichen Wesens zu verteidigen - von der Empfängnis bis hin zum natürlichen Tod -, für das ungeborene Leben Sorge zu tragen und es zu beschützen sowie für alle diejenigen einzutreten, die andere für „unangenehm“ oder „unerwünscht“ halten könnten. Dieses moralische Prinzip ist etwas, das der amerikanischen Mentalität nicht fremd ist, sondern vielmehr die Ursprünge dieser Nation selbst anspricht! 6. Liebe Freunde: Die Welt schaut auf Amerika in der Hoffnung, das Modell einer freien und tugendhaften Gesellschaft zu finden. Dieses Land der Freiheit zu einem gastfreundlichen Zuhause für sein ganzes Volk zu machen ist immer noch eine Herausforderung, die sogar noch weiter zunimmt. Es ist für viele Völker auf der ganzen Erde wichtig, daß es euch, den Bürgern der Vereinigten Staaten, gelingt, die amerikanische Gesellschaft zu einer vollkommeneren Verkörperung seiner Verpflichtung zugunsten von Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen zu machen. Gott segne euch alle. Gott segne Amerika. Demokratie braucht Wahrheiten und Werte Ansprache vor der Abreise in Baltimore am 8. Oktober Verehrter Herr Vizepräsident, liebe Freunde, liebes amerikanisches Volk! 1. Wenn ich nun die Vereinigten Staaten verlasse, möchte ich meinen tiefen und inständigen Dank vielen Menschen gegenüber zum Ausdruck bringen. Ihnen, Herr Vizepräsident, für Ihre Anwesenheit bei meiner Verabschiedung. Den Bischöfen der von mir besuchten Diözesen und den vielen, die so hart gearbeitet haben, um diesen Besuch zu einem Erfolg zu machen. Den Vertretern der Obrigkeiten, der Polizei und dem Sicherheitsdienst, die für einen reibungslosen Ablauf, gute Ordnung und Sicherheit gesorgt haben. 561 REISEN Den Vertretern der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die mich mit viel gutem Willen empfangen haben; den Amerikanern, ungeachtet ihrer Rasse, Farbe und Religionszugehörigkeit, die mit Interesse und Aufmerksamkeit die Ereignisse dieser Tage verfolgt haben; den Männern und Frauen der Medien, die eifrig bemüht waren, Worte und Bilder dieses Besuchs Millionen von Menschen zu vermitteln; und insbesondere allen den hier persönlich Anwesenden und den Femen, die mich durch ihr Gebet unterstützt haben. Ich danke der gesamten katholischen Gemeinde der Vereinigten Staaten von ganzem Herzen und schließe mich den Worten des hl. Paulus an: „Ich danke meinem Gott jedesmal, wenn ich an euch denke“ (Phil 1,3). 2. Das sage ich auch zu den Vereinigten Staaten von Amerika: So wie die Dinge in unserer Welt hegen, sehen heute viele andere Nationen und Völker in euch das maßgebliche Vorbild und Beispiel für ihre eigene demokratische Entwicklung. Demokratie aber erfordert Weisheit. Demokratie erfordert Tugendhaftigkeit, damit sie sich nicht gegen all das richtet, das durch sie verteidigt und bestärkt werden sollte. Demokratie steht oder fällt mit jenen Wahrheiten und Werten, die sie verkörpert und fördert. Demokratie dient dem Wahren und Rechten, wenn sie die Würde jeder menschlichen Person schützt, wenn sie die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte achtet, wenn sie das Allgemeinwohl als Ziel und Kriterium zur Regelung des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens betrachtet. Aber auch diese Werte müssen einen objektiven Gehalt haben, denn sonst entsprechen sie lediglich der Macht der Mehrheit oder den Interessen der lautesten Stimmen. Wenn es einer skeptizistischen Einstellung gelänge, sogar die Grandsätze des Sittengesetzes in Zweifel zu stellen, dann würde selbst die demokratische Ordnung in ihren Fundamenten erschüttert (vgl. Evangelium vitae, Nr. 70). 3. Die Vereinigten Staaten verfügen über einen Schutz, ein starkes Bollwerk, das so etwas verhindert. Ich spreche von euren Gründungsdokumenten: der Unabhängigkeitserklärung, der Verfassung und der ,3dl of Rights“. Diese Dokumente haben als Basis und verkörpern unveränderliche Prinzipien des .Naturgesetzes“, dessen immerwährende Wahrheit und Gültigkeit verstandesmäßig erfaßbar sind, denn es ist das von Gott in die Herzen der Menschen geschriebene Gesetz (vgl. Röm 2,25). Im Mittelpunkt der moralischen Ansicht eurer Gründungsdokumente steht die Anerkennung der Menschenrechte, insbesondere die Achtung der Würde und der Heiligkeit des menschlichen Lebens unter allen Bedingungen und in jeder Entwicklungsphase. Wiederum sage ich dir, Amerika, im Licht deiner Tradition: Liebe das Leben, behüte das Leben, verteidige das Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. 562 REISEN 4. Am Ende eurer Nationalhymne findet man folgende Worte: „Then conquer we must, when our cause it is just, And this be our motto: ,In God is our trust!’“ (Und wir müssen siegen, wenn unsere Sache gerecht ist, Möge dies unser Motto sein: ,Gott gilt unser Vertrauen’!) Amerika, mögest du stets auf Gott und keinen anderen vertrauen. Und weiter: „The starspangled banner in triumph shall wave O’er the land of the free and the home of the brave.“ (Das stemenbedeckte Banner wird siegreich wehen über dem Land der Freiheit und der Heimat der Tapferen). Vielen Dank. Möge Gott euch allen seinen Segen geben! 563 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Frau: Erzieherin zum Frieden Botschaft vom 8. Dezember 1994 zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1995 1. Zu Beginn des Jahres 1995 richte ich mit dem Blick auf das nunmehr näherrük-kende neue Jahrtausend erneut an euch alle, Männer und Frauen guten Willens, meinen schmerzerfüllten Aufruf für den Frieden in der Welt. Die Gewalt, der so viele Menschen und Völker nach wie vor ausgesetzt sind, die Kriege, die noch immer zahlreiche Teile der Welt mit Blut überziehen, die Ungerechtigkeit, die das Leben ganzer Kontinente belastet, können nicht mehr geduldet werden. Es ist Zeit, von den Worten zu Taten zu schreiten: Die einzelnen Bürger und die Familien, die Gläubigen und die Kirchen, die Staaten und die internationalen Organisationen, alle sollen sich aufgerufen fühlen, mit erneutem Einsatz die Förderung des Friedens in die Hand zu nehmen! Wir wissen gut, wie schwierig dieses Unterfangen ist. Wenn es tatsächlich wirksam und dauerhaft sein soll, darf es sich nicht auf die äußeren Aspekte des Zusammenlebens beschränken, sondern muß vielmehr auf die Herzen einwirken und an ein erneuertes Bewußtsein der menschlichen Würde appellieren. Es sei noch einmal mit Nachdruck betont: Ein wahrer Friede ist nicht möglich, wenn nicht auf allen Ebenen die Anerkennung der Würde der menschlichen Person dadurch gefördert wird, daß jedem einzelnen Menschen die Möglichkeit geboten wird, dieser Würde gemäß zu leben. „In jedem menschlichen Zusammenleben, von dem wir wollen, daß es gut verfaßt und vorteilhaft sei, ist das Prinzip zugrunde zu legen, daß jeder Mensch Person ist, das heißt, daß er eine mit Verstand und Willensfreiheit begabte Natur ist und daß er insofern durch sich selbst Rechte und Pflichten hat, die unmittelbar und gleichzeitig aus seiner eigenen Natur hervorgehen. Diese können deswegen, weil sie allgemein und unverletzlich sind, auf keine Weise veräußert werden.“1 Diese Wahrheit über den Menschen ist jeweils der Schlüssel zur Lösung die Förderung des Friedens betreffender Probleme. Die Erziehung zu dieser Wahrheit ist eines der fruchtbarsten und dauerhaftesten Mittel, um den Wert des Friedens zur Geltung zu bringen. Die Frauen und die Erziehung zum Frieden 2. Zum Frieden erziehen heißt Verstand und Herzen aufschließen für die Aufnahme der Werte, die von Papst Johannes XXIII. in der Enzyklika Pacem in terris als grundlegend für eine friedliche Gesellschaft genannt werden: Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit.2 Es handelt sich dabei um einen Erziehungsplan, 1 2 Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris, 11. April 1963 I: AA555(1963)259. Vgl. ebd., 264 f. 567 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der das ganze Leben einbezieht und das ganze Leben lang dauert. Er macht aus der Person ein für sich und die anderen verantwortliches Wesen, das imstande ist, mit Mut und Verstand das Wohl des ganzen Menschen und aller Menschen zu fördern, wie auch Papst Paul VI. in der Enzyklika Populorum progressio <1> unterstrichen hat. Diese Heranbildung zum Frieden wird um so wirksamer sein, je mehr sich das Handeln derer als übereinstimmend erweisen wird, die in verschiedenen Funktionen erzieherische und soziale Verantwortlichkeiten teilen. Die der Erziehung gewidmete Zeit ist aufs beste investiert, weil sie über die Zukunft der Person und folglich der Familie und der gesamten Gesellschaft entscheidet. 5 Vgl. Enzyklika Populorum progressio, 26. März 1967, Nr. 14: AAS59(1967)264. Aus dieser Sicht möchte ich meine Botschaft zu diesem Weltfriedenstag vor allem an die Frauen richten und sie bitten, sich mit ihrem ganzen Sein und ihrem ganzen Wirken zu Erzieherinnen des Friedens zu machen: Sie sollen Zeuginnen, Botschafterinnen, Lehrmeisterinnen des Friedens sein in den Beziehungen zwischen den Personen und den Generationen, in der Familie, im kulturellen, sozialen und politischen Leben der Nationen, in besonderer Weise in Konflikt- und Kriegssituationen. Mögen sie imstande sein, den Weg zum Frieden weiterzugehen, der schon vor ihnen von vielen mutigen und weitblickenden Frauen eingeschlagen worden ist! In der Gemeinschaft der Liebe 3. Diese besonders an die Frau gerichtete Einladung, daß sie sich zur Friedenserzieherin mache, beruht auf der Überlegung, daß Gott ihr ,,in besonderer Weise den Menschen, das menschliche Sein, anvertraut“. <2> Das ist jedoch nicht in ausschließlichem Sinn zu verstehen, sondern vielmehr entsprechend der Folgerichtigkeit der in der gemeinsamen Berufung zur Liebe einander ergänzenden Rollen, die die Männer und Frauen dazu aufruft, in Eintracht nach dem Frieden zu streben und ihn miteinander aufzubauen. Schon auf den ersten Seiten der Bibel findet ja der Plan Gottes in wunderbarer Weise Ausdruck: Er wollte, daß zwischen Mann und Frau eine Beziehung tiefer Gemeinschaft herrsche, in der vollkommenen Gegenseitigkeit von Erkennen und Hingabe. <3> In der Frau findet der Mann eine Gesprächspartnerin, mit der er auf der Ebene völliger Gleichheit reden kann. Dieses Verlangen, das von keinem anderen Lebewesen befriedigt wurde, erklärt den spontanen Ausruf der Bewunderung aus dem Munde des Mannes, als entsprechend dem eindrucksvollen biblischen Symbolismus aus seiner Rippe die Frau geformt wurde: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Dies ist der erste Ausruf der Liebe, der auf Erden ertönte! <2> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Midieris dignitatem, 15. August 1988, Nr. 30: AA580(1988)1725. <3> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 371. 568 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auch wenn Mann und Frau füreinander geschaffen sind, heißt das nicht, daß Gott sie unvollständig geschaffen hätte. Gott „hat sie zu einer personalen Gemeinschaft geschaffen, in der die beiden Personen füreinander eine ,Hilfe sein können, weil sie einerseits als Personen einander gleich sind (,Bein von meinem Bein ...‘) und andererseits in ihrem Mannsein und Frausein einander ergänzen“. Gegenseitigkeit und Ergänzung sind die beiden grundlegenden Wesensmerkmale des Menschenpaares. 4. Eine lange Geschichte von Sünde und Schuld hat leider den ursprünglichen Plan Gottes für das Paar, für das „Mannsein“ und das „Frausein“, gestört und stört ihn weiter dadurch, daß sie seine volle Verwirklichung verhindert. Man muß zu ihm zurückkehren, indem man ihn kraftvoll verkündet, damit vor allem die Frauen, die infolge dieser mangelnden Verwirklichung am meisten gelitten haben, ihr Frausein und ihre Würde endlich in Fülle zum Ausdruck bringen können. Um die Wahrheit zu sagen, in unserer Zeit haben die Frauen bedeutende Schritte in diese Richtung vollzogen und erreicht, sich außer natürlich im Familienleben auch in wichtigen Positionen im kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben zum Ausdruck bringen zu können. Es war ein schwieriger und komplizierter Weg, nicht immer frei von Irrtümem, aber im wesentlichen ein positiver Weg, auch wenn er noch unvollendet ist aufgrund so vieler Hindernisse, die in verschiedenen Teilen der Welt im Wege stehen, daß die Frau in ihrer besonderen Würde anerkannt, geachtet und aufgewertet werde. In der Tat kann der Aufbau des Friedens nicht von der Anerkennung und Förderung der Personwürde der Frauen absehen, die berufen sind, gerade bei der Erziehung zum Frieden eine unersetzliche Aufgabe zu erfüllen. Deshalb richte ich an alle die dringende Aufforderung, über die entscheidende Bedeutung der Rolle der Frauen in Familie und Gesellschaft nachzudenken und auf die Friedensbestrebungen zu hören, die sie mit Worten und Gebärden und in besonders dramatischen Augenblicken mit der stummen Ausdruckskraft ihres Schmerzes bekunden. Frauen des Friedens 5. Um zum Frieden zu erziehen, muß die Frau ihn zunächst in sich selbst pflegen. Der innere Friede kommt aus dem Bewußtsein, von Gott geliebt zu werden, und vom Willen, seine Liebe zu erwidern. Die Geschichte ist reich an wunderbaren Beispielen von Frauen, die aus diesem Bewußtsein heraus in der Lage waren, schwierigen Situationen von Ausbeutung, Diskriminierung, Gewalt und Krieg erfolgreich zu begegnen. 6 7 Ebd., Nr. 372. Vgl. Johannes PaulIL, Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, 15. August 1988, Nr. 29: A4S80(1988)1723. 569 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Viele Frauen gelangen jedoch insbesondere wegen der sozialen und kulturellen Bedingtheiten nicht zu einem vollen Bewußtsein ihrer Würde. Andere sind Opfer einer materialistischen und hedonistischen Gesinnung, die in ihnen lediglich ein Vergnügungsobjekt sieht und bedenkenlos durch ein niederträchtiges Geschäft selbst in jüngstem Alter ihre Ausbeutung organisiert. Ihnen muß eine besondere Aufmerksamkeit vor allem von seiten jener Frauen gelten, die durch Erziehung und Einfühlungsvermögen in der Lage sind, ihnen bei der Entdeckung ihres eigenen inneren Reichtums behilflich zu sein. Die Frauen sollen den Frauen helfen, wobei sie aus dem wertvollen und wirksamen Beitrag Unterstützung gewinnen, den Vereinigungen, Bewegungen und Gruppen, darunter viele aus religiöser Antriebskraft, zu diesem Zweck anbieten können, wie sie unter Beweis gestellt haben. 6. Bei der Erziehung der Kinder fällt der Mutter eine Rolle allerersten Ranges zu. Durch die besondere Beziehung, die sie vor allem in den ersten Lebensjahren an das Kind bindet, bietet sie ihm jenes Gefühl von Sicherheit und Vertrauen, ohne das es ihm schwerfiele, die eigene personale Identität richtig zu entwickeln und später positive und fruchtbare Beziehungen zu den anderen herzustellen. Diese Urbeziehung zwischen Mutter und Kind hat außerdem auf religiöser Ebene einen ganz besonderen erzieherischen Wert, weil sie, lange bevor eine formale religiöse Erziehung beginnt, eine Hinorientierung des Geistes und Herzens des Kindes auf Gott ermöglicht. Mit dieser entscheidenden und heiklen Aufgabe darf keine Mutter allein gelassen werden. Die Kinder brauchen die Anwesenheit und Sorge beider Eltern, die ihre Erziehungsaufgabe vor allem durch den von ihrem Verhalten ausgehenden Einfluß verwirklichen. Die Art und Weise, wie sich das Verhältnis zwischen den Eheleuten gestaltet, wirkt sich zutiefst auf die Psychologie des Kindes aus und beeinflußt in nicht geringem Maße die Beziehungen, die es zu seiner unmittelbaren Umgebung herstellt, wie auch jene, die es im Laufe seines Daseins knüpfen wird. Dieser ersten Erziehung kommt grundlegende Bedeutung zu. Wenn die Beziehungen zu den Eltern und zu den anderen Familienmitgliedern von einem liebevollen und positiven Verhältnis zueinander gekennzeichnet sind, lernen die Kinder aus der lebendigen Erfahrung die den Frieden fördernden Werte: die Liebe zu Wahrheit und Gerechtigkeit, den Sinn für eine verantwortungsbewußte Freiheit, die Hochschätzung und Achtung des anderen. Wenn sie in einer freundlichen und warmherzigen Umgebung aufwachsen, haben sie zugleich die Möglichkeit, die Liebe Gottes selbst wahrzunehmen, die sich ja in ihren familiären Beziehungen widerspiegelt, und das läßt sie in einem geistigen Klima heranreifen, das sie auf die Öffnung gegenüber den anderen und auf die Selbsthingabe an den Nächsten hinzulenken vermag. Die Erziehung zum Frieden dauert natürlich in jeder Periode der Entwicklung an und bedarf der besonderen Pflege in der schwierigen Phase des Jugendalters, in dem der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter 570 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht ohne Gefahren für die Heranwachsenden ist, die für ihr Leben ausschlaggebende Entscheidungen zu treffen haben. 7. Angesichts der Herausforderung der Erziehung stellt sich die Familie als „die erste und grundlegende Schule sozialen Verhaltens“8 dar, als die erste und grundlegende Schule des Friedens. Man kann sich daher unschwer die dramatischen Folgen vorstellen, denen man ausgesetzt ist, wenn die Familie von tiefgreifenden Krisen gezeichnet ist, die ihr inneres Gleichgewicht bedrohen oder sogar erschüttern und zerbrechen. Häufig sind die Frauen in dieser Lage allein gelassen. Gerade da jedoch müssen sie nicht nur von der konkreten Solidarität anderer Familien, religiöser Gemeinschaften, Freiwilligengruppen, sondern auch vom Staat und von den internationalen Organisationen entsprechende Hilfe erhalten durch geeignete Strukturen menschlicher, sozialer und wirtschaftlicher Unterstützung, die es ihnen ermöglichen, für die Bedürfnisse der Kinder aufzukommen, ohne diese übermäßig der unerläßlichen Anwesenheit der Mutter berauben zu müssen. 8. Ein anderes ernstes Problem ist dort zu verzeichnen, wo noch immer die unerträgliche Gewohnheit der Diskriminierung von Jungen und Mädchen von den ersten Lebensjahren an herrscht. Wenn die Mädchen bereits im zartesten Alter ausgegrenzt oder als minderwertig angesehen werden, wird in ihnen das Gefühl für ihre Würde schwer verletzt und ihre harmonische Entwicklung unvermeidlich beeinträchtigt werden. Die anfängliche Diskriminierung wird sich auf ihr ganzes Dasein auswirken und eine volle Eingliederung in das soziale Leben verhindern. Wie könnte man es daher unterlassen, dem unschätzbaren Wirken so vieler Frauen wie auch vieler weiblicher Ordenskongregationen, die auf den verschiedenen Kontinenten und in jedem kulturellen Umfeld die Erziehung der Mädchen und der Frauen zum Hauptziel ihres Dienstes machen, Anerkennung und Ermutigung auszusprechen? Wie sollte man nicht gleichfalls mit dankbarem Herzen aller Frauen gedenken, die oft unter äußerst prekären Umständen im Bereich des Gesundheitswesens tätig waren und sind und denen es nicht selten gelingt, selbst das Überleben zahlloser Mädchen sicherzustellen? Die Frauen, Erzieherinnen zum sozialen Frieden 9. Wenn die Frauen die Möglichkeit haben, ihre Gaben voll an die ganze Gemeinschaft weiterzugeben, erfährt die Art und Weise, wie sich die Gesellschaft versteht und organisiert, eine positive Veränderung und spiegelt so die wesentliche Einheit der Menschheitsfamilie besser wider. Hier Hegt die geeignetste Voraussetzung für die Konsolidierung eines echten Friedens. Jener Prozeß der wachsenden Präsenz von Frauen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene ist daher ein heilsamer Prozeß. Die Frauen haben Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 37: AA 574(1982) 127. 571 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das volle Recht, sich aktiv in sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens einzuschalten, und ihr Recht ist dort, wo es sich als notwendig erweist, auch durch gesetzliche Mittel zu bestätigen und zu schützen. Eine solche Anerkennung der öffentlichen Rolle der Frauen darf jedoch nicht ihre unersetzliche Rolle innerhalb der Familie schmälern: Hier ist ihr Beitrag zum Wohl und zum sozialen Fortschritt, obwohl kaum beachtet, von wirklich unschätzbarem Wert. In diesem Zusammenhang werde ich nie müde werden zu fordern, daß entschlossene Schritte in Richtung der Anerkennung und Förderung dieser so wichtigen Realität unternommen werden. 10. Mit Betroffenheit und Besorgnis erleben wir heute das dramatische Anwachsen jeglicher Art von Gewalt: Nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Gruppen scheinen jedes Gefühl der Achtung gegenüber dem menschlichen Leben verloren zu haben. Die Frauen und sogar die Kinder gehören leider zu den häufigsten Opfern solch blinder Gewalt. Es handelt sich um abscheuliche Formen von Barbarei, die das menschliche Gewissen zutiefst anwidem. An uns alle ergeht der dringende Aufruf, alles nur Mögliche zu tun, um von der Gesellschaft nicht nur die Tragödie des Krieges, sondern auch jede Verletzung der Menschenrechte femzuhalten, angefangen beim unbestreitbaren Recht auf das Leben, dessen Verwahrerin die Person vom Augenblick der Empfängnis an ist. In der Verletzung des Rechts auf Leben des einzelnen Menschenwesens ist im Keim auch die extreme Gewalt des Krieges enthalten. Ich bitte daher alle Frauen, immer für das Leben Partei zu ergreifen; und zugleich bitte ich alle, den Frauen, die leiden, und im besonderen den Kindern zu helfen, vor allem jenen, die von dem schmerzlichen Trauma erschütternder Kriegserlebnisse gezeichnet sind: Nur die liebevolle und zuvorkommende Aufmerksamkeit wird bewirken können, daß sie wieder mit Vertrauen und Hoffnung in die Zukunft blicken. 11. Als mein geliebter Vorgänger Papst Johannes XXIII. in der Beteiligung der Frauen am öffentlichen Leben eines der Zeichen unserer Zeit erkannte, versäumte er es nicht zu verkünden, daß sie im Bewußtsein ihrer Würde es nicht mehr länger dulden würden, als ein Werkzeug behandelt zu werden. <4> <4> Johannes XXIH., Enzyklika Pacem in terris, 11. April 1963, Nr. 19: AA.Sri511963)267-268. Die Frauen haben das Recht zu verlangen, daß ihre Würde geachtet werde. Gleichzeitig haben sie die Pflicht, sich für die Förderung der Würde aller Personen, Männer wie Frauen, einzusetzen. Aus dieser Sicht wünsche ich, daß die zahlreichen für 1995 vorgesehenen internationalen Initiativen - einige von ihnen werden in besonderer Weise der Frau gewidmet sein, wie die von den Vereinten Nationen in Peking geplante Konferenz über das Thema des Wirkens für die Gleichheit, die Entwicklung und den Frieden - eine bedeutende Gelegenheit darstellen mögen, um die zwischenmenschlichen und sozialen Beziehungen im Zeichen des Friedens zu humanisieren. 572 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria, Vorbild des Friedens 12. Maria, die Königin des Friedens, ist mit ihrer Mütterlichkeit, mit dem Beispiel ihrer Verfügbarkeit für die Nöte der anderen, mit dem Zeugnis ihres Schmerzes den Frauen unserer Zeit nahe. Sie hat mit tiefem Verantwortungsgefühl den Plan gelebt, den Gott in ihr zur Rettung der ganzen Menschheit verwirklichen wollte. Im Bewußtsein des Wunders, das Gott in ihr gewirkt hat, als Er sie zur Mutter seines menschgewordenen Sohnes machte, war es ihr erster Gedanke, ihre betagte Base Elisabeth zu besuchen und ihr ihre Dienste anzubieten. Die Begegnung bot ihr die Gelegenheit, mit dem wunderbaren Gesang des Magnifikat (Lk 1,46-55) Gott ihre Dankbarkeit auszudrücken, der mit ihr und durch sie den Anstoß zu einer neuen Schöpfung, einer neuen Geschichte gegeben hatte. Ich bitte die selige Jungfrau Maria, den Männern und Frauen beizustehen, die sich durch ihren Dienst am Leben für den Aufbau des Friedens einsetzen. Mögen sie mit ihrer Hilfe allen, vor allem jenen, die in der Finsternis und im Leiden lebend nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, die liebende Gegenwart des Gottes des Friedens bezeugen können! Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1994 Joannes Paulus PP. II Erfülltes Menschsein und Gotteskindschaft in Zeit und Ewigkeit Predigt am Hochfest der Jungfrau Maria, der Mutter Gottes, 1. Januar 1. „Als die Zeit erfüllt war ...“ (Gal 4,4). Heute, am ersten Tag des neuen Jahres, sind wir zum Nachdenken über die Bedeutung der Zeit eingeladen. Mit den Worten „als die Zeit erfüllt war“ scheint der Apostel Paulus die Tatsache betonen zu wollen, daß die Zeit auf Erfüllung drängt. Die Zeit ist ja nicht nur eine Zeit des Werdens, dem alle geschaffene Wirklichkeit unterworfen ist, also auch der Mensch. Die Zeit ist vor allem das Maß des „Strebens“ des Menschen auf das Absolute hin, und sie ist als solche Erwartung einer Erfüllung. Der Mensch schreibt daher in seine persönliche Geschichte und in die der ganzen Menschheit diese zweite und wichtigere Bedeutung ein. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (Gal 4,4). Wenn sie ein Kind zur Welt bringt, setzt jede Frau gewissermaßen ein neues „Streben“ frei. Die Geburt eines Kindes ist die Erfüllung der Erwartung der Eltern und zumal der Mutter. Anderseits setzt sie den Anfang für eine neue Erwartung, die unlöslich mit dem gerade geborenen Menschenwesen verbunden ist. 573 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn er zur Welt kommt, trägt der Mensch bereits die Ankündigung seines Todes mit sich. Eine bestimmte Strömung der zeitgenössischen Philosophie legt der Existenz eigentlich die Ausrichtung auf den Tod zugrunde. Doch kann sich der Mensch nicht im Tode verwirklichen. Er kommt nur durch ein volles und endgültiges Leben zur eigenen Erfüllung. Wenn also die Zeit des Menschen eine lange Wartezeit ist und wenn diese das Streben nach Erfüllung enthält, dann verbirgt sich in der menschlichen Zeit das Bewußtsein von einem Leben über die Grenze des Todes hinaus. Dieses Bewußtsein zeigt sich in allen Religionen, in besonderer Weise in der einfachen und ursprünglichen Ahnenverehrung, die eine Bestätigung der dem Menschen angeborenen Erwartung der Unsterblichkeit ist. 2. Diese Gedanken zeigen, daß die Zeit des Menschen bereits eine gewisse Teilhabe an der Ewigkeit Gottes ist, der allein in Wahrheit ewig ist. Jeder von einer Frau geborene Mensch erblickt das Licht der Welt, um diese Welt im Tode wieder zu verlassen. Er kommt bereits auf die Unsterblichkeit hin ausgerichtet zur Welt. Diese Unsterblichkeit ist nicht eine der Welt eigene Dimension, sie übersteigt sie vielmehr und enthüllt die göttliche Ewigkeit. Wenn der Apostel Paulus sagt: „Als die Zeit erfüllt war“, scheint er nicht nur all dies aufzeigen zu wollen, sondern mehr und etwas absolut Neues zu bekräftigen: im Kommen Christi hat Gott die Zeit des Menschen mit seiner Ewigkeit auf eine neue und bis dahin unbekannte Weise erfüllt. Er fährt fort: „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau ... damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5). Die Gotteskindschaft ist also der tiefste Gehalt unserer Unsterblichkeit. Der Mensch nimmt an der Ewigkeit Gottes nicht nur durch die Unsterblichkeit teil, derentwegen seine Seele nicht sterben kann, sondern vor allem durch die Adoptivkindschaft, durch die er Anteil am Leben Gottes selbst gewinnt nach dem Abbild Jesu Christi, des Sohnes Gottes. 3. „Gott sandte seinen Sohn.“ In der heutigen Liturgiefeier vertiefen wir die Bedeutung des vor acht Tagen gefeierten Ereignisses, das die ganze Weihnachtsoktav mit Freude erfüllt. Die Geburt des Sohnes Marias in Betlehem ist die Antwort Gottes auf das Geheimnis der ,Fülle der Zeit“. Am Geburtsfest des Herrn erfüllt sich nämlich die Berufung des Menschen zur Unsterblichkeit. Die Sendung des Sohnes in die Welt ist die Offenbarung der Wahrheit über die Bedeutung der Zeit, die bis dahin jeder anderen Religion und menschlichen Philosophie unbekannt war. Der Apostel spricht von der Sendung des Sohnes in enger Verbindung mit der Sendung des Heiligen Geistes: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6). Diese letzten Worte bekräftigen das gänzlich Neue dessen, was das erste Kommen Christi mit sich gebracht hat. Die Adoptivkindschaft ist daher nicht ein inhaltsleerer Ausdruck, sie ist vielmehr echte innere Wirklichkeit, die vom Heiligen Geist als 574 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN übernatürliche Dimension der menschlichen Existenz in Gott enthüllt wird. Nur wenn er wirklich von Gott an Kindes Statt angenommen ist, findet der Mensch in sich die volle Sicherheit, um zu Gott sagen zu können: Abba, Vater! Der Heilige Geist, der vom Vater und vom Sohn ausgeht, ermöglicht, daß diese übernatürliche Gotteskindschaft im Leben des Menschen zu einem wirklichen Zustand wird, zum Stand der heiligmachenden Gnade. 4. Das Nachdenken über die christliche Bedeutung der Zeit ist eine unerläßliche Ergänzung zum außerordentlichen Reichtum der Liturgie und der Verkündigung von Weihnachten. Wir können uns ferner fragen, ob diese Wahrheit über die Erfüllung der Zeit sich nur auf die christliche Zeit bezieht, wenn wir diese im historischen Sinn verstehen. In diesem Fall würde alles vor dem Kommen Christi Geschehene von der übernatürlichen Dimension der Zeit ausgeschlossen bleiben. Der Apostel scheint tatsächlich anzuzeigen, daß alles, was zur ,Hülle der Zeit“ gehört, die gesamte zeitliche Begrenztheit des Menschseins auf Erden erfüllt. Es beginnt mit der Erschaffung des Menschen; tatsächlich trag schon der erste Adam die Berufung zum Eintritt in die Gemeinschaft mit der Ewigkeit Gottes durch die Teilhabe als Sohn am Leben Gottes selbst in sich. Es war daher das Kommen Christi - des zweiten Adam - notwendig, damit diese von der Sünde verdunkelte Berufung wieder auflebte, um zu ihrer vollen und bewußten Verwirklichung zu gelangen und Evangelium, die Gute Nachricht, zu werden. 5. Der Abschnitt aus dem Brief an die Galater, der heute verkündet wurde, ist der einzige paulinische Text, in dem von der Mutter Christi die Rede ist. Das, was der hl. Paulus hier zusammenfassend sagt, enthält jedoch alles, was das Neue Testament von Maria sagt, und verbindet sich mit dem ganzen Alten Testament. Was aber ist die Mutterschaft, wenn nicht der Beginn eines Lebens, das die Aussicht auf Unsterblichkeit bereits in sich enthält? Alle Mütter, angefangen mit Eva, nehmen innerlich an der Erwartung auf Leben teil, die die Zeit übersteigt. Sie nehmen teil am Warten auf ein Wesen, das zur Unsterblichkeit berufen ist. Je mehr sie sich dessen bewußt werden, desto reicher wird in geistlicher Weise ihre Mutterschaft. Es gibt im Alten Bund, in der christlichen Überlieferung wie auch in anderen religiösen Kontexten außergewöhnliche Muttergestalten, die diese Ausrichtung auf die Ewigkeit Gottes bezeugen: zum Beispiel die Mutter der Makkabäer (vgl. 2 Makk 7,1.41), die Witwe von Naim, deren Sohn Jesus auferweckt hat (vgl. Lk 7,11-17), die hl. Monika, die Mutter des hl. Augustinus, und in unserem Jahrhundert die sei. Gianna Beretta Molla. Vor allem durch Maria hat sich durch ihr „Fiat“ die ,Hülle der Zeit“ als Erfüllung der übernatürlichen Hingabe Gottes an den Menschen offenbart. In ihrer Mutterschaft verbindet sich der Wert der Zeit auf einzigartige Weise mit dem Geheimnis der Annahme der Menschen an Kindes Statt, die nun berufen sind, Kinder Gottes zu werden. Sie verbindet sich mit der Sendung des Geistes des Sohnes und des Heiligen Geistes in unsere Herzen, der 575 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ruft: Abba, Vater! Wahrhaft erhaben und tief sind also die Gründe, weshalb die Kirche an diesem ersten Tag des Jahres die Mutterschaft der Mutter Gottes mit solcher Feierlichkeit begeht! 6. Die Kirche vertraut Maria an diesem Tag das Streben nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden an, die im Herzen eines jeden Gläubigen leben. Sie ruft Maria, die Mutter Gottes, die Mutter des Friedensfürsten, an. Seit mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., den Weltfriedenstag eingesetzt hat, wendet sich der Papst bei der heutigen Gegebenheit mit einer besonderen Botschaft an die Welt. In diesem Jahr lautet das Thema: „Die Frau als Erzieherin zum Frieden.“ Indem ich die Botschaft des letzten Jahres, die dem Verhältnis zwischen Familie und Frieden gewidmet war, weiterführte, wollte ich betonen, wie wichtig Rolle und Sendung der Frau sind, Zeugin, Botschafterin und Lehrerin des Friedens zu sein. Die Frau besitzt eine besondere Berufung bei der Förderung des Friedens in der Familie und in jedem Bereich des „sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene“ (Botschaft zum Weltfriedenstag, Nr. 9). Mögen die gläubigen Frauen im Blick auf Maria sich immer lebendiger ihrer Aufgabe in Kirche und Welt bewußt werden und ihren entscheidenden Beitrag zur Durchführung des göttlichen Planes mit der gesamten Menschheit leisten. 7. Wir feiern heute am ersten Tag des neuen Jahres die göttliche Mutterschaft Marias. Was will die Kirche mit dieser Feier ausdrücken? Will sie etwa nicht bezeugen, daß unsere Hoffnung voll Unsterblichkeit ist (vgl. Ps 3,4)? Will sie nicht lehren, daß jede menschliche Zeit und auch das nun beginnende neue Jahr in der Ewigkeit Gottes einbegriffen ist, zu der wir als nach seinem Bild und Gleichnis geschaffene Wesen berufen sind? Ja! Die Kirche wünscht, daß alle Gläubigen im Bewußtsein dieser in Christus geschenkten Gotteskindschaft leben: als Kinder, die den Heiligen Geist empfangen haben und zu Gott rufen: Abba, Vater! Als Kinder, die sich ihrer Berufung bewußt sind und im täglichen Leben daher immer mehr konsequente Erben des Reiches werden, das der Sohn Gottes in die Welt gebracht und den Menschen angeboten hat. Söhne im Sohn, damit in der Welt das Reich Gottes wächst. Amen! 576 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugen für den Primat Gottes und seines Willens sein Ansprache an die Teilnehmer der 34. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu am 5. Januar Liebe Delegierte der Gesellschaft Jesu! 1. Mit der Eucharistiefeier, bei der ihr den Heiligen Geist angerufen habt, hat heute früh eure Generalkongregation begonnen, deren Arbeiten sich über die nächsten Wochen hinziehen werden. Gleich an den Anfang wolltet ihr die Begegnung mit dem Papst stellen, um das einzigartige Charisma der engen Bindung an den Nachfolger des hl. Petrus zu unterstreichen, das nach dem hl. Ignatius das charakteristische Kennzeichen der Gesellschaft Jesu sein soll. Vom Nachfolger Petri erwartet ihr die „Aussendungen“, „damit - wie es in den Satzungen eures Instituts heißt - in allem Gott, unserem Herrn, und dem Apostolischen Stuhl mehr gedient werde“ {Konst., 612). Im Gefolge eures Gründers und seiner ersten Gefährten erklärt ihr mit dieser engen Bindung an das Amt des Römischen Papstes, daß die Gesellschaft ganz und vorbehaltlos zur Kirche gehört, in der Kirche und für die Kirche zur Verfügung steht. Ich begrüße euch mit großer Freude, liebe Ordensleute, während meine Gedanken zunächst dem Generaloberen, Pater Peter-Hans Kolvenbach, gelten, dem ich für die in seiner eben vorgetragenen Grußadresse im Namen aller ausgesprochenen Empfindungen danke. Mit ihm begrüße ich den Generalrat und die 243 Delegierten, die als Vertreter der Jesuiten der ganzen Welt durch die Mannigfaltigkeit der Probleme und Situationen die Lebenskraft und Fruchtbarkeit der Gesellschaft Jesu sichtbar machen. 2. Dieser eurer Generalkongregation kommt in der aktuellen historischen Stunde sicher eine besondere Bedeutung zu, da sie sich im wesentlichen damit befassen wird, durch Unterscheidung den spezifischen Beitrag zu erkennen, den euer Institut an der Schwelle des schon nahen dritten christlichen Jahrtausends für die Neuevangelisierung zu leisten hat, und die Organisation und Gesetzgebung der Gesellschaft Jesu auf den heutigen Stand zu bringen, um einen immer angemesseneren und getreueren Dienst für die Kirche leisten zu können. Damit ihr die Aufgabe, die ihr nun angehen wollt, besser erfüllen könnt, möchte ich euch einige Punkte zur Erwägung vorlegen, die euch im übrigen geistig schon präsent sind. Ich bin sicher, daß sie euch helfen werden, euren Beitrag zum Evangelisierungsauftrag der Kirche in der heutigen Welt besser zu bestimmen, besonders im Hinblick auf das Große Jubeljahr 2000, von dem dank der Gefügigkeit der Gläubigen gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes ein „neuer Frühling christlichen Lebens“ offenbar gemacht werden soll (vgl. Tertio millennio adve-niente, Nr. 18). 577 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Gesellschaft Jesu ist vor allem aufgerufen, ihren spezifischen Weg zu Gott unmißverständlich und entschlossen zu bekräftigen, wie ihn der hl. Ignatius in der Formula Instituti vorgezeichnet hat: Die liebevolle Treue zu eurem Charisma wird eine sichere Quelle erneuter Fruchtbarkeit sein. Daran erinnerte der Diener Gottes Paul VI. die Teilnehmer der 32. Generalkongregation: „Ihr besitzt eine stark ausgeprägte Spiritualität, eine eindeutige Identität und Anerkennung in der Welt, kraft der Argumente und Methoden, die nach der Feuerprobe der Geschichte noch die Spuren des Geistes des hl. Ignatius tragen. Niemand wird also daran zweifeln, daß eine intensive Betrachtung des bisher zurückgelegten Weges und des eigenen Charismas erneut zu einer Quelle geistlicher und apostolischer Fruchtbarkeit werden kann.“ Und der unvergeßliche Papst fügte hinzu: „Wir alle müssen darüber wachen, daß die notwendige Anpassung weder das eigentliche Wesen, die Identität der Gesellschaft noch die persönliche Prägung des einzelnen Jesuiten beeinträchtigt. Beides ist in der Formula Instituti niedergelegt und wird durch die Geschichte und die besondere Spiritualität des Ordens bezeugt. Und beides scheint auch heute noch eine Antwort auf die richtig verstandenen Forderungen unserer Zeit zu sein. Dieses Bild darf also weder verfälscht noch entstellt werden“ (Insegnamenti di Paolo VI., XII[1974]1181-1182). Habt daher keine Angst, immer echtere Söhne des hl. Ignatius zu sein, indem ihr seine ursprüngliche Inspiration und sein Charisma in diesem letzten Abschnitt des Jahrhunderts in ganzer Fülle lebt und eure volle Anhänglichkeit an die Gesellschaft Jesu vertieft. Euer Charisma fordert von euch, Zeugen für den Primat Gottes und seines Willens zu sein. „Ad maiorem Dei gloriam“: das religiöse Leben im Orden das Apostolat, der Einsatz in der Welt der Kultur, das Engagement auf sozialem Gebiet, die Sorge für die Armen müssen immer als einziges Ziel die größere Ehre des Herrn haben. All das führt von selbst zu einer starken Betonung der Vorrangstellung der Spiritualität und des Gebets: sie unbeachtet zu lassen, würde einen Verrat an dem Geschenk bedeuten, das ihr für Kirche und Welt sein sollt. 4. Auf diese anspruchsvolle spirituelle und asketische Voraussetzung, die jeder apostolischen Tätigkeit zugrunde liegen muß, stützt sich der Einsatz für die Neuevangelisierung im Hinblick auf das dritte Jahrtausend. Gefordert ist vor allem ein neuer Schwung bei der Verwirklichung des Auftrags des Herrn an die Kirche: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). Dieser Auftrag Christi stellt eine wesentliche Aufgabe der Sendung der Kirche dar. Die Gesellschaft Jesu, die „vornehmlich dazu errichtet worden ist, um besonders auf die Verteidigung und Verbreitung des Glaubens ... abzuzielen“ (Formula Instituti, 1), hat nach dem Beispiel des hl. Ignatius und seines Lieblingsgefährten, des hl. Franz Xaver, zu allen Zeiten ihres Bestehens einen bedeutsamen Beitrag auch mit dem Blut von Märtyrern geleistet, um diesen Missionsauftrag der Kirche in den verschiedenen Teilen der Welt durchzuführen. 578 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich bin sicher, daß es die Generalkongregation nicht versäumen wird, einem so grundlegenden Aspekt eures Apostolates gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Wie ihr wohl wißt, bringen heute neue Nationalismen, radikalisierte Ideologien, der religiöse Synkretismus, gewisse theologische Deutungen des Geheimnisses Christi und seines Erlösungswerkes, ferner die Schwierigkeit, die Ausgewogenheit zwischen der notwendigen Inkulturation des Evangeliums und der Einheit der in ihm enthaltenen Botschaft zu finden, aber auch andere Elemente politischer, soziologischer und religiöser Art die Gefahr mit sich, eure Präsenz und eure Evangelisierungstätigkeit in vielen Ländern vom Ansatz her aufs Spiel zu setzen. Ich ermuntere die ganze Gesellschaft, trotz dieser Schwierigkeiten der Sendung treu zu bleiben und das Evangelium an der vordersten Front des Reiches Gottes zu verkünden. 5. Der Einsatz für die Evangelisierung erfordert auch ein hochherzigeres Engagement zur Förderung der vollen Gemeinschaft aller Christen. In dem kürzlich veröffentlichten Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich das Ziel der Einheit der Christen als vorrangig bezeichnet: „Unter den dringendsten Bitten dieses außergewöhnlichen Augenblicks angesichts des herannahenden neuen Jahrtausends erfleht die Kirche vom Herrn, daß die Einheit zwischen allen Christen der verschiedenen Konfessionen bis hin zur Erlangung der vollen Gemeinschaft wachsen möge“ (Nr. 16). Bei dieser großen Anstrengung der ganzen Kirche muß die Gesellschaft Jesu in vorderster Linie stehen: Während sie jeder Versuchung zu Individualismus, Unabhängigkeit und Gleichlauf widersteht, ist sie dazu aufgerufen, ein hervorragendes Zeugnis brüderlicher Eintracht und kirchlicher Harmonie zu geben. Es ist bekannt, welche Energien die Gesellschaft für die Zusammenarbeit mit allen lebendigen Kräften der Kirche aufwendet. In diesem Zusammenhang möchte ich euch einladen, einerseits den Schwung lebendig zu erhalten, der eurem Charisma für den Dienst an der Universalkirche eigen ist, und jede Versuchung zu Abschließung, zu Provinzialismus oder Regionalismus zu überwinden, der geradezu die Existenz bestimmter Werke internationalen oder provinzübergreifenden Charakters gefährden könnte, die für das Wohl der Gesamtkirche und der einzelnen Teilkirchen von großer Bedeutung sind, wie zum Beispiel die Päpstliche Universität Gregoriana, das Päpstliche Bibelinstitut, das Päpstliche Orientalische Institut und auch Radio Vatikan - alles Werke, für die ich der Gesellschaft Jesu bei dieser Gelegenheit danken möchte; auf der anderen Seite müßt ihr jedoch dort, wo ihr euren Dienst ausübt, bereit und fügsam die Sorgen der Bischöfe bei ihrem Lehramt und in ihrer Fürsorge für die ihnen anvertraute Ortskirche teilen. Die gleiche innere Haltung wird die theologische Forschung inspirieren müssen, die der vom Geist des Glaubens beseelte Jesuit in gehorsamer Abstimmung auf die Weisungen des Lehramtes vorantreibt. Was soll ich weiter über die Lehrtätigkeit sagen, die der Ausbildung der jungen Generationen gilt? Sie wird darauf abzielen müssen, den Studenten eine klare, solide und organische Kenntnis der katholi- 579 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Lehre zu vermitteln und sie dazu anzuleiten, die Aussagen, an denen unbedingt festgehalten werden muß, von jenen zu unterscheiden, die der freien Diskussion überlassen bleiben, bzw. von jenen, die nicht angenommen werden können. 6. Auf diesen Grundlagen wird sich dann das verwirklichen lassen, was sich bei der Vorbereitung der Generalkongregation im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend als prioritär erwiesen hat: der missionarische Schwung und die Förderung einer Dynamik kirchlicher Gemeinschaft, die sich zum Ökumenismus verlängern, den interreligiösen Dialog leiten und den Dienst an der Sache der Menschenrechte und des Friedens als Grundlagen einer Zivilisation der Liebe inspirieren soll. Es ist klar, daß sich keiner, der sich nicht selber ganz in den Dienst der Gemeinschaft in der Kirche stellt, vermessen kann, die Wunden und Spaltungen der Welt zu heilen. Es gilt also aufmerksam darüber zu wachen, daß die Gläubigen nicht durch zweifelhafte Lehren, durch Publikationen und Vorträge, die in offenem Gegensatz zum Glauben und zur Moral der Kirche stehen, und durch Haltungen, die die Gemeinschaft des Geistes beleidigen, verwirrt werden. Hier möchte ich dem Herrn für all das Gute danken, das die Jesuiten in der Welt dadurch leisten, daß sie das Evangelium vom Heil durch das Zeugnis ihres Wortes und Lebens verbreiten. Ich ermuntere euch, liebe Brüder, auf diesem Weg fortzufahren, indem ihr alle Schwierigkeiten überwindet und euch auf den ständigen göttlichen Beistand sowie auf die Unterstützung des Apostolischen Stuhls verlaßt, der in dieser aufgewühlten, aber zugleich an providentiellen apostolischen und missionarischen Möglichkeiten reichen Stunde der Menschheitsgeschichte viel von euch erwartet. 7. Dies ist die Zeit der Neuevangelisierung, die von der Gesellschaft Jesu ein apostolisches Engagement verlangt, das auch konkreter und neu sein soll „in seinem Eifer, seinen Methoden und seinen Ausdrucksformen“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II., Wl[1983]698). Ein solcher Einsatz muß vor allem vom Vertrauen auf den Herrn ausgehen, der der Gesellschaft auch in einer nicht leichten Zeit wie der jetzigen wirksam beizustehen vermag, damit sie nicht aufhört, hochherzig für das Wachstum des Reiches zu wirken „durch öffentliche Predigten, Vorträge und jedweden anderen Dienst am Wort Gottes und die Geistlichen Übungen, durch die Unterweisung von Kindern und einfachen Menschen im Christentum, die geistliche Tröstung der Christgläubigen durch Beichthören und die Verwaltung der übrigen Sakramente“ (Formula Instituti, 1). Denn die Gesellschaft ist ja die Gesellschaft des Herrn Jesus; von Ihm ist das Gute, das sie täglich im Dienst an der Kultur vollbringt, besonders in der Welt der Universität, in der Heranbildung junger Menschen, im geistlichen Beistand für viele Priester, Ordensleute und Laien. Frucht der göttlichen Gnade ist ferner das Apostolat in den Pfarreien, in den sozialen Zentren, im Bereich der Massenmedien und in den zahlreichen „Heiligtümern“ menschlichen Leidens. 580 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser ganze Reichtum aber muß in die Dynamik der Neuevangelisierung aufgenommen werden, wobei nicht von menschlicher Berechnung oder rafinierten Strategien ausgegangen werden darf, sondern von einer demütigen und vertrauensvollen Anhänglichkeit an den, der der erste Verkünder des Evangeliums ist: Christus. Im Schlußdokument der Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe von 1992 in Santo Domingo heißt es: „Der apostolische Elan der Neuevangelisierung entspringt einer radikalen Nachahmung Jesu Christi, dem ersten Verkünder des Evangeliums“ (Nr. 28). Jedes apostolische Bemühen muß sich vor allem auf die Verkündigung Christi, des Erlösers des Menschen, konzentrieren, um echte Formen der Inkulturation des Glaubens zu verwirklichen und als Früchte des christlichen Lebens die Werte der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität zu fördern, die heute zumal in einigen Nationen der Welt so dringend notwendig sind. Gewiß muß sich die Gesellschaft Jesu im Sozialbereich und im Dienst an den Letzten stark engagiert fühlen. Wie könnte es auch anders sein? Wie könnte sie in allem die „größere Ehre Gottes“ anstreben, wenn sie vergißt, daß - nach einem Wort des hl. Irenaus - „der lebendige Mensch die Ehre Gottes ist“? Doch darf diese Dimension nie aus einem umfassenden Dienst an der Sendung der Kirche zur Evangelisierung herausgelöst werden, der es um das Heil aller Menschen und des ganzen Menschen, angefangen bei seiner übernatürlichen Bestimmung, geht. Die Unterscheidung, die ihr, geliebte Brüder, bei der jetzigen Generalkongregation vornehmen sollt, muß folglich darauf hinzielen, das Apostolat immer stärker als Evangelisierungsauftrag herauszustellen, der große Transparenz aufweist und gekennzeichnet ist von einem starken Sinn für Gott, von der Liebe zur Kirche und zum Menschen als „Weg der Kirche“, von der Dankbarkeit für das Geschenk der Berufung und von der Freude des Vertrauens auf die göttliche Barmherzigkeit. 8. Ausbildung der künftigen Apostel für diese asketischen und pastoralen Ziele: das ist das grundlegende Erfordernis. Eine solide und lange Ausbildung der Professen der Gesellschaft muß euer ständiges Anliegen sein. Euer Gründer selbst verlangte ausdrücklich, daß niemand ohne anspruchsvolle Ausbildung zur Profeß zugelassen werden sollte (vgl. Formula Instituti, 9). Papst Paul VI. erkannte an, daß „überall in der Kirche an der schwierigsten, vordersten Front, an Scheidewegen, dort, wo verschiedene Lehren einander gegenüberstehen, wo soziale Konflikte aufbrechen, wo die leidenschaftlichen Forderungen der Menschen und die ewige Botschaft des Evangeliums aufeinanderstoßen, stets Jesuiten waren und sind“ {Insegnamenti di Paolo VI., XII[1974) 1181). Damit das weiterhin so bleibt, dürft ihr „nicht der leichtfertigen Versuchung nachgeben, diese Ausbildung zu verwässern, der in jedem einzelnen ihrer Aspekte - dem spirituellen, lehrmäßigen, disziplinären und pastoralen - so große Bedeutung zukommt“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II., V/l[1982)715). Ich spreche meine Anerkennung für die erhebliche Anstrengung aus, die sich diesen Erwartungen gerecht zu werden bemüht. In diesem Zusammenhang möchte ich 581 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch meiner Wertschätzung für all das Ausdruck geben, was die Gesellschaft Jesu für die Ausbildung der Koadjutoren oder Brüder leistet, die ein unersetzliches Element im Leben eures Ordens und seines Apostolats darstellen. 9. Liebe Jesuiten, die kürzlich abgehaltene Bischofssynode, die dem gottgeweihten Leben und seiner Sendung in Kirche und Welt gewidmet war, hat an alle Ordensleute die dringende Mahnung gerichtet, ihre prophetische Sendung in den Dienst der Neuevangelisierung zu stellen, indem sie in Lebensstil, Arbeit und Gebet sichtbar und klar die radikale Nachahmung des keuschen, armen und gehorsamen Herrn bezeugen. Diese Aufforderung möge euch bei den Arbeiten, die ihr jetzt in Angriff nehmt, Orientierung und Begleitung sein und euch bei den Entscheidungen, die ihr zu treffen habt, leiten. Seid überzeugt, daß die Kirche euren qualifizierten Beitrag braucht, um das Evangelium Christi dem Menschen unserer Zeit wirksamer zu verkünden. Die Jungfrau Maria, die euren Gründer unterstützt und erleuchtet hat, möge euch helfen, „zuerst Gott, dann die Art und Weise dieses seines Instituts stets vor Augen zu haben“ (Formula Instituti, 1), und euch mütterlich leiten. Während ich als Unterstützung für jeden eurer hochherzigen Vorsätze reiche himmlische Gaben auf euch herabrufe, erteile ich euch und allen Mitgliedern der Gesellschaft Jesu einen besonderen Apostolischen Segen. Tragt die Frohe Botschaft bis an die Grenzen der Erde! Predigt am Hochfest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar „Auf, werde licht...“ (Jes 60,1). 1. Die Lesungen der heutigen Liturgie vermitteln unserer Versammlung eine innere Bewegung. Das Fest der Erscheinung des Herrn ruft nämlich, wenn man es recht bedenkt, die Offenbarung der „großen Bewegung“, wie wir sie nennen könnten, in Erinnerung. Wir lesen bei Jesaja die an die Stadt Jerusalem gerichteten Worte: „Auf, werde licht, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir“ (Jes 60,1-2). „Es kommt dein Licht ...“ Die Worte des Propheten zeigen eine Bewegung an: Von oben steigt die Herrlichkeit Gottes mit seiner Gnade herab. Epiphanie bedeutet die Bewegung Gottes auf den Menschen zu. Infolgedessen beginnt auf der Erde eine andere Bewegung, welche die Menschen aus der Finsternis zum Licht führt. Wir lesen: „Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. Blick auf und schau umher: Sie alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern, deine Töchter trägt man auf den Armen herbei“ {Jes 60,3-4). Es ist die Bewegung auf das Licht zu, auf Jerusalem als sein 582 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zentrum hin. Es ist die Bewegung des Menschenherzen zu Gott hin, der in die Welt gekommen ist. Innerhalb der Geschichte der Religionen ist dies etwas absolut Neues: Gott wird in der Welt geboren, um mit dem Menschen sein irdisches Schicksal zu teilen. 2. Neben der Dimension der Bewegung ist am Fest der Erscheinung des Herrn die Dimension des Geschenkes besonders wichtig. Der Prophet spricht von den Reich-tümem jenseits des Meeres, von den Schätzen der Nationen, er spricht von Gold und Weihrauch, die unter den Gesängen der Pilger nach Jerusalem gebracht werden, an den Ort, wo Gott zur Welt gekommen ist, der Emmanuel. Die Geschenke bezeugen die innere Bewegung, die Bewegung des menschlichen Herzens. Gott, der in die Welt kommt, offenbart sich selbst als Geschenk für den Menschen, der Mensch aber, der erkennt, daß Gott um seinetwillen zum Geschenk geworden ist, erkennt auch in sich selbst die Fähigkeit, sich anderen zum Geschenk zu machen. Besonders darüber schreibt der hl. Paulus an die Gemeinde von Ephesus in dem Abschnitt, den wir gehört haben. Im Evangelium aber bringen die Sternkundigen aus dem Morgenland Gold, Weihrauch und Myrrhe nach Betlehem und bekräftigen damit die tiefste Wahrheit der Offenbarung Gottes im menschlichen Fleisch: Gott hat sich zum Geschenk gemacht für das Heil des Menschen und seine Erlösung; und er beruft seinerseits den Menschen, durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst sich selbst zu verwirklichen. 3. Die heutige Liturgie wird damit Epiphanie der großen Sendung, die von Gott ausgeht und durch das Kommen des Sohnes Gottes in die Welt zum Menschen führt, durch das Herz des Menschen aber zu den anderen Menschen weitergeht, zu all denen, die das auf Jerusalem herabgekommene Licht noch nicht kennen und daher auch den Weg nicht wissen, der zur Grotte von Betlehem führt. Der Weg der Weisen aus dem Morgenland ist wie ein großes Symbol all jener Wege, auf denen die Menschen von nah und fern und von den äußersten Enden der Erde her im Verlauf der Jahrhunderte zum Licht Christi pilgern. Er, der sich jetzt als Neugeborener von den Sternkundigen finden und anbeten läßt, wird eines Tages am Ende seiner irdischen Sendung den Aposteln sagen: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15), und er wird mit diesen Worten der Geschichte der Kirche eine genaue Richtung verleihen. Die große Bewegung, die zu allen Nationen der Welt führt, entspricht im Plan Gottes dem Kommen Christi im Fleisch. Sie verbindet sich auch mit dem Weg der Weisen, die - durch das Erscheinen eines neuen Sterns, eines neuen Lichtes, angeregt, aber gewiß zugleich vom Licht des Heiligen Geistes geführt - die Reise unternahmen, die sie nach Jerusalem und dann nach Betlehem führte. Jene, die den Aposteln in der Sendung nachgefolgt sind, das Licht in alle Nationen zu tragen und allen Nationen zu predigen, haben den Menschen den gleichen Weg gezeigt mit den Worten: Geht nach Betlehem, dort ist Christus geboren; geht nach Nazaret, dort hat er dreißig Jahre seines Lebens im verborgenen verbracht; ver- 583 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weilt an den Ufern des Sees von Galiläa und an so vielen Orten des Heiligen Landes, wo er gelehrt und Wundertaten gewirkt hat, um damit Zeichen seiner göttlichen Macht zu geben; vor allem aber geht nach Jerusalem, wo er am dritten Tag von den Toten auferstanden ist und damit die Macht des Lebens gezeigt hat, das in Ihm ist, ein Leben stärker als der physische und geistliche Tod. 4. Ihr, liebe Brüder, die ihr heute in der Basilika des hl. Petrus die Bischofsweihe empfangt, werdet in besonderer Weise der Epiphanie Christi teilhaftig. Eines Tages empfingen die Apostel von Christus den Auftrag: „Geht hinaus in die ganze Welt...“ Sie erhielten zugleich die Macht des Heiligen Geistes, die sie dann durch Auflegung der Hände auf ihre Nachfolger übertragen sollten. Ausgehend von Jerusalem entfaltete sich so die große Bewegung der „Predigt des Evangeliums für alle Geschöpfe“. Immer neue Männer haben von Geschlecht zu Geschlecht den Heiligen Geist empfangen, um sich an der apostolischen Sendung der Kirche zu beteiligen, die in der Verkündigung des Evangeliums an alle Geschöpfe besteht. Heute werdet ihr in die geistliche Kette der Nachfolger der Apostel eingegliedert, denn ihr habt hierher eure Geschenke gebracht: das Geschenk eures Menschseins, das Geschenk der Berufung, das Geschenk des Priestertums und das Geschenk des Dienstes. Die Offenbarung der Wahrheit über den Menschen, die vom II. Vatikanischen Konzil erneut bekräftigt wurde - daß der Mensch sich nämlich nur in der aufrichtigen Hingabe seiner selbst verwirklicht -, hat euch auf den Weg der Berufung zum Priestertum und zum Bischofsamt geführt. Heute seid ihr mit diesen Geschenken hergekommen. In eurem Kommen erfüllt sich die Weissagung des Jesaja über die Nationen, die auf der Suche nach dem Licht nach Jerusalem ziehen. Ihr tragt die Reichtümer eurer Nationen bei euch, um sie zu Füßen der Heiligen Familie niederzulegen. Und gerade während ihr diese Geste vollzieht, empfangt ihr selbst ein neues Geschenk: das Geschenk des pastoralen Dienstes in der Kirche Gottes in seiner Fülle, das Bischofsamt, in dem sich die apostolische Sendung der Kirche fortsetzt und ständig verlängert. Macht euch also wie die Weisen aus dem Morgenland auf, bereichert mit dem Geschenk Gottes, und bringt es dorthin, wohin der kirchliche Dienst euch ruft. Bring es nach Panama, Msgr. Bruno Musarö, Apostolischer Nuntius in diesem Land, wo sich Norden und Süden des amerikanischen Kontinents verbinden. Du aber, Msgr. Petko Christov, Bischof von Nicopolis, bring es nach Bulgarien, damit Wahrheit und Freiheit dort reifen, wo allzu lange Unterdrückung geherrscht hat. Du, Msgr. Antonio Napoletano, Bischof von Sassa Aurunca, bring es in den Süden Italiens, wo eine alte christliche Überlieferung darauf wartet, neu evangelisiert zu werden. Bring dein Geschenk, Msgr. Zacharias Jimenez, Bischof von Pagadian, auf die Philippinen, die ich bald besuchen möchte, um eine Brücke zu den neuen Generationen Asiens zu schlagen. Bring es in die Vereinigten Staaten von Amerika, Msgr. Raymond Leo Burke, Bischof von La Crosse, so daß die Wurzeln des Evangeliums in diesem Land kräftiger werden können. Du aber, Msgr. Javier 584 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Echevarna Rodriguez, Prälat der Personalprälatur vom Heiligen Kreuz und vom Opus Dei, verbreite es als Unterpfand neuer Zeugenschaft in allen Bereichen des Lebens. Auf den modernen Areopag der Medien bring du es, Msgr. Pierfranco Pa-store, der du seit Jahren deinen geschätzten Dienst als Sekretär des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel leistest. Du, Msgr. Stanislaw Szyro-koradiuk, Weihbischof des Bischofs von Zytomir, bring es in die Ukraine, und laß es zum Samen voller Einheit zwischen Orthodoxen und Katholiken werden. Ihr endlich, Msgr. Pawel Cieslik und Msgr. Stefan Regmunt, Weihbischöfe der jeweiligen Bischöfe von Koszalin-Kolobrzeg und Legnica, bringt das Geschenk Gottes nach Polen als würdige Diener dieser geliebten Kirche. Liebe und verehrte Brüder, seid treue Zeugen der Wahrheit, Zeugen der göttlichen Epiphanie! Diese Wahrheit soll durch das aufrichtige Geschenk eures Lebens die Menschen ansprechen und ihnen den Weg weisen zu jenem Licht, das in Betlehem aufgeleuchtet ist, zu jenem Licht, das Christus ist. Möge euer Dienst zur Erfüllung des Psalmwortes beitragen, das soeben verkündet wurde:, Anbeten sollen dich, Herr, alle Völker der Erde“ (.Antwortpsalm). Alle Völker, Herr! Amen. Diese Krippe repräsentiert ein Land, das ich hoffentlich bald als Pilger besuchen werde Ansprache beim Besuch der von den „Nctturbini“ - den Mitarbeitern der römischen Straßenreinigung - in ihrem Depot unweit des Vatikans an der Porta Cavalleggeri aufgebauten Krippe am 8. Januar Um die Kirche Roms ins dritte Jahrtausend zu führen, wird man auch auf die Mitarbeit der Angestellten der Straßenreinigung angewiesen sein. Und das ist ganz recht so, denn auch Jesus ist in diese Welt gekommen, um etwas Frieden, Ordnung und Sauberkeit herzustellen. Sauberkeit in den Städten und Sauberkeit im Gewissen der Menschen. Er hat uns gereinigt. Ich komme nun schon zum sechzehnten Mal hierher. Das ganze Pontifikat ist auch von den „Netturbini“ Roms gekennzeichnet, und ich bin froh über diese schöne Tradition. Es macht mir auch in diesem Jahr Freude, hier zu sein, mit euch zusammenzutreffen und eurer Rolle im Dienst der Stadt Anerkennung zu zollen. Man nennt euch „Netturbini“ - Stadtreiniger - und meint damit, daß ihr die Straßen der Stadt reinigt; diesem Umstand ist es zu verdanken, daß Rom so sauber ist. Das stimmt doch, Herr Bürgermeister? Wollen wir hoffen. Die Stadt ist nun sauber und schön; unzählige Menschen sind auf Roms Straßen unterwegs; viele der zahlreichen Pilger und Gäste sehe ich auf dem Petersplatz, und auch nach den Versammlungen großer Menschenmassen bleibt Rom sauber, bleibt der Petersplatz sauber, so daß wir vor der Welt gut dastehen können. 585 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich beglückwünsche euch zu dieser neuen Krippe; jedes Jahr kommt wieder irgendein neues Element hinzu. Diese „Krippe“ repräsentiert ein Land, das ich hoffentlich bald als Pilger aufsuchen kann. Wir werden miteinander gehen. Wir nähern uns dem Tag, der uns gleichsam spontan in das Heilige Land, nach Betlehem, nach Jerusalem, zu all den heiügen Stätten führen wird, die mit unserer Erlösung verbunden sind. Meine Lieben, ich will keine lange Rede halten; ich danke euch für diese jedes Jahr erneuerte Einladung und danke dem Herrn, daß ich zu euch kommen konnte, obwohl mir mein Bein noch zu schaffen macht; allerdings bessert es sich zusehends. Wir stehen in der Vorbereitung einer längeren Reise in den Femen Osten; hoffen wir, daß alles gut geht. So muß man jedes Jahr und jeden Tag die Schwelle der Hoffnung überschreiten. Ich wünsche allen ein gutes Jahr, ein wirklich gutes Jahr! Vor zwei Tagen sagte ich „buona befana!“, aber heute wünsche ich: ein gutes Jahr. Danke! Nochmals vielen Dank! Christus ist die Antwort auf alle Fragen des Menschen Predigt bei der Tauffeier in der Sixtinischen Kapelle am 8. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir haben diese Worte des Evangeliums gehört: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ Die „Stimme“ des Vaters, die die Liturgie heute in den Mittelpunkt des Wortgottesdienstes stellt, lädt uns ein, das Geheimnis der Liebe zu betrachten, das in diesem Heilsgeschehen des Lebens Jesu verborgen ist. Sie lädt uns ebenfalls ein, in diese Liebe das Taufsakrament einzubeziehen, die bald diese Kinder zu von Gott geliebten Söhnen und Töchtern für immer macht. Im Geheimnis der Taufe im Jordan feiern wir Jesu Offenbarung als Messias von Israel und Sohn Gottes. Das Lukasevangelium stellt dieses Heilsgeschehen in einen besonderen Zusammenhang, der den Sinn des Geschehens hervorhebt und verdeutlicht. Am Jordan befindet sich vor allem das erwartungsvolle Volk mit vielen Fragen auf dem Herzen, ein Volk, das die Sehnsucht nach Gott spürt und auf die Einladung zur Umkehr antwortet. Da ist Johannes, der ihre Fragen ahnt und sie als eine Gelegenheit des Dienstes an der Wahrheit auffaßt: „Ich taufe euch nur mit Wasser“, antwortet er auf die Frage der Leute, „es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Lk 3,16). Lukas stellt uns dann Jesus vor, die Hauptgestalt des Geschehens, unter den vielen Sündern und im Gebet: Er ist die Antwort auf die Erwartungen der Menschen, das Lamm ohne Makel, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Das öffentliche Leben Jesu beginnt so unter Zeichen und Geschehnissen, die eine neue Schöpfung ankündi- 586 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen: Der Himmel, den die Sünde Adams verschlossen hatte, öffnet sich, auf Jesus kommt der Geist „sichtbar in Gestalt einer Taube“ (Lk 3,22) herab, und das Lie-beswort des Vaters ist zu hören. Von diesem Augenblick an beginnt Jesus seinen „Weg nach Jerusalem“, den der Evangelist Lukas uns als immer vollständigere Antwort des Sohnes auf den Heilswillen des Vaters darstellt. 2. Was in der Taufe des Johannes vorweggenommen wurde, verwirklicht sich im Ostern Christi, das allen Menschen die Taufquellen erschließt. Dieses Sakrament entspringt tatsächlich der Liebe des Vaters, der uns in seinem Sohn hebt, der zu unserem Heil gestorben und auferstanden ist. Kraft des Todes und der Auferstehung Christi werden diese Kinder heute von der Erbsünde gereinigt und zu neuem Leben wiedergeboren. In Christus einverleibt, werden sie Adoptivkinder Gottes und folglich Erben des ewigen Lebens, Tempel des Heiligen Geistes; in die Kirche eingegliedert, sind sie berufen, an ihrer Sendung in der Welt mitzuwirken. 3. Liebe Eltern, hebe Paten und Patinnen! Ihr nehmt heute vor Gott und der Kirche eine schwere Verantwortung für die Zukunft dieser Kinder auf euch: Seid wachsame und mutige christliche Erzieher. Indem ihr ihnen die aus der Begegnung mit dem Herrn geschöpften Gründe des Lebens und der Hoffnung anbietet, baut ihr mit ihnen die wahre Zukunft der Menschheit und die „Zivilisation der Liebe“ auf. Ich wünsche euch, daß ihr für eure Kinder die Atmosphäre schaffen könnt, die nach der Erzählung von Lukas die Taufe Jesu und den Beginn seines öffentlichen Wirkens vorbereitet: ein Umfeld von wahrer Suche nach dem Sinn des Lebens, von Wahrheitsliebe und von Solidarität mit den anderen im Bewußtsein der eigenen Zerbrechlichkeit. Diese täglich in der Familie gelebten Werte werden es euren Kindern ermöglichen, die Stimme des Herrn zu hören und ihm mit Freude bis zur höchsten Begegnung mit ihm zu folgen. 4. Wie eindrucksvoll ist heute diese Liturgie in der Sixtinischen Kapelle! Es ist gewiß etwas Ungewohntes, hier zu einem solchen Anlaß zu weilen. Schauen wir gemeinsam auf die Szene des Jüngsten Gerichtes vor uns. Sie zeigt uns die Freude dessen, der sich für Christus entschieden hat und ihm gefolgt ist, wie auch die Verzweiflung dessen, der ihn abgewiesen hat: gelungenes Leben und gescheitertes Leben; Menschen, die die Fügsamkeit der göttlichen Gnade gegenüber zu Werkzeugen des Guten und zu Zeichen der Liebe Gottes für die Menschenbrüder gemacht hat, neben Geschöpfen, die, weil sie dem Herrn ungehorsam waren, jetzt der ewigen Verdammnis entgegengehen. Liebe Brüder und Schwestern! Möge dieser Anblick, der durch die jüngste Restaurierung noch eindrucksvoller und feierlicher geworden ist, zum Nachdenken und zur Fortsetzung des Weges der Treue zu Christus und seinem Evangelium einla-den. 587 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neben Jesus ist auf dem Fresko von Michelangelo auch Maria gegenwärtig, „die geglaubt hat“ (Lk 1,45). Die treue Jungfrau und Mutter der Barmherzigkeit sei das Vorbild, an dem sich euer erzieherisches Bemühen inspiriert. Sie weise euch Eltern und euren Kindern den Weg, der zu Jesus führt. Das ist mein Wunsch für alle Anwesenden und alle, die heute und zu jeder Zeit das Sakrament der Taufe empfangen. Amen. Frieden schaffen - mit Herz und Vernunft Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 9. Januar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Die traditionelle Begegnung zum Jahresbeginn mit den Mitgliedern des beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps ist für mich immer eine Quelle lebhafter Genugtuung. Ein weiteres Mal hat Ihr vorzüglicher Sprecher, Botschafter Joseph Amichia, die Wünsche, die Sie mir entbieten wollen, in gewählte Worte zu setzen gewußt. Sie berühren mich sehr und geben mir Kraft. Dafür also meinen herzlichen Dank! 2. Auch in diesem Jahr ist die Zahl der beim Nachfolger Petri vertretenen Länder gestiegen; zehn Nationen haben diplomatische Beziehungen mit dem Hl. Stuhl aufgenommen: die Republik Südafrika, das Königreich Kambodscha, der Staat Israel, das Haschemitische Königreich Jordanien, die ehemalige jugoslawische Republik Makedonien, die Föderierten Staaten von Mikronesien, Westsamoa, die Republik Suriname, das Königreich Tonga und die Republik Vanuatu. Ich bin froh, die Zahl der üblichen Gesprächspartner des Apostolischen Stuhls somit wachsen zu sehen. 3. Das Geschick der großen Menschheitsfamilie, zu der diese so unterschiedlichen Völker gehören, ist gewiß von zahlreichen Erfolgen gekennzeichnet, doch auch von allzu vielen Mißerfolgen. Ihr Doyen hat eben vor uns die Lichter und die Schatten, die uns begleiten, erwähnt. Die Gläubigen wissen freilich, daß der nach dem Bild Gottes geschaffene Mensch fähig ist, das Gute zu tun. Wenn ich Ihnen daher meinerseits meine innigen Wünsche für ein gutes und glückliches neues Jahr ausspreche, so richte ich sie auch an alle Ihre Landsleute und an Ihre Regierenden, indem ich einem jeden mit den Worten des Apostels Paulus sage: „Laßt euch nicht vom Bösen besiegen, sondern überwindet das Böse durch das Gute“ (vgl. Rom 12,21). Ja, zum Wohle aller möchte ich, daß der Weg der Menschen an der Schwelle des Jahres 1995 vom Licht und dem Frieden Gottes erleuchtet werde, welche die Krippe von Betlehem auf so wunderbare Weise widerspiegelt. 588 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Leider erheben sich aus dieser Welt heute noch allzu viele Schreie der Verzweiflung und des Leids, Schreie unserer vom Krieg, von der Ungerechtigkeit, der Arbeitslosigkeit, der Armut und der Einsamkeit niedergedrückten Mitbrüder. Gar nicht weit von uns erleiden die Völker von Bosnien-Herzegowina in der Kälte des Winters weiterhin am eigenen Leib die Folgen eines erbarmungslosen Krieges. Wenn auch noch zerbrechlich, könnte der kürzlich erzielte Waffenstillstand zur Wiederaufnahme ernsthafter Verhandlungen führen. Angesichts dieses Dramas, das gewissermaßen das Scheitern ganz Europas ist, dürfen weder einfache Bürger noch politisch Verantwortliche gleichgültig oder neutral bleiben. Es gibt Aggressoren, und es gibt Opfer. Das internationale Recht und die Menschenrechte werden verletzt. All das ruft nach einer entschiedenen und einheitlichen Reaktion der Nationengemeinschaft. Lösungen können nicht nach der Willkür der Eroberungen der einen und der anderen improvisiert werden. Und möge es niemals so weit kommen, daß das Recht Resultate sanktioniert, die allein durch Gewalt erreicht wurden! Das wäre der Zusammenbruch der Zivilisation und ein fatales Beispiel für andere Regionen der Welt. Die Konflikte, die den Kaukasus und jüngst in Tschetschenien auch die Russische Föderation spalten, stellen die internationale Gemeinschaft vor schwerwiegende Fragen hinsichtlich der Mittel, die für ein authentisches Zusammenleben unter unterschiedlichen Völkern einzusetzen sind. Wieder einmal muß daran erinnert werden, daß Verhandlungen - nötigenfalls mit Hilfe internationaler Instanzen -der einzig mögliche Weg sind zur Überwindung der Hindernisse für ein einträchtiges Zusammenleben in den Völker-, Religions- und Sprachenmosaiken unserer Welt, bei dem die Eigenart eines jeden Mitglieds respektiert wird. 5. Für allzu viele Völker bleiben Gewalt und Haß eine Versuchung und eine bequeme Lösung. So denke ich an Afrika mit seinen schlecht gelöschten Feuersbrünsten: an Liberia, Somaüa und den Südsudan, wo noch niemand in der Lage ist, an die Zukunft zu denken; an Angola, das ein Land bleibt, wo Gewalt und Not noch immer töten; an Ruanda, das Mühe hat, dem Abgrund zu entkommen, in den es ein programmierter und barbarischer Völkermord gestürzt hat, während sein Nachbarland Burundi gleichfalls in dem absurden Abenteuer eines weiteren ethnischen Konflikts Schiffbruch erleiden könnte. Ein großes Land wie Zaire sieht die erhoffte demokratische Neugestaltung noch nicht. Und an den Ufern des Mittelmeers sind wir Zeugen des Unheils, das in Algerien brutale Gewalt anrichtet, die nicht einmal die kleine katholische Gemeinschaft verschont. Auch dort müßte man unverzüglich erreichen, daß endlich Wege zu dem unerläßlichen nationalen Dialog gefunden werden. Meine Damen und Herren, man kann einen großen Kontinent wie Afrika nicht seinem Schicksal überlassen. Ja, ich fordere für Afrika eine Welle internationaler Solidarität: zunächst um diejenigen zur Vernunft zu bringen, die mit Waffen in der Hand aus Gründen der Rasse, der Macht oder des Prestiges einander gegenüberstehen; dann, damit der schändliche Waffenhandel aufhört - Ermutigung für die, 589 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN welche allein auf Gewalt vertrauen; schließlich, um den Völkern zu Hilfe zu kommen, die unterhalb der Armutsschwelle leben. Man muß sich in der Tat Sorgen machen, denn die internationale Hilfe für Afrika hat sich in diesem Jahr beträchtlich verringert. Man hat darauf hingewiesen, daß von den vierzig ärmsten Ländern der Welt dreißig in Afrika hegen ... 6. Internationale Solidarität ist um so mehr geboten, als die Welt zu Beginn dieses Jahres 1995 sich uns in einem Spannungsfeld darsteht zwischen reichen und in Frieden lebenden Zonen und heimgesuchten Regionen, die Krisen, Armut und sogar dem Krieg zum Opfer fallen. Es handelt sich hier um eine ständige Bedrohung für die Stabilität der Welt. Wir wissen zum Beispiel, daß in Lateinamerika, von einigen Ausnahmen abgesehen, die Demokratie wirkliche Fortschritte gemacht hat. Wünschen wir also dem haitischen und dem kubanischen Volk, daß sie in ihren jeweiligen Situationen ebenfalls die geeignetsten Wege finden, um das demokratische Leben in diesen schon so geprüften Ländern zu festigen. Anderseits muß man aber feststellen, daß auf diesem Kontinent, der doch erste Schritte eines Wirtschaftswachstums erlebt, noch umfangreiche soziale Reformen erforderlich sind, um Elend und Ungerechtigkeit - wahre Krebsgeschwüre - zu entfernen. Diese geben unter anderem Anlaß zu Phänomenen wie dem Drogenhandel oder der Kriminalität, die ebenso zerstörerisch sind wie die Guerilla von gestern. Asien und der Pazifik werden sich mehr und mehr ihrer Besonderheit sowie ihres menschlichen und wirtschaftlichen Potentials bewußt. Das ist etwas Gutes. Doch um friedenstiftend und friedenserhaltend zu wirken, sollte die Zusammenarbeit, die sich vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet entfaltet, ebenso zu einer Solidarität werden, die der unermeßlichen Verschiedenheit der Länder, ihrer Sprachen, ihrer Bevölkerungen, ihrer Kulturen und Religionen Rechnung trägt, damit das materielle Wachstum niemals auf Kosten der Rechte der menschlichen Person und deren berechtigten Bestrebungen erfolgt. Im weiten Raum unserer Erde gilt meine Aufmerksamkeit in diesem Augenblick den Völkern von Sri Lanka und Ost-Timor, die weiter Opfer aufreibender Wirren sind. Ich vergesse auch nicht die großen Völker Chinas und Vietnams, die sich in einer weitgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Emeuerungsphase befinden. Ich denke besonders an die Gläubigen der katholischen Kirche, die in diesen Ländern leben und für sie einen hochherzigen Beitrag leisten; leider erfreuen sie sich noch nicht zufriedenstellender Bedingungen für die volle Ausübung ihres Glaubens. 7. In der miteinander verflochtenen Welt von heute zwingt längst ein ganzes Netzwerk von wechselseitigen Beziehungen die Nationen, zusammenzuleben, ob sie wollen oder nicht. Doch gilt es, vom Zusammenleben zur Partnerschaft überzugehen. Isolierung ist nicht mehr am Platz. 590 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Insbesondere das Embargo - von Rechtspositionen klar umschrieben - ist ein Mittel, das man mit großer Umsicht anwenden sollte. Es muß strengen juridischen und ethischen Kriterien unterliegen. Es bildet ein Druckmittel, um Regierungen, die den internationalen „Kodex des Wohl Verhaltens“ gebrochen haben, zur Überprüfung ihrer Entscheidungen zu veranlassen. Aber auch das Embargo ist in einem gewissen Sinn ein Akt der Gewalt. Und wie einige aktuelle Fälle zeigen, legt es den Bevölkerungen der betroffenen Länder schwerwiegende Einschränkungen auf. Oft erreichen mich Hilfsgesuche von Menschen, die der Isolierung und der Armut preisgegeben sind. Ich möchte mich hier an die Diplomaten wenden, zu denen Sie gehören: Es ist vor der Verhängung solcher Maßnahmen immer zwingend erforderlich, die humanitären Folgen der Sanktionen zu bedenken; ferner sollte die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gegenüber dem Übel, das man abschaffen will, gewahrt werden. 8. Solche Gedanken sind keine Utopie, denn wir kennen glücklicherweise Situationen, wo sich die internationale Gemeinschaft als weitblickend und wirksam erwiesen hat. Ich möchte diese Gelegenheit ergreifen, um besonders alle zu ermutigen, die mit dem Friedensprozeß im Nahen Osten befaßt sind. Hier liegt der Beweis vor, daß sich der Verlauf der Geschichte ändern kann, wenn man miteinander spricht. Wir wissen zwar, daß im Heiligen Land, wo Jesus vor fast zweitausend Jahren geboren wurde, die Gegensätze und Ausgrenzungen weitergehen. Das palästinensische Volk wartet immer noch darauf, seine Bestrebungen voll erfüllt zu sehen. Auch der Libanon hat noch nicht seine volle Souveränität zurückgewonnen. Aber sehen wir darin kein unabwendbares Schicksal. Es wird nie an mutigen Männern fehlen, die bereit sind, einander zu achten und anzuhören. Sie werden auch fähig sein, geeignete Wege zum Aufbau von Gesellschaften zu finden, wo ein jeder für die anderen unverzichtbar ist, wo die Unterschiede vor allem als Reichtum anerkannt werden. Frieden wird nicht mit blutigen Lettern geschrieben, sondern mit Intelligenz und Herz! Südafrika zeigt es uns. Dieses große Land hat es verstanden, in reifer Weise die Herausforderung vielrassiger Wahlen zu meistern; es gibt vielen anderen Nationen in Afrika und anderswo ein Beispiel, indem es dem Geist der Versöhnung und des Kompromisses den Vorrang gibt vor den Verwirrungen, die unvermeidlich mit dem Schock des Übergangs verbunden sind. Die Feuereinstellung in Nordirland, gefolgt von Verhandlungen zwischen Vertretern beider Gruppen, die sich seit Jahrzehnten feindlich gegenüberstehen, stellt ebenfalls eine glückliche Entwicklung dar. Ich möchte die betreffenden Parteien ermutigen, aufrichtig eine politische Lösung zu suchen, die sich nur auf gegenseitiges Verzeihen und gegenseitige Achtung gründen kann. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Wenn schon Krieg und Gewaltanwendung leider ansteckend wirken, dann gilt das auch für den Frieden. Geben wir ihm alle Chancen! Angesichts der Auflösung von Gesellschaften, die früher in freier Übereinstimmung oder mit Gewalt zusammenhielten, angesichts gewalttäti- 591 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ger Nationalismen, angesichts eingestandener oder verhüllter Versuche der Vorherrschaft sollten die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft einmütig dahin wirken, daß am Ende die Kräfte der Mäßigung und der Brüderlichkeit triumphieren, die den Weg zum Dialog und zur Einigung öffnen. 9. In einigen Monaten werden wir den 50. Jahrestag der Gründung der Organisation der Vereinten Nationen begehen: Wie sollten wir nicht wünschen, daß sie immer mehr das vordringliche Instrument für die Förderung und Erhaltung des Friedens wird? In den letzten Jahren hat sie vielfältige Maßnahmen ergriffen, um den Frieden zu erhalten; sie hat ferner eingegriffen, um einen Übergang zur Demokratie in Staaten zu erleichtern, die auf das Einparteiensystem verzichtet haben. Sie hat ferner Gerichtshöfe geschaffen, um die eventuell für Kriegsverbrechen Verantwortlichen zu richten. Es hat hier bezeichnende Entwicklungen gegeben, die uns zu dem Wunsch veranlassen, die Organisation möchte sich unablässig bessere und wirksamere Instrumente verschaffen, die ihre Bestrebungen unterstützen können. Im Grunde zeigen die Leistungen einer Organisation wie der UNO gut, daß die Achtung vor den Menschenrechten, die Forderung nach Demokratie und die Einhaltung der Gesetze die Grundlagen bilden, auf denen eine äußerst komplizierte Welt aufruhen muß, deren Überleben von der Rolle abhängt, die man dem Menschen als eigentlichem Ziel aller Politik zugesteht. 10. In diesem Geist hat der Hl. Stuhl bei der kürzlich abgehaltenen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung gewirkt, die im September 1994 in Kairo stattfand. Angesichts des Versuchs, die menschliche Persönlichkeit und ihre Motivationen auf einem so wichtigen Gebiet, wie es das Leben und die menschliche Solidarität sind, einzuschränken, hielt es der Hl. Stuhl für seine Pflicht, die Verantwortungsträger der Nationen an ihre Verpflichtung zu erinnern und ihnen die Gefahr für die gesamte Menschheit bewußt zu machen, wenn ihr die Sicht der Dinge und der Lebensstil einer Minderheit aufgezwungen werden. Der Hl. Stuhl glaubt, auf diese Weise den Menschen verteidigt zu haben. Gestatten Sie mir, hier die unvergeßlichen Worte meines Vorgängers Papst Paul VI. in seiner Weihnachtsbotschaft vom 25. Dezember 1973 zu zitieren: „Wehe dem, der ... (den Menschen) in Frage stellt. Er wird als heiliges Wesen zum Leben geboren, vom Mutterschoß an. Immer wird er im Besitze des gefährlichen doch göttlichen Vorrechts der Freiheit geboren, die entwicklungsfähig doch unantastbar ist. Er wird geboren als Person, sich selbst genügend; zugleich aber ist er seinem Wesen nach auf soziale Ergänzung angelegt. Er wird geboren zum Denken und Wollen, auf das Gute hin ausgerichtet, ist aber zugleich des Irrtums und der Sünde fähig. Er wird geboren für die Wahrheit, für die Liebe.“ Diese Ausführungen und dieses Zeugnis haben viele Teilnehmer an der Konferenz von Kairo vom Hl. Stuhl erwartet. Das ist im übrigen ja auch der Grund seines Daseins im Kreise der Gemeinschaft der Nationen: die Stimme zu sein, auf die das 592 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschliche Gewissen wartet, ohne deswegen den Beitrag anderer religiöser Traditionen zu schmälern. Als geistliche und universale Autorität wird der Apostolische Stuhl der Menschheit weiter diesen Dienst leisten ohne ein anderes Anliegen, als unablässig auf die Erfordernisse des Gemeinwohls, die Achtung vor der menschlichen Person und die Förderung der höchsten geistlichen Werte hinzuwei-sen. Auf dem Spiel steht die transzendente Dimension des Menschen: Diese darf nicht der Beliebigkeit der Staatsmänner oder Ideologien unterworfen werden. Im Dienst des Menschen stehen ebenso die in den Gesellschaften Verantwortlichen: Wenn ihre Mitbürger ihnen Vertrauen schenken, erwarten sie von ihnen eine unverbrüchliche Anhänglichkeit an das Gute, beharrliches Bemühen und Ehrenhaftigkeit in der Verwaltung der öffentlichen Aufträge ebenso wie die Fähigkeit zum Hören auf alle ohne jede Diskriminierung. Es gibt eine Moral im Dienst am Gemeinwesen, die nicht nur Korruption ausschließt, sondern auch Zweideutigkeiten und undurchsichtige Abmachungen. Der Hl. Stuhl möchte im Dienst dieser Erweckung des Gewissens stehen, ohne jeden irdischen Ehrgeiz, denn der kleine Staat der Vatikanstadt bietet ja nur das notwendige Minimum an Stütze für die Ausübung einer geistlichen Autorität, die unabhängig und international anerkannt ist. Ihre Anwesenheit hier, meine Damen und Herren, bezeugt, daß auch Ihre Regierungen so denken. 11. Es bleibt mir nur noch, Ihnen meine Dankbarkeit auszusprechen für die Umsicht, mit der Sie Ihre Funktionen ausüben, meine Damen und Herren, und Ihnen erneut meine herzlichen Wünsche für Sie persönlich, für Ihre Familien und die Völker zu übermitteln, die Sie vertreten. Von ganzem Herzen wünsche ich, daß wir immer besser zur Schaffung einer Atmosphäre der Brüderlichkeit und des Vertrauens unter den Menschen und Völkern Zusammenarbeiten, um eine in den Augen Gottes der Menschen würdigere Welt vorzubereiten. Möge Gott Sie und Ihre Landsleute segnen, „Er ..., der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können“ (Eph 3,20). Am Schluß seiner Ansprache an das Diplomatische Korps fügte der Papst hinzu: Jetzt bin ich noch nicht ganz zu Ende, aber teilweise. Ein grundlegender Teil ist abgeschlossen. Nun bleibt mir, Ihnen auf Wiedersehen zu sagen und Ihnen ein gutes neues Jahr zu wünschen, Ihren Familien, Ihren Heimatländern und der ganzen Welt. Herzlichen Dank! 593 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe war die Triebkraft ihres Lebens Predigt bei vier Seligsprechungen im Petersdom am 29. Januar 1. „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen (Jer 1,5). So spricht der Herr zu Jeremia und bestimmt ihn zum „Propheten für die Völker“ (,ebd.). In allgemeinerem Sinn spricht Gott so zu jedem Menschen, der zur Welt kommt: Jedes menschliche Wesen ist von ihm gedacht und gewollt durch eine unendliche Geste der Liebe, und diese Liebe „hört niemals auf (1 Kor 13,8). Das Konzil erinnert uns daran, daß der Mensch „die einzige Kreatur auf Erden ist, die um ihrer selbst willen von Gott gewollt ist“ (Gaudium et spes, Nr. 24). „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen ..." Gottes Wissen um jedes einzelne menschliche Wesen ist für dieses zugleich eine Berufung. Gott ruft den Menschen auf, ihn kennenzulemen und zu lieben und ein heiliges und untadeliges Leben in Liebe zu führen (vgl. Eph 1,4), so wie er selbst heilig und untadelig ist. In diesem gleichzeitig allumfassenden und ganz persönlichen Sinn hat der Herr die vier neuen Seligen, die ich heute mit Freuden seligspreche, schon im Mutterleib ausersehen: Raphael Guizar Valencia, Modestin von Jesus und Maria, Genovefa Torres Morales und Grimoald von der Purificatio Mariens. Jeder von ihnen entsprach in seinem Leben den Weisungen der Liebe Gottes, und jeder von ihnen hat in seinem Leben immer nach der höchsten Gnadengabe gestrebt und dabei den besten aller Wege beschritten (vgl. 1 Kor 12,31): den Weg der Liebe. Der Papst fuhr in spanisch fort: 2. Diesen Weg der Liebe ging mit sicherem Schritt der Bischof Raphael Guizar Valencia. Als Priester und Bischof wurde er zeitlebens verfolgt und befand sich oft in gefahrvollen Situationen. Viele Jahre hindurch hatte er keinen festen Wohnsitz, und doch hinderten ihn diese widrigen Umstände nicht daran, seine missionarische Tätigkeit zu entfalten gemäß dem Wort: „Ich würde mein Leben für die Rettung der Seelen hingeben“, nach dem Vorbild des Guten Hirten. Diejenigen, die ihn kennenlemten, konnten bestätigen, daß keine Macht oder Widrigkeit imstande war, ihn von seinen Bemühungen um die Evangelisierung der Menschen abzuhalten. Seine zwei Hauptaufgaben sah er in der Katechese und der Volksmission, wobei er in seinem Heimatland Mexiko, in den Vereinigten Staaten, Guatemala und Kuba tätig war. Seine Frömmigkeit gründete sich auf die Verehrung des Altarsakramentes und auf die Liebe zur Jungfrau Maria. Die Förderung der Priesterberufungen, die Spendung der Sakramente, insbesondere die Sakramente der Buße und der Ehe (wobei er viele Verbindungen in Ordnung brachte), die Predigt des Wortes Gottes sowie die unablässige Hingabe im Gebet machten aus ihm einen Mann des Glaubens und der Tat, der sich um das Seelenheil seiner Mitmenschen bemühte. 594 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In italienisch sagte der Papst: Die neue Evangelisierung, zu der die ganze Kirche wiederholt aufgerufen worden ist und bei der auch die Kirche Amerikas aktiv mitwirkt, besitzt in Menschen wie Raphael Guizar Valencia strahlende Vorbilder. Wir wollen seiner Fürsprache die apostolische Arbeit der vielen Männer und Frauen anvertrauen, die überall und in schwierigen Lebenslagen, wie sie auch dieser neue Selige erfahren hat, für das Reich Gottes wirken. 3. „Herr, mein Gott, du bist ja meine Zuversicht, meine Hoffnung von Jugend auf (Ps 71,5). Dies singt die Kirche, die stets vom Hauch des Heiligen Geistes belebt wird, und dies wiederholt heute der sei. Modestin von Jesus und Maria, ein Priester des Minoritenordens und ein einzigartiger Zeuge der Gnade Gottes, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vielen Orten in Süditalien neue Hoffnung gebracht hat. Gott, dem Vater, hat es gefallen, ihm seit seiner Kindheit die Geheimnisse des Himmelreiches zu offenbaren (vgl. Mt 11,25). So erkannte der Selige den echten Wert der Person in der hochherzigen Nachfolge des leidenden und gekreuzigten Christus, die in der Hingabe an die anderen besteht. Inmitten einer von Ausgrenzung und moralischen Leiden gezeichneten Gesellschaft wußte Pater Modestin die Erwartungen und Nöte der Schwächsten zu teilen und antwortete so auf die tiefe Sehnsucht nach Gott in denen, die nach Gerechtigkeit und Liebe verlangten. Er wurde zum Initiator der Erneuerung und zu einem lebendigen Zeichen der Hoffnung. Die Hand des Herrn war wahrhaftig über ihm und machte ihn für jede gesellschaftliche Schicht zum Werkzeug der Barmherzigkeit und des Trostes, vor allem durch das Sakrament der Versöhnung, das er eifrig und geduldig spendete. Pater Modestin war im wahren Sinne des Wortes ein „Bruder aller Menschen“: Jeder konnte sich auf ihn verlassen, fand bei ihm ein offenes Ohr, Aufnahme und Verständnis. Diese Liebe begleitete ihn bis hin zur Selbstaufopferung, als er nicht zögerte, sich in Lebensgefahr zu begeben, um seine von der Cholera heimgesuchten Brüder zu pflegen. Er teilte auch wirklich ihr Schicksal bis zuletzt, denn er starb bei diesem Liebesdienst. Der Papst fuhr in spanisch fort: 4. „Erschrick nicht“ - so haben wir es gerade eben in der ersten Lesung des Wortgottesdienstes gehört. - „Ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernen Mauer ... ich bin mit dir, um dich zu retten“ (.Jer 1,17-19). Dem Propheten wird eine besondere göttliche Hilfe versprochen, die ihn in die Lage versetzt, allen Widrigkeiten zu trotzen, um den Plan Gottes auszuführen. Bei der neuen Seligen Genovefa Torres Morales sind diese Worte Wirklichkeit geworden. Sie bewies eine geradezu heldenhafte Stärke, nicht nur bei ihrer weltlichen Tätigkeit, sondern auch in ihrer apostolischen Arbeit. In jungen Jahren war ihr ein Bein amputiert worden, und dies zwang sie, ständig auf Krük- 595 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ken zu gehen, hinderte sie aber nicht daran, den Willen Gottes zu erkennen und mit Beständigkeit zu befolgen. Sie war eine sehr bescheidene Frau sowohl ihrer Herkunft als auch ihrer Erziehung nach, besaß aber ein tiefes Wissen um die göttliche Liebe, das sie sich durch ihre große Verehrung des Herzens Jesu angeeignet hatte. Sie pflegte den Spruch zu wiederholen: „Die Liebe besiegt alles.“ Diese Liebe bewegte sie dazu, ihr Leben dem Dienst an alten Frauen zu widmen, um die Not und das Elend zu lindem, in dem sich viele von ihnen befanden. Sie stand ihnen in materieller und geistiger Hinsicht bei, gab ihnen ein regelrechtes Zuhause und blieb an ihrer Seite als „Engel der Einsamkeit“. Zu diesem Zweck gründete sie in Valencia die Gemeinschaft der Schwestern vom Heiligen Herzen Jesu und von den Heiligen Engeln. Ihre Arbeit bleibt bis heute hochaktuell, insofern als Einsamkeit und durch Verlassenheit bedingte Verwahrlosung mit den daraus folgenden Gefahren zu den größten Übeln aller Epochen gehören. Die sei. Genovefa Torres fühlte sich dazu berufen, diese Probleme anzugehen und zu bewältigen. Wir bitten sie, sie möge noch mehr großzügige Seelen dazu bringen, getreu dem Charisma, das sie vom Heiligen Geist empfing, ihrem Vorbild zu folgen und ihr Werk fortzuführen. Zur italienischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: 5. „... dir gilt mein Lobpreis allezeit“ (Ps 71,6). Dies bezeugt vor der ganzen Welt der sei. Grimoald von der Purificatio Mariens, mit bürgerlichem Namen Ferdinand Santamaria. Er trat in den Passionistenorden ein und orientierte sein kurzes Leben beständig an Weisungen, die auch für uns heutige Menschen von Bedeutung sind: Gott immer an die erste Stelle setzen; dem gekreuzigten Christus immerfort danken durch konkrete Werke der Buße und Demut; im Guten beharren, auch wenn dies mit großen Opfern verbunden ist; ein schlichtes und bescheidenes Leben führen; immer für die anderen dasein. Dem Charisma der Passionisten entsprechend, empfand er es als seine Aufgabe, in sich selbst die Leiden Christi zu ergänzen zugunsten des ganzen mystischen Leibes (vgl. Kol 1,24). Sein Wahlspruch war: „Ich denke immer an Jesus auf dem Kreuzweg und an seine heiligste Mutter, die dem Herrn auf diesem Weg folgte. Ihre Leiden will ich auf mich nehmen.“ Die Biographen stellen Grimoald als einen stets heiteren Mann dar, der trotz Demütigungen, Schwierigkeiten beim Studium und anderer Widrigkeiten nie seinen Frohsinn verlor. Seine Mitbrüder bemerkten, daß Grimoald, auch wenn er das gleiche tat wie sie, es aber mit einzigartiger und immer größerer Liebe tat. In ihm können die Jugendlichen von heute und morgen ein Vorbild schlichter und großzügiger Spiritualität erkennen, die fest im österlichen Geheimnis Christi verankert ist. 6. „Ich preise dich, Vater, ... weil du den Unmündigen die Geheimnisse des Himmels offenbart hast.“ 596 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder und Schwestern! Die heutige Feier treibt uns dazu, unsere Gedanken in Dankbarkeit zum Herrn zu erheben. Er hört nicht auf, den „Unmündigen“ die Geheimnisse seiner Liebe zu offenbaren. Er ist die Quelle der wahren Lebensweisheit, der starke Halt für jedes unvergängliche menschliche Vorhaben. Die Kirche preist in der Eucharistie den Herrn, der alles „mit Weisheit und Liebe erschaffen hat. Er kommt allen entgegen, damit die Suchenden ihn finden können. Die Kirche preist ihn und dankt ihm vor allem, weil er „seinen einzigen Sohn als Retter“ in die Welt gesandt hat und „als erste Gabe für alle, die glauben, den Heiligen Geist, der alle Heiligung vollendet“ {TVHochgebet). Alle Heiligen und Seligen, vor allem jene, die wir heute den Gläubigen zur Verehrung vorstellen, legen für diese ewige Wahrheit Zeugnis ab: Sie verkünden die Treue Gottes und bezeugen seine Liebe als Quell des Lebens und der Heiligkeit. 7. „Gepriesen bist du, Vater.“ Das sagen auch wir, liebe Brüder und Schwestern, vereint mit Bischof Raphael Guizar Valencia, mit Modestin von Jesus und Maria, Priester des Minoritenordens, mit Genovefa Torres Morales, Stifterin der Kongregation der Schwestern vom Heiligen Herzen Jesu und den Heiligen Engeln, und mit Grimoald von der Purificatio Mariens aus der Kongregation der Passionisten. Wir beten, damit auch wir Gott mit ganzer Seele anbeten und unsere Brüder in der Liebe Christi lieben können (vgl. Gabengebet). Denn dies ist der Weg der Heiligkeit: der Weg der Liebe, der göttlichen Liebe: sie „erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.“ Diese Liebe „hört niemals auf* (1 Kor 13,7-8). Herr, hilf uns erkennen, daß diese drei bleiben: „Glaube, Hoffnung, Liebe; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (i Kor 13,13). Vater, offenbare uns die Geheimnisse deines Reiches! Christus, schenke uns deine Liebe durch die Kraft des Heiligen Geistes! Amen! Nach der Predigt sagte der Papst aus dem Stehgreif folgendes: Meine Lieben, ich kann nicht schließen, ohne noch einmal zwei Wochen zurückzudenken. Es war Sonntag, wie heute. Vor zwei Wochen wurde in Manila der Weltjugendtag gefeiert. Es war ein einmaliges Erlebnis. Wir wollen hoffen, daß dieses Erlebnis bei den Jugendlichen aus den verschiedenen Teilen der Welt noch seine Fortsetzung finde. Ich kann nur Gott und dem Herrn danken für dieses Erlebnis - daß ich mit meinen Brüdern und Schwestern in den Philippinen, in Manila, Zusammensein durfte und auch mit meinen jungen Freunden. Und wie sollte sich nicht dem Herrn danken für die Seligsprechungen, die dann nach Manila noch stattfanden: In Port Moresby in Papua-Neuguinea war ein Katechist, Peter To Rot, der erste Selige dieses Missionslandes; dann in Australien, in Sydney, war die sei. Mary Mac Killops die erste Selige des großen Kontinents Australien; und in Sri Lanka war der sei. Pater Joseph Vaz der erste Selige dieser Insel und dieser so reichen und so tief religiösen Kultur. 597 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute, hier im Petersdom, möchte ich an sie erinnern und diese drei neuen Seligen, die ersten Zeugen ihrer Länder, ihrer Kirchen, in unseren Gesang einfügen, um das Lob Gottes zu sinden bis an die Enden der Erde. Nicht nur hier in Rom, am Grab des hl. Petrus, sondern bis an die Enden der Erde, bis dorthin, wo man so sehr auf die Seligsprechung der ersten Zeugen von Papua-Neuguinea, Australien und Sri Lanka gewartet hat. Setzen wir zusammen mit ihnen unser Gotteslob fort. Es ist durch die Jahrhunderte, die Völker und Generationen hin die Quelle aller Heiligkeit, und mit diesen Heiligen und Seligen läßt es uns die große Gemeinschaft der Heiligen leben, die unsere Zukunft in der Kirche ist. Amen. Gelobt sei Jesus Christus! Das Vorbild der neuen Seligen nachahmen Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilger zur Seligsprechung am 30. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Herr schenkt uns die Freude, heute in einer familiären Atmosphäre die gestrige Begegnung fortzuführen, um die vier neuen Seligen zu ehren: Raphael Guizar Valencia, Modestino von Jesus und Maria, Genoveva Torres Morales und Grimoaldo della Purificazione Santamaria. Von Herzen grüße ich euch erneut, die ihr aus diesem frohen Anlaß aus Mexiko, Spanien, Italien und anderen Orten gekommen seid, wo das Zeugnis der neuen Seligen eine unauslöschliche Spur hinterlassen hat. Das gesamte Volk Gottes ist nunmehr eingeladen, ihr Beispiel zu bewundern und ihm nachzueifem. In spanisch sagte der Papst: 2. Liebe Brüder und Schwestern! Viele von euch sind in Begleitung einer mehrköpfigen Gruppe von Bischöfen aus Mexiko zum Stuhl Petri gekommen, um voll Verehrung und Freude an der Seligsprechung von Raphael Guizar Valencia teilzunehmen, der 18 Jahre lang Oberhirte der Diözese Veracruz war, aber während der Hälfte der Zeit gezwungen war, außerhalb des Landes oder im Versteck zu leben. Der neue Selige verwirklichte in seiner Persönlichkeit die Verbindung eines tiefen, geistlichen Lebens, das von seiner starken Liebe zur Eucharistie und von der herzlichen und kindlichen Verehrung zur Jungfrau Maria gekennzeichnet war, und einer außerordentlichen apostolischen Fruchtbarkeit. In der Tat war es sein größtes Bestreben, Apostel zu sein. Entgegen anderen Sorgen und weil sein Besuch eine große Mission sein sollte, predigte er an allen Orten, in die er kam, die christliche Lehre, indem er sich eines einfachen Katechismus bediente, den er selbst zusammengestellt hatte. Sein Leben 598 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zeigt uns sehr gut, wie die Predigt nicht nur mit den Lippen, sondern hauptsächlich durch das Zeugnis der eigenen Arbeit durchzufiihren ist. Sein Leben und seine Botschaft sind von einleuchtender Aktualität. Das geistliche Erbe, das Raphael Gufzar der Kirche hinterlassen hat, ist das Zeugnis einer erhabenen Hingabe an die Evangelisierung. An ihm können sich alle Mitarbeiter in der Pastoral inspirieren. Seine Erhebung zur Ehre der Altäre stellt für die ganze Kirche, besonders in Lateinamerika und vor allem für die geliebten Söhne und Töchter von Mexiko, einen Grund zu Ansporn und neuen Impulsen dar, damit sie fortfahren, den Männern und Frauen unserer Zeit die befreiende Botschaft des Evangeliums zu bringen. 3. Eindrucksvoll und bewegend ist die Gestalt der neuen spanischen Seligen Ge-novefa Torres Morales, bekannt als der ,Engel der Einsamkeit“. Geboren wurde sie in Almenara (Castellön). Nach außen hin überströmend von Freude, war ihr Leben dennoch ständiges Kreuz und Martyrium. Die Amputation eines Beines im Alter von 13 Jahren machte sie zu einer Behinderten, so daß sie sich ihr ganzes Leben lang auf Krücken stützen mußte. Während sie lebenslang an der offenen Wunde litt, ertrug sie außer diesen Leiden noch andere geistlicher Natur und konnte mit dem Apostel Paulus sprechen: „... ich trage die Zeichen Jesu an meinem Leib“ (Gal 6,17). Von tiefem Glauben, Opfergeist und brennender Nächstenliebe beseelt, unternahm sie unter Anleitung und auf Rat verschiedener geistlicher Führer die notwendigen Schritte, um in Valencia die Kongregation der Töchter vom Heiligen Herzen und von den Heiligen Engeln zu gründen, die dann endgültig ihren Sitz in der Nähe des Heiligtums von Saragossa erhielten. Der Heilige Geist, der handelt, indem er in den verschiedenen Zeiten und Augenblicken Personen für eine bestimmte Sendung erweckt, berief Genovefa Torres zu einer auch in unseren Tagen dringenden und prophetischen Aufgabe: der Einsamkeit und Verlassenheit derer abzuhelfen, die durch vielfältige Lebensumstände ohne Familie und ohne Heimat waren. Das Leben der neuen Seligen ist ganz besonders lehrreich für alle Menschen mit körperlicher Behinderung. Mutter Genovefa zeigt, daß die Körperbehinderung kein Hindernis ist, sich als Persönlichkeit zu verwirklichen und die christliche Berufung und Sendung in Fülle zu leben. Zur italienischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: 4. Der Heilige Geist hat Modestin von Jesus und Maria zu einem Apostel des armen und einfachen Volkes gemacht. Jeder konnte auf ihn zählen und bei ihm Gehör, Aufnahme und Teilnahme finden. Er machte sich ,klein“ um des Himmelreiches willen, und er wurde eine lebendige und ansprechende „Verheißung“ der Liebe Gottes, ein Zeuge und Erbauer der Freude und Hoffnung für die Kranken, die Gefangenen, die Sünder, die Ausgegrenzten, die Entrechteten und Unterdrückten. 599 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sein Tod, hervorgerufen durch die Cholera, die er sich bei der Pflege der kranken Brüder zugezogen hatte, war die Besiegelung eines Lebens, das er ganz nach dem Vorbild von Jesus und Maria zur Ehre und zum Ruhm Gottes des Vaters hingegeben hatte. Während ich dem Herrn für das Zeugnis danke, das er uns hinterlassen hat, laßt uns beten, damit wir seiner Lehre und seinem konkreten Beispiel der Liebe zu Gott und zum Nächsten folgen. 5. Ein weiterer Seliger hat gestern das Firmament der Heiligkeit in der Kirche bereichert: Grimoald von der Purificatio Mariens, mit weltlichem Namen Ferdinando Santamaria. Seine Gestalt steht neben der des hl. Gabriel von der Schmerzhaften Muttergottes und trifft zusammen mit der Dreihundertjahrfeier des Geburtstags des hl. Paul vom Kreuz, des Gründers der Passionisten. Von klein auf bewies Grimoald eine besondere religiöse Empfänglichkeit, einen ausgeprägten Gebets- und Opfergeist. Sein Leben war gezeichnet von Widerwärtigkeiten und Demütigungen, die jedoch für ihn Grund zur Freude waren, denn er war immer heiter, erfüllt von Liebe zu Gott und zur seligsten Jungfrau und wollte sich insbesondere mit dem Leiden Christi vereinen. Eine unerwartete schwere Krankheit führte, als er noch nicht zwanzig Jahre alt war, zu seinem Tod. Möge das Beispiel dieses jungen Menschen besonders für seine Altergenossen von heute ein Ansporn sein, Jesus, unserm Herrn, rückhaltlos zu folgen. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Diese vier Seligen reihen sich in die große Schar derer ein, die ich zu meiner Freude im Laufe meines Pontifkats zur Ehre der Altäre erheben konnte. Sie verkünden der ganzen Welt, daß Christus der Erlöser des Menschen ist; er ist seine Wahrheit, seine Seligkeit, seine Fülle. Ahmen wir sie nach! Sie haben das Evangelium in ihrem Leben zu verkörpern gewußt, indem sie es in Lobpreis an die Liebe Gottes verwandelten. Die Liebe, die niemals aufhört. Bei dem Bemühen um die Heiligung des Alltags stärke euch, meine Lieben, auch der Apostolische Segen, den ich jedem von euch, euren Familien und euren kirchlichen Gemeinschaften von Herzen erteile. Das gottgeweihte Lehen ist ein Segen für die Kirche Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 1. „Lumen ad revelationem gentium“ - „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32). Die Liturgie der Darstellung des Herrn hat eine besondere Bedeutung: Vierzig Tage nach der Geburt Jesu spricht sie ein letztes Wort von der Freude des Weih- 600 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nachtsereignisses, lädt aber bereits dazu ein, den Blick auf die bevorstehende Fasten und Osterzeit zu richten. Zur heutigen Feier im Petersdom wurden - wie jedes Jahr - die in Rom ansässigen Mitglieder der Ordensgemeinschaften und der Säkularinstitute eingeladen. Ich heiße euch, liebe Brüder und Schwestern, herzlich willkommen. Eure Anwesenheit ist stellvertretend für alle Ordensleute und Mitglieder von Säkularinstituten auf der ganzen Welt. Sie bringt besonders die Bischofssynode vom letzten Herbst in Erinnerung, die die Reflexion über das gottgeweihte Leben in den Mittelpunkt der Kirche gerückt hat. Wir wollen heute dafür beten, daß diese Synode für alle Ordensgemeinschaften Früchte eines vertieften Bewußtseins der besonderen, ihnen eigenen Berufung bringen möge. Das Licht, das die heutige Liturgie kennzeichnet, möge ein Zeichen des inneren Lichts sein, das die Herzen der jungen Menschen durchdringt und ihnen den Weg der evangelischen Räte zeigt, die Jesus allen anbietet, die ihm nachfolgen und ihm ihr Leben weihen wollen. 2. Wenn wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Schriftlesungen richten, so stellen wir darin gewissermaßen drei Dimensionen fest: die Dimension des Tempels, die des Opfers und die der Prophetie. Der Tempel. Im Buch des Propheten Maleachi steht zu lesen:„Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht“ (Mal 3,1). Diese Worte erläutern den besonderen Augenblick, in dem Maria und Josef den kleinen Jesus zum Tempel brachten, um ihn dem Herrn zu weihen, wie es das mosaische Gesetz vorschrieb. Die Ankunft von zwei einfachen Leuten aus dem nahen Städtchen Betlehem wäre sicherlich unbeachtet geblieben, wenn das Wirken des Heiligen Geistes Simeon und Hanna nicht für die Gegenwart des Messias empfindsam gemacht hätte. Was war der Tempel in Jerusalem? Zur Zeit König Salomos erbaut, zerstört und dann nach dem Babylonischen Exil wiederaufgebaut, schließlich von Herodes dem Großen neu errichtet, sollte der Tempel das Ende der langen Wanderschaft Israels aus der ägyptischen Sklaverei in das Gelobte Land versinnbildlichen. In Ägypten hatte Gott in die Geschichte Israels eingegriffen. Das jüdische Volk, auf wunderbare Weise aus der Sklaverei befreit, hatte unter der Führung Moses die lange Reise durch die Wüste angetreten, eine Reise, die vierzig Jahre dauern sollte. Während dieser Wanderschaft hatte es das Gesetz Gottes erhalten, die auf steinerne Tafeln geschriebenen Zehn Gebote. Diese Tafeln wurden das Heiligste, was Israel besaß. Sie waren in einem Zelt aufbewahrt, das zunächst während der Wanderschaft von einem Ort zum anderen mitgenommen und dann nach Überquerung des Jordan ins Gelobte Land gebracht wurde. Die Tafeln des Bundes blieben noch lange in dem Zelt, da viele Jahre vergingen, bevor der Gedanke des Baus eines Tempels reifte, in dessen Allerheiligstem dieses heilige Zeichen aufbewahrt werden sollte. 601 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für Israel bedeutete der Tempel in Jerusalem in gewisser Weise die Erfüllung des von Gott erhaltenen Versprechens, blieb aber gleichzeitig Ort der Erwartung. Tatsächlich ist das ganze Alte Testament von der Erwartung des Messias durchdrungen, und der Tempel in Jerusalem war ein besonderes Zeichen, fast ein symbolischer Ort dieser Erwartung. Viele stellten sich die Frage: Wann wird der Tag kommen, an dem Gott seinen Messias senden und ihm erlauben wird, die Schwelle des Tempels zu überschreiten? Dieser Tag ist nun gekommen, allerdings anders als Israel es sich vorstellte. Außer Simeon und Hanna ist niemandem bewußt geworden, daß in der Person eines kleinen Kindes, von den Eltern auf den Armen getragen, der Messias bereits die Schwelle des Tempels der Heiligen Stadt überschritten hat. Der Herr, den Israel erwartete, der Bote des Bundes, den es herbeiwünschte, ist in seinen Tempel gekommen. Das Ereignis wird im Antwortpsalm der heutigen Liturgie auf feierliche, triumphale Weise besungen: „Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch, ihr uralten Pforten“ (Ps 24,7). Denn das ist der Höhepunkt der Geschichte des Tempels in Jerusalem. 3. Die zweite Dimension der Liturgie von heute ist das Opfer. Maria und Josef kommen zum Tempel, um nach den Vorschriften des mosaischen Gesetzes Gott ein Opfer darzubringen. Sie sind arm, und da sie nicht mehr geben können, opfern sie zwei junge Tauben. Der Tempel war der Ort, wo die Opfergaben dargebracht wurden. Im Jerusalemer Tempel fanden zumeist Blutopfer statt. Doch mußten sich alle auf den Augenblick vorbereiten, in dem der Erlöser in den Tempel hineingehen würde: nicht mehr mit dem Blut von Tieren, sondern mit dem eigenen Blut. Nicht in einen von Menschenhand erbauten Tempel, sondern in einen ewigen. In den Tempel, wo der Sohn sich selbst dem Vater als vollkommenes und ewiges Opfer darbringt (vgl. Hebr 9,24-25). Die heutigen Schriftlesungen verkünden diesen ,Augenblick“. Im Hebräerbrief steht geschrieben, daß der Messias „ein barmherziger und treuer Hohepriester vor Gott wurde, „um die Sünden des Volkes zu sühnen“ (Hebr 2,17), „um durch seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel“ (Hebr 2,14). Indem er selbst leidet, kommt er so denen zu Hilfe, die Prüfungen ausgesetzt sind. Der Verfasser des Hebräerbriefs schreibt: „der Nachkommen Abrahams nimmt er sich an“ (Hebr 2,16). Alle, die am Glauben Abrahams teilhaben, werden auf diese Weise in das Opfer jenes Jesus von Nazaret einbezogen, der heute zum ersten Mal die Schwelle des Tempels in Jerusalem überschreitet. 4. Die dritte Dimension ist die Prophetie. Die Liturgie des heutigen Festes ist von einem tiefen prophetischen Hauch durchdrungen. Gott spricht durch jedes Element dieser Liturgie: Er spricht durch den Tempel in Jerusalem, durch das von Maria und Josef dargebrachte Opfer; er spricht schließlich durch den Mund Simeons, 602 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eines rechtschaffenen und frommen Mannes, der auf die Rettung Israels wartete. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe (vgl. Lk 2,25-26). Gott spricht auch durch die „Prophetin“ Hanna, Tochter Penuels, Witwe und in vorgerücktem Alter, welche dieselbe Erwartung des Messias teilte (vgl. Lk 2,36-38). Was Simeon bei dieser Gelegenheit sagt, gibt auch die Gefühle der alten Frau wieder. Die inspirierten Worte des Simeon haben sich tief in das Gedächtnis der Kirche eingeprägt. Wir wiederholen sie jeden Tag im Stundengebet bei der Komplet: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,29-32). Simeon spricht diese Worte, aber es ist richtiger zu sagen, daß der Heilige Geist sie durch seinen Mund spricht. Und Simeon findet in den Worten des Geistes die Erfüllung der Erwartung seines ganzen Lebens: Er sieht endlich den Messias! Er sieht ihn an der Schwelle seines Messiaslebens, als er noch ein Kind, gerade erst vierzig Tage alt, ist. Der Geist, der Simeon diese Worte eingibt, erlaubt ihm, die Zukunft dieses Kindes vorauszusehen. Denn Simeon spricht Maria von der Zukunft des Sohnes, wenn er prophezeit: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34-35). Diese Worte, gerade vierzig Tage nach der Geburt Jesu ausgesprochen, führen uns zusammen mit Maria schon unter das Kreuz, an den Höhepunkt der messianischen Sendung ihres Sohnes. Ja, in einem gewissen Sinn gehen sie darüber hinaus. Ist es etwa nicht wahr, daß Jesus Christus im Laufe der Jahrhunderte für viele ein „Zeichen, dem widersprochen wird“, geblieben ist? 5. Liebe Brüder und Schwestern! Ich freue mich, mit euch das Geheimnis des heutigen Festes betrachten zu können, das zugleich Freuden- und Leidensgeheimnis ist. Ich möchte hier zurückkehren zu dem, was ich am Anfang sagte. Bei der Bischofssynode des vergangenen Herbstes wurde das gottgeweihte Leben in den Mittelpunkt der Kirche gerückt. Es stellt eine Verwirklichung des Evangeliums dar, in der Christus besonders gegenwärtig ist. Das gottgeweihte Leben bringt durch die evangelischen Räte über Jahrhunderte und Generationen seine Früchte im Leben der Kirche. Es ist auf einzigartige Weise fruchtbar. Die Synode hat uns bewußt gemacht, was für ein großer Segen für die Kirche das gottgeweihte Leben ist, jene besondere Weihe, durch die ein Mensch - Mann oder Frau - sich vorbehaltslos Christus, dem Meister, Erlöser und Bräutigam, hingibt. All dies betrachtend, wollen wir heute inständig für die Erneuerung des Ordenslebens in der Kirche beten; für zahlreiche und vielfältige Ordensberufungen. Sie entspringen tiefer dem Geist 603 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Evangeliums und dienen vollkommener dem Werk des Evangeliums. Rom ist besonders reich an männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften. Von dieser Stadt gehen wie von einem Zentrum starke Impulse für die Vitalität der Orden und religiösen Kongregationen aus. Zugleich kehrt nach Rom der Widerhall der großen und vielfältigen Sendung zurück, die die gottgeweihten Menschen und die Ordensgemeinschaften in der ganzen Welt erfüllen. Es geschieht wie bei den Säern, von denen der Psalm spricht: Sie gehen hin, manchmal unter Leiden und Tränen, und kommen dann aber mit der Freude über eine reiche Ernte wieder (vgl. Ps 126,5-6). Das Licht des Evangeliums, das sich in der heutigen Liturgie so klar zeigt, leuchtet im Tempel in lerusalem über dem vor kurzem geborenen Erlöser. Dieses Licht möge euch, liebe Brüder und Schwestern, immer begleiten, damit im Bereich eurer Berufung „die Gedanken vieler Menschen offenbar werden“ und so das Reich Gottes überall auf der Welt wachse! Der Orden der Barmherzigen Brüder feiert Jubiläum Brief an Fiorenzo Kardinal Angelini und den Generalprior Fra Pascual Piles vom 2. Februar An Unseren geliebten Bruder Fiorenzo Angelini, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst Der Hospitalorden, auch bekannt unter dem Namen „Orden der Barmherzigen Brüder“ (in Italien: „Ordine dei Fatebenefratelli“) begeht am 8. März die Fünfhundertjahrfeier der Geburt seines Gründers, des hl. lohannes von Gott, welcher, der Lehre seines göttlichen Meisters Folge leistend und vom Heiligen Geist angeregt, zum lünger des Evangeliums vom Leiden wurde. Er nahm sich derer an, die an Leib und Geist von Krankheiten heimgesucht waren und widmete sich ihnen nach dem Beispiel Christi mit ganzer Hingabe. Seinen Mitbrüdem hinterließ er diese Lehre zu treuer Befolgung. Der Hospitalorden bewahrte getreu das Ideal seines Anfangs. Er trug die Wohltaten seines Wirkens hinaus in alle Welt zu den von Krankheit und Not Bedrängten, und manchmal wurden die Brüder auch selbst von den Krankheiten derer angesteckt, denen sie ihre Pflege angedeihen ließen. In Kriegs- und Aufruhrzeiten standen die Barmherzigen Brüder in heroischem Einsatz den Verwundeten bei, nicht selten bis zur Hingabe des Lebens, so daß sie als Märtyrer des ihnen anvertrauten Dienstes betrachtet wurden. Der Orden befaßte sich bevorzugt mit der Pastoral im Krankendienst. Er folgte damit dem Beispiel seines Gründers, dem es nicht nur um die Gesundheit des Leibes ging, sondern auch um das Heil der Seele, und der deshalb darum besorgt war, 604 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß die Kranken sich mit Gott und dem Nächsten versöhnten. Der apostolische Einsatz und die religiösen Verdienste dieses Ordens liegen also im Bereich des Krankendienstes, dem sich seine Mitglieder als ihrer besonderen Aufgabe widmen. Im Namen Christi erfüllen sie ihren Auftrag wie gute Samariter und suchen den Menschen in ihren Krankheiten, an denen sie heute leiden, mit neuen und den modernen Anforderungen angepaßten Methoden zu helfen. Deshalb entsprechen Wir gern den Bitten von Frater Pascual Piles, dem Generalprior dieser Ordensfamilie. Er hat, um der Gedächtnisfeier einen besonders festlichen Charakter zu geben, Uns nämlich gebeten, eine hervorragende und ausgezeichnete Persönlichkeit dazu zu entsenden. Du nun, ehrwürdiger Bruder, scheinst Uns sehr geeignet für diese Aufgabe, da Du ja schon lange Zeit in lobenswerter Weise in der Pastoral des Krankendienstes tätig bist. Du erfüllst die Aufgabe, den Kranken zu helfen und ihnen beizustehen, zum großen Nutzen aller, besonders da Du jetzt Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst bist und Uns, dessen Sorge so sehr den Kranken und Leidenden gilt, vertrittst. Mit dem ausdrücklichen Erweis Unserer brüderlichen Wertschätzung ernennen Wir Dich zum Sondergesandten bei dieser Gedenkfeier. Wir wünschen sehr, diese Feierlichkeiten mögen ein Anlaß sein, daß der Geist und das Werk des hl. Johannes von Gott mit gebührender Wertschätzung erwogen und seine Botschaft und sein Charisma überall verbreitet werden. Überbringe allen Teilnehmern an dieser Feier Unseren Gruß und auch all denen Unsere Anerkennung, die sich in vielfachem Einsatz um die Heilung der Kranken und die Linderung menschlichen Leidens bemühen. Sie alle und besonders die Mitglieder dieses Ordens mögen beim Bekämpfen jedes Übels immer durch den Beistand Christi, des Leib- und Seelenarztes, gestärkt sein. Mit diesem Wunsch für einen jeden verbinden Wir Unseren von ganzem Herzen erteilten Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 2. Februar 1995, im 17. Jahr Unseres Pontifikates. Joannes Paulus PP. II 605 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Inselrepublik Malta kann auch heute einen wichtigen Beitrag zu Dialog und Verständigung zwischen den Mittelmeervölkern leisten Ansprache beim Staatsbesuch des Präsidenten der Republik Malta, Ugo Mifsud Bonnici, am 4. Februar Herr Präsident! 1. Herzlich heiße ich Sie anläßlich Ihres ersten offiziellen Besuches willkommen, der mir Gelegenheit gibt, Ihnen persönlich und dem geliebten Volk von Malta die Achtung und Wertschätzung des Heiligen Stuhls zum Ausdruck zu bringen. Mit Hochachtung begrüße ich außerdem Ihre Frau Gemahlin und alle hochrangigen Mitglieder Ihres Gefolges. Im Herzen bewahre ich eine teure Erinnerung an meinen Pastoralbesuch in Malta vom 25. bis 27. Mai 1990. Bei jenem glücklichen Anlaß konnte ich zugleich mit der erlesenen Gastfreundschaft des maltesischen Volkes auch seinen tiefen Glauben und die Beständigkeit seiner christlichen Wurzeln persönlich erleben. Es handelt sich ja in der Tat um alte Wurzeln, die bis in die Zeit der Apostel zurückreichen. Die Botschaft des Evangeliums gelangte durch den Apostel Paulus auf die Insel, der auf der Reise nach Rom unter dramatischen Umständen dort gelandet war (vgl. Apg 27,39-44). <1> <1> Bei jener von der Vorsehung bestimmten ersten Begegnung zwischen dem Christentum und den Bewohnern der Insel haben sich diese als „ungewöhnlich freundlich“ erwiesen, wie im Bericht der Apostelgeschichte nachzulesen ist (vgl. 28,2). Aus diesem Schatz der „Menschlichkeit“, der den Sauerteig des Evangeliums zur vollen Reife gebracht hat, konnte das Volk von Malta jedesmal schöpfen, wenn es besonders schwierige Situationen zu bewältigen hatte. Die moralische Festigkeit und der Stolz auf die Ideale Ihres Volkes, Herr Präsident, lassen sich treffend symbolisieren mit der natürlichen Beschaffenheit der Insel, deren Ufer seit jeher der Gewalt der Stürme des Himmels und der Fluten des Meeres standhalten. Aus diesem reichen Erbe menschlicher und christlicher Geschichte und Zivilisation gilt es auch heute zu schöpfen, um den Widrigkeiten und Wechselfällen, die auch den Menschen unseres Jahrhunderts an der Schwelle des dritten Jahrtausends nicht erspart bleiben, mit Festigkeit zu trotzen und sie zu überwinden. Die Insel Malta besitzt eine besondere Berufung dazu, den verschiedenen am Mittelmeer gelegenen Nationen und Kulturen Gelegenheit zu gegenseitigem Kontakt und Verständigung zu bieten. Als historischer Ort der Begegnung zwischen heterogenen Zonen im Schnittpunkt der Linien, die Europa mit Afrika und dem Vorderen Orient verbinden, kann die Republik Malta auch in unserer Zeit ei- 606 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen gewichtigen Beitrag zum Dialog und zur Verständigung zwischen den Mit-telmeervölkem leisten. In einem so heiklen Augenblick wie jetzt, wo opferbereite Anstrengungen unternommen werden, um ehrenhafte und stabile Friedenslösungen im Nahen Osten und auf dem Balkan zu erreichen, wird es Malta - dessen bin ich gewiß - nicht an einem besonderen Beitrag zur Herstellung des notwendigen Klimas gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit zwischen allen betroffenen Parteien fehlen lassen. Dieser Beitrag wird um so wirksamer sein, je stärker er von den typischen Werten der nationalen Identität gekennzeichnet ist, wie sie in der lebendigen Tradition des maltesischen Volkes verkörpert sind. 3. Angesichts der Herausforderungen der Gegenwart bietet noch immer das Gut des christlichen Glaubens, welches das maltesische Volk von der Geschichte ererbt und als lebensspendend in seine Traditionen aufgenommen hat, die sichersten Bezugspunkte für angemessene und dauerhafte Lösungen. Es geht im besonderen darum, die jungen Generationen vor den falschen Illusionen einer Genuß- und Konsumkultur, wie sie häufig von den Massenmedien verbreitet wird, zu schützen. Wie ich mit Freude feststelle, sind in Malta anerkennenswerte Bemühungen im Gange, um eine gezieltere Entwicklung der Insel und eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes unter allen seinen Bürgern zu fördern. Diesem Zweck dürfen jedoch keinesfalls die moralischen und geistigen Werte geopfert werden. Maßgebender Ausdruck dieser Werte ist das hohe Ansehen, das in der maltesischen Kultur die Familie genießt. Ein klares Zeugnis von diesem Stellenwert der Familie hat kürzlich die Vertretung Maltas bei der Konferenz von Kairo gegeben. Dieser Weg muß unbedingt fortgesetzt werden, indem man die Familie vor den zahlreichen Herausforderungen unserer Zeit schützt. 4. Meiner lebhaften Anerkennung möchte ich Ausdruck geben für den glücklichen Abschluß der Verhandlungen zwischen der Regierung von Malta und dem Heiligen Stuhl, an denen die Bischöfe von Malta und Gozo immer beteiligt waren. Die fünf Unterzeichneten Abkommen haben für wichtige Fragen eine Lösung gebracht durch Anbahnung einer aktualisierten, gesunden Zusammenarbeit - unter Respektierung der je besonderen Zuständigkeiten - zwischen Staat und Kirche in Bereichen, die nicht nur Einzelpersonen und Familien, sondern die ganze Gesellschaft betreffen. Solche Bereiche sind: der Religionsunterricht und die religiöse Erziehung an den staatlichen Schulen; der Dienst, den die von der Kirche geleiteten Schulen der ganzen Gesellschaft leisten; der durch ihre Eingliederung in die Universität ermöglichte Beitrag der Katholisch-Theologischen Fakultät zur Förderung der kulturellen Identität Maltas; die Harmonisierung zwischen der zivilen Dimension des Ehestandes und jener Dimension, die nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene aus der in der Kirche vollzogenen Eheschließung herrührt; eine geeignetere Ausnutzung des Immobilienbesitzes der kirchlichen Einrichtungen. 607 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es handelt sich um Vereinbarungen, die trotz des notwendigerweise spezifischen Charakters ihrer Inhalte wesentliche Grundsätze in den Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Fragen von gemeinsamem Interesse korrekt und fruchtbar zu überdenken und anzuwenden beabsichtigen. Derartige Einigungen sollen unter anderem mögliche Spannungen, wenn nicht gar Gewissenskonflikte bei den Katholiken vermeiden und den Beitrag wertvoller Kräfte seitens der Einzelnen, der Familie, der Gruppen und des ganzen Leibes der Kirche zum Wachstum der zivilen Gemeinschaft fördern. Offen zutage liegen für alle die Vorteile, die dem demokratischen Leben eines Landes erwachsen können, wenn bei gebührender Achtung der Gewissensfreiheit jedes Bürgers dem Vorhandensein von Kräften Raum gegeben wird, die menschliche Grundwerte fördern, vor allem wenn diese gleichsam das Bindegewebe der historisch-kulturellen Identität eines Volkes ausmachen. 5. Das Klima gegenseitiger Aufmerksamkeit und Wertschätzung, das die Beziehungen zwischen der Kirche und der Regierung von Malta kennzeichnet, wird sicher zur Verfolgung dieses Zieles beitragen. Ich möchte meiner Erwartung Ausdruck geben, daß sich die jetzige Vereinbarung dadurch intensivieren läßt, daß man eine freundschaftliche Kooperation zwischen der christlichen Gemeinschaft und den zivilen Einrichtungen unter gegenseitiger Respektierung der jeweiligen Kompetenzen fördert. Indem ich Ihnen, Herr Präsident, und den verehrten Mitgliedern Ihrer Begleitung nochmals meine dankbare Genugtuung über den heutigen Besuch ausspreche, wünsche ich der ganzen Bevölkerung der Republik Malta eine Zukunft in Frieden und Wohlergehen, und während ich den ständigen Schutz der Jungfrau Maria, die den Maltesern so teuer ist, auf sie herabrufe, erteile ich allen gern meinen Segen. In solidarischem Dienst für Gerechtigkeit und Frieden Grußwort an Vertreter des Amerikanischen Jüdischen Komitees am 6. Februar Meine Damen und Herren! 1. Ich freue mich, wiederum mit dem Verwaltungsrat des Amerikanischen Jüdischen Komitees zusammenzutreffen. Ihr Besuch in Rom fällt in diesem Jahr mit dem dreizehnten Jahr seit der Veröffentlichung der Deklaration Nostra aetate durch das Zweite Vatikanische Konzil zusammen. So bietet er uns eine Gelegenheit, dankbar auf den Fortschritt zurückzuschauen, der in den Beziehungen zwischen Juden und Christen gemacht wurde, und gleichzeitig einsatzbereit, mit Vertrauen und Hoffnung den Anforderungen der Zukunft entgegenzutreten. Als Ergebnis von Dialog und Zusammenarbeit, die geduldig in einer Atmosphäre der Achtung und des guten Willens unternommen wurden, waren die letzten drei Jahrzehnte in der Tat Zeuge eines grundlegenden Wandels in den Beziehungen 608 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zwischen uns. An die Stelle der Mißverständnisse und Schwierigkeiten früherer Zeiten treten nach und nach Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung. Wer kann bestreiten, daß diese positiven Veränderungen das Werk des Allmächtigen sind, der imstande ist, alles neu zu schaffen und unseren Blick von Vergangenem abzuwenden (vgl. Zs 65,17)? 2. Wenn wir in die Zukunft blicken, sehen wir, daß es dringend notwendig für uns ist, auf den schon gelegten Fundamenten weiterzubauen. Eine unserer größten gegenseitigen Anforderungen bleibt weiterhin jene auf der Ebene des Unterrichtens und Informierens. Dort müssen die Ergebnisse unserer Zusammenarbeit letztlich angewandt werden. Wenn der Dialog zwischen Christen und Juden fruchtbar sein soll, muß er beredten Ausdruck im Leben unserer beiden Gemeinschaften finden. Und mehr noch: Wir müssen daran arbeiten, unsere gegenseitige Achtung immer deutlicher sichtbar zu machen in einer Welt, in der Stimmen der Polarisierung, der Konfrontation und Gewalt allzuoft von dem abzulenken scheinen, was ohne Lärm, aber wirksam in solidarischem Dienst für Gerechtigkeit und Frieden getan wird. 3. Jetzt, fünfzig Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, wollen wir es nicht versäumen, miteinander an die Greuel der Shoah zu denken. Als im vorigen Jahr im Vatikan das Konzert zur Erinnerung an den gegen Ihr Volk verfügten Genozid stattfand, haben wir - Juden und Katholiken zusammen - die Erfahrung gemacht, wie die harmonische Verschmelzung von verschiedenen Stimmen und Tönen uns zutiefst anrühren und ein lösender Akkord uns näher zusammenbringen kann. Die Erinnerung an die Shoah sollte uns veranlassen, uns erneut zu harmonischem Zusammenarbeiten zu verpflichten, um den in jedem nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,26.27) vorhandenen Hunger und Durst nach Gerechtigkeit zu stillen. 4. Gern rufe ich auf jeden von Ihnen und auf Ihre Familien die göttliche Gabe des Friedens herab. Möge dieses kostbare Geschenk in den Herzen aller Männer und Frauen guten Willens wohnen. Laßt uns nie aufhören, miteinander und mit anderen zu beten und zu arbeiten für den Frieden im Heiligen Land, das Juden, Christen und Muslimen in gleicher Weise teuer ist. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Shalom! 609 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Angesichts des herannahenden dritten Jahrtausends beten wir immer inständiger um die Gnade der Einheit unter den Christen Ansprache bei der Audienz für die Professoren und Studenten des Ökumenischen Instituts von Bossey bei Genf am 9. Februar Liebe Freunde! Es ist mir eine Freude, die Professoren und Studenten der akademischen Ausbildungsstätte des Ökumenischen Instituts von Bossey anläßlich eures jährlichen Rombesuches wieder willkommen zu heißen. Ich begrüße euch mit den Worten des Apostels Paulus an die ersten Christen dieser Stadt: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7). Das Thema eures Studienprogramms - „Erziehung zur Koinonia“ - erinnert an die Gemeinschaft, die alle eint, die durch Taufe und Glaube die Würde der Zugehörigkeit zum Volk Gottes teilen, dem „von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte[n] Volk“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Diese Gemeinschaft ist zuallererst ein Geschenk Gottes. Von ihrer eigentlichen Natur her verlangt sie nach sichtbarem Ausdruck; denn die sichtbare Einheit der Jünger Christi konstituiert die Kirche als das Sakrament des Heils, das lebendige Zeichen der Versöhnung und des Friedens, die durch das Blut des Kreuzes für uns erworben worden sind. Beim Letzten Abendmahl betete Christus genau für diese Einheit, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Ich habe daher die Hoffnung und bete dafür, liebe Freunde, daß Gott euch die Hilfe gewähren möge, die ihr braucht, um Werkzeuge der von Christus gewollten Einheit zu sein. Wenn wir uns in den nächsten Jahren auf den Anbruch des dritten christlichen Jahrtausends vorbereiten, müssen wir immer inständiger um die Gnade der Einheit unter allen, die dem Herrn folgen, beten (vgl. Tertia millennio adveniente, Nr. 34). Nur auf diese Weise werden wir in der Lage sein, auf die drängende Herausforderung zu antworten, der sich alle Christen gegenübersehen, nämlich vor der Welt Zeugnis zu geben von Gott, „der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen“ (Eph 3,20-21). Von Herzen rufe ich auf euch alle den Segen der Freude und des Friedens des Herrn herab. 610 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christliches Menschenbild und kirchliche Rechtsprechung Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Rota Romana am 10. Februar 1. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Dekan, für die Worte, mit denen Sie die guten Wünsche des Kollegiums der Prälaten-Auditoren und der Beamten des Gerichtshofes der Rota Romana, wie auch der Mitglieder des „Studium rotale“ und der Rotaanwälte zum Ausdruck gebracht haben. Ich begrüße alle herzlich. Ich bin immer sehr froh, wenn ich euch bei der Eröffnung des Gerichtsjahres empfangen darf, denn das bietet mir eine willkommene Gelegenheit, euch zu begegnen und euch meine dankbare Wertschätzung auszusprechen, euch ferner in eurem besonderen Dienst für die Kirche zu ermutigen. Die Gedanken, die Sie, Herr Dekan, in Ihrer Ansprache entwickelt haben, legen mir sozusagen als Weiterführung des im vergangenen Jahr Vorgetragenen nahe, bei zwei Themen zu verweilen, die sich gleichsam gegenseitig ergänzen. Ich denke einmal an die dringende Notwendigkeit, die menschliche Person ins Zentrum eures Amtes oder genauer eures „Dienstes an der Gerechtigkeit“ zu stellen, und ferner an die Verpflichtung, jene Forderungen zu berücksichtigen, die sich aus einer einheitlichen Sicht ergeben, die zugleich die Gerechtigkeit und das Gewissen des einzelnen umfaßt. 2. Es besteht kein Zweifel, daß der nach dem Bild Gottes geschaffene, vom Opfer Christi erlöste und ihm zum Bruder gewordene Mensch der einzige Adressat des gesamten Evangelisierungswerkes der Kirche und damit auch der kanonischen Ordnung ist. Mit Recht betont daher das II. Vatikanische Konzil die hohe Berufung des Menschen, und es zögerte nicht anzuerkennen, „daß etwas wie ein göttlicher Same in ihn eingesenkt ist“ (Gaudium et spes, Nr. 3). Auch der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert daran, daß „das Bild Gottes ... in jedem Menschen gegenwärtig“ ist. „Es wird in der Gemeinschaft der Menschen, die der Einheit der göttlichen Personen gleicht, sichtbar“ (Nr. 1702, vgl. auch Nm. 27. 1701. 1703). Der Katechismus greift also die Lehre des Konzils wieder auf, „daß alles auf Erden auf den Menschen als seinen Mittel und Höhepunkt hinzuordnen ist“ (Gaudium et spes, Nr. 12). „Was ist aber der Mensch?“ fragt sich unmittelbar anschließend das Konzil. Die Frage ist nicht müßig. Über die Natur des Menschen gibt es nämlich einander widerstreitende Auffassungen. Das beachtend, bemühte sich das Konzil eine Antwort zu geben, um so die „wahre Verfassung des Menschen zu umreißen und seine Schwäche zu erklären, zugleich aber auch die richtige Anerkennung seiner Würde und Berufung zu ermöglichen“ (Gaudium et spes, Nr. 12). 3. Es genügt also nicht, sich auf die menschliche Person und ihre Würde zu berufen ohne sich vorher zu bemühen, eine angemessene anthropologische Sicht zu erarbeiten, die von gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgeht, in den 611 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Grandprinzipien der „philosophia perennis“ verankert bleibt und sich zugleich vom lebendigen Licht der christlichen Offenbarung erleuchten läßt. Daher habe ich mich bei einer früheren Begegnung mit diesem Gerichtshof auf „eine wirklich integrale Sicht der Person“ berufen und vor gewissen Strömungen in der zeitgenössischen Psychologie gewarnt, „die, ihre eigene Kompetenz überschreitend, in dieses Gebiet vorstoßen und darin Unruhe verbreiten, verleitet von anthropologischen Voraussetzungen, die sich mit der christlichen Anthropologie nicht vereinbaren lassen“ (Ansprache an die Mitglieder der Römischen Rota, Nr. 2: AA579[1987]1454; O.R.dt. 20.2.1987, S. 10). Diese Voraussetzungen legen nämlich eine Auffassung von der Natur und der Existenz des Menschen vor, „die verschlossen ist für die Werte und den Sinngehalt, die das immanent Gegebene übersteigen und es dem Menschen ermöglichen, sich auf die Liebe zu Gott und zum Nächsten als seiner endgültigen Berufung hin zu orientieren“ (ebd., Nr. 2: AA579[1987]1455; O.R.dt. ebd.). 4. Es ist daher nicht ohne Nutzen, die Aufmerksamkeit der kirchlichen Gerichtshöfe auf die unannehmbaren Folgen zu richten, die sich aufgrund irriger Lehren auf die Verwaltung der Gerechtigkeit negativ auswirken, ganz besonders und auch schwerwiegender auf die Behandlung der Fälle einer Ungültigkeit der Ehe. Seit vielen Jahren ordnet im übrigen die besondere kanonische Norm tatsächlich die Befragung von Fachärzten und Fachleuten der psychiatrischen Wissenschaft und Praxis an und mahnt ausdrücklich „sie vorsichtig heranzuziehen und jene auszuschließen, die auf diesem Gebiet nicht die gesunde (katholische) Lehre vertreten“ (Instruktion Provida Mater Ecclesia, Art. 151: /1AS’28[ 1936J343). Nur eine christliche Anthropologie, bereichert durch den Beitrag wissenschaftlich abgesicherter Ergebnisse auf psychologischem und psychiatrischem Gebiet aus jüngster Zeit, kann eine vollständige und damit realistische Sicht des Menschen bieten. Der Katechismus der Katholischen Kirche mahnt: „Zu übersehen, daß der Mensch eine verwundete, zum Bösen geneigte Natur hat, führt zu schlimmen Irrtü-mem im Bereich der Erziehung, der Politik, des gesellschaftlichen Handelns und der Sittlichkeit“ (Nr. 407; vgl. Nr. 410 f.). Ebenso abwegig wäre es, zu vergessen, daß der Mensch, aus Gnade durch das Opfer Christi erlöst, befähigt worden ist, auch unter Einflüssen der äußeren und seiner eigenen inneren Welt das Gute zu tun und Verpflichtungen für sein ganzes Leben zu übernehmen. 5. All dies kann nur zu einer immer höheren Wertschätzung des so hohen Adels des Menschen, seiner unverletzlichen Rechte und der ihm geschuldeten Achtung führen, auch wenn seine Handlungen und sein Verhalten zum Gegenstand einer richterlichen Prüfung durch die legitime Autorität im allgemeinen und der kirchlichen im besonderen werden. Wohlbekannt ist der Beitrag, den besonders in den letzten Jahrzehnten die Rechtsprechung der Römischen Rota für eine immer angemessenere Kenntnis des 612 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschlichen Inneren geleistet hat, von dem als dem eigentlichen Antriebszent-rum seine bewußten und freien Akte ausgehen. Dabei ist der Rückgriff auf die Humanwissenschaften im weiten Sinn, auch auf die medizinisch-biologischen oder auch die psychiatrisch-psychologischen im engeren Sinn durchaus lobenswert. Doch eine rein experimentelle Psychologie ohne Hilfe der Metaphysik und ohne Erleuchtung durch die christliche Morallehre würde zu einer verkürzten Auffassung des Menschen führen und ihn am Ende entschieden entwürdigenden Behandlungen aussetzen. Tatsächlich ist der Mensch mit Hilfe und Halt der übernatürlichen Gnade fähig, sich selbst zu übersteigen: gewisse Forderungen des Evangeliums, die bei einer rein irdischen Sicht der Dinge zu hart erscheinen könnten, sind dann nicht nur möglich, sondern werden sogar zu wesentlichen Antriebskräften für das Wachsen des Menschen in Christus. 6. Diesem Menschen muß also auch bei der Prozeßführung ehrfurchtsvolle Achtung entgegengebracht werden. Zu diesem Zweck hat es der Apostolische Stuhl nicht versäumt, je nach den Umständen und Zeiten geeignete Weisungen zu erlassen. So war es zum Beispiel, als es darum ging, Gutachten von Fachleuten heranziehen zu müssen, die, wie auch immer, das Empfinden für eine verständliche und notwendige Geheimhaltung hätten verletzen können (vgl. Antwort des Hl. Offiziums vom 2. August 1929, AAS21\ 1929J490; - Art. 150 der zitierten Instruktion der Sakramentenkongregation, AAS2?>\ 1936]343; - Dekret des Hl. Offiziums vom 12. Juni 1942, AAS34[1942]200; - Ansprache Papst Pius XII. vom 8. Oktober 1953, AAS45[1953]673-679). In ähnlicher Weise trifft das Kirchenrecht, wenn die psychischen Bedingungen einer beteiligten Partei keine bewußte und gültige Beteiligung am Gerichtsverfahren garantieren, Vorsorge durch Bestellung von Vormündern und Pflegern (vgl. cann. 1478-1479 C/C; cann. 1136-1137 CCEO). Das Gleiche ergibt sich aus der ganzen Normsetzung für die Verteidigung. Für sie wird an erster Stelle die wirksame Präsenz garantiert, sei es durch frei gewählte oder von Amts wegen zugewiesene kompetente Anwälte (vgl. can. 1481 C/C; can. 1139 CCEO)', geschützt wird ferner die freie Ausübung der Verteidigung bis hin zur vorgesehenen Möglichkeit der Nichtigkeit von gerichtlichen Entscheidungen, wenn diese Freiheit erwiesenermaßen verletzt wurde (can. 1620, n. 7 C/C; can. 1303, n. 7 CCEO). All dies zeigt, daß die Menschenwürde, von der sich die kanonische Rechtspflege bestimmen läßt, konkret berücksichtigt wird. 7. In diesem Zusammenhang möchte ich eure Aufmerksamkeit auch auf einen Punkt der Verfahrensweise richten: er betrifft die geltende Regelung der Bewertungskriterien für Aussagen, die von den Partnern vor Gericht gemacht werden (cann. 1536-1538.1679 C/C; cann. 1217-1219.1365 CCEO). Zweifellos müssen die obersten Normen einer wirklichen Gerechtigkeit, wie die Rechtssicherheit und die Wahrheitsfindung, ihre Entsprechung in Verfahrensnor- 613 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men haben, die vor Willkür und unzulässiger Leichtfertigkeit in jeder Rechtsordnung, und erst recht der kirchlichen, schützen. Die Tatsache aber, daß die kirchliche Gesetzgebung das letzte Kriterium und den Akt des Endurteils in das Gewissen des Richters und damit in seine freie Entscheidung legt, auch wenn sie sich auf die Akten und Beweise zu stützen hat (can. 1608 § 3 C/C; can. 1291 § 3 CCEO), beweist, daß ein nutzloser und ungerechtfertigter Formalismus niemals so vorherrschen darf, daß er die klaren Vorgaben des Naturrechts unterdrückt. 8. Dies führt uns direkt zum zweiten Thema, das ich zu Anfang angedeutet habe, nämlich zum Verhältnis von wirklicher Gerechtigkeit und dem persönlichen Gewissen. Schon in der Enzyklika Veritatis splendor habe ich geschrieben: „Darum steht die Art und Weise, wie man die Beziehung zwischen Freiheit und Gesetz versteht, schließlich in engem Zusammenhang mit der Auffassung, die man über das sittliche Gewissen hat“ (Nr. 54). Wenn das im sogenannten „Gewissensbereich“ gilt, so besteht doch zweifellos auch eine Beziehung zwischen dem kanonischen Gesetz und dem Gewissen des Subjektes im „Bereich des Äußeren“ hier geht es um die Beziehung zwischen dem Urteil dessen, der authentisch und legitim das Gesetz, wenn auch im konkreten Einzelfall, ausgelegt, und dem Gewissen dessen, der sich an die kirchliche Autorität gewandt hat: also zwischen dem kirchlichen Richter und den Parteien im kanonischen Prozeß. Dazu habe ich in der Enzyklika Dominum et vivificantem geschrieben: „Das Gewissen ist keine autonome und ausschließliche Instanz, um zu entscheiden, was gut und was böse ist; ihm ist vielmehr ein Prinzip des Gehorsams gegenüber der objektiven Norm tief eingeprägt, welche die Übereinstimmung seiner Entscheidungen mit den Geboten und Verboten begründet und bedingt, die dem menschlichen Verhalten zugrunde liegen“ (Nr. 43). Und in der Enzyklika Veritatis splendor aber habe ich hinzugefügt: „Die Autorität der Kirche, die sich zu moralischen Fragen äußert, tut der Gewissensfreiheit der Christen keinerlei Abbruch ... auch weil das Lehramt an das christliche Gewissen nicht ihm fremde Wahrheiten heranträgt, wohl aber ihm die Wahrheiten aufzeigt, die es bereits besitzen sollte, indem es sie, ausgehend vom ursprünglichen Glaubensakt, zur Entfaltung bringt. Die Kirche stellt sich immer nur in den Dienst des Gewissens, indem sie ihm hilft, nicht hin-und hergetrieben zu werden von jedem Windstoß der Lehrmeinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert (vgl. Eph 4,14), und nicht von der Wahrheit über das Gute des Menschen abzukommen, sondern, besonders in den schwierigen Fragen, mit Sicherheit die Wahrheit zu erlangen und in ihr zu bleiben“ (Nr. 64). Ein von der Norm oder dem objektiven Gesetz abweichender Akt ist daher moralisch abzulehnen und muß als solcher angesehen werden: Wenn es wahr ist, daß der Mensch in Übereinstimmung mit dem Urteil des eigenen Gewissens handeln muß, so bleibt doch ebenso wahr, daß das Gewissensurteil sich nicht anmaßen 614 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darf, das Gesetz aufzusteüen; es darf das Gesetz nur anerkennen und sich zu eigen machen. 9. Auch wenn die Funktion des Lehrens von der der richterlichen Funktion zu unterscheiden ist, so bleibt doch unzweifelhaft, daß in der kirchlichen Gemeinschaft auch die richterliche Gewalt sich von der allgemeineren „Leitungsgewalt“ herleitet, „die es aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt“ (can. 129 § 1) und die dreifach in „gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt“ aufgeteilt ist (can. 135 § 1). Wo also Zweifel über die Übereinstimmung eines Aktes (zum Beispiel im besonderen Fall einer Ehe) mit der objektiven Norm auftauchen und daher die Berechtigung oder sogar die Gültigkeit dieses Aktes in Frage gestellt wird, so hat man sich auf das von der legitimen Autorität korrekt erlassene Urteil zu beziehen (vgl. can. 135 § 3), nicht dagegen auf ein angemaßtes privates Urteil und erst recht nicht auf die willkürliche Überzeugung des einzelnen. Dieser Grundsatz wird auch formell vom kanonischen Recht geschützt, das festlegt: „Mag auch eine frühere Ehe aus irgendeinem Grund nichtig oder aufgelöst worden sein, so ist deshalb eine neue Eheschließung nicht erlaubt, bevor die Nichtigkeit bzw. die Auflösung der früheren Ehe rechtmäßig und sicher feststeht“ (can. 1085 § 2). Wer sich daher anmaßen sollte, die gesetzlichen Verfügungen zur Erklärung der Nichtigkeit einer Ehe zu mißachten, würde sich damit außerhalb, ja gegen das authentische kirchliche Lehramt und die rechtliche Ordnung stellen - ein einigendes und für die Einheit der Kirche gewissermaßen auch unersetzliches Element. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für das substantielle Recht, sondern auch für die die Prozeßführung betreffende Gesetzgebung. Dies ist beim konkreten Vorgehen zu beachten, und man sollte es vermeiden, „im inneren Bereich“ Antworten und Lösungen für vielleicht schwierige Situationen zu geben, die man nur in Achtung vor den geltenden rechtlichen Normen aufgreifen und lösen kann. Dies müssen vor allem jene Hirten berücksichtigen, die vielleicht versucht sein könnten, sich im Grundsatz von den Normen zu distanzieren, die im Kodex festgelegt und bekräftigt sind. Allen ist vielmehr in Erinnerung zu rufen, daß der Diözesanbischof zwar die Vollmacht hat, unter bestimmten Bedingungen von Disziplinargesetzen zu dispensieren; es ist ihm aber nicht erlaubt, von den „das Prozeßrecht betreffenden Gesetzen“ zu dispensieren (can. 87 § 1). 10. Diese Punkte zur Lehre wollte ich heute also in Erinnerung rufen. Bei der Arbeit in einem so abgegrenzten Rechtsbereich sind die Richter der kirchlichen Gerichtshöfe und seid an erster Stelle ihr, Prälaten und Auditoren dieses Apostolischen Gerichtshofes, dem Volk Gottes von großem Nutzen. Ich ermutige euch daher, immer bemüht zu sein, eure Arbeit zu leisten mit jener angemessenen Kenntnis des Menschen und jener gebührenden Achtung vor seiner Würde, wovon ich heute zu euch gesprochen habe. Ich verlasse mich auf eure aufrichtige Aufgeschlossenheit für die Weisungen des Lehramts, und ich bin überzeugt vom hohen Sinn für Verantwortung, mit dem ihr 615 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die euch anvertraute sehr wichtige Aufgabe zum Wohl der Gemeinschaft der Kirche und der Menschen erfüllt. Ich wünsche euch aufrichtig alles Gute und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen. Kreuz Christi ist Quelle des Friedens Botschaft zum Welttag des Kranken am 11. Februar vom 21. November 1994 1. Die Heilstaten Jesu für „alle, die Gefangene des Bösen waren“ (Rom. Missale Wochentagspräfation VII), haben in der Sorge der Kirche für die Kranken immer eine bezeichnende Weiterführung erfahren. Den Leidenden zeigt sie ihre Aufmerksamkeit auf vielfache Weise; im heutigen Zusammenhang aber hat die Einführung des Welttags des Kranken große Bedeutung. Die Initiative hat weithin Zustimmung bei allen gefunden, denen die Lage des Leidenden am Herzen liegt. Sie möchte der Gemeinschaft der Christen neue Anregung für ihr pastorales und karitatives Wirken bieten, so daß diese in der Gesellschaft immer wirksamer und deutlicher präsent wird. Diese Notwendigkeit wird in unserer Zeit besonders dringend spürbar, da ganze Bevölkerungsgruppen infolge grausamer Konflikte von enormen Leiden heimgesucht werden und die Schwachen dabei oft den höchsten Preis zahlen müssen. Wie sollte man nicht zugeben: „Unsere Zivilisation müßte sich bewußt werden, daß sie unter vielen Gesichtspunkten eine kranke Zivilisation ist, die tiefgreifende Entstellungen im Menschen erzeugt“ (Brief an die Familien, Nr. 20)? Sie ist krank wegen des sich ausbreitenden Egoismus, wegen des individualistischen Nützlichkeitsdenkens, das oft als Vorbild für das Leben hingestellt wird, wegen der Leugnung oder Gleichgültigkeit, die nicht selten gegenüber dem transzendenten Geschick des Menschen sichtbar wird, wegen der Krise der geistlichen und moralischen Werte, welche die Menschheit so schwer bedrängt. Dabei ist die „Pathologie“ des Geistes nicht weniger gefährlich als die physische „Pathologie“, und beide beeinflussen sich gegenseitig. 2. In der Botschaft zum Tag des Kranken vom vergangenen Februar wollte ich an den zehnten Jahrestag der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Salvi-fici doloris erinnern, in dem die christliche Bedeutung des menschlichen Leidens dargelegt wird. Heute möchte ich die Aufmerksamkeit auf die zehn Jahre seit einem anderen für die Krankenpastoral besonderen kirchlichen Ereignis erinnern. Mit dem Motu proprio Dolentium hominum vom 11. Februar 1985 habe ich nämlich die Päpstliche Kommission für die Pastoral im Krankendienst eingerichtet, die dann zum Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst wurde. Mit vielfältigen Initiativen „zeigt sie die Sorge der Kirche um die Kranken, wenn sie jene unterstützt, die den Kranken und Leidenden ihre Dienste leisten, damit das Apostolat 616 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Barmherzigkeit, das sie ausüben, immer besser den neuen Anforderungen entspricht“ {Pastor bonus, Nr. 152). Das wichtigste Ereignis am nächsten Welttag des Kranken, den wir am 11. Februar 1995 begehen werden, wird auf afrikanischem Boden beim Heiligtum Marias, der Königin des Friedens, in Yamoussoukro in Elfenbeinküste stattfinden. Dieses kirchliche Treffen wird geistlich mit der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika verbunden sein; zugleich wird es Gelegenheit bieten, an der Freude der Kirche der Elfenbeinküste teilzunehmen, die auf 100 Jahre seit der Ankunft der ersten Missionare zurückblickt. Wenn wir uns zu einem derart tief empfundenen Gedenktag auf dem afrikanischen Kontinent und zumal im marianischen Heiligtum von Yamoussoukro einfinden, lädt uns das zum Nachdenken über das Verhältnis zwischen Schmerz und Frieden ein. Es ist eine sehr tiefreichende Beziehung: Wenn kein Friede da ist, verbreiten sich die Leiden, und der Tod weitet seine Macht unter den Menschen aus. In der sozialen Gemeinschaft wie auch in der der Familie wirkt sich das Nachlassen des friedlichen Einverständnisses so aus, daß Angriffe auf das Leben sich mehren. Der Dienst am Leben aber, seine Förderung und sein Schutz, auch um den Preis persönlicher Opfer, bilden die unerläßliche Voraussetzung für den echten Aufbau des individuellen und sozialen Friedens. 3. Leider ist der Friede an der Schwelle zum dritten Jahrtausend noch fern, und nicht wenige Anzeichen deuten darauf hin, daß er sich noch weiter entfernt. Die Gründe festzustellen und nach Heilmitteln zu suchen, erscheint nicht selten mühsam. Sogar unter Christen kommen zuweilen blutige brudermörderische Kämpfe vor. Doch alle, die offenen Geistes auf das Evangelium hören, dürfen nicht müde werden, sich selbst und andere an die Pflicht der Verzeihung und Versöhnung zu erinnern. Sie sind gemeinsam mit den Kranken in allen Teilen der Welt aufgerufen, auf dem Altar des täglichen und innigen Gebetes das Leiden aufzuopfem, das Christus als Werkzeug zur Erlösung und Rettung der Menschheit angenommen hat. Quelle des Friedens ist das Kreuz Christi, in dem wir alle gerettet sind. Zur Vereinigung mit Christus aufgerufen (vgl. Kol 1,24), und aufgefordert, wie Christus zu leiden (vgl. Lk 9,23; 21,12-19; Joh 15,18-21), verkündet der Christ mit der Annahme und Aufopferung des Leidens die aufbauende Kraft des Kreuzes. Wenn nämlich Krieg und Spaltung Frucht der Gewaltanwendung und der Sünde sind, so ist der Friede Frucht der Gerechtigkeit und Liebe, die ihren Gipfel erreichen in der hochherzigen Aufopferung des eigenen Leidens, wenn nötig, bis zur Hingabe des eigenen Lebens in Vereinigung mit Christus. „Je mehr der Mensch von der Sünde bedroht ist, je drückender die Strukturen der Sünde sind, welche die heutige Welt in sich trägt, um so größer ist die Ausdruckskraft, die das menschliche Leiden besitzt, und um so dringender fühlt die Kirche die Notwendigkeit, den Wert des menschlichen Leidens für das Heil der Welt zu betonen“ (Salvifici doloris, Nr. 27). 617 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die rechte Einschätzung des Leidens und seine Aufopferung für das Heil der Welt sind schon für sich Taten und Angebote des Friedens, weil sich aus dem mutigen Zeugnis der Schwachen, der Kranken und der Leidenden der größte Beitrag für den Frieden ergeben kann. Das Leiden weckt ja eine tiefere geistliche Gemeinschaft, die einerseits die Rückgewinnung einer besseren Lebensqualität fördert und andererseits das überzeugte Eintreten für den Frieden unter den Menschen begünstigt. Der Glaubende weiß, daß er durch seine Vereinigung mit dem Leiden Christi ein echter Erbauer des Friedens wird. Das ist ein unergründliches Geheimnis, dessen Früchte sich aber deutlich in der Geschichte der Kirche und zumal im Leben der Heiligen zeigen. Wenn es ein Leiden gibt, das zum Tode führt, so gibt es nach dem Plan Gottes auch ein Leid, das zur Bekehrung und Umwandlung des menschlichen Herzens führt (vgl. 2 Kor 7,10); das Leiden aber als Ergänzung dessen am eigenen Fleisch, was dem Leiden Christi „noch fehlt“ (vgl. Kol 1,24), wird zum Grund und zur Quelle der Freude, weil es Leben und Frieden schafft. 5. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr an Leib und Seele leidet, ich wünsche euch allen, daß ihr den Ruf Gottes erkennt und annehmt, durch die Aufopferung eurer Schmerzen zu Wegbereitern des Friedens zu werden. Es ist nicht leicht, auf einen derart anspruchsvollen Ruf zu antworten. Schaut daher immer vertrauensvoll auf Jesus, den „Leidensknecht“, und bittet ihn um die Kraft, die Prüfung, die euch heimsucht, in ein Geschenk zu verwandeln. Hört gläubig auf seine Stimme, die für jeden wiederholt: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ {Mt 11,28). Die Jungfrau Maria, die Schmerzensmutter und Friedenskönigin, möge für jeden Gläubigen die Gabe eines festen Glaubens erwirken, den die Welt so sehr braucht. Mit ihrer Hilfe werden nämlich die Mächte des Bösen, des Hasses und der Zwietracht durch das Opfer der Schwachen und Kranken entwaffnet, die sich mit dem Paschamysterium Christi, des Erlösers, vereinigt haben. 6. Nun wende ich mich an euch Ärzte, Pflegekräfte und Mitglieder von Verbänden und Gruppen Freiwilliger, die ihr im Dienste der Kranken steht. Euer Wirken wird ein echtes Zeugnis und eine konkrete Wegbereitung des Friedens sein, wenn ihr bereit seid, denen echte Liebe zu schenken, mit denen ihr in Kontakt kommt, und wenn ihr als Glaubende in ihnen die Gegenwart Christi selbst zu ehren wißt. Diese Aufforderung richtet sich in ganz besonderer Weise an die Priester und Ordensleute, die aufgrund des Charismas ihres Institutes oder wegen der besonderen Form ihres Apostolates in der Gesundheitspastoral direkt engagiert sind. Während ich meine lebhafte Wertschätzung für alles ausspreche, was ihr mit Selbstverleugnung und hochherziger Hingabe tut, habe ich den Wunsch, daß alle, die einen medizinischen oder paramedizinischen Beruf ergreifen, dies mit Begeisterung und hochherziger Bereitschaft tun. Ich bitte den Herrn der Ernte, er möge zahlreiche und heilige Arbeiter für den weiten Bereich des Gesundheitswesens 618 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN senden, der für die Verkündigung und die Bezeugung des Evangeliums so wichtig ist. Maria, die Mutter der Leidenden, stehe allen zur Seite, die im Schmerz geprüft werden. Sie unterstütze das Bemühen derer, die ihr Leben dem Dienst der Kranken weihen. Mit diesen Gedanken erteile ich von Herzen euch, liebe Kranke, und all denen, die euch in irgendeiner Weise in euren vielfältigen materiellen und geistlichen Bedürfnissen nahe sind, einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 21. November des Jahres 1994, dem siebzehnten meines Pontifikates Joannes Paulus PP. II Zwei Pilgerfahrten unter dem einen Licht Ansprache zum Welttag des Kranken und zum Gedächtnis U. L. Frau von Lourdes am 11. Februar 1. „Licht, das erleuchtet...“ Heute wird der Petersdom von neuem mit Licht erfüllt: wie vor einigen Tagen am Fest der Darstellung des Herrn im Tempel, so heute am liturgischen Gedächtnistag Unserer Lieben Frau von Lourdes. Diesmal bringt ihr das Licht in die Vatikanische Basilika, liebe Pilger, die ihr oft die Grotte von Massabielle zum Ziel eurer geistigen Pilgerfahrt erkoren habt. Heute seid ihr in den Petersdom gekommen, um bei dieser einzigartigen Versammlung wiederum im Geist eine Wallfahrt zu unternehmen. Seid alle gegrüßt! Ich grüße euch, ihr lieben Kranken, die ihr an diesem Tag die Hauptpersonen seid, und ich grüße euch, hebe freiwillige Helfer, die ihr im Geist christlicher Solidarität den Brüdern und Schwestern beisteht, die der Hilfe bedürfen. Ich grüße den Kardinalvikar von Rom, der die hl. Messe gefeiert hat, die anwesenden Bischöfe, die Priester und die Laien, die als Animatoren bei den Lourdes-Pilgerfahrten der Kranken tätig sind, vor allem die von UNITALSI und vom Römischen Pilgerwerk. Ich danke euch für diese Initiativen und auch dafür, daß ihr es durch die heutige Feier dem Papst gestattet, an eurer „marianischen Pilgerschaft“ teilzunehmen. Heute vereinen wir uns im Geist mit denen, die sich im marianischen Heiligtum von Yamoussoukro an der Elfenbeinküste im afrikanischen Kontinent befinden, wo in diesem Jahr die Feier des dritten Welttages des Kranken begangen wird. Zum Vorsitz dabei habe ich Fiorenzo Kardinal Angelini, den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, delegiert. Dieses Organ der Kurie wurde ja gerade heute vor zehn Jahren errichtet. Darum nehme ich diese 619 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gelegenheit wahr, um Kardinal Angelini und seinen Mitarbeitern für den in diesen Jahren geleisteten wertvollen Dienst zu danken, durch den sie dazu beigetragen haben, die Sorge der Kirche für die Kranken sichtbar und wirksam zu machen. Die hier anwesenden Kranken, freiwilligen Helfer und im Krankendienst Tätigen fühlen sich in besonderer Weise mit ihren Brüdern und Schwestern in Anika und in der ganzen Welt verbunden, und sie opfern gemeinsam ihre Leiden und ihren Einsatz auf mit der flehentlichen Bitte um das Geschenk des Friedens. So legt es das Thema der Botschaft nahe, die ich zum heutigen Tag ausgesandt habe. 2. Meine Lieben! Ihr werdet bald die angezündeten Kerzen in Händen halten, die ihr Licht in dieser großen Basilika verbreiten. Diese Kerzen erinnern an die Osterkerze, die der Priester bei der Prozession in der Ostervigil trägt, wobei die Antiphon „Lumen Christi“ gesungen wird. Das Licht Christi, nach der Kreuzigung im Grab eingeschlossen, wird in der Liturgie des Karsamstags zur Verheißung der Auferstehung. Eben dieses verkündet der Diakon mit dem gesungenen „Lumen Christi“. Das Licht des Lebens entzündet sich in der Finsternis des Todes. Und die Kunde vom Sieg des Lebens über den Tod verbreitet sich, von Jerusalem ausgehend, überall, bis an die äußersten Enden der Erde. Heute bringt ihr dieses Licht von Lourdes. Die Mutter Christi hat es euch in ihrem Heiligtum übergeben, wohin ihr vertrauensvoll eine Wallfahrt unternehmt. In eurem Leiden seid ihr Pilger. Im Lauf seines irdischen Daseins eröffnet das Leiden dem Menschen den Ausblick auf den Tod, und wenn es auch nicht der Tod selbst ist, so trägt es doch dessen Zeichen in sich. Mit eurem Leiden, liebe Kranke, geht ihr auf die Pilgerfahrt nach Lourdes und bittet um Licht bei der Mutter Christi. Licht, das ihr aus ihren Händen empfangt: Licht, das den Sieg über das Leiden bedeutet. Der Mensch ist berufen, das Leiden zu überwinden, gegen den Tod zu kämpfen. Alles ärztliche Bemühen und alle vielgestaltige Sorge um die Kranken zielt darauf ab. Irgendwie bildet das alles auch einen Teil der Pilgerfahrt nach Lourdes. In Lourdes werden nicht wenige Fälle von Krankenheilungen aufgezählt, die durch die Fürsprache der Muttergottes geschehen sind. Im übrigen sind die Pilger Zeugen der großen geistlichen Hilfe, die die Kranken dort zur Überwindung des Leidens empfangen. Ihr, die ihr nach Lourdes pilgert, kommt geistlich getröstet und gestärkt von dort zurück, so daß ihr nicht nur den Schmerz ertragen könnt, sondern sogar den Heilswert zu entdecken vermögt, den das Leiden in sich birgt. Das ist das Licht Christi, das Unsere Liebe Frau von Lourdes euren Händen übergibt und in eure Herzen eingießt. Mit diesem Licht kehrt ihr zu euch nach Hause oder in die Krankenhäuser und anderswohin zurück, wo ihr behandelt werdet. Heute tragt ihr dieses Licht in den Petersdom, um den Sieg der Liebe Christi zu bezeugen. Die Kirche in Rom dankt euch für das Licht, das ihr von Lourdes bringt: Sie dankt euch, ihr Kranken, und auch euch, Brüder und Schwestern, die ihr hochherzig den Leidenden den Dienst des guten Samariters anbietet. Euer ge- 620 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinsames Zeugnis als Kranke und als freiwillige Helfer ist für die Kirche ein Geschenk. Es ist ein wirkliches Apostolat und breitet das Evangelium des Heiles aus. 3.,dicht, das erleuchtet...“ Wie sollte man bei dieser Gelegenheit nicht an die heilige Bernadette denken. Als junges Mädchen von wenig mehr als zehn Jahren wurde diese Tochter der armen Familie Soubirous die Vertraute der Muttergottes von Lourdes. Ihr hat Maria als erster das Licht Christi anvertraut, das sich dann so weithin in Frankreich und in der ganzen Welt ausbreiten sollte. Maria hat sie als erste zum Rosenkranzgebet aufgefordert. Sie vertraute Bernadette ihre Gedanken und Pläne über die Zukunft von Lourdes an. Es sollte ein weit umfassender Ort des Gebetes werden, an dem Pilger aus der ganzen Welt zu Christus, dem Licht, kommen würden. Wir denken an die Kranken und an die Heilungen, erinnern uns aber auch an die zahllosen Bekehrungen, die sich in den fast hundertfünfzig Jahren, die das Heiligtum besteht, auf die Fürsprache der Muttergottes vollzogen haben. 4. Bei der Erinnerung an Bernadette, die mit dem Geheimnis Mariens und der Sendung Christi so wunderbar vertraut war, gehen meine Gedanken zu ihren Altersgefährtinnen und -geführten von heute. Ich denke z. B. an all die Jugendlichen, denen ich kürzlich beim Weltjugendtag in Manila auf den Philippinen begegnet bin. Auch sie hielten bei der großen Vigil brennende Kerzen als Symbol des Lichtes Christi in den Händen. Dieses Licht hatten sie von ihren Gemeinschaften erhalten, von den Familien, den Pfarreien, den Diözesankirchen auf den Philippinen und in den verschiedenen Ländern Asiens und der anderen Kontinente. Heute, meine Lieben, möchte ich bei der Begegnung mit euch in Gedanken und im Herzen diese beiden Pilgerfahrten miteinander verbinden: die der Jugendlichen, unter denen es auch Kranke und Behinderte gab, und euer Pilgern nach Lourdes. Es mag den Anschein haben, daß es vor allem Verschiedenheiten zwischen euch gäbe, denn ein alter Mensch unterscheidet sich ja beträchtlich von einem jungen, ein Gesunder von einem Kranken. Aber trotz all dieser Unterschiede ist das Einende stärker. Es eint euch nämlich als gemeinsamer Aufruf das Licht Christi: Ihr bringt diesen Aufruf mit von Lourdes, die jungen Teilnehmer am Weltjugendtag haben ihn vom Treffen in Manila mitgebracht. Von dem in jenem Augenblick empfangenen Licht erleuchtet, sehen sie ihr Leben, ihre Berufung und alle Aufgaben, die sie erwarten, besser. In diesem Licht begreifen sie auch das Leiden besser, denn Christus, das Licht der Welt, hat gerade durch das Leiden und das Kreuz den Menschen erlöst. So also treffen die einzelnen Pilgerwege, die von verschiedenen Punkten, von vielerlei Orten der menschlichen Existenz ausgehen, zusammen, um in einem einzigen Licht zu erkennen, daß Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Joh 14,6), und um ihm zu folgen. 5. Liebe Brüder und Schwestern, Kranke und Leidende, alle Lourdespilger! Hört nicht auf, für die Kirche zu beten! Hört nicht auf, Christus durch seine Mutter be- 621 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sonders die junge Generation zu empfehlen, d. h. jene Christen, denen die Anfänge des dritten Jahrtausends anvertraut sind. Mögen sie eure Liebe spüren! Euer Gebet und euer Opfer mögen ihnen erlangen, daß sie zu geistlicher Reife kommen. Mögen sie in Gemeinschaft mit euch treten, um aus euren Händen die Fackel des Glaubens zu empfangen und überall das Licht Christi zu verbreiten. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Alphabetisierung fördert Zusammenarbeit der Nationen und dient dem Frieden in der Welt Botschaft für die Fastenzeit 1995 vom 7. September 1994 „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich ... den Blinden das Augenlicht verkünde“ (Lk 4,18). Liebe Schwestern und Brüder in Christus! 1. In der Fastenzeit möchte ich mit euch allen über ein finsteres Übel nachdenken, das zahllose Arme vieler Möglichkeiten zu Fortschritt, zu Überwindung eines Daseins am Rande der Gesellschaft und echter Befreiung beraubt. Ich meine den Analphabetismus. Papst Paul VI. erinnerte uns schon daran, daß „der Hunger nach Bildung nicht weniger bitter ist als der Hunger nach Nahrung. Ein Analphabet ist geistig unterentwickelt“ (Populorum progressio, Nr. 35). Diese schreckliche Geißel trägt dazu bei, eine beträchtliche Zahl von Menschen in einem Zustand der Unterentwicklung zu halten. Zahlreiche Zeugnisse aus verschiedenen Kontinenten sowie die Begegnungen, zu denen ich während meiner apostolischen Reisen Gelegenheit hatte, bestärken meine Überzeugung, daß dort, wo es Analphabetismus gibt, mehr als anderswo Hunger, Krankheiten, Kindersterblichkeit und auch Erniedrigung, Ausbeutung und Leiden aller Art herrschen. Ein Mensch, der weder schreiben noch lesen kann, hat große Schwierigkeiten, sich die modernen Arbeitsmethoden anzueignen; er ist gleichsam zur Unkenntnis seiner Rechte und seiner Pflichten verdammt; er ist wahrlich arm. Wir müssen uns dessen bewußt sein, daß Hunderte Millionen Erwachsene Analphabeten sind, daß unzählige Millionen Kinder keine Schule besuchen können, weil es in der Nähe keine Schule gibt oder wohl auch, weil die Armut sie daran hindert, dort hinzugehen. Sie fühlen sich in ihrer Lebensentwicklung gehemmt und daran gehindert, ihre Grundrechte wahrzunehmen. Diese Menschenmengen, die uns ihre Hände entgegenstrecken, bitten uns um eine Geste der Brüderlichkeit. 622 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Wir wissen, daß der einzelne, die Familien und die Gemeinschaften in allen Lebensbereichen besser vorankommen können, wenn sie Zugang zur Bildung, zur Erziehung und zu den verschiedenen Ausbildungsebenen haben. Die Alphabetisierung erlaubt dem Menschen als Person, seine Möglichkeiten zu entfalten, seine Talente auszuschöpfen, seine Beziehungen zu bereichern. Das II. Vatikanische Konzil bekräftigt: ,Jn der Person des Menschen selbst hegt es begründet, daß sie nur durch Kultur ... zur wahren und vollen Verwirklichung des menschlichen Wesens gelangt“ (Gaudium et spes, Nr. 53). Die intellektuelle Bildung ist ein entscheidendes Element, um diese menschliche Kultur, die zu mehr Unabhängigkeit und mehr Freiheit verhilft, zu entfalten. Sie gestattet ihm auch eine bessere Gewissensbildung und eine bessere Wahrnehmung seiner Verantwortlichkeiten auf moralischer und geistiger Ebene. Denn echte Erziehung ist in gleicher Weise geistig, intellektuell und moralisch. Unter den Problemen, die in unserer Zeit Unruhe auslösen, wird oft die Bevölkerungsentwicklung in der Welt hervorgehoben. Auf diesem Gebiet geht es um Unterstützung dafür, daß die Familien selbst die Verantwortung übernehmen. So haben die im Juni 1994 zum Konsistorium versammelten Kardinäle einstimmig erklärt, daß „Erziehung und Entwicklung viel wirksamere Antworten auf die Tendenzen des Bevölkerungswachstums sind als alle Zwangsmaßnahmen und künstlichen Formen bevölkerungspolitischer Kontrolle“ (Appell der Kardinäle zum Schutz der Familie, 14. Juni 1994). Die Institution Familie selbst wird gefestigt, wenn ihre Mitglieder von der schriftlichen Kommunikation Gebrauch machen können; sie würden nicht mehr passiv Programme hinnehmen, die ihnen zum Schaden ihrer Freiheit und der verantwortungsvollen Beherrschung ihrer Fortpflanzungsfähigkeit auferlegt würden; sie stehen selbst für ihre Entwicklung ein. 3. Angesichts der bedrohlichen Lebensbedingungen unserer Brüder und Schwestern, die von der modernen Kultur femgehalten werden, ist es unsere Pflicht, ihnen unsere ganze Solidarität zu bekunden. Die Durchführung von Aktionen, die den Zugang zum Lesen und Schreiben fördern sollen, sind eine erste Voraussetzung, um dem armen Bruder dahingehend zu helfen, daß er seinen Verstand zur Reifung und Entfaltung bringt und ein selbständigeres Leben führt. Alphabetisierung und Grundausbildung sind eine Aufgabe und eine Investition, die wesentlich sind für die Zukunft der Menschheit, für „die umfassende Entwicklung des ganzen Menschen und der ganzen Menschheit“, wie Papst Paul VI. sagte (Populorum progres-sio, Nr. 42). Je größer innerhalb der Völker die Zahl der Menschen ist, die eine ausreichende Erziehung genießen, um so besser wird das Volk sein Schicksal selbst in die Hand nehmen können. Dabei erleichtert die Alphabetisierung die Zusammenarbeit zwischen den Nationen und damit den Frieden in der Welt. Die gleiche Würde der Menschen und der Völker verlangt, daß die internationale Gemeinschaft dazu bereit ist, die unheilvollen Ungleichheiten zu überwinden, die der Analphabetismus von Millionen Menschen noch immer mit sich bringt. 623 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Meine Anerkennung gilt allen Personen und Organisationen, die sich in einem Werk der Solidarität, wie es die Alphabetisierung darstellt, engagieren. Ich wende mich ganz besonders an die sozialen und religiösen Kräfte, an die Lehrer, an die Schüler und Studenten, an alle Menschen guten Willens und lade sie ein, ihre materiellen und kulturellen Güter in noch größerem Maße zu teilen: Sie sollen in ihrer Umgebung in diesem Sinne tätig werden, sie sollen das Wirken von Organisationen unterstützen, die sich insbesondere für die Förderung der Alphabetisierung in den verschiedenen Teilen der Welt einsetzen. 5. Die Vertiefung der Evangelisierung wird auch vom Fortschritt der Alphabetisierung begünstigt werden, insofern diese einem jeden unserer Brüder und Schwestern hilft, die christliche Botschaft persönlicher kennenzulemen und das Hören des Gotteswortes durch das Lesen weiterzuführen und zu vertiefen. Der Mehrzahl den direkten Zugang zur Heiligen Schrift, soweit als möglich in ihrer eigenen Sprache, zu ermöglichen, kann das Nachdenken und Meditieren all derer, die nach Sinn und Orientierung für ihr Leben suchen, nur bereichern. Ich fordere die Hirten der Kirche dringend auf, diesen großen Dienst an der Menschheit ernst zu nehmen und zu unterstützen. Denn es geht darum, die Verkündigung der Frohen Botschaft mit der Vermittlung eines Wissens zu verbinden, das es unseren Brüdern und Schwestern gestattet, von selbst die Tragweite dieser Botschaft zu erfassen, ihre ganze Fülle auszukosten und sie zu einem integrierenden Bestandteil ihrer Kultur zu machen. Kann man heutzutage nicht sagen, daß die Arbeit für die Alphabetisierung ein Beitrag zum Aufbau der Gemeinschaft in aufrichtiger und tätiger brüderlicher Liebe ist? 6. Durch die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, der Mutter Jesu und unserer Mutter, bitte ich Gott, unsere Stimme zu hören und unsere Herzen zu rühren, damit diese heilige Fastenzeit 1995 einen neuen Abschnitt bei der Umkehr markieren möge, die unser Herr Jesus vom Beginn seiner messianischen Sendung an für alle Völker verkündet hat (vgl. Mt 4,12-17) In dieser Hoffnung erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 7. September 1994 Joannes Paulus PP. II 624 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Wohlergehen der Stadt Rom hängt vom Wohlergehen der Familien ab Ansprache bei der Audienz für den Bürgermeister von Rom und die Vertreter der Stadtverwaltung am 13. Februar Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrte Vertreter der Verwaltung der Stadt Rom! 1. Mit großer Freude begrüße ich Sie heute zu diesem traditionellen Neujahrsempfang, durch den die Bande der Freundschaft, die seit jeher zwischen der Kommunalverwaltung Roms und dem Nachfolger Petri bestehen, ausgedrückt und gefestigt werden. Ich danke dem Herrn Bürgermeister für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Ich habe dieses Jahr einen besonderen Grund zur Dankbarkeit, da mir auf Anregung des Bürgermeisters und der Stadt Rom der „Rompreis für Frieden und humanitäre Aktion“ verliehen worden ist. Es handelt sich dabei um ein Zeichen der Achtung und Zuneigung, das ich hoch schätze, vor allem, weil es mir zukommt im Namen des Friedens, der eine der größten Herausforderungen dieser schwierigen geschichtlichen Epoche darstellt. Ich begrüße deswegen die Mitglieder des Preisgerichts mit besonderer Herzlichkeit. Mit der Einrichtung dieses Preises haben die Vertreter der Stadt Rom an den besten Teil der römischen Geschichte anknüpfen wollen und sich gegenüber dem unauslöschlichen Zeichen, das das Christentum in ihr gesetzt hat, aufmerksam gezeigt. Es besteht in der Tat kein Zweifel, daß Rom seiner besonderen Berufung als „Knotenpunkt des Dialogs zwischen den Völkern“ auch und vor allem durch diese besondere Beziehung zum Zentrum des kirchlichen Lebens gerecht werden kann. 2. Die Thematik des Friedens fordert uns auf, unseren Blick auf den Horizont des Menschseins zu richten, das unter Bruderkriegen, kulturellen Gegensätzen und Intoleranz sowie unter wirtschaftlichen und sozialen Mißverhältnissen und Ungerechtigkeiten schwer zu leiden hat. Ein Zeugnis zugunsten des Friedens muß allerdings, um glaubhaft zu wirken, zuallererst im Leben unserer eigenen Stadt in die Tat umgesetzt werden. Der Frieden ruft jeden von uns auf: er gründet auf einem Lebensstil, der sowohl die Einzelpersonen als auch die Familien und sozialen Gruppen angeht und diese zur gegenseitigen Achtung und tatkräftigen Solidarität verpflichtet. Der Aufbau dieses Friedens beginnt von unten und wurzelt in den tiefgehenden Werten, die im Innersten des Herzens gepflegt werden müssen; er findet seinen Ausdruck in gegenseitiger Aufgeschlossenheit und in der Fähigkeit, die anderen nicht als Gegner, sondern als Brüder anzusehen. Ich bin sicher, daß der Preis, den Sie mir zuerkannt haben, seinen Ursprung in dieser Kultur des Friedens hat. Damit möchte die Stadt Rom nicht nur den ,Frieden als Wert“ hervorheben, sondern auch den .Frieden der Werte“ fördern, in dem all 625 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jene menschlichen und christlichen Werte zusammenfließen, die ein ruhiges und konstruktives Zusammenleben ermöglichen. 3. Die Förderung des Friedens muß - sehr geehrter Herr Bürgermeister und sehr geehrte Vertreter der Stadtverwaltung - daher als gemeinsames Terrain angesehen werden. Die bürgerliche und die kirchliche Gemeinschaft können und müssen zu diesem Zweck Zusammenarbeiten, natürlich in deutlicher Abgrenzung ihres je eigenen Zuständigkeitsbereiches. Unter dem Gesichtspunkt dieser Zusammenarbeit kommen viele verschiedene Aufgaben in Betracht. Heute möchte ich vor allem den Aspekt des Friedens innerhalb der Familien und zwischen den Familien ansprechen. Es besteht kein Zweifel, daß das Wohlergehen unserer Stadt - sowohl in geistiger und moralischer, als auch in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht - entscheidend von den Lebensumständen der hier lebenden Familien abhängt. In Rom kann die Familie, unter der wir die natürliche, auf die Ehe gegründete und die durch ein Sakrament geheiligte Institution verstehen, eine jahrtausendalte Tradition aufweisen, die auch heute - trotz aller Schwierigkeiten und Krisenfaktoren - weder erschöpft noch überholt erscheint. Sie ist, im Gegenteil, eine wesentliche Energiequelle für jede Art von Entwicklung, die eine tatsächliche Verbesserung der persönlichen und sozialen Lebensqualität darstellen soll. Wer die wirklichen Zustände in den verschiedenen Stadtteilen Roms kennt - vor allem die in den ärmeren Vierteln am Rande der Stadt -, weiß, daß die Familien ein Garant sind für die Pflege und Weitergabe jener moralischen Werte der Treue, Solidarität, Arbeitsamkeit und Opferbereitschaft, die die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben bilden. Es ist zudem offensichtlich, daß die Familien die Hauptlast jener Probleme tragen, die sich manchmal zu wahren sozialen Dramen entwickeln und die weiten Teilen der römischen Bevölkerung das Leben schwermachen: Zu erwähnen ist hier die Arbeitslosigkeit, die vor allem junge Leute betrifft, wie auch die Notwendigkeit der Fürsorge für chronisch Kranke, pflegebedürftige Senioren und Behinderte. 4. Die Kirche von Rom hat die Weisungen der vor kurzem abgehaltenen Diözesan-synode aufgegriffen und vom „fahr der Familie“ angeregt, die Familie in den Mittelpunkt ihrer seelsorglichen Aufgabe gerückt. Allerdings hat auch die bürgerliche Gesellschaft eine große Verantwortung in diesem Bereich, vor allem Sie, die Sie die politische und verwaltungsmäßige Verantwortung für diese Stadt tragen. Scheuen Sie deshalb keine Mühe, um die Wohnungssituation zu verbessern, vor allem hinsichtlich der Verfügbarkeit von erschwinglichem Wohnraum für junge Familien. Dabei müssen Wohnungen geschaffen werden, die groß genug sind, um nicht nur die jungen Ehepaare, sondern auch deren Kinder aufzunehmen. Sorgen Sie weiter dafür, daß die Verkehrsmittel, die Schulen und die verschiedenen sozialen Dienste soweit wie möglich den Bedürfnissen der Familien entsprechen, vor allem jener Familien, die Kinder und alte 626 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leute zu versorgen haben. Versuchen Sie auch, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten und Kompetenzen, die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen zu fördern. 5. Die Kirche ist zur Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung bereit. Wenn man aber diese Zusammenarbeit erwähnt, darf auch der Bereich der Vorbereitungen für das Heilige Jahr 2000 nicht stillschweigend übergangen werden. Für Rom als Diözese wie auch als Stadt stellt das bevorstehende Heilige Jahr ein einzigartiges Geschenk und gleichzeitig eine ernsthafte Herausforderung dar. Die Kirche von Rom ist aufgerufen, ihre ,3eispielhaftigkeit‘, die sie als die Gemeinschaft auszeichnet, die der besonderen Obhut des Nachfolgers Petri anvertraut ist, für alle sichtbar zu machen. Es versteht sich jedoch, daß für dieses Jubeljahr 2000 auch die Stadt Rom mit all ihren Gliederungen gefordert ist. Dabei werden die organisatorischen Fähigkeiten der Stadt, ihre Infrastruktur und Einrichtungen, ihr ganzes äußeres Bild, die Möglichkeit, eine große Zahl Pilger unterzubringen und ihnen geeignete Verkehrsmittel und andere Hilfsmittel zu garantieren, auf eine harte Probe gestellt. Die Größenordnung dieses Ereignisses und die Tatsache, daß notwendigerweise nicht nur Rom, sondern die Region Latium und ganz Italien miteinbezogen werden müssen, fordern im übrigen eine enge Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Behörden und den Verantwortlichen auf nationaler Ebene, sowie, wenn auch auf andere Art und Weise, zwischen den Verantwortlichen von Kirche und Staat. Je besser sich Rom und Italien auf das Heilige Jahr des dritten Jahrtausends vorbereiten, desto bedeutender werden die positiven Auswirkungen geistiger, sozialer und sogar wirtschaftlicher Art sein, und dies sowohl in bezug auf die innere Entwicklung als auch im Hinblick auf die große Achtung, die unsere Stadt und das ganze Land überall auf der Welt genießen. Dieses spirituelle Ereignis betrifft uns also in vielerlei Weise und spornt uns zu guten Taten an. Dabei sollen wir nicht auf unsere eigenen Kräfte vertrauen, sondern auf die heilbringende Macht, die der Gottessohn in die Welt gebracht hat. 6. Darum danke ich Ihnen, Herr Bürgermeister, und Ihnen, den Vertretern der Kommunalverwaltung, für all das, was Sie zur Erreichung dieser Zielsetzungen bisher getan haben und weiterhin tun werden. Diese Bemühungen sind Teil der mannigfaltigen Aufgaben, die Ihr Amt mit sich bringt. Jeden Tag wird von Ihnen verlangt, uneigennützig Ihre Kompetenz zur Verfügung zu stellen und dem Gemeinwohl zu dienen, wobei Entscheidungskraft stets mit großer Dialogbereitschaft gepaart sein muß. Ich bin Ihnen verbunden mit meinen Ermutigungen und meinem Gebet. Ihnen, Ihren Familien und der ganzen Stadt Rom, die Ihrer Verantwortung an vertraut ist, wünsche ich ein frohes und friedensreiches Jahr. 627 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christusnachfolge ist untrennbar persönlich und gemeinschaftlich Ansprache beim Empfang für die Fokolare-Bewegung und die ihr freundschaftlich verbundenen Bischöfe anläßlich ihres jährlichen geistlichen Treffens am 16. Februar Ehrwürdige Herren Kardinäle und Brüder im Bischofsamt! 1. Ich empfange euch mit Freude anläßlich des jährlichen geistlichen Treffens, das euch als Freunde der Fokolare-Bewegung in Einheit aus verschiedenen Teilen der Welt zusammenruft. Ein Gebetsgedenken widme ich Bischof Klaus Hemmerle, der viele eurer Treffen angeregt hat, und ich danke Kardinal Miloslav Vlk für seine einleitenden Worte über die Bedeutung und den Wert dieser periodischen Versammlungen, bei denen ihr gemeinsam, als Bischöfe, über die verschiedenen Aspekte der Spiritualität der Fokolare nachdenkt. Wir müssen dem Herrn dafür dankbar sein, daß eine zahlreiche Gruppe von Hirten so unterschiedlicher Herkunft mit dem Wunsch, ihre „effektive und affektive“ Kollegialität zu verstärken, einen Moment engster Einheit mit dem Nachfolger Petri erleben kann. Das trägt auch dazu bei, das Verhältnis zwischen der brüderlichen und der hierarchischen Dimension des Bischofskollegiums ins wahre Licht zu setzen. „Eine gemeinschaftliche oder kollektive Spiritualität“: das Thema des diesjährigen Treffens hat euch dazu gebracht, einen grundlegenden Aspekt der christlichen Berufung zu vertiefen. Der Herr Jesus Christus hat die Jünger nämlich nicht zu einer individuellen Nachfolge aufgerufen, sondern zu einer solchen, die untrennbar persönlich und gemeinschaftlich ist. Wenn dies für alle Getauften gilt, so hat es seine besondere Gültigkeit für jene, die er erwählt hat und „die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten“ (Mk 3,14), d. h. für die Apostel und deren Nachfolger, die Bischöfe. 2. Die Kirche, Abbild der Heiligsten Dreifaltigkeit, ist Geheimnis der Gemeinschaft und Sakrament der Einheit (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Die Gemeinschaft ihrer Mitglieder ist das wesentliche und wichtigste Merkmal, das sie darbietet, damit die Welt an Christus glauben kann (vgl. Joh 17,21). Eins sein in Christus ist sozusagen die erste und bleibende Form der Evangelisierung, die von der christlichen Gemeinde verwirklicht wird. Unsere Zeit erfordert eine neue Evangelisierung. Sie verlangt daher mit besonderer Intensität und Dringlichkeit, dieser ursprünglichen persönlichen und kirchlichen Berufung zu entsprechen: in Christus „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32) zu bilden. Eine erneuerte Verkündigung des Evangeliums kann nicht konsequent und wirksam sein, wenn sie nicht von einer starken Spiritualität der Gemeinschaft 628 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN begleitet wird, die im Gebet, im asketischen Einsatz und im Geflecht der täglichen Beziehungen gepflegt werden muß. 3. All dies, meine Lieben, gewinnt noch größere Bedeutung, wenn man es im Hinblick auf das Jubeljahr 2000 betrachtet. Die Vorbereitung zu diesem Ereignis ist -wie ich in meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente sagte faktisch schon vom II. Vatikanischen Konzil in Gang gesetzt worden (vgl. Nr. 18). Auch diese eure Treffen, die von der Ekklesiologie des Konzils inspiriert sind, haben „einen gewichtigen Beitrag zur Vorbereitung jenes neuen Frühlings christlichen Lebens geleistet, der von dem Großen Jubeljahr offenbar gemacht werden muß, wenn die Christen fügsam sein sollen gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes“ (ebd.). Da ihr euch besonders mit der Spiritualität der Einheit auseinandersetzt, bereitet ihr euch darauf vor, besser mit dem Heiligen Geist zusammenzuarbeiten, dem „göttlichen Sauerteig“ für die Einheit des Volkes Gottes und der ganzen Menschheit. Ich rufe reiche Gaben des Geistes auf euer Treffen herab, wie auch auf einen jeden von euch und eure Tätigkeitsfelder, und spende Euch von Herzen, als Unterpfand dieser erneuerten Gemeinschaft, den Apostolischen Segen. Das Geheimnis der Berufung: Durch Eucharistie und Gebet gestärkt aufbrechen zu Gott Meditative Stegreif-Ansprache beim Besuch im Priesterseminar der Diözese Rom nach Aufführung des Oratoriums „Elia, la parola di fuoco“ unter der Leitung des Komponisten, Msgr. Marco Frisina, in der Kapelle des Römischen Priesterseminars am 25. Februar Da haben wir also ein kleines Manila, ich sage klein, aber es ist derselbe Einsatz, derselbe Geist, derselbe Zweck. Ich sage klein, weil sich hier nicht Millionen eingefunden haben. Doch es müssen ja nicht immer Millionen sein; Jesus genügten jene Zwölf. Sie, jene Zwölf haben dann jene Millionen - ja, wenn man die ganze Geschichte bis heute nimmt - Milliarden wachsen lassen. Ihr habt, wie immer, ein Thema aus der Bibel gewählt. Diesmal ist es der Prophet Elija. Ein großer Prophet, der gleichsam zum Inbegriff aller Propheten Israels geworden ist. Sieht man sich seinen Kampf gegen die falschen Propheten, sein Ringen um die Verehrung des wahren Gottes gegen die falschen Götter an, dann ist er wahrlich eine überragende Prophetengestalt. So brauchen wir uns auch nicht darüber zu wundem, ihn zusammen mit Mose bei der Verklärung Jesu sehen. Als Johannes der Täufer am Jordan auftrat, verglichen ihn die Leute mit Elija, und auch Jesus wurde mit Elija verglichen. Diese Gestalt, die uns soeben in der Komposition unseres Monsignore Marco Frisina durch Wort und Gesang vorgestellt worden ist, vermittelt uns das Geheimnis 629 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Berufung. Elija war mit Sicherheit ein von Gott berufener Mann, und wenn wir auf ihn blicken, können und sollen wir daran denken, daß auch wir von Gott berufen sind: Du wirst von Gott gerufen und ich ebenso. Gott ruft dich, Gott will, daß du dich auf den Weg machst, daß du als Prophet unterwegs bist. Elija war unterwegs, weil ihn Gott auf den Weg schickte. Er war auch unterwegs, wenn er durch Flucht vor seinen Verfolgern Schutz suchen mußte. Immer war er unterwegs, und das vermochte er nur durch die geistliche Kraft, die ihm zuteil wurde. Durch jene heilige Speisung gestärkt, machte er sich immer wieder auf den Weg. Das ist ein Gleichnis, das uns dem Geheimnis der Eucharistie näherbringt. Auch wir machen uns kraft der Speise auf den Weg, die uns Jesus mit seinem Leib und seinem Blut unter den Gestalten von Brot und Wein geschenkt hat. Kraft dieser Speise sind wir unterwegs, wie Elija unterwegs war. Die ganze Kirche ist unterwegs, auf dem Weg zum Gottesberg, so wie Elija sich aufmachte und zum Gottesberg ging, wohin Gott ihn bestellt hatte: Ich warte dort auf dich. Das Bild von der Berufung wird immer vollständiger. Auch wir werden von Gott gerufen, um zu diesem Gottesberg aufzubrechen, uns kraft der eucharistischen Speise auf den Weg zu machen, um Gott zu begegnen, der hier in diesem Seminar, aber nicht nur hier, auf uns wartet. An verschiedensten Orten der Welt gewährt uns Gott diese Begegnung mit ihm. Denn auch wenn es mein Wunsch ist, daß viele in dieses Römische Priesterseminar berufen werden, will ich damit nicht sagen, daß alle in dieses Römische Seminar berufen werden müssen; es gibt sehr verschiedene Berufungen. Das wird etwa in der Vision sichtbar, die unsere Künstler heute Abend durch Wort und Gesang entstehen ließen. Wir danken dafür, so wie es zur Einleitung geschah, mit einem Gebet: Das Seminar muß besonders für die geistlichen Berufe beten. Für jene Berufe, die sich vorbereiten, für jene, die hier ankommen, für jene, die heranreifen, für jene, die dann in den Weinberg des Herrn gehen sollen, um die Früchte hervorzubringen. Und das paßt dann alles sehr gut zu dem Geheimnis des heutigen Tages, denn an diesem letzten Samstag vor Aschermittwoch wird hier in diesem Seminar das Fest Unserer Lieben Frau von der Zuversicht gefeiert. Um sich auf den Weg zu machen, um mutig zu sein, um sich nicht vor falschen Göttern, vor falschen Propheten, vor Verfolgern, vor den eigenen Schwächen zu fürchten, bedarf es einer großen Zuversicht. Es ist gut, daß Unsere Liebe Frau von der Zuversicht in diesem Römischen Priesterseminar gefeiert, verehrt, um Beistand angerufen wird. Ich meine, wir sollten dieser ,Mutter der Zuversicht“ heute innig für all das danken, was dieses Römische Priesterseminar uns geschenkt hat und weiterhin schenkt: für die Priesterberufe, dafür, daß dieses Seminar voll ist, daß so viele Priester und Di-akone geweiht wurden, daß es auch in Zukunft für die Kirche in Rom, für die Kirche in Italien eine Hoffnung gibt. Das alles ist zutiefst verbunden mit Unserer Lieben Frau von der Zuversicht, die hier in diesem Seminar verehrt wird. 630 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich möchte dem nichts mehr hinzufügen, die von mir eben angestellten Betrachtungen sollen genügen. Zum Abschluß darf ich sagen, daß ich mich sehr gern in diesem Seminar aufhalte und gern mit euch zusammentreffe, weil diese Inspiration der Zuversicht, die hier herrscht, auch für mich sehr wichtig ist. Dafür danke ich euch nochmals aus tiefstem Herzen. Danke! Mit hoffnungsvollem Blick dem dritten Jahrtausend entgegen Abschlußworte beim Besuch im Priesterseminar der Diözese Rom an die Kommunität des Römischen Priesterseminars am 25. Februar Nun ist es wohl Zeit für ein abschließendes Wort des Dankes. Stets sehe ich diesem letzten Samstag vor der Fastenzeit erwartungsvoll entgegen, denn die Begegnung in der Kapelle des Römischen Priesterseminars und die anschließende Agape mit euch und euren Oberen ist für mich jedes Jahr ein Ereignis von einzigartiger Bedeutung. In diesem akademischen Jahr konnte ich nicht, wie sonst üblich, im Oktober euer Studienjahr am Seminar eröffnen, aber Gott sei Dank, daß wir uns heute treffen können. An diesem Brauch ist festgehalten worden. Was soll ich am Ende dieser Begegnung sagen? Während ich dem Kardinalvikar, seinem Stellvertreter, eurem Rektor, euren Seminaroberen danke, möchte ich euch nur eines sagen: „Tertio millennio adveniente“ - das dritte Jahrtausend rückt näher. Man sagt, das Priesterseminar sei immer die „pupilla oculi“, der Augenstern, des Bischofs, das heißt das Werkzeug, das Organ, mittels dessen er in die Zukunft schaut. Der Bischof von Rom muß sein Augenmerk auf die Zukunft der Kirche über das Jahr zweitausend hinaus richten. Das Apostolische Schreiben, das mit den Worten „Tertio millennio adveniente“ beginnt, zeigt uns dieses Ziel der Zeit, das Ziel der Heilsgeschichte zweitausend Jahre nach Christus. Aber hier im Römischen Priesterseminar, in dieser Umgebung können wir zusammen mit euch jungen Leuten noch weiter blicken, dem näherrückenden dritten Jahrtausend entgegen, das dieses wundervolle Gotteswerk, welches durch Christus in der Geschichte der Menschheit Wirklichkeit geworden ist, voranbringen soll. Ich wünsche euch, daß ihr aus dieser Inspiration lebt. Ich sehe, daß im Römischen Priesterseminar vieles sehr gut läuft: es gibt Berufungen, das Studium wird ernst genommen, es gibt eine große Zahl von Seminaristenkandidaten aus Rom, aus Italien, ja aus der ganzen Welt. Das sagt uns, daß wir der Zukunft der Kirche von Rom, der katholischen Kirche, der Weltkirche mit Zuversicht entgegenblicken können. 631 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und mit dieser Zuversicht möchte ich unsere Begegnung abschließen, indem ich noch einmal Unserer Lieben Frau von der Zuversicht danke, daß sie uns die Gelegenheit zu diesem Treffen gewährt hat. Danke! Fastenzeit - Zeit der Umkehr und der Versöhnung Predigt bei der hl. Messe in Santa Sabina mit Segnung und Austeilung der Asche am Aschermittwoch, 1. März 1., Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (2 Kor 6,2). Mit diesen Worten wendet sich der Apostel Paulus am Aschermittwoch an uns in dieser Liturgie, die wir nach einer jahrhundertealten Tradition in der Basilika Santa Sabina auf dem Aventin feiern. Hierher sind wir in Bußprozession von der Basilika Sant’Anselmo gezogen und haben dabei wie jedes Jahr das Miserere gesungen: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, / tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen! / Wasch meine Schuld von mir ab, / und mach mich rein von meiner Sünde! / Denn ich erkenne meine bösen Taten, / meine Sünde steht mir immer vor Augen. / Gegen dich allein habe ich gesündigt, / ich habe getan, was dir mißfällt. ... / Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, / und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 51/50,3-6.12). Mit diesem Bußpsalm sind wir auf dem Aventinhügel den Weg von Sant’Anselmo nach Santa Sabina gegangen. Und nun sind wir bei der Feier des Wortgottesdienstes, in dem wir zuerst den Propheten Joel, dann den Apostel Paulus und schließlich den Evangelisten Matthäus gehört haben. Die Worte des Evangeliums sind die direkte Einleitung zum Bußritus des Aschenauflegens: „Bedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ (vgl. Gen 3,19). Bedeutsam ist jedoch die Tatsache, daß die nach-konziliare Liturgie neben diesen Worten aus dem Buch Genesis auch die zweite Variante „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15) eingeführt hat. 2. Während ich wie jedes Jahr die Aschermittwochsliturgie feiere, kommt mir die polnische Tradition zur Fastenzeit in den Sinn, die seit dem siebzehnten Jahrhundert in einem besonderen Gebet Ausdruck findet, dem Gebet der „bitteren Reue. Gestattet mir, diesmal die Worte wiederzugeben, die ich schon als Kind gehört und gesungen habe; sie bleiben mir tief ins Gedächtnis geprägt: „Komm, bittere Reue, / durchdringe unsere Herzen. / Zerfließt, meine Augen! / Brecht hervor, Quellen betrübter Tränen! / Die Sonne, die Sterne schwinden, / bedecken sich mit Trauer. / Es weinen betrübt die Engel, / wer kann ihr Leid sagen? / Die Felsen verhärten sich, / aus den Gräbern erheben sich die Toten. / Ich frage: 632 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Was ist, was geschieht? / Die ganze Schöpfung ist bestürzt! / Angesichts des Schmerzes der Passion Christi erfüllt uns eine unsagbare Reue! / Jesus, zerbrich ohne Zögern / die harten Felsen unserer Herzen! / Lösche die Glut meiner Leidenschaften, / wenn ich in den Abgrund deiner Passion eintrete.“ Man muß sagen, daß diese Dichtung aus der Barockzeit erschüttert. Und ich denke, das Gebet der „bitteren Reue“ ist eine große Dichtung. Es ist ein großes Gebet vor allem wegen der Intensität des religiösen Erlebnisses und dann auch wegen der Einfachheit, mit der das menschliche Empfinden sich vor die Passion Christi stellt und sich bewußt wird, daß diese ein großer „göttlicher Abgrund“ ist, der in den Abgmnd unserer Herzen tritt: „Abgrund ruft dem Abgrund zu“ (vgl. Ps 42/41,8). Diese inspirierten Worte des Psalms scheinen vollkommen dem zu entsprechen, was die Kirche in der Fastenzeit, angefangen beim Aschermittwoch, lebt. 3. Paulus schreibt im Korintherbrief „Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,20-21). Will das nicht gerade heißen: „Abgrund ruft dem Abgrund zu“? Gott, der seinem Sohn die Last der Sünden der ganzen Menschheit aufbürdet, ihm die Sünden von uns allen auflädt - dieser Gott erscheint uns als ein wahrer „Abgrund“; eine unauslotbare „Tiefe“ der Liebe, die rechtfertigt, die vergibt, die den Menschen erneuert. Der Mensch kann einem solchen Ruf gegenüber nicht gleichgültig bleiben. Vor diesem Hintergrund erklingen kraftvoll Christi Worte, die im Matthäusevangelium zur Praxis des Almosengebens, des Betens und des Fastens ermahnen, zu den Akten der Buße also, die zu der heute beginnenden Fastenzeit gehören. Christus sagt: „Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen. Übt sie im Verborgenen, damit euer Vater im Himmel euch sieht“ (vgl. Mt 6,1-8). Während dieser Zeit der Buße ist es wichtig für uns, zu einer besonderen Vertrautheit mit Gott zu gelangen: Gott, der unser Vater ist, Gott, der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern - wiederholen wir es noch einmal - ihn für uns zur Sünde gemacht hat, damit wir in ihm Rechtfertigung von unseren Sünden finden könnten“ (vgl. 2 Kor 5,21). 4. Die Fastenzeit ist Vorbereitung auf Ostern. Wir treten in den ,Abgrund der Passion Christi“ ein; wir nähern uns seinem Kreuz, jenem Kreuz, an dem er sein Leben für unsere Sünden hingegeben hat; wir nähern uns, um am Ende des vierzigtägigen Fastens die Freude der Auferstehung zu erfahren. Heute schon künden die Worte des Psalms sie an: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, / und gib mir einen neuen, beständigen Geist! / Mach mich wieder froh mit deinem Heil; / mit einem willigen Geist rüste mich aus! / Herr, öffne mir die Lippen, / und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden“ (Ps 51/50,12.14.17). 633 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche Roms und das große Jubiläum im Jahre 2000 Ansprache an Kardinal Ruini, Generalvikar für die Diözese Rom, die Bischöfe, Pfarrer und Priester des römischen Klerus am 2. März Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Pfarrer und Priester des römischen Klerus! 1. Es ist für mich eine große Freude, euch heute zu Beginn der „starken Zeit“, nämlich der Fastenzeit, zu begegnen, wie es ein schöner und familienhafter Brauch ist. Ich grüße euch alle herzlich und richte ein besonderes Wort an den lieben Kardinal Camillo Ruini, den Generalvikar für die Diözese Rom, an den Vizeregenten und die Weihbischöfe. Ich danke euch für die Beiträge und die interessanten Fragen, die ihr gestellt habt. Sie betreffen vor allem das große Jubiläum des Jahres 2000, das für alle eine von der Vorsehung bestimmte Einladung bildet, unserem Glauben an das Wort Gottes, das im Schoße Mariens um unseres Heiles willen Fleisch wurde, neuen Auftrieb zu geben. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich die Bedeutung des kommenden Jubiläums dargelegt und die großen Abschnitte des Weges aufgezeigt, der uns zu diesem historischen Ereignis hinführen soll. Die heutige Begegnung und eure Fragen bieten mir Gelegenheit zu einer ganz besonderen Überlegung der Aufgaben, welche die Kirche Roms für dieses bedeutende Ereignis hat. Gewiß wird die Feier des Heiligen Jahres 2000 nicht nur in Rom, sondern auch an anderen besonders bedeutsamen Orten stattfinden, wie etwa im Heiligen Land und in den Ortskirchen der ganzen Welt (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 55). Doch wird Rom in jedem Fall das Zentrum und Herz der großen Feier bilden und Ziel einer sehr großen Zahl von Pilgern sein. Die Kirche Roms ist daher aufgerufen, bei dieser Gelegenheit jenes Beispiel“ zu geben, das sie als Sitz des Petrus und seiner Nachfolger auszeichnen muß. Es genügt nämlich nicht, denen, die zum Jubiläum hierherkommen, die Möglichkeit zur Bewunderung des Glanzes der großen historischen Wahrzeichen des christlichen Roms zu bieten. Vor allem muß das lebendige Zeugnis der Gemeinschaft der Gläubigen geboten werden, also einer Ortskirche, die konkret an der universalen Sorge ihres Bischofs teilnimmt und stets bereit ist, die in allen Teilen der Welt verbreiteten Einzelkirchen beim gemeinsamen Bemühen um die Nachfolge Jesu, um das Lob Gottes und den Dienst der Nächstenliebe zu unterstützen. 2. Das geistliche Erbe der Apostel Petrus und Paulus, das im Verlauf der Jahrhunderte durch eine große Schar von heiligen Männern und Frauen gehütet und vermehrt wurde, muß auch heute fruchtbar gemacht werden und den Strömungen der Entchristlichung widerstehen, die sich gegen Rom und die ganze Menschheit wenden. In den kommenden Jahren, die zunächst der Vorbereitung und dann der Feier des großen Jubiläums dienen, muß daher die Kirche Roms weiter und vertieft ih- 634 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ren Weg der Erneuerung fortsetzen, in ihrem Inneren in der Gemeinschaft wachsen, nach außen hin aber in ihrer missionarischen Dynamik, damit die Pilger, die hier zusammenströmen, Rom als eine große und moderne Stadt erfahren, die zwar mit zahlreichen Problemen zu leben hat, aber nicht ihre eigene christliche Identität verlieren darf, diese vielmehr neu in für unsere Zeit charakteristischen Lebensformen anbieten muß. Die Diözesansynode, die wir vor kurzem abgeschlossen haben, war von Anfang an als eine Schule gedacht, die in Rom das II. Vatikanische Konzil auf heute anzuwenden lehrte und im Zusammenhang damit als Vorbereitung des Jubiläums des dritten Jahrtausends dienen konnte. Das Pastoralprogramm, das die Synode in die Praxis umzusetzen sucht, gilt in den beiden Jahren 1994-1996 hauptsächlich der Pfarrei als Träger der neuen Evangelisierung, und ist schon deswegen ein geeigneter und gangbarer Weg, uns auf das Jubiläum vorzubereiten. Liebe Priester und Hebe Pfarrer, gerade die Pfarrei und ihre Aufgaben verdienen im Hinblick auf das Heilige Jahr unsere besondere Aufmerksamkeit. In den Pfarreien vor allem stellt sich die Diözese dar und lebt von ihnen. Das erfordert aber, daß die Pfarrgemeinden und an erster Stelle die Priester, die mit ihrer pastoralen Betreuung beauftragt sind, sich wohl bewußt sind, was es bedeutet, der Kirche Gottes, die in Rom ist, anzugehören und an ihrer universalen Sendung teilzuhaben. 3. Euer pastoraler Einsatz wird gewiß die Wege finden, diesem Empfinden für die Zusammengehörigkeit und Teilnahme praktischen Ausdruck zu geben. Bei diesen Wegen steht an erster Stelle eine Katechese, welche die Einzigartigkeit und Berufung der Kirche Roms darzustellen und verständhch zu machen versteht, wie es im ersten Teil des Buches der Synode klar und deutlich formuhert ist. Die Katechese muß dann zu konkreten Handlungen kirchlicher Liebe hinführen, hinter der die Logik des Gebens, aber auch die des Empfangens steht, mit anderen Worten der Austausch der Gaben, zumal unter den römischen und anderen Pfarreien oder auch Diözesen, die ihrer Verbindung mit der Kirche Roms einen besonders konkreten Ausdruck geben möchten. Im Hinblick auf die Feier des großen Jubiläums sind nicht nur die Pfarreien im historischen Zentrum, sondern auch die der verschiedenen Randgebiete der Stadt aufgerufen, sich für einen angemessenen Empfang der Pilger und Besucher bereit zu machen, damit diese christliche Gemeinden vorfinden, die beten, die nach dem Wort Gottes leben und es verbreiten und gemeinsam das Zeugnis einer tatkräftigen Liebe geben. Dort, wo es möglich ist, sollen sich die Pfarreien bemühen, den Pilgern gasthche Aufnahme zu bieten, sich auch nicht auf die praktischen und materiellen Aspekte zu beschränken, sondern ihre Gastfreundschaft mit Elementen der Glaubenserfahrung und kirchHcher Brüderlichkeit zu bereichern. Es ist im übrigen klar, daß die Pfarreien mit den großen chrisüichen Gedenkstätten Roms von dem Ereignis des Jubiläums in besonderer Weise aufgerufen sind und sich mit ganzem Eifer dafür einsetzen sollen, daß den Zeugnissen der Vergangenheit die heutige Lebenskraft ihrer Gemeinschaften entspricht und den Pilgern ein 635 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geistlich und kulturell hochstehender Kontakt mit den heiligen Stätten und Denkmälern erleichtert wird. Schon in den jetzigen Jahren der Vorbereitung kann das Bewußtsein, welch großes Geschenk die Zugehörigkeit zur Kirche Roms ist, und welche Aufgaben daraus folgen, in den Gläubigen unserer Pfarreien durch Führungen zu den bedeutendsten Stätten der christlichen Geschichte gesteigert werden. Diese Führungen sind mit einer entsprechenden Katechese vorzubereiten, die auch die geschichtlichen und künstlerischen Dimensionen umfaßt und in liturgischen Feiern oder besonderen Gebetsgottesdiensten gipfelt. So wird jene Integration zwischen Peripherie und Zentrum der Stadt erleichtert, die Rom auch unter pastoralem Gesichtspunkt objektiv braucht. 4. Wie wir gut wissen, liebe Pfarrer und Priester, ist unsere Diözese von Gott mit einer besonders zahlreichen und bedeutsamen Präsenz von Ordenshäusem, Klöstern des kontemplativen Lebens und neuen Formen des gottgeweihten Lebens wie auch mit Laien verbänden und -bewegungen gesegnet. Von ihnen erwarten wir einen besonderen Beitrag beim Werk der Neuevangelisierung und Heiligung dieser Stadt durch Gebet, Einführung in den Glauben und Dienste der Nächstenliebe, besonders von den Laien aber die christliche Gestaltung der irdischen Wirklichkeiten. So werden die Präsenz und der vielfältige Einsatz der Ordensmänner und Ordensfrauen in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Pfarreien in der Einheit der Diözesangemeinschaft kräftig zur Vorbereitung Roms auf das große Jubiläum beitragen. Ein Großteil der Tätigkeiten und Initiativen, die die Pfarreien im Hinblick auf das Heilige Jahr durchführen sollen, von der Katechese bis zur Aufnahme der Pilger und der Erschließung der christlichen Gedenkstätten, können im übrigen auch von den Instituten des gottgeweihten Lebens und Laiengemeinschaften führend übernommen werden. 5. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich unter anderen die ökumenische Dimension und den interreligiösen Dialog beim kommenden Jubiläum betont. Auch unter diesen beiden Gesichtspunkten ist der Kirche Roms eine besondere Sendung anvertraut. Sie, die im katholischen Bereich bei der Einheit ihrer Schwesterkirchen den Vorsitz führt, muß das Beispiel einer nicht geringeren Fürsorge auf dem Weg zur vollen Einheit aller Jünger Christi geben. Die Diözesansynode bot mit der Teilnahme von Bruder-Delegierten der anderen christlichen Bekenntnisse einen wichtigen und fruchtbaren Beitrag für weitere Entwicklungen auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft. Jetzt geht es darum, unermüdlich weiter den Einsatz für die Ökumene als pastorale Prioritäten der Diözese beizubehalten und damit die Samenkörner der Hoffnung reifen zu lassen, die schon ausgesät sind. Das Verhältnis zu den jüdischen Brüdern, die in Rom auf eine viel ältere Anwesenheit als die der Christen zurückschauen können, muß bei diesem Jubiläum 636 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ebenfalls deutlich hervortreten, so daß den Festlichkeiten im Heiligen Land angemessene in Rom entsprechen. Auch der Dialog mit dem Islam und den östlichen Religionen muß hier in Rom wirksam vorbereitet werden und wird das Siegel der Echtheit in dem Maße erhalten, wie wir mit der Gnade des Herrn weiter und intensiver die Mitglieder dieser Religionen brüderlich, großherzig und achtungsvoll aufnehmen, die auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensmöglichkeiten nach Rom kommen und ihre Erwartungen und ihr Vertrauen zumal auf die katholische Kirche richten. Liebe Pfarrer und Priester, in Rom darf sich niemand als Fremder fühlen: Dies ist eine goldene Regel für die würdige Feier des dritten Jahrtausends der Geburt dessen, der „für uns Menschen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen ist“. Doch gerade um fähig zu werden, allen das Herz und die Tore der Stadt zu öffnen, müssen wir uns um den „lebendigen Stein“ scharen, welcher der Herr Jesus Christus ist (vgl. Petr 2,4-5); wir müssen das Lebensband mit Ihm neu festigen, vertiefen und, falls nötig, wiederherstellen, sei es persönlich, sei es als Gemeinschaft des ganzen Volkes Gottes, das sich in Rom befindet. Meine Lieben, ich danke euch für alles, was ihr mit der Gnade des Herrn für die Vorbereitung des großen Jubiläums des Jahres 2000 tut. Ich bin sicher, daß ihr weiter in voller Übereinstimmung und Gemeinschaft mit dem Kardinalvikar, dem Vizegerenten und den Weihbischöfen arbeitet. Ich versichere euch meines ständigen Gedenkens im Gebet, rufe über eure Personen und euren priesterlichen und pfarrlichen Dienst den mütterlichen Schutz Marias „Heil des Römischen Volkes“ herab und segne euch alle von ganzem Herzen. Unser Fasten soll das Fasten Jesu in der Wüste vergegenwärtigen Predigt in der römischen Pfarrei Santa Maria del Soccorso am ersten Fastensonntag, 5. März 1. ,3t ne nos inducas in tentationem..." („Und führe uns nicht in Versuchung ...“). Am vergangenen Mittwoch haben wir mit der Aschermittwochsliturgie erneut den Weg durch die Fastenzeit begonnen. Durch die Auflegung der Asche auf das Haupt der Gläubigen erinnert die Kirche an die grundlegende Wahrheit über den Menschen, die in den Worten des Buches Genesis enthalten ist: „Bedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ (vgl. Gen 3,19). Anstelle dieser Formel sieht die Liturgie auch eine andere, aus dem Neuen Testament genommene vor: ,3ekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Die zweite Ermahnung hebt die Tatsache hervor, daß die Fastenzeit eine Zeit besonders intensiver Evangelisierung ist. Es sind die vom Evangelisten Markus aufgeschriebenen Worte, mit denen Jesus von Nazaret seine messianische 637 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verkündigungstätigkeit eröffnet. Auf diesen Beginn lenken auch die Lesungen des heutigen ersten Fastensonntags unsere Gedanken. Nachdem er in den Wassern des Jordan die Taufe empfangen hat, begibt Jesus sich in die Wüste. Wir lesen bei Lukas: „Erfüllt vom Heiligen Geist, verließ Jesus die Jordangegend. Darauf führte ihn der Geist vierzig Tage lang in der Wüste umher ... Die ganze Zeit über aß er nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger“ {Lk 4,1-2). Gerade der Hunger bietet den Anlaß zu der ersten Versuchung, der der Mensch Jesus von Nazaret sich aussetzte, um das Werk unserer Erlösung zu beginnen. Es ist sehr wichtig, über die Tatsache nachzudenken, daß Jesus, der eingeborene Sohn des Vaters und zugleich wahrer Mensch, diese Versuchung auf sich nimmt. Deqenige, der sich am Ufer des Jordan in die Reihe der Sünder gestellt hatte, um von Johannes die Bußtaufe zu empfangen, zeigt in der Wüste, daß er durch eine tiefe Solidarität mit dem sündigen Menschen die Menschheit von der Sünde befreien will. Gerade deshalb akzeptiert er auch die Erfahrung des Versuchtwerdens. Denn der Mensch sündigt, weil er den vielen sich ihm bietenden Versuchungen erliegt. 2. Die evangelischen Berichte beschreiben die Versuchungen Jesu in der Wüste und stellen sie zu der dreifachen Begierde in Bezug, die nach der Lehre des hl. Johannes Antrieb zur Sünde ist (vgl. 1 Joh 2,16): die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz. Im Lukastext, den wir vorhin gehört haben, nimmt der Versucher auf diese drei Begierden Bezug. Zunächst nimmt er Bezug auf die Begierde des Fleisches. Der Satan nützt den Umstand aus, daß Jesus vom Hunger erschöpft ist, um ihm folgenden Gedanken einzugeben: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden“ {Lk 4,3) - selbstverständlich um deinen Hunger zu stillen. Es geht hier um ein natürliches Bedürfnis, das nichts Verwerfliches, an sich hat. Dennoch verleiht der Satan dem natürlichen Bedürfnis nach Nahrung den Charakter der Versuchung. Deshalb lehnt Christus den scheinbar gutgemeinten Ratschlag ab und entgegnet mit den Worten der Schrift: „In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot“ {Lk 4,4). 3. Die folgende Versuchung entspricht dem, was der hl. Johannes „die Begierde der Augen“ nennt. Der Versucher führt Jesus hinauf; er zeigt ihm in einem Augenblick alle Reiche der Erde und spricht: „All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben ... Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören“ (Lk 4,6-7). Beim Menschen geht die Begierde der Augen mit dem Verlangen oder vielmehr der Gier nach Besitz einher. An und für sich ist der Besitz von Gütern etwas vom Schöpfer für den Menschen Gewolltes; seit Anbeginn hat er ihm die sichtbare Welt anvertraut und gesagt: Unterwirf dir die Erde! (vgl. Gen 1,28). Allerdings wird das berechtigte Verlangen nach den Gütern, die der Mensch zum Leben braucht, durch die Begierde in Gier nach Besitz verwan- 638 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN delt, in Sucht des Besitzens, um zu besitzen, um so viel wie möglich zu haben, um alles zu haben. Dieses „Haben wird wichtiger als das Sein“, wie das Konzil zu Recht bemerkt hat (Gaudium et spes, Nr. 35). Das ist eine große Versuchung für den Menschen, der nach der Erbsünde verwundet und geschwächt ist. Sie ist besonders stark in unserer Epoche, die in einem bisher unbekannten Maß die Gier nach Besitz im Menschen entwickelt hat. Jesus weist auch diese Versuchung zurück und bedient sich dabei der Worte aus der Heiligen Schrift: „In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Lk 4,8). In seiner Antwort nimmt Jesus keinen Bezug auf den Besitz, aber er enthüllt den Zweck, zu dem der Versucher diesen mißbrauchen wollte: jemand anderem als Gott zu dienen und ihn anzubeten. Denn wenn der Mensch die Dinge dieser Welt ohne Habsucht besitzt und damit Gott und dem Nächsten dient, ist dies ein Zeichen, daß er die Besitzgier besiegt hat. 4. Kommen wir nun zu der dritten Versuchung, von der das heutige Evangelium berichtet. Der Satan führt Jesus nach Jerusalem. Er stellt ihn oben auf den Tempel und sagt zu ihm: „Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich zu behüten ... Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“ {Lk 4,9-11). Diese Versuchung entspricht dem, was der hl. Johannes das Prahlen mit dem Besitz nennt, eine Versuchung, die auf vielerlei Art in den Menschen ihre Befriedigung sucht. Um Jesus zu Fall zu bringen, zitiert der Versucher Psalm 91. Er verschleiert das Böse hinter dem Anschein grenzenlosen Vertrauens in die göttliche Vorsehung mit einem sicheren Effekt der Bewunderung durch die Menschen: „Schaut! Er hat sich vom höchsten Punkt des Tempels hinabgestürzt, und es ist ihm nichts passiert ...!“ Man muß zugeben, daß die Falle allzu offensichtlich ist. Der Satan, schon zweimal mit den Worten der Heiligen Schrift geschlagen, versucht seinerseits, sich der Schrift zu bedienen, aber er zieht sich dadurch einen endgültigen Urteilsspruch zu: „Die Schrift sagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen“ {Lk 4,12). Dieser Satz kann in einem doppelten Sinn verstanden werden: Erstens bedeutet er, daß es nicht erlaubt ist, den Herrn zu versuchen, um die eigene Prahlerei zu befriedigen; zweitens bekräftigt Jesus mit diesem Verbot, daß er als Gott jede Versuchung des Satans besiegen kann. 5. Liebe Brüder und Schwestern der Pfarrei Santa Maria del Soccorso, ich freue mich, euch heute zu treffen und mit euch diesen ersten Fastensonntag zu feiern. Ich danke dem Herrn, der mir die Möglichkeit gibt, heute meine Pastoralbesuche in den Pfarrgemeinden der Diözese wiederaufzunehmen. Herzlich grüße ich den Kardinalvikar und den zuständigen Bischof. Ich grüße euren Pfarrer und den Pfarrvikar, die sich, obschon sie keine Priester aus Rom sind, voll in die Realität des Ortes mit seiner Geschichte und seinen aktuellen Problemen integriert haben. Ich grüße auch alle anderen Priester, die besonders an 639 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sonntagen in der Pfarrei helfen. Ein besonderer Gedanke geht zu den „Suore Sa-cramentine“ (Anbetungsschwestem des hist. Sakraments) von Bergamo, deren Präsenz in der Pfarrei Santa Maria del Soccorso auf die Anfänge des Viertels zurückgeht. Getragen von der Liebe des eucharistischen Christus, haben sie sich in den vergangenen sechzig Jahren vor allem der Ausbildung der Mädchen und der Betreuung der Kinder im Kindergarten und in der Grundschule gewidmet. Sie arbeiten jedoch am gesamten Leben der Gemeinschaft mit in der Absicht, diese immer mehr zu einer lebendigen, um Christus vereinten Familie zu machen. Ich grüße die Mitglieder der verschiedenen Vereinigungen, Bewegungen und Gruppen im Dienst des Apostolats. Alle ermutige ich, der Vertiefung des Wortes Gottes große Wichtigkeit beizumessen und hochherzig mit den Priestern für die Verbreitung des Evangeliums im ganzen Viertel zusammenzuarbeiten. Meine besondere Aufmerksamkeit gilt den jungen Leuten, die ich einlade, das Sakrament der Firmung als grundlegende Etappe ihres christlichen Wachstums zu betrachten. Vergeßt aber nicht, liebe junge Christen, daß dieser Weg des Glaubens und des Gemeinschaftslebens hochherzig und beharrlich gegangen werden muß. Dabei sollt ihr euch bemühen, eure Umwelt beim Studium, bei der Arbeit und bei den vielen sportlichen und freiwilligen Tätigkeiten, denen ihr euch widmet, mit dem Licht des Evangeliums zu erhellen. Ich erwarte euch am 6. April im Vatikan bei dem Jugendtreffen zur Vorbereitung des Weltjugendtages, den wir an Palmsonntag feiern werden. 6. „Et ne nos inducas in tentationem.“ Liebe Brüder und Schwestern! Jesus hat uns gelehrt, zum Vater auch mit diesen Worten zu beten: ,Führe uns nicht in Versuchung.“ Der heutige erste Fastensonntag stellt in mehrfacher Hinsicht eine besondere Verbindung zu dieser im Gebet des Herrn enthaltenen Bitte her. Denn heute wird uns erneut das vierzigtägige Fasten angeboten, wodurch die Kirche das Fasten Jesu in der Wüste vergegenwärtigt. Vor allen Dingen aber werden wir an den Zweck des Fastens erinnert, nämlich den Kampf gegen die Sünde und die Überwindung der Versuchungen verschiedener Art, die das Leben des Menschen bedrohen. Die Versuchungen kommen vom Teufel, aber auch - wie die Kirche lehrt - von der verdorbenen Welt und unserer schwachen Natur, die nach der Erbsünde mehr dem Bösen als dem Guten zugeneigt ist. Die Welt ist als Geschöpf Gottes schön und gut. Unter dem Einfluß Satans und aufgrund unserer Schwäche ist sie jedoch vielerlei Verfälschungen unterworfen, die dem Menschen wegen des Stachels der Sünde, der als Folge des Sündenfalls in ihm geblieben ist, zum Verhängnis werden können. Diese Schwäche wird auch vom Versucher ausgenützt, den das Evangelium „Lügner und ... Vater der Lüge“ (Joh 8,44) nennt. Das lehrt uns die Liturgie des heutigen ersten Fastensonntags. Sie zeigt uns zugleich das Hauptmittel, mit dem jeder von uns die Versuchungen besiegen kann. Dieses Mittel ist das Gebet. Denn das Gebet ist Anrufung des Namens des Herrn. Und der hl. Paulus schreibt in seinem Brief an die Römer: „Jeder, der den Namen 640 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Herrn anruft, wird gerettet werden“ {Rom 10,13). Machen wir uns daher die Worte des Apostels wie auch die Worte des Psalms zu eigen: „Du bist für mich Zuflucht und Burg, / mein Gott, dem ich vertraue“ (Ps 91,2). Allen wünsche ich diese Vertrautheit mit Gott, dieses Gebet, das alle Versuchungen des Lebens zu besiegen und zu überwinden imstande ist. Solidarisch mit den Ausgegrenzten und den Kranken Brief an den Generalprior der Barmherzigen Brüder, Fra Pascual Piles, aus Anlaß der Fünfhundertjahrfeier der Geburt des hl. Johannes von Gott, vom 8. März An den Ehrwürdigen Bruder Fra Pascual Piles Generalprior des Hospitalordens vom hl. Johannes von Gott 1. Es ist mir eine Freude, mich an alle Mitglieder des Hospitalordens (der Barmherzigen Brüder) anläßlich der Fünfhundertjahrfeier der Geburt seines verehrten Gründers, des hl. Johannes von Gott, wenden zu können. Ich tue dies gern, weil ich noch einmal die Größe dieses Mannes unterstreichen möchte wie auch die Sendung, die seine Söhne und diejenigen, die mit ihnen Zusammenarbeiten, zugunsten der Armen und der Bedürftigen weiterführen. Johannes von Gott war ein großer Heiliger der Kirche des 16. Jahrhunderts, und das Zeugnis seines Lebens bleibt auch in heutiger Zeit aktuell. Er war ein Mensch, der stark von der Gnade des Herrn berührt wurde, ein Mensch, der keinen Widerstand gegen die göttliche Gnade leistete. Unter der Führung seines geistlichen Leiters, des hl. Johannes von Avila, bemühte er sich mit ganzem Einsatz, in seinem Leben den Willen Gottes hochherzig zu erfüllen. Er mußte auch die Erfahrung machen, daß man ihn für verrückt hielt und in das Königliche Hospital von Granada in Spanien einlieferte. Er verließ jenen Ort mit dem Vorsatz, ein eigenes Hospital aufzubauen, das alternativ zu der damals angebotenen Pflege sein sollte. Dort sollten die Armen, die Kranken und alle anderen, die sich an der Pforte meldeten, mit Menschlichkeit und Feingefühl behandelt werden, und gleichzeitig sollte man ihnen das Heil in Jesus Christus anbieten. In seinem Werk als Barmherziger Samariter wurde ihm von vielen Wohltätern geholfen, die sein Engagement teilen und sich in seinem Apostolat einsetzen wollten. Nachts, wenn er sich auf den Weg machte, um im spanischen Granada um Almosen zu bitten, ertönte sein Ruf: ,,Brüder, tut euch selbst Gutes!“ Dies war der Anfang seiner Gründung, die sich immer mehr ausweitete, bis sie zur Zeit seines Todes die stattlichen Ausmaße eines Hospitals mit 150 Betten erreicht hatte. 641 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Johannes von Gott wird der „Heilige der Nächstenliebe“ und „Vater der Armen“ genannt, weil er sich wirklich mit den Ausgestoßenen identifizierte und ihnen mit wahrer Liebe seine besten Kräfte widmete. Sein Apostolat war nicht auf jene beschränkt, die zu seinem Haus kamen, sondern es erstreckte sich auch auf jene, die auf den Straßen der Stadt ihr Dasein fristeten. Allgemein bewunderte man seine Fähigkeiten als Friedensstifter und Versöhner, sowohl zwischen Rivalen - seine ersten Gefährten waren zwei Feinde, die einander tödlich haßten - als auch zwischen Menschen, die ein schändliches Leben führten. Ich hoffe, daß diese Fünfhundertjahrfeier dazu dient, das Wirken Gottes im Gründer und in seinen Nachfolgern und Bewunderern zu vertiefen. Nur auf Gott vertrauend, gründete der Heilige eine Gemeinschaft von Brüdern im Dienste der Nächstenliebe, damit sie seine Mission der Fürsorge für die Kranken zeitlich und räumlich weiter ausdehnen sollten. 2. Seit dem 16. Jahrhundert arbeiten die Barmherzigen Brüder in der Kirche als einer der ersten Laienorden. Seit dem Beginn des Ordens gibt es auch einige Brüder, die zu Priestern geweiht sind, um den Bedürfnissen des Apostolats gerecht zu werden, aber alle Mitglieder werden Brüder genannt. Dieser Name ruft uns die große Wirklichkeit der Bruderschaft ins Gedächtnis zurück: Brüder, um die Brüderlichkeit zu fördern! Es ist dies eine wunderschöne Verpflichtung, und jedes Mitglied des Ordens ist aufgerufen, sie vollkommen zu verwirklichen. Ich möchte auch die Ordensberufung der Laienbrüder hervorheben, wie sie das Zweite Vatikanische Konzil definiert hat (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 10 a) und wie sie in dem Dokument ,3rüder in Ordensgemeinschaften von Laien“ dargestellt ist, das von der Kommission der Generaloberen der Ordensgemeinschaften von Laien herausgegeben wurde, wie ferner auch die jüngste Synode über das Ordensleben dieses Thema behandelt hat. Ich selbst habe diese Berufung in meiner Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation fiir die Ordensleute und die Säkularinstitute am 24. Januar 1986 mit den Worten bekräftigen wollen: „Auf diese Weise ist das Ordensleben der Laien in der Kirche als Ausdruck voller Hingabe für das Reich Ausdruck der Heiligkeit der Braut Christi und trägt auf wirksame und originale Weise zur Entfaltung der Sendung der Kirche in der Evangelisierung und in den vielfältigen Diensten des Apostolats bei. Man kann sich das Ordensleben in der Kirche nicht ohne das Vorhandensein dieser besonderen Berufung der Laien denken, die auch heute so vielen Christen offensteht, die sich in ihr der Nachfolge Christi und dem Dienst an der Menschheit widmen können“ (O.R.dt21.3.1986, S. 11). Dem Beispiel des Gründers folgend, sind die Brüder des Hospitalordens zu einer universalen Gemeinschaft mit allen Menschen aufgerufen. Ich will noch weiter gehen: Die Ordensgemeinschaft ist nicht dem Evangelium gemäß, wenn sie nicht universal ist. Der gottgeweihte Bruder ist ein Mensch, der fähig ist, in seiner eige- 642 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen geistlichen Erfahrung alle Mittel zu finden, die notwendig sind, um brüderliche Beziehungen zu allen Menschen zu entfalten. Der Bruder ist berufen, das Charisma der freundlichen Aufnahme und der Solidarität, das diesem Orden eigen ist, zu entwickeln und seinen Dienst großzügig und hilfsbereit mit Freude und Liebe gegenüber allen Bedürftigen zu verrichten und sich dabei in jeder Lebenslage als Bruder unter Brüdern zu fühlen, vor allem unter denen, die in unserer Gesellschaft weniger gelten. 3. Ich kenne den gewaltigen Einsatz, mit dem eure Institution die ihr von der Kirche aufgetragene Sendung weiterführt, um den professionellen, ethischen und pflegerischen Anforderungen unserer Zeit in einer technisierten Gesellschaft gerecht zu werden, die oft durch den Verlust von menschlichen und christlichen Werten gezeichnet ist. Bei alldem ist es notwendig, daß jeder den Geist des Gründers immer lebendig erhält, entsprechend der Botschaft der vorigen Generalleitung an alle Brüder: „Johannes von Gott lebt durch alle Zeiten weiter.“ Es ist mir ein Trost zu wissen, daß viele Brüder in den Entwicklungsländern tätig sind und daß einige von ihnen in schwierigen, durch Krieg und Gewalt verursachten Situationen gelebt haben oder noch leben, durch Gottes Gnade aber mit derselben Treue geantwortet haben, die seinerzeit schon die Mitbrüder, die den Märtyrertod erlitten, ausgezeichnet hat. Es handelt sich zweifellos um eine schwierige Mission, aber wie wichtig ist sie in einer Zeit, in der die Menschenrechte manchmal mißachtet werden! Im letzten Dokument über „Die Neuevangelisierung und die Hospitalität an der Schwelle zum dritten Jahrtausend“, das von den Mitgliedern des Kapitels verfaßt wurde, hat der Orden die Notwendigkeit einer neuen Evangelisierung in der heutigen Gesellschaft wahrgenommen und die Absicht bekundet, diese in den Dienst einer neuen Hospitalität im Stil des hl. Johannes von Gott zu stellen. Ich freue mich über den Elan, mit dem die Brüder des Hospitalordens sich diesem Apostolat in den verschiedenen Kontinenten widmen. 4. Es ist bekannt, daß in diesem Orden ein Verhältnis zu den Mitarbeitern aufrechterhalten wird, das über das rein Vertragliche weit hinausgeht, indem aus einer Pflegegemeinschaft eine wirkliche Familie gebildet wird, gegründet auf den Geist des Evangeliums und auf die Rechte der menschlichen Person, der man dient. Ebenso lobenswert ist das Engagement, womit auf praktischer und theoretischer Ebene das Dokument „Mitbriicler und Mitarbeiter vereint, um dem Leben zu dienen und es zu fördern“ durchgeführt wurde. Trotz der unvermeidlichen Schwierigkeiten darf man vom persönlichen Einsatz bei dieser Arbeit nicht ablassen. Dieser Einsatz muß mit Festigkeit und Beständigkeit und voll Gottvertrauen fortgeführt werden. Der hl. Johannes von Gott, der hl. Riccardo Pampuri und alle Seligen des Ordens werden sicherlich diese Initiativen segnen. 5. Ich wünsche, daß dieses Jubiläumsjahr zum Nachdenken über das Leben des heiligen Gründers, über seine Briefe und über die Konstitutionen anregt und daß 643 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN es vor allem dazu dient, die dem Orden eigene Spiritualität zu vertiefen und das menschliche Leben zu verteidigen und brüderlicher zu machen, damit dem Kranken, dem Armen und dem Bedürftigen besser geholfen werden kann. Mit diesen Wünschen im Herzen spende ich Ihnen und allen Mitgliedern des Hospitalordens den Apostolischen Segen als freudiges Unterpfand für reichliche Gaben des Himmels. Aus dem Vatikan, 8. März 1995 Joannes Paulus PP. II Derselbe Glaube verbindet uns mit den orientalischen Kirchen Ansprache zum Abschluß der geistlichen Exerzitien im Vatikan am 11. März Liebe Brüder! Wir wollen dem Herrn danken für diese Woche, welche die Vorsehung uns als geistliche Exerzitien, aber auch als geistliche Erholung gewährt hat: „Venite seor-sum.“ Diese vatikanische Tradition der geistlichen Exerzitien vor dem zweiten Fastensonntag, wo man die Verklärung des Herrn auf dem Berg Tabor in Erinnerung ruft, ist wohl überlegt. Es ist ein Sonntag der Verklärung, und auch dies sind Exerzitien der Verklärung. Vielleicht gefällt es unserem geistlichen Leiter, Pater Spid-lik, denn die Verklärung ist sehr wichtig, ja beinahe vorrangig in der orientalischen Tradition. Also passen diese Woche und dieser Abschluß am Samstag vor der Verklärung gut zueinander. Wir danken unserem geistlichen Leiter für vieles. Vor allem danken wir ihm für die Fragen, die er sich zu Beginn der Exerzitien gestellt hat: keine Behauptungen, sondern Fragen. In dem Büchlein, das er uns vorgelegt hat, schreibt er: „Aber kann man voraussetzen, daß eine solche Umkehr möglich ist, wenn man alljährlich Exerzitien macht?“ Er hat die Umkehr nicht in Frage gestellt, er hat nicht bezweifelt, daß der Zweck der geistlichen Exerzitien immer die Bekehrung ist, aber er hat das Ausmaß dieser Umkehr in Frage gestellt, denn es gibt einmal die entscheidende, endgültige Bekehrung, aber dann kommen die Exerzitien, wo man die grundlegende und hauptsächliche Bekehrung vertieft. Er schreibt weiter: „Man ersetzt sie dann immer mit der Fortbildung ...“ Also keine Exerzitien, sondern Fortbildung. Ich könnte Pater Spidlik sagen, daß seine Arbeit nicht allein in Weiterbildung bestand, und doch ist es auch eine Fortbildung. Sie hat uns ein wenig auf den heutigen Stand gebracht, während er über Themen sprach - die orientalische, byzantinische und russische Spiritualität -, die unter uns vielleicht weniger behandelt werden. Alles war angereichert mit Zitationen, 644 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hinweisen auf diese Theologen, auf diese Väter, diese Schriftsteller einer längst vergangenen Epoche des ersten Jahrtausends und auch unserer Zeit, bis zu Solo-viev, der in unseren geistlichen Übungen vielleicht am häufigsten zitiert wurde. Dafür danken wir ihm herzlich; wir danken ihm auch im Namen unserer guten ökumenischen Absichten. Wir wollen unseren orientalischen, byzantinischen und russischen Brüdern wirklich immer näher kommen, denn wir sind tief davon überzeugt, daß uns derselbe Glaube verbindet. Beide Traditionen sind sehr reich und nützlich für die Kirche, aber der Glaube ist derselbe. Zum Schluß danken wir auch für alles, was er uns mit großer Einfachheit dargelegt hat. Oftmals sprach er mit Humor, und in diesen Exerzitien fehlte auch das Lächeln nicht. Das ist ein gutes Zeichen! Ich darf sagen, daß er meine kommenden Verpflichtungen gut eingeführt hat, weil man aufgrund seiner tschechischen Herkunft an seinem Akzent die Muttersprache erkennen konnte, in der er täglich zu sprechen gewohnt ist. Es ist gut, bei den Italienischsprechenden die verschiedenen Sprachen herauszuhören. Also danken wir ihm für alles. Danken wir ihm vor allem dafür, daß er dieses Büchlein für uns vorbereitet hat. Alle Fastenprediger veröffentlichen nach den Exerzitien eine Broschüre darüber. Das ist sehr nützlich. Aber das Büchlein ist noch nützlicher, weil es uns bei den Exerzitien hilft und wir danach leicht darauf zurückgreifen und den ganzen Reichtum an Gedanken finden können, mit denen wir uns in diesen gesegneten Tagen beschäftigt haben. Es ist reich an Ideen, reich für diese Woche. Wir hörten, daß der Prediger uns noch viel mehr zu sagen gehabt hätte, viel mehr als das, was man vielleicht in diesen sieben Tagen hätte aufnehmen können. Es ist gut, daß dieses Büchlein bleibt; so können wir auf diese Seiten zurückgreifen, um die behandelten Themen zu vertiefen. Jetzt ein kleines Lob für unseren geistlichen Führer, der es verdient, weil er es schon durch einen Akt der Demut zu Beginn und am Ende der Exerzitien vorweggenommen hat. Natürlich danken wir alle dem Herrn für dieses Geschenk der geistlichen Exerzitien, die er uns gewährt hat. Wir wollen zum Schluß wie immer das Magnificat singen, um unsere Freude und unseren Dank auszudrücken. 645 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konferenz über katholisch-lutherische Beziehungen Graßwort an die Teilnehmer des vom Internationalen Birgitten-Zentram veranstalteten ökumenischen Symposions am 14. März Eminenzen, Exzellenzen, liebe Freunde in Christus! 1. Es ist mir eine große Freude, mit den Teilnehmern an der Konferenz über katholisch-lutherische Beziehungen zusammenzukommen, die im Internationalen Birgitten-Zentram in Farfa stattgefunden hat. Ich freue mich, Kardinal Ratzinger und Kardinal Cassidy, Bischof Jonas Jonson von der Lutherischen Kirche in Schweden, die Mitglieder der wissenschaftlichen Kommission des Zentrums mit ihrem Vorsitzenden, Professor Peder Nörgaard-Höjen, und Mutter Tekla, die Generaläbtissin des Erlöserordens, begrüßen zu können. Drei Tage lang haben Sie über den katholisch-lutherischen Dialog nachgedacht, wie er sich während der letzten drei Jahrzehnte seit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils entwickelt hat, über den bisher gemachten Fortschritt, über die Herausforderungen, denen es sich noch zu stellen gilt, und über Aussichten für die Zukunft. 2. Wir müssen gewiß dem allmächtigen Gott dankbar dafür sein, daß während der letzten dreißig Jahre viel getan wurde, um die trennenden Schranken zu überwinden und die wesentlichen, grundlegenden Bande der Einheit, die schon zwischen uns bestehen, zu stärken. Das ist die Fracht des theologischen Dialogs und der praktischen Zusammenarbeit. Ihre Konferenz war eine Gelegenheit, genauer zu untersuchen, was bei diesem Annäherangsprozeß bereits zustande kam. Eine sehr bedeutsame Stufe des Dialogs wurde erreicht, als die Rechtfertigungslehre im Mittelpunkt der Überlegungen stand, und wir dürfen mit Vertrauen dem Dokument entgegensehen, an dem Lutheraner und Katholiken nun intensiv arbeiten und das darauf abzielt, das gemeinsame Verständnis dieses zentralen Themas unseres Glaubens darzulegen. 3. Alle diese Entwicklungen sind ein starkes Anzeichen für die Tatsache, daß das, was wir gemeinsam haben, viel mehr ist als das, was uns trennt. Und doch sind wir uns alle bewußt, wie schwierig es praktisch sein kann, den Realitäten, die uns einen, ihr richtiges Gewicht beizumessen und nicht mehr nach tief eingewurzelten Gewohnheiten die Punkte zu betonen, die der vollen, sichtbaren Einheit noch entgegenstehen, so wichtig diese auch sind. Im Blick auf das näherrückende neue christliche Jahrtausend möchte ich Sie ermutigen, Ihre Bemühungen um das Vorankommen auf dem Weg echten ökumenischen Verstehens zu verdoppeln, damit wir das Große Jubeljahr, „wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht“ feiern können, „der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). 4. Unsere heutige Begegnung bietet mir die Gelegenheit, Ihnen und all denen zu danken, die auf verschiedenen Ebenen und auf verschiedene Weise daran arbeiten, 646 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieses Ziel zu erreichen, und die ihre Zeit, ihre Gedanken und ihr theologisches Wissen in den Dienst der christlichen Einheit stellen. Wenn wir auf das blicken, was schon erreicht wurde, dann haben wir allen Grund, der Zukunft mit einem im Glauben gründenden Vertrauen entgegenzusehen. Ein solches Vertrauen ist gerechtfertigt, denn wir haben die Zuversicht, daß der Herr selbst, der das gute Werk in uns begonnen hat, es auch vollenden wird (vgl. Phil 1,6). Sein Friede und seine Liebe seien mit Ihnen! Die Bibel und die Einheit der Christen Grußwort an das Regionalkomitee Europa - Mittlerer Osten des Weltbundes der Bibelgesellschaften am 16. März Liebe Freunde! Mit Freude entbiete ich den Mitgliedern des Regionalkomitees Europa - Mittlerer Osten des Weltbundes der Bibelgesellschaften einen herzlichen Willkommensgruß. Die Tatsache, daß Sie hier in Rom versammelt sind, gibt uns diese Gelegenheit, uns zu treffen und erneut die Bedeutung des Dienstes zu bestätigen, den Sie dem Bibelapostolat leisten. Ihre Anwesenheit erinnert an das, was das Zweite Vatikanische Konzil über die Rolle des Wortes Gottes in bezug auf die Einheit der Christen sagte. Das Konzilsdekret über den Okumenismus sagt uns, daß die Heilige Schrift „ein ausgezeichnetes Werkzeug in der mächtigen Hand Gottes (ist), um jene Einheit zu erreichen, die der Erlöser allen Menschen anbietet“ (Unitatis redintegratio, Nr. 21). Da das Bereitstellen und Verbreiten geeigneter Bibelausgaben eine Vorbedingung für das Hören des Gotteswortes ist, arbeitet die katholische Kirche auf diesem Gebiet gern mit Ihnen zusammen. Die Gemeinschaftsveröffentlichung über interkonfessionelle Zusammenarbeit bei der Bibelübersetzung Richtlinien flir eine interkonfessionelle Zusammenarbeit bei der Übersetzung der Bibel bestätigt und veranschaulicht das. Die guten Beziehungen zwischen dem Weltbund der Bibelgesellschaften und der Katholischen Bibelföderation sind ebenfalls sehr ermutigend. In Europa und im Mittleren Osten gehört die Teilnahme orthodoxer Christen an den Tätigkeiten des Weltbundes der Bibelgesellschaften unmittelbar in den Arbeitsbereich Ihres Komitees. Das ist ein vielversprechender Schritt vorwärts auf dem Weg der ökumenischen Zusammenarbeit. Für alles bisher Erreichte wollen wir Gott danken, der „den Duft der Erkenntnis Christi an allen Orten verbreitet“ (2 Kor 2,14). Es ist nun fast ein Jahr her, seitdem der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen das überarbeitete Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Okumenismus veröffentlichte. Es heißt darin: „Die Hochachtung der Heiligen Schrift ist ein grundlegendes Band der Einheit zwischen den Christen ... Alles, was getan werden kann, damit die Mitglieder der Kirchen und kirchlichen 647 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaften das Wort Gottes lesen, und zwar wenn möglich gemeinsam,... all das bekräftigt das Band der Einheit, das sie schon eint, öffnet sie dem einheitsstiftenden Handeln Gottes und bekräftigt das gemeinsame Zeugnis für das heilbringende Wort Gottes, das sie der Welt geben“ (vgl. Nr. 183). Wir stehen nun schon nahe vor dem dritten christlichen Jahrtausend, und die ungeheuren Nöte der Menschheit drängen uns, auf den festen Felsen der göttlichen Offenbarung, das Evangelium, zu bauen, die „Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1,16). Weil die fehlende Einheit unter den Christen noch immer ein Hindernis bildet für das Wachsen des Gottesreiches, darum müssen wir um so eifriger daran arbeiten, daß das Gebet des Herrn Wirklichkeit wird: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21). Der gleiche Heilige Geist, der uns drängt, das Wort Gottes mit Ehrfurcht zu hören und mit Vertrauen zu verkünden (vgl. Dei verbum, Nr. 1), ist auch der Eine, der in den Herzen der Jünger Christi ein immer stärkeres Verlangen nach Einheit weckt. Möge das unser Ziel, unser Gebet und unsere feste Hoffnung sein! Gottes reichsten Segen Ihnen und dem Werk, dem Sie sich mit solcher Hingabe widmen, um sein Wort zu verbreiten! Meisterwerke der Filmkunst - Herausforderungen für den Geist des Menschen Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 17. März Eminenzen, Exzellenzen, liebe Freunde in Christus! 1. Es ist mir stets eine Freude, mit den Mitgliedern des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel anläßlich eurer Vollversammlung zusammenzutreffen. Ich grüße euren emeritierten Präsidenten Kardinal Deskur und danke Erzbischof Foley für seine Einführungsworte. Als eine der ersten sichtbaren Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils verdient euer Rat meine ganz besondere Dankbarkeit. Der Päpstliche Rat hat in den letzten drei Jahrzehnten den jeweiligen Päpsten bei der Ausübung ihres Amtes einen großen Dienst erwiesen, indem er die päpstliche Unterweisung und die pastoralen Initiativen des Papstes einem breiten, internationalen Publikum katholischer und anderer Religionszugehörigkeit zugänglich machte. Aber noch bemerkenswertere Anerkennung verdient der Päpstliche Rat für die Anleitung und Anregung für einzelne Katholiken und Institutionen, die in der breit gefächerten und vielschichtigen Welt der Medien tätig sind. Da die Kirche zur Verkündigung der Frohbotschaft der Erlösung in Jesus Christus besteht, darf sie es nicht versäumen, jenen großartigen Einrichtungen der Massenkommunikation besondere Aufmerksamkeit zu schenken, die die geniale Geisteskraft des Menschen geschaffen hat und die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Ein- 648 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN flußnahme auf des Menschen Geist wirkungsvolle Mittel geistiger und kultureller Förderung sein können und sollten (vgl. Inter mirifica, Nr. 1). 2. In diesem Jahr liefert ein wichtiges Jubiläum Elemente der Reflexion für eure Plenarversammlung. Ich denke an das hundertjährige Bestehen der Kinematographie. Bekanntlich war dieser Anlaß ausschlaggebend für das Thema des diesjährigen Welttags der sozialen Kommunikationsmittel: „Der Kinofilm Kulturträger und Wertangebot.“ Dieses Jubiläum ist für euch von besonderer Bedeutung, nicht nur weil euer Rat für die Filmothek des Vatikans verantwortlich ist, sondern auch und insbesondere, weil es eure spezielle Aufgabe ist, die Präsenz der Kirche in der Welt des Films zu fördern. Seit der ersten öffentlichen Filmvorführung durch die Brüder Lumiere im Dezember 1895 in Paris ist die Filmindustrie zu einem universalen Medium geworden, das die Entfaltung der menschlichen Verhaltensweisen und Entscheidungen tief beeinflußt und über eine bemerkenswerte Fähigkeit verfügt, öffentliche Meinungen und Kulturen über alle sozialen und politischen Grenzen hinweg zu beeinflussen. Im allgemeinen beurteilt die Kirche diese Kunstform, wie alle echte Kunst, positiv und zuversichtlich. Wir haben gesehen, daß Meisterwerke der Filmkunst ergreifende Herausforderungen für den Geist des Menschen sein können und fähig sind, auf eingehende Weise Themen zu behandeln, die vom ethischen und geistiggeistlichen Standpunkt aus von großer Bedeutung und Wichtigkeit sind. Bedauerlicherweise verdienen einige Filmproduktionen jedoch Kritik und Mißbilligung, sogar schwere Kritik und Mißbilligung. Das ist der Fall, wenn Filme die Wahrheit verfälschen, wirkliche Freiheit unterdrücken oder Sex- und Gewaltszenen enthalten, die die Würde des Menschen verletzen. Viele Filmemacher glauben irrtümlicherweise, dazu im Namen künstlerischer Freiheit befugt zu sein. Freiheit ist ein unteilbares menschliches Gut, das nicht mißbraucht werden darf, um sittlich Schlechtes zu rechtfertigen oder unwürdiges Verhalten reinzuwaschen, insbesondere im Hinblick auf das unkritische Verhalten, mit dem die meisten Menschen die starke und überwältigende Einflußnahme der Filmwelt hinnehmen. Durch Förderung und Anerkennung von Filmen, die den Menschen innerlich stärken und aufrichten sowie durch Verurteilung der Produktion und des Konsums von Filmen, die menschliche Verdorbenheit schildern und zu billigen scheinen, versucht die Kirche nicht, künstlerische Kreativität einzuschränken, sondern vielmehr schöpferisches Talent freizusetzen und es anzuregen, nach den höchsten Idealen dieser Kunstform zu streben. 3. Wirklicher Kunst geht es um das Wahre, Gute und Schöne. Ihr Zweck muß sein, dem ganzheitlichen Wohl und der Entwicklung derer zu dienen, an die sie sich wendet. Ich erinnere mich an die Worte, die die Väter des II. Vatikanischen Konzils während der Abschlußtagung an die Künstler richteten: „Diese Welt, in der wir leben, braucht Schönes, um nicht in Hoffnungslosigkeit zu versinken. Es ist das Schöne, das wie das Wahre die Herzen der Menschen mit Freude erfüllt; es ist 649 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jene kostbare Frucht, die der Abnutzung der Zeit standhält, die Generationen verbindet und sie voll Bewunderung der Dinge teilhaftig werden läßt.“ Wir müssen derweil hoffen, daß dieses hundertjährige Jubiläum die Filmindustrie in aller Welt auf irgendeine Weise veranlassen wird, über ihr Potential nachzudenken und ihre große Verantwortung wahrzunehmen. Die Kirche, die stets eine Förderin des Besten in Kunst und Kultur war, ist verpflichtet, die sittliche Qualität dieser vielleicht unmittelbar einflußreichsten aller Kunstformen zu fördern. Ihr habt als Mitglieder des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel ebenso wie die Vertreter der internationalen katholischen Medienorganisationen die Aufgabe und die Verantwortung, die sittliche Einsicht zu festigen und zu fördern, die dieser Kunst wahren Gehalt und inspirierende Aussagekraft verleiht. So wird der Film ein zunehmend positiver Faktor in der Entwicklung eines jeden sein und eine Anregung für das Gewissen der gesamten Gesellschaft, wie es bei vielen wertvollen Produktionen der Fall war in diesen ersten hundert Jahren der Filmkunst. 4. Eure Vollversammlung befaßt sich auch mit anderen wichtigen Fragen, insbesondere mit der Rolle und der Verantwortung engagierter Laien in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen sowie im sich rasch entwickelnden Gebiet elektronischer Kommunikation. Eure Bemühungen müssen im wesentlichen auf die Unterstützung und Anleitung der in diesen Berufen tätigen Katholiken ausgerichtet sein und der Kirche helfen, ihnen auf stets wirkungsvollere Weise bei der täglichen schwierigen Aufgabe als wahre Vermittler von Kultur und Werten dienlich zu sein. 5. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß sich dieses Jahr zum 20. Mal die weltweiten Satellitenübertragungen der zu Weihnachten und Ostern gefeierten Gottesdienste des Papstes j ähren, die unter der organisatorischen Leitung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel und durch die Großzügigkeit der Kolumbusritter verwirklicht werden konnten. Indem ich meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringe, bete ich dafür, daß Gott all diejenigen belohnen wird, die durch ihre Bemühungen dieses wichtige Apostolat unterstützt haben. Möge euch der allmächtige Gott in dem Vorsatz bestärken, durch eure Tätigkeiten im Bereich der sozialen Kommunikationsmittel dem Evangelium des Lebens und der Liebe zu dienen. Mögen eure Mühen reiche Früchte der Wahrheit, der Güte und Solidarität in diesem besonderen Bereich des kirchlichen Evangelisierungsauftrags bewirken. Ich vertraue euch alle der Fürsprache Marias, der Mutter des Erlösers, und eures Schutzheiligen Franz von Sales an. Als Zeichen meiner Hochachtung und geistigen Verbundenheit erteile ich gerne meinen Apostolischen Segen. 650 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Sakrament der Versöhnung - Forderung und Förderung Ansprache bei der Audienz für die Apostolische Pönitentiarie, die Beichtväter an den römischen Patriarchalbasiliken und die Teilnehmer des diesjährigen Kurses über das „forum intemum“ in der Sala Clementina am 18. März 1. Meinem Herzen stets lieb ist die Begegnung mit den Gläubigen jedes sozialen und kanonischen Standes in dieser kostbaren und doch familiären Wohnung im Vatikan neben dem „tropaeum“ des Fischers aus Galiläa: hier, wo er heute verherrlicht ist, einst aber das Martyrium erlitt - auch in dessen Form mit dem Heilsopfer des Erlösers vereint. Denn die universale Vaterschaft Petri und seiner Nachfolger ist vor allem anderen im Kreuz verwurzelt, und kraft des Kreuzes ist sie fruchtbar für das ewige Leben. Besonders groß ist aber meine Freude, wenn die Kinder, die kommen, um „videre Petrum“ (Petrus zu sehen), Priester und Priesteramtskandidaten sind. Denn sie sind kraft der Sendung, die ihnen aufgetragen wurde - oder es bald sein wird -, der Sorgen, der Freuden, der Schmerzen, der Hingabe der Mutter Kirche teilhaftig, die, indem sie die Erlösungswirksamkeit des Kreuzes anwendet, in den Gläubigen, ja im ganzen Menschengeschlecht, die göttliche Gabe der Bekehrung und Heiligkeit wirkt. Daher sage ich dem Herrn dank für die heutige Begegnung mit euch, Mitglieder der Apostolischen Pönitentiarie, Beichtväter der römischen Patriarchalbasiliken und liebe junge Neupriester oder kurz vor der Weihe stehende Seminaristen, die ihr mit Erfolg an dem üblichen Studienkurs über das „forum intemum“ an der Pönitentiarie teilgenommen habt. Ich möchte diese Gelegenheit wahmehmen, um eine in den entsprechenden Ansprachen der vergangenen Jahre entfaltete Meditation fortzuführen und das unerschöpfte Thema des Sakraments der Versöhnung in weiteren Aspekten zu behandeln. 2. Der Priester als Spender des Bußsakraments soll sich bei dieser erhabenen und wesentlichen Aufgabe Jesus zum Beispiel nehmen: den Lehrer der Wahrheit, den Seelenarzt, den feinfühligen Freund, der nicht so sehr tadelt, sondern vielmehr ermahnt und ermutigt, den gerechtesten und edelsten Richter, der das Innerste des Gewissens kennt und dessen Geheimnis bewahrt. Christus gleichgestaltet, soll der Beichte hörende Priester sein Gespräch mit dem Pönitenten mit einem begründeten Wunsch beschließen können, in dem das grenzenlose Erbarmen des Herrn widerhallt: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8,11). Im Hinblick auf diese dauerhafte Besserung des Pönitenten soll der Beichtvater ihm einerseits Gründe zu vernünftigem und übernatürlichem Vertrauen liefern, die seine Seele bereit machen, die Absolution fruchtbringend zu empfangen, und die Fortdauer der guten Vorsätze in einem heiter christlichen Leben gewährleisten; 651 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN anderseits soll er ihm eine angemessene Genugtuung oder Buße auferlegen, deren erster Zweck es ist, die von der Sünde der Majestät Gottes, des Schöpfers, Herrn und Gesetzgebers, zugefügte Beleidigung in dem der menschlichen Begrenztheit möglichen Maß wiedergutzumachen; sie soll sodann als geistliche Medizin zusammen mit dem genannten Vertrauen die guten Vorsätze durch Tugenden stärken und überhaupt zur Übung der Tugenden führen und dabei mit der im Sakrament der Buße zurückgewonnenen oder vermehrten heiligmachenden Gnade Zusammenwirken, die auch gegen die härtesten Versuchungen guten Schutz bietet. Was das Vertrauen betrifft, das in dem Pönitenten in bezug auf seine Zukunft geweckt werden soll, ist zu bedenken, daß bei dem Prozeß der Rechtfertigung, der vom Konzil von Trient mit bewundernswerter Klarheit dargelegt wurde, sowohl die Furcht als auch die Hoffnung mitwirken müssen: sie sich - wenn sie erken- nen, daß sie Sünder sind, und sich von der Furcht vor der göttlichen Gerechtigkeit, durch die sie heilsam erschüttert werden, zur Besinnung auf die Barmherzigkeit Gottes bekehren - zur Hoffnung aufrichten im Vertrauen darauf, daß Gott ihnen um Christi willen gnädig sein werde“ (Konzil v. Trient, 6. Sitzung, Kap. 6: Den-zinger-Schönmetzer, 1526). 3. Aus Übermaß an Vertrauen - wenn man so sagen kann - erzielen einige keine positive und dauerhafte Besserung, obwohl sie wahrheitsgemäß und genau beichten, weil der nicht überwundene Hochmut sie dazu bringt, allzusehr auf sich selbst zu vertrauen, oder - was viel schlimmer ist - auf sich selbst anstatt auf die Gnade Gottes zu vertrauen. Das umgekehrte, aber gleichermaßen schlimme Phänomen ist bei denen der Fall, die der Gnade Gottes zwar den gebührenden Platz geben, jedoch leichtfertig glauben, sie ohne die Antwort und das Mitwirken erhalten zu können, die Gott vom Menschen verlangt. Aus Mangel an Vertrauen nähern sich dagegen einige überhaupt nicht dem Sakrament der Buße, oder bringen, wenn sie sich ihm nähern, nicht die notwendige Bereitschaft mit, damit der Ritus wirksam mit der Absolution zum Abschluß gebracht werden kann. Denn sie glauben sich, von ihrer Vergangenheit über die eigene Schwäche belehrt, künftiger Sünden gewiß und verlieren den Mut, weil sie irrigerweise die verstandesmäßige Beurteilung - sagen wir ruhig: die Aussicht auf weitere Sünden - mit dem Willen, zu sündigen, und mit dem augenblicklichen Fehlen des aufrichten Vorsatzes, nicht zu sündigen, identifizieren; sie sagen daher dem Beichtvater, daß sie nicht in der gebührenden Weise bereit sind. Es wäre wirklich traurig, wenn auch der eine oder andere Beichtvater in diesen Irrtum verfiele, der auch ein Zeichen für eine geringe Kenntnis der menschlichen Seele ist. Diesen extremen Haltungen muß der Beichtvater ein geeignetes Gegenmittel entgegensetzen: Die Überheblichen möge er zur Demut anhalten, die der Wahrheit entspricht, nach der Ermahnung des Gotteswortes: „Wer zu stehen meint, der gebe acht, daß er nicht fällt“ (1 Kor 10,12) und „müht euch mit Furcht und Zittern um euer Heil“ (Phil 2,12). Denen, die wie gelähmt sind von einem Vertrauensmangel, der nicht die gebotene heilsame Furcht ist, sondern blockierende Angst, erkläre er, 652 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß das Bewußtsein der eigenen Schwäche nicht gleichbedeutend ist mit deren Billigung, sondern zur Reaktion Antrieb geben kann und soll, denn auch das ist Gotteswort: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (2 Kor 12,9). Ein Verweis darauf, daß der Glaube die Möglichkeit lehrt, die Sünde mit Hilfe der Gnade zu vermeiden (vgl. Konzil v. Trient, 6. Sitzung, Kan. 18: Denzinger-Schönmetzer, 1568), wird hier nicht fehl am Platze sein. 4. Was die heilsame Buße betrifft, die auferlegt werden soll, ist das notwendige Kriterium das eines rechten Maßes und vor allem einer weisen Gegenübersetzung zu den vergebenen Sünden und somit der Angemessenheit in bezug auf die spezifischen Bedürfnisse des Pönitenten. Wir wollen auch hier die Ermahnung der Hl. Schrift hören: „Verlaß dich nicht auf die Vergebung, füge nicht Sünde an Sünde“ (Sir 5,5). Und was die Struktur des Sakraments betrifft, zu dem die Buße als integrierender Bestandteil gehört, wollen wir das Konzil von Trient hören: „Wer leugnet, daß zur vollständigen und vollkommenen Vergebung der Sünden drei Akte beim Büßenden gleichsam als Materie des Bußsakramentes erforderlich sind, nämlich die Reue, das Bekenntnis und die Genugtuung, welche die drei Bestandteile der Buße genannt werden; oder sagt, es gebe nur zwei Bestandteile der Buße, nämlich die dem Gewissen nach Erkenntnis der Sünde eingejagten Schrecken und der aufgrund des Evangeliums oder der Lossprechung empfangene Glaube, mit dem man glaubt, daß einem durch Christus die Sünden vergeben sind: der sei mit Anathema belegt“ (Denzinger-Schönmetzer, 1704). An Hand dieser Lehren und in Erwägung einerseits der Ökonomie der Gnade, die das Tun des Menschen begleitet, stützt und hebt, und anderseits der Gesetze der menschlichen Psychologie zeigt sich klar, daß die sakramentale Genugtuung vor allem Gebet sein muß: Denn das Gebet ist Lobpreis Gottes und Verabscheuung der Sünde als Ihm zugefügte Beleidigung; es bekennt die Bosheit und Schwäche des Sünders, bittet demütig und mit Zuversicht um Hilfe im Bewußtsein der Unfähigkeit des Menschen zu jeder heilsamen Tat, sofern nicht die übernatürliche Hilfe des Herrn ihn dazu befähigt (vgl. Konzil v. Trient, 6. Sitzung, Kan. 1, Denzinger-Schönmetzer, 1551), um die man gerade im Gebet bittet. Doch, wenn man um etwas bittet, bedeutet das, daß man die theologische Hoffnung hat, es zu erhalten, und damit erfährt man gewissermaßen die Güte Gottes und erzieht sich zum Gespräch mit Ihm. Der Beichtvater wird dafür Sorge tragen, dem Pönitenten zu helfen, dies alles zu verstehen, wenn dieser über bescheidene geistliche Mittel verfügt. Es ist somit klar, daß man neben einem in gewissem Sinn quantitativen Verhältnis zwischen der begangenen Sünde und der zu leistenden Genugtuung den Grad der Frömmigkeit, die geistliche Bildung, ja die Verständnis und Aufnahmefähigkeit und eventuell die Tendenz zu Skrupeln des Pönitenten berücksichtigen muß. Während man daher die sakramentale Buße nutzen soll, die Gläubigen zum Gebet anzuregen, wird man sich in der Regel auch an das Prinzip halten müssen, 653 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß besser eine geringe, aber mit Inbrunst verrichtete Buße ist als eine große, die nicht oder mit Unlust verrichtet wird. 5. Wenn die Buße nicht nur in Gebeten, sondern auch in Werken bestehen soll, muß man solche wählen, mit denen der Pönitent sich erfolgreich in der Tugend üben kann und bezüglich dieser neben dem mit der Gnade eingegebenen übernatürlichen Habitus auch eine natürliche Neigung erwirbt und solchermaßen leichter das Gute tut und das Böse meidet. Üblicherweise hat in diesem Fall eine gewisse „Wiedervergeltung“ zur Anwendung zu kommen, gewissermaßen eine „Medizin des Gegenteils“, welche besonders dann notwendig oder zumindest nützlich ist, wenn die Sünde Grundgüter geschädigt hat: Beispielsweise könnte für das heute leider so verbreitete Verbrechen der Abtreibung eine angemessene Buße im Einsatz für den Schutz des Lebens und in der Hilfe für es bestehen gemäß allen Formen, die die Liebe hinsichtlich der Bedürfnisse der einzelnen wie der Gesellschaft auszudenken vermag; eine geeignete Buße für die Sünden gegen die Gerechtigkeit, die heute die Beziehungen unter den Menschen so sehr vergiften und die Gesellschaft verseuchen, könnte - die Rückgabe des unrecht erworbenen Gutes vorausgesetzt - das Übermaß der Liebe sein, welches das Ausmaß des dem Nächsten zugefügten Schadens überschreitet nach dem Vorbild des Zachäus, der zu Jesus sagte: „Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück“ (Lk 19,8); und es wird nicht schwierig sein, wenn man sich von den Kriterien des Glaubens leiten läßt, entsprechende Bußen für die anderen Sünden zu finden. An diesem Punkt wird eine Reflexion über eventuelle körperliche Bußen nützlich sein. Während feststeht, daß auch die körperliche Buße im allgemeinen angebracht, ja heilig ist, erinnere ich daran, daß im Katechismus der Katholischen Kirche diese Art Bußen in bezug auf das Sakrament der Versöhnung unter dem Begriff „Fasten“ zusammengefaßt werden (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1434). In der Tat ist außer in Fällen von Krankheit oder Schwäche eine vernünftige Beschränkung der Nahrung normalerweise möglich - und noch löblicher, wenn für das, was man der eigenen Befriedigung entzieht, ein entsprechender Betrag Werken der Nächstenliebe zugute kommt. Doch ist von seiten des Beichtvaters alle Vorsicht nötig, bevor er peinigende Bußpraktiken auferlegt oder auch einfach erlaubt. Gelegenheit zu großzügiger Buße bietet auf diesem Gebiet die Arbeit, besonders die körperliche, die ja eine erzieherische Wirkung für den Körper besitzt, wobei es keine Rolle spielt, ob die Arbeit aus beruflicher Verpflichtung oder freiwillig verrichtet wird: Denn der Schöpfer selbst hat dem ersten Menschen und allen Menschen die Arbeit als Buße verordnet: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ (Gen 3,19). Die Arbeit ist nämlich an und für sich keine Verdammnis - die Menscheimatur braucht sie sogar als notwendiges Mittel zur Ent- 654 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wicklung und zur Hebung, da sie aber wegen der Sünde mit Mühe verbunden ist, erhält sie für den, der sie verrichtet, auf übernatürliche Weise den Wert der Buße. 6. Diese Gedanken, die ich unmittelbar euch Audienzteilnehmem mitteile, jedoch allen Priestern der Welt vorlege, da in der Kirche die Reflexion über die im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente bekanntgemachten Themen des Hl. Jahres bereits begonnen hat, wollen in der Kirche immer schon vorhandene, doch für das kommende Jubiläum besonders bedeutsame Mittel und Ziele unterstreichen. Zusammen wollen wir jetzt Jesus, den ewigen Priester, bitten, daß er uns Klarheit des Urteils und pastorale Liebe für eine immer hochherzigere Hingabe im Dienst der Buße an allen Brüdern verleihe. Unterpfand dieser erbetenen Gnade sei für euch alle der Apostolische Segen, den ich euch von Herzen gerne erteile. Evangelium vitae Enzyklika über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens vom 25. März Einführung 1. Das Evangelium vom Leben liegt der Botschaft Jesu am Herzen. Von der Kirche jeden Tag liebevoll aufgenommen, soll es mit beherzter Treue als Frohe Botschaft allen Menschen jeden Zeitalters und jeder Kultur verkündet werden. Am Beginn des Heils steht die Geburt eines Kindes, die als frohe Nachricht verkündet wird: „Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,10-11). Gewiß ist es die Geburt des Erlösers, die diese „große Freude“ ausstrahlt; aber zu Weihnachten wird auch der volle Sinn jeder menschlichen Geburt offenbar, und die messianische Freude erscheint so als Fundament und Erfüllung der Freude über jedes Kind, das geboren wird (vgl. Joh 16,21). Den zentralen Kern seines Erlösungsauftrags stellt Jesus mit den Worten vor: , Jch bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Tatsächlich bezieht Er sich auf jenes „neue“ und „ewige“ Leben, das in der Gemeinschaft mit dem Vater besteht, zu der jeder Mensch im Sohn durch das Wirken des heiligmachenden Geistes unentgeltlich gerufen ist. Doch eben in diesem „Leben“ gewinnen sämtliche Aspekte und Momente des Lebens des Menschen ihre volle Bedeutung. Der unvergleichliche Wert der menschlichen Person 2. Der Mensch ist zu einer Lebensfülle berufen, die weit über die Dimensionen seiner irdischen Existenz hinausgeht, da sie in der Teilhabe am Leben Gottes sel- 655 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ber besteht. Die Erhabenheit dieser übernatürlichen Berufung enthüllt die Größe und Kostbarkeit des menschlichen Lebens auch in seinem zeitlich-irdischen Stadium. Denn das Leben in der Zeit ist Grundvoraussetzung, Einstiegsmoment und integrierender Bestandteil des gesamten einheitlichen Lebensprozesses des menschlichen Seins. Eines Prozesses, der unerwarteter- und unverdienterweise von der Verheißung erleuchtet und vom Geschenk des göttlichen Lebens erneuert wird, das in der Ewigkeit zu seiner vollen Erfüllung gelangen wird (vgl. 1 Joh 3,1-2). Zugleich unterstreicht diese übernatürliche Berufung die Relativität des irdischen Lebens von Mann und Frau. In Wahrheit ist es nicht „letzte“, sondern „vorletzte“, Wirklichkeit; es ist also heilige Wirklichkeit, die uns anvertraut wird, damit wir sie mit Verantwortungsgefühl hüten und in der Liebe und Selbsthingabe an Gott sowie an die Schwestern und Brüder zur Vollendung bringen. Die Kirche weiß, daß dieses Evangelium vom Leben, das ihr von ihrem Herrn anvertraut wurde, <5> im Herzen jedes gläubigen, aber auch nicht gläubigen Menschen tiefen und überzeugenden Widerhall findet, weil es seinen Erwartungen, während es unendlich über diese hinausgeht, überraschenderweise entspricht. Selbst in Schwierigkeiten und Unsicherheiten vermag jeder Mensch, der in ehrlicher Weise für die Wahrheit und das Gute offen ist, im Licht der Vernunft und nicht ohne den geheimnisvollen Einfluß der Gnade im ins Herz geschriebenen Naturgesetz (vgl. Röm 2,14-15) den heiligen Wert des menschlichen Lebens vom ersten Augenblick bis zu seinem Ende zu erkennen und das Recht jedes Menschen zu bejahen, daß dieses sein wichtigstes Gut in höchstem Maße geachtet werde. Auf der Anerkennung dieses Rechtes beruht das menschliche Zusammenleben und das politische Gemeinwesen. ^ Tatsächlich findet sich der Ausdruck „Evangelium vom Leben“ als solcher nicht in der Heiligen Schrift. Er entspricht jedoch einem wesentlichen Aspekt der biblischen Botschaft. Besonders verteidigen und fördern müssen dieses Recht die Christgläubigen im Bewußtsein der wunderbaren Wahrheit, an die das II. Vatikanische Konzil erinnert: „Der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“. <6> Denn in diesem Heilsereignis offenbart sich der Menschheit nicht nur die unendliche Liebe Gottes, der „die Welt so sehr geliebt (hat), daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16), sondern auch der unvergleichliche Wert jeder menschlichen Person. <6> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. Und während die Kirche beharrlich das Geheimnis der Erlösung ergründet, erfaßt sie mit immer neuem Staunen <7> diesen Wert und fühlt sich aufgerufen, dieses „Evangelium“, Quelle unbesiegbarer Hoffnung und wahrer Freude für jede Epoche der Geschichte, den Menschen aller Zeiten zu verkünden. Das Evangelium von der Liebe Gottes zum Menschen, das Evangelium von der Würde der Person und das Evangelium vom Leben sind ein einziges, unteilbares Evangelium. ^ Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika RedemptorHominis (4. März 1979), Nr. 10: A4571(1979)275. 656 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Mensch, der lebendige Mensch stellt den ersten und grundlegenden Weg der Kirche dar. <8> Vgl. ebd., Nr. 14: a.a.O., 285. Die neuen Bedrohungen des menschlichen Lebens 3. Jeder Mensch ist auf Grund des Geheimnisses vom fleischgewordenen Wort Gottes (vgl. Joh 1,14) der mütterlichen Sorge der Kirche anvertraut. Darum muß jede Bedrohung der Würde und des Lebens des Menschen eine Reaktion im Herzen der Kirche auslösen, sie muß sie im Zentrum ihres Glaubens an die erlösende Menschwerdung des Gottessohnes treffen, sie muß sie miteinbeziehen in ihren Auftrag, in der ganzen Welt und allen Geschöpfen das Evangelium vom Leben zu verkünden (vgl. Mk 16,15). Heute erweist sich diese Verkündigung als besonders dringend angesichts der erschütternden Vermehrung und Verschärfung der Bedrohungen des Lebens von Personen und Völkern, vor allem dann, wenn es schwach und wehrlos ist. Zu den alten schmerzlichen Plagen von Elend, Hunger, endemischen Krankheiten, Gewalt und Kriegen gesellen sich andere unbekannter Art und von beunruhigenden Ausmaßen. Schon das Zweite Vatikanische Konzil beklagte an einer Stelle, die von geradezu dramatischer Aktualität ist, nachdrücklich vielfältige Verbrechen und Angriffe gegen das menschliche Leben. Wenn ich mir nun im Abstand von dreißig Jahren die Worte der Konzils Versammlung zu eigen mache, erhebe ich im Namen der ganzen Kirche und in der Gewißheit, damit dem echten Empfinden jedes reinen Gewissens Ausdruck zu verleihen, noch einmal und mit gleichem Nachdruck klagend meine Stimme: „Was ferner zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord; was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, psychischen Zwang auszuüben; was immer die menschliche Würde angreift, wie unmenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwortliche Person behandelt wird: all diese und andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; sie sind eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. Zugleich sind sie in höchstem Maße ein Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers.“ <9> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 27. 4. Weit davon entfernt, sich einschränken zu lassen, ist dieses beunruhigende Panorama statt dessen leider in Ausdehnung begriffen: mit den neuen, vom wissen- 4 5 657 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaftlich-technologischen Fortschritt eröffneten Perspektiven entstehen neue Formen von Anschlägen auf die Würde des Menschen, während sich eine neue kulturelle Situation abzeichnet und verfestigt, die den Verbrechen gegen das Leben einen bisher unbekannten und womöglich noch widerwärtigeren Aspekt verleiht und neue ernste Sorgen auslöst: breite Schichten der öffentlichen Meinung rechtfertigen manche Verbrechen gegen das Leben im Namen der Rechte der individuellen Freiheit und beanspruchen unter diesem Vorwand nicht nur Straffreiheit für derartige Verbrechen, sondern sogar die Genehmigung des Staates, sie in absoluter Freiheit und unter kostenloser Beteiligung des staatlichen Gesundheitswesens durchzuführen. Das alles bewirkt einen tiefgreifenden Wandel in der Betrachtungsweise des Lebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Umstand, daß die Gesetzgebung vieler Länder sogar in Abweichung von den Grundprinzipien ihrer Verfassungen zugestimmt hat, solche gegen das Leben gerichtete Praktiken nicht zu bestrafen oder ihnen gar volle Rechtmäßigkeit zuzuerkennen, ist zugleich besorgniserregendes Symptom und keineswegs nebensächliche Ursache für einen schweren moralischen Verfall: Entscheidungen, die einst einstimmig als verbrecherisch angesehen und vom allgemeinen sittlichen Empfinden abgelehnt wurden, werden nach und nach gesellschaftlich als achtbar betrachtet. Selbst die Medizin, die auf die Verteidigung und Pflege des menschlichen Lebens ausgerichtet ist, verwendet sich in einigen ihrer Bereiche immer eingehender für die Durchführung dieser Handlungen gegen die Person und entstellt auf diese Weise ihr Gesicht, widerspricht sich selbst und verletzt die Würde all derer, die sie ausüben. In einem solchen kulturellen und gesetzlichen Kontext sehen sich auch die schwerwiegenden bevölkerungsstatistischen, sozialen oder familiären Probleme, die auf zahlreichen Völkern der Welt lasten und eine verantwortungsvolle und rührige Aufmerksamkeit seitens der nationalen und internationalen Gemeinschaften erfordern, falschen und illusorischen Lösungsversuchen ausgesetzt, die zur Wahrheit und zum Wohl der Menschen und der Nationen im Widerspruch stehen. Das Ergebnis, zu dem man gelangt, ist dramatisch: so schwerwiegend und beunruhigend das Phänomen der Beseitigung so vieler menschlicher Leben vor der Geburt oder auf dem Weg zum Tod auch sein mag, so ist die Tatsache nicht weniger schwerwiegend und beunruhigend, daß selbst das Gewissen, als wäre es von so weitreichenden Konditionierungen verfinstert, immer träger darin wird, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse wahrzunehmen im Hinblick auf den fundamentalen Wert des menschlichen Lebens. In Gemeinschaft mit allen Bischöfen der Welt 5. Dem Problem der Bedrohungen des menschlichen Lebens in unserer Zeit war das außerordentliche Konsistorium der Kardinäle gewidmet, das vom 4. bis 7. April 1991 in Rom stattgefunden hat. Nach einer umfassenden und gründlichen 658 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erörterung des Problems und der Herausforderungen, die sich der ganzen Menschheitsfamilie und im besonderen der christlichen Gemeinschaft stellen, haben mich die Kardinäle einstimmig ersucht, den Wert des menschlichen Lebens und seine Unantastbarkeit unter Bezugnahme auf die gegenwärtigen Umstände und die Angriffe, von denen es heute bedroht wird, mit der Autorität des Nachfolgers Petri zu bekräftigen. Nach Annahme dieses Vorschlags habe ich zu Pfingsten 1991 ein persönliches Schreiben an jeden Mitbruder gerichtet mit der Bitte, er möge mir im Geiste der bischöflichen Kollegialität im Hinblick auf die Erstellung eines eigenen Dokuments seine Mitarbeit zukommen lassen. <2> Ich bin allen Bischöfen, die geantwortet haben und mir wertvolle Informationen, Ratschläge und Vorschläge zugehen ließen, zutiefst dankbar. Sie haben so auch ihre einmütige und überzeugte Teilnahme am Lehr- und Pastoralauftrag der Kirche in bezug auf das Evangelium vom Leben unter Beweis gestellt. <2> Vgl. Brief an alle Brüder im Bischofsamt über „das Evangelium vom Leben“ (19. Mai 1991): Insegnamenti XIV/1 (1991)1293-1296. In demselben Brief habe ich, wenige Tage vor der Hundertjahrfeier der Veröffentlichung der Enzyklika Rerum novarum, die Aufmerksamkeit aller auf diese einzigartige Analogie gelenkt: „Wie es vor einem Jahrhundert die Arbeiterklasse war, die, in ihren fundamentalsten Rechten unterdrückt, von der Kirche mit großem Mut in Schutz genommen wurde, indem diese die heiligen Rechte der Person des Arbeiters herausstellte, so weiß sie sich auch jetzt, wo eine andere Kategorie von Personen in ihren grundlegenden Lebensrechten unterdrückt wird, verpflichtet, mit unvermindertem Mut den Stimmlosen Stimme zu sein. Für immer hat sie sich den Ruf des Evangeliums nach dem Schutz der Armen zu eigen gemacht, deren Menschenrechte bedroht, mißachtet und verletzt werden“. <3> <3> Ebd., a.a.O„ 1294. Das fundamentale Recht auf Leben wird heute bei einer großen Zahl schwacher und wehrloser Menschen, wie es insbesondere die ungeborenen Kinder sind, mit Füßen getreten. Wenn die Kirche am Ende des vorigen Jahrhunderts angesichts der damals vorherrschenden Ungerechtigkeiten nicht schweigen durfte, so kann sie heute noch weniger schweigen, wo sich in vielen Teilen der Welt zu den leider noch immer nicht überwundenen sozialen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit noch schwerwiegendere Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen gesellen, die möglicherweise mit Elementen des Fortschritts im Hinblick auf die Gestaltung einer neuen Weltordnung verwechselt werden. Die vorliegende Enzyklika, Frucht der Zusammenarbeit des Episkopates jedes Landes der Welt, will also eine klare und feste Bekräftigung des Wertes des menschlichen Lebens und seiner Unantastbarkeit und zugleich ein leidenschaftlicher Appell im Namen Gottes an alle und jeden einzelnen sein: achte, verteidige, 659 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liebe das Leben, jedes menschliche Leben, und diene ihm! Nur auf diesem Weg wirst du Gerechtigkeit, Entwicklung, echte Freiheit, Frieden und Glück finden! Mögen diese Worte alle Söhne und Töchter der Kirche erreichen! Mögen sie alle Menschen guten Willens erreichen, die um das Wohl jedes Mannes und jeder Frau und um das Schicksal der ganzen Gesellschaft besorgt sind! 6. In tiefer Verbundenheit mit jeder Schwester und jedem Bruder im Glauben und von aufrichtiger Freundschaft für alle beseelt, möchte ich das Evangelium vom Leben neu überdenken und verkünden, als Glanz der Wahrheit, das die Gewissen erleuchtet, als helles Licht, das den verfinsterten Blick erhellt, als unerschöpfliche Quelle der Beständigkeit und des Mutes, um den immer neuen Herausforderungen entgegenzutreten, denen wir auf unserem Weg begegnen. Und während ich an die im Verlauf des Jahres der Familie gesammelte reiche Erfahrung denke, blicke ich, gleichsam als gedankliche Ergänzung des Briefes, den ich „an jede konkrete Familie jeder Region der Erde“ <4> gerichtet hatte, mit neuem Vertrauen auf alle Hausgemeinschaften und wünsche mir, daß auf allen Ebenen der Einsatz aller für die Unterstützung der Familie wieder auflebe und sich verstärke, damit diese auch heute - trotz zahlreicher Schwierigkeiten und schwerwiegender Bedrohungen - dem Plan Gottes entsprechend immer als „Heiligtum des Lebens“ <5> erhalten bleibe. ° Brief an die Familien Gratissimam sane (2. Februar 1994), Nr. 4: AA586(1994)871. <5> Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 39: zL4583(1991)842. Alle Mitglieder der Kirche, des Volkes des Lebens und für das Leben, lade ich ganz dringend ein, miteinander dieser unserer Welt neue Zeichen der Hoffnung zu geben, indem wir bewirken, daß Gerechtigkeit und Solidarität wachsen und sich durch den Aufbau einer echten Zivilisation der Wahrheit und der Liebe eine neue Kultur des menschlichen Lebens durchsetzt. I. Kapitel Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden Die gegenwärtigen Bedrohungen des menschlichen Lebens „Kain griff seinen Bruder Abel an und erschlug ihn“ (Gen 4,8): an der Wurzel der Gewalt gegen das Leben 7. „Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen ... Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn erfahren alle, die ihm angehören“ (Weish 1,13-14; 2,23-24). 660 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Widerspruch zum Evangelium vom Leben, das am Anfang mit der Erschaffung des Menschen nach dem Ebenbild Gottes zu einem vollen und vollkommenen Leben (vgl. Gen 2,7; Weish 9,2-3) erschallte, steht die qualvolle Erfahrung des Todes, der in die Welt kommt und auf das ganze Dasein des Menschen den Schatten des Un-Sinnes wirft. Der Tod kommt durch den Neid des Teufels (vgl. Gen 3,1.4-5) und die Sünde der Stammeitem (vgl. Gen 2,17; 3,17-19) in die Welt. Und er kommt gewaltsam mit der Ermordung Abels durch seinen Bruder Kain: „Als sie auf dem Feld waren, griff Kain seinen Bmder Abel an und erschlug ihn“ (Gen 4,8). Dieser erste Mord wird in einer beispielhaften Episode des Buches Genesis mit einzigartiger Beredtheit geschildert: eine Episode, die jeden Tag pausenlos und in bedrückender Wiederholung neu ins Buch der Geschichte der Völker geschrieben wird. Wir wollen miteinander diesen Passus aus der Bibel wieder lesen, der trotz seines archaischen Charakters und seiner äußersten Schlichtheit höchst lehrreich erscheint. „Abel wurde Schafhirt und Kain Ackerbauer. Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn ein Opfer von den Früchten des Feldes dar; auch Abel brachte eines dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr schaute auf Abel und sein Opfer, aber auf Kain und sein Opfer schaute er nicht. Da überfiel es Kain ganz heiß, und sein Blick senkte sich. Der Herr sprach zu Kain: , Warum überläufl es dich heiß, und warum senkt sich dein Blick? Nicht wahr, wenn du recht tust, darfst du aufblicken; wenn du nicht recht tust, lauert an der Tür die Sünde als Dämon. Auf dich hat er es abgesehen, doch du werde Herr über ihn! ‘ Hierauf sagte Kain zu seinem Bruder Abel: Gehen wir aufs Feld! Als sie auf dem Feld waren, griff Kain seinen Bruder Abel an und erschlug ihn. Da sprach der Herr zu Kain:, Wo ist dein Bruder Abel? ‘ Er entgegnete: ,Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?“ Der Herr sprach: ,Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden. So bist du verflucht, verbannt vom Ackerboden, der seinen Mund aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das Blut deines Bruders aufzunehmen. Wenn du den Ackerboden bestellst, wird er dir keinen Ertrag mehr bringen. Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein. ‘ Kain antwortete dem Herrn: ,Zu groß ist meine Schuld, als daß ich sie tragen könnte. Du hast mich heute vom Ackerland verjagt, und ich muß mich vor deinem Angesicht verbergen; rastlos und ruhelos werde ich auf der Erde sein, und wer mich findet, wird mich erschlagen. ‘ Der Herr aber sprach zu ihm:, Darum soll jeder, der Kain erschlägt, siebenfacher Rache verfallen. ‘ Darauf machte der Herr dem Kain ein Zeichen, damit ihn keiner erschlage, der ihn finde. Dann ging Kain vom Herrn weg und ließ sich im Land Nod nieder, östlich von Eden“ (Gen 4,2-16). 661 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Kain „überlief es ganz heiß“ und sein Blick „senkte sich“, weil „der Herr auf Abel und sein Opfer schaute“ (Gen 4,4). Der biblische Text enthüllt zwar nicht, aus welchem Grund Gott das Opfer Abels jenem Kains vorzieht; er weist jedoch mit aller Klarheit darauf hin, daß Gott trotz der Bevorzugung von Abels Gabe den Dialog mit Kain nicht abbricht. Er ermahnt ihn, indem er ihn an seine Freiheit gegenüber dem Bösen erinnert: der Mensch ist keineswegs für das Böse vorherbestimmt. Sicherlich wird er, wie schon Adam, von der verderblichen Macht der Sünde in Versuchung geführt, die, einer wilden Bestie gleich, an der Pforte seines Herzens lauert und darauf wartet, über die Beute herzufallen. Aber Kain bleibt der Sünde gegenüber frei. Er kann und er soll Herr über sie sein: „Auf dich hat er es abgesehen, doch du werde Herr über ihn!“ (Gen 4,7). Eifersucht und Zorn gewinnen Oberhand über die Mahnung des Herrn, und so greift Kain seinen eigenen Bruder an und erschlägt ihn. Im Katechismus der katholischen Kirche lesen wir: „Im Bericht über die Ermordung Abels durch seinen Bruder Kain offenbart die Schrift, daß im Menschen schon von Anfang seiner Geschichte an Zorn und Eifersucht als Folgen der Erbsünde wirksam sind. Der Mensch ist zum Feind des Mitmenschen geworden“. <6> <6> Nr. 2259. Der Bruder tötet den Bruder. Wie beim ersten Brudermord wird bei jedem Mord die „geistige“ Verwandtschaft geschändet, die die Menschen zu einer einzigen großen Familie vereinigt, <7> da sie alle an demselben grundlegenden Gut teilhaben: der gleichen Personwürde. Nicht selten wird auch die Verwandtschaft „des Fleisches und Blutes“ geschändet, wenn zum Beispiel die Bedrohungen des Lebens im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ausbrechen, wie es bei der Abtreibung geschieht, oder wenn im weitesten Familien- und Verwandtenkreis die Euthanasie befürwortet oder dazu angestiftet wird. <7> Vgl. Hl. Ambrosius, De Noe, 26, 94-96: CSEL 32, 480481. Am Anfang jeder Gewalt gegen den Nächsten steht ein Nachgeben gegenüber der „Logik“ des Bösen, das heißt desjenigen, der „von Anfang an ein Mörder war“ (Joh 8,44), wie uns der Apostel Johannes in Erinnerung ruft: „Denn das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt: Wir sollen einander lieben und nicht wie Kain handeln, der von dem Bösen stammte und seinen Bruder erschlug“ (.1 Joh 3,11-12). Die Ermordung des Bruders ist also von Beginn der Geschichte an das traurige Zeugnis dafür, wie das Böse mit beeindruckender Geschwindigkeit voranschreitet: zum Aufbegehren des Menschen gegen Gott im irdischen Paradies gesellt sich der tödliche Kampf des Menschen gegen den Menschen. Nach dem Verbrechen greift Gott ein, um den Ermordeten zu rächen. Gott gegenüber, der sich nach dem Schicksal Abels erkundigt, weicht Kain in Überheblichkeit der Frage aus, statt sich verlegen zu zeigen und um Verzeihung zu bitten: „Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (Gen 4,9). „Ich weiß es nicht“: mit der Lüge versucht Kain das Verbrechen zu verdecken. So ist es oft geschehen 662 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und geschieht es, wenn Ideologien verschiedenster Axt dazu dienen, um die schrecklichsten Verbrechen gegen die Person zu rechtfertigen und zu bemänteln. „Bin ich der Hüter meines Bruders?“: Kain will nicht an den Bruder denken und lehnt es ab, jene Verantwortung, die jeder Mensch gegenüber dem anderen hat, zu leben. Das läßt uns unwillkürlich an heutige Bestrebungen denken, die den Menschen seiner Verantwortung gegenüber seinem Mitmenschen entheben wollen; Anzeichen dafür sind unter anderem das Nachlassen der Solidarität gegenüber den schwächsten Gliedern der Gesellschaft, wie den Alten, den Kranken, den Einwanderern, den Kindern gegenüber, und die häufig zu bemerkende Gleichgültigkeit in den Beziehungen der Völker untereinander, selbst dann, wenn fundamentale Werte wie das Überleben, die Freiheit und der Friede auf dem Spiel stehen. 9. Doch Gott kann das Verbrechen nicht ungestraft lassen: vom Ackerboden, auf dem es vergossen wurde, verlangt das Blut des Erschlagenen, daß Er Gerechtigkeit widerfahren lasse (vgl. Gen 37,26; Jes 26,21; Ez 24,7 f.). Aus diesem Text hat die Kirche die Bezeichnung „himmelschreiende Sünden“ abgeleitet und in diese vor allem den beabsichtigten Mord einbezogen. <8> Für die Juden ist, wie für viele Völker der Antike, das Blut der Sitz des Lebens, ja „das Blut ist Lebenskraft“ (Dtn 12,23), und das Leben, besonders das menschliche Leben, gehört allein Gott: wer daher nach dem Leben des Menschen trachtet, trachtet Gott selbst nach dem Leben. <8> Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nm. 1867 und 2268. Kain ist von Gott und ebenso vom Ackerboden, der ihm seinen Ertrag verweigert, verflucht (vgl. Gen 4,11-12). Und er wird bestraft: er soll in der Steppe und in der Wüste wohnen. Die mörderische Gewalttätigkeit verändert das Lebensmilieu des Menschen tiefgreifend. Aus dem „Garten von Eden“ (Gen 2,15), einem Ort des Überflusses, der unbeschwerten zwischenmenschlichen Beziehungen und der Freundschaft mit Gott, wird die Erde zum „Land Nod“ (Gen 4,16), Ort des „Elends“, der Einsamkeit und der Gottfeme. Kain wird „rastlos und ruhelos auf der Erde“ sein (Gen 4,14): Unsicherheit und Unbeständigkeit werden ihn immer begleiten. Gott jedoch, der stets Barmherzige, auch wenn Er straft, ,/nachte dem Kain ein Zeichen, damit ihn keiner erschlage, der ihn finde“ (Gen 4,15): Er versieht ihn also mit einem Zeichen, das nicht den Zweck hat, ihn zur Verabscheuung durch die anderen Menschen zu verdammen, sondern ihn vor allen zu schützen und zu verteidigen, die ihn töten wollen, und wäre es auch, um den Tod Abels zu rächen. Nicht einmal der Mörder verliert seine Personwürde, und Gott selber leistet dafür Gewähr. Tatsächlich offenbart sich hier das paradoxe Geheimnis von der barmherzigen Gerechtigkeit Gottes, wie der hl. Ambrosius schreibt: „Nachdem in dem Augenblick, als sich die Sünde eingeschlichen hatte, ein Brudermord, also das größte Verbrechen, begangen worden war, mußte sofort das Gesetz von der göttlichen Barmherzigkeit erweitert werden; damit es nicht geschähe, daß die Menschen, 663 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN obwohl die Strafe den Schuldigen unmittelbar getroffen hatte, beim Bestrafen weder Toleranz noch Milde walten lassen, sondern die Schuldigen unverzüglich der Strafe ausliefem würden. (...) Gott verstieß Kain von seinem Angesicht und verbannte den von seinen Eltern Abtrünnigen an einen anderen Wohnort, weil er von der menschlichen Zahmheit zur tierischen Wildheit übergegangen war. Doch Gott wollte den Mörder nicht durch einen Mord bestrafen, da Er mehr die Reue des Sünders will als seinen Tod“. <9> <9> De Cain et Abel, II, 10, 38: CSEL 32, 408. „ Was hast du getan?“ (Gen 4,10): die Verfinsterung des Wertes des Lebens 10. Der Herr sprach zu Kain: „Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden!“ (Gen 4,10). Das von den Menschen vergossene Blut hört nicht auf zu schreien, von Generation zu Generation nimmt dieses Schreien andere und immer neue Töne und Akzente an. Die Frage des Herrn „Was hast du getan?“, der Kain nicht entgehen kann, ist auch an den heutigen Menschen gerichtet, damit er sich den Umfang und die Schwere der Angriffe auf das Leben bewußt mache, von denen die Geschichte der Menschheit weiterhin gekennzeichnet ist; damit er auf die Suche nach den vielfältigen Ursachen gehe, die diese Bedrohungen hervorrufen und fördern; damit er mit größtem Emst über die Folgen nachdenke, die sich aus diesen Anschlägen für die Existenz der Menschen und der Völker ergeben. Manche Bedrohungen stammen aus der Natur selbst, werden aber durch die schuldhafte Unbekümmertheit und Nachlässigkeit der Menschen, die nicht selten Abhilfe schaffen könnten, verschlimmert; andere hingegen sind das Ergebnis von Gewaltsituationen, Haß und gegensätzlichen Interessen, die die Menschen veranlassen, mit Mord, Krieg, Blutbädern und Völkermord über andere Menschen herzufallen. Und wie sollte man nicht an die Gewalt denken, die dem Leben von Millionen von Menschen, besonders Kindern, zugefügt wird, die wegen der ungerechten Verteilung der Reichtümer unter den Völkern und sozialen Klassen zu Elend, Unterernährung und Hunger gezwungen sind? Oder an die Gewalt, die, noch ehe Kriege ausbrechen, einem skandalösen Waffenhandel anhaftet, der einer Spirale von zahllosen bewaffneten Konflikten, die die Welt in Blut tauchen, Vorschub leistet? Oder an die Todessaat, die durch die unbedachte Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts, durch die kriminelle Verbreitung der Drogen und dadurch zustande kommt, daß Muster für die Sexualität Unterstützung finden, die nicht nur in moralischer Hinsicht unannehmbar, sondern auch Vorboten schwerwiegender Gefahren für das Leben sind? Es ist gar nicht möglich, die umfangreiche Skala der Bedrohungen des menschlichen Lebens vollständig aufzuzählen, so zahlreich sind 664 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die offen zutage tretenden oder heimtückischen Formen, die sie in unserer Zeit annehmen! 11. Unsere Aufmerksamkeit will sich aber im besonderen auf eine andere Art von Angriffen konzentrieren, die das aufkeimende und das zu Ende gehende Leben betreffen, Angriffe, die im Vergleich zur Vergangenheit neue Merkmale aufweisen und ungewöhnlich ernste Probleme aufwerfen: deshalb, weil die Tendenz besteht, daß sie im Bewußtsein der Öffentlichkeit den „Verbrechenscharakter“ verlieren und paradoxerweise „Rechtscharakter“ annehmen, so daß eine regelrechte gesetzliche Anerkennung durch den Staat und die darauffolgende Durchführung mittels des kostenlosen Eingriffs durch das im Gesundheitswesen tätige Personal verlangt wird. Diese Angriffe treffen das menschliche Leben in äußerst bedenklichen Situationen, wo es völlig wehrlos ist. Noch schwerwiegender ist die Tatsache, daß sie großenteils gerade in der und durch die Familie ausgetragen werden, die doch grundlegend dazu berufen ist, „Heiligtum des Lebens“ zu sein. Wie hat es zu einer solchen Situation kommen können? Dabei müssen vielfältige Faktoren in Betracht gezogen werden. Im Hintergrund steht eine tiefe Kulturkrise, die Skepsis selbst an den Fundamenten des Wissens und der Ethik hervorruft und es immer schwieriger macht, den Sinn des Menschen, seiner Rechte und seiner Pflichten klar zu erfassen. Dazu kommen die verschiedensten existentiellen und Beziehungsschwierigkeiten, die noch verschärft werden durch die Wirklichkeit einer komplexen Gesellschaft, in der die Personen, die Ehepaare, die Familien oft mit ihren Problemen allein bleiben. Es fehlt nicht an Situationen von besonderer Armut, Bedrängnis oder Verbitterung, in denen der Kampf um das Überleben, der Schmerz bis an die Grenzen der Erträglichkeit, die besonders von Frauen erlittenen Gewaltakte den Entscheidungen zur Verteidigung und Förderung des Lebens bisweilen geradezu Heroismus abverlangen. Das alles erklärt wenigstens zum Teil, daß der Wert des Lebens heute eine Art „Verfinsterung“ erleiden kann, mag auch das Gewissen nicht aufhören, ihn als heiligen und unantastbaren Wert anzuführen, wie die Tatsache beweist, daß man geneigt ist, manche Verbrechen gegen das aufkeimende oder zu Ende gehende Leben mit medizinischen Formulierungen zu bemänteln, die den Bück von der Tatsache ablenken, daß das Existenzrecht einer konkreten menschlichen Person auf dem Spiel steht. 12. Mögen auch viele und ernste Aspekte der heutigen sozialen Problematik das Klima verbreiteter moralischer Unsicherheit irgendwie erklären und manchmal bei den einzelnen die subjektive Verantwortung schwächen, so trifft es tatsächlich nicht weniger zu, daß wir einer viel weiter reichenden Wirklichkeit gegenüberstehen, die man als wahre und ausgesprochene Struktur der Sünde betrachten kann, gekennzeichnet von der Durchsetzung einer Anti-Solidaritätskultur, die sich in vielen Fällen als wahre „Kultur des Todes“ herausstellt. Sie wird aktiv gefördert 665 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von starken kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Strömungen, die eine leistungsorientierte Auffassung der Gesellschaft vertreten. Wenn man die Dinge von diesem Gesichtspunkt her betrachtet, kann man in gewisser Hinsicht von einem Krieg der Mächtigen gegen die Schwachen sprechen: das Leben, das mehr Annahme, Liebe und Fürsorge verlangen würde, wird für nutzlos gehalten oder als eine unerträgliche Last betrachtet und daher auf vielerlei Weise abgelehnt. Wer durch seine Krankheit, durch seine Behinderung oder, noch viel einfacher, durch sein bloßes Dasein den Wohlstand oder die Lebensgewohnheiten derer in Frage stellt, die günstiger dastehen, wird zunehmend als Feind angesehen, gegen den man sich verteidigen bzw. den man ausschalten muß. Auf diese Weise wird eine Art „ Verschwörung gegen das Leben “ entfesselt. Sie involviert nicht nur die einzelnen Personen in ihren individuellen, familiären oder Gruppenbeziehungen, sondern geht darüber hinaus, um schließlich auf Weltebene den Beziehungen zwischen den Völkern und Staaten zu schaden und sie durcheinanderzubringen. 13. Um die Verbreitung der Abtreibung zu erleichtern, wurden und werden weiterhin ungeheuere Summen investiert, die für die Abstimmung pharmazeutischer Präparate bestimmt sind, die die Tötung des Fötus im Mutterleib ermöglichen, ohne die Hilfe eines Arztes in Anspruch nehmen zu müssen. Die diesbezügliche wissenschaftliche Forschung scheint fast ausschließlich darum bemüht zu sein, zu immer einfacheren und wirksameren Produkten gegen das Leben zu gelangen, die zugleich die Abtreibung jeder Form sozialer Kontrolle und Verantwortung entziehen sollen. Es wird häufig behauptet, die sichere und allen zugänglich gemachte Empfängnisverhütung sei das wirksamste Mittel gegen die Abtreibung. Sodann wird die katholische Kirche beschuldigt, de facto der Abtreibung Vorschub zu leisten, weil sie weiter hartnäckig die moralische Unerlaubtheit der Empfängnisverhütung lehrt. Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Einwand tatsächlich als trügerisch. Denn es mag sein, daß viele auch in der Absicht zu Verhütungsmitteln greifen, um in der Folge die Versuchung der Abtreibung zu vermeiden. Doch die der „Verhütungsmentalität“ - die sehr wohl von der verantwortlichen, in Achtung vor der vollen Wahrheit des ehelichen Aktes ausgeübten Elternschaft zu unterscheiden ist - innewohnenden Pseudowerte verstärken nur noch diese Versuchung angesichts der möglichen Empfängnis eines unerwünschten Lebens. In der Tat hat sich die Abtreibungskultur gerade in Kreisen besonders entwickelt, die die Lehre der Kirche über die Empfängnisverhütung ablehnen. Sicherlich sind vom moralischen Gesichtspunkt her Empfängnisverhütung und Abtreibung ihrer Art nach verschiedene Übel: die eine widerspricht der vollständigen Wahrheit des Geschlechtsaktes als Ausdruck der ehelichen Liebe, die andere zerstört das Leben eines Menschen; die erste widersetzt sich der Tugend der ehelichen Keuschheit, die zweite widersetzt sich der Tugend der Gerechtigkeit und verletzt direkt das göttliche Gebot „du sollst nicht töten“. 666 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aber trotz dieses Unterschieds in ihrer Natur und moralischen Bedeutung stehen sie, als Früchte ein und derselben Pflanze, sehr oft in enger Beziehung zueinander. Sicherlich gibt es Fälle, in denen jemand unter dem Druck mannigfacher existentieller Schwierigkeiten zu Empfängnisverhütung und selbst zur Abtreibung schreitet; selbst solche Schwierigkeiten können jedoch niemals von der Bemühung entbinden, das Gesetz Gottes voll und ganz zu befolgen. Aber in sehr vielen anderen Fällen haben solche Praktiken ihre Wurzeln in einer Mentalität, die von Hedonismus und Ablehnung jeder Verantwortlichkeit gegenüber der Sexualität bestimmt wird, und unterstellen einen egoistischen Freiheitsbegriff, der in der Zeugung ein Hindernis für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit sieht. Das Leben, das aus der sexuellen Begegnung hervorgehen könnte, wird so zum Feind, das absolut vermieden werden muß, und die Abtreibung zur einzig möglichen Antwort und Lösung bei einer mißlungenen Empfängnisverhütung. Leider tritt der enge Zusammenhang, der mentalitätsmäßig zwischen der Praxis der Empfängnisverhütung und jener der Abtreibung besteht, immer mehr zutage; das beweisen auf alarmierende Weise auch die Anwendung chemischer Präparate, das Anbringen mechanischer Empfängnishemmer in der Gebärmutter und der Einsatz von Impfstoffen, die ebenso leicht wie Verhütungsmittel verbreitet werden und in Wirklichkeit als Abtreibungsmittel im allerersten Entwicklungsstadium des neuen menschlichen Lebens wirken. 14. Auch die verschiedenen Techniken künstlicher Fortpflanzung, die sich anscheinend in den Dienst am Leben stellen und die auch nicht selten mit dieser Absicht gehandhabt werden, öffnen in Wirklichkeit neuen Anschlägen gegen das Leben Tür und Tor. Unabhängig von der Tatsache, daß sie vom moralischen Standpunkt aus unannehmbar sind, da sie die Zeugung von dem gesamtmenschlichen Zusammenhang des ehelichen Aktes trennen, <10> verzeichnen diese Techniken hohe Prozentsätze an Mißerfolgen: das betrifft nicht so sehr die Befruchtung als die nachfolgende Entwicklung des Embryos, der der Gefahr ausgesetzt ist, meist innerhalb kürzester Zeit zu sterben. Zudem werden mitunter Embryonen in größerer Zahl erzeugt, als für die Einpflanzung in den Schoß der Frau notwendig sind, und diese sogenannten „überzähligen Embryonen“ werden dann umgebracht oder für Forschungszwecke verwendet, die unter dem Vorwand des wissenschaftlichen oder medizinischen Fortschritts in Wirklichkeit das menschliche Leben zum bloßen „biologischen Material“ degradieren, über das man frei verfügen könne. <10> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Donum Vitae: AAS80(1988)70-102. Die vorgeburtlichen Diagnosen, gegen die es keine moralischen Bedenken gibt, sofern sie vorgenommen werden, um eventuell notwendige Behandlungen an dem noch ungeborenen Kind festzustellen, werden allzu oft zum Anlaß, die Abtreibung anzuraten oder vorzunehmen. Die angebliche Rechtmäßigkeit der eugenischen Abtreibung entsteht in der öffentlichen Meinung aus einer Mentalität - sie wird zu 667 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unrecht für kohärent mit den Ansprüchen der „Behandelbarkeit mit Aussicht auf Heilung“ gehalten die das Leben nur unter bestimmten Bedingungen annimmt und Begrenztheit, Behinderung und Krankheit ablehnt. Infolge eben dieser Logik ist man soweit gegangen, Kindern, die mit schweren Schäden oder Krankheiten geboren wurden, die elementarsten üblichen Behandlungen und sogar die Ernährung zu verweigern. Noch bestürzender wird das moderne Szenarium darüber hinaus durch da und dort auftauchende Vorschläge, auf derselben Linie wie das Recht auf Abtreibung sogar die Kindestötung für rechtmäßig zu erklären: damit würde man in ein Stadium der Barbarei zurückfallen, das man für immer überwunden zu haben hoffte. 15. Nicht minder schwerwiegende Bedrohungen kommen auch auf die unheilbar Kranken und auf die Sterbenden in einem Sozial- und Kulturgefüge zu, das bei einer sich immer schwieriger gestaltenden Auseinandersetzung mit dem Leiden und seinem Ertragen die Versuchung verstärkt, das Problem des Leidens dadurch zu lösen, daß man es an der Wurzel ausreißt und den Tod in dem Augenblick vorwegnimmt, den man selbst für den geeignetsten hält. In diese Entscheidung fließen oft verschiedene Elemente ein, die leider diesem schrecklichen Ausgang zustreben. Entscheidend mag beim Kranken Angstgefühl sowie das Gespür von Verbitterung, ja Verzweiflung sein, hervorgerufen durch die Erfahrung eines intensiven und langen Schmerzes. Dies stellt das manchmal ohnehin schon ins Wanken geratene Gleichgewicht des persönlichen und familiären Lebens auf eine harte Probe, so daß der Kranke einerseits trotz der immer wirksamer werdenden Mittel medizinischer und sozialer Assistenz Gefahr läuft, sich von der eigenen Gebrechlichkeit erdrückt zu fühlen; andererseits kann bei denen, die ihm hebevoll verbunden sind, ein Gefühl verständlichen, wenn auch mißverstandenen Mitleids wirksam sein. Dies alles wird von einem kulturellen Umfeld verschlimmert, das im Leid keinerlei Bedeutung oder Wert sieht; im Gegenteil, es betrachtet das Leid als das Übel schlechthin, das es um jeden Preis auszumerzen gilt; diese Haltung tritt vor allem dann ein, wenn man keine religiöse Einstellung hat, die helfen kann, das Geheimnis des Schmerzes positiv zu deuten. Aber es wird nicht versäumt, dem kulturellen Gesamthorizont auch eine Art Prometheushaltung des Menschen einzuprägen, der sich derart der Illusion hingibt, Herr über Leben und Tod werden zu können, daß er über sie entscheidet, während er in Wirklichkeit von einem Tod überwunden und erdrückt wird, der sich jeder Sinnperspektive und jeder Hoffnung unrettbar verschließt. Einem tragischen Ausdruck von alledem begegnen wir in der Verbreitung der maskiert und schleichend oder offen durchgeführten und sogar legalisierten Euthanasie. Sie wird mit einem angeblichen Mitleid angesichts des Schmerzes des Patienten und darüber hinaus mit einem utilitaristischen Argument gerechtfertigt, nämlich um unproduktive Ausgaben zu vermeiden, die für die Gesellschaft zu belastend seien. So schlägt man die Beseitigung der mißgestalteten Neugeborenen, der geistig und körperlich Schwerstbehinderten, der Leistungsunfähigen, der Alten, vor allem wenn sie sich 668 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht mehr selbst versorgen können, und der Kranken vor, deren Leben zu Ende geht. Und auch angesichts anderer, heimlicherer, aber nicht minder schwerwiegender und realer Formen von Euthanasie dürfen wir nicht schweigen. Sie könnten sich zum Beispiel dann ereignen, wenn man, um mehr Organe für Transplantationen zur Verfügung zu haben, die Entnahme dieser Organe vomimmt, ohne die objektiven und angemessenen Kriterien für die Feststellung des Todes des Spenders zu respektieren. 16. Ein weiteres aktuelles Phänomen, mit dem häufig Bedrohungen und Angriffe gegen das Leben einhergehen, ist das Bevölkerungswachstum. Es stellt sich in den verschiedenen Teilen der Welt in unterschiedlicher Weise dar: in den reichen und entwickelten Ländern verzeichnet man einen besorgniserregenden Geburtenrückgang oder -einbruch; die armen Länder dagegen weisen im allgemeinen eine hohe Wachstumsrate der Bevölkerung auf, die auf dem Hintergrund geringer wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung oder gar schwerwiegender Unterentwicklung kaum tragbar ist. Angesichts der Überbevölkerung der armen Länder fehlt es auf internationaler Ebene an weltweiten Maßnahmen - eine ernsthafte Familien-und Sozialpolitik, Programme kultureller Entwicklung und einer gerechten Produktion und Verteilung der Ressourcen -, während weiter eine geburtenfeindliche Politik betrieben wird. Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung müssen gewiß zu den Ursachen gezählt werden, die zum Zustand des starken Geburtenrückganges beitragen und ihn wesentlich bestimmen. Die Versuchung, dieselben Methoden und Angriffe gegen das Leben auch in Situationen von „Bevölkerungsexplosion“ anzuwenden, mag auf der Hand liegen. Der alte Pharao, der die Anwesenheit der Söhne Israels und ihre Vermehrung als Alptraum empfand, setzte sie jeder nur möglichen Unterdrückung aus und befahl, jedes männliche Neugeborene der jüdischen Frauen zu töten (vgl. Ex 1,7-22). Genauso verhalten sich heutzutage viele Mächtige der Erde. Sie empfinden die derzeitige Bevölkerungsentwicklung als Alptraum und befürchten, daß die kinderreicheren und ärmeren Völker eine Bedrohung für den Wohlstand und die Sicherheit ihrer Länder darstellen. Statt diese schwerwiegenden Probleme aufzugreifen und sie unter Achtung der Würde der einzelnen und der Familien und des unantastbaren Rechtes jedes Menschen auf Leben zu lösen, fördern sie daher lieber eine massive Geburtenplanung und setzen sie mit jeglichem Mittel durch. Selbst die Wirtschaftshilfen, die zu leisten sie bereit wären, werden ungerechterweise von der Annahme einer geburtenfeindlichen Politik abhängig gemacht. 17. Die heutige Menschheit bietet uns ein wahrhaft alarmierendes Schauspiel, wenn wir nicht nur an die verschiedenen Bereiche denken, in denen die Angriffe auf das Leben ausbrechen, sondern auch an ihr einzigartiges Zahlenverhältnis sowie an die mannigfache und machtvolle Unterstützung, die ihnen durch das weitgehende Einverständnis der Gesellschaft, durch die häufige gesetzliche Anerken- 669 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nung, durch die Einbeziehung eines Teils des im Gesundheitswesen tätigen Personals zuteil wird. Wie ich anläßlich des VIEL Weltjugendtreffens in Denver mit allem Nachdruck sagen mußte, „nehmen die Bedrohungen des Lebens im Laufe der Zeit nicht ab. Im Gegenteil, sie nehmen immer größere Ausmaße an. Es handelt sich nicht nur um Bedrohungen des Lebens von außen, von den Kräften der Natur her oder von weiteren ,Kains‘, die die , Abels1 töten“; nein, es handelt sich um wissenschaftlich und systematisch geplante Bedrohungen. Das 20. lahrhundert wird als eine Epoche massiver Angriffe auf das Leben, als endlose Serie von Kriegen und andauernde Vernichtung unschuldiger Menschenleben gelten. Die falschen Propheten und Lehrer erfreuen sich des größtmöglichen Erfolges. <11> lenseits der Absichten, die unterschiedlicher Art sein und möglicherweise sogar im Namen der Solidarität überzeugende Formen annehmen können, stehen wir tatsächlich einer objektiven „Verschwörung gegen das Leben“ gegenüber, die auch internationale Institutionen einschließt, die mit großem Engagement regelrechte Kampagnen für die Verbreitung der Empfängnisverhütung, der Sterilisation und der Abtreibung anregen und planen. Schließlich läßt sich nicht leugnen, daß sich die Massenmedien häufig zu Komplizen dieser Verschwörung machen, indem sie jener Kultur, die die Anwendung der Empfängnisverhütung, der Sterilisation, der Abtreibung und selbst der Euthanasie als Zeichen des Fortschritts und als Errungenschaft der Freiheit hinstellt, in der öffentlichen Meinung Ansehen verschaffen, während sie Positionen, die bedingungslos für das Leben eintreten, als freiheits- und entwicklungsfeindlich beschreibt. <11> Ansprache während der Gebetswache zum VUI. Weltjugendtag (14. August 1993), II, 3: /t/t.S'Sbd 994)419. „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (Gen 4,9): eine entartete Vorstellung von Freiheit 18. Das beschriebene Panorama macht erforderlich, daß es nicht nur in den Todeserscheinungen erkannt wird, die es kennzeichnen, sondern auch in den vielfältigen Ursachen, die es bestimmen. Die Frage des Herrn „Was hast du getan?“ 0Gen 4,10) scheint gleichsam eine Aufforderung an Kain zu sein, den materiellen Charakter seiner Mordtat hinter sich zu lassen und ihre ganze Schwere in den ihr zugrundeliegenden Motivationen und in den aus ihr erwachsenden Folgen zu erfassen. Die Entscheidungen gegen das Leben entstehen bisweilen aus schwierigen oder geradezu dramatischen Situationen tiefen Leides, der Einsamkeit, des völligen Fehlens wirtschaftlicher Perspektiven, der Depression und Zukunftsangst. Solche Umstände können die subjektive Verantwortlichkeit und die daraus folgende Schuld derer vermindern, die diese in sich verbrecherischen Entscheidungen treffen. Trotzdem geht das Problem heute weit über die, wenn auch gebotene Aner- 670 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kennung dieser persönlichen Situationen hinaus. Es stellt sich auch auf kultureller, sozialer und politischer Ebene, wo es sein subversivstes und verwirrendstes Gesicht in der immer weiter um sich greifenden Tendenz zeigt, die erwähnten Verbrechen gegen das Leben als legitime Äußerungen der individuellen Freiheit auszulegen, die als wahre und eigene Rechte anerkannt und geschützt werden müssen. Auf diese Weise gelangt ein langer historischer Prozeß an einen Wendepunkt mit tragischen Folgen, ein Prozeß, der nach Entdeckung der Idee der „Menschenrechte“ - als Rechte, die zu jeder Person gehören und jeder Verfassung und Gesetzgebung der Staaten vorausgehen - heute in einen überraschenden Widerspruch gerät: gerade in einer Zeit, in der man feierlich die unverletzlichen Rechte der Person verkündet und öffentlich den Wert des Lebens geltend macht, wird dasselbe Recht auf Leben, besonders in den sinnbildhaftesten Augenblicken des Daseins, wie es Geburt und Tod sind, praktisch verweigert und unterdrückt. Auf der einen Seite sprechen die verschiedenen Menschenrechtserklärungen und die vielfältigen Initiativen, die von ihnen inspiriert werden, von der Durchsetzung einer moralischen Sensibilität auf Weltebene, die sorgfältiger darauf achtet, den Wert und die Würde jedes Menschen als solchen anzuerkennen, ohne jede Unterscheidung von Rasse, Nationalität, Religion, politischer Meinung und sozialem Stand. Auf der anderen Seite setzt man diesen edlen Proklamationen leider in den Taten ihre tragische Verneinung entgegen. Diese ist noch bestürzender, ja skandalöser, weil sie sich in einer Gesellschaft abspielt, die die Durchsetzung und den Schutz der Menschenrechte zu ihrem Hauptziel und zugleich zu ihrem Ruhmesblatt macht. Wie lassen sich diese wiederholten Grundsatzbeteuerungen mit der ständigen Vermehrung und verbreiteten Legalisierung der Angriffe auf das menschliche Leben in Einklang bringen? Wie lassen sich diese Erklärungen in Einklang bringen mit der Ablehnung des Schwächsten, des Bedürftigsten, des Alten, des soeben im Mutterschoß Empfangenen? Diese Angriffe gehen in die genau entgegengesetzte Richtung wie die Achtung vor dem Leben und stellen eine frontale Bedrohung der gesamten Kultur der Menschenrechte dar. Eine Bedrohung, die letzten Endes imstande ist, selbst die Bedeutung des demokratischen Zusammenlebens aufs Spiel zu setzen: unsere Städte laufen Gefahr, aus einer Gesellschaft von „zusammenlebenden Menschen “ zu einer Gesellschaft von Ausgeschlossenen, an den Rand Gedrängten, Beseitigten und Unterdrückten zu werden. Muß man, wenn sich der Blick dann auf einen Welthorizont ausweitet, nicht daran denken, daß selbst die Beteuerung der Rechte der Personen und der Völker, wie sie bei ranghohen internationalen Zusammenkünften erfolgt, zu fruchtloser rhetorischer Übung wird, wenn nicht der Egoismus der reichen Länder, die den armen Ländern den Zugang zur Entwicklung verschließen oder ihn an die Bedingung absurder Fortpflanzungsverbote knüpfen und so die Entwicklung gegen den Menschen richten, die Maske fallen läßt? Muß man vielleicht nicht selbst die Wirtschaftsmodelle in 671 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Frage stellen, die von den Staaten häufig auch für Druckmaßnahmen und Konditionierungen auf internationaler Ebene angewandt werden und die Unrechts- und Gewaltsituationen verursachen und fördern, in denen das menschliche Leben ganzer Völker erniedrigt und mit Füßen getreten wird? 19. Wo liegen die Wurzeln eines derart paradoxen Widerspruchs? Wir können sie in kulturellen und moralischen Gesamtbewertungen feststellen, angefangen bei jener Mentalität, die unter Verschärfung und sogar Entstellung des Subjektivitätsbegriffs nur den als Inhaber von Rechten anerkennt, der mit voller oder zumindest mit ersten Anzeichen von Autonomie auftritt und den Zustand totaler Abhängigkeit von den anderen hinter sich läßt. Aber wie läßt sich dieser Ansatz mit der Verherrlichung des Menschen als „unverfügbares “ Wesen in Einklang bringen? Die Theorie der Menschenrechte beruht gerade auf der Erwägung der Tatsache, daß der Mensch zum Unterschied von den Tieren und den Sachen nicht der Herrschaft von irgend jemandem unterworfen werden kann. Es muß auch auf jene Logik hingewiesen werden, die dazu neigt, die Personwürde mit der Fähigkeit zu verbaler, ausdrücklicher, auf alle Fälle erprobbarer Kommunikation gleichzusetzen. Es ist klar, daß unter solchen Voraussetzungen in der Welt kein Raum für den ist, der, wie das ungeborene Kind oder der Sterbende, ein von seiner physischen Konstitution her schwaches Wesen ist, auf Gedeih und Verderb anderen Menschen ausgeliefert und radikal von ihnen abhängig ist und mit dem Kommunikation nur durch die stumme Sprache einer tiefen Symbiose liebender Zuneigung möglich ist. Damit wird die Stärke zum Entscheidungs- und Handlungskriterium in den zwischenmenschlichen Beziehungen und im sozialen Zusammenleben. Doch das ist das genaue Gegenteil von dem, was den Rechtsstaat historisch als Gemeinschaft bestätigt hat, in der an die Stelle des „Rechts der Stärke“ die „Stärke des Rechts“ tritt. Auf einer anderen Ebene liegen die Wurzeln des Widerspruchs zwischen der feierlichen Bestätigung der Menschenrechte und ihrer tragischen Verweigerung in der Praxis in einer Auffassung von Freiheit, die das einzelne Individuum zum Absoluten erhebt und es nicht zur Solidarität, zur vollen Annahme des anderen und zum Dienst an ihm veranlaßt. Wenn es wahr ist, daß sich die Auslöschung des ungeborenen oder zu Ende gehenden Lebens mitunter auch den Anstrich eines mißverstandenen Gefühls von Altruismus und menschlichen Erbarmens gibt, so kann man nicht bestreiten, daß eine solche Kultur des Todes in ihrer Gesamtheit eine ganz individualistische Freiheitsauffassung enthüllt, die schließlich die Freiheit der „Stärkeren“ gegen die zum Unterliegen bestimmten Schwachen ist. Genau in diesem Sinn kann man die Antwort Kains auf die Frage des Herrn „Wo ist dein Bruder Abel?“ auslegen: „Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?“ (Joh 4,9). Jawohl, jeder Mensch ist „Hüter seines Bruders“, weil Gott den Menschen dem Menschen anvertraut. Und im Hinblick auf dieses Anvertrauen schenkt Gott auch jedem Menschen die Freiheit, die eine wesentliche Beziehungsdimension besitzt. Sie ist ein großes Geschenk des Schöpfers, so sie in den Dienst 672 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Person und ihrer Verwirklichung durch die Selbsthingabe und die Annahme des anderen gestellt wird; wenn die Freiheit jedoch in individualistischer Weise verabsolutiert wird, wird sie ihres ursprünglichen Inhalts entleert und steht im Widerspruch zu ihrer Berufung und Würde. Noch einen tiefgehenderen Aspekt gilt es zu unterstreichen: die Freiheit verleugnet sich selber, zerstört sich selber und macht sich zur Vernichtung des anderen bereit, wenn sie ihre grundlegende Verbindung mit der Wahrheit nicht anerkennt und nicht mehr respektiert. Jedesmal, wenn die Freiheit sich von jeder Tradition und Autorität befreien will und sich den wesentlichen Klarheiten einer objektiven und gemeinsamen Wahrheit als dem Fundament für das persönliche und soziale Leben verschließt, hört der Mensch auf, als einzigen und unanfechtbaren Anhaltspunkt für seine Entscheidungen nicht mehr die Wahrheit über Gut und Böse anzunehmen, sondern nur noch seine subjektive und wandelbare Meinung oder gar sein egoistisches Interesse und seine Laune. 20. In dieser Auffassung von Freiheit wird das soziale Zusammenleben tiefgreifend entstellt. Wenn die Förderung des eigenen Ich als absolute Autonomie verstanden wird, gelangt man unvermeidlich zur Verneinung des anderen, der als Feind empfunden wird, gegen den man sich verteidigen muß. Auf diese Weise wird die Gesellschaft zu einer Gesamtheit von nebeneinanderstehenden Individuen, die aber keine gegenseitigen Beziehungen haben: ein jeder will sich unabhängig vom anderen behaupten, ja seinen eigenen Interessen Vorteil verschaffen. Angesichts gleichartiger Interessen des anderen muß man jedoch nachgeben und eine Art Kompromiß suchen, wenn man in der Gesellschaft jedem die größtmögliche Freiheit garantieren will. So schwindet jeder Bezug zu gemeinsamen Werten und zu einer für alle geltenden absoluten Wahrheit: das gesellschaftliche Leben läuft Gefahr, in einen vollkommenen Relativismus abzudriften. Da läßt sich alles vereinbaren, über alles verhandeln: auch über das erste Grundrecht, das Recht auf Leben. Das geschieht denn auch in der Tat im eigentlich politisch-staatlichen Bereich: das ursprüngliche, unveräußerliche Recht auf Leben wird auf Grund einer Parlamentsabstimmung oder des Willens eines - sei es auch mehrheitlichen - Teiles der Bevölkerung in Frage gestellt oder verneint. Es ist das unheilvolle Ergebnis eines unangefochten herrschenden Relativismus: das „Recht“ hört auf Recht zu sein, weil es sich nicht mehr fest auf die unantastbare Würde der Person gründet, sondern dem Willen des Stärkeren unterworfen wird. Auf diese Weise beschreitet die Demokratie ungeachtet ihrer Regeln den Weg eines substantiellen Totalitarismus. Der Staat ist nicht mehr das „gemeinsame Haus“, in dem alle nach den Prinzipien wesentlicher Gleichheit leben können, sondern er verwandelt sich in einen tyrannischen Staat, der sich anmaßt, im Namen einer allgemeinen Nützlichkeit - die in Wirklichkeit nichts anderes als das Interesse einiger weniger ist - über das Leben der Schwächsten und Schutzlosesten, vom ungeborenen Kind bis zum alten Menschen, verfügen zu können. 673 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alles geschieht scheinbar ganz auf dem Boden der Legalität, zumindest wenn über die Gesetze zur Freigabe der Abtreibung und der Euthanasie nach den sogenannten demokratischen Regeln abgestimmt wird. In Wahrheit stehen wir lediglich einem tragischen Schein von Legalität gegenüber, und das demokratische Ideal, das es tatsächlich ist, wenn es denn die Würde jeder menschlichen Person anerkennt und schützt, wird in seinen Grundlagen selbst verraten: „Wie kann man noch von Würde jeder menschlichen Person reden, wenn die Tötung des schwächsten und unschuldigsten Menschen zugelassen wird? Im Namen welcher Gerechtigkeit begeht man unter den Menschen die ungerechteste aller Diskriminierungen, indem man einige von ihnen für würdig erklärt, verteidigt zu werden, während anderen diese Würde abgesprochen wird?“ <12> Wenn diese Zustände eintreten, sind bereits jene Dynamismen ausgelöst, die zum Zerfall eines echten menschlichen Zusammenlebens und zur Zersetzung der staatlichen Realität führen. <12> Johannes Paul U., Ansprache an die Teilnehmer am Studienkongreß über ..Das Recht auf Leben und Europa“ (18. Dezember 1987): Insegnamenti X/3(1987)1446-1447. Das Recht auf Abtreibung, Kindestötung und Euthanasie zu fordern und es gesetzlich anzuerkennen heißt, der menschlichen Freiheit eine perverse, abscheuliche Bedeutung zuzuschreiben: nämlich die einer absoluten Macht über die anderen und gegen die anderen. Aber das ist der Tod der wahren Freiheit: „Amen, amen, das sage ich euch: Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde“ (Joh 8,34). „Ich muß mich vor deinem Angesicht verbergen“ (Gen 4,14): die Verfinsterung des Sinnes für Gott und den Menschen 21. Auf der Suche nach den tiefsten Wurzeln des Kampfes zwischen der „Kultur des Lebens“ und der „Kultur des Todes“ dürfen wir nicht bei der oben erwähnten perversen Freiheitsvorstellung stehenbleiben. Wir müssen zum Herzen des Dramas vorstoßen, das der heutige Mensch erlebt: die Verfinsterung des Sinnes für Gott und den Menschen, wie sie für das vom Säkularismus beherrschte soziale und kulturelle Umfeld typisch ist, der mit seinen durchdringenden Fangarmen bisweilen sogar christliche Gemeinschaften auf die Probe stellt. Wer sich von dieser Atmosphäre anstecken läßt, gerät leicht in den Strudel eines furchtbaren Teufelskreises: wenn man den Sinn für Gott verliert, verliert man bald auch den Sinn für den Menschen, für seine Würde und für sein Leben; die systematische Verletzung des Moralgesetzes, besonders was die Achtung vor dem menschlichen Leben und seiner Würde betrifft, erzeugt ihrerseits eine Art fortschreitender Verdunkelung der Fähigkeit, die lebenspendende und rettende Gegenwart Gottes wahrzunehmen. Und wieder können wir dem Bericht von der Ermordung Abels durch seinen Bruder folgen. Nach dem von Gott über ihn verhängten Fluch wendet sich Kain mit den Worten an den Herrn: „Zu groß ist meine Schuld, als daß ich sie tragen könnte! Du hast mich heute vom Ackerland verjagt, und ich muß mich vor deinem 674 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Angesicht verbergen; rastlos und ruhelos werde ich auf der Erde sein, und wer mich findet, wird mich erschlagen“ (Gen 4,13-14). Kain glaubt, daß seine Sünde beim Herrn keine Vergebung erfahren kann und daß es sein unvermeidliches Schicksal sein wird, „sich vor seinem Angesicht verbergen“ zu müssen. Wenn es Kain fertigbringt zu bekennen, daß seine Schuld „zu groß“ ist, dann deshalb, weil er weiß, daß er Gott und seinem gerechten Richterspruch gegenübersteht. Tatsächlich vermag der Mensch nur vor dem Herrn seine Sünde zu erkennen und ihre ganze Schwere zu erfassen. Das ist die Erfahrung Davids, der, nachdem er „gegen den Herrn gesündigt hat“, auf die Vorwürfe des Propheten Natan (vgl. 2 Sam 11-12) ausruft: „Ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt“ (Pi 51 [50],5-6). 22. Darum wird, wenn der Sinn für Gott schwindet, auch der Sinn für den Menschen bedroht und verdorben, wie das Zweite Vatikanische Konzil lapidar feststellt: „Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts ... Überdies wird das Geschöpf selbst durch das Vergessen Gottes unverständlich“. <13> Der Mensch vermag sich nicht mehr als „in geheimnisvoller Weise anders“ als die verschiedenen irdischen Lebewesen wahrzunehmen; er sieht sich als eines der vielen Lebewesen, als einen Organismus, der bestenfalls eine sehr hohe Vollkommenheitsstufe erreicht hat. In den engen Horizont seiner Körperlichkeit eingeschlossen, wird er gewissermaßen zu „einer Sache“ und beachtet nicht mehr den „transzendenten“ Charakter seines „Existierens als Mensch“. Er sieht das Leben nicht mehr als ein großartiges Geschenk Gottes an, als eine „heilige“ Wirklichkeit, die seiner Verantwortung und damit seiner liebevollen Obhut, seiner „Verehrung“ anvertraut ist. Es wird einfach zu „einer Sache“, die er als sein ausschließliches, total beherrschbares und manipulierbares Eigentum beansprucht. <13> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 36. Er ist daher nicht mehr in der Lage, sich angesichts des Lebens, das geboren wird, und des Lebens, das stirbt, nach dem wahren Sinn seines Daseins fragen zu lassen, indem er diese entscheidenden Augenblicke des eigenen „Seins“ in echter Freiheit annimmt. Er kümmert sich nur um das „Machen“ und bemüht sich unter Zuhilfenahme jeder Art von Technologie um die Planung, Kontrolle und Beherrschung von Geburt und Tod. Aus ursprünglichen Erfahrungen, die „gelebt“ werden sollen, werden Geburt und Tod zu Dingen, die man sich einfach zu „besitzen“ oder „abzulehnen“ anmaßt. Wenn im übrigen einmal der Bezug zu Gott ausgeschlossen ist, überrascht es nicht, daß der Sinn aller Dinge tief entstellt zum Vorschein kommt und die Natur selbst, nicht mehr „mater“, zu einem „Material“ entwürdigt wird, das allen Manipulationen offensteht. Zu diesem Punkt scheint eine gewisse in der modernen Kultur vorherrschende technisch-wissenschaftliche Rationalität zu führen, die selbst die VorsteEung einer Wahrheit vom Schöpfer, der anzuerkennen ist, oder 675 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eines Planes Gottes vom Leben, das zu achten ist, leugnet. Und dies gilt genauso, wenn die Angst vor den Ergebnissen dieser „Freiheit ohne Gesetz“ manche zur entgegengesetzten Vorstellung von einem „Gesetz ohne Freiheit“ verleitet, wie es z. B. in den Ideologien der Fall ist, die die Rechtmäßigkeit eines jeden Eingriffes in die Natur gleichsam im Namen ihrer „Vergöttlichung“ bestreiten; eine Vorstellung, die wiederum die Abhängigkeit vom Plan des Schöpfers mißachtet. Wenn der Mensch wirklich lebt, „als ob es Gott nicht gäbe“, so kommt ihm nicht nur der Sinn für das Geheimnis Gottes, sondern auch für das Geheimnis der Welt und seines eigenen Seins abhanden. 23. Die Verfinsterung des Sinnes für Gott und den Menschen führt unvermeidlich zum praktischen Materialismus, in dem der Individualismus, der Utilitarismus und der Hedonismus gedeihen. Auch hier offenbart sich die ewige Gültigkeit dessen, was der Apostel schreibt: „Und da sie sich weigerten, Gott anzuerkennen, lieferte Gott sie einem verworfenen Denken aus, so daß sie tun, was sich nicht gehört“ (Röm 1,28). Auf diese Weise werden die Werte des Seins durch jene des Habens ersetzt. Das einzige Ziel, auf das es ankommt, ist die Erlangung des eigenen materiellen Wohlergehens. Die sogenannte „Lebensqualität“ wird vorwiegend oder ausschließlich als wirtschaftliche Leistung, hemmungsloser Konsumismus, Schönheit und Genuß des physischen Lebens ausgelegt, wobei die tiefer reichenden - beziehungsmäßigen, geistigen und religiösen - Dimensionen des Daseins in Vergessenheit geraten. In einem solchen Gesamtrahmen wird das Leiden, eine unvermeidbare Belastung der menschlichen Existenz, aber auch ein Faktor möglichen personalen Wachstums, „beanstandet“, als unnütz zurückgewiesen, ja als immer und auf jeden Fall zu vermeidendes Übel bekämpft. Kann man es nicht überwinden und schwindet die Aussicht wenigstens auf künftiges Wohlergehen, dann scheint das Leben jede Bedeutung verloren zu haben, und im Menschen wächst die Versuchung, das Recht zu seiner Beseitigung geltend zu machen. Im selben kulturellen Umfeld wird der Körper nicht mehr als für die Person typische Wirklichkeit, nämlich als Zeichen und Ort der Beziehung zu den anderen, zu Gott und zur Welt, wahrgenommen. Er ist auf einen rein materiellen Charakter verkürzt: er ist nur ein Komplex von Organen, Funktionen und Kräften, die nach reinen Kriterien von Genuß und Leistung zu gebrauchen sind. Infolgedessen wird auch die Sexualität entpersönlicht und instrumentalisiert: aus Zeichen, Ort und Sprache der Liebe, das heißt der Selbsthingabe und der Annahme des anderen, wie sie dem ganzen Reichtum der Person entspricht, wird sie immer mehr zu einer Gelegenheit und einem Werkzeug der Bestätigung des eigenen Ich und der egoistischen Befriedigung der eigenen Begierden und Instinkte. So wird der ursprüngliche Inhalt der menschlichen Sexualität entstellt und verfälscht, und die zwei Bedeutungen, die das Wesen des ehelichen Aktes ausmachen, nämlich Vereinigung und Zeugung, werden künstlich getrennt: auf diese Weise wird die Vereinigung verraten, und die Fruchtbarkeit wird der Willkür des Mannes und der Frau unter- 676 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN worfen. Da wird die Zeugung zum,feind“, die es bei der Ausübung der Sexualität zu vermeiden gilt: wenn man sie zuläßt, dann nur deshalb, weil sie den eigenen Wunsch oder geradezu den eigenen Willen zum Ausdruck bringt, „um jeden Preis“ ein Kind zu haben, jedoch nicht, weil sie totale Annahme des anderen und damit Offenheit für die Lebensfülle besagt, deren Träger das Kind ist. In der bisher beschriebenen materialistischen Sicht erfahren die zwischenmenschlichen Beziehungen eine schwerwiegende Verarmung. Die Ersten, die unter den Schäden dieser Verarmung zu leiden haben, sind die Frau, das Kind, der kranke oder leidende und der alte Mensch. An die Stelle des eigentlichen Kriteriums der Personwürde - nämlich das der Achtung, der Unentgeltlichkeit und des Dienstes -tritt das Kriterium der Leistungsfähigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Nützlichkeit. der andere wird nicht für das anerkannt und geschätzt, was er „ist“, sondern für das, was er „hat, tut und leistet“. Das ist die Herrschaft des Stärkeren über den Schwächeren. 24. Die Verfinsterung des Sinnes für Gott und für den Menschen mit allen ihren mannigfachen, verhängnisvollen Auswirkungen auf das Leben vollzieht sich im Innern des sittlichen Gewissens. Dabei geht es zunächst um das Gewissen jedes einzelnen Menschen, der in seiner Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit allein mit Gott ist. <14> Doch es geht in gewissem Sinne auch um das „sittliche Gewissen“ der Gesellschaft: sie ist irgendwie verantwortlich, nicht nur weil sie gegen das Leben gerichtete Haltungen duldet oder unterstützt, sondern auch, weil sie durch die Schaffung und Festigung regelrechter „Sündenstrukturen“ gegen das Leben die „Kultur des Todes“ fördert. Das sittliche Gewissen sowohl des einzelnen wie der Gesellschaft ist heute auch wegen des aufdringlichen Einflusses vieler sozialer Kommunikationsmittel einer sehr ernsten und tödlichen Gefahr ausgesetzt: der Gefahr der Verwirrung zwischen Gut und Böse in bezug auf das fundamentale Recht auf Leben. Ein Großteil der heutigen Gesellschaft zeigt sich ähnlich jener Menschheit, die Paulus im Römerbrief beschreibt. Sie besteht aus „Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten“ (1,18): nachdem sie von Gott abgefallen sind und glaubten, das irdische Gemeinwesen ohne Ihn aufbauen zu können, „verfielen sie in ihrem Denken der Nichtigkeit, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert“ (1,21); „sie behaupteten, weise zu sein, und wurden zu Toren“ (1,22); sie wurden zu Urhebern todesträchtiger Werke und „tun sie nicht nur selber, sondern stimmen bereitwillig auch denen zu, die so handeln“ (1,32). Wenn das Gewissen, dieses leuchtende Auge der Seele (vgl. Mt 6,22-23), „das Gute böse und das Böse gut“ nennt (Jes 5,20), dann ist es auf dem Weg besorgniserregender Entartung und finsterster moralischer Blindheit. <14> Vgl, ebd., Nr. 16. Doch sämtlichen Konditionierungen und Anstrengungen, das Schweigen durchzusetzen, gelingt es nicht, die Stimme des Herrn zu ersticken, die sich im Gewissen jedes Menschen vernehmen läßt: von diesem inneren Heiligtum des Gewissens 677 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kann immer wieder ein neuer Weg der Liebe, der Annahme und des Dienstes für das menschliche Leben seinen Ausgang nehmen. „Ihr seid hingetreten zum Blut der Besprengung“ (vgl. Hebr 12,22.24): Zeichen der Hoffnung und Einladung zum Engagement 25. „Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden!“ (Gen 4,10). Nicht nur das Blut Abels, des ersten unschuldig getöteten Menschen, schreit zu Gott, Quelle und Verteidiger des Lebens. Auch das Blut jedes anderen ermordeten Menschen nach Abel schreit zum Herrn. In absolut einmaliger Weise schreit zu Gott das Blut Christi, dessen prophetische Gestalt Abel in seiner Unschuld ist, wie der Verfasser des Hebräerbriefes ausführt: „Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes ..., um Mittler eines neuen Bundes, Jesus, und zum Blut der Besprengung, das mächtiger ruft als das Blut Abels“ (12,22.24). Es ist das Blut der Besprengung. Symbol und Vorauszeichen dafür war das Blut der Opfer des Alten Bundes gewesen, durch die Gott seinen Willen kundtat, den Menschen sein Leben durch ihre Reinigung und Heiligung mitzuteilen (vgl. Ex 24,8; Lev 17,11). Das alles erfüllt und bewahrheitet sich nun in Christus: sein Blut ist das Blut der Besprengung, das erlöst, reinigt und rettet; das Blut des Mittlers des Neuen Bundes, „das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ {Mt 26,28). Dieses Blut, das am Kreuz aus der durchbohrten Seite Christi fließt (vgl. Joh 19,34), „ruft mächtiger“ als das Blut Abels; es bringt in der Tat eine tiefere „Gerechtigkeit“ zum Ausdruck und verlangt sie, doch vor allem erfleht es Barmherzigkeit, <15> es tritt beim Vater für die Brüder ein (vgl. Hebr 7,25), es ist Quelle vollkommener Erlösung und Geschenk neuen Lebens. <15> Vgl. Hl. Gregor der Grosse, Moralia in Job, 13, 23: CCL 143 A, 683. Während das Blut Christi die Größe der Liebe des Vaters enthüllt, macht es offenbar, wie kostbar der Mensch in den Augen Gottes ist und welch unschätzbaren Wert sein Leben besitzt. Daran erinnert uns der Apostel Petrus: „Ihr wißt, daß ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (i Petr 1,18-19). Beim Betrachten des kostbaren Blutes Christi, Zeichen seiner Hingabe aus Liebe (vgl. Joh 13,1), lernt der Gläubige die gleichsam göttliche Würde jedes Menschen kennen und schätzen und kann mit immer neuem und dankbarem Staunen ausrufen: „Welchen Wert muß der Mensch in den Augen des Schöpfers haben, wenn ,er verdient hat, einen solchen und so großen Erlöser zu haben1 {Exultet der Osternacht), wenn ,Gott seinen Sohn hingegeben hat1, damit er, der Mensch, ,nicht verlorengeht, sondern das ewige Leben hat1 (vgl. Joh 3,16)!“ <16> 29 Johannes Paul II., Enzyklika Redomplor Hominis (4. März 1979), Nr. 10: AASJ l( 1979)274. 678 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zudem offenbart das Blut Christi dem Menschen, daß seine Größe und damit seine Berufung in der aufrichtigen Selbsthingabe besteht. Da es als Geschenk des Lebens vergossen wird, ist das Blut Christi nicht mehr Zeichen des Todes, der endgültigen Trennung von den Brüdern, sondern Werkzeug einer Verbundenheit, die für alle Fülle des Lebens bedeutet. Wer im Sakrament der Eucharistie dieses Blut trinkt und in Jesus bleibt (vgl. Joh 6,56), wird mithineingenommen in seinen Dynamismus der Liebe und der Hingabe des Lebens, um die ursprüngliche Berufung zur Liebe zu erfüllen, die zu jedem Menschen gehört (vgl. Gen 1,27; 2,18-24). Noch immer ist es das Blut Christi, aus dem alle Menschen die Kraft schöpfen, um sich für das Leben einzusetzen. Dieses Blut ist der stärkste Grund der Hoffnung, ja das Fundament der absoluten Gewißheit, daß nach Gottes Plan das Leben siegen wird. „Der Tod wird nicht mehr sein“, ruft die laute Stimme, die vom Thron Gottes im himmlischen Jerusalem erschallt (Offb 21,4). Und der hl. Paulus versichert uns, daß der zeitliche Sieg über die Sünde Zeichen und Vorwegnahme des endgültigen Sieges über den Tod ist, wenn „sich das Wort der Schrift erfüllen wird: Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15,54-55). 26. In der Tat fehlt es nicht an Vorzeichen dieses Sieges in unseren Gesellschaften und Kulturen, obwohl sie so stark von der „Kultur des Todes“ gezeichnet sind. Man würde daher ein einseitiges Bild entwerfen, das zu fruchtloser Entmutigung verleiten könnte, wenn man zu der Brandmarkung der Bedrohungen des Lebens nicht die Darstellung der positiven Zeichen hinzufügte, die in der gegenwärtigen Situation der Menschheit wirksam sind. Leider fällt es diesen positiven Zeichen oft schwer, sich darzustellen und erkannt zu werden, vielleicht auch deshalb, weil sie in den Massenmedien keine entsprechende Aufmerksamkeit finden. Aber wie viele Initiativen zur Hilfe und Unterstützung für die schwächsten und schutzlosesten Menschen sind in der christlichen Gemeinschaft und in der bürgerlichen Gesellschaft auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene von einzelnen, von Gruppen, Bewegungen und verschiedenartigen Organisationen ergriffen worden und werden weiterhin in die Wege geleitet! Noch immer gibt es zahlreiche Eheleute, die mit tiefer Verantwortung die Kinder als „die kostbarste Gabe der Ehe“ <17> annehmen. Und es fehlt auch nicht an Familien, die über ihren täglichen Dienst am Leben hinaus die Offenheit besitzen, sich verlassener Kleinkinder, in Notlagen befindlicher Kinder und Jugendlicher, behinderter Personen und allein gebliebener alter Menschen anzunehmen. Nicht wenige Zentren für Lebenshilfe oder ähnliche Einrichtungen werden von Personen und Gruppen gefördert, die mit bewundernswerter Hingabe und Aufopferung Müttern in schwieriger Lage, die versucht sind, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, moralische und materielle Hilfe anbieten. Auch entstehen und verbreiten <17> n. Vatikanischs Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 50. 679 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich engagierte Freiwilligengruppen, die Menschen Gastfreundschaft gewähren, die keine Familie haben, die sich in einer besonders mißlichen Lage befinden oder eines erzieherischen Milieus bedürfen, das ihnen hilft, zerstörerische Gewohnheiten zu überwinden und den Sinn des Lebens zurückzugewinnen. Die von den Forschem und Fachleuten des Berufs mit großem Einsatz geförderte Medizin setzt ihre Anstrengungen fort, immer wirksamere Mittel für die Heilung und Pflege in Krankheiten zu finden: für das entstehende Leben, für leidende Menschen und für die Kranken in akutem Zustand oder in der Endphase werden heute Ergebnisse erzielt, die einst ganz unvorstellbar waren und vielversprechende Perspektiven eröffnen. Verschiedene Einrichtungen und Organisationen setzen sich in Bewegung, um auch den am schwersten von Elend und von endemischen Krankheiten betroffenen Ländern die Vorzüge der neuesten Medizin zu bringen. So werden auch nationale und internationale Ärztevereinigungen tätig, um den von Naturkatastrophen, Seuchen oder Kriegen heimgesuchten Bevölkerungen rechtzeitig Hilfe zu leisten. Warum sollte man nicht, auch wenn eine tatsächliche internationale Gerechtigkeit bei der Verteilung der medizinischen Ressourcen von ihrer vollen Verwirklichung noch weit entfernt ist, in den bisher durchgeführten Schritten das Zeichen einer wachsenden Solidarität unter den Völkern, einer wertvollen menschlichen und moralischen Sensibilität und einer größeren Achtung vor dem Leben erkennen? 27. Angesichts von Gesetzgebungen zur Freigabe der Abtreibung und da und dort erfolgreichen Versuchen, die Euthanasie zu legalisieren, sind in der ganzen Welt Bewegungen und Initiativen zur sozialen Sensibilisierung für das Leben entstanden. Wenn solche Bewegungen in Übereinstimmung mit ihrer glaubwürdigen Inspiration mit entschiedener Standhaftigkeit, aber ohne Anwendung von Gewalt handeln, fördern sie damit eine breitere Bewußtmachung des Wertes des Lebens. Außerdem regen sie einen entschiedeneren Einsatz zu seiner Verteidigung an und setzen ihn in die Praxis um. Muß man nicht auch an alle jene täglichen Gesten von Annahme, Opfer, selbstloser Sorge erinnern, die eine unübersehbare Anzahl von Personen voll Liebe in den Familien, in den Krankenhäusern, in den Waisenhäusern, in den Altersheimen und in anderen Zentren oder Gemeinschaften zum Schutz des Lebens vollbringt? Die Kirche, die sich vom Beispiel Jesu vom „barmherzigen Samariter“ (vgl. Lk 10,29-37) leiten läßt und von seiner Kraft gestärkt wird, hat an diesen Fronten der Nächstenliebe immer in vorderster Linie gestanden: viele ihrer Töchter und Söhne, besonders Ordensleute, weihten und weihen auch heute noch in alten und immer neuen Formen ihr Leben Gott, indem sie es aus Liebe zum schwächsten und bedürftigsten Nächsten hingeben. Diese Gesten bauen von innen her jene „Zivilisation der Liebe und des Lebens“ auf, ohne die die Existenz der Menschen und der Gesellschaft ihre im wahrsten Sinne menschliche Bedeutung verliert. Auch wenn sie von niemandem bemerkt und den meisten verborgen bleiben würden, versichert der Glaube, daß der Vater, 680 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „der auch das Verborgene sieht“ (Mt 6,4), sie nicht nur dereinst belohnen wird, sondern sie schon jetzt mit bleibenden Früchten für alle ausstattet. Zu den Hoffnungszeichen muß auch eine in breiten Schichten der öffentlichen Meinung zunehmende neue Sensibilität gezählt werden, die immer mehr gegen den Krieg als Instrument zur Lösung von Konflikten zwischen den Völkern gerichtet ist und nach wirksamen, aber „gewaltlosen“ Mitteln sucht, um den bewaffneten Angreifer zu blockieren. In dasselbe Blickfeld gehört auch die immer weiter verbreitete Abneigung der öffentlichen Meinung gegen die Todesstrafe selbst als Mittel sozialer „Notwehr“, in Anbetracht der Möglichkeiten, über die eine moderne Gesellschaft verfügt, um das Verbrechen wirksam mit Methoden zu unterdrücken, die zwar den, der es begangen hat, unschädlich machen, ihm aber nicht endgültig die Möglichkeit nehmen, wieder zu Ehren zu kommen. Wohlwollend zu begrüßen ist auch die erhöhte Aufmerksamkeit für die Qualität des Lebens und die Umwelt, die vor allem in den hochentwickelten Gesellschaften festzustellen ist, in denen sich die Erwartungen der Menschen nicht mehr so sehr auf die Probleme des Überlebens, als vielmehr auf die Suche nach einer globalen Verbesserung der Lebensbedingungen konzentrieren. Besonders bedeutsam ist das Erwachen bzw. Wiederaufleben einer ethischen Reflexion über das Leben: durch das Aufkommen der Bioethik und ihre immer mehr intensivierte Entwicklung und Ausweitung werden - unter Gläubigen und Nichtgläubigen wie auch zwischen den Gläubigen verschiedener Religionen - die Reflexion und der Dialog über grundlegende ethische Probleme gefördert, die das Leben des Menschen betreffen. 28. Dieser Horizont von Licht und Schatten muß uns allen voll bewußt machen, daß wir einer ungeheuren und dramatischen Auseinandersetzung zwischen Bösem und Gutem, Tod und Leben, der „Kultur des Todes“ und der „Kultur des Lebens“ gegenüberstehen. Wir stehen diesem Konflikt nicht nur „gegenüber“, sondern befinden uns notgedrungen „mitten drin“: wir sind alle durch die unausweichliche Verantwortlichkeit in die bedingungslose Entscheidung für das Leben involviert und daran beteiligt. Auch an uns ergeht klar und nachdrücklich die Einladung des Mose: „Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor ...; Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen“ (Dtn 30,15.19). Es ist eine Einladung, die wohl auch für uns gilt, die wir uns jeden Tag zwischen der „Kultur des Lebens“ und der „Kultur des Todes“ entscheiden müssen. Doch der Appell des Buches Deuteronomium ist noch tiefgründiger, weil er uns zu einer im eigentlichen Sinn religiösen und moralischen Entscheidung anhält. Es geht darum, dem eigenen Dasein eine grundsätzliche Orientierung zu geben und in Treue und Übereinstimmung mit dem Gesetz des Herrn zu leben: „... die Gebote des Herrn, deines Gottes, auf die ich dich heute verpflichte, ... indem du den Herrn deinen Gott liebst, auf seinen Wegen gehst und aufseine Gebote, Gesetze und Rechtsvorschriften achtest... Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen. Liebe den Herrn, dei- 681 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen Gott, höre auf seine Stimme, und halte dich an ihm fest; denn er ist dein Leben. Er ist die Länge deines Lebens“ (30,16.19-20). Die Lülle ihrer religiösen und moralischen Bedeutung erreicht die bedingungslose Entscheidung für das Leben dann, wenn sie aus dem Glauben an Christus erwächst, von ihm geformt und gefördert wird. Bei einer positiven Auseinandersetzung mit dem Konflikt zwischen Tod und Leben, in dem wir stecken, hilft uns nichts so sehr wie der Glaube an den Sohn Gottes, der Mensch geworden und zu den Menschen gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Lülle haben“ (Joh 10,10): es ist der Glaube an den Auferstandenen, der den Tod besiegt hat; es ist der Glaube an das Blut Christi, „das mächtiger ruft als das Blut Abels,, (Hebr 12,24). Durch das Licht und die Kraft dieses Glaubens wird sich die Kirche angesichts der Herausforderungen der gegenwärtigen Situation stärker der ihr vom Herrn aufgetragenen Gnade und Verantwortung bewußt, das Evangelium vom Leben zu verkünden, zu feiern und ihm zu dienen. II. Kapitel Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben Die christliche Botschaft über das Leben „Das Leben wurde offenbart, wir haben es gesehen“ (1 Joh 1,2): der Blick ist auf Christus, „das Wort des Lebens“, gerichtet 29. Angesichts der unzähligen ernsten Bedrohungen des Lebens in der modernen Welt könnte man von einem Gefühl unüberwindlicher Ohnmacht übermannt werden: das Gute wird nie die Kraft haben können, das Böse zu überwinden! Das ist der Augenblick, in dem das Volk Gottes und in ihm jeder Gläubige aufgerufen ist, demütig und mutig seinen Glauben an Jesus Christus, „das Wort des Lebens“ (1 Joh 1,1), zu bekennen. Das Evangelium vom Leben ist nicht bloß eine, wenn auch originelle und tiefgründige Reflexion über das menschliche Leben; und es ist auch nicht nur ein Gebot, dazu bestimmt, das Gewissen zu sensibilisieren und gewichtige Veränderungen in der Gesellschaft zu bewirken; und noch weniger ist es eine illusorische Verheißung einer besseren Zukunft. Das Evangelium vom Leben ist eine konkrete und personale Wirklichkeit, weil es in der Verkündigung der Person Jesu selber besteht. Dem Apostel Thomas und in ihm jedem Menschen zeigt sich Jesus mit den Worten: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Mit derselben Identität weist er sich Marta, der Schwester des Lazarus, gegenüber aus: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25-26). Jesus ist der Sohn, der von Ewigkeit her vom Vater das Leben empfängt (vgl. Joh 5,26) und zu den Menschen gekom- 682 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men ist, um sie an diesem Geschenk teilhaben zu lassen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Vom Wort, von der Tat, und selbst von der Person Jesu wird also dem Menschen die Möglichkeit gegeben, die ganze Wahrheit über den Wert des menschlichen Lebens zu „erkennen“; aus jener „Quelle“ erwächst ihm insbesondere die Fähigkeit, vollkommen diese Wahrheit „zu tun“ (vgl. Joh 3,21), das heißt, die Verantwortung zur Liebe des menschlichen Lebens und zum Dienst an ihm, zu seiner Verteidigung und Förderung voll anzunehmen und zu verwirklichen. Denn in Christus wird jenes bereits in der Offenbarung des Alten Testamentes dargebotene und jedem Mann und jeder Frau sogar irgendwie ins Herz geschriebene Evangelium vom Leben endgültig verkündet und in seiner Fülle verschenkt; es erfüllt jedes sittliche Bewußtsein „von Anfang an“, das heißt von der Erschaffung an, so daß es trotz der negativen Beeinflussungen durch die Sünde in seinen wesentlichen Zügen auch von der menschlichen Vernunft erkannt werden kann. Christus ist es, wie das II. Vatikanische Konzil schreibt, „der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schließlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, daß Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwek-ken“. <18> <18> Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 4. 30. Während wir den Blick auf den Herrn Jesus gerichtet haben, wollen wir also von ihm wieder „die Worte Gottes“ (Joh 3,34) hören und neu nachdenken über das Evangelium vom Leben. Den tieferen und ursprünglichen Sinn dieser Meditation über die geoffenbarte Botschaft vom menschlichen Leben hat der Apostel Johannes erfaßt, als er in seinem ersten Brief einleitend schrieb: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens. Denn das Wort wurde offenbart; wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde. Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt“ (1,1-3). In Jesus, dem „Wort des Lebens“, wird also das göttliche und ewige Leben verkündet und mitgeteilt. Durch diese Verkündigung und dieses Geschenk gewinnt das physische und geistige Leben des Menschen auch in seiner irdischen Phase vollen Wert und Bedeutung: das göttliche und ewige Leben ist in der Tat das Ziel, auf das hin der in dieser Welt lebende Mensch ausgerichtet und zu dem er berufen ist. Das Evangelium vom Leben schließt somit alles ein, was die menschliche Erfahrung und die Vernunft über den Wert des menschlichen Lebens sagen, nimmt es an, erhöht es und bringt es zur Vollendung. 683 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden“ (Ex 15,2): das Leben ist immer ein Gut 31. Die evangelische Fülle der Botschaft über das Leben ist in Wirklichkeit schon im Alten Testament vorbereitet. Vor allem im Geschehen des Exodus, dem Kern der Glaubenserfahrung des Alten Testamentes, entdeckt Israel, wie kostbar sein Leben in Gottes Augen ist. Als es schon der Ausrottung preisgegeben zu sein scheint, weil alle seine männlichen Neugeborenen vom Tod bedroht sind (vgl. Ex 1,15-22), offenbart sich ihm der Herr als Retter, der den Hoffnungslosen eine Zukunft sicherzustellen vermag. So wird in Israel ein klares Bewußtsein geboren: sein Leben ist nicht einem Pharao ausgeliefert, der sich seiner mit despotischer Willkür bedienen kann; es ist vielmehr das Objekt einer zärtlichen und starken Liebe Gottes. Die Befreiung aus der Knechtschaft ist das Geschenk einer Identität, die Anerkennung einer unauslöschlichen Würde und der Beginn einer neuen Geschichte, in der die Entdeckung Gottes und Selbstentdeckung miteinander einhergehen. Das Erlebnis des Exodus ist eine exemplarische Gründungserfahrung. Israel lernt dabei, daß es sich jedesmal, wenn es in seiner Existenz bedroht ist, nur mit neuem Vertrauen an Gott zu wenden braucht, um bei Ihm wirksame Hilfe zu finden: „Ich habe dich geschaffen, du bist mein Knecht; Israel, ich vergesse dich nicht“ (.Jes 44,21). Während Israel so den Wert seiner Existenz als Volk erkennt, macht es auch Fortschritte in der Wahrnehmung des Sinnes und Wertes des Lebens als solchen. Eine Reflexion, die, ausgehend von der täglichen Erfahrung der Ungewißheit des Lebens und von der Kenntnis der es gefährdenden Bedrohungen, besonders in den Weisheitsbüchem entfaltet wird. Der Glaube wird angesichts der Gegensätzlichkeiten des Daseins herausgefordert, eine Antwort anzubieten. Vor allem das Problem des Schmerzes setzt dem Glauben zu und stellt ihn auf die Probe. Soll man etwa in der Meditation des Buches Ijob nicht das universale Stöhnen des Menschen vernehmen? Der vom Leid geschlagene Unschuldige ist verständlicherweise geneigt, sich zu fragen: „Warum schenkt er dem Elenden Licht und Leben denen, die verbittert sind? Sie warten auf den Tod, der nicht kommt, sie suchen ihn mehr als verborgene Schätze“ (3,20-21). Aber auch in der tiefsten Finsternis veranlaßt der Glaube zur vertrauensvollen und anbetenden Erkenntnis des „Geheimnisses“: „Ich habe erkannt, daß du alles vermagst; kein Vorhaben ist dir verwehrt“ (Ijob 42,2). Nach und nach macht die Offenbarung mit immer größerer Klarheit den Keim unsterblichen Lebens begreiflich, der vom Schöpfer ins Herz der Menschen gelegt wurde: „Gott hat das alles zu seiner Zeit auf vollkommene Weise getan. Überdies hat er die Ewigkeit in alles hineingelegt“ (Koh 3,11). Dieser Keim von Ganzheit und Fülle wartet darauf, sich in der Liebe zu offenbaren und sich durch die unentgeltliche Hingabe Gottes in der Teilhabe an seinem ewigen Leben zu verwirklichen. 684 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Der Name Jesu hat diesen Mann zu Kräften gebracht“ (Apg 3,16): in der Ungewißheit des menschlichen Daseins bringt Jesus den Sinn des Lebens zur Vollendung 32. Die Erfahrung des Bundesvolkes erneuert sich in der Erfahrung aller „Armen“, die Jesus von Nazaret begegnen. Wie schon Gott, der „Freund des Lebens“ (Weish 11,26), Israel inmitten der Gefahren beruhigt hatte, so verkündet nun der Gottessohn allen, die sich in ihrer Existenz bedroht und behindert fühlen, daß auch ihr Leben ein Gut ist, dem die Liebe des Vaters Sinn und Wert verleiht. „Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet“ (Lfc 7,22). Mit diesen Worten des Propheten Jesaja (35,5-6; 61,1) legt Jesus die Bedeutung seiner Sendung dar: so vernehmen alle, die unter einer irgendwie von Behinderung gekennzeichneten Existenz leiden, von ihm die frohe Kunde von der Anteilnahme Gottes ihnen gegenüber und finden bestätigt, daß auch ihr Leben eine in den Händen des Vaters eifersüchtig gehütete Gabe ist (vgl. Mt 6,25-34). Es sind besonders die „Armen“, an die sich die Verkündigung und das Wirken Jesu richtet. Die Massen von Kranken und Ausgegrenzten, die ihm folgen und ihn suchen (vgl. Mt 4,23-25), finden in seinem Wort und in seinen Taten offenbart, welch großen Wert ihr Leben besitzt und wie begründet ihre Heilserwartungen sind. Nicht anders geschieht es in der Sendung der Kirche seit ihren Anfängen. Sie, die Jesus als den verkündet, der „umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm“ (Apg 10,38), weiß sich als Trägerin einer Heilsbotschaft, die in ihrer ganzen Neuartigkeit gerade in den von Elend und Armut geprägten Lebenssituationen des Menschen zu vernehmen ist. So macht es Petrus bei der Heilung des Gelähmten, der jeden Tag an die „Schöne Pforte“ des Tempels von Jerusalem gesetzt wurde, wo er um Almosen betteln sollte: „Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, geh umher!“ (.Apg 3,6). Im Glauben an Jesus, den „Urheber des Lebens“ (.Apg 3,15), gewinnt das verlassen und bedauernswert damiederliegende Lehen wieder Selbstbewußtsein und volle Würde. Das Wort und die Taten Jesu und seiner Kirche gelten nicht nur dem, der von Krankheit, von Leiden oder von den verschiedenen Formen sozialer Ausgrenzung betroffen ist. Tiefgehender berühren sie den eigentlichen Sinn des Lebens jedes Menschen in seinen moralischen und geistlichen Dimensionen. Nur wer erkennt, daß sein Leben von der Krankheit der Sünde gezeichnet ist, kann in der Begegnung mit dem Retter Jesus die Wahrheit und Glaubwürdigkeit der eigenen Existenz entsprechend dessen eigenen Worten wiederfinden: ,Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten“ (Lk 5,31-32). 685 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wer hingegen wie der reiche Landwirt im Gleichnis des Evangeliums meint, er könne sein Leben durch den Besitz allein der materiellen Güter sichern, täuscht sich in Wirklichkeit: das Leben entgleitet ihm, und er wird es sehr bald verlieren, ohne dazu gekommen zu sein, seine wahre Bedeutung zu erfassen: „Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordem. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast?“ (Lk 12,20). 33. Im Leben Jesu selbst begegnet man von Anfang bis Ende dieser einzigartigen „Dialektik“ zwischen der Erfahrung der Gefährdung des menschlichen Lebens und der Geltendmachung seines Wertes. Denn gefährdet ist das Leben Jesu von seiner Geburt an. Gewiß findet er Aufnahme von seiten der Gerechten, die sich dem bereiten und freudigen „Ja“ Marias anschließen (vgl. Lk 1,38). Aber da ist auch sofort die Ablehnung durch eine Welt, die feindselig auftritt und das Kind „zu töten“ trachtet {Mt 2,13) oder sich gegenüber der Erfüllung des Geheimnisses dieses Lebens, das in die Welt eintritt, gleichgültig und achtlos verhält: „in der Herberge war kein Platz für sie“ {Lk 2,7). Gerade aus dem Gegensatz zwischen den Bedrohungen und Unsicherheiten einerseits und der Mächtigkeit des Gottesgeschenkes andererseits leuchtet mit um so größerer Kraft die Herrlichkeit, die vom Haus in Nazaret und von der Krippe in Betlehem ausstrahlt: dieses hier geborene Leben bedeutet Heil für die ganze Menschheit (vgl. Lk 2,11). Widersprüche und Gefahren des Lebens werden von Jesus voll angenommen: „Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Die Armut, von der Paulus spricht, besteht nicht nur darin, daß sich Jesus der göttlichen Vorrechte entäußert, sondern auch die niedrigsten und unsichersten Bedingungen menschlichen Lebens teilt (vgl. Phil 2,6-7). Jesus lebt diese Armut sein ganzes Leben hindurch bis zu dessen Höhepunkt am Kreuz: „er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ {Phil 2,8-9). Gerade in seinem Tod macht Jesus die ganze Größe und den Wert des Lebens offenbar, weil sein Sichhingeben am Kreuz zur Quelle neuen Lebens für alle Menschen wird (vgl. Joh 12,32). Auf diesem Pilgerweg durch die Widersprüche des Lebens und selbst bei dessen Verlust läßt sich Jesus von der Gewißheit leiten, daß es in den Händen des Vaters liegt. Darum kann er am Kreuz zu ihm sagen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ {Lk 23,46), das heißt mein Leben. Der Wert des menschlichen Lebens ist in der Tat groß, wenn der Sohn Gottes es angenommen und zu dem Ort gemacht hat, an dem sich das Heil für die ganze Menschheit verwirklicht! 686 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ Sie sind dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben “ (vgl. Rom 8,29): die Herrlichkeit Gottes leuchtet auf dem Antlitz des Menschen 34. Das Leben ist immer ein Gut. Das ist eine intuitive Ahnung oder sogar eine Erfahrungstatsache, deren tiefen Grund zu erfassen der Mensch berufen ist. Warum ist das Leben ein Gut? Die Frage durchzieht die ganze Bibel und findet bereits auf ihren ersten Seiten eine wirkungsvolle und wunderbare Antwort. Das Leben, das Gott dem Menschen schenkt, ist anders und eigenständig gegenüber dem eines jeden anderen Lebewesens, weil der Mensch, auch wenn er mit dem Staub der Erde verwandt ist (vgl. Gen 2,7; 3,19; Ijob 34,15; Ps 103[102],14; 104[103],29), in der Welt Offenbarung Gottes, Zeichen seiner Gegenwart, Spur seiner Herrlichkeit ist (vgl. Gen 1,26-27; Ps 8,6). Das wollte auch der hl. Irenaus von Lyon mit seiner berühmten Definition unterstreichen: „Der lebendige Mensch ist die Herrlichkeit Gottes“. <19> Dem Menschen wird eine erhabene Würde geschenkt, die ihre Wurzeln in den innigen Banden hat, die ihn mit seinem Schöpfer verbinden: im Menschen erstrahlt ein Widerschein der Wirklichkeit Gottes selbst. Das führt das erste Buch der Genesis im ersten Schöpfungsbericht aus, indem es den Menschen als Höhepunkt des Schöpfungswerkes Gottes, als seine Krönung, an das Ende eines Prozesses stellt, der vom unterschiedslosen Chaos zum vollkommensten Geschöpf führt. Alles in der Schöpfung ist auf den Menschen hingeordnet und alles ist ihm untergeordnet: „Bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht... über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“ (1,28), gebietet Gott dem Mann und der Frau. Eine ähnliche Botschaft stammt auch aus dem zweiten Schöpfungsbericht: „Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte“ (Gen 2,15). So wird die Vorrangstellung des Menschen über die Dinge bekräftigt: sie sind auf ihn hin ausgerichtet und seiner Verantwortung an vertraut, während er selbst unter keinen Umständen an seinesgleichen versklavt werden und gleichsam auf die Ebene einer Sache herabgestuft werden kann. <19> „Gloria Dei vivens homo“: Gegen die Häresien, IV, 20,7: SCh 100/2, 64S-649. In der biblischen Erzählung wird die Unterscheidung des Menschen von den anderen Geschöpfen vor allem dadurch herausgestellt, daß nur seine Erschaffung als Frucht eines besonderen Entschlusses Gottes dargestellt wird, als Ergebnis einer Entscheidung, die in der Herstellung einer eigenen und besonderen Verbindung mit dem Schöpfer besteht: „Laß uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich“ (Gen 1,26). Das Leben, das Gott dem Menschen anbietet, ist ein Geschenk, durch das Gott sein Geschöpf an etwas von sich selbst teilhaben läßt. Israel wird noch lange Fragen nach dem Sinn dieser eigenen und besonderen Bindung des Menschen an Gott stellen. Auch das Buch Jesus Sirach räumt ein, daß Gott die Menschen bei ihrer Erschaffung ,4hm selbst ähnlich mit Kraft bekleidet 687 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und nach seinem Abbild erschaffen hat“ (17,3)- Darauf führt der Verfasser nicht nur ihre Beherrschung der Welt zurück, sondern auch die wesentlichsten geistigen Fähigkeiten des Menschen, wie Vernunft, Erkenntnis von Gut und Böse, den freien Willen: „Mit kluger Einsicht erfüllte er sie und lehrte sie, Gutes und Böses zu erkennen“ (Sir 17,7). Die Fähigkeit, Wahrheit und Freiheit zu erlangen, sind Vorrechte des Menschen, geschaffen nach dem Abbild seines Schöpfers, des wahren und gerechten Gottes (vgl. Dtn 32,4). Unter allen sichtbaren Kreaturen ist nur der Mensch „fähig, seinen Schöpfer zu erkennen und zu heben“. <20> Das Leben, das Gott dem Menschen schenkt, ist weit mehr als ein zeitlich-irdisches Dasein. Es ist ein Streben nach einer Lebensfülle; es ist Keim einer Existenz, die über die Grenzen der Zeit hinausgeht: „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht“ (Weish 2,23). <20> n. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 12. 35. Auch der jahwistische Schöpfungsbericht bringt dieselbe Überzeugung zum Ausdruck. Die ältere Erzählung spricht nämlich von einem göttlichen Hauch, der in den Menschen geblasen wird, damit er ins Leben trete: „Gott, der Herr, formte den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ (Gen 2,7). Der göttliche Ursprung dieses Lebensgeistes erklärt das ständige Unbefriedigtsein, das den Menschen in seinen Erdentagen begleitet. Da er von Gott geschaffen wurde und eine unauslöschliche Spur Gottes in sich trägt, trachtet der Mensch natürlich nach ihm. Jeder Mensch muß, wenn er die tiefe Sehnsucht seines Herzens vernimmt, sich das Wort der vom hl. Augustinus ausgesprochenen Wahrheit zu eigen machen: „Du, o Herr, hast uns für Dich geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir“. <21> <21> Confessiones, I, 1: CCL21, I. Äußerst vielsagend ist das Unbefriedigtsein, von dem das Leben des Menschen im Garten Eden geplagt wird, solange sein einziger Bezug die natürliche Welt der Pflanzen und Tiere ist (vgl. Gen 2,20). Erst das Auftreten der Frau, das heißt eines Wesens, das Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein ist (vgl. Gen 2,23) und in dem ebenfalls der Geist des Schöpfergottes lebt, vermag sein Verlangen nach interpersonalem Dialog, der für die menschliche Existenz so wichtig ist, zu befriedigen. Im anderen, Mann oder Frau, spiegelt sich Gott selbst, endgültiger und befriedigender Anlegepunkt jedes Menschen. „Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?“, fragt der Psalmist (Ps 8,5). Angesichts der Unermeßlichkeit des Universums ist er klein und unbedeutend; aber gerade dieser Gegensatz läßt seine Größe sichtbar werden: „Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott (man könnte auch übersetzen: als die Engel), hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Ps 8,6). Die Herrlichkeit Gottes leuchtet auf dem Antlitz des Menschen. In ihm findet der Schöpfer seine Ruhe, wie der hl. Ambrosius voll Erstaunen und Er- 688 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN griffenheit kommentiert: „Der sechste Tag ist zu Ende und die Schöpfung der Welt wird mit der Gestaltung des Hauptwerkes abgeschlossen, des Menschen, der die Herrschaft über alle Lebewesen ausübt und gleichsam der Gipfel des Universums und die höchste Schönheit jedes geschaffenen Wesens ist. Wir müßten wahrhaftig in verehrungsvollem Schweigen verharren, da sich der Herr von jedem Werk der Welt ausruhte. Er ruhte sich dann im Innern des Menschen aus, er ruhte sich aus in seinem Verstand und seinem Denken; denn er hatte den Menschen erschaffen, ihn mit Vernunft ausgestattet und ihn befähigt, ihn nachzuahmen, seinen Tugenden nachzueifern, nach den himmlischen Gnaden zu dürsten. In diesen seinen Gaben ruht Gott, der gesagt hat: ,Was wäre das für ein Ort, an dem ich ausruhen könnte? ... Ich blicke auf den Armen und Zerknirschten und auf den, der zittert vor meinem Wort' (Jes 66,1-2). Ich danke dem Herrn, unserem Gott, daß er ein so wunderbares Werk geschaffen hat, in dem er den Ort zum Ausruhen finden kann“. <22> <22> Hexaemeron, VI, 75-76: CSEL 32, 260-261. 36. Leider wird Gottes herrlicher Plan durch den Einbruch der Sünde in die Geschichte getrübt. Mit der Sünde lehnt sich der Mensch gegen den Schöpfer auf, bis er am Ende die Geschöpfe vergöttert: „Sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers“ (Röm 1,25). Auf diese Weise entstellt der Mensch nicht nur in sich selbst das Bild Gottes, sondern ist versucht, es auch in den anderen dadurch zu beleidigen, daß er die Beziehungen der Gemeinschaft durch Verhaltensweisen wie Mißtrauen, Gleichgültigkeit, Feindschaft bis hin zum mörderischen Haß ersetzt. Wenn man nicht Gott als Gott anerkennt, verrät man die tiefe Bedeutung des Menschen und beeinträchtigt die Gemeinschaft der Menschen untereinander. Mit der Menschwerdung des Gottessohnes erstrahlt im Leben des Menschen wieder das Bild Gottes und offenbart sich in seiner ganzen Fülle: „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), „der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens“ (Hebr 1,3), lebt das vollkommene Ebenbild des Vaters. Der dem ersten Adam übertragene Lebensplan findet schließlich in Christus seine Vollendung. Während der Ungehorsam Adams Gottes Plan bezüglich des Lebens des Menschen zerstört und entstellt und den Tod in die Welt bringt, ist der erlösende Gehorsam Christi Quelle der Gnade, die sich über die Menschen ergießt, indem sie für alle die Tore zum Reich des Lebens aufreißt (vgl. Röm 5,12-21). Der Apostel Paulus sagt: „Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendigmachender Geist“ (7 Kor 15,45). Allen, die sich zustimmend in die Nachfolge Christi stellen, wird die Fülle des Lebens geschenkt: in ihnen wird das göttliche Bild wiederhergestellt, erneuert und zur Vollendung geführt. Das ist der Plan Gottes mit den Menschen: daß sie „an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilhaben“ (Röm 8,29). Nur so, im Glanz dieses Bildes, kann der Mensch von der Knechtschaft des Götzendienstes befreit werden, die zerbrochene Brüderlichkeit wiederherstellen und seine Identität wiederfinden. 689 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben “ {Joh 11,26): das Geschenk des ewigen Lebens 37. Das Leben, das der Sohn Gottes den Menschen geschenkt hat, beschränkt sich nicht bloß auf das zeitlich-irdische Dasein. Das Leben, das von Ewigkeit her „in ihm“ und „das Licht der Menschen“ ist (Joh 1,4), beruht darauf, daß es aus Gott geboren ist und an der Fülle seiner Liebe teilhat: , Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,12-13). Manchmal nennt Jesus dieses Leben, das zu schenken er gekommen ist, einfach: „das Leben“; und stellt die Geburt aus Gott als eine notwendige Bedingung dar, um das Ziel erreichen zu können, für das Gott den Menschen erschaffen hat: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,3). Das Geschenk dieses Lebens bildet den eigentlichen Zweck der Sendung Jesu: er ist der, der „vom Himmel herabkommt und der Welt das Leben gibt“ (Joh 6,33), so daß er mit voller Wahrheit sagen kann: „Wer mir nachfolgt,... wird das Licht des Lebens haben“ {Joh 8,12). An anderen Stellen spricht Jesus vom „ewigen Leben“, wobei das Adjektiv nicht nur auf eine überirdische Perspektive verweist. „Ewig“ ist das Leben, das Jesus verheißt und schenkt, weil es Fülle der Teilhabe am Leben des „Ewigen“ ist. Jeder, der an Jesus glaubt und in Gemeinschaft mit ihm tritt, hat das ewige Leben (vgl. Joh 3,15; 6,40), weil er von ihm die einzigen Worte hört, die seinem Dasein Lebensfülle offenbaren und einflößen; es sind die „Worte des ewigen Lebens“, die Petrus in seinem Glaubensbekenntnis anerkennt: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ {Joh 6,68-69). Worin dann das ewige Leben besteht, erklärt Jesus selbst, wenn er sich im Hohenpriesterlichen Gebet an den Vater wendet: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ {Joh 17,3). Gott und seinen Sohn erkennen heißt, das Geheimnis der Liebesgemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes im eigenen Leben anzunehmen, das sich schon jetzt in der Teilhabe am göttlichen Leben dem ewigen Leben öffnet. 38. Das ewige Leben ist also das Leben Gottes selbst und zugleich das Leben der Kinder Gottes. Immer neues Staunen und grenzenlose Dankbarkeit müssen den Gläubigen angesichts dieser unerwarteten und unaussprechlichen Wahrheit erfassen, die uns von Gott in Christus zuteil wird. Der Gläubige macht sich die Worte des Apostels Johannes zu eigen: „Wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es ... Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (7 Joh 3,1-2). 690 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN So erreicht die christliche Wahrheit über das Leben ihren Höhepunkt. Die Würde dieses Lebens hängt nicht nur von seinem Ursprung, von seiner Herkunft von Gott ab, sondern auch von seinem Endziel, von seiner Bestimmung als Gemeinschaft mit Gott im Erkennen und in der Liebe zu ihm. Im Lichte dieser Wahrheit präzisiert und vervollständigt der hl. Irenäus seine Lobpreisung des Menschen: „Herrlichkeit Gottes“ ist „der lebendige Mensch“, aber „das Leben des Menschen besteht in der Schau Gottes“. <23> <23> „Vita autem hominis visio Dei“: Gegen die Häresien, IV, 20,7: SCh 100/2, 648-649. Daraus erwachsen unmittelbare Konsequenzen für das menschliche Leben in seiner irdischen Situation, in dem allerdings bereits das ewige Leben keimt und heranwächst. Wenn der Mensch instinktiv das Leben liebt, weil es ein Gut ist, so findet diese Liebe weitere Motivierung und Kraft, neue Fülle und Tiefe in den göttlichen Dimensionen dieses Gutes. So gesehen beschränkt sich die Liebe, die jeder Mensch zum Leben hat, nicht auf die einfache Suche eines Raumes der Selbstäußerung und der Beziehung zu den anderen, sondern sie entwickelt sich aus dem freudigen Bewußtsein, die eigene Existenz zu dem „Ort“ der Offenbarwer-dung Gottes sowie der Begegnung und der Gemeinschaft mit ihm machen zu können. Das Leben, das Jesus uns schenkt, entwertet nicht unser zeitliches Dasein, sondern nimmt es an und führt es seiner letzten Bestimmung zu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben ...; jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25.26). „Für das Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft von jedem seiner Brüder“ (Gen 9,5): Achtung und Liebe für das Leben aller 39. Das Leben des Menschen kommt aus Gott, es ist sein Geschenk, sein Abbild und Ebenbild, Teilhabe an seinem Lebensatem. Daher ist Gott der einzige Herr über dieses Leben: der Mensch kann nicht darüber verfügen. Gott selbst bekräftigt dies gegenüber Noach nach der Sintflut: „Für das Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft von jedem seiner Brüder“ (Gen 9,5). Und der biblische Text ist darauf bedacht zu unterstreichen, daß die Heiligkeit des Lebens in Gott und in seinem Schöpfungswerk begründet ist: „Denn als Abbild Gottes hat er den Menschen gemacht“ (Gen 9,6). Leben und Tod des Menschen liegen also in den Händen Gottes, in seiner Macht: „In seiner Hand ruht die Seele allen Lebens und jeden Menschenleibes Geist“, ruft Ijob aus (12,10). „Der Herr macht tot und lebendig, er führt zum Totenreich hinab und führt auch herauf1 (1 Sam 2,6). Er allein kann sagen: „Ich bin es, der tötet und der lebendig macht“ (Dtn 32,39). Aber diese Macht übt Gott nicht als bedrohliche Willkür aus, sondern als liebevolle Umsicht und Sorge gegenüber seinen Geschöpfen. Wenn es wahr ist, daß das Leben des Menschen in Gottes Händen ruht, so ist es ebenso wahr, daß es liebevolle Hände sind wie die einer Mutter, die ihr Kind annimmt, nährt und sich um es 691 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sorgt: „Ich ließ meine Seele ruhig werden und still; wie ein kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in dir“ (Ps 131[130],2; vgl. Jes 49,15; 66,12-13; Hos 11,4). So sieht Israel im Geschehen der Völker und im Schicksal der einzelnen nicht das Ergebnis einer bloßen Zufälligkeit oder eines blinden Schicksals, sondern das Ergebnis eines Planes der Liebe, in den Gott sämtliche Lebensmöglichkeiten aufnimmt und den aus der Sünde entstehenden Kräften des Todes entgegenstellt: „Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen“ (Weish 1,13-14). 40. Aus der Heiligkeit des Lebens erwächst seine Unantastbarkeit, die von Anfang an dem Herzen des Menschen, seinem Gewissen, eingeschrieben ist. Die Frage „Was hast du getan?“ (Gen 4,10), mit der sich Gott an Kain wendet, nachdem dieser seinen Bruder Abel getötet hat, gibt die Erfahrung jedes Menschen wieder: in der Tiefe seines Gewissens wird er immer an die Unantastbarkeit des Lebens - seines Lebens und jenes der anderen - erinnert, als Realität, die nicht ihm gehört, weil sie Eigentum und Geschenk Gottes, des Schöpfers und Vaters, ist. Das auf die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens bezügliche Gebot steht im Zentrum der „zehn Worte“ im Bund vom Sinai (vgl. Ex 34,28). Es verbietet zuallererst den Mord: „Du sollst nicht morden“ (Ex 20,13); „Wer unschuldig und im Recht ist, den bring nicht um sein Leben“ (Ex 23,7); aber es verbietet auch - wie in der weiteren Gesetzgebung Israels genau bestimmt wird - jede dem anderen zugefügte Verletzung (vgl. Ex 21,12-27). Sicher muß man zugeben, daß im Alten Testament diese Sensibilität für den Wert des Lebens, selbst wenn sie bereits so hervorgehoben wird, noch nicht den Scharfsinn der Bergpredigt erreicht, wie aus manchen Aspekten der damals geltenden Gesetzgebung hervorgeht, die schwere Körperstrafen und sogar die Todesstrafe vorsah. Aber die Gesamtbotschaft, die das Neue Testament zur Vervollkommnung bringen wird, ist ein mächtiger Appell zur Achtung der Unantastbarkeit des physischen Lebens und der persönlichen Integrität und erreicht ihren Höhepunkt in dem positiven Gebot, das dazu verpflichtet, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 19,18). 41. Das Gebot „du sollst nicht töten“, das in jenem positiven Gebot von der Nächstenliebe eingeschlossen und vertieft ist, wird vom Herrn Jesus in seiner ganzen Gültigkeit bekräftigt. Dem reichen Jüngling, der ihn fragt: „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“, antwortet er: „Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote!“ (Mt 19,16.17). Und als erstes nennt er das Gebot „du sollst nicht töten“ (Mt 19,18). In der Bergpredigt verlangt Jesus von den Jüngern auch im Bereich der Achtung vor dem Leben eine höhere Gerechtigkeit als die der Schriftgelehrten und Pharisäer: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein“ (Mt 5,21-22). 692 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durch sein Wort und sein Tun verdeutlicht Jesus die positiven Forderungen des Gebots von der Unantastbarkeit des Lebens noch weiter. Sie waren bereits im Alten Testament vorhanden, wo es der Gesetzgebung darum ging, Daseinsbeziehungen schwachen und bedrohten Lebens zu gewährleisten und es zu schützen: den Fremden, die Witwe, den Waisen, den Kranken, überhaupt den Armen, ja selbst das Leben vor der Geburt (vgl. Ex 21,22; 22,20-26). Mit Jesus erlangen diese positiven Forderungen neue Kraft und neuen Schwung und werden in ihrer ganzen Weite und Tiefe offenbar: sie reichen von der Sorge um das Leben des Bruders (des Familienangehörigen, des Angehörigen desselben Volkes, des Ausländers, der im Land Israel wohnt) zur Sorge um den Fremden bis hin zur Liebe des Feindes. Der Fremde ist nicht länger ein Fremder für den, der für einen anderen Menschen in Not zum Nächsten werden muß, bis zu dem Punkt, daß er die Verantwortung für sein Leben übernimmt, wie das Gleichnis vom barmherzigen Samariter sein-anschaulich und einprägsam schildert (vgl. Lk 10,25-37). Auch der Feind ist für den kein Feind mehr, der ihn zu lieben (vgl. Mt 5,38-48; Lk 6,27-35) und dem er „Gutes zu tun“ verpflichtet ist (vgl. Lk 6,27.33.35), indem er auf die Nöte seines Lebens rasch und in der Gesinnung der Unentgeltlichkeit eingeht (vgl. Lk 6,34-35). Höhepunkt dieser Liebe ist das Gebet für den Feind, durch das man sich mit der sorgenden Liebe Gottes in Einklang bringt: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,44-45; vgl. Lk 6,28.35). Gottes Gebot zum Schutz des Lebens des Menschen hat also seinen tiefsten Aspekt in der Forderung von Achtung und Liebe gegenüber jedem Menschen und seinem Leben. Mit dieser Lehre wendet sich der Apostel Paulus an die Christen von Rom, indem er dem Wort Jesu (vgl. Mt 19,17-18) beistimmt: „Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren!, und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes“ (Rom 13,9-10). „Seidfruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch“ (Gen 1,28): die Verantwortung des Menschen gegenüber dem Leben 42. Das Leben zu verteidigen und zu fördern, in Ehren zu halten und zu lieben ist eine Aufgabe, die Gott jedem Menschen aufträgt, wenn er ihn als sein pulsierendes Abbild zur Teilhabe an seiner Herrschaft über die Welt beruft: „Gott segnete sie und sprach: ,Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen““ (Gen 1,28). 693 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der biblische Text legt die Weite und Tiefe der Herrschaft an den Tag, die Gott dem Menschen schenkt. Es geht zunächst um die Herrschaft über die Erde und über alle Tiere, wie das Buch der Weisheit erwähnt: „Gott der Väter und Herr des Erbarmens ... den Menschen hast du durch deine Weisheit erschaffen, damit er über deine Geschöpfe herrscht. Er soll die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leiten“ (9,1.2-3). Auch der Psalmist preist die Herrschaft des Menschen als Zeichen der vom Schöpfer empfangenen Herrlichkeit und Ehre: „Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt: All die Schafe, Ziegen und Rinder und auch die wilden Tiere, die Vögel des Himmels und die Fische im Meer, alles, was auf den Pfaden der Meere dahinzieht“ (Ps 8,7-9). Der Mensch, der berufen wurde, den Garten der Welt zu bebauen und zu hüten (vgl. Gen 2,15), hat eine besondere Verantwortung für die Lebensumwelt, das heißt für die Schöpfung, die Gott in den Dienst seiner personalen Würde, seines Lebens gestellt hat: Verantwortung nicht nur in bezug auf die gegenwärtige Menschheit, sondern auch auf die künftigen Generationen. Die ökologische Frage - von der Bewahrung des natürlichen Lebensraumes der verschiedenen Tierarten und der vielfältigen Lebensformen bis zur „Humanökologie“ im eigentlichen Sinne des Wortes <24> <25> - findet in dem Bibeltext eine einleuchtende und wirksame ethische Anleitung für eine Lösung, die das große Gut des Lebens, jeden Lebens, achtet. In Wirklichkeit ist „die vom Schöpfer dem Menschen anvertraute Herrschaft keine absolute Macht noch kann man von der Freiheit sprechen, sie zu gebrauchen oder mißbrauchen oder über die Dinge zu verfügen, wie es beliebt. Die Beschränkung, die der Schöpfer selber von Anfang an auferlegt hat, ist symbolisch in dem Verbot enthalten, ,von der Frucht des Baumes zu essen (vgl. Gen 2,16-17); sie zeigt mit genügender Klarheit, daß wir im Hinblick auf die sichtbare Natur nicht nur biologischen, sondern auch moralischen Gesetzen unterworfen sind, die man nicht ungestraft übertreten darf“. <24> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 38: AAS83(1991)840-841. <25> Johannes Paul U., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 34: AAS80(1988)560. 43. Eine gewisse Teilhabe des Menschen an der Herrschaft Gottes offenbart sich auch in der besonderen Verantwortung, die ihm gegenüber dem eigentlich menschlichen Leben anvertraut wird. Eine Verantwortung, die ihren Höhepunkt in der Weitergabe des Lebens durch die Zeugung seitens des Mannes und der Frau in der Ehe erreicht, wie das II. Vatikanische Konzil ausführt: „Derselbe Gott, der gesagt hat: ,Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei“ {Gen 2,18), und der ,den Menschen von Anfang an als Mann und Frau schuf {Mt 19,4), wollte ihm eine besondere Teilnahme an seinem schöpferischen Wirken verleihen, segnete darum Mann und Frau und sprach: .Wachset und vermehrt euch {Gen 1,28)“. <26> 39 Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 50. 694 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn das Konzil von „einer besonderen Teilnahme“ von Mann und Frau am „schöpferischen Wirken“ Gottes spricht, will es hervorheben, daß die Zeugung des Kindes ein zutiefst menschliches und in hohem Maße religiöses Ereignis ist, insofern sie die Ehegatten, die „ein Heisch“ werden (Gen 2,24), und zugleich Gott selbst beteiligt, der dabei gegenwärtig ist. Wenn, wie ich in meinem Brief an die Familien geschrieben habe, „aus der ehelichen Vereinigung der beiden ein neuer Mensch entsteht, so bringt er ein besonderes Abbild Gottes, eine besondere Ähnlichkeit mit Gott selber in die Welt: in die Biologie der Zeugung ist die Genealogie der Person eingeschrieben. Wenn wir sagen, die Ehegatten seien als Eltern bei der Empfängnis und Zeugung eines neuen Menschen Mitarbeiter des Schöpfergottes, beziehen wir uns nicht einfach auf die Gesetze der Biologie; wir wollen vielmehr hervorheben, daß in der menschlichen Elternschaft Gott selber in einer anderen Weise gegenwärtig ist als bei jeder anderen Zeugung „auf Erden“. Denn nur von Gott kann jenes „Abbild und jene Ähnlichkeit“ stammen, die dem Menschen wesenseigen ist, wie es bei der Schöpfung geschehen ist. Die Zeugung ist die Fortführung der Schöpfung“. <27> <27> Brief an die Familien Gratissimam sane (2. Februar 1994), Nr. 9: A4S86(1994)878; vgl. Pius XU., Enzyklika Humani generis (12. August 1950): A4S42( 1950)574. Das lehrt in direkter und beredter Sprache der Bibeltext, wenn er vom Freudenschrei der ersten Frau, der ,Mutter aller Lebendigen“ (Gen 3,20), berichtet. Eva, die sich des Eingreifens Gottes bewußt ist, ruft aus: „Ich habe einen Mann vom Herrn erworben“ (Gen 4,1). Durch die Weitergabe des Lebens von den Eltern an das Kind wird also bei der Zeugung dank der Erschaffung der unsterblichen Seele <28> das Abbild und Gleichnis Gottes selbst übertragen. In diesem Sinne heißt es zu Beginn der „Liste der Geschlechterfolge nach Adam“: ,Am Tag, da Gott den Menschen erschuf, machte er ihn Gott ähnlich. Als Mann und Frau erschuf er sie, er segnete sie und nannte sie Mensch an dem Tag, da sie erschaffen wurden. Adam war hundertdreißig Jahre alt, da zeugte er einen Sohn, der ihm ähnlich war, wie sein Abbild, und nannte ihn Set“ (Gen 5,1-3). Auf dieser ihrer Rolle von Mitarbeitern Gottes, der sein Bild auf das neue Geschöpf überträgt, beruht gerade die Größe der Eheleute, die bereit sind „zur Mitwirkung mit der Liebe des Schöpfers und Erlösers, der durch sie seine eigene Familie immer mehr vergrößert und bereichert“. <29> In diesem Licht pries Bischof Amphilochios die „heilige, erwählte und über alle irdischen Gaben erhabene Ehe“ als „Erzeuger der Menschheit, Urheber von Ebenbildern Gottes“. <30> <28> „Animas enim a Deo immediate creari catholica fides nos retinere iubet“: Pius XII., Enzyklika Humani generis (12. August 1950): A4S42(1950)575. <29> n. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 50; vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 28: A4574(1982)114. <30> Predigten, H, 1: CCSG 3, 39. 695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN So werden Mann und Frau nach Vereinigung in der Ehe zu Teilhabern am göttlichen Werk: durch den Zeugungsakt wird Gottes Geschenk angenommen, und ein neues Leben öffnet sich der Zukunft. Aber über den spezifischen Auftrag der Eltern hinaus betrifft die Aufgabe, das Leben anzunehmen und ihm zu dienen, alle und muß sich vor allem gegenüber dem im Zustand größter Schwachheit befindlichen Leben erweisen. Christus selber erinnert uns daran, wenn er verlangt, daß man ihn liebt und ihm in den von jeder Art von Leid heimgesuchten Brüdern dient: Hungernden, Dürstenden, Fremden, Nackten, Kranken, Gefangenen ... Was einem jeden von ihnen getan wird, wird Christus selbst getan (vgl. Mt 25,31-46). „Du hast mein Inneres geschaffen“ (Ps 139[138],13): die Würde des ungeborenen Kindes 44. Das menschliche Leben befindet sich in einer Situation großer Gefährdung, wenn es in die Welt eintritt und wenn es das irdische Dasein verläßt, um in den Hafen der Ewigkeit einzugehen. Die Aufforderungen zu Sorge und Achtung vor allem gegenüber dem von Krankheit und Alter gefährdeten Sein sind im Wort Gottes sehr wohl vorhanden. Wenn es an direkten und ausdrücklichen Aufforderungen zum Schutz des menschlichen Lebens in seinen Anfängen, insbesondere des noch ungeborenen wie auch des zu Ende gehenden Lebens, fehlt, so läßt sich das leicht daraus erklären, daß schon allein die Möglichkeit, das Leben in diesen Situationen zu verletzen, anzugreifen oder gar zu leugnen, der religiösen und kulturellen Sicht des Gottesvolkes fremd ist. Im Alten Testament wird die Unfruchtbarkeit als ein Fluch gefürchtet, während die zahlreiche Nachkommenschaft als ein Segen empfunden wird: „Kinder sind eine Gabe des Herrn, die Frucht des Leibes ist sein Geschenk“ (Ps 127[126],3; vgl. Ps 128[127],3-4). Eine Rolle spielt bei dieser Überzeugung auch das Bewußtsein Israels, das Volk des Bundes und berufen zu sein, sich gemäß der an Abraham ergangenen Verheißung zu vermehren: „Sieh doch zum Himmel hinauf, und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst... So zahlreich werden deine Nachkommen sein“ (Gen 15,5). Wirksam ist aber vor allem die Gewißheit, daß das von den Eltern weitergegebene Leben seinen Ursprung in Gott hat, wie die vielen Bibelstellen bezeugen, die voll Achtung und Liebe von der Empfängnis, von der Formung des Lebens im Mutterleib, von der Geburt und von der engen Verbindung sprechen, die zwischen dem Anfang des Seins und dem Tun Gottes, des Schöpfers, besteht. „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt“ (Jer 1,5): die Existenz jedes einzelnen Menschen ist von ihren Anfängen an im Plan Gottes vorgegeben. Ijob in seinem tiefen Schmerz hält inne, um eine Betrachtung anzustellen über das Wirken Gottes bei der wunderbaren Formung seines Leibes im Schoß der Mutter; 696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daraus schließt er den Grund der Zuversicht und äußert die Gewißheit, daß es einen göttlichen Plan für sein Leben gebe: „Deine Hände haben mich gebildet, mich gemacht; dann hast du dich umgedreht und mich vernichtet. Denk daran, daß du wie Ton mich geschaffen hast. Zum Staub willst du mich zurückkehren lassen. Hast du mich nicht ausgegossen wie Milch, wie Käse mich gerinnen lassen? Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet, mit Knochen und Sehnen mich durchflochten. Leben und Huld hast du mir verliehen, deine Obhut schützte meinen Geist“ (10,8-12). Hinweise anbetenden Staunens über Gottes Eingreifen bei der Bildung des Lebens im Mutterleib finden sich auch in den Psalmen. <31> Wie sollte man annehmen, daß auch nur ein Augenblick dieses wundervollen Prozesses des Hervorquellens des Lebens dem weisen und liebevollen Wirken des Schöpfers entzogen sein und der Willkür des Menschen überlassen bleiben könnte? Die Mutter der sieben Brüder ist jedenfalls nicht dieser Meinung: sie bekennt ihren Glauben an Gott, Anfang und Gewähr des Lebens von seiner Empfängnis an und zugleich Grund der Hoffnung auf das neue Leben über den Tod hinaus: „Ich weiß nicht, wie ihr in meinem Leib entstanden seid, noch habe ich euch Atem und Leben geschenkt; auch habe ich keinen von euch aus den Grundstoffen zusammengefügt. Nein, der Schöpfer der Welt hat den werdenden Menschen geformt, als er entstand; er kennt die Entstehung aller Dinge. Er gibt euch gnädig Atem und Leben wieder, weil ihr jetzt um seiner Gesetze willen nicht auf euch achtet“ (2 Makk 7,22-23). <31> Siehe zum Beispiel die Psalmen 22[21], 10-11; 71 [70],6; 139[138], 13-14. 45. Die Offenbarung des Neuen Testamentes bestätigt die unbestrittene Anerkennung des Wertes des Lebens von seinen Anfängen an. Die Lobpreisung der Fruchtbarkeit und die beflissene Erwartung des Lebens sind aus den Worten herauszuhören, mit denen Elisabet ihrer Freude über ihre Schwangerschaft Ausdruck verleiht: „Der Herr ... hat gnädig auf mich geschaut und mich von der Schande befreit“ (Lk 1,25). Aber noch deutlicher verherrlicht wird der Wert der Person von ihrer Empfängnis an in der Begegnung zwischen der Jungfrau Maria und Elisabet und zwischen den beiden Kindern, die sie im Schoß tragen. Es sind gerade die Kinder, die den Anbruch des messianischen Zeitalters offenbaren: in ihrer Begegnung beginnt die erlösende Kraft der Anwesenheit des Gottessohnes unter den Menschen wirksam zu werden. „Sogleich - schreibt der hl. Ambrosius - machen sich die Segnungen des Kommens Marias und der Gegenwart des Herrn bemerkbar ... Elisabet hörte als erste die Stimme, aber Johannes nahm als erster die Gnade wahr; sie hörte nach den Gesetzen der Natur, er hörte kraft des Geheimnisses; sie bemerkte die Ankunft Marias, er die des Herrn: die Frau die Ankunft der Frau, das Kind die Ankunft des Kindes. Die Frauen sprechen von den empfangenen Gnaden, die Kinder im Schoß der Mütter verwirklichen die Gnade und das Geheimnis der Barmherzigkeit zum Nutzen der Mütter selber: und diese sprechen auf Grund eines zweifachen Wunders unter der Inspiration der Kinder, die sie tragen, Prophe- 697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zeiungen aus. Von dem Sohn heißt es, daß er sich freute, von der Mutter, daß sie vom Heiligen Geist erfüllt wurde. Nicht die Mutter wurde zuerst vom Heiligen Geist erfüllt, sondern der vom Heiligen Geist erfüllte Sohn war es, der auch die Mutter mit ihm erfüllte“. <32> <32> Expositio Evangelii secundutn Lucam, n, 22-23: CCL 14, 40-41. „ Voll Vertrauen war ich, auch wenn ich sagte: Ich bin so tief gebeugt“ (.Ps 116[115],10): das Leben im Alter und im Leiden 46. Auch was die letzten Augenblicke der Existenz betrifft, wäre es anachronistisch, aus der biblischen Offenbarung einen ausdrücklichen Bezug auf die aktuelle Problematik der Achtung der alten und kranken Menschen und eine ausdrückliche Verdammung von Versuchen zu erwarten, das Ende gewaltsam vorwegzunehmen: denn wir befinden uns hier in einem kulturellen und religiösen Umfeld, das einer derartigen Versuchung nicht ausgesetzt ist, sondern, was den alten Menschen betrifft, in seiner Weisheit und Erfahrung einen unersetzlichen Reichtum für die Familie und die Gesellschaft erkennt. Das Alter wird von Ansehen gekennzeichnet und von Achtung umgeben (vgl. 2 Makk 6,23). Und der Gerechte bittet nicht darum, vom Alter und seiner Last verschont zu bleiben; er betet im Gegenteil so: „Herr, mein Gott, du bist ja meine Zuversicht, meine Hoffnung von Jugend auf ... Auch wenn ich alt und grau bin, o Gott, verlaß mich nicht, damit ich von deinem machtvollen Arm der Nachwelt künde, den kommenden Geschlechtern von deiner Stärke“ (Ps 71 [70],5.18). Das Ideal der messianischen Zeit wird als das hingestellt, in dem „es keinen ... Greis [mehr gibt], der nicht das volle Alter erreicht“ (Jes 65,20). Aber wie soll man im Alter dem unvermeidlichen Verfall des Lebens begegnen? Wie soll man sich dem Tod gegenüber verhalten? Der Gläubige weiß, daß sein Leben in Gottes Händen ruht: „Herr, du hältst mein Los in deinen Händen“ (vgl. Ps 16[15],5), und nimmt auch das Sterben von ihm an: „Er (der Tod) ist das Los, das allen Sterblichen von Gott bestimmt ist. Was sträubst du dich gegen das Gesetz des Höchsten?“ (Sir 41,4). Wie der Mensch nicht Herr über das Leben ist, so auch nicht über den Tod; sowohl in seinem Leben wie in seinem Tod muß er sich ganz dem „Willen des Höchsten“, seinem Plan der Liebe anvertrauen. Auch zum Zeitpunkt der Krankheit ist der Mensch aufgerufen, dasselbe Vertrauen zum Herrn zu leben und seine grundsätzliche Zuversicht in ihn zu erneuern, der „alle Gebrechen heilt“ (vgl. Ps 103[102],3). Selbst dann, wenn sich vor dem Menschen jede Aussicht auf Gesundheit zu verschließen scheint - so daß er sich veranlaßt sieht auszurufen: ,Meine Tage schwinden dahin wie Schatten, ich verdorre wie Gras“ (Ps 102[101], 12) -, ist der Gläubige von dem unerschütterlichen Glauben an die lebenspendende Macht Gottes erfüllt. Die Krankheit treibt ihn nicht zur Verzweiflung und auf die Suche nach dem Tod, sondern zu dem hoffnungsvollen 698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ausruf: „Voll Vertrauen war ich, auch wenn ich sagte: Ich bin tief gebeugt“ (.Ps 116[115],10); „Herr, mein Gott, ich habe zu dir geschrien, und du hast mich geheilt. Herr, du hast mich herausgeholt aus dem Reich des Todes, aus der Schar der Todgeweihten mich zum Leben gerufen“ (Ps 30[29],3-4). 47. Die Sendung Jesu zeigt mit den zahlreichen von ihm vollbrachten Krankenheilungen an, wie sehr Gott auch das physische Leben des Menschen am Herzen liegt. „Als Leib- und Seelenarzt“ <33> wird Jesus vom Vater gesandt, den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden und alle zu heilen, deren Herz zerbrochen ist (vgl. Zi: 4,18; Jes 61,1). Als er dann seine Jünger in die Welt sendet, erteilt er ihnen einen Auftrag, in dem die Heilung der Kranken mit der Verkündigung des Evangeliums einhergehen soll: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!“ (Mt 10,7-8; vgl. Mk 6,13; 16,18). <33> HI. Ignatius von Antiochien, Brief an die Epheser, 7,2; Patres Apostolici, F.X. Funk, II, 82. Sicher ist für den Gläubigen das physische Leben in seinem irdischen Zustand kein Absolutum, so daß von ihm gefordert werden kann, es um eines höheren Gutes willen aufzugeben; denn, wie Jesus sagt, „wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten“ (Mk 8,35). Dazu gibt es im Neuen Testament eine Reihe von Zeugnissen. Jesus zögert nicht, sich selbst zu opfern, und macht freiwillig sein Leben zu einer Opfergabe an den Vater (vgl. Joh 10,17) und an die Seinen (vgl. Joh 10,15). Auch der Tod Johannes des Täufers, des Vorläufers des Erlösers, bezeugt, daß das irdische Leben nicht das absolute Gut ist: wichtiger ist die Treue zum Wort des Herrn, auch wenn sie das Leben aufs Spiel setzen kann (vgl. Mk 6,17-29). Und Stephanus, während er als treuer Zeuge der Auferstehung des Herrn das irdische Leben verliert, folgt dem Beispiel des Meisters und geht mit den Worten der Vergebung auf die zu, die ihn steinigen (vgl. Apg 7,59-60), womit er den Weg für die zahllose Schar von Märtyrern öffnet, die von der Kirche von Anfang an verehrt werden. Kein Mensch darf jedoch willkürlich über Leben oder Tod entscheiden; denn absoluter Herr über eine solche Entscheidung ist allein der Schöpfer, der, „in dem wir leben, uns bewegen und sind“ (Apg 17,28). „Alle, die an ihm festhalten, finden das Leben“ (Bar 4,1): vom Gesetz des Sinai zur Spendung des Geistes 48. Das Leben trägt unauslöschlich eine ihm wesenseigene Wahrheit in sich. Der Mensch muß sich, wenn er das Geschenk Gottes annimmt, bemühen, das Leben in dieser Wahrheit zu erhalten, die für jenes wesentlich ist. Die Abwendung von ihr ist gleichbedeutend mit der eigenen Verurteilung zu Bedeutungslosigkeit und Unglück, was zur Folge hat, daß man auch zu einer Bedrohung für das Leben anderer 699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden kann, sobald die Schutzdämme niedergerissen sind, die in jeder Situation die Achtung und Verteidigung des Lebens garantieren. Die dem Leben eigene Wahrheit wird vom Gebot Gottes geoffenbart. Das Wort des Herrn gibt konkret an, welcher Richtung das Leben folgen muß, um seine Wahrheit respektieren und seine Würde schützen zu können. Nicht nur das spezifische Gebot „du sollst nicht töten“ (Ex 20,13; Dtn 5,17) gewährleistet den Schutz des Lebens: das ganze Gesetz des Herrn steht im Dienst dieses Schutzes, weil es jene Wahrheit offenbart, in der das Leben seine volle Bedeutung findet. Es verwundert daher nicht, daß der Bund Gottes mit seinem Volk so stark an die Perspektive des Lebens, auch in seiner physischen Dimension, gebunden ist. Das Gebot wird in ihm als Weg des Lebens angeboten: „Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor. Wenn du auf die Gebote des Herrn, deines Gottes, auf die ich dich heute verpflichte, hörst, indem du den Herrn, deinen Gott, hebst, auf seinen Wegen gehst und auf seine Gebote, Gesetze und Rechtsvorschriften achtest, dann wirst du leben und zahlreich werden, und der Herr, dein Gott, wird dich in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, segnen“ (Dtn 30,15-16). Hier geht es nicht nur um das Land Kanaan und um die Existenz des Volkes Israel, sondern um die heutige und zukünftige Welt und um die Existenz der ganzen Menschheit. Denn es ist absolut unmöglich, daß das Leben voll glaubwürdig bleibt, wenn es sich vom Guten entfernt; und das Gute wiederum ist wesentlich an die Gebote des Herrn gebunden, das heißt an das „lebenspendende Gesetz“ (Sir 17,11). Das Gute, das erfüllt werden soll, kommt nicht wie eine beschwerende Last zum Leben hinzu, weil der Grund des Lebens selbst ja das Gute ist und das Leben nur durch die Erfüllung des Guten aufgebaut wird. Das Gesetz in seiner Gesamtheit schützt also voll das Leben des Menschen. Daraus erklärt sich, wie schwierig es ist, sich getreu an das Gebot „du sollst nicht töten“ zu halten, wenn die anderen „Worte des Lebens“ (Apg 7,38), mit denen dieses Gebot zusammenhängt, nicht eingehalten werden. Außerhalb dieser Sichtweise wird das Gebot schließlich zu einer bloß äußerlichen Verpflichtung, deren Grenzen sehr rasch sichtbar werden und für die man nach Abschwächungen oder Ausnahmen suchen wird. Nur wenn man sich der Fülle der Wahrheit über Gott, über den Menschen und über die Geschichte öffnet, erstrahlt das Wort „du sollst nicht töten“ wieder als Gut für den Menschen in allen seinen Dimensionen und Beziehungen. Aus dieser Sicht können wir die Wahrheitsfülle begreifen, die in der Stelle des Buches Deuteronomium enthalten ist, die Jesus in der Antwort auf die erste Versuchung aufgreift: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern ... von allem, was der Mund des Herrn spricht“ (8,3; vgl. Mt 4,4). Wenn der Mensch das Wort des Herrn hört, kann er würdig und gerecht leben; wenn der Mensch das Gesetz Gottes befolgt, kann er Früchte bringen an Leben und Glück: „Alle, die an ihm festhalten, finden das Leben; doch alle, die es verlassen, verfallen dem Tod“ (Bar 4,1). 700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 49. Die Geschichte Israels zeigt, wie schwierig es ist, die Treue zum Gesetz vom Leben aufrechtzuerhalten, das Gott den Menschen ins Herz geschrieben und dem Bundesvolk am Berg Sinai anvertraut hat. Angesichts der Suche nach alternativen Lebensprojekten zum Plan Gottes weisen insbesondere die Propheten mit Nachdruck darauf hin, daß allein der Herr die authentische Quelle des Lebens ist. So schreibt Jeremia: „Mein Volk hat doppeltes Unrecht verübt: Mich hat es verlassen, den Quell des lebendigen Wassers, um sich Zisternen zu graben, Zisternen mit Rissen, die das Wasser nicht halten“ (2,13). Die Propheten weisen mit anklagendem Finger auf alle, die das Leben mißachten und die Rechte der Menschen verletzen: „Sie treten die Kleinen in den Staub“ (Am 2,7); „Mit dem Blut Unschuldiger haben sie diesen Ort angefüllt“ (Jer 19,4). Und unter ihnen prangert der Prophet Ezechiel wiederholt die Stadt Jerusalem an und nennt sie „die Stadt voll Blutschuld“ (22,2; 24,6.9), die „Stadt, die in ihrer Mitte Blut vergießt“ (22,3). Aber während die Propheten die Angriffe auf das Leben anzeigen, kümmern sie sich vor allem darum, die Erwartung eines neuen Lebensprinzips anzuregen, das in der Lage ist, eine erneuerte Beziehung zu Gott und zu den Schwestern und Brüdern zu begründen. So eröffnen sie noch unbekannte und außerordentliche Möglichkeiten für das Verständnis und die Verwirklichung aller im Evangelium vom Leben enthaltenen Forderungen. Das wird einzig und allein dank der Gabe Gottes möglich sein, die reinigt und erneuert: „Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen. Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch“ (Ez 36,25-26; vgl. Jer 31,31-34). Dank dieses „neuen Herzens“ vermag man den eigentlichen und tiefsten Sinn des Lebens zu begreifen und zu verwirklichen: nämlich eine Gabe zu sein, die sich in der Hingabe erfüllt. Das ist die lichtvolle Botschaft über den Wert des Lebens, die uns von der Gestalt des Gottesknechtes zuteil wird: „Der Herr rettete den, der sein Leben als Sühneopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben ... Nachdem er vieles ertrug, erblickt er das Licht“ (Jes 53,10.11). In der Person Jesu von Nazaret erfüllt sich das Gesetz, und durch seinen Geist wird uns das neue Herz geschenkt. Jesus hebt nämlich das Gesetz nicht auf, sondern bringt es zur Erfüllung (vgl. Mt 5,17): Gesetz und Propheten lassen sich in der goldenen Regel von der gegenseitigen Liebe zusammenfassen (vgl. Mt 7,12). In Ihm wird das Gesetz endgültig zum „Evangelium“, zur Frohbotschaft von der Herrschaft Gottes über die Welt, die das ganze Dasein auf seine Wurzeln und seine ursprünglichen Perspektiven zurückführt. Es ist das Neue Gesetz, „das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus“ (Röm 8,2), dessen grundlegender Ausdruck — in Nachahmung des Herrn, der sein Leben hingibt für seine Freunde (vgl. Joli 15,13) - die Selbsthingabe in der Liebe zu den Schwestern und Brüdern ist: „Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben“ (1 Joh 3,14). Es ist das Gesetz der Freiheit, der Freude und der Seligkeit. 701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Joh 19,37): am Stamm des Kreuzes erfüllt sich das Evangelium vom Leben 50. Zum Abschluß dieses Kapitels, in dem wir Betrachtungen zur christlichen Botschaft über das Leben angestellt haben, möchte ich mit einem jeden von euch innehalten, um uns in den zu versenken, den sie durchbohrt haben und der alle an sich zieht (vgl. Joh 19,37; 12,32). Wenn wir „das Schauspiel“ der Kreuzigung (vgl. Lk 23,48) betrachten, werden wir an diesem glorreichen Stamm die Erfüllung und volle Offenbarung des ganzen Evangeliums vom Leben entdecken können. In den frühen Nachmittagsstunden des Karfreitags, „brach eine Finsternis über das ganze Land herein ... Die Sonne verdunkelte sich. Der Vorhang im Tempel riß mitten entzwei“ (Lk 23,44.45). Das ist das Symbol einer gewaltigen kosmischen Umwälzung und eines schrecklichen Kampfes zwischen den Mächten des Guten und den Mächten des Bösen, zwischen Leben und Tod. Auch wir befinden uns heute inmitten eines dramatischen Kampfes zwischen der „Kultur des Todes“ und der „Kultur des Lebens“. Aber von dieser Finsternis wird der Glanz des Kreuzes nicht verdunkelt; ja, dieses hebt sich noch klarer und leuchtender ab und offenbart sich als Mittelpunkt, Sinn und Vollendung der ganzen Geschichte und jedes Menschenlebens. Der an das Kreuz genagelte Jesus wird erhöht. Er erlebt den Augenblick seiner größten „Ohnmacht“, und sein Leben scheint völlig dem Hohn und Spott seiner Widersacher und den Händen seiner Mörder preisgegeben zu sein: er wird verspottet, verhöhnt, geschmäht (vgl. Mk 15,24-36). Doch gerade angesichts all dessen ruft der römische Hauptmann aus, als er „ihn auf diese Weise sterben sah“: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“ (Mk 15,39). So wird im Augenblick seiner äußersten Schwachheit die Identität des Gottessohnes offenbar: am Kreuz offenbart sich seine Herrlichkeit! Durch seinen Tod erhellt Jesus den Sinn des Lebens und des Todes jedes Menschen. Vor seinem Tod betet Jesus zum Vater und ruft ihn um Vergebung für seine Verfolger an (vgl. Lk 23,34), und dem Verbrecher, der ihn bittet, an ihn zu denken, wenn er in sein Reich kommt, antwortet er: „Amen, das sage ich dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Nach seinem Tod „öffneten sich die Gräber, und die Leiber vieler Heiligen, die entschlafen waren, wurden auferweckt“ (Mt 27,52). Das von Jesus gewirkte Heil ist Geschenk des Lebens und der Auferstehung. Während seines Erdendaseins hatte Jesus auch Heil geschenkt, indem er alle heilte und segnete (vgl. Apg 10,38). Aber die Wunder, die Krankenheilungen und selbst die Auferweckungen waren Zeichen für ein anderes Heil, das in der Vergebung der Sünden, das heißt in der Befreiung des Menschen von der tiefsten Krankheit, und in seiner Erhebung zum Leben Gottes selbst besteht. Am Kreuz erneuert und verwirklicht sich in seiner ganzen, endgültigen Vollendung das Wunder von der von Mose in der Wüste erhöhten Schlange (vgl. Joh 3,14-15; Num 21,8-9). Auch heute begegnet jeder in seiner Existenz bedrohte 702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch, wenn er auf den blickt, der durchbohrt wurde, der sicheren Hoffnung, Befreiung und Erlösung zu finden. 51. Aber da ist noch eine andere genaue Begebenheit, die meinen Blick auf sich zieht und ein ergriffenes Nachdenken bei mir auslöst: „Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf ‘ (Joh 19,30). Und der römische Soldat „stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floß Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,34). Nun hat alles seine ganze Vollendung erlangt. Das ,Aufgeben des Geistes“ beschreibt den Tod Jesu ähnlich dem jedes anderen Menschen, spielt aber, wie es scheint, auch auf die „Spendung des Geistes“ an, durch die er uns vom Tod befreit und uns einem neuen Leben öffnet. Es ist das Leben Gottes selbst, das dem Menschen zuteil wird. Es ist das Leben, das durch die Sakramente der Kirche - deren Symbole sind das aus der Seite Christi geflossene Blut und Wasser - ständig den Kindern Gottes mitgeteilt wird, die so das Volk des neuen Bundes bilden. Vom Kreuz, der Quelle des Lebens her entsteht das „ Volk des Lebens “ und breitet sich aus. Die Betrachtung des Kreuzes führt uns so zu den tiefsten Wurzeln des ganzen Geschehens. Jesus, der beim Eintritt in die Welt gesagt hatte: , Ja, Gott, ich komme, um deinen Willen zu tun“ (vgl. Hebr 10,9), war in allem dem Vater gehorsam, und da er „die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1), indem er sich ganz für sie hingab. Er, der „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45), erreicht am Kreuz den Gipfel der Liebe. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Lreunde hingibt“ (Joh 15,13). Und er ist für uns gestorben, als wir noch Sünder waren (vgl. Röm 5,8). Solcherart verkündet er, daß das Leben seinen Mittelpunkt, seinen Sinn und seine Fülle erreicht, wenn es verschenkt wird. An diesem Punkt wird die Meditation zu Lobpreis und Dank und spornt uns gleichzeitig an, Jesus nachzuahmen und seinen Spuren zu folgen (vgl. 1 Petr 2,21). Auch wir sind aufgerufen, unser Leben für die Brüder hinzugeben und so den Sinn und die Bestimmung unseres Daseins in ihrer Wahrheitsfülle zu verwirklichen. Wir können das fertigbringen, weil Du, o Herr, uns das Beispiel gegeben und uns die Kraft deines Geistes mitgeteilt hast. Wir können das fertigbringen, wenn wir jeden Tag mit Dir und wie Du, dem Vater gehorsam sind und seinen Willen tun. Laß uns daher mit bereitem und selbstlosem Herzen jedes Wort hören, das aus dem Mund des Herrn kommt: so werden wir lernen, nicht nur das Leben des Menschen „nicht zu töten“, sondern es in Ehren zu halten, zu heben und zu fördern. 703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN III. Kapitel Du sollst nicht töten Das Heilige Gesetz Gottes „ Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote “ (Mt 19,17): Evangelium und Gebot 52. „Es kam ein Mann zu Jesus und fragte: Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mt 19,16). Jesus antwortete: „Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote“ (Mt 19,17). Der Meister spricht vom ewigen Leben, das heißt von der Teilhabe am Leben Gottes selbst. Dieses Leben erlangt man durch die Einhaltung der Gebote des Herrn, also einschließlich des Gebotes „du sollst nicht töten“. Genau dieses ist denn auch das erste der Zehn Gebote, an das Jesus den jungen Mann erinnert, der ihn fragt, welche Gebote er einhalten müsse: „Jesus antwortete: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen ...“ (Mt 19,18). Gottes Gebot ist niemals getrennt von seiner Liebe: es ist stets ein Geschenk zu Wachstum und Freude des Menschen. Als solches stellt es einen wesentlichen Aspekt und ein unverzichtbares Element des Evangeliums dar, ja, es nimmt selbst Gestalt an als „Evangelium“, das heißt als frohe Botschaft. Auch das Evangelium vom Leben ist für den Menschen ein großes Gottesgeschenk und zugleich eine verpflichtende Aufgabe. Es weckt beim freien Menschen Staunen und Dankbarkeit und erfordert, mit lebendigem Verantwortungsbewußtsein angenommen, bewahrt und erschlossen zu werden: Gott fordert vom Menschen, dem er das Leben schenkt, daß er es liebt, achtet und fördert. Auf diese Weise wird das Geschenk zum Gebot, und das Gebot selbst offenbart sich als Geschenk. Der Mensch, lebendiges Abbild Gottes, war von seinem Schöpfer als König und Herr gewollt. „Gott hat den Menschen so gemacht - schreibt der hl. Gregor von Nyssa -, daß er seine Rolle als König der Erde erfüllt... Der Mensch ist nach dem Bild dessen geschaffen worden, der der Herrscher über das Universum ist. Alles weist darauf hin, daß sein Wesen von Anfang an vom Königtum gekennzeichnet ist... Auch der Mensch ist König. Geschaffen, um die Welt zu beherrschen, hat er die Ähnlichkeit mit dem universalen König empfangen, ist er das lebendige Abbild, das durch seine Würde an der Vollkommenheit des göttlichen Vorbildes teilhat“. <34> Der Mensch, der aufgerufen ist fruchtbar zu sein und sich zu vermehren, sich die Erde zu unterwerfen und über die anderen Geschöpfe zu herrschen (vgl. Gen 1,28), ist nicht nur König und Herr über die Dinge, sondern auch und vor allem über sich selbst <35> und in gewissem Sinne über das Leben, das ihm geschenkt De hominis opificio, 4: PG 44, 136. Vgl. Hl. Johannes Damascenus, Defide orthodoxa, 2, 12: PG 94, 920, zitiert in Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I-II, Prol. 38 39 704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird und das er durch den in Liebe und in der Achtung vor Gottes Plan vollzogenen Zeugungsakt weitergeben kann. Bei seiner Herrschaft handelt es sich jedoch nicht um eine absolute, sondern um eine übertragene; sie ist realer Widerschein der alleinigen und unendlichen Herrschaft Gottes. Darum muß sie der Mensch durch Teilhabe an der unermeßlichen Weisheit und Liebe Gottes mit Weisheit und Liebe leben. Und das geschieht durch den Gehorsam gegenüber seinem heiligen Gesetz: ein freier und froher Gehorsam (vgl. Ps 119[118]), der aus dem Bewußtsein erwächst und genährt wird, daß die Gebote des Herrn ein Gnadengeschenk sind und dem Menschen immer nur zu seinem Besten um des Schutzes seiner persönlichen Würde und der Erreichung seines Glücks willen anvertraut werden. Wie schon in bezug auf die Sachwelt, so gilt noch mehr in bezug auf das Leben, daß der Mensch nicht absoluter Herr und unanfechtbarer Schiedsrichter ist, sondern - und darauf beruht seine unvergleichliche Größe - „Vollstrecker des Planes Gottes“. <36> <36> Paul VI., Enzyklika Humanae vitae (25. Juli 1968), Nr. 13: AAS60(1968)489. Das Leben wird dem Menschen anvertraut als ein Schatz, den er nicht zerstreuen, als ein Talent, das er wirtschaftlich verwalten soll. Darüber muß der Mensch seinem Herrn Rechenschaft ablegen (vgl. Mt 25,14-30; Lk 19,12-27). „Für das Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft vom Menschen“ {Gen 9,5): das menschliche Leben ist heilig und unantastbar 53. „Das menschliche Leben ist als etwas Heiliges anzusehen, da es ja schon von seinem Anfang an ,das Handeln des Schöpfers erfordert“ und immer in einer besonderen Beziehung mit dem Schöpfer, seinem einzigen Ziel, verbunden bleibt. Gott allein ist der Herr des Lebens vom Anfang bis zum Ende: Niemand kann sich - unter keinen Umständen - das Recht anmaßen, einem unschuldigen menschlichen Geschöpf direkt den Tod zuzufügen“. <37> Mit diesen Worten legt die Instruktion Donum vitae den zentralen Inhalt der Offenbarung Gottes über die Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens dar. <37> Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Donum vitae (22. Februar 1987), Einleitung, Nr. 5: AASS0( 1988)76-77; vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2258. Denn die Heilige Schrift legt dem Menschen die Vorschrift „Du sollst nicht töten“ als göttliches Gebot vor {Ex 20,13; Dtn 5,17). Es steht - wie ich schon unterstrichen habe - im Dekalog, im Herzen des Bundes, den der Herr mit dem auserwählten Volk schließt; doch enthalten war es bereits in dem allerersten Bund Gottes mit der Menschheit nach der reinigenden Strafe der Sintflut, die durch das Überhandnehmen von Sünde und Gewalt ausgelöst worden war (vgl. Gen 9,5-6). Gott erklärt sich zum absoluten Herrn über das Leben des nach seinem Bild und Gleichnis gestalteten Menschen (vgl. Gen 1,26-28). Das menschliche Leben weist somit einen heiligmäßigen und unverletzlichen Charakter auf, in dem sich die Un- 705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN antastbarkeit des Schöpfers selber widerspiegelt. Eben deshalb wird Gott zum strengen Richter einer jeden Verletzung des Gebotes „du sollst nicht töten“, das die Grundlage des gesamten menschlichen Zusammenlebens bildet. Er ist der „goel“, das heißt der Verteidiger des Unschuldigen (vgl. Gen 4,9-15; Jes 41,14; Jer 50,34; Ps 19[18],15). Auch auf diese Weise macht Gott deutlich, daß er keine Freude am Untergang der Lebenden hat (vgl. Weish 1,13). Nur der Teufel vermag sich darüber zu freuen: durch seinen Neid kam der Tod in die Welt (vgl. Weish 2,24). Er, der „ein Mörder von Anfang an“ ist, ist auch „ein Lügner und der Vater der Lüge“ (Joh 8,44): durch Irreführung lenkt er den Menschen auf die Ziele Sünde und Tod, die als Lebensziele und Erfolge hingestellt werden. 54. Das Gebot „du sollst nicht töten“ besitzt einen ausgesprochen starken negativen Inhalt: es zeigt die äußerste Grenze auf, die niemals überschritten werden darf. Implizit jedoch spornt es zu einem positiven Verhalten der absoluten Achtung vor dem Leben an mit dem Ziel, es zu fördern und auf dem Weg der Liebe, die sich verschenkt, die annimmt und dient, fortzuschreiten. Auch das Volk des Alten Bundes hat, wenn auch langsam und mit Widersprüchen, nach dieser Auffassung eine fortschreitende Reife gekannt und sich so auf die großartige Verkündigung lesu vorbereitet: das Gebot der Nächstenliebe ist dem Gebot der Gottesliebe ähnlich; „an diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten“ (vgl. Mt 22,36-40). „Denn die Gebote ... du sollst nicht töten ... und alle anderen Gebote - unterstreicht der hl. Paulus - sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Röm 13,9; vgl. Gal 5,14). Nachdem es in das Neue Gesetz übernommen und in ihm zur Vollendung gebracht worden ist, bleibt das Gebot „du sollst nicht töten“ unverzichtbare Voraussetzung, um „das Leben erlangen“ zu können (vgl. Mt 19,16-19). Aus dieser Sicht klingt auch das Wort des Apostels Johannes endgültig: „Jeder, der seinen Bruder haßt, ist ein Mörder, und ihr wißt: Kein Mörder hat ewiges Leben, das in ihm bleibt“ (1 Joh 3,15). Die lebendige Tradition der Kirche hat von ihren Anfängen an - wie die Didache, die älteste außerbiblische christliche Lehrschrift bezeugt - das Gebot „du sollst nicht töten“ in kategorischer Form wieder aufgegriffen: „Es gibt zwei Wege, der eine ist der Weg des Lebens, der andere der des Todes; zwischen ihnen besteht ein großer Unterschied ... Nach der Vorschrift der Lehre: Du sollst nicht töten ..., du sollst ein Kind weder abtreiben noch ein Neugeborenes töten ... Der Weg des Todes ist folgender: ... sie haben kein Mitleid mit dem Armen, sie leiden nicht mit dem Leidenden, sie anerkennen nicht ihren Schöpfer, sie töten ihre Kinder und bringen durch Abtreibung Geschöpfe Gottes um; sie schicken den Bedürftigen fort, unterdrücken den Geplagten, sind Anwälte der Reichen und ungerechte 706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Richter der Armen; sie sind voller Sünde. Mögt ihr, o Söhne, euch stets von all dieser Schuld femhalten!“. <38> <38> Didache, I, 1; U, 1-2; V, 1 und 3: Patres apostolici, ed. F. X. Funk, I, 2-3, 6-9, 14-17; vgl. Brief des Pseudo-Barnabas, XIX, 5: ebd., I, 90-93. Im Laufe der Zeit hat die Tradition der Kirche immer einmütig den absoluten und bleibenden Wert des Gebotes „du sollst nicht töten“ gelehrt. Bekanntlich wurde in den ersten Jahrhunderten der Mord - zusammen mit Abtrünnigkeit vom Glauben und Ehebruch - unter die drei schwersten Sünden gereiht und eine besonders schwere und lange öffentliche Buße verlangt, ehe dem reuigen Mörder Vergebung und die Wiederaufnahme in die kirchliche Gemeinschaft gewährt wurden. 55. Das darf uns nicht erstaunen: das Töten eines Menschen, in dem das Bild Gottes gegenwärtig ist, ist eine besonders schwere Sünde. Gott allein ist Herr des Lebens! Doch angesichts der vielfältigen und oft dramatischen Begebenheiten, die das Leben des einzelnen und der Gemeinschaft bereithält, haben die Gläubigen seit eh und je darüber nachgedacht und versucht, zu einer vollständigeren und tieferen Einsicht dessen zu gelangen, was das Gebot Gottes verbietet und vorschreibt. <39> Es gibt nämlich Situationen, in denen die vom Gesetz Gottes festgelegten Werte in Form eines wirklichen Widerspruchs erscheinen. Das kann zum Beispiel bei der Notwehr der Fall sein, in der das Recht, das eigene Leben zu schützen, und die Pflicht, das Leben des anderen nicht zu verletzen, sich nur schwer miteinander in Einklang bringen lassen. Zweifellos begründen der innere Wert des Lebens und die Verpflichtung, sich selbst nicht weniger Liebe entgegenzubringen als den anderen, ein wirkliches Recht auf Selbstverteidigung. Selbst das vom Alten Testament verkündete und von Jesus bekräftigte anspruchsvolle Gebot der Liebe zu den anderen setzt die Eigenliebe als Vergleichsbegriff voraus: „Du sollst deinen Nächsten heben wie dich selbst“ (Mk 12,31). Auf das Recht, sich zu verteidigen, könnte demnach niemand aus mangelnder Liebe zum Leben oder zu sich selbst, sondern nur kraft einer heroischen Liebe verzichten, die die Eigenhebe vertieft und gemäß dem Geist der Seligpreisungen des Evangeliums (vgl. Mt 5,38-48) in die aufopfernde Radikalität verwandelt, deren erhabenstes Beispiel der Herr Jesus selber ist. <39> Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nm. 2263-2269; vgl. auch Katechismus des Konzils von Trient m, §§ 327-332. Andererseits „kann die Notwehr für den, der für das Leben anderer oder für das Wohl seiner Familie oder des Gemeinwesens verantwortlich ist, nicht nur ein Recht, sondern eine schwerwiegende Verpflichtung sein“. <40> Es geschieht leider, daß die Notwendigkeit, den Angreifer unschädlich zu machen, mitunter seine Tötung mit sich bringt. In diesem Fall wird der tödliche Ausgang dem Angreifer zur <40> Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2265. 707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Last gelegt, der sich ihm durch seine Tat ausgesetzt hat, auch für den Fall, daß er aus Mangel an Vemunftgebrauch moralisch nicht verantwortlich wäre. <41> Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, H-II, q. 64, a. 7; Hl. Alfons von Liguori, Theologia moralis, 56. In diesen Problemkreis gehört auch die Frage der Todesstrafe, wobei in der Kirche wie in der weltlichen Gesellschaft zunehmend eine Tendenz festzustellen ist, die eine sehr begrenzte Anwendung oder überhaupt die völlige Abschaffung der Todesstrafe fordert. Das Problem muß in die Optik einer Strafjustiz eingeordnet werden, die immer mehr der Würde des Menschen und somit letzten Endes Gottes Plan bezüglich des Menschen und der Gesellschaft entsprechen soll. Tatsächlich soll die von der Gesellschaft verhängte Strafe „in erster Linie die durch das Vergehen herbeigeführte Unordnung wiedergutmachen“. <42> Die öffentliche Autorität muß die Verletzung der Rechte des einzelnen und der Gemeinschaft dadurch wiedergutmachen, daß sie dem Schuldigen als Vorbedingung für seine Wiederentlassung in die Freiheit eine angemessene Sühne für das Vergehen auferlegt. Auf diese Weise erreicht die Autorität auch das Ziel, die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Person zu verteidigen und zugleich dem Schuldigen selbst einen Ansporn und eine Hilfe zur Besserung und Heilung anzubieten. <43> 1. III, tr. 4, c. 1, dub. 3. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2266. Vgl. ebd. Um alle diese Ziele zu erreichen, müssen Ausmaß und Art der Strafe sorgfältig abgeschätzt und festgelegt werden und dürfen außer in schwerwiegendsten Fällen, das heißt wenn der Schutz der Gesellschaft nicht anders möglich sein sollte, nicht bis zum Äußersten, nämlich der Verhängung der Todesstrafe gegen den Schuldigen, gehen. Solche Fälle sind jedoch heutzutage infolge der immer angepaßteren Organisation des Strafwesens schon sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben. Jedenfalls bleibt der vom neuen Katechismus der Katholischen Kirche angeführte Grundsatz gültig: „soweit unblutige Mittel hinreichen, um das Leben der Menschen gegen Angreifer zu verteidigen und die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Menschen zu schützen, hat sich die Autorität an diese Mittel zu halten, denn sie entsprechen besser den konkreten Bedingungen des Gemeinwohls und sind der Menschenwürde angemessener“. <44> Nr. 2267. 57. Wenn auf die Achtung jeden Lebens, sogar des Schuldigen und des ungerechten Angreifers, so große Aufmerksamkeit verwendet wird, hat das Gebot „du sollst nicht töten“ absoluten Wert, wenn es sich auf den unschuldigen Menschen bezieht. Und das umso mehr, wenn es sich um ein schwaches und schutzloses menschliches Lebewesen handelt, das einzig in der absoluten Kraft des Gebotes Gottes sei- 45 46 47 48 708 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen radikalen Schutz gegenüber der Willkür und Gewalttätigkeit der anderen findet. Die absolute Unantastbarkeit des unschuldigen Menschenlebens ist in der Tat eine in der Heiligen Schrift ausdrücklich gelehrte, in der Tradition der Kirche ständig aufrechterhaltene und von ihrem Lehramt einmütig vorgetragene sittliche Wahrheit. Diese Einmütigkeit ist sichtbare Frucht jenes vom Heiligen Geist geweckten und getragenen „übernatürlichen Glaubenssinnes“, der das Gottesvolk vor Irrtum bewahrt, wenn es „seine allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert“. <45> <45> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 12. Da im Bewußtsein der Menschen und in der Gesellschaft das Wahrnehmungsvermögen dafür, daß die direkte, d. h. vorsätzliche Tötung jedes unschuldigen Menschenlebens, besonders in seinem Anfangs- und Endstadium, ein absolutes und schweres sittliches Vergehen darstellt, zunehmend schwächer wird, hat das Lehramt der Kirche seine Interventionen zur Verteidigung der Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens verstärkt. Mit dem päpstlichen Lehramt, das hier besonders nachdrücklich und beharrlich Zeugnis ablegt, hat sich das bischöfliche Lehramt mit zahlreichen umfassenden Lehr- und Pastoraldokumenten der Bischofskonferenzen wie einzelner Bischöfe stets vereinigt. Und auch der feste und in seiner Kürze markante Beitrag des II. Vatikanischen Konzils blieb nicht aus. <46> <46> Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 27. Mit der Petrus und seinen Nachfolgern von Christus verliehenen Autorität bestätige ich daher in Gemeinschaft mit den Bischöfen der katholischen Kirche, daß die direkte und freiwillige Tötung eines unschuldigen Menschen immer ein schweres sittliches Vergehen ist. Diese Lehre, die auf jenem ungeschriebenen Gesetz begründet ist, das jeder Mensch im Lichte der Vernunft in seinem Herzen findet (vgl. Röm 2,14-15), ist von der Heiligen Schrift neu bestätigt, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt gelehrt. <47> Die willentliche Entscheidung, einen unschuldigen Menschen seines Lebens zu berauben, ist vom moralischen Standpunkt her immer schändlich und kann niemals, weder als Ziel noch als Mittel zu einem guten Zweck gestattet werden. Sie ist in der Tat ein schwerer Ungehorsam gegen das Sittengesetz, ja gegen Gott selber, seinen Urheber und Garanten; sie widerspricht den Grundtugenden der Gerechtigkeit und der Liebe. „Niemand und nichts kann in irgendeiner Weise zulassen, daß ein unschuldiges menschliches Lebewesen getötet wird, sei es ein Fötus oder ein Embryo, ein Kind oder ein Erwachsener, ein Greis, ein von einer unheilbaren Krankheit Befallener oder ein im Todeskampf Befindlicher. Außerdem ist es niemandem erlaubt, diese todbringende Handlung für sich oder für einen anderen, der seiner Verantwortung anvertraut ist, zu erbitten, ja man darf in eine solche 5 ^ Vgl. n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 25. 709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN [Handlung] nicht einmal explizit oder implizit einwilligen. Auch kann sie keine Autorität rechtmäßig auferlegen oder erlauben“. <48> <48> Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über die Euthanasie Jura et bona (5. Mai 1980), n: AAS72(1980)546. Was das Recht auf Leben betrifft, ist jedes unschuldige menschliche Lebewesen allen anderen absolut gleich. Diese Gleichheit bildet die Grundlage jeder echten sozialen Beziehung, die, wenn sie wirklich eine solche sein soll, auf der Wahrheit und der Gerechtigkeit gründen muß, indem sie jeden Mann und jede Frau als Person anerkennt und schützt und nicht als eine Sache betrachtet, über die man verfügen könne. Im Hinblick auf die sittliche Norm, die die direkte Tötung eines unschuldigen Menschen verbietet, „gibt es fiir niemanden Privilegien oder Ausnahmen. Ob einer der Herr der Welt oder der Letzte, ,Elendeste1 auf Erden ist, macht keinen Unterschied: Vor den sittlichen Ansprüchen sind wir alle absolut gleich“. <49> <49> Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. 96: AAS85(1993)1209. „Deine Augen sahen, wie ich entstand“ (Ps 139[138],16): das verabscheuungswürdige Verbrechen der Abtreibung 58. Unter allen Verbrechen, die der Mensch gegen das Leben begehen kann, weist die Vornahme der Abtreibung Merkmale auf, die sie besonders schwerwiegend und verwerflich machen. Das II. Vatikanische Konzil bezeichnet sie und die Tötung des Kindes als „verabscheuungswürdiges Verbrechen“. <50> Doch heute hat sich im Gewissen vieler die Wahrnehmung der Schwere des Vergehens nach und nach verdunkelt. Die Billigung der Abtreibung in Gesinnung, Gewohnheit und selbst im Gesetz ist ein beredtes Zeichen für eine sehr gefährliche Krise des sittlichen Bewußtseins, das immer weniger imstande ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, selbst dann, wenn das Grundrecht auf Leben auf dem Spiel steht. Angesichts einer so ernsten Situation bedarf es mehr denn je des Mutes, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Dinge beim Namen zu nennen, ohne bequemen Kompromissen oder der Versuchung zur Selbsttäuschung nachzugeben. In diesem Zusammenhang klingt der Tadel des Propheten kategorisch: „Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen“ (Jes 5,20). Gerade in bezug auf die Abtreibung ist die Verbreitung eines zweideutigen Sprachgebrauchs festzustellen, wie die Formulierung „Unterbrechung der Schwangerschaft“, die darauf abzielt, deren wirkliche Natur zu verbergen und ihre Schwere in der öffentlichen Meinung abzuschwächen. Vielleicht ist dieses sprachliche Phänomen selber Symptom für ein Unbehagen des Gewissens. Doch kein Wort vermag die Realität der Dinge zu ändern: die vorsätzliche Abtreibung ist, wie auch immer sie vorgenommen werden <50> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 51: „Abortus necnon infan-ticidium nefanda sunt crimina“. 710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mag, die beabsichtigte und direkte Tötung eines menschlichen Geschöpfes in dem zwischen Empfängnis und Geburt liegenden Anfangsstadium seiner Existenz. Die sittliche Schwere der vorsätzlichen Abtreibung wird in ihrer ganzen Wahrheit deutlich, wenn man erkennt, daß es sich um einen Mord handelt, und insbesondere, wenn man die spezifischen Umstände bedenkt, die ihn kennzeichnen. Getötet wird hier ein menschliches Geschöpf, das gerade erst dem Leben entgegengeht, das heißt das absolut unschuldigste Wesen, das man sich vorstellen kann: es könnte niemals als Angreifer und schon gar nicht als ungerechter Angreifer angesehen werden! Es ist schwach, wehrlos, so daß es selbst ohne jenes Minimum an Verteidigung ist, wie sie die flehende Kraft der Schreie und des Weinens des Neugeborenen darstellt. Es ist voll und ganz dem Schutz und der Sorge derjenigen anvertraut, die es im Schoß trägt. Doch manchmal ist es gerade sie, die Mutter, die seine Tötung beschließt und darum ersucht und sie sogar vomimmt. Gewiß nimmt der Entschluß zur Abtreibung für die Mutter sehr oft einen dramatischen und schmerzlichen Charakter an, wenn die Entscheidung, sich der Frucht der Empfängnis zu entledigen, nicht aus rein egoistischen und Bequemlichkeitsgründen gefaßt wurde, sondern weil manche wichtigen Güter, wie die eigene Gesundheit oder ein anständiges Lebensniveau für die anderen Mitglieder der Familie gewahrt werden sollten. Manchmal sind für das Ungeborene Existenzbedingungen zu befürchten, die den Gedanken aufkommen lassen, es wäre für dieses besser nicht geboren zu werden. Niemals jedoch können diese und ähnliche Gründe, mögen sie noch so ernst und dramatisch sein, die vorsätzliche Vernichtung eines unschuldigen Menschen rechtfertigen. 59. Den Tod des noch ungeborenen Kindes beschließen außer der Mutter häufig andere Personen. Schuldig sein kann vor allem der Vater des Kindes, nicht nur, wenn er die Frau ausdrücklich zur Abtreibung drängt, sondern auch, wenn er ihre Entscheidung dadurch indirekt begünstigt, daß er sie mit den Problemen der Schwangerschaft allein läßt: <51> auf diese Weise wird die Familie tödlich verletzt und in ihrem Wesen als Liebesgemeinschaft und in ihrer Berufung, „Heiligtum des Lebens“ zu sein, entwürdigt. Nicht verschwiegen werden dürfen sodann die Beeinflussungen, die aus dem weiteren Familienverband und von Freunden kommen. Nicht selten ist die Frau einem so starken Druck ausgesetzt, daß sie sich psychologisch gezwungen fühlt, in die Abtreibung einzuwilligen: ohne Zweifel lastet in diesem Fall die sittliche Verantwortung besonders auf denen, die sie direkt oder indirekt gezwungen haben, eine Abtreibung vorzunehmen. Verantwortlich sind auch die Ärzte und das Pflegepersonal, wenn sie ihre berufliche Kompetenz, die sie erworben haben, um das Leben zu fördern, in den Dienst des Todes stellen. Aber in die Verantwortung miteinbezogen sind auch die Gesetzgeber, die Abtreibungsgesetze gefördert und beschlossen haben, und in dem Maße, in dem die Sache von ihnen abhängt, die Verwalter der Einrichtungen des Gesundheitswesens, <51> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), Nr. 14: AAS80(1988)1686. 711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die für die Durchführung von Abtreibungen benutzt werden. Eine nicht minder schwere allgemeine Verantwortung betrifft sowohl alle, die die Verbreitung einer Mentalität sexueller Freizügigkeit und Geringschätzung der Mutterschaft begünstigt haben, als auch diejenigen, die wirksame familien- und sozialpolitische Maßnahmen zur Unterstützung der Familien, namentlich der kinderreichen oder mit besonderen wirtschaftlichen und erzieherischen Schwierigkeiten belasteten Familien, hätten sicherstellen müssen, dies aber nicht getan haben. Nicht unterschätzt werden darf schließlich das Netz der Mittäterschaft, das sich bis auf internationale Institutionen, Stiftungen und Vereinigungen ausdehnt, die systematisch für die Legalisierung und Verbreitung der Abtreibung in der Welt kämpfen. Damit übersteigt die Abtreibung die Verantwortung der einzelnen Personen und den ihnen verursachten Schaden und nimmt eine stark soziale Dimension an: sie ist eine sehr schwere Verletzung, die der Gesellschaft und ihrer Kultur von denen zugefügt wird, die sie aufbauen und verteidigen sollten. Wie ich in meinem Brief an die Familien schrieb, „stehen wir vor einer enormen Bedrohung des Lebens, nicht nur einzelner Individuen, sondern auch der ganzen Zivilisation“. <52> Wir stehen vor dem, was als eine gegen das noch ungeborene menschliche Leben gerichtete „Sündenstruktur“ definiert werden kann. Nr. 21:AAS86(1994)920. 60. Manche versuchen, die Abtreibung durch die Behauptung zu rechtfertigen, die Frucht der Empfängnis könne, wenigstens bis zu einer bestimmten Zahl von Tagen, noch nicht als ein persönliches menschliches Leben angesehen werden. In Wirklichkeit „beginnt in dem Augenblick, wo das Ei befruchtet wird, ein Leben, das nicht das des Vaters oder der Mutter, sondern eines neuen menschlichen Geschöpfes ist, das sich eigenständig entwickelt. Es wird nie menschlich werden, wenn es das nicht von dem Augenblick an gewesen ist. Für die Augenfälligkeit dieser alten Einsicht... liefert die moderne genetische Forschung wertvolle Bestätigungen. Sie hat gezeigt, daß vom ersten Augenblick an das Programm für das, was dieses Lebewesen sein wird, festgelegt ist: eine Person, diese individuelle Person mit ihren bekannten, schon genau festgelegten Wesensmerkmalen. Bereits mit der Befmchtung hat das Abenteuer eines Menschenlebens begonnen, von dessen großen Fähigkeiten jede einzelne Zeit braucht, um sich zu organisieren und funktionsbereit zu sein“. <53> Auch wenn das Vorhandensein einer Geistseele von keiner experimentellen Beobachtung ausgemacht werden kann, liefern die Schlußfolgerungen der Wissenschaft über den menschlichen Embryo „einen wertvollen Hinweis, um das Vorhandensein einer Person von diesem ersten Erscheinen eines Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung Quaestio de abortu procurato (18. November 1974), Nm. 12-13: AAS66(1974)738. 56 57 712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschlichen Lebens an rational zu erkennen: sollte ein menschliches Individuum etwa nicht eine menschliche Person sein?“ <54> <54> Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Donum vitae (22. Februar 1987), I, Nr. 1: AAS80(1988)78-79. Im übrigen ist der Einsatz, der auf dem Spiel steht, so groß, daß unter dem Gesichtspunkt der moralischen Verpflichtung schon die bloße Wahrscheinlichkeit, eine menschliche Person vor sich zu haben, genügen würde, um das strikteste Verbot jedes Eingriffs zu rechtfertigen, der zur Tötung des menschlichen Embryos vorgenommen wird. Eben deshalb hat die Kirche jenseits der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und selbst der philosophischen Aussagen, auf die sich das Lehramt nicht ausdrücklich eingelassen hat, stets gelehrt und lehrt noch immer, daß der Frucht der menschlichen Zeugung vom ersten Augenblick ihrer Existenz an jene unbedingte Achtung zu gewährleisten ist, die dem Menschen in seiner leiblichen und geistigen Ganzheit und Einheit moralisch geschuldet wird: „Ein menschliches Geschöpf ist von seiner Empfängnis an als Person zu achten und zu behandeln, und deshalb sind ihm von jenem Augenblick an die Rechte einer Person zuzuerkennen, als deren erstes das unverletzliche Recht auf Leben angesehen wird, dessen sich jedwedes unschuldige menschliche Geschöpf erfreut“. <55> <55> Ebd., a.a.O., 19. 61. Auch wenn die Texte der Heiligen Schrift nie von einer vorsätzlichen Abtreibung sprechen und deshalb keine direkten und spezifischen Verurteilungen diesbezüglich enthalten, so weisen sie doch auf eine Betrachtung des menschlichen Lebewesens im Mutterleib hin, deren logische Konsequenz die Forderung ist, daß Gottes Gebot: „du sollst nicht töten“ auch auf dieses noch ungeborene Leben anzuwenden sei. Das menschliche Leben ist in jedem Augenblick seiner Existenz, auch in jenem Anfangsstadium, das der Geburt vorausgeht, heilig und unantastbar. Der Mensch gehört vom Mutterschoß an Gott, der alles erforscht hat und kennt, der ihn mit seinen Händen formt und gestaltet, der ihn sieht, während er noch ein kleiner, noch in Entfaltung begriffener Embryo ist, und der in ihm bereits den Erwachsenen von morgen sieht, dessen Tage gezählt sind und dessen Berufung schon in dem „Buch des Lebens“ verzeichnet ist (vgl. Ps 139[138], 1.13-16). Auch da, wenn er sich also noch im Mutterschoß befindet, ist - wie zahlreiche Bibeltexte bezeugen <56> - der Mensch das persönlichste Ziel der liebenden und väterlichen Vorsehung Gottes. <56> So der Prophet Jeremia: „Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt“ (1,4-5). Der Psalmist wiederum wendet sich folgendermaßen an den Herrn: „Vom Mutterleib an stütze ich mich auf dich, vom Mutterschoß an bist du mein Beschützer“ (Ps 71[70],6; vgl. Jes 46,3; Ijob 10,8-12; Ps 22[21],10-11). Auch der Evangelist Lukas unterstreicht - in der wunderbaren Episode von der Begegnung der beiden Mütter, Elisabet und Maria, und der beiden noch im Mutterschoß verborgenen Söhne, Johannes des Täufers und Jesu (vgl. 1,39-45) -, daß das Kind die Ankunft des Jesuskindes bemerkt und vor Freude frohlockt. 713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die christliche Überlieferung stimmt - wie die von der Kongregation für die Glaubenslehre diesbezüglich herausgegebene Erklärung gut hervorhebt <57> - von den Anfängen bis in unsere Tage klar darin überein, daß sie die Abtreibung als besonders schwerwiegende sittliche Verwilderung einstuft. Die erste christliche Gemeinde hat sich seit der ersten Konfrontation mit der griechisch-römischen Welt, in der die Abtreibung und die Kindestötung weitgehend praktiziert wurden, durch ihre Lehre und ihre Praxis den in jener Gesellschaft herrschenden Gepflogenheiten radikal widersetzt, wofür die bereits zitierte Didache ein klarer Beweis ist. <58> Unter den kirchlichen Schriftstellern aus dem griechischen Raum erwähnt Athenagoras, daß die Christen Frauen, die auf medizinische Eingriffe zur Abtreibung zurückgreifen, als Mörderinnen ansehen, weil die Kinder, auch wenn sie noch im Mutterschoß sind, „bereits das Objekt der Fürsorge der göttlichen Vorsehung sind“. <59> Unter den lateinischen Schriftstellern behauptet Tertullian: „Die Verhinderung der Geburt ist vorzeitiger Mord; es kommt nicht darauf an, ob man die schon geborene Seele tötet oder sie beim Zurweltkommen auslöscht. Es ist bereits der Mensch, der er später sein wird“. <60> <57> Vgl. Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung Ouaestio de abortu procurato (18. November 1974): AAS66(1974)740-747. <58> „Du sollst ein Kind weder abtreiben noch ein Neugeborenes töten“: V, 2, Patres Apostolici, ed. F.X. Funk, I, 17. <59> Bittschrift für die Christen, Nr. 35: PG 6, 969. <60> Apologeticum, IX, 8: CSEL 69, 24. Diese selbe Lehre ist während ihrer nunmehr zweitausendjährigen Geschichte von den Vätern der Kirche, von ihren Hirten und Lehrern ständig gelehrt worden. Auch die wissenschaftlichen und philosophischen Diskussionen darüber, zu welchem Zeitpunkt genau das Eingießen der Geistseele erfolge, haben nie auch nur den geringsten Zweifel an der sittlichen Verurteilung der Abtreibung aufkommen lassen. 62. Das päpstliche Lehramt der jüngsten Zeit hat diese allgemeine Lehre mit großem Nachdruck bekräftigt. Insbesondere Pius XI. hat in der Enzyklika Casti con-nubii die als Vorwand dienenden Rechtfertigungen der Abtreibung zurückgewiesen; <61> Pius XII. hat jede direkte Abtreibung ausgeschlossen, das heißt jede Handlung, die das noch ungeborene menschliche Leben direkt zu vernichten trachtet, „mag diese Vernichtung nun als Ziel oder nur als Mittel zum Zweck verstanden werden“; <62> Johannes XXIII. hat neuerlich beteuert, daß das menschliche Leben heilig ist, denn „es erfordert von seinem Anbeginn an das Wirken Gottes, des Schöpfers“. <63> Das II. Vatikanische Konzil hat, wie bereits erwähnt, die Abtreibung <61> Vgl. Enzyklika Casti connubii (31. Dezember 1930), II: AA5'22(1930)562-592. <62> Ansprache an die Medizinisch-Biologische Vereinigung vom hl. Lukas (12. November 1944): Discorsi e Ra-diomessaggi; VI (1944-1945), 191; vgl. auch Ansprache an den Katholischen Hebammenverband Italiens (29. Oktober 1951), Nr. 2: AAS43(1951)838. <63> Enzyklika Mater et Magistra (15. Mai 1961), Nr. 3: 445’53( 196! )447. 714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehr streng verurteilt: „Das Leben ist von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuungswürdige Verbrechen“. <64> <64> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 51. Die Rechtsordnung der Kirche hat von den ersten Jahrhunderten an über jene, die sich der Abtreibung schuldig machten, Strafsanktionen verhängt. Diese Praxis mit mehr oder weniger schweren Strafen wurde in den verschiedenen Abschnitten der Geschichte bestätigt. Der Codex des kanonischen Rechtes von 1917 drohte für die Abtreibung die Strafe der Exkommunikation an. <65> Auch die erneuerte kanonische Gesetzgebung stellt sich auf diese Linie, wenn sie bekräftigt: „Wer eine Abtreibung vomimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation latae sententiae zu“, <66> das heißt die Strafe tritt von selbst durch Begehen der Straftat ein. Die Exkommunikation trifft alle, die diese Straftat in Kenntnis der Strafe begehen, somit auch jene Mittäter, ohne deren Handeln sie nicht begangen worden wäre. <67> Mit dieser erneut bestätigten Sanktion stellt die Kirche diese Straftat als eines der schwersten und gefährlichsten Verbrechen hin und spornt so den, der sie begeht, an, rasch auf den Weg der Umkehr zurückzufinden. Denn in der Kirche hat die Strafe der Exkommunikation den Zweck, die Schwere einer bestimmten Sünde voll bewußt zu machen und somit eine entsprechende Umkehr und Reue zu begünstigen. <65> Vgl. can. 2350, § 1. <66> Codex des kanonischen Rechtes, can. 1398; vgl. auch Codex des kanonischen Rechtes der Ostkirchen, can. 1450 § 2. <67> Vgl. ehd., can. 1329; ebenso Codex des kanonischen Rechtes der Ostkirchen, can. 1417. Angesichts einer solchen Einmütigkeit in der Tradition der Lehre und Disziplin der Kirche konnte Paul VI. erklären, daß sich diese Lehre „nicht geändert hat und unveränderlich ist“. <68> Mit der Autorität, die Christus Petrus und seinen Nachfolgern übertragen hat, erkläre ich deshalb in Gemeinschaft mit den Bischöfen - die mehrfach die Abtreibung verurteilt und, obwohl sie über die Welt verstreut sind, bei der eingangs erwähnten Konsultation dieser Lehre einhellig zugestimmt haben -, daß die direkte, das heißt als Ziel oder Mittel gewollte Abtreibung immer ein schweres sittliches Vergehen darstellt, nämlich die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen. Diese Lehre ist auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes begründet, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche gelehrt. <69> Kein Umstand, kein Zweck, kein Gesetz wird jemals eine Handlung für die Welt statthaft machen können, die in sich unerlaubt ist, weil sie dem Gesetz Gottes wi- <68> Vgl. Ansprache an die Vereinigung katholischer Juristen Italiens (9. Dezember 1972): AAS641 i 972)777; En-zyklika Hiunanae vitae (25. Juli 1968), Nr. 14: AAS60(1968)490. <69> Vgl. n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 25. 715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN derspricht, das jedem Menschen ins Herz geschrieben, mit Hilfe der Vernunft selbst erkennbar und von der Kirche verkündet worden ist. 63. Die sittliche Bewertung der Abtreibung muß auch auf die neuen Formen des Eingriffs auf menschliche Embryonen angewandt werden, die unvermeidlich mit der Tötung des Embryos verbunden sind, auch wenn sie Zwecken dienen, die an sich erlaubt sind. Das ist bei der Durchführung von Versuchen an Embryonen gegeben, die auf dem Gebiet der biomedizinischen Forschung in wachsender Zunahme begriffen und in einigen Staaten gesetzlich erlaubt ist. Auch wenn „die Eingriffe am menschlichen Embryo unter der Bedingung als erlaubt angesehen werden [müssen], daß sie das Leben und die Unversehrtheit des Embryos achten und daß sie nicht Gefahren mit sich bringen, die nicht verhältnismäßig sind, sondern daß sie auf die Heilung der Krankheit, auf die Wandlung des Gesundheitszustands zum besseren hin und auf die Sicherstellung des Überlebens des einzelnen Fötus ausgerichtet sind“, <70> muß man jedoch geltend machen, daß die Verwendung von Embryonen oder Föten als Versuchsobjekt ein Verbrechen darstellt gegen ihre Würde als menschliche Geschöpfe, die dasselbe Recht haben, das dem bereits geborenen Kind und jeder Person geschuldet wird. <71> <70> Kongregation für die Glaubenslehre; Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Donum vitae (22. Februar 1987), I, 3: AA5'80(1988)80. Vgl. Charta der Rechte der Familie (22. Oktober 1983), Art. 4b: Tipografia Poliglotta Vaticana, 1983. Aus sittlichen Gründen zu verwerfen ist ebenso auch die Vorgehensweise, die -bisweilen eigens zu diesem Zweck mit Hilfe der In-vitro-Befruchtung „erzeugte“ -noch lebende menschliche Embryonen und Föten mißbraucht, sei es als zu verwertendes „biologisches Material“ oder als Lieferanten von Organen oder Geweben zur Transplantation für die Behandlung bestimmter Krankheiten. Die Tötung unschuldiger menschlicher Geschöpfe, und sei es auch zum Vorteil anderer, stellt in Wirklichkeit eine absolut unannehmbare Handlung dar. Besondere Aufmerksamkeit muß der sittlichen Bewertung der Verfahren vorgeburtlicher Diagnose gelten, die die frühzeitige Feststellung eventueller Mißbildungen oder Krankheiten des ungeborenen Kindes erlauben. Wegen der Komplexität dieser Verfahren muß eine solche Bewertung in der Tat sorgfältiger und artikulierter erfolgen. Wenn sie ohne unverhältnismäßige Gefahren für das Kind und für die Mutter sind und zum Ziel haben, eine frühzeitige Therapie zu ermöglichen oder auch eine gefaßte und bewußte Annahme des Ungeborenen zu begünstigen, sind diese Verfahren sittlich erlaubt. Da jedoch die Behandlungsmöglichkeiten vor der Geburt heute noch recht begrenzt sind, kommt es nicht selten vor, daß diese Verfahren in den Dienst einer Eugenetik-Mentalität gestellt werden, die die selektive Abtreibung in Kauf nimmt, um die Geburt von Kindern zu verhindern, die von Mißbildungen und Krankheiten verschiedener Art betroffen sind. Eine solche Denkart ist niederträchtig und höchst verwerflich, weil sie sich anmaßt, den Wert eines menschlichen Lebens einzig und allein nach Maßstäben wie „Normalität“ 716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und physisches Wohlbefinden zu beurteilen und auf diese Weise auch der Legitimation der Kindestötung und der Euthanasie den Weg bahnt. In Wirklichkeit stellen jedoch gerade der Mut und die Gefaßtheit, mit denen viele unserer von schweren Gebrechen betroffenen Brüder und Schwestern ihr Dasein meistern, wenn sie von uns angenommen und geliebt werden, ein besonders wirkungsvolles Zeugnis für die echten Werte dar, die das Leben kennzeichnen und es auch unter den schwierigsten Bedingungen für sich selbst und für die anderen wertvoll machen. Die Kirche ist jenen Eheleuten nahe, die unter großer Angst und viel Schmerz bereit sind, ihre von Behinderung schwer heimgesuchten Kinder anzunehmen; und sie ist all jenen Familien dankbar, die durch Adoption Kinder aufnehmen, die wegen Behinderungen oder Krankheiten von ihren Eltern im Stich gelassen worden sind. „Ich bin es, der tötet und der lebendig macht“ (Dtn 32,39): das Drama der Euthanasie 64. Am anderen Ende seines Daseins steht der Mensch vor dem Geheimnis des Todes. Infolge der Fortschritte auf medizinischem Gebiet und in einem kulturellen Umfeld, das sich der Transzendenz zumeist verschließt, weist die Erfahrung des Sterbens heute einige neue Wesensmerkmale auf. Denn wenn die Neigung vorherrscht, das Leben nur in dem Maße zu schätzen, wie es Vergnügen und Wohlbefinden mit sich bringt, erscheint das Leiden als eine unerträgliche Niederlage, von der man sich um jeden Preis befreien muß. Der Tod, der als „absurd“ angesehen wird, wenn er ein Leben plötzlich unterbricht, das noch für eine an möglichen interessanten Erfahrungen reiche Zukunft offen ist, wird dagegen dann zu einer „beanspruchten Befreiung“, wenn das Dasein bereits für sinnlos gehalten wird, weil es in Schmerz getaucht und unerbittlich für weiteres noch heftigeres Leiden bestimmt ist. Außerdem glaubt der Mensch, der seine wesentliche Beziehung zu Gott ablehnt oder vergißt, er sei sich selber Maßstab und Norm, und maßt sich das Recht an, auch von der Gesellschaft zu verlangen, sie solle ihm Möglichkeiten und Formen garantieren, damit er in voller und vollständiger Autonomie über sein Leben entscheiden könne. Es ist besonders der Mensch in den entwickelten Ländern, der sich so verhält: veranlaßt fühlt er sich dazu auch durch die ständigen Fortschritte der Medizin und ihre immer mehr fortgeschrittenen Verfahren. Mit Hilfe hoch-entwickelter Systeme und Apparate sind Wissenschaft und ärztliche Praxis heute in der Lage, nicht nur für früher unlösbare Fälle eine Lösung zu finden und Schmerzen zu lindem oder zu beheben, sondern auch das Leben selbst im Zustand äußerster Schwäche zu erhalten und zu verlängern, Personen nach dem plötzlichen Zusammenbrach ihrer biologischen Grandfunktionen künstlich wiederzubeleben sowie Eingriffe vorzunehmen, um Organe für Transplantationen zu gewinnen. 717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In einem solchen Umfeld zeigt sich immer stärker die Versuchung zur Euthanasie, das heißt, sich zum Herrn über den Tod zu machen, indem man ihn vorzeitig her-beifiihrt und so dem eigenen oder dem Leben anderer „auf sanfte Weise“ ein Ende bereitet. In Wirklichkeit stellt sich, was als logisch und menschlich erscheinen könnte, wenn man es zutiefst betrachtet, als absurd und unmenschlich heraus. Wir stehen hier vor einem der alarmierendsten Symptome der „Kultur des Todes“, die vor allem in den Wohlstandsgesellschaften um sich greift, die von einem Leistungsdenken gekennzeichnet sind, das die wachsende Zahl alter und geschwächter Menschen als zu belastend und unerträglich erscheinen läßt. Sie werden sehr oft von der Familie und von der Gesellschaft isoliert, deren Organisation fast ausschließlich auf Kriterien der Produktion und Leistungsfähigkeit beruht, wonach ein hoffnungslos arbeitsunfähiges Leben keinen Wert mehr hat. 65. Für ein korrektes sittliches Urteil über die Euthanasie gilt es zunächst, diese klar zu definieren. Unter Euthanasie im eigentlichen Sinn versteht man eine Handlung oder Unterlassung, die ihrer Natur nach und aus bewußter Absicht den Tod herbeiführt, um auf diese Weise jeden Schmerz zu beenden. „Bei Euthanasie dreht es sich also wesentlich um den Vorsatz des Willens und um die Vorgehensweisen, die angewandt werden“. <72> <72> Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über die Euthanasie Iura et bona (5. Mai 1980), II: AAS72( 1980)546. Von ihr zu unterscheiden ist die Entscheidung, auf „therapeutischen Übereifer“ zu verzichten, das heißt auf bestimmte ärztliche Eingriffe, die der tatsächlichen Situation des Kranken nicht mehr angemessen sind, weil sie in keinem Verhältnis zu den erhofften Ergebnissen stehen, oder auch, weil sie für ihn und seine Familie zu beschwerlich sind. In diesen Situationen, wenn sich der Tod drohend und unvermeidlich ankündigt, kann man aus Gewissensgründen „auf (weitere) Heilversuche verzichten, die nur eine ungewisse und schmerzvolle Verlängerung des Lebens bewirken könnten, ohne daß man jedoch die normalen Bemühungen unterläßt, die in ähnlichen Fällen dem Kranken geschuldet werden“. <73> Sicherlich besteht die moralische Verpflichtung sich pflegen und behandeln zu lassen, aber diese Verpflichtung muß an den konkreten Situationen gemessen werden; das heißt, es gilt abzuschätzen, ob die zur Verfügung stehenden therapeutischen Maßnahmen objektiv in einem angemessenen Verhältnis zur Aussicht auf Besserung stehen. Der Verzicht auf außergewöhnliche oder unverhältnismäßige Heilmittel ist nicht gleichzusetzen mit Selbstmord oder Euthanasie; er ist vielmehr Ausdruck dafür, daß die menschliche Situation angesichts des Todes akzeptiert wird. <74> Besondere Bedeutung gewinnen in der modernen Medizin die sogenannten „palliativen Behandlungsweisen“, die das Leiden im Endstadium der Krankheit erträglicher machen und gleichzeitig für den Patienten eine angemessene mensch- <73> Ebd., IV, a.a.O., 551. <74> Vgl. ebd. 718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehe Begleitung gewährleisten sollen. In diesem Zusammenhang erhebt sich unter anderem das Problem, inwieweit die Anwendung der verschiedenen Schmerzlinderungs- und Beruhigungsmittel, um den Kranken vom Schmerz zu befreien, erlaubt ist, wenn das die Gefahr einer Verkürzung des Lebens mit sich bringt. Auch wenn jemand, der das Leiden aus freien Stücken annimmt, indem er auf schmerzlindernde Maßnahmen verzichtet, um seine volle Geistesklarheit zu bewahren und, wenn er gläubig ist, bewußt am Leiden des Herrn teilzuhaben, in der Tat des Lobes würdig ist, so kann diese „heroische“ Haltung doch nicht als für alle verpflichtend angenommen werden. Schon Pius XII. hatte gesagt, den Schmerz durch Narkotika zu unterdrücken, auch wenn das eine Trübung des Bewußtseins und die Verkürzung des Lebens zur Folge habe, sei erlaubt, „falls keine anderen Mittel vorhanden sind und unter den gegebenen Umständen dadurch nicht die Erfüllung anderer religiöser und moraüscher Verpflichtungen behindert wird“. <75> Denn in diesem Fall wird der Tod nicht gewollt oder gesucht, auch wenn aus berechtigten Gründen die Gefahr dazu gegeben ist: man will einfach durch Anwendung der von der Medizin zur Verfügung gestellten Analgetika den Schmerz wirksam lindem. Doch „darf man den Sterbenden nicht ohne schwerwiegenden Grand seiner Be-wußtseinsklarheit berauben“: <76> die Menschen sollen vor dem herannahenden Tod in der Lage sein, ihren moralischen und familiären Verpflichtungen nachkommen zu können, und sich vor allem mit vollem Bewußtsein auf die endgültige Begegnung mit Gott vorbereiten können. <75> Ansprache an eine internationale Gruppe von Ärzten (24. Februar 1957), III: AAS49( 1957)147: vgl. Kongre-gation für die Glaubenslehre, Erklärung über die Euthanasie Jura et bona, III: AAS72(1980)547-548. Pius XIL, Ansprache an eine internationale Gruppe von Ärzten (24. Februar 1957), III: AAS49(1957)145. Nach diesen Unterscheidungen bestätige ich in Übereinstimmung mit dem Lehramt meiner Vorgänger <77> und in Gemeinschaft mit den Bischöfen der katholischen Kirche, daß die Euthanasie eine schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes ist, insofern es sich um eine vorsätzliche Tötung einer menschlichen Person handelt, was sittlich nicht zu akzeptieren ist. Diese Lehre ist auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes begründet, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche gelehrt. <78> Eine solche Handlung setzt, je nach den Umständen, die Bosheit voraus, wie sie dem Selbstmord oder dem Mord eigen ist. 8^ Vgl. Pius XII., Ansprache an eine internationale Gruppe von Ärzten (24. Februar 1957): AAS49(1957)129-147; Kongregation des Hl. Offiziums, Decretum de directa insontium occisione (2. Dezember 1940): AAS32(1940)553-554; Paul VI., Botschaft im französischen Fernsehen: „Jedes Leben ist heilig“ (27. Januar 1971): Insegnamenti IX(1971)57-58; Ansprache an das Internationale Chirurgenkollegium (1. Juni 1972): 44564(1972)432-436; II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 27. <78> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 25. 66. Nun ist Selbstmord immer ebenso sittlich unannehmbar wie Mord. Die Tradition der Kirche hat ihn immer als schwerwiegend böse Entscheidung zurückge- 719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wiesen. <79> Obwohl bestimmte psychologische, kulturelle und soziale Gegebenheiten einen Menschen dazu bringen können, eine Tat zu begehen, die der natürlichen Neigung eines jeden zum Leben so radikal widerspricht, und dadurch die subjektive Verantwortlichkeit vermindert oder aufgehoben sein mag, ist der Selbstmord aus objektiver Sicht eine schwer unsittliche Tat, weil er verbunden ist mit der Absage an die Eigenliebe und mit der Ausschlagung der Verpflichtungen zu Gerechtigkeit und Liebe gegenüber dem Nächsten, gegenüber den verschiedenen Gemeinschaften, denen der Betreffende angehört, und gegenüber der Gesellschaft als ganzer. <80> In seinem tiefsten Kern stellt der Selbstmord eine Zurückweisung der absoluten Souveränität Gottes über Leben und Tod dar, wie sie im Gebet des alten Weisen Israels verkündet wird: „Du hast Gewalt über Leben und Tod; du führst zu den Toren der Unterwelt hinab und wieder herauf1 (Weish 16,13; vgl. Tob 13,2). Die Selbstmordabsicht eines anderen zu teilen und ihm bei der Ausführung durch die sog. „Beihilfe zum Selbstmord“ behilflich zu sein, heißt Mithelfer und manchmal höchstpersönlich Täter eines Unrechts zu werden, das niemals, auch nicht, wenn darum gebeten worden sein sollte, gerechtfertigt werden kann. „Es ist niemals erlaubt - schreibt mit überraschender Aktualität der hl. Augustinus -, einen anderen zu töten: auch wenn er es wollte, ja selbst, wenn er darum bitten würde, weil er, zwischen Leben und Tod schwebend, fleht, ihm zu helfen die Seele zu befreien, die gegen die Fesseln des Leibes kämpft und sich von ihnen zu lösen sucht; es ist nicht einmal dann erlaubt, wenn ein Kranker nicht mehr zu leben imstande wäre“. <81> Auch wenn sie nicht durch die egoistische Weigerung motiviert ist, sich mit der Existenz des leidenden Menschen zu belasten, muß die Euthanasie als falsches Mitleid, ja als eine bedenkliche „Perversion“ desselben bezeichnet werden: denn echtes „Mitleid“ solidarisiert sich mit dem Schmerz des anderen, tötet nicht den, dessen Leiden unerträglich ist. Die Tat der Euthanasie erscheint um so perverser, wenn sie von denen ausgeführt wird, die - wie die Angehörigen -ihrem Verwandten mit Geduld und Liebe beistehen sollten, oder von denen, die -wie die Ärzte - auf Grund ihres besonderen Berufes den Kranken auch im leidvollsten Zustand seines zu Ende gehenden Lebens behandeln müßten. Schwerwiegender wird die Entscheidung für die Euthanasie, wenn sie sich als Mord herausstellt, den die anderen an einem Menschen begehen, der sie keineswegs darum gebeten und niemals seine Zustimmung dazu gegeben hat. Der Höhepunkt der Willkür und des Unrechts wird dann erreicht, wenn sich einige Ärzte oder Gesetzgeber die Macht anmaßen darüber zu entscheiden, wer leben und wer sterben darf. Hier zeigt sich wieder die Versuchung von Eden: werden wie Gott und „Gut und Böse erkennen“ (vgl. Gen 3,5). Doch Gott allein hat die Macht, zu <79> Vgl. Hl. Augustinus, De Civitate Dei I, 20: CCL 47, 22; Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, II-TI, q. 6, a. 5. <80> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über die Euthanasie Iura et bona (5. Mai 1980), I: AAY72(1980)545; Katechismus der katholischen Kirche, Nm. 2281-2283. <81> Epistula 204, 5: CSEL 57, 320. 720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN töten und zum Leben zu erwecken: „Ich bin es, der tötet und der lebendig macht“ (Dtn 32,39; vgl. 2 Kön 5,7; 1 Sam 2,6). Er verwirklicht seine Macht immer nur nach einem Plan der Weisheit und Liebe. Wenn sich der Mensch im Bann einer Logik von Torheit und Egoismus diese Macht anmaßt, benützt er sie unweigerlich zu Unrecht und Tod. So wird das Leben des Schwächsten in die Hände des Stärksten gelegt; in der Gesellschaft geht der Sinn für Gerechtigkeit verloren und das gegenseitige Vertrauen, Grundlage jeder echten Beziehung zwischen den Menschen, wird an der Wurzel untergraben. 67. Ganz anders hingegen ist der Weg der Liebe und des echten Mitleids, den unser gemeinsames Menschsein vorschreibt und den der Glaube an Christus, den Erlöser, der gestorben und auferstanden ist, mit neuen Einsichten erhellt. Die Bitte, die bei der äußersten Konfrontation mit dem Leid und dem Tod besonders dann aus dem Herzen des Menschen kommt, wenn er versucht ist, sich in seine Verzweiflung zurückzuziehen und in ihr unterzugehen, ist vor allem Bitte um Begleitung, um Solidarität und um Beistand in der Prüfung. Sie ist flehentliche Bitte um Hilfe, um weiter hoffen zu können, wenn alle menschlichen Hoffnungen zerrinnen. Wie uns das II. Vatikanische Konzil zu bedenken gab, wird für den Menschen „angesichts des Todes das Rätsel des menschlichen Daseins am größten“; und trotzdem „urteilt er im Instinkt seines Herzens richtig, wenn er die völlige Zerstörung und den endgültigen Untergang seiner Person mit Entsetzen ablehnt. Der Keim der Ewigkeit im Menschen läßt sich nicht auf die bloße Materie zurückführen und wehrt sich gegen den Tod“. <82> <82> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 18. Erhellt und zum Abschluß gebracht werden diese natürliche Abneigung gegen den Tod und diese keimhafte Hoffnung auf Unsterblichkeit durch den christlichen Glauben, der die Teilhabe am Sieg des auferstandenen Christus verheißt und anbietet: es ist der Sieg dessen, der durch seinen Erlösungstod den Menschen vom Tod, dem „Lohn der Sünde“ (Röm 6,23), befreit und ihm den Geist, das Unterpfand für Auferstehung und Leben, geschenkt hat (vgl. Röm 8,11). Die Gewißheit über die zukünftige Unsterblichkeit und die Hoffnung auf die verheißene Auferstehung werfen ein neues Licht auf das Geheimnis des Leidens und Sterbens und erfüllen den Gläubigen mit einer außerordentlichen Kraft, sich dem Plan Gottes anzuvertrauen. Der Apostel Paulus hat dieses Neue in den Worten von einer völligen Zugehörigkeit zum Herrn, der den Menschen in jeder Lage umfängt, zum Ausdruck gebracht: „Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Röm 14,7-8). Sterben für den Herrn heißt den eigenen Tod als letzten Gehorsamsakt gegenüber dem Vater erleben (vgl. Phil 2,8), indem wir die Begegnung mit dem Tod in der von Ihm gewollten und beschlossenen „Stunde“ annehmen (vgl. Joh 13,1), der allein zu sagen vermag, 721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wann unser irdischer Weg zu Ende ist. Leben für den Herrn heißt auch anerkennen, daß das Leid, auch wenn es an sich ein Übel und eine Prüfung bleibt, immer zu einer Quelle des Guten werden kann. Das ist der Fall, wenn es aus Liebe und mit Liebe, aus freiwilliger Hingabe an Gott und aus freier persönlicher Entscheidung in der Teilhabe am Leiden des gekreuzigten Christus selber gelebt wird. Auf diese Weise wird der, der sein Leiden im Herrn lebt, Ihm vollkommener ähnlich (vgl. Phil 3,10; 1 Petr 2,21) und hat zutiefst teil an seinem Erlösungswerk für die Kirche und die Menschheit. <83> Das ist die Erfahrung des Apostels, die auch jeder leidende Mensch nachzuleben aufgerufen ist: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). <83> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Salviflci doloris (11. Februar 1984), Nm. 14-24: /l/l.1761! 984)214-234. „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29): staatliches Gesetz und Sittengesetz 68. Eines der Wesensmerkmale der - schon mehrmals erwähnten - derzeitigen Anschläge auf das menschliche Leben besteht in dem Bestreben, gesetzliche Legitimation für sie zu fordern, so als würde es sich um Rechte handeln, die der Staat, zumindest unter bestimmten Bedingungen, den Bürgern zuerkennen müsse, und demzufolge in dem Bestreben, die Umsetzung dieser Rechte mit dem sicheren und unentgeltlichen Beistand der Ärzte und des Pflegepersonals zu verlangen. Nicht selten wird behauptet, das Leben eines ungeborenen oder eines sich in völliger Schwäche befindlichen Menschen sei nur ein relatives Gut: entsprechend einer Logik der Verhältnismäßigkeit oder des kalten Kalküls sollte es mit anderen Gütern verglichen und abgewogen werden. Und es wird auch behauptet, daß nur jemand, der sich in der konkreten Situation befindet und persönlich involviert ist, eine gerechte Abwägung der Güter vornehmen könne, um die es geht: infolgedessen könnte nur er über die Sittlichkeit seiner Entscheidung bestimmen. Der Staat sollte daher im Interesse des zivilen Zusammenlebens und der sozialen Eintracht diese Entscheidung respektieren und endlich auch Abtreibung und Euthanasie zulassen. Bisweilen wird die Meinung vertreten, das staatliche Gesetz könne nicht verlangen, daß alle Bürger einem Sittlichkeitsgrad gemäß leben, der höher ist als jener, den sie selber anerkennen und teilen. Deshalb sollte das Gesetz immer Ausdruck der Meinung und des Willens der Mehrheit der Bürger sein und ihnen, wenigstens in bestimmten Extremfällen, auch das Recht auf Abtreibung und auf Euthanasie zuerkennen. Im übrigen würde das Verbot und die Bestrafung von Abtreibung und Euthanasie in diesen Fällen - so wird behauptet - unvermeidbar zu einer Zunahme illegaler Praktiken führen: diese wären allerdings nicht der notwendigen sozialen 722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kontrolle unterworfen und würden ohne die erforderliche ärztliche Sicherheit vorgenommen. Hier fragt man sich außerdem, ob das Festhalten an einem konkret nicht anwendbaren Gesetz nicht am Ende bedeute, daß auch die Glaubwürdigkeit jedes anderen Gesetzes untergraben werde. Die radikalsten Meinungsäußerungen gehen schließlich soweit zu behaupten, in einer modernen und pluralistischen Gesellschaft müßte jedem Menschen volle Autonomie zuerkannt werden, über das eigene Leben und das Leben des ungeborenen Kindes zu verfügen: die Wahl und Entscheidung zwischen den verschiedenen Moralauffassungen wäre in der Tat nicht Sache des Gesetzes, und noch weniger könnte es sich die Auferlegung einer einzelnen dieser Auffassungen zum Nachteil der anderen anmaßen. 69. Auf jeden Fall ist in der demokratischen Kultur unserer Zeit die Meinung weit verbreitet, wonach sich die Rechtsordnung einer Gesellschaft darauf beschränken sollte, die Überzeugungen der Mehrheit zu verzeichnen und anzunehmen, und daher nur auf dem aufbauen, was die Mehrheit selber als moralisch anerkennt und lebt. Wenn dann sogar die Meinung vertreten wird, eine allgemeine und objektive Wahrheit sei de facto unannehmbar, würde es die Achtung vor der Freiheit der Bürger - die in einem demokratischen System als die eigentlichen Souveräne gelten - erfordern, daß man auf Gesetzgebungsebene die Autonomie der einzelnen Gewissen anerkennt und daher bei der Festlegung jener Normen, die auf jeden Fall für das soziale Zusammenleben notwendig sind, ausschließlich dem Willen der Mehrheit, welcher Art immer sie sein mag, gerecht wird. Auf diese Weise müßte jeder Politiker in seinem Tun den Bereich des privaten Gewissens klar von dem des öffentlichen Verhaltens trennen. Es lassen sich infolgedessen zwei anscheinend diametral entgegengesetzte Tendenzen feststellen. Auf der einen Seite machen die einzelnen Individuen für sich die vollständigste sittliche Entscheidungsautonomie geltend und fordern, daß sich der Staat keine ethische Auffassung zu eigen macht und diese vorschreibt, sondern sich darauf beschränkt, der Freiheit jedes einzelnen weitestmöglichen Raum zu garantieren mit der einzigen äußeren Einschränkung, den Raum von Autonomie nicht zu verletzen, auf den auch jeder andere Bürger ein Recht hat. Auf der anderen Seite vertritt man die Meinung, daß bei der Ausübung der öffentlichen und beruflichen Aufgaben die Achtung vor der Entscheidungsfreiheit des anderen es einem jedem auferlege, von den eigenen Überzeugungen abzurücken, um sich in den Dienst jeder Forderung der Bürger zu stellen, die die Gesetze anerkennen und schützen, wobei als einziges sittliches Kriterium für die Ausübung der eigenen Funktionen akzeptiert wird, was eben von diesen Gesetzen festgelegt wurde. Auf diese Weise wird unter Verzicht auf das eigene sittliche Gewissen zumindest im Bereich des öffentlichen Wirkens die Verantwortlichkeit des Menschen dem staatlichen Gesetz überlassen. 723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 70. Gemeinsame Wurzel all dieser Tendenzen ist der ethische Relativismus, der für weite Teile der modernen Kultur bezeichnend ist. Manche behaupten, dieser Relativismus sei eine Voraussetzung für die Demokratie, weil nur er Toleranz, gegenseitige Achtung der Menschen untereinander und Bindung an die Entscheidungen der Mehrheit gewährleisten würde, während die als objektiv und bindend angesehenen sittlichen Normen zu Autoritarismus und Intoleranz führen würden. Doch gerade die Problematik der Achtung vor dem Leben zeigt, welche Mißverständnisse und Widersprüche, begleitet von entsetzlichen praktischen Folgen, sich hinter dieser Einstellung verbergen. Es stimmt, daß die Geschichte Fälle kennt, in denen im Namen der „Wahrheit“ Verbrechen begangen worden sind. Aber nicht minder schwere Verbrechen und radikale Leugnungen der Freiheit wurden und werden weiter auch im Namen des „ethischen Relativismus“ begangen. Faßt eine parlamentarische oder gesellschaftliche Mehrheit, wenn sie die Rechtmäßigkeit der unter bestimmten Bedingungen vorgenommenen Tötung des ungeborenen menschlichen Lebens beschließt, nicht vielleicht einen „tyrannischen“ Beschluß gegen das schwächste und wehrloseste menschliche Geschöpf? Das Weltgewissen reagiert mit Recht auf die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, mit denen unser Jahrhundert so traurige Erfahrungen gemacht hat. Würden diese Untaten vielleicht nicht mehr länger Verbrechen sein, wenn sie, statt von skrupellosen Tyrannen begangen worden zu sein, durch des Volkes Zustimmung für rechtmäßig erklärt worden wären? Tatsächlich darf die Demokratie nicht solange zum Mythos erhoben werden, bis sie zu einem Ersatzmittel für die Sittlichkeit oder einem Allheilmittel gegen die Unsittlichkeit gemacht wird. Sie ist ihrem Wesen nach eine „Ordnung“ und als solche ein Werkzeug und nicht ein Ziel. Ihr „sittlicher“ Charakter ist nicht automatisch gegeben, sondern hängt von der Übereinstimmung mit dem Sittengesetz ab, dem sie, wie jedes andere menschliche Verhalten, unterstehen muß: das heißt, er hängt von der Sittlichkeit der Ziele ab, die sie verfolgt, und der Mittel, deren sie sich bedient. Wenn heute ein beinahe weltweites Einvernehmen über den Wert der Demokratie festzustellen ist, wird das als ein positives „Zeichen der Zeit“ angesehen, wie auch das Lehramt der Kirche wiederholt hervorgehoben hat. <84> Aber der Wert der Demokratie steht und fällt mit den Werten, die sie verkörpert und fördert: grundlegend und unumgänglich sind sicherlich die Würde jeder menschlichen Person, die Achtung ihrer unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte sowie die Übernahme des „Gemeinwohls“ als Ziel und regelndes Kriterium für das politische Leben. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 46: ^4583(1991)850; Pius XII., Weihnachtsbotschaft im Rundfunk (24. Dezember 1944): A4537( 1945) 10-20. Grundlage dieser Werte können nicht vorläufige und wechselnde Mei-nungs„mehrheiten“ sein, sondern nur die Anerkennung eines objektiven Sittengesetzes, das als dem Menschen ins Herz geschriebene „Naturgesetz“ normgebender 724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bezugspunkt eben dieses staatlichen Gesetzes ist. Wenn infolge einer tragischen kollektiven Trübung des Gewissens der Skeptizismus schließlich sogar die Grundsätze des Sittengesetzes in Zweifel zöge, würde selbst die demokratische Ordnung in ihren Fundamenten erschüttert, da sie zu einem bloßen Mechanismus empirischer Regelung der verschiedenen und gegensätzlichen Interessen verkäme. <85> Mancher könnte sich vorstellen, daß in Ermangelung eines Besseren auch eine solche Funktion um des sozialen Friedens willen anerkannt werden müsse. Selbst wenn man in einer solchen Einschätzung einen gewissen Wahrheitsaspekt anerkennt, muß man doch sehen, daß ohne eine objektive sittliche Verankerung auch die Demokratie keinen stabilen Frieden sicherstellen kann, um so mehr als der Friede, der nicht an den Werten der Würde jedes Menschen und der Solidarität unter allen Menschen gemessen wird, nicht selten eine illusorische Angelegenheit ist. Denn in den die demokratische Beteiligung einschließenden Regierungssystemen selbst erfolgt die Regelung der Interessen häufig zum Vorteil der Stärkeren, vermögen sie doch am besten nicht nur die Hebel der Macht, sondern auch das Zustandekommen des Konsenses zu steuern. In einer solchen Situation wird Demokratie leicht zu einem leeren Wort. <85> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nrn. 97 u. 99: AAS85(1993)1209-1211. 71. Im Hinblick auf die Zukunft der Gesellschaft und die Entwicklung einer gesunden Demokratie ist es daher dringend notwendig, das Vorhandensein wesentlicher, angestammter menschlicher und sittlicher Werte wiederzuentdecken, die der Wahrheit des menschlichen Seins selbst entspringen und die Würde der Person zum Ausdruck bringen und schützen: Werte also, die kein Individuum, keine Mehrheit und kein Staat je werden hervorbringen, verändern oder zerstören können, sondern die sie nur anerkennen, achten und fördern werden müssen. In diesem Sinne muß man wieder die Grundzüge der Auffassung von den Beziehungen zwischen staatlichem Gesetz und Sittengesetz aufgreifen, die von der Kirche vorgelegt werden, die aber auch zum Erbe der großen Rechtstraditionen der Menschheit gehören. Sicherlich ist die Aufgabe des staatlichen Gesetzes im Vergleich zu der des Sittengesetzes anders und von begrenzterem Umfang. Jedoch „kann in keinem Lebensbereich das staatliche Gesetz das Gewissen ersetzen, noch kann es Normen über das vorschreiben, was über seine Zuständigkeit hinausgeht“, <86> die darin besteht, das Gemeinwohl der Menschen durch die Anerkennung und den Schutz ihrer Grundrechte, durch die Förderung des Friedens und der öffentlichen Sittlichkeit sicherzustellen. <87> Denn die Aufgabe des staatlichen Gesetzes besteht darin, ein geordnetes soziales Zusammenleben in wahrer Gerechtigkeit zu gewährleisten, damit wir alle „in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig <86> Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung Donum vitae (22. Februar 1987), III: A4580(1988)98. <87> Vgl. II. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 7. 725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN leben können“ (1 Tim 2,2). Eben deshalb muß das staatliche Gesetz für alle Mitglieder der Gesellschaft die Achtung einiger Grundrechte sicherstellen, die dem Menschen als Person eigen sind und die jedes positive Gesetz anerkennen und garantieren muß. Erstes und grundlegendes aller Rechte ist das unverletzliche Recht auf Leben eines jeden unschuldigen Menschen. Auch wenn die öffentliche Autorität bisweilen auf die Unterdrückung von etwas verzichten kann, was im Fall des Verbots einen schwereren Schaden anrichten würde, <88> kann sie doch niemals zulassen, die Verletzung, die anderen Menschen durch die Nicht-Anerkennung eines ihrer Grundrechte wie das auf Leben zugefügt wird, als Recht der einzelnen zu legitimieren - selbst wenn diese die Mehrheit der Mitglieder der Gesellschaft ausmachen würden. Die gesetzliche Tolerierung von Abtreibung oder Euthanasie kann sich gerade deshalb keinesfalls auf die Respektierung des Gewissens der anderen berufen, weil die Gesellschaft das Recht und die Pflicht hat, sich vor den Mißbräuchen zu schützen, die im Namen des Gewissens und unter dem Vorwand der Freiheit zustande kommen können. <89> <88> Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, I-II, q. 96, a. 2. <89> Vgl. n. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 7. Papst Johannes XXIII. hatte diesbezüglich in der Enzyklika Pacem in terris festgestellt: „Da man in unserer Zeit annimmt, das Gemeinwohl bestehe vor allem in der Wahrung der Rechte und Pflichten der menschlichen Person, muß die Aufgabe der Staatslenker vor allem darin bestehen, daß einerseits die Rechte anerkannt, geachtet, untereinander in Einklang gebracht, verteidigt und gefördert werden, und andererseits jeder seine Pflichten leichter erfüllen kann. Denn ,die den Menschen eigenen unverletzlichen Rechte zu schützen und dafür zu sorgen, daß jeder seine Aufgaben leichter erfülle, das ist die vomehmliche Pflicht jeder öffentlichen Gewalt“. Wenn deshalb Behörden die Rechte des Menschen entweder nicht anerkennen oder verletzen, so weichen sie nicht nur selbst von ihrer Pflicht ab, sondern es entbehrt auch das, was von ihnen befohlen wurde, jeder Verbindlichkeit“. <90> <90> Johannes XXm., Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963), 11: AAS55( 1963)273-274; das darin enthaltene Zitat ist entnommen aus: Pius XII., Radiobotschaft zu Pfingsten 1941 (1. Juni 1941): AAS33(1941)200. Zu diesem Argument nimmt die Enzyklika in der Fußnote Bezug auf: Pius XI., Enzyklika Mit brennender Sorge (14. März 1937): AA1S'29(1937)159; Enzyklika Divini Redemptoris (19. März 1937), Hl: AAS29(1937)79; Pius XII., Rimdfunkbotschaft zu Weihnachten (24. Dezember 1942): AAS35(1943)9-24. 72. In Kontinuität mit der gesamten Tradition der Kirche steht auch die Lehre über die notwendige Übereinstimmung des staatlichen Gesetzes mit dem Sittengesetz, wie sie gleichfalls aus der genannten Enzyklika Johannes1 XXIII. hervorgeht: „Die Befehlsgewalt wird von der sittlichen Ordnung erfordert und geht von Gott aus. Falls daher Staatslenker entgegen dieser Ordnung und insofern entgegen dem Willen Gottes Gesetze erlassen oder etwas gebieten, dann können weder die erlassenen Gesetze noch die gewährten Vollmachten das Gewissen der Bürger verpflichten ... Vielmehr bricht dann die Autorität selbst völlig zusammen, und es 726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN folgt scheußliches Unrecht“. <91> Das ist die klare Lehre des hl. Thomas von Aquin, der unter anderem schreibt: „Das menschliche Gesetz hat nur insoweit den Charakter eines Gesetzes, insoweit es der rechten Vernunft gemäß ist; und insofern ist es offensichtlich, daß es vom ewigen Gesetz her abgeleitet wird. Wenn es aber von der Vernunft ab weicht, wird es ungerechtes Gesetz genannt und hat nicht den Charakter eines Gesetzes, sondern vielmehr den einer Gewalttätigkeit“. <92> Und weiter: „Jedes von Menschen erlassene Gesetz hat insoweit den Charakter eines Gesetzes, insoweit es vom Naturgesetz abgeleitet wird. Wenn es aber in irgend etwas von dem Naturgesetz abweicht, dann wird es nicht mehr Gesetz, sondern die Zersetzung des Gesetzes sein“. <93> <91> Johannes XXffl., Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963), a.a.O., 271. <92> Summa Theologiae, I-II, q. 93, a. 3, ad 2. <93> Ebd., I-H, q. 95, a. 2. Der Aquinate zitiert den hl. Augustinus: „Non videtur esse lex, quae iusta non fuerit“ („Ein Gesetz, das nicht gerecht ist, wird nicht als Gesetz wahrgenommen werden“), De libero arbitrio, I, 5, 11: PL 32, 1227. Die erste und unmittelbarste Anwendung dieser Lehre betrifft das menschliche Gesetz, welches das jedem Menschen eigene fundamentale Grundrecht auf Leben nicht anerkennt. Auf diese Weise befinden sich die Gesetze, die in Form der Abtreibung und der Euthanasie die unmittelbare Tötung unschuldiger Menschen für rechtmäßig erklären, in totalem und unversöhnlichem Widerspruch zu dem allen Menschen eigenen unverletzlichen Recht auf Leben und leugnen somit die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Man könnte einwenden, daß das auf die Euthanasie dann nicht zutreffe, wenn der betreffende Mensch bei vollem Bewußtsein um sie gebeten hat. Aber ein Staat, der ein derartiges Ersuchen legitimieren und seine Durchführung gestatten würde, würde gegen die Grundprinzipien der Unverfügbarkeit des Lebens und des Schutzes jedes menschlichen Lebens einen Selbstmord- bzw. Mordfall legalisieren. Auf diese Weise wird dem Nachlassen der Achtung vor dem Leben Vorschub geleistet und Haltungen der Weg geebnet, die das Vertrauen in die sozialen Beziehungen zerstören. Die Gesetze, die Abtreibung und Euthanasie zulassen und begünstigen, stellen sich also nicht nur radikal gegen das Gut des einzelnen, sondern auch gegen das Gemeinwohl und sind daher ganz und gar ohne glaubwürdige Rechtsgültigkeit. Tatsächlich ist es die Nicht-Anerkennung des Rechtes auf Leben, die sich, gerade weil sie zur Tötung des Menschen führt - in dessen Dienst zu stehen die Gesellschaft ja den Grund ihres Bestehens hat -, am frontalsten und irreparabel der Möglichkeit einer Verwirklichung des Gemeinwohls entgegenstellt. Daraus folgt, daß ein staatliches Gesetz, wenn es Abtreibung und Euthanasie billigt, eben darum kein wahres, sittlich verpflichtendes staatliches Gesetz mehr ist. 73. Abtreibung und Euthanasie sind also Verbrechen, die für rechtmäßig zu erklären sich kein menschliches Gesetz anmaßen kann. Gesetze dieser Art rufen nicht nur keine Verpflichtung für das Gewissen hervor, sondern erheben vielmehr die 727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schwere und klare Verpflichtung, sich ihnen mit Hilfe des Einspruchs aus Gewissensgründen zu widersetzen. Seit den Anfangszeiten der Kirche hat die Verkündigung der Apostel den Christen die Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber den rechtmäßig eingesetzten staatlichen Autoritäten eingeschärft (vgl. Rom 13,1-7; 1 Petr 2,13-14), sie aber gleichzeitig entschlossen ermahnt, daß „man Gott mehr gehorchen muß als den Menschen“ (Apg 5,29). Schon im Alten Testament finden wir in bezug auf die Bedrohungen gegen das Leben ein gewichtiges Beispiel für den Widerstand gegen das ungerechte Gebot der staatlichen Autorität. Die hebräischen Hebammen widersetzten sich dem Pharao, der angeordnet hatte, jeden neugeborenen Knaben zu töten. Sie „taten nicht, was ihnen der König von Ägypten gesagt hatte, sondern ließen die Kinder am Leben“ {Ex 1,17). Wichtig ist aber, auf den tieferen Grund dieses ihres Verhaltens hinzuweisen: „Die Hebammen fürchteten Gott“ (ebd.). Aus dem Gehorsam gegenüber Gott - dem allein jene Furcht gebührt, die Anerkennung seiner absoluten Souveränität ist - erwachsen die Kraft und der Mut, den ungerechten Gesetzen der Menschen zu widerstehen. Die Kraft und der Mut dessen, der bereit ist, auch ins Gefängnis zu gehen oder durch das Schwert umzukommen in der Gewißheit, daß „sich hier die Standhaftigkeit und die Glaubenstreue der Heiligen bewähren“ muß (Ojfb 13,10). Es ist daher niemals erlaubt, sich einem in sich ungerechten Gesetz, wie jenem, das Abtreibung und Euthanasie zuläßt, anzupassen, „weder durch Beteiligung an einer Meinungskampagne für ein solches Gesetz noch dadurch, daß man bei der Abstimmung dafür stimmt“. <94> Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung (18. November 1974), Nr. 22: ^4566(1974)744. Ein besonderes Gewissensproblem könnte sich in den Fällen ergeben, in denen sich eine parlamentarische Abstimmung als entscheidend dafür herausstellen würde, in Alternative zu einem bereits geltenden oder zur Abstimmung gestellten ungleich freizügigeren Gesetz ein restriktiveres Gesetz zu begünstigen, das heißt ein Gesetz, das die Anzahl der erlaubten Abtreibungen begrenzt. Solche Fälle sind nicht selten. Man kann nämlich Folgendes feststellen: Während in manchen Teilen der Welt die nicht selten von mächtigen internationalen Organisationen unterstützten Kampagnen für die Einführung von Gesetzen zur Freigabe der Abtreibung weitergehen, werden dagegen in anderen Nationen - besonders in jenen, die bereits die bittere Erfahrung mit derartigen freizügigen Gesetzen hinter sich haben -Anzeichen eines Umdenkens sichtbar. In dem hypothetisch angenommenen Fall ist es einleuchtend, daß es einem Abgeordneten, dessen persönlicher absoluter Widerstand gegen die Abtreibung klargestellt und allen bekannt wäre, dann, wenn die Abwendung oder vollständige Aufhebung eines Abtreibungsgesetzes nicht möglich wäre, gestattet sein könnte, Gesetzesvorschläge zu unterstützen, die die Schadensbegrenzung eines solchen Gesetzes zum Ziel haben und die negativen Auswirkungen auf das Gebiet der Kultur und der öffentlichen Moral vermindern. 98 728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf diese Weise ist nämlich nicht eine unerlaubte Mitwirkung an einem ungerechten Gesetz gegeben; vielmehr wird ein legitimer und gebührender Versuch unternommen, die ungerechten Aspekte zu begrenzen. 74. Die Einführung ungerechter Gesetzgebungen stellt moralisch korrekte Menschen oft vor schwierige Gewissensprobleme, was die Mitwirkung im Verhältnis zur gebührenden Geltendmachung des eigenen Rechtes betrifft, nicht zur Teilnahme an sittlich schlechten Handlungen gezwungen zu sein. Manchmal sind die Entscheidungen, die nötig erscheinen, schmerzlich und können sogar das Opfer einer renommierten beruflichen Stellung oder den Verzicht auf berechtigte Aufstiegs- und Karriereaussichten erfordern. In anderen Fällen kann sich heraussteilen, daß die Durchführung von an sich indifferenten oder sogar positiven Handlungen, die in den Artikeln von insgesamt ungerechten Gesetzgebungen vorgesehen sind, den Schutz bedrohter Menschenleben erlaubt. Andererseits darf man jedoch mit Recht befürchten, daß die Bereitschaft zur Durchführung solcher Handlungen nicht nur zu einem Stein des Anstoßes wird und dem Nachlassen des notwendigen Widerstandes gegen Anschläge gegen das Leben Vorschub leistet, sondern unmerklich dazu verleitet, immer mehr einer permissiven Logik nachzugeben. Zur Erhellung dieses schwierigen sittlichen Problems muß an die allgemeinen Grundsätze über die Mitwirkung an schlechten Handlungen erinnert werden. Wie alle Menschen guten Willens sind die Christen aufgerufen, aus ernster Gewissenspflicht nicht an jenen Praktiken formell mitzuwirken, die, obgleich von der staatlichen Gesetzgebung zugelassen, im Gegensatz zum Gesetz Gottes stehen. Denn unter sittlichem Gesichtspunkt ist es niemals erlaubt, formell am Bösen mitzuwir-ken. Solcher Art ist die Mitwirkung dann, wenn die durchgeführte Handlung entweder auf Grund ihres Wesens oder wegen der Form, die sie in einem konkreten Rahmen annimmt, als direkte Beteiligung an einer gegen das unschuldige Menschenleben gerichteten Tat oder als Billigung der unmoralischen Absicht des Haupttäters bezeichnet werden muß. Diese Mitwirkung kann niemals gerechtfertigt werden, weder durch Berufung auf die Achtung der Freiheit des anderen, noch dadurch, daß man sich auf die Tatsache stützt, daß das staatliche Gesetz diese Mitwirkung vorsehe und fordere: denn für die Handlungen, die ein jeder persönlich vomimmt, gibt es eine sittliche Verantwortlichkeit, der sich niemand entziehen kann und nach der Gott selber einen jeden richten wird (vgl. Röm 2,6; 14,12). Die Beteiligung am Begehen eines Unrechts zu verweigern, ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch ein menschliches Grundrecht. Wenn es nicht so wäre, würde der Mensch gezwungen sein, eine mit seiner Würde an sich unvereinbare Handlung durchzuführen, und auf diese Weise würde seine Freiheit, deren glaubwürdiger Sinn und deren Ziel auf der Hinordnung zum Wahren und Guten beruhen, radikal gefährdet sein. Es handelt sich also um ein wesentliches Recht, das eben als solches vom staatlichen Gesetz selbst vorgesehen und geschützt werden müßte. In diesem Sinne müßte für die Ärzte, das Pflegepersonal und die ver- 729 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN antwortlichen Träger von Krankenhäusern, Kliniken und Pflegeheimen die Möglichkeit sichergestellt sein, die Beteiligung an der Phase der Beratung, Vorbereitung und Durchführung solcher Handlungen gegen das Leben zu verweigern. Wer zum Mittel des Einspruchs aus Gewissensgründen greift, muß nicht nur vor Strafmaßnahmen, sondern auch vor jeglichem Schaden auf gesetzlicher, disziplinarischer, wirtschaftlicher und beruflicher Ebene geschützt sein. „Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst“ (Lk 10,27): „fördere“ das Leben 75. Die Gebote Gottes lehren uns den Weg des Lebens. Die negativen sittlichen Vorschriften, also jene, die die Wahl einer bestimmten Handlung für sittlich unannehmbar erklären, haben einen absoluten Wert für die menschliche Freiheit: sie gelten ausnahmslos immer und überall. Sie weisen darauf hin, daß die Wahl bestimmter Verhaltensweisen mit der Liebe zu Gott und mit der Würde des nach seinem Bild geschaffenen Menschen radikal unvereinbar ist: eine solche Wahl kann daher keinesfalls durch die dahinterstehende gute Absicht und die sich ergebenden guten Folgen aufgewogen werden; sie steht in unversöhnlichem Gegensatz zu der Gemeinschaft zwischen den Menschen, sie widerspricht der Grundentscheidung, sein Leben auf Gott hinzuordnen. <95> <95> Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nm. 1753-1755; Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nm. 81-82: AAS85(1993)1198-1199. In Johannis Evangelium Tractatus, 41, 10: CCL 36, 363. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. 13: AAS85(1993)1144. Schon in diesem Sinne haben die negativen sittlichen Vorschriften eine äußerst wichtige positive Funktion: das „Nein“, das sie bedingungslos fordern, nennt die unüberschreitbare Grenze, unter die der freie Mensch nicht gehen darf, und zugleich gibt es das Minimum an, das er respektieren und von dem er ausgehen muß, um unzählige , Ja“ auszusprechen, die in der Lage sind, immer mehr den Gesamthorizont des Guten zu erfassen (vgl. Mt 5,48). Die Gebote, insbesondere die negativen sittlichen Vorschriften, sind der Anfang und die erste notwendige Etappe des Weges zur Freiheit: „Die erste Freiheit - schreibt der hl. Augustinus - besteht im Freisein von Verbrechen ..., als da sind Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Betrug, Gotteslästerung usw. Wenn einer mit diesen Vergehen nichts zu tun hat (und kein Christ darf mit ihnen zu tun haben), beginnt er sein Haupt zur Freiheit zu erheben, aber das ist erst der Anfang der Freiheit, nicht die vollkommene Freiheit“.™ 76. Das Gebot „du sollst nicht töten“ bestimmt also den Ausgangspunkt für einen Weg in wahrer Freiheit, der uns dahin führt, das Leben aktiv zu fördern und bestimmte Haltungen und Verhaltensweisen im Dienst am Leben zu entwickeln: dadurch erfüllen wir unsere Verantwortlichkeit gegenüber den Menschen, die sich 730 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns anvertraut haben, und bringen in den Taten und in der Wahrheit Gott unsere Dankbarkeit für das große Geschenk des Lebens zum Ausdruck (vgl. Ps 139[138], 13-14). Der Schöpfer hat das Leben des Menschen seiner verantwortlichen Fürsorge anvertraut, nicht damit er willkürlich darüber verfüge, sondern damit er es mit Weisheit bewahre und in liebevoller Treue verwalte. Der Gott des Bundes hat entsprechend dem Gesetz der Gegenseitigkeit von Geben und Empfangen, von Selbsthingabe und Annahme des anderen das Leben eines jeden Menschen dem anderen Menschen, seinem Bruder, anvertraut. Als die Zeit erfüllt war, hat der Sohn Gottes dadurch, daß er Mensch wurde und sein Leben für den Menschen hingab, gezeigt, welche Höhe und Tiefe dieses Gesetz der Gegenseitigkeit erreichen kann. Durch das Geschenk seines Geistes verleiht Christus dem Gesetz der Gegenseitigkeit, dem Anvertrauen des Menschen an den Menschen neue Inhalte und Bedeutungen. Der Geist, der Baumeister von Gemeinschaft in Liebe ist, stellt zwischen den Menschen eine neue Brüderlichkeit und Solidarität her, einen echten Abglanz des der heiligsten Dreifaltigkeit eigenen Geheimnisses von gegenseitiger Hingabe und Annahme. Der Geist selbst wird zum neuen Gesetz, das den Gläubigen die Kraft gibt und ihre Verantwortlichkeit dazu anspomt, durch Teilhabe an der Liebe Jesu Christi selbst und nach ihrer Maßgabe gegenseitig die Selbsthingabe und die Annahme des anderen zu leben. 77. Von diesem neuen Gesetz wird auch das Gebot „du sollst nicht töten“ beseelt und geformt. Für den Christen schließt es letzten Endes das Pflichtgebot ein, den Ansprüchen und Dimensionen der Liebe Gottes in Jesus Christus gemäß das Leben jedes Bruders zu achten, zu heben und zu fördern: „Er hat sein Leben für uns hingegeben. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben“ (i Joh 3,16). Das Gebot „du sollst nicht töten“ verpflichtet jeden Menschen auch in seinen positivsten Inhalten, nämlich Achtung, Liebe und Förderung des menschlichen Lebens. Es läßt sich in der Tat als ein ununterdrückbares Echo des ursprünglichen Bundes Gottes, des Schöpfers, mit dem Menschen im sittlichen Bewußtsein eines jeden Menschen vernehmen; es kann von allen im Licht der Vernunft erkannt und dank des geheimnisvollen Wirkens des Geistes wahrgenommen werden, der, da er weht, wo er will (vgl. Joh 3,8), jeden in dieser Welt lebenden Menschen erreicht und miteinbezieht. Es ist also ein Liebesdienst, den wir verpflichtet sind unserem Nächsten zu leisten, damit seinem Leben immer, vor allem aber, wenn es am schwächsten oder bedroht ist, Schutz und Förderung zuteil werde. Es ist nicht nur persönliche, sondern soziale Fürsorge, die wir alle dadurch ausüben müssen, daß wir die bedingungslose Achtung vor dem menschlichen Leben zum tragenden Fundament einer erneuerten Gesellschaft machen. Es wird von uns verlangt, das Leben jedes Mannes und jeder Frau zu Heben und zu ehren und mit Standhaftigkeit und Mut daran zu arbeiten, daß in unserer Zeit, 731 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die allzu viele Zeichen des Todes aufweist, endlich eine neue Kultur des Lebens als Frucht der Kultur der Wahrheit und der Liebe entstehen möge. IV. Kapitel Das habt ihr mir getan Für eine neue Kultur des menschlichen Lebens „Ihr aber seid ein Volk, das Gottes besonderes Eigentum wurde, damit es seine großen Taten verkünde“ (1 Petr 2,9): das Volk des Lebens und für das Leben 78. Die Kirche hat das Evangelium als Ankündigung und Quelle von Freude und Heil empfangen. Sie hat es als Geschenk von Jesus empfangen, der vom Vater gesandt wurde, „damit Er den Armen eine gute Nachricht bringe“ (LA: 4,18). Sie hat es durch die Apostel empfangen, die von Ihm in die ganze Welt ausgesandt wurden (vgl. Mk 16,15; Mt 28,19-20). Die aus diesem Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums entstandene Kirche vernimmt in sich selbst jeden Tag das mahnende Wort des Apostels: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“ (i Kor 9,16). „Evangelisieren ist - schrieb Paul VI. - in der Tat die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität. Sie ist da, um zu evangelisieren“. <96> <96> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 14: A4S68(1976)13. Evangelisierung ist eine globale und dynamische Aktion, die die Kirche in ihrer Teilhabe an der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung des Herrn Jesus einbezieht. Sie ist daher untrennbar mit den Dimensionen der Verkündigung, der Feier und des Dienstes der Nächstenliebe verbunden. Sie ist ein zutiefst kirchliches Tun, das alle heranzieht, die auf verschiedenste Weise für das Evangelium tätig sind, einen jeden nach seinen Gaben und seinem Amt. Das gilt auch für die Verkündigung des Evangeliums vom Leben, eines wesentlichen Bestandteils des Evangeliums, das Jesus Christus ist. Wir stehen im Dienst dieses Evangeliums, getragen von dem Bewußtsein, daß wir es als Geschenk empfangen haben und ausgesandt sind, es der ganzen Menschheit „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) zu verkünden. Darum hegen wir das demütige und dankbare Bewußtsein, das Volk des Lebens und für das Leben zu sein, und treten so vor allen auf. 79. Wir sind das Volk des Lebens, weil Gott uns in seiner unentgeltlichen Liebe das Evangelium vom Leben geschenkt hat und wir von diesem Evangelium verwandelt und gerettet worden sind. Wir sind vom „Urheber des Lebens“ (Apg 3,15) um den Preis seines kostbaren Blutes erkauft (vgl. 1 Kor 6,20; 7,23; 1 Petr 1,19) und durch die Taufe in Ihn eingegliedert worden (vgl. Röm 6,4-5; Kol 2,12) wie 732 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zweige, die aus dem einen Stamm Lebenssaft und Fruchtbarkeit ziehen (vgl. Joh 15,5). Innerlich erneuert durch die Gnade des Geistes, der „Herr ist und lebendig macht“, sind wir zu einem Volk für das Leben geworden und sind aufgerufen, uns auch so zu verhalten. Wir sind gesandt: im Dienst des Lebens zu stehen, ist für uns nicht Prahlerei, sondern eine Verpflichtung, die aus dem Bewußtsein entsteht, „ein Volk“ zu sein, „das Gottes besonderes Eigentum wurde, damit es seine großen Taten verkünde“ (1 Petr 2,9). Auf unserem Weg führt und trägt uns das Gesetz der Liebe: es ist die Liebe, deren Quelle und Vorbild der menschgewordene Gottessohn ist, der „durch seinen Tod der Welt das Leben geschenkt hat“. <97> <97> \/g| Römisches Meßbuch, Gebet des Priesters vor der Kommunion. Wir sind als Volk gesandt. Die Verpflichtung zum Dienst am Leben lastet auf allen und auf jedem einzelnen. Es handelt sich um eine „kirchliche“ Verantwortlichkeit im eigentlichen Sinn, die das aufeinander abgestimmte hochherzige Handeln aller Mitglieder und aller Gruppierungen der christlichen Gemeinde erfordert. Die gemeinschaftliche Aufgabe hebt jedoch die Verantwortung des einzelnen Menschen, an den das Gebot des Herrn, für jeden Menschen „zum Nächsten zu werden“, gerichtet ist: „Dann geh und handle genauso!“ (Lfc 10,37), weder auf noch verringert sie diese. Wir spüren alle miteinander die Verpflichtung, das Evangelium vom Leben zu verkünden, es in der Liturgie und in unserem gesamten Dasein zu feiern, ihm mit verschiedenen Initiativen und Strukturen zu dienen, die seine Unterstützung und Förderung zum Ziele haben. „ Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch “ (i Joh 1,3): das Evangelium vom Leben verkünden 80. „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben,... das Wort des Lebens ..., das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt“ (1 Joh 1,1.3). Jesus ist das einzige Evangelium: wir haben nichts anderes zu sagen und zu bezeugen. Die Verkündigung Jesu ist die Verkündigung des Lebens. Denn Er ist „das Wort des Lebens“ (7 Joh 1,1). In Ihm „wurde das Leben offenbart“ (7 Joh 1,2); ja, Er ist selber „das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde“ (ebd.). Dank der Gabe des Geistes wurde dieses Leben dem Menschen mitgeteilt. Wenn es auf das Leben in Fülle, auf das „ewige Leben“, hingeordnet ist, gewinnt auch das „irdische Leben“ seinen vollen Sinn. Wenn wir von diesem Evangelium vom Leben erleuchtet werden, empfinden wir das Bedürfnis, es in dem überraschend Neuen, das es kennzeichnet, zu verkünden 733 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und zu bezeugen: da es sich mit Jesus selbst, dem Überbringer alles Neuen <98> und Sieger über das , Alter“, das aus der Sünde stammt und zum Tod führt, <99> gleichsetzt, übersteigt dieses Evangelium jede menschliche Erwartung und macht offenbar, zu welchen erhabenen Höhen sich die Würde der Person durch die Gnade zu erheben vermag. Der hl. Gregor von Nyssa stellt folgende Betrachtung darüber an: „Der Mensch, der unter den Lebewesen nichts zählt, der Staub, Gras, Vergänglichkeit ist, wird, sobald vom Gott des Universums an Kindes Statt angenommen, zum Vertrauten dieses Gottes, dessen Vollkommenheit und Größe niemand sehen, hören und begreifen kann. Mit welchem Wort, Gedanken oder Aufschwung des Geistes wird man je vermögen, den Überfluß dieser Gnade zu preisen? Der Mensch übersteigt seine Natur: vom Sterblichen wird er zum Unsterblichen, vom Vergänglichen zum Unvergänglichen, vom Vorübergehenden zum Ewigen, er wird vom Menschen zu Gott“. <100> <98> Vgl. Hl. Irenaus: „Omnem novitatem attulit, semetipsum afferens, qui fuerat annuntiatus“: Gegen die Häresien IV, 34, 1: SCh 100/2, 846-847. <99> Vgl. Hl. Thomas von Aquin: „Peccator inveterascit, recedens a novitate Christi“: In Psalmos Davidis lectura, 6,5. <100> De beatitudinibus, Oratio VH: PG 44, 1280. Die Dankbarkeit und Freude angesichts der unermeßlichen Würde des Menschen spornt uns an, alle an dieser Botschaft teilhaben zu lassen: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt“ (1 Joh 1,3). Man muß das Evangelium vom Leben zum Herzen jedes Mannes und jeder Frau gelangen lassen und es in die verborgensten Winkel der ganzen Gesellschaft einführen. 81. Es geht darum, zunächst die Mitte dieses Evangeliums zu verkünden. Das bedeutet Verkündigung eines lebendigen und nahen Gottes, der uns in eine tiefe Verbindung mit sich ruft und uns öffnet für die sichere Hoffnung auf das ewige Leben; es bedeutet Geltendmachung des untrennbaren Zusammenhangs, der zwischen der menschlichen Person, ihrem Leben und ihrer Leiblichkeit besteht; es bedeutet Darstellung des menschlichen Lebens als Leben der Beziehung, als Gottesgeschenk, als Frucht und Zeichen seiner Liebe; es bedeutet Verkündigung der außergewöhnlichen Beziehung Jesu zu jedem Menschen, der es ermöglicht, in jedem menschlichen Antlitz das Antlitz Christi zu erkennen; es bedeutet Aufzeigen der „aufrichtigen Selbsthingabe“ als Aufgabe und Ort voller Verwirklichung der eigenen Freiheit. Gleichzeitig gilt es sämtliche Konsequenzen aufzuzeigen, die sich aus diesem Evangelium ergeben und die man wie folgt zusammenfassen kann: das menschliche Leben, ein wertvolles Geschenk Gottes, ist heilig und unantastbar und daher sind insbesondere die vorsätzliche Abtreibung und die Euthanasie absolut unannehmbar; das Leben des Menschen darf nicht nur nicht ausgelöscht, sondern es muß mit aller liebevollen Aufmerksamkeit geschützt werden; das Leben findet 734 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seinen Sinn in der empfangenen und geschenkten Liebe, in deren Blickfeld Sexualität und menschliche Fortpflanzung volle Wahrheit erlangen; in dieser Liebe haben auch das Leiden und der Tod einen Sinn und können, wenngleich das Geheimnis, das sie umfängt, weiterbesteht, zu Heilsereignissen werden; die Achtung vor dem Leben erfordert, daß Wissenschaft und Technik stets auf den Menschen und seine ganzheitliche Entwicklung hingeordnet werden; die ganze Gesellschaft muß die Würde jeder menschlichen Person in jedem Augenblick und in jeder Lage ihres Lebens achten, verteidigen und fördern. 82. Um wahrhaftig ein Volk im Dienst am Leben zu sein, müssen wir von der ersten Verkündigung des Evangeliums an und später in der Katechese und in den verschiedenen Verkündigungsformen, im persönlichen Gespräch und in jeder erzieherischen Tätigkeit mit Standhaftigkeit und Mut diese Inhalte vorlegen. Den Erziehern, Lehrern, Katecheten und Theologen obliegt die Aufgabe, die anthropologischen Gründe hervorzuheben, auf die sich die Achtung vor jedem Menschenleben gründet und stützt. Während wir das eigenartig Neue des Evangeliums vom Leben zum Strahlen bringen, werden wir auf diese Weise allen helfen können, auch im Licht der Vernunft und der Erfahrung zu entdecken, daß die christliche Botschaft den Menschen und die Bedeutung seines Seins und seiner Existenz voll erhellt; wir werden wertvolle Punkte für Begegnung und Dialog auch mit den Nichtglaubenden finden, sind wir doch alle miteinander verpflichtet, eine neue Kultur des Lebens erstehen zu lassen. Während wir von den widersprüchlichsten Stimmen umgeben sind und viele die gesunde Lehre über das Leben des Menschen verwerfen, spüren wir, daß die inständige Bitte des Paulus an Timotheus auch an uns gerichtet ist: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 4,2). Diese Ermahnung muß besonders im Herzen derer kräftigen Widerhall finden, die in der Kirche auf verschiedene Weise an ihrer Sendung als „Lehrerin“ der Wahrheit am unmittelbarsten teilhaben. Sie soll vor allem bei uns Bischöfen Widerhall finden: wir sind als erste dazu angehalten, unermüdliche Verkünder des Evangeliums vom Leben zu sein; uns ist auch die Aufgabe anvertraut, über die zuverlässige und getreue Weitergabe der in dieser Enzyklika neu vorgelegten Lehre zu wachen und die geeignetsten Maßnahmen zu ergreifen, damit die Gläubigen vor jeder Lehre, die ihr widerspricht, geschützt werden. Besondere Aufmerksamkeit müssen wir darauf legen, daß an den theologischen Fakultäten, in den Priesterseminaren und in den verschiedenen katholischen Institutionen die Kenntnis der gesunden Lehre verbreitet, erklärt und vertieft wird. <101> Die Ermahnung des Paulus möge von allen Theologen, von den Seelsorgern und von allen anderen vernommen werden, die Aufgaben der Lehre, Katechese und Gewissensbildung wahmehmen: mögen sie im Bewußtsein der ihnen zukommenden Rolle niemals die schwerwiegende Ver- <101> Vgl. Johannes Paul U., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. 116: A4S85(1993)1224. 735 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN antwortung auf sich nehmen, die Wahrheit und ihren eigenen Auftrag dadurch zu verraten, daß sie persönliche Ideen vortragen, die im Gegensatz zum Evangelium vom Leben stehen, wie es das Lehramt getreu vor- und auslegt. Bei der Verkündigung dieses Evangeliums dürfen wir nicht Feindseligkeit und Unpopularität fürchten, wenn wir jeden Kompromiß und jede Zweideutigkeit ablehnen, die uns der Denkweise dieser Welt angleichen würde (vgl. Röm 12,2). Wir sollen in der Welt, aber nicht von der Welt sein (vgl. Joh 15,19; 17,16) mit der Kraft, die uns von Christus kommt, der durch seinen Tod und seine Auferstehung die Welt besiegt hat (vgl. Joh 16,33). „Ich danke dir, daß du mich so wunderbar gestaltet hast“ (Ps 139[138],14): das Evangelium vom Leben feiern 83. Da wir als „Volk für das Leben“ in die Welt gesandt sind, soll unsere Verkündigung auch zu einer echten Feier des Evangeliums vom Leben werden. Ja, durch die beschwörende Kraft ihrer Gesten, Symbole und Riten wird diese Feier zum wertvollen und bedeutsamen Ort für die Weitergabe der Schönheit und Größe dieses Evangeliums. Dazu ist es vor allem dringend notwendig, in uns und in den anderen eine kontemplative Sicht zu pflegen. Diese entsteht aus dem Glauben an den Gott des Lebens, der jeden Menschen geschaffen und wunderbar gestaltet hat (vgl. Ps 139[138],14). Es ist die Sicht dessen, der das Leben dadurch in seiner Tiefe sieht, daß er dessen Dimensionen der Unentgeltlichkeit, der Schönheit, der Herausforderung zu Freiheit und Verantwortlichkeit erfaßt. Es ist die Sicht dessen, der sich nicht anmaßt, der Wirklichkeit habhaft zu werden, sondern sie als ein Geschenk annimmt und dabei in jedem Ding den Widerschein des Schöpfers und in jedem Menschen sein lebendiges Abbild entdeckt (vgl. Gen 1,27; Ps 8,6). Diese Sicht kapituliert nicht mutlos angesichts derer, die sich in Krankheit, in Leid, am Rande der Gesellschaft und an der Schwelle des Todes befinden; sondern sie läßt sich von allen diesen Situationen befragen, um nach einem Sinn zu suchen, und beginnt gerade unter diesen Gegebenheiten, auf dem Antlitz jedes Menschen einen Aufruf zu Gegenüberstellung, zu Dialog, zu Solidarität zu entdecken. Es ist an der Zeit, daß alle diese Sicht übernehmen und so wieder fähig werden, mit dem von ehrfürchtigem Staunen erfüllten Herzen jeden Menschen zu ehren und zu achten, wie uns Paul VI. in einer seiner ersten Weihnachtsbotschaften einlud zu tun. <102> <103> Beseelt von dieser kontemplativen Sicht, kann das neue Volk der Erlösten gar nicht anders als in Freudes-, Lobes- und Dankeshymnen auszubrechen über das unschätzbare Geschenk des Lebens, über das Geheimnis der Beru- <102> Ygj Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 37: .A/lS'83f! 99! )840. <103> ygj \Veihnar:htsbotschafl von 1967: /i/LS60( 196S)40. 736 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fung jedes Menschen, in Christus am Gnadenleben und an einer Existenz unendlicher Gemeinschaft mit Gott, dem Schöpfer und Vater, teilzuhaben. 84. Das Evangelium vom Leben feiern heißt, den Gott des Lebens, den Gott, der das Leben schenkt, feiern: „Wir müssen das ewige Leben feiern, von dem jedes andere Leben herrührt. Von ihm empfängt jedes Wesen, das in irgendeiner Weise am Leben teilhat, proportional zu seinen Lähigkeiten das Leben. Dieses göttliche Leben, das über jedem Leben steht, belebt und bewahrt das Leben. Jedes Leben und jede Lebensregung haben ihren Ursprung in diesem Leben, das jedes Leben und jeden Lebensursprung übersteigt. Ihm verdanken die Seelen ihre Unvergänglichkeit, sowie dank ihm alle Tiere und Pflanzen leben, die das schwächste Echo des Lebens empfangen. Den Menschen, Wesen, die aus Geist und Materie bestehen, schenkt das (göttliche) Leben das Leben. Wenn es dann geschieht, daß wir es verlassen müssen, dann verwandelt uns das Leben wegen seiner überströmenden Liebe zum Menschen und ruft uns zu sich. Nicht nur das: es verheißt uns, uns, Seelen und Körper, in das vollkommene Leben, in die Unsterblichkeit zu geleiten. Es ist zu wenig, wenn man sagt, dieses Leben ist lebendig: es ist Lebensursprung, einzige Lebensursache und Lebensquelle. Jedes Lebewesen muß es betrachten und preisen: es ist Leben, das in Leben überströmt.“ <104> <104> Pseudo-Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes, 6, 1-3: PG 3, 856-857. Wie der Psalmist, so loben und preisen auch wir im persönlichen und gemeinschaftlichen täglichen Gebet Gott, unseren Vater, der uns im Mutterschoß gewoben und uns gesehen und geliebt hat, als wir noch ohne Gestalt waren (vgl. Ps 139[138], 13.15-16), und mit unbezähmbarer Lreude rufen wir aus: „Ich danke dir, daß du mich so wunderbar gestaltet hast. Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke“ (Ps 139[138],14). Ja, „dieses sterbliche Leben ist trotz seiner Mühen, seiner dunklen Geheimnisse, seiner Leiden, seiner unabwendbaren Hinfälligkeit eine sehr schöne Sache, ein immer originelles und ergreifendes Wunder, ein Ereignis, würdig mit Lreude und Lobpreis besungen zu werden“. <105> Mehr noch, der Mensch und sein Leben erscheinen uns nicht nur als eines der größten Wunderwerke der Schöpfung: Gott hat dem Menschen eine beinahe göttliche Würde verliehen (vgl. Ps 8,6-7). In jedem Kind, das geboren wird, und in jedem Menschen, der lebt oder der stirbt, erkennen wir das Abbild der Herrlichkeit Gottes: diese Herrlichkeit feiern wir in jedem Menschen, der Zeichen des lebendigen Gottes, Ikone Jesu Christi ist. <105> Paul VI., Pensiero alla morte (Gedanke an den Tod), Istituto Paolo VI, Brescia 1988, S. 24. Wir sind aufgerufen, Staunen und Dankbarkeit über das als Geschenk empfangene Leben zum Ausdruck zu bringen und das Evangelium vom Leben nicht nur im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet, sondern vor allem in den Feiern des liturgischen Jahres anzunehmen, zu genießen und mitzuteilen. Hier muß im besonderen an die Sakramente als wirksame Zeichen für die Gegenwart und das Heilswirken des Herrn Jesus in der christlichen Existenz erinnert werden: sie machen 737 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Menschen dadurch zu Teilhabern am göttlichen Leben, daß sie ihnen die nötige geistliche Kraft sicherstellen, um in ihrer vollen Wahrheit die Bedeutung des Lebens, des Leidens und des Sterbens zu realisieren. Dank einer echten Wiederentdeckung des Sinnes der Riten und dank ihrer angemessenen Bewertung werden die liturgischen Feiern, vor allem jene sakramentalen Charakters, immer mehr in der Lage sein, die volle Wahrheit über die Geburt, das Leben, das Leiden und den Tod auszudrücken und so dazu verhelfen, diese Wirklichkeit als Teilhabe am Ostermysterium des gestorbenen und auferstandenen Christus zu erleben. 85. Bei der Feier des Evangeliums vom Leben muß man auch die Gesten und die Symbole zu würdigen und zu schätzen wissen, an denen die verschiedenen kulturellen und volkstümlichen Traditionen und Bräuche so reich sind. Es handelt sich um Gelegenheiten und Formen der Begegnung, mit denen in den verschiedenen Ländern und Kulturen die Freude über ein neugeborenes Leben, die Achtung und die Verteidigung jedes menschlichen Lebens, die Sorge für den Kranken oder Notleidenden, die Nähe zum Alten oder Sterbenden, die Teilnahme am Schmerz des Trauernden, die Hoffnung und die Sehnsucht nach Unsterblichkeit zum Ausdruck gebracht werden. Aus dieser Sicht greife ich auch die von den Kardinälen im Konsistorium von 1991 gebotene Anregung auf und schlage vor, man möge in den verschiedenen Nationen jedes Jahr einen Tag für das Leben feiern, wie er bereits auf Initiative einiger Bischofskonferenzen begangen wird. Dieser Tag muß unter der aktiven Beteiligung aller Mitglieder der Ortskirche vorbereitet und gefeiert werden. Sein wesentliches Ziel ist es, in den Gewissen, in den Familien, in der Kirche und in der zivilen Gesellschaft das Erkennen des Sinnes und Wertes zu wecken, den das menschliche Leben zu jedem Zeitpunkt und unter jeder Bedingung hat; in das Zentrum der Aufmerksamkeit soll dabei besonders das schwerwiegende Problem von Abtreibung und Euthanasie gerückt werden, ohne jedoch die anderen Augenblicke und Aspekte des Lebens zu übergehen, die je nachdem, was die geschichtliche Entwicklung nahelegt, jeweils aufmerksame Beachtung verdienen. 86. In der Logik des gottgefälligen geistlichen Kultes (vgl. Rom 12,1) soll sich die Feier des Evangeliums vom Leben vor allem in dem in Liebe zu den anderen und in Selbsthingabe gelebten Alltagsdasein vollziehen. Auf diese Weise wird unsere ganze Existenz zur glaubwürdigen und verantwortungsbewußten Aufnahme des Geschenkes des Lebens und zu einem aufrichtigen, dankbaren Lobpreis an Gott, der uns dieses Geschenk gemacht hat. Das geschieht bereits in vielen, vielen Akten eines oft schlichten und verborgenen Sichverschenkens, die von Männern und Frauen, Kindern und Erwachsenen, Jungen und Alten, Gesunden und Kranken vollbracht werden. In diesem an Menschlichkeit und Liebe reichen Rahmen entstehen auch die heroischen Taten. Sie sind die. feierlichste Verherrlichung des Evangeliums vom Leben, weil sie es mit totaler Selbsthingabe verkünden; sie sind die leuchtende Offenba- 738 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rung des höchsten Grades von Liebe, der darin besteht, daß einer sein Leben für den geliebten Menschen hingibt (vgl. Joh 15,13); sie sind die Teilhabe am Geheimnis des Kreuzes, an dem Jesus offenbar macht, welchen Wert für Ihn das Leben jedes Menschen hat und wie es sich in der aufrichtigen Selbsthingabe voll verwirklicht. Jenseits aufsehenerregender Taten gibt es den Heroismus im Alltag, der aus kleinen und großen Gesten des Teilens besteht, die eine echte Kultur des Lebens fördern. Unter diesen Gesten verdient die in ethisch annehmbaren Formen durchgeführte Organspende besondere Wertschätzung, um Kranken, die bisweilen jeder Hoffnung beraubt sind, die Möglichkeit der Gesundheit oder sogar des Lebens anzubieten. Zu diesem Heroismus im Alltag gehört das stille, aber um so fruchtbarere und beredtere Zeugnis „aller mutigen Mütter, die sich vorbehaltlos ihrer Familie widmen, die unter Schmerzen ihre Kinder zur Welt bringen und dann bereit sind, jede Mühe und jedes Opfer auf sich zu nehmen, um ihnen das Beste weiterzugeben, was sie in sich tragen“. <106> Wenn sie ihre Sendung leben, „finden diese heroischen Mütter dabei in ihrer Umgebung nicht immer Unterstützung. Ja, die Vorbilder der Zivilisation, wie sie häufig von den Massenmedien vorgestellt und verbreitet werden, begünstigen nicht die Mutterschaft. Im Namen des Fortschritts und der Moderne werden die Werte der Treue, der Keuschheit und des Opfers heute als überholt hingestellt, und doch haben sich in diesen Werten ganze Scharen von christlichen Gattinnen und Müttern ausgezeichnet und tun es weiter ... Wir danken euch, heroische Mütter, für eure unbesiegbare Liebe! Wir danken euch für euer unerschrockenes Vertrauen auf Gott und seine Liebe. Wir danken euch für das Opfer eures Lebens ... Im Ostergeheimnis erstattet euch Christus das Geschenk zurück, das ihr Ihm gemacht habt. Denn Er hat die Macht, euch das Leben zurückzugeben, das ihr Ihm als Opfer dargebracht habt“. <107> <106> Johannes Paul IL, Predigt bei der Seligsprechung von Isidor Bakanja, Elisabeth Canori Mora und Gianna Beretta Molla (24. April 1994): L'Osservatore Romano, 25.-26. April 1994, S. 5. <107> Ebd. „Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke?“ (Jak 2,14): dem Evangelium vom Leben dienen 87. Kraft der Teilhabe an der königlichen Sendung Christi müssen sich die Unterstützung und Förderung des menschlichen Lebens durch den Dienst der Nächstenliebe verwirklichen, der im persönlichen Zeugnis, in den verschiedenen Formen des freiwilligen Einsatzes, im sozialen Handeln und im politischen Engagement zum Ausdruck kommt. Das ist zur Stunde eine besonders dringende Forderung, da sich die „Kultur des Todes“ so mächtig der „Kultur des Lebens“ widersetzt und bisweilen die Oberhand zu gewinnen scheint. Davor hegt jedoch noch eine Forderung, die aus dem Glauben entsteht, „der in der Liebe wirksam ist“ (Gal 5,6), wie 739 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns der Jakobusbrief ermahnt: „Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten? Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das? So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat“ (2,14-17). Beim Dienst der Nächstenliebe muß uns eine Haltung beseelen und kennzeichnen: wir müssen uns des anderen als Person annehmen, die von Gott unserer Verantwortung anvertraut worden ist. Als Jünger Jesu sind wir berufen, uns zum Nächsten jedes Menschen zu machen (vgl. Lk 10,29-37) und dabei dem Ärmsten, Einsamsten und Bedürftigsten besonderen Vorzug zu gewähren. Dadurch, daß wir dem Hungernden, dem Dürstenden, dem Fremden, dem Nackten, dem Kranken, dem Gefangenen - wie auch dem ungeborenen Kind, dem alten Menschen in seinem Leiden oder unmittelbar vor seinem Tod - helfen, dürfen wir Jesus dienen, wie Er selber gesagt hat: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Daher müssen wir uns von dem immer noch aktuellen Wort des hl. Johannes Chrysostomus angesprochen und beurteilt fühlen: „Willst du dem Leib Christi Ehre erweisen? Vernachlässige ihn nicht, wenn er nackt ist. Ehre ihn nicht hier im Tempel mit Seidenstoffen, um ihn dann draußen, wo er unter Kälte und Nacktheit leidet, unbeachtet zu lassen“. <108> Der Dienst der Liebe gegenüber dem Leben muß zutiefst einheitlich sein: er darf keine Einseitigkeiten und Diskriminierungen dulden, denn das menschliche Leben ist in jeder Phase und in jeder Situation heilig und unverletzlich; es ist ein unteilbares Gut. Es geht also darum, sich des ganzen Lebens und des Lebens aller „anzunehmen“. Ja, noch tiefgründiger: es gilt, bis an die eigentlichen Wurzeln des Lebens und der Liebe zu gehen. <108> Kommentar zum Evangelium des Matthäus, L, 3: PG 58, 508. Ausgehend von einer tiefen Liebe zu jedem Mann und jeder Frau hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine außergewöhnliche Geschichte der Liebe entwickelt, die in das kirchliche und staatliche Leben zahlreiche Strukturen für den Dienst am Leben eingeführt hat, die bei jedem unvoreingenommenen Beobachter Bewunderung hervorrufen. Es ist eine Geschichte, die mit erneuertem Verantwortungsgefühl jede christliche Gemeinde durch ein vielfältiges pastorales und soziales Handeln weiterschreiben muß. In diesem Sinne müssen ausreichende und wirksame Formen der Begleitung des sich entfaltenden Lebens in die Tat umgesetzt werden, wobei es darum geht, jenen Müttern besonders nahe zu sein, die sich auch ohne Unterstützung durch den Vater nicht scheuen, ihr Kind zur Welt zu bringen und zu erziehen. Gleiche Fürsorge muß dem Leben am Rande der Gesellschaft oder im Leiden, besonders in seiner Schlußphase, erwiesen werden. 88. Das alles erfordert eine geduldige und mutige Erziehungsarbeit, die alle und jeden einzelnen dazu anhalten soll, die Last der anderen zu tragen (vgl. Gal 6,2); 740 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN es verlangt besonders unter der Jugend eine ständige Förderung von Berufungen zum Dienst; es schließt die Durchführung konkreter, fester und vom Evangelium angeregter Vorhaben und Initiativen ein. Vielfältig sind die Mittel, die mit Kompetenz und ernsthaftem Einsatz abgeschätzt werden müssen. Im Hinblick auf den Ursprung des Lebens gilt es, die Zentren für die natürlichen Methoden der Fruchtbarkeitsregelung als eine wirksame Hilfe für die verantwortliche Elternschaft zu fördern, wobei jeder Mensch, vom Kind angefangen, um seiner selbst willen anerkannt und geachtet und jede Entscheidung vom Kriterium der aufrichtigen Selbsthingabe angeregt und geleitet wird. Auch die Ehe- und Familienberater leisten durch ihre spezifische Tätigkeit der Beratung und Vorbeugung, die sie im Licht einer der christlichen Auffassung vom Menschen, vom Paar und von der Sexualität entsprechenden Anthropologie ausüben, einen wertvollen Dienst, um den Sinn der Liebe und des Lebens wiederzuentdecken und jede Familie in ihrer Sendung als „Heiligtum des Lebens“ zu unterstützen und zu begleiten. In den Dienst am sich entfaltenden Leben stellen sich auch die Zentren für Lebenshilfe und die Häuser oder Zentren zur Aufnahme des Lebens. Dank ihrer Arbeit gewinnen viele unverheiratete Mütter und in Schwierigkeiten geratene Paare wieder Sinn und Überzeugungen und finden Beistand und Hilfe, um Unbehagen und Ängste bei der Annahme eines sich entfaltenden oder gerade zur Welt gekommenen Lebens zu überwinden. Angesichts des Lebens in elendem, herab gekommenem Zustand, in der Situation der Entgleisung, in Krankheit und am Rande der Gesellschaft sind andere Instrumente - wie die Gemeinschaften zur Wiederherstellung von Drogenabhängigen, die Wohngemeinschaften für die Minderjährigen oder die Geisteskranken, die Zentren zur Behandlung und Aufnahme von AIDS-Kranken, die Solidaritätsgemeinschaften vor allem für die Behinderten — beredter Ausdruck dessen, was sich die Liebe auszudenken vermag, um einem jeden neuen Grund zur Hoffnung und konkrete Lebensmöglichkeiten zu geben. Wenn sich dann das irdische Dasein seinem Ende zuneigt, ist es wiederum die Liebe, die die geeignetsten Bedingungen ausfindig macht, damit alte Menschen, besonders wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können, und die sogenannten Kranken im Endstadium sich einer wirklich menschlichen Fürsorge erfreuen und Antworten erhalten können, die ihren Bedürfnissen, insbesondere ihrer Angst und Einsamkeit angemessen sind. Unersetzlich ist in diesen Fällen die Rolle der Familien; aber diese können in den sozialen Strukturen der Fürsorge und - falls notwendig - bei der Anwendung der palliativen Behandlungsmethoden große Hilfe finden, wenn sie sich geeigneter Gesundheits- und Sozialdienste bedienen, die sowohl in den öffentlichen Krankenhäusern, Kliniken und Pflegeheimen als auch zu Hause tätig sind. Neu nachgedacht werden muß über die Rolle der Krankenhäuser, der Kliniken und der Pflegeheime: ihre wahre Identität ist nicht einfach jene von Strukturen, in denen man sich der Kranken und Sterbenden annimmt, sondern vor allem die 741 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Identität einer Umgebung, in welcher das Leiden, der Schmerz und der Tod in ihrer menschlichen und spezifisch christlichen Bedeutung erkannt und gedeutet werden. In besonderer Weise als klar und wirksam erweisen muß sich diese Identität in den Instituten, die von Ordensleuten abhängig oder jedenfalls an die Kirche gebunden sind. 89. Diese Strukturen und Orte des Dienstes am Leben und alle anderen Initiativen zu Hilfe und Solidarität, die die jeweiligen Situationen wachrufen können, müssen von Personen belebt werden, die auf hochherzige Weise verfügbar und sich zutiefst dessen bewußt sind, wie entscheidend das Evangelium vom Leben für das Wohl des einzelnen und der Gesellschaft ist. Von besonderer Art ist die den im Gesundheitswesen Tätigen anvertraute Verantwortung: der Ärzte, Apotheker, Krankenschwestern und Krankenpfleger, der Seelsorger, Ordensleute, Verwalter und der freiwilligen Helfer. Ihr Beruf macht sie zu Hütern und Dienern des menschlichen Lebens. In dem heutigen kulturellen und sozialen Umfeld, in dem die Wissenschaft und die ärztliche Kunst Gefahr laufen, die ihnen eigene ethische Dimension zu verlieren, können sie bisweilen stark versucht sein, zu Urhebern der Manipulation des Lebens oder gar zu Todesvollstrek-kem zu werden. Angesichts dieser Versuchung ist ihre Verantwortung heute enorm gewachsen und findet ihre tiefste Inspiration und stärkste Stütze gerade in der dem Ärzteberuf innewohnenden, unumgänglichen ethischen Dimension, wie schon der alte und immer noch aktuelle hippokratische Eid erkannte, demgemäß von jedem Arzt verlangt wird, sich zur absoluten Achtung vor dem menschlichen Leben und seiner Heiligkeit zu verpflichten. Die absolute Achtung jedes unschuldigen Menschenlebens erfordert auch die Ausübung des Einspruchs aus Gewissensgründen gegen vorsätzliche Abtreibung und Euthanasie. „Sterben lassen“ darf niemals als eine medizinische Behandlung angesehen werden, auch dann nicht, wenn man nur die Absicht hätte, damit einer Bitte des Patienten nachzukommen: es ist vielmehr die Verneinung des ärztlichen Berufes, der sich als leidenschaftliches und hartnäckiges „Ja“ zum Leben qualifiziert. Auch die biomedizinische Forschung, ein faszinierendes und neue große Wohltaten für die Menschheit verheißendes Gebiet, muß immer die Durchführung von Experimenten, Forschungen bzw. Anwendungen ablehnen, die infolge der Mißachtung der unverletzlichen Würde des Menschen nicht mehr im Dienst der Menschen stehen und zu Realitäten werden, die sie, obwohl sie ihnen zu helfen scheinen, tatsächlich unterdrücken. 90. Zu einer besonderen Rolle berufen sind die Personen, die sich im Freiwilligendienst engagieren: sie leisten einen wertvollen Beitrag im Dienst am Leben, wenn sie berufliche Fähigkeit und hochherzige, unentgeltliche Liebe zu verbinden verstehen. Das Evangelium vom Leben spornt sie an, die Gefühle einfacher Menschenliebe auf die Höhe der Christusliebe emporzuheben; jeden Tag inmitten von Ermüdung und Überdruß das Bewußtsein von der Würde jedes Menschen zurück- 742 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zugewinnen; die Bedürfnisse der Menschen ausfindig zu machen und dabei, wenn nötig, dort neue Wege einzuschlagen, wo die Not am dringendsten ist und Beachtung und Hilfe am schwächsten sind. Der hartnäckige Realismus der Liebe erfordert, daß dem Evangelium vom Leben auch durch Formen sozialen Handelns und politischen Engagements, durch die Verteidigung und Förderung des Wertes des Lebens in unseren immer komplexeren und pluralistischeren Gesellschaften gedient wird. Einzelne, Familien, Gruppen, Gemeinschaften haben, und sei es auch in je verschiedener Weise, eine Verantwortung im sozialen Handeln und in der Erarbeitung kultureller, wirtschaftlicher, politischer und gesetzgeberischer Vorhaben, die unter Achtung aller und nach der Logik des demokratischen Zusammenlebens zum Aufbau einer Gesellschaft beitragen sollen, in der die Würde jedes Menschen anerkannt und geschützt und das Leben aller verteidigt und gefördert wird. Diese Aufgabe lastet im besonderen auf den Verantwortlichen für die Staatsangelegenheiten. Da sie dazu bestellt sind, dem Menschen und dem Gemeinwohl zu dienen, haben sie die Pflicht, vor allem im Bereich der von der Gesetzgebung getroffenen Verfügungen mutige Entscheidungen zugunsten des Lebens zu treffen. In einer demokratischen Regierungsform, in der auf Grund der Zustimmung vieler die Gesetze verabschiedet und die Entscheidungen gefällt werden, kann sich im Gewissen der einzelnen, die mit Autorität ausgestattet sind, der Sinn für die persönliche Verantwortung abschwächen. Aber niemand kann auf sie je verzichten, vor allem dann nicht, wenn er ein Gesetzgebungs- oder Entscheidungsmandat innehat, das ihn ruft, sich vor Gott, vor dem eigenen Gewissen und vor der Gesamtgesellschaft über Entscheidungen, die eventuell dem wirklichen Gemeinwohl entgegenstehen, zu verantworten. Wenn die Gesetze auch nicht das einzige Mittel sind, um das menschliche Leben zu verteidigen, so spielen sie doch eine sehr wichtige und manchmal entscheidende Rolle bei der Förderung einer Denkweise und einer Gewohnheit. Ich wiederhole noch einmal, daß eine Vorschrift, die das natürliche Recht auf Leben eines Unschuldigen verletzt, unrecht ist und als solche keinen Gesetzeswert haben kann. Deshalb erneuere ich mit Nachdruck meinen Appell an alle Politiker, keine Gesetze zu erlassen, die durch Mißachtung der Würde der Person das bürgerliche Zusammenleben selber an der Wurzel bedrohen. Die Kirche weiß, daß es im Rahmen pluralistischer Demokratien wegen des Vorhandenseins starker kultureller Strömungen mit verschiedenem Ansatz schwierig ist, einen wirksamen gesetzlichen Schutz des Lebens in die Tat umzusetzen. Doch veranlaßt von der Gewißheit, daß die sittliche Wahrheit im Inneren jedes Gewissens ein Echo haben muß, ermutigt sie die Politiker, angefangen bei jenen, die Christen sind, nicht zu resignieren und jene Entscheidungen zu treffen, die unter Berücksichtigung der konkreten Möglichkeiten zur Wiederherstellung einer gerechten Ordnung bei der Geltendmachung und Förderung des Wertes des Lebens führen sollen. Im Hinblick darauf muß unterstrichen werden, daß es mit der Aufhebung der ungerechten Gesetze nicht getan ist. Man wird die Ursachen beseitigen 743 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN müssen, die den Angriffen gegen das Leben Vorschub leisten, indem man vor allem für Familie und Mutterschaft die gebührende Unterstützung sicherstellt: die Familienpolitik muß Grundlage und Motor jeder Sozialpolitik sein. Es gilt daher, soziale und gesetzgeberische Initiativen in Gang zu setzen, die imstande sind, bei der Entscheidung bezüglich der Elternschaft Bedingungen echter Freiheit zu garantieren; außerdem ist es notwendig, die Arbeitspolitik, die Städtebaupolitik, die Wohnungsbau- und Dienstleistungspolitik neu zu ordnen, damit die Arbeitszeiten und der Zeitplan der Familie aufeinander abgestimmt werden können und die Betreuung der Kinder und der alten Menschen tatsächlich möglich wird. 91. Ein wichtiges Kapitel der Politik für das Leben stellt heute die Problematik des Bevölkerungswachstums dar. Die staatlichen Behörden haben gewiß die Verantwortung, mit Initiativen „auf das Bevölkerungswachstum einzuwirken“; <109> aber solche Initiativen müssen immer die vorrangige und unveräußerliche Verantwortlichkeit der Ehegatten und der Familien voraussetzen und respektieren und dürfen nicht Methoden anwenden, die die Person und ihre Grundrechte mißachten, angefangen bei dem Recht jedes unschuldigen menschlichen Geschöpfes auf Leben. Es ist daher sittlich unannehmbar, daß man wegen der Geburtenregelung zur Anwendung von Mitteln wie Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung ermutigt, ja sie sogar auferlegt. <109> Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2372. Es gibt sehr wohl andere Wege, um das Problem des Bevölkerungswachstums zu lösen: die Regierungen und die verschiedenen internationalen Einrichtungen müssen vor allem die Schaffung wirtschaftlicher, sozialer, medizinisch-sanitärer und kultureller Verhältnisse anstreben, die es den Eheleuten erlauben, ihre die Fortpflanzung betreffenden Entscheidungen in voller Freiheit und mit wirklicher Verantwortung zu treffen; sodann müssen sie sich „um die Vermehrung der Mittel und die gerechtere Verteilung des Reichtums kümmern, so daß alle gleichmäßig an den Gütern der Schöpfung beteiligt werden. Es muß nach Lösungen auf Weltebene gesucht werden durch Einrichtung einer glaubwürdigen Wirtschaftsgemeinschaft und Güterverteilung sowohl auf internationaler wie auf nationaler Ebene“. <110> Das ist der einzige Weg, der nicht nur die Würde der Person und der Familien, sondern auch das authentische Kulturerbe der Völker achtet. <110> Johannes Paul IP, Ansprache zur Eröffnung der 4, Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Santo Domingo (12. Oktober 1992), Nr. 15: A4S85(1993)819. Der Dienst am Evangelium vom Leben ist daher umfassend und vielschichtig. Er erscheint uns zunehmend als wertvoller und geeigneter Rahmen für eine tatkräftige Zusammenarbeit mit den Brüdern der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften, und zwar auf der Linie jenes Ökumenismus der Werke, zu dem das II. Vatikanische Konzil maßgebend ermutigt hat. <111> Außerdem erscheint er als <111> Vgl. Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 12; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 90. 744 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN willkommener Raum für den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Anhängern anderer Religionen und mit allen Menschen guten Willens: niemand besitzt das Monopol auf den Schutz und die Förderung des Lebens, sondern sie sind Aufgabe und Verantwortung aller. Es ist eine schwierige Herausforderung, die vor dem nahen dritten Jahrtausend vor uns liegt: allein die einträchtige Zusammenarbeit aller, die an den Wert des Lebens glauben, wird eine Niederlage der Zivilisation von unvorhersehbaren Ausmaßen vermeiden können. „Kinder sind eine Gabe des Herrn, die Frucht des Leibes ist sein Geschenk“ (Ps 127[126],3): die Familie „Heiligtum des Lebens“ 92. Innerhalb des „Volkes des Lebens und für das Leben“ kommt es entscheidend auf die Verantwortlichkeit der Familie an: eine Verantwortlichkeit, die dem der Familie eigenen Wesen - nämlich auf die Ehe gegründete Lebens- und Liebesge-meinschaft zu sein - und ihrer Sendung, „die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen“ <112> entspringt. Es geht um die Liebe Gottes selbst, dessen Mitwirkende und gleichsam Interpreten seiner Liebe die Eltern sind, wenn sie dem Plan des Vaters entsprechend das Leben weitergeben und erziehen. <113> Die Liebe wird somit zu unentgeltlichem Dienst, zu Aufnahme, zum Geschenk: in der Familie wird ein jeder anerkannt, geachtet und geehrt, weil er Person ist, und wenn einer es nötig hat, wird ihm intensivere und aufmerksamere Fürsorge zuteil. <112> Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 17: AAS14(! 982)100. <113> Vgl. n. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 50. Die Familie wird in die gesamte Lebensspanne ihrer Mitglieder hineingezogen, von der Geburt bis zum Tod. Sie ist wahrlich „das Heiligtum des Lebens ..., der Ort, an dem das Leben, Gabe Gottes, in angemessener Weise angenommen und gegen die vielfältigen Angriffe, denen es ausgesetzt ist, geschützt wird und wo es sich entsprechend den Forderungen eines echten menschlichen Wachstums entfalten kann“. <114> Darum ist die Rolle der Familie beim Aufbau der Kultur des Lebens entscheidend und unersetzlich. <114> Johannes Paul U., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 39: /l/l.S'83( 1991 )342. Als Hauskirche ist die Familie aufgerufen, das Evangelium vom Leben zu verkünden, zu feiern und ihm zu dienen. Dies ist vor allem Aufgabe der Eheleute, die berufen sind, das Leben weiterzugeben auf der Grundlage eines immer wieder erneuerten Bewußtseins vom Sinn der Zeugung als bevorzugtem Ereignis, in dem offenbar wird, daß das menschliche Leben ein Geschenk ist, um seinerseits weitergeschenkt zu werden. Bei der Zeugung eines neuen Lebens werden die Eltern gewahr, daß ihr Kind, „wenn es Frucht ihrer gegenseitigen Schenkung aus Liebe ist, seinerseits ein Geschenk für beide ist: eine Gabe, die der Gabe entspringt“. <115> <115> Johannes Paul U., Ansprache an die Teilnehmer am 7. Symposion der europäischen Bischöfe über das Thema „Heutige Haltungen gegenüber Geburt und Tod: eine Herausforderung für die Evangelisierung“ (17. Oktober 1989), Nr. 5: lnsegnamenti XII,2(1989)945. Eben als Geschenk Gottes werden die Kinder von der biblischen 745 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vor allem durch die Erziehung der Kinder erfüllt die Familie ihre Sendung, das Evangelium vom Leben zu verkünden. Durch das Wort und das Beispiel in den täglichen Beziehungen und Entscheidungen und durch konkrete Gesten und Zeichen führen die Eltern ihre Kinder in die echte Freiheit ein, die sich in der aufrichtigen Selbsthingabe verwirklicht, und bilden in ihnen die Achtung vor dem anderen, den Gerechtigkeitssinn, die herzliche Aufnahme, den Dialog, den großzügigen Dienst, die Solidarität und jeden anderen Wert aus, der helfen soll, das Leben als ein Geschenk zu leben. Die Erziehungsarbeit der christlichen Eltern muß zum Dienst am Glauben der Kinder und zu ihnen angebotener Hilfe werden, damit sie die von Gott empfangene Berufung erfüllen können. Es gehört zum Erziehungsauftrag der Eltern, die Kinder durch Zeugnis den wahren Sinn des Leidens und Sterbens zu lehren: das wird ihnen gelingen, wenn sie jedes Leiden in ihrer Umgebung beachten und wenn sie noch vorher für die Entwicklung von Haltungen sorgen wie Nahe, Fürsorge, Anteilnahme gegenüber Kranken und Alten im Familienkreis. 93. Des weiteren feiert die Familie das Evangelium vom Leben durch das tägliche Gebet, das persönliche und das Gebet in der Familie: mit ihm lobt sie den Herrn und dankt Ihm für die Gabe des Lebens und fleht um Licht und Kraft, um mit schwierigen Situationen und Leiden fertigzuwerden, ohne die Hoffnung zu verlieren. Aber die Feier, die jeder anderen Gebets- und Kultform erst Sinn gibt, ist diejenige, die sich im alltäglichen Dasein der Familie ausdrückt, wenn es denn ein Dasein ist, das von Liebe und Sichverschenken bestimmt wird. Die Feier wird so zu einem Dienst am Evangelium vom Leben, der sich durch die innerhalb und außerhalb der Familie als zuvorkommende, wachsame und herzliche Aufmerksamkeit in den kleinen und anspruchslosen Handlungen des Alltags erlebte Solidarität ausdrückt. Einen besonders bedeutsamen Ausdruck findet die Solidarität zwischen den Familien in der Bereitschaft, von ihren Eltern verlassene oder in schlimmen, elenden Verhältnissen lebende Kinder zu adoptieren oder sich ihrer anzunehmen. Die wahre Elternliebe kann über die Bande des Fleisches und Blutes hinausgehen und Kinder anderer Familien aufnehmen, indem ihnen geboten wird, was für ihr Leben und ihre Entfaltung nötig ist. Unter den Adoptionsmöglichkeiten verdient auch die Adoption aus der Ferne Beachtung; ihr ist in den Fällen der Vorzug zu geben, in denen die große Armut der Familie der einzige Grund dafür ist, daß ein Kind im Stich gelassen wird. Durch diesen Adoptionstyp werden den Eltern die nötigen Mittel bereitgestellt, damit sie ihre Kinder erhalten und erziehen können, ohne sie ihrer natürlichen Umgebung entwurzeln zu müssen. Die Solidarität, die als „feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen“ <116> verstanden wird, muß auch durch Formen sozialer und Überlieferung hingestellt (vgl. Ps 127[126],3), als Zeichen seines Segens auf dem Mann, der auf seinen Wegen wandelt (vgl. Ps 128[127],3-4). 121 Johannes Paul II., Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 38: A4S80(1988)565-566, 746 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN politischer Beteiligung in die Tat umgesetzt werden. Infolgedessen ist der Dienst am Evangelium vom Leben damit verbunden, daß sich die Familien besonders durch aktive Mitgliedschaft in eigenen Familienverbänden darum bemühen, daß die Gesetze und Einrichtungen des Staates auf keinen Fall das Recht auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod verletzen, sondern es schützen und fördern. 94. Ein Sonderplatz muß den alten Menschen eingeräumt werden. Während in einigen Kulturen der Mensch vorgerückten Alters mit einer wichtigen aktiven Rolle in die Familie eingebunden bleibt, wird hingegen in anderen Kulturen der alte Mensch als eine unnütze Last empfunden und sich selbst überlassen: in einem solchen Umfeld kann leichter die Versuchung zum Rückgriff auf die Euthanasie auftauchen. Die Abschiebung oder gar Ablehnung der alten Menschen ist unerträglich. Ihre Anwesenheit in der Familie oder wenigstens die Nähe der Familie zu ihnen, wenn es wegen beengter Wohnverhältnisse oder aus anderen Gründen keine realen Alternativen zum Krankenhaus oder Altenheim geben sollte, sind von grundlegender Bedeutung, um ein Klima gegenseitigen Austausches und bereichernder Kommunikation zwischen den verschiedenen Altersgruppen herzustellen. Es ist deshalb sehr wichtig, daß man eine Art „Vertrag“ zwischen den Generationen beibehält bzw. dort, wo er verloren gegangen ist, wiederherstellt, so daß die alten Eltern, wenn sie am Ende ihres Weges angekommen sind, bei den Kindern die Aufnahme und die Solidarität finden können, die sie ihnen ihrerseits entgegengebracht haben, als diese dem Leben entgegengingen: das fordert der Gehorsam gegen das göttliche Gebot, Vater und Mutter zu ehren (vgl. Ex 20,12; Lev 19,3). Aber das ist nicht alles. Der alte Mensch ist nicht nur als Objekt der Aufmerksamkeit, der Nähe und des Dienstes zu betrachten. Auch er hat einen wertvollen Beitrag zum Evangelium vom Leben zu leisten. Dank des im Laufe der Jahre erworbenen reichen Erfahrungsschatzes kann und muß er einer sein, der Weisheit weitergibt sowie Zeugnis von Hoffnung und Liebe ablegt. Auch wenn es stimmt, daß „die Zukunft der Menschheit über die Familie geht“, muß man zugeben, daß die heutigen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen die Aufgabe der Familie, dem Leben zu dienen, oft erschweren und mühsam gestalten. Damit sie ihre Berufung als „Heiligtum des Lebens“, als Zelle einer Gesellschaft, die das Leben liebt und aufnimmt, verwirklichen kann, ist es dringend nötig, daß die Familie selbst Hilfe und Unterstützung erfährt. Die Gesellschaften und die Staaten müssen ihr alle jene, auch wirtschaftliche Hilfe sicherstellen, die die Familien brauchen, damit sie ihren Problemen auf humanere Weise nachkommen können. Die Kirche ihrerseits muß unermüdlich eine Famili-enpastoral fördern, die jede Familie anzuspomen vermag, mit Freude und Mut ihre Sendung gegenüber dem Evangelium vom Leben wiederzuentdecken und zu leben. 122 Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 85: A4S74(1982)188. 747 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Lebt als Kinder des Lichts!“ (Eph 5,8): um eine kulturelle Wende herbei-zufiihren 95. „Lebt als Kinder des Lichts ... Prüft, was dem Herrn gefällt, und habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis“ (Eph 5,8.10-11). Im heutigen gesellschaftlichen Kontext, der von einem dramatischen Kampf zwischen der „Kultur des Lebens“ und der „Kultur des Todes“ gekennzeichnet ist, muß man einen starken kritischen Geist zum Reifen bringen, der die wahren Werte und die echten Erfordernisse zu erkennen in der Lage ist. Es bedarf dringend einer allgemeinen Mobilisierung der Gewissen und einer gemeinsamen sittlichen Anstrengung, um eine große Strategie zugunsten des Lebens in die Tat umzusetzen. Wir müssen alle zusammen eine neue Kultur des Lebens aufbauen: neu, weil sie in der Lage sein muß, die heute neu anstehenden Probleme in bezug auf das Leben des Menschen aufzugreifen und zu lösen; neu, weil sie eben mit stärkerer und tätiger Überzeugung von seiten aller Christen aufgebaut werden muß; neu, weil sie in der Lage sein muß, zu einer ernsthaften und mutigen kulturellen Gegenüberstellung mit allen anzuregen. Die Dringlichkeit dieser kulturellen Wende hängt mit der historischen Situation zusammen, in der wir uns befinden, aber sie wurzelt vor allem im Evangelisierungsauftrag, der wesenhaft zur Kirche gehört. Denn das Evangelium hat zum Ziel, „die Menschheit von innen her umzuwandeln, sie zu erneuern“; <117> es ist wie die Hefe, die den ganzen Teig durchsäuert (vgl. Mt 13,33), und als solches dazu bestimmt, alle Kulturen zu durchdringen und sie von innen her zu beleben, <118> damit sie die ganze Wahrheit über den Menschen und über sein Leben zum Ausdruck bringen. <117> Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 18: A4S68(1976)17. <118> Vgl. ebd., Nr. 20, a.a.O„ 18. Beginnen muß man bei der Erneuerung der Kultur des Lebens innerhalb der christlichen Gemeinden selbst. Allzu oft verfallen die Gläubigen, sogar jene, die aktiv am kirchlichen Leben teilnehmen, auf eine Art Trennung zwischen dem christlichen Glauben und seinen sittlichen Forderungen in bezug auf das Leben, was schließlich zum moralischen Subjektivismus und zu manchen unannehmbaren Verhaltensweisen führt. Wir müssen uns also mit großer Klarheit und mutig fragen, welche Kultur des Lebens heutzutage unter den einzelnen Christen, in den Familien, den Gruppen und den Gemeinden unserer Diözesen verbreitet ist. Mit derselben Klarheit und Entschiedenheit müssen wir feststellen, welche Schritte wir vorzunehmen aufgerufen sind, um dem Leben der Fülle seiner Wahrheit entsprechend zu dienen. Zugleich müssen wir mit allen, auch mit den Nichtglaubenden, an den Stätten des Denkens und geistigen Schaffens ebenso wie in den verschiedenen Berufsbereichen und dort, wo sich täglich das Leben eines jeden abspielt, eine ernsthafte und gründliche Auseinandersetzung über die Grundprobleme des menschlichen Lebens anstellen. 748 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 96. Der erste und grundlegende Schritt für die Verwirklichung dieser kulturellen Wende besteht in der Bildung des sittlichen Gewissens hinsichtlich des unermeßlichen und unverletzlichen Wertes jedes Menschenlebens. Von größter Bedeutung ist die Wiederentdeckung des untrennbaren Zusammenhanges zwischen Leben und Freiheit. Das sind voneinander untrennbare Güter: wo das eine verletzt wird, wird zum Schluß auch das andere verletzt. Es gibt keine wahre Freiheit, wo das Leben nicht aufgenommen und geliebt wird; und Leben im Vollsinn gibt es nur in der Freiheit. Diese beiden Wirklichkeiten haben außerdem eine angestammte Sonderbeziehung, die sie unlösbar verbindet: die Berufung zur Liebe. Diese Liebe als aufrichtige Selbsthingabe <119> ist der eigentlichste Sinn des Lebens und der Freiheit der Person. <119> Vgl. U. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. Nicht minder entscheidend bei der Gewissensbildung ist die Wiederentdeckung des Zusammenhanges, der zwischen Freiheit und Wahrheit besteht. Wie ich wiederholt hervorgehoben habe, macht es die Entwurzelung der Freiheit von der objektiven Wahrheit unmöglich, die Rechte der Person auf einer festen rationalen Basis zu begründen, und schafft die Vorbedingungen dafür, daß sich in der Gesellschaft die unlenkbare Willkür einzelner oder der beschämende Totalitarismus der staatlichen Macht durchsetzen. <120> <120> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 17: AAS83(1991) 814; Enzyklika Veiitatis splendor (6. August 1993), Nm. 95-101: AAS85(1993)1208-1213. Es kommt also wesentlich darauf an, daß der Mensch die urgegebene Augenfälligkeit seines Zustandes als Geschöpf anerkennt, das von Gott das Sein und das Leben als Gabe und Aufgabe empfängt: nur wenn er diese seine angeborene Abhängigkeit im Sein annimmt, kann der Mensch voll sein Leben und seine Freiheit verwirklichen und zugleich zutiefst das Leben und die Freiheit jedes anderen Menschen achten. Hier vor allem erweist sich, daß „im Mittelpunkt jeder Kultur die Haltung steht, die der Mensch dem größten Geheimnis gegenüber einnimmt: dem Geheimnis Gottes“. <121> Wenn Gott geleugnet wird und man lebt, als ob Er nicht existierte oder wenn man sich nicht an seine Gebote hält, wird man am Ende auch leicht die Würde der menschlichen Person und die Unantastbarkeit ihres Lebens leugnen oder kompromittieren. <121> Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 24: AAS83(1991)822. 97. In engem Zusammenhang mit der Gewissensbildung steht die Erziehungsarbeit, die dem Menschen hilft, immer mehr Mensch zu sein, die ihn immer tiefer in die Wahrheit einführt, ihn zu einer wachsenden Achtung vor dem Leben anleitet und ihn für die rechten zwischenmenschlichen Beziehungen heranbildet. Besonders notwendig ist es, zum Wert des Lebens von seinen Ursprüngen an zu erziehen. Es ist eine Illusion zu meinen, man könne eine echte Kultur des menschlichen Lebens aufbauen, wenn man den jungen Menschen nicht hilft, die Sexualität, die Liebe und das ganze Sein in ihrer wahren Bedeutung und in ihrer tiefen 749 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wechselbeziehung zu begreifen und zu leben. Die Geschlechtlichkeit, ein Reichtum der ganzen Person, „zeigt ihre tiefste Bedeutung darin, daß sie die Person zur Hingabe ihrer selbst in der Liebe führt“. Die Banalisierung der Sexualität gehört zu den hauptsächlichen Faktoren, in denen die Verachtung des vorgeburtlichen Lebens ihren Ursprung hat: nur eine echte Liebe vermag das Leben zu hüten. Man kann also nicht umhin, vor allem den Heranwachsenden und Jugendlichen die authentische Erziehung zur Sexualität und zur Liebe anzubieten, eine Erziehung, die die Erziehung zur Keuschheit als Tugend beinhaltet, die die Reife der Person fördert und sie befähigt, die „bräutliche“ Bedeutung des Körpers zu achten. Das Werk der Erziehung zum Leben schließt die Formung der Eheleute im Hinblick auf die verantwortliche Zeugung der Nachkommenschaft ein. Diese erfordert in ihrer wahren Bedeutung, daß sich die Ehegatten dem Ruf des Herrn fügen und als treue Interpreten seines Planes handeln: das ist der Fall, wenn die Familie sich großherzig neuem Leben öffnet und auch dann in einer Haltung der Offenheit für das Leben und des Dienstes an ihm bleibt, wenn die Ehepartner aus emstzunehmenden Gründen und unter Achtung des Moralgesetzes entscheiden, vorläufig oder für unbestimmte Zeit eine neue Geburt zu vermeiden. Das Moralgesetz verpflichtet sie in jedem Fall, die Neigungen des Instinkts und der Leidenschaften zu beherrschen und die ihrer Person eingeschriebenen biologischen Gesetze zu beachten. Im Dienst der Verantwortlichkeit bei der Zeugung erlaubt gerade diese Beachtung die Anwendung der natürlichen Methoden der Fruchtbarkeitsregelung: sie werden vom wissenschaftlichen Standpunkt her immer besser erklärt und bieten konkrete Möglichkeiten für Entscheidungen an, die mit den sittlichen Werten im Einklang stehen. Eine gewissenhafte Betrachtung der erzielten Ergebnisse müßte noch zu sehr verbreitete Vorurteile fallen lassen und die Gatten sowie das im Gesundheits- und im Sozialdienst tätige Personal von der Wichtigkeit einer diesbezüglich angemessenen Aufklärung überzeugen. Die Kirche ist denjenigen dankbar, die sich unter persönlichen Opfern und mit oft verkannter Hingabe für die Erforschung und Verbreitung solcher Methoden einsetzen und gleichzeitig eine Erziehung zu den sittlichen Werten fördern, die deren Anwendung voraussetzt. Die Erziehungsarbeit muß auch das Leiden und den Tod in Betracht ziehen. Tatsächlich gehören sie ja zur menschlichen Erfahrung, und es ist vergeblich und darüber hinaus abwegig zu versuchen, sie einer Zensur zu unterwerfen oder zu verdrängen. Hingegen soll jedem geholfen werden, ihr tiefes Geheimnis in der konkreten und harten Wirklichkeit zu erfassen. Auch der Schmerz und das Leiden haben einen Sinn und einen Wert, wenn sie in enger Verbindung mit der empfangenen und verschenkten Liebe gelebt werden. In dieser Perspektive wollte ich, daß man jedes Jahr den Welttag der Kranken begehe, wobei ich „den Heilswert der Aufopferung des Leidens“ betonte, „das, in Vereinigung mit Christus ertragen, 128 Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 37: A4S74(1982)128. 750 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zum eigentlichen Wesen der Erlösung gehört“. <122> Im übrigen ist sogar der Tod alles andere als ein Abenteuer ohne Hoffnung: er ist das Tor des Lebens, das sich zur Ewigkeit hin auftut, und für alle, die ihn bewußt in Christus leben, ist er Erfahrung der Teilhabe am Geheimnis von Tod und Auferstehung. <122> Schreiben zur Einrichtung des Welttages der Kranken (13. Mai 1992), Nr. 2: Insegnamenti XV, 1(1992) 1410. 98. Zusammenfassend können wir sagen, daß die hier herbeigewünschte kulturelle Wende von allen den Mut verlangt, einen neuen Lebensstil zu entfalten, der sich darin ausdrückt, daß den konkreten Entscheidungen - auf persönlicher, familiärer, gesellschaftlicher und internationaler Ebene - die rechte Werteskala zugrunde gelegt wird: der Vorrang des Seins vor dem Haben, <123> <124> der Person vor den Dingen.131 Dieser erneuerte Lebensstil schließt auch ein, daß wir uns ändern von der Gleichgültigkeit zur Anteilnahme für den anderen und von der Ablehnung zu seiner Aufnahme: die anderen sind nicht Konkurrenten, vor denen wir uns verteidigen müssen, sondern Brüder und Schwestern, mit denen wir solidarisch sein sollen; sie müssen um ihrer selbst willen geliebt werden; sie bereichern uns durch ihre Gegenwart. <123> Vg] n. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 35; Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), Nr. 15: AAS59(1967)265. <124> Vgl. Johannes Paul II., Brief an die Familien Gratissimam sane (2. Februar 1994), Nr. 13: AAS86(1994)892. Bei der Mobilisierung für eine neue Kultur des Lebens darf sich niemand ausgeschlossen fühlen: alle haben eine wichtige Rolle zu erfüllen. Neben der Aufgabe der Familien ist jene der Lehrer und der Erzieher besonders wertvoll. Es wird sehr von ihnen abhängen, ob die auf eine echte Freiheit vorbereiteten jungen Leute imstande sein werden, echte Ideale vom Leben in sich zu bewahren und um sich herum zu verbreiten und in der Achtung vor jedem und im Dienst an jedem Menschen in Familie und Gesellschaft zu wachsen. Auch die Intellektuellen können viel für den Aufbau einer neuen Kultur des menschlichen Lebens tun. Eine besondere Aufgabe obliegt den katholischen Intellektuellen, die aufgerufen sind, aktiv präsent zu sein an den bevorzugten Stätten des kulturellen Schaffens, in der Welt der Schule und der Universität, in den Kreisen der wissenschaftlichen und technischen Forschung, an den Orten des künstlerischen Schaffens und der humanistischen Reflexion. Sie sollen ihren Geist und ihr Handeln aus den klaren lebenspendenden Säften des Evangeliums nähren und sich engagieren im Dienst einer neuen Kultur des Lebens, durch die Erstellung ernsthafter, gut dokumentierter Beiträge, die wegen ihres Wertes das Ansehen und das Interesse aller auf sich zu ziehen vermögen. Gerade aus dieser Sicht habe ich die Päpstliche Akademie für das Leben mit der Aufgabe eingerichtet, „zu studieren, zu informieren und zu bilden über die Hauptprobleme der Biomedizin und des Rechts, die im Zusammenhang mit der Förderung und der Verteidigung des Lebens stehen, vor allem in der direkten Beziehung, die sie mit der christlichen Mo- 751 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ral und den Anweisungen des Lehramtes der Kirche haben“. <125> Ein Beitrag spezifischer Art wird auch von den Universitäten, im besonderen von den katholischen, und von den Zentren, Instituten und Komitees flir Bioethik kommen müssen. <125> Johannes Paul II., Motu Proprio Vitae mysterium (11. Februar 1994), Nr. 4: AAS86(1994)386-387. Groß und schwer ist die Verantwortung der in den Massenmedien Tätigen, die aufgerufen sind, sich dafür einzusetzen, daß die mit so großer Wirksamkeit weitergegebenen Botschaften zur Kultur des Lebens beitragen mögen. Sie müssen also erhabene und vornehme Lebensbeispiele präsentieren und den positiven und mitunter heroischen Zeugnissen von der Liebe zum Menschen Raum verschaffen; mit großem Respekt die Werte der Sexualität und der Liebe vorstellen, ohne sich über das zu verbreiten, was die Würde des Menschen entstellt und herabsetzt. Beim Lesen der Wirklichkeit müssen sie sich weigern etwas herauszustellen, was Gefühle oder Haltungen der Gleichgültigkeit, Verachtung oder Ablehnung gegenüber dem Leben wecken oder wachsen lassen kann. In gewissenhafter Treue zur Wahrheit der Tatsachen sind sie aufgerufen, die Freiheit der Information, die Achtung vor jeder Person und einen tiefen Sinn für Humanität miteinander zu verbinden. 99. Bei der kulturellen Wende zugunsten des Lebens haben die Frauen einen einzigartigen und vielleicht entscheidenden Denk- und Handlungsspielraum: sie sind es, die einen „neuen Feminismus“ fördern müssen, der, ohne in die Versuchung zu verfallen, „Männlichkeits“-Vorbildern nachzujagen, durch den Einsatz zur Überwindung jeder Form von Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung den echten weiblichen Geist in allen Ausdrucksformen des bürgerlichen Zusammenlebens zu erkennen und zu bekunden versteht. Indem ich die Worte der Schlußbotschaft des II. Vatikanischen Konzils aufgreife, richte auch ich an die Frauen die dringende Aufforderung: Versöhnt die Menschen mit dem Leben! “ <126> Ihr seid berufen, den Sinn der echten Liebe zu bezeugen, jener Selbsthingabe und jener Aufnahme des anderen, die sich zwar auf besondere Weise in der ehelichen Beziehung verwirklichen, die aber die Seele jeder anderen zwischenmenschlichen Beziehung sein sollen. Die Erfahrung der Mutterschaft begünstigt in euch eine scharfe Sensibilität für den anderen Menschen und überträgt euch zugleich eine besondere Aufgabe: „Die Mutterschaft enthält eine besondere Gemeinschaft mit dem Geheimnis des Lebens, das im Schoß der Frau heranreift... Diese einmalige Weise des Kontaktes mit dem neuen Menschen, der Gestalt annimmt, schafft seinerseits eine derartige Einstellung zum Menschen - nicht nur zum eigenen Kind, sondern zum Menschen als solchem -, daß dadurch die ganze Persönlichkeit der Frau tief geprägt wird“. <127> Denn die Mutter nimmt einen anderen Menschen auf und trägt ihn in sich, gibt ihm die Möglichkeit, in ihr heranzuwachsen, macht ihm Platz und achtet ihn zugleich in seinem Anderssein. So nimmt die Frau wahr und lehrt, daß die menschlichen Beziehungen glaubwürdig sind, <126> Botschaften des Konzils an die Menschheit (8. Dezember 1965): an die Frauen. <127> Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), Nr. 18: AAS’SOf 1988) 1696. 752 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn sie sich der Aufnahme des anderen Menschen öffnen, der um der Würde willen anerkannt und geliebt wird, die ihm aus der Tatsache seines Personseins und nicht aus anderen Faktoren, wie Nützlichkeit, Kraft, Intelligenz, Schönheit, Gesundheit, zukommt. Das ist der fundamentale Beitrag, den sich die Kirche und die Menschheit von den Frauen erwarten. Und es ist die unersetzliche Voraussetzung für eine echte kulturelle Wende. Einen besonderen Gedanken möchte ich euch, den Frauen, Vorbehalten, die sich für eine Abtreibung entschieden haben. Die Kirche weiß, wie viele Bedingtheiten auf eure Entscheidung Einfluß genommen haben können, und sie bezweifelt nicht, daß es sich in vielen Fällen um eine leidvolle, vielleicht dramatische Entscheidung gehandelt hat. Die Wunde in eurem Herzen ist wahrscheinlich noch nicht vernarbt. Was geschehen ist, war und bleibt in der Tat zutiefst unrecht. Laßt euch jedoch nicht von Mutlosigkeit ergreifen, und gebt die Hoffnung nicht auf. Sucht vielmehr das Geschehene zu verstehen und interpretiert es in seiner Wahrheit. Falls ihr es noch nicht getan habt, öffnet euch voll Demut und Vertrauen der Reue: der Vater allen Erbarmens wartet auf euch, um euch im Sakrament der Versöhnung seine Vergebung und seinen Frieden anzubieten. Ihr werdet merken, daß nichts verloren ist, und werdet auch euer Kind um Vergebung bitten können, das jetzt im Herrn lebt. Mit Hilfe des Rates und der Nähe befreundeter und zuständiger Menschen werdet ihr mit eurem erlittenen Zeugnis unter den beredtesten Verfechterinnen des Rechtes aller auf Leben sein können. Durch euren Einsatz für das Leben, der eventuell von der Geburt neuer Geschöpfe gekrönt und mit der Aufnahme und Aufmerksamkeit gegenüber dem ausgeübt wird, der der Nähe am meisten bedarf, werdet ihr eine neue Betrachtungsweise des menschlichen Lebens schaffen. 100. Bei dieser großen Anstrengung für eine neue Kultur des Lebens werden wir von dem Vertrauen derer unterstützt und angeregt, die wissen, daß das Evangelium vom Leben wie das Reich Gottes wächst und seine reichen Früchte bringt (vgl. Mt 4,26-29). Sicherlich besteht ein enormes Mißverhältnis zwischen den zahllosen und mächtigen Mitteln, mit denen die Kräfte ausgestattet sind, die zur Unterstützung der „Kultur des Todes“ am Werk sind, und jenen, über die die Förderer einer „Kultur des Lebens und der Liebe“ verfügen. Doch wissen wir, daß wir auf die Hilfe Gottes vertrauen dürfen, für den nichts unmöglich ist (vgl. Mt 19,26). Mit dieser Gewißheit im Herzen und bewegt von der betrübten Sorge um das Schicksal jedes Mannes und jeder Frau, wiederhole ich heute für alle, was ich den Familien gesagt habe, die sich unter den sie bedrohenden Gefahren in ihren schwierigen Aufgaben engagieren: es bedarf dringend eines groß angelegten Gebetes für das Leben, das die ganze Welt durchdringen soll. Mit außerordentlichen Initiativen und im gewohnten Gebet möge von jeder christlichen Gemeinde, von jeder Gruppe oder Vereinigung, von jeder Familie und vom Herzen jedes Gläubigen ein leidenschaftliches, inständiges Bittgebet zu Gott, dem Schöpfer und 135 vgl. Johannes Paul n„ Briet an die Familien Gratissimam sane (2. Februar 1994), Nr. 5: AAS86(1994)872. 753 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Freund des Lebens, emporsteigen. Jesus selber hat uns durch sein Beispiel gezeigt, daß Gebet und Fasten die hauptsächlichen und wirksamsten Waffen gegen die Kräfte des Bösen sind (vgl. Mt 4,1-11), und hat seine Jünger gelehrt, daß manche Dämonen sich nur auf diese Weise austreiben lassen (vgl. Mk 9,29). Finden wir also wieder die Demut und den Mut zum Beten und Fasten, um zu erreichen, daß die Kraft, die vom Himmel kommt, die Mauern aus Betrug und Lüge zum Einsturz bringt, die die perverse Natur lebensfeindlicher Verhaltensweisen und Gesetze vor den Blicken vieler unserer Brüder und Schwestern verbergen, und ihre Herzen für die Vorschläge und Absichten öffnet, die sich an der Zivilisation des Lebens und der Liebe inspirieren. „ Wir schreiben dies, damit unsere Freude vollkommen ist“ (1 Joh 1,4): das Evangelium vom Leben ist für die Gesellschaft der Menschen 101. „Wir schreiben dies, damit unsere Freude vollkommen ist“ (1 Joh 1,4). Die Offenbarung des Evangeliums vom Leben ist uns als Gut gegeben, das allen mitgeteilt werden soll: damit alle Menschen mit uns und mit der Dreifaltigkeit Gemeinschaft haben (vgl. 1 Joh 1,3). Unsere Freude könnte gar nicht vollkommen sein, wenn wir dieses Evangelium den anderen nicht mitteilten, sondern es nur für uns behielten. Das Evangelium vom Leben ist nicht ausschließlich für die Gläubigen da: es ist für alle da. Die Frage des Lebens und seiner Verteidigung und Förderung ist nicht alleiniges Vorrecht der Christen. Auch wenn es vom Glauben außerordentliches Licht und Kraft empfängt, gehört es jedem menschlichen Gewissen, das sich nach der Wahrheit sehnt und um das Schicksal der Menschheit bedacht und besorgt ist. Es gibt im Leben sicherlich einen heiligen und religiösen Wert, aber er betrifft keineswegs nur die Gläubigen: es geht in der Tat um einen Wert, den jeder Mensch auch im Lichte der Vernunft erfassen kann und der deshalb notwendigerweise alle betrifft. Unser Handeln als „Volk des Lebens und für das Leben“ verlangt daher, richtig ausgelegt und mit Sympathie aufgenommen zu werden. Wenn die Kirche die unbedingte Achtung vor dem Recht auf Leben jedes unschuldigen Menschen - von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Tod - zu einer der Säulen erklärt, auf die sich jede bürgerliche Gesellschaft stützt, „will sie lediglich einen humanen Staat fördern. Einen Staat, der die Verteidigung der Grundrechte der menschlichen Person, besonders der schwächsten, als ihre vorrangige Pflicht anerkennt“. <128> Das Evangelium vom Leben ist für die Gesellschaft der Menschen da. Für das Leben eintreten heißt zur Erneuerung der Gesellschaft durch den Aufbau des Ge- <128> Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer am Studienkongreß über „Das Recht auf Leben und Europa“ (18. Dezember 1987): Insegnamenti X,3(1987)1446. 754 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinwohls beitragen. Denn ohne Anerkennung und Schutz des Rechtes auf Leben, auf dem alle anderen unveräußerlichen Rechte des Menschen beruhen und sich entwickeln, läßt sich das Gemeinwohl unmöglich aufbauen. Noch kann eine Gesellschaft gesicherte Grundlagen haben, die - während sie Werte wie Würde der Person, Gerechtigkeit und Frieden geltend macht - sich von Grund auf widerspricht, wenn sie die verschiedensten Formen von Mißachtung und Verletzung des menschlichen Lebens akzeptiert oder duldet, vor allem, wenn es sich um schwaches oder ausgegrenztes Leben handelt. Nur die Achtung vor dem Leben kann die wertvollsten und notwendigsten Güter der Gesellschaft, wie die Demokratie und den Frieden, stützen und garantieren. Es kann in der Tat keine echte Demokratie geben, wenn nicht die Würde jeder Person anerkannt wird und seine Rechte nicht respektiert werden. Und es kann auch keinen wahren Frieden geben, wenn man nicht das Leben verteidigt und fördert. Daran erinnerte Paul VI.:, Jedes Vergehen gegen das Leben ist ein Attentat auf den Frieden, besonders wenn dabei die Sitten des Volkes verletzt werden [...]. Wo aber die Menschenrechte wirklich ernst genommen und öffentlich anerkannt und verteidigt werden, dort kann der Friede zu einer Atmosphäre werden, in der sich das soziale Zusammenleben glücklich und wirkungsvoll entwik-kelt“. <129> ^37 Paul VI., Botschaft zum Weltfriedenstag 1977: AA168( 1976)711-712. Das „Volk des Lebens“ freut sich, seinen Einsatz mit vielen anderen teilen zu können, so daß das „Volk für das Leben“ immer zahlreicher wird und die neue Kultur der Liebe und Solidarität wachsen kann zum wahren Wohl der Gesellschaft der Menschen. Schluß 102. Am Ende dieser Enzyklika kehrt der Blick unwillkürlich zum Herrn Jesus zurück, „der uns als Kind geboren worden ist“ (vgl. Jes 9,5), um in ihm „das Leben“ zu betrachten, „das offenbart wurde“ (1 Joh 1,2). Im Geheimnis dieser Geburt vollzieht sich die Begegnung Gottes mit dem Menschen und beginnt der Weg des Gottessohnes auf Erden, ein Weg, der im Verschenken seines Lebens am Kreuz seinen Höhepunkt erreichen wird: mit seinem Tod wir Er den Tod besiegen und für die ganze Menschheit zum Prinzip neuen Lebens werden. Maria, die Jungfrau und Mutter, war es, die „das Leben“ im Namen aller und zum Heil aller empfing. Sie steht also in engster persönlicher Beziehung zum Evangelium vom Leben. Die Zustimmung Mariens bei der Verkündigung und ihre Mutterschaft stehen am Ursprung des Geheimnisses des Lebens, das den Menschen zu schenken Christus gekommen ist (vgl. Joh 10,10). Durch ihre Aufnahme und ihre bereitwillige Fürsorge um das Leben des fleischgewordenen Wortes ist das Leben 755 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Menschen der Verdammnis des endgültigen und ewigen Todes entzogen worden. Darum ist Maria ,Mutter aller, die zum Leben wiedergeboren werden, genauso wie die Kirche, deren Vorbild sie ist. Sie ist Mutter jenes Lebens, von dem alle leben. Dadurch, daß sie das Leben gebar, hat sie jene zu neuem Leben erweckt, die von diesem Leben leben sollten“. <130> <130> B. Guerricus D‘Igny, In Assumptione B. Mariae, Sermo I, 2: PL 185, 188. Bei der Betrachtung der Mutterschaft Mariens entdeckt die Kirche den Sinn ihrer eigenen Mutterschaft und die Art, wie sie diese zum Ausdruck zu bringen berufen ist. Gleichzeitig enthüllt die Muttererfahrung der Kirche die tiefgründigste Sicht, um die Erfahrung Mariens als unvergleichliches Vorbild für die Aufnahme und Pflege des Lebens zu begreifen. „Es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet“ (Ojfb 12,1): die Mutterschaft Mariens und der Kirche 103. Die gegenseitige Beziehung zwischen dem Geheimnis der Kirche und Maria drückt sich deutlich im „großen Zeichen“ aus, wie es in der Offenbarung beschrieben ist: „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (12,1). In diesem Zeichen erkennt die Kirche ein Bild ihres Geheimnisses: auch wenn sie in die Geschichte eingetaucht ist, ist sie sich zugleich bewußt, daß sie diese übersteigt, insofern sie auf Erden den „Keim und Anfang“ des Reiches Gottes darstellt. <131> Dieses Geheimnis sieht die Kirche voll und beispielhaft in Maria verwirklicht. Sie ist die glorreiche Frau, in der der Plan Gottes mit größter Vollkommenheit ausgeführt werden konnte. <131> n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 5. Die „mit der Sonne bekleidete Frau“ - berichtet das Buch der Offenbarung - „war schwanger“ (12,2). Die Kirche ist sich voll dessen bewußt, daß sie den Retter der Welt, den Herrn Christus, in sich trägt und berufen ist, ihn der Welt zu schenken, indem sie die Menschen wieder zum Leben Gottes selbst erweckt. Sie kann jedoch nicht vergessen, daß diese ihre Sendung nur durch die Mutterschaft Mariens möglich geworden ist, die den empfangen und zur Welt gebracht hat, der „Gott von Gott“, „wahrer Gott vom wahren Gott“ ist. Maria ist wahrhaft Gottesmutter, die Theotokos, in deren Mutterschaft die von Gott jeder Frau eingeschriebene Berufung zur Mutterschaft auf die höchste Stufe erhoben wurde. So wird Maria zum Vorbild für die Kirche, dazu berufen, die „neue Eva“, Mutter der Glaubenden, Mutter der „Lebenden“ zu sein (vgl. Gen 3,20). Die geistige Mutterschaft der Kirche - auch dessen ist sich die Kirche bewußt -verwirklicht sich nur inmitten der Schmerzen und „Geburtswehen“ (Offb 12,2), d. h. in der ewigen Auseinandersetzung mit den Kräften des Bösen, die die Welt 756 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch weiterhin überziehen und im Widerstand gegen Christus das Herz der Menschen markieren: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt“ (Joh 1,4-5). Wie die Kirche, so mußte auch Maria ihre Mutterschaft im Zeichen des Leidens leben: „Dieser ... wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34-35). In den Worten, die am Beginn des Erdendaseins des Erlösers Simeon an Maria richtet, ist jene Ablehnung gegenüber Jesus und mit Ihm gegenüber Maria bildlich zusammengefaßt, die auf dem Kalvarienberg ihren Höhepunkt erreichen wird. ,3ei dem Kreuz Jesu“ (Joh 19,25) hat Maria teil an dem Sichverschenken ihres Sohnes: sie bietet Jesus dar, sie schenkt ihn, sie bringt ihn endgültig für uns zur Welt. Das „Ja“ vom Tag der Verkündigung gelangt am Tag des Kreuzes zur vollen Reife, als für Maria die Zeit kommt, jeden Menschen, der zum Jünger geworden ist, als Sohn aufzunehmen und zur Welt zu bringen, indem sie die erlösende Liebe des Sohnes über ihn ausgießt: „Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: ,Frau, siehe, dein Sohn!““ (Joh 19,26). „Der Drache stand vor der Frau ...; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war“ {Offb 12,4): das von den Mächten des Bösen bedrohte Leben 104. Im Buch der Offenbarung wird das „große Zeichen“ der „Frau“ (12,1) von „einem anderen Zeichen am Himmel“ begleitet: „einem Drachen, groß und feuerrot“ (12,3), der Satan verkörpert, die verderbenbringende Macht in Person, und zugleich alle Kräfte des Bösen, die in der Geschichte am Werk sind und sich der Sendung der Kirche widersetzen. Auch darin erleuchtet Maria die Gemeinschaft der Glaubenden: die Feindseligkeit der Kräfte des Bösen ist tatsächlich ein heimlicher Widerstand, der sich, ehe er die Jünger Jesu trifft, gegen seine Mutter richtet. Um das Leben des Sohnes vor denen zu retten, die ihn als eine gefährliche Bedrohung fürchten, muß Maria mit Josef und dem Kind nach Ägypten fliehen (vgl. Mt 2,13-15). Maria hilft so der Kirche, sich bewußt zu werden, daß das Leben immer im Mittelpunkt eines großen Kampfes zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis steht. Das Kind, das, „sobald es geboren war“ (Offb 12,4), will der Drache verschlingen; es ist die Gestalt Christi, den Maria, „als die Zeit erfüllt war“ (Gal 4,4), zur Welt bringt und den die Kirche beständig den Menschen der verschiedenen Epochen der Geschichte anbieten muß. Aber es ist in gewisser Weise auch die Gestalt jedes Menschen, jedes Kindes, besonders jedes schwachen und bedrohten Geschöpfes, denn - wie uns das Konzil erinnert - „der Sohn Gottes hat sich in seiner 757 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“. <132> Gerade im „Fleisch“ jedes Menschen offenbart sich Christus weiter und tritt in Gemeinschaft mit uns, so daß die Ablehnung des Lebens des Menschen in ihren verschiedenen Formen tatsächlich eine Ablehnung Christi ist. Das ist die faszinierende und zugleich anspruchsvolle Wahrheit, die uns Christus offenbart und die seine Kirche unermüdlich vorstellt: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf1 (Mt 18,5; „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). <132> PastoralkonsEitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. „Der Tod wird nicht mehr sein“ (Offb 21,4): die Herrlichkeit der Auferstehung 105. Die Verkündigung des Engels an Maria ist in die beruhigenden Worte eingeschlossen: „Fürchte dich nicht, Maria“ und „Für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,30.37). In Wahrheit ist die ganze Existenz der Jungfrau und Mutter eingehüllt von der Gewißheit, daß Gott ihr nahe ist und sie begleitet mit seinem sorgenden Wohlwollen. Das gilt auch für die Kirche, die „einen Zufluchtsort“ (Offb 12,6) in der Wüste findet, dem Ort der Prüfung, aber auch der Offenbarung der Liebe Gottes zu seinem Volk (vgl. Hos 2,16). Maria ist das lebendige Wort des Trostes für die Kirche in ihrem Kampf gegen den Tod. Indem sie uns auf den Sohn verweist, versichert sie uns, daß in Ihm die Kräfte des Todes bereits besiegt sind: „Tod und Leben, die kämpften unbegreiflichen Zweikampf; des Lebens Fürst, der starb, herrscht nun lebend“. <133> <133> Missale Romanum, Sequenz zum Ostersonntag. Das geschlachtete Lamm lebt mit den Zeichen der Passion in der Herrlichkeit der Auferstehung. Es allein beherrscht das ganze Geschehen der Geschichte: es öffnet deren „Siegel“ (vgl. Offb 5,1-10) und macht in der Zeit und über sie hinaus die Macht des Lebens über den Tod geltend. Im „neuen Jerusalem“, d. h. in der neuen Welt, auf die die Geschichte der Menschen gerichtet ist, wird „der Tod nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“ (Offb 21,4). Und während wir als pilgerndes Volk, als Volk des Lebens und für das Leben, vertrauensvoll auf „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Ojfb 21,1) zugehen, wenden wir den Blick auf sie, die für uns ,(Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes“ <134> ist. <134> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 68. O Maria, Morgenröte der neuen Welt, Mutter der Lebendigen, Dir vertrauen wir die Sache des Lebens an: 758 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN o Mutter, blicke auf die grenzenlose Zahl von Kindern, denen verwehrt wird, geboren zu werden, von Armen, die es schwer haben zu leben, von Männern und Frauen, die Opfer unmenschlicher Gewalt wurden, von Alten und Kranken, die aus Gleichgültigkeit oder angeblichem Mitleid getötet wurden. Bewirke, daß alle, die an deinen Sohn glauben, den Menschen unserer Zeit mit Freimut und Liebe das Evangelium vom Leben verkünden können. Vermittle ihnen die Gnade, es anzunehmen als je neues Geschenk, die Freude, es über ihr ganzes Dasein hinweg in Dankbarkeit zu feiern, und den Mut, es mit mühseliger Ausdauer zu bezeugen, um zusammen mit allen Menschen guten Willens die Zivilisation der Wahrheit und der Liebe zu errichten, zum Lob und zur Herrhchkeit Gottes, des Schöpfers und Freundes des Lebens. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 25. März 1995, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn, im siebzehnten Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. H Zugunsten des geschwisterlichen Dienstes an den anderen Kirchen Schreiben zur 400-Jahr-Feier der Union von Brest-Litowsk an Myroslav Ivan Kardinal Lubachivsky, Großerzbischof von Lviv der Ukrainer, vom 25. März An unseren verehrten Bruder Myroslav Ivan Kardinal Lubachivsky, Großerzbischof von Lviv der Ukrainer 1. Mit großer Freude habe ich die Nachricht erhalten, daß die Bischofssynode der Ukrainischen Kirche im Jahre 1996 die 400-Jahr-Feier der Union von Brest-Litowsk mit einem Jubiläum begehen will, um Gott für das Geschenk der Einheit zu danken und seine Hilfe für die Zukunft zu erflehen. Im gleichen Jahr wird auch das Gedächtnis an die 350 Jahre seit dem Bestehen der Union von Uzhorod gefeiert, die ebenfalls der Tradition von Konstantinopel folgt. Daher werden die beiden 759 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN katholischen byzantinischen Eparchien der Region besonders verbunden sein bei den Feiern dieser beiden historischen Ereignisse, die damals die von den Hierarchen mit ihren Eparchien gegebene Antwort bildeten, nämlich: die von Christus für die Glieder seiner Kirche gewollte Einheit sichtbar zu leben. 2. Was 1595-1596 für die Metropolitankirche Kiew und 1646 für die Eparchie Mukacevo geschah, nämlich der Beschluß, nach den Wechselfällen der vorausgegangenen Jahrhunderte die Beziehungen zu diesem Apostolischen Stuhl wieder aufzunehmen, hatte zur Folge, daß diese Kirchen nicht nur den Schatz ihrer eigenen Traditionen beibehielten, sondern daß sie auch die Universalkirche mit ihren Werten bereicherten, so daß diese sich, wie der Psalm 45 sagt, „in vestibus varie-gatis“ (Ps 45,15) darstellt. 3. Heute bedeutet die Feier dieses historischen Ereignisses, die unmittelbare Quelle dessen zu betrachten, was die griechisch-katholische Kirche vierhundert Jahre lang leben sollte, um der an sie ergangenen Berufung zu entsprechen. Es hat in diesen vier Jahrhunderten nicht gefehlt an Schwierigkeiten, Mißverständnissen und Widerständen, ja manchmal bis hin zu Verfolgungen. Aber das Bekenntnis des Glaubens und der Einheit mit dem Sitz des Petrus, das die beiden Bischöfe Cyrill Terleckyj und Hypatius Pociej am 23. Dezember 1595 im Vatikan im Namen des Metropoliten Michael III. von Kiew und aller Bischöfe seiner Metropolie aussprachen, wurde die Jahrhunderte hindurch von den Bischöfen, Priestern, Or-densmännem, Ordensfrauen und Laien treu aufrechterhalten, auch auf Kosten ihres eigenen Lebens. Auch wenn es sogar innerhalb der katholischen Kirche nicht an Mißverständnissen gefehlt hat, so findet doch heute die Standhaftigkeit in der Verteidigung der eigenen Identität neue Gründe zur Entfaltung eines intensiven Apostolats in der kirchlichen Erneuerung. 4. Darum, verehrter Bruder, lade ich alle Hierarchen und Gläubigen der ukrainischen Kirche - sowohl in der Ukraine selbst wie in der Diaspora - ein, dieses Jubiläum zu einer Zeit der Gnade zu machen: einer Zeit der persönlichen und gemeinschaftlichen Bekehrung, einer Zeit der Versöhnung innerhalb der katholischen Kirche und mit den anderen Kirchen, einer Zeit der Vergebung und der Buße, zu einer Zeit des Dankes für die trotz der Verfolgungen aufrechterhaltenen Treue, einer Zeit intensiveren Suchens nach der Treue zu Christus. 5. Da ich über die Höhepunkte der Jubiläumsfeierlichkeiten informiert wurde, möchte ich Sie, verehrter Bruder, und alle Hierarchen der ukrainischen Kirche auf fordern, keine Mühe zu scheuen, damit diese Feierlichkeiten Ansporn und Mittel seien hin zur Einheit mit unseren Brüdern und Schwestern den orthodoxen Kirchen und der anderen christlichen Gemeinschaften. Das Geschenk der Einheit darf nicht Anlaß zur Entzweiung und noch weniger zu neuen Gegensätzlichkeiten werden, besonders im Hinblick auf den historischen Augenblick, wo die ukrainische Kirche ihre eigene Existenz in der Ukraine wiedergewinnen konnte. Die ge- 760 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schichtlichen Wechselfälle in diesen Ländern sind für die Kirche eine Aufforderung, sich nicht von Polemiken mitreißen zu lassen, aus denen Spaltung und Vernichtung hervorgehen. Mögen darum die kommenden Jubiläumsfeiern eine Anregung zu neugefestigter kirchlicher Identität sein zugunsten eines besseren und zunehmend geschwisterlichen Dienstes an den anderen. Ich möchte hoffen, daß unsere orthodoxen Brüder und Schwestern und die von anderen christlichen Gemeinschaften sich zu eigen machen könnten, was das Zweite Ökumenische Vatikanische Konzil von der Gnade des Heiligen Geistes sagt, die in den Herzen aller Christen wirkt, und daß sie erkennen: Alles, „was wahrhaft christlich ist, steht niemals im Gegensatz zu den echten Gütern des Glaubens, sondern kann immer dazu helfen, daß das Geheimnis Christi und der Kirche vollkommener erfaßt werde“ (Unitatis redintegratio, Nr. 4). 6. Die ökumenische Berufung der Kirche ruft euch insbesondere auf, Forschungstätigkeit, Symposien, Veröffentlichungen und andere wissenschaftliche Arbeit (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 14) bezüglich der Union von Brest-Litowsk in den Dienst der Einheit zu stellen. In ähnlicher Weise sodann auch die Prüfungen -unter ihnen auch die Unterdrückung der ukrainischen Kirche unter kommunistischer Verfolgung -, die den Heroismus so vieler Hirten und Gläubigen erwiesen haben. Die zahlreichen Märtyrer und Bekenner des Glaubens geben Zeugnis dafür. Ihr Opfer war für die ganze Kirche, vor allem aber gewiß für die ukrainische Kirche, eine Quelle erneuter Treue zu Christus und seiner Kirche. 7. Während des Jubiläums wird es nicht an Gebetsveranstaltungen, geistlichen Exerzitien, Pfarrmissionen und Akten der Buße fehlen, die zur beständigen persönlichen Bekehrung der einzelnen und der Kirche führen sollen. Auf dieses Ziel hin sollen alle katholischen Gläubigen in der ganzen Welt sich der Jubiläumsfeier der Union von Brest-Litowsk anschließen, um geistlichen Gewinn daraus zu ziehen. Vor allem sollen die Feierlichkeiten in den ukrainischen Eparchien der Diaspora wie Lichter erstrahlen, die die Vitalität eurer Kirche zeigen, damit sie besser bekannt und unterstützt werde und sich zum Wohl aller entfalte, damit alle mit euch und für euch dem Herrn danken können für das Geschenk der treu gelebten Einheit. 8. Die Nähe des Jubiläums von Brest-Litowsk läßt die Hoffnung wachsen, daß dieses der ukrainischen Kirche neuen Schwung gebe in ihrer besonderen Berufung, Zeuge für die Einheit und Erbauer der Einheit aller Christen unter den slawischen Völkern zu sein. Die von allen Christen unter der kommunistischen Verfolgung ertragenen Leiden fordern noch mehr dazu auf, „miteinander die Zukunft zu teilen, die sich mit vielversprechenden Zeichen der Hoffnung auftut“ (Schreiben an die Bischöfe des europäischen Kontinents über die Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen im neuen mittel- und osteuropäischen Kontext, Nr. 2). 761 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. Diese meine Gedanken über das kommende Jubiläum der Union von Brest-Li-towsk möchte ich mit Ihnen, verehrter Bruder, teilen, und im Gebet vereine ich mich mit allen Hierarchen und Gläubigen, um von Christus, dem Erlöser, überreiche Gnaden auf Ihre ganze Kirche herabzurufen. Sodann empfehle ich alle Gemeinschaften der Kirche in der Ukraine und in der Diaspora dem mütterlichen Schutz der Theotokos. 10. Als Unterpfand zu einem glücklichen Verlauf des kommenden Jubiläums erteile ich Ihnen, verehrter Bruder, und allen Hierarchen und Gläubigen Ihrer geliebten Kirche einen von guten Wünschen getragenen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 25. März 1995 Joannes Paulus PP. II Neue Lebenskräfte aus der Einheit Schreiben zur 350-Jahr-Feier der Union von Uzhorod an den Bischof von Mukacevo, Ivan Semedi, vom 25. März An unseren verehrten Bruder Ivan Semedi, Bischof von Mukacevo 1. Die Nachricht, daß im kommenden Jahr das Gedächtnis an die vor 350 Jahren stattgefundene Union von Uzhorod feierlich begangen wird, hat mich mit großer Freude erfüllt, denn das ist ein neues Zeichen der tiefen Anhänglichkeit der katholischen Ruthenen an den Sitz des Petrus. 2. Die Union, die am 2. April 1646 in der Kirche von Schloß Uzhorod von dreiundsechzig Priestern der Eparchie Mukacevo durch das vor dem lateinischen Bischof von Eger ausgesprochene Glaubensbekenntnis geschlossen wurde, folgte den von den Konzilien von Lyon und Florenz gegebenen Anregungen. Sie fand fünfzig Jahre nach der Union von Brest-Litowsk statt, deren 400-Jahr-Feier im nächsten Jahr begangen wird. So finden sich alle Katholiken der Region heute in besonderer Weise vereint, um Gott für das Geschenk der katholischen Einheit zu danken. Wenn auch der an jenem Tag ausgestreute Same Zeit gebraucht hat, um sich auszubreiten, so war doch die Errichtung der Eparchie Mukacevo im Jahre 1771 gewissermaßen die Wiege, aus der die Eparchien Presov, Hadjüdorog und Krizevci hervorgingen. Wegen der starken Auswanderung in die Vereinigten Staaten wurde dann die Metropolie Pittsburg der Byzantiner gegründet mit den Sufragansitzen Passaic, Parma und Van Nuys. 762 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Gedächtnisfeier der Union von Uzhorod wird nun die geschichtlichen Bande zwischen allen Eparchien festigen. Diese Eparchien sind gleichsam ihre Zweige, die eine neue Blüte des Baumes versprechen, der seine Wurzeln in den fruchtbaren Boden der katholischen Einheit gesenkt hat. So wird die ruthenische Gemeinschaft neu gestärkt, um „mit frischer apostolischer Kraft die ihr anvertraute Aufgabe zu meistern“ (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 1) und insbesondere die Einheit aller Christen zu fördern. „Dieser Aufgabe dienen vor allem ihre Gebete, das Beispiel ihres Lebens, die ehrfürchtige Treue gegenüber den alten ostkirchlichen Überlieferungen, eine bessere gegenseitige Kenntnis und Zusammenarbeit sowie brüderliche Wertschätzung des äußeren und inneren Lebens der anderen“ (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 24). Die Betonung der eigenen Identität will ein Prüfstein dafür sein, wieviel Raum die Universalkirche für die verschiedenen Traditionen hat. Wenn ein gewisses Rühmen gestattet ist, dann gilt es der im Dienst der Bewahrung des Glaubens voll gewahrten Treue gegenüber dem eigenen Erbe, es gilt der durch die Prüfungen erstarkten Hoffnung und der mehr und mehr zunehmenden Liebe. 4. Ich habe keinen Zweifel, daß daher die Jubiläumsfeiern eine Gelegenheit sein werden, über die Anfänge der ruthenischen Gemeinschaft nachzudenken und ihre glückliche Entwicklung im Lauf der Jahrhunderte festzustellen, um mit neuem Schwung den Herausforderungen der Welt von heute entgegenzutreten. Mit Hilfe einer neuen Evangelisierung wird man die Werte des Glaubens neu entdecken können, die seit vielen Jahren durch den ideologischen und praktischen Materialismus an Leuchtkraft eingebüßt hatten. Die wiedergewonnene bürgerliche Freiheit allein genügt nicht, um eine wahre innere Freiheit zu garantieren, denn diese erfordert ein beharrliches Bemühen um persönliche und kirchliche Bekehrung. Insbesondere sollten die Familien, die es verstanden haben, ihre im kulturellen Erbe der unteren Karpaten verwurzelten Überheferungen weiterzugeben, heute wieder neu ihre christliche Berufung erfüllen und den jungen Generationen die ewigen religiösen Werte ihres Glaubens übermitteln, getreu ihrer Berufung als „Hauskirchen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). 5. Für Sie, verehrter Bruder, und für alle katholischen Ruthenen möge das kommende Jahr ein Ansporn zu neuen Initiativen sein, damit Ihren Gemeinschaften aus dem ihnen zuteil gewordenen Geschenk der Einheit neue Lebenskräfte erwachsen. Diese Einheit wird in erster Linie im Innern jeder Eparchie bei ihren Priestern, Ordensleuten und Laien neue Kraft gewinnen. Die Zugehörigkeit zur Einheit der Gesamtkirche ruft sodann auf zum Austausch der Gaben mit den anderen Teilkirchen, vor allem mit jenen in den Nationen, in denen die ruthenischen Gemeinschaften fest Wurzel gefaßt haben. Es wäre mein Wunsch, daß auch diese Kirchen sich mit euren Feiern verbinden könnten, um dem Herrn für die 350 Jahre in der Einheit der katholischen Kirche zu danken. 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Schließlich vertraue ich auch darauf, daß dieses Jubiläumsjahr ein bedeutsamer Schritt auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 hin ist, wo alle christlichen Kirchen mit größerer Aufmerksamkeit auf den Herrn hören werden, damit sie mit vermehrter Treue in einem neuen Aufbruch der Bekehrung seinem Willen entsprechen, wie die Offenbarung des Johannes mahnt (vgl. Offb 1-3). 7. Als Unterpfand dafür, daß der Herr die kommenden Jubiläumsfeiern mit überreichen Gnaden beschenke, erteile ich Ihnen, den Weihbischöfen, den Priestern, Ordensleuten und Laien der Eparchie Mukacevo wie auch den Hirten und Gläubigen der anderen ruthenischen Eparchien mit meinen besten Wünschen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 25. März 1995 Joannes Paulus PP. II Vorbereitung auf die Verkündigung des Evangeliums in einem Land, das noch immer unter den Nachwirkungen eines totalitären Systems und den Wunden des Krieges leidet Ansprache bei der Audienz für die Seminaristen des Priesterseminars von Djakovo in Kroatien am 3. April Liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt, hebe Seminaristen! 1. Mein herzlicher Willkommsgruß gilt zunächst Ihnen, Monsignore Ciril Kos, Bischof der Diözese Djakovo und Srijem, und Ihrem Auxiliarbischof, Monsignore Marin Srakic. Herzlich begrüße ich sodann auch euch, für die Ausbildung verantwortlichen Priester, und euch alle, liebe Seminaristen, war es doch euer sehnlichster Wunsch, den Nachfolger Petri „von Angesicht zu Angesicht“ zu sehen. Euer Seminar besitzt eine reiche geistliche Tradition und hat zahlreiche Priester hervorgebracht, die sich durch pastoralen Eifer, durch Heiligkeit und durch ihren Dienst an Kirche und Gesellschaft ausgezeichnet haben. 2. Ich danke euch als Erziehern für den Einsatz, mit dem ihr das Wachsen der jungen Menschen im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe begleitet. An Euch, Seminaristen, geht meine Aufforderung: Bewahrt euch unversehrt die Freude und die Begeisterung, mit der ihr auf den Ruf Jesu geantwortet habt, und bereitet euch mit Großmut auf die Sendung als Hirten des Volkes Gottes, als Diener an seinem Wort und seinen Sakramenten vor. Der Herr beruft euch zu Gnaden-spendem für die Menschen unserer Zeit. 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr bereitet euch darauf vor, das Evangelium des Heils und des Friedens in dem besonderen Umfeld eures Landes zu verkünden, das zwar vor kurzem ein totalitäres atheistisches System hinter sich gelassen hat, aber noch immer unter den materiellen und geistigen Wunden des Krieges leidet, der leider noch nicht beendet ist. Deshalb ist es wichtig, sich nun den echten Geist des Evangeliums anzueignen und, von entsprechender menschlicher Reife getragen, zu einer tiefen Verbundenheit mit Christus zu gelangen. 3. Mit einem besonderen Gedanken wende ich mich an euch, hochgeschätzte Obere und Professoren: Euch obliegt die keineswegs leichte Aufgabe, die Diener des von Christus im Ostergeheimnis gewirkten Heils auszubilden. Ich ermutige euch dazu, mit vollem Einsatz den erzieherischen, menschlichen und geistlichen Anforderungen der jungen Männer zu entsprechen. Zusammen mit den theologischen und humanistischen Kenntnissen sollt ihr an sie vor allem das eifrige Bemühen um die Seelen, das Engagement in der persönlichen Heiligkeit, die Treue zur Berufung durch den Herrn weitergeben. Auf diese Weise können sie zu echten Seelenhirten werden, die den Aufgaben und Erwartungen der Kirche und der Welt gewachsen sind. 4. Meine Lieben, in euch möchte ich heute dem Klerus, den Ordensmännem, Ordensfrauen und Gläubigen eurer geliebten Diözese von Djakovo und Srijem und ganz besonders den Flüchtlingen und Vertriebenen begegnen und sie alle grüßen. Während ich einen jeden von ihnen Maria, der Mutter Christi und Mutter der Kirche, anvertraue, erteile ich allen von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Gelobt seien Jesus und Maria! Aus den guten Beziehungen zur armenischen Kirche sollte eine aktivere Zusammenarbeit erwachsen Botschaft an den neuen Katholikos aller Armenier, Karekine Sarkissian, zu dessen Inthronisation am 9. April in Etschmiadzine (Armenien), vom 5. April An Seine Heiligkeit den Katholikos und Patriarchen aller Armenier Mit Freude übersende ich Ihnen anläßlich Ihrer Wahl und Ihrer Inthronisation als oberster Katholikos aller Armenier meine aufrichtigen Glückwünsche. Möge die Heilige Dreifaltigkeit Sie persönlich beschützen und Ihrem neuen Hirtenamt apostolische Früchte in Fülle schenken! Es liegt mir auch viel daran, Ihnen zu sagen, wie sehr die Kirche von Rom im Geiste und durch ihr inbrünstiges Gebet an der geistlichen Freude teilnimmt, die in diesem Augenblick sicherlich unter den Gläubigen des Heiligen Sitzes des Katholikates Etschmiadzine herrscht. Allen 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Söhnen und Töchtern der armenisch-apostolischen Kirche sende ich gleichfalls meinen herzlichen Gruß; ich bitte Gott, sie in ständiger Treue zu ihrer christlichen Identität zu bewahren. An diesem Festtag ist die Erinnerung an die Segenswünsche Ihres ehrwürdigen Vorgängers, Seiner Heiligkeit Vasken I., in meinem Gebet gegenwärtig. Ich werde nie vergessen, daß durch seine Entscheidung, Beobachter zum II. Vatikanischen Konzil zu entsenden, die Beziehungen zwischen dem Katholikat Etschmiadzine und der katholischen Kirche eine neue Wendung genommen haben. Noch enger geworden ist diese Annäherung seit dem denkwürdigen Besuch, den der betrauerte Katholikos im Mai 1970 Papst Paul VI. abstattete. Im Verlauf dieser Begegnung Unterzeichneten die beiden Kirchenoberhäupter eine wichtige gemeinsame Erklärung. Seit diesem Zeitpunkt gibt es immer wieder gegenseitige Besuche von Delegationen unserer beiden Kirchen, um diese Bande der Einheit zu vertiefen, die uns eines Tages um denselben Tisch des eucharistischen Mahles versammeln sollen. Während ich dieser hoffentlich nicht mehr allzu fernen Zeit entgegensehe, erfüllt mich der lebhafte Wunsch - der sich gewiß mit dem euren trifft -, nicht nur dieses gute Verhältnis zwischen unseren Kirchen aufrechtzuerhalten, sondern auch unsere Beziehungen zu intensivieren und aktiver zusammenzuarbeiten. In dem jüngsten Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente an die Bischöfe, Priester und Gläubigen zur Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2000 habe ich dem Wunsch Ausdruck gegeben, die Christen mögen am Ende des zweiten Jahrtausends, wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auf-treten können, einander sehr nahe zu sein (vgl. Nr. 34). Und damit „die Einheit zwischen allen Christen der verschiedenen Konfessionen bis hin zur Erlangung der vollen Gemeinschaft wachsen möge“, habe ich den Wunsch ausgesprochen, „daß das Jubiläum die geeignete Gelegenheit für ein fruchtbares Zusammenwirken im gemeinsamen Tun all der vielen Dinge sei, die uns einen und die sehr viel mehr sind als diejenigen, die uns trennen. Wie sehr wäre es in dieser Hinsicht hilfreich, wenn in Anerkennung der Programme der einzelnen Kirchen und Gemeinschaften eine ökumenische Verständigung über die Vorbereitung und Verwirklichung des Jubiläums erreicht würde: Diese würde so vor der Welt noch mehr Kraft gewinnen in der Bezeugung des entschiedenen Willens aller Jünger Christi, möglichst bald die volle Einheit zu erreichen in der Gewißheit, ,daß bei Gott nichts unmöglich ist.*“ (ebd., Nr. 16) Diese Gewißheit von der „Macht“ des Vaters wird in aufsehenerregender Weise offenbar zu Ostern, in der Auferstehung seines Sohnes: der Tod ist besiegt, er wurde verschlungen vom Sieg Christi (vgl. 1 Kor 15,54). Dieses Ereignis, das den Jüngern vor bald zweitausend Jahren widerfuhr, hat sich ihnen tief eingeprägt, und niemand hat es seitdem auszulöschen vermocht. Das ist heute noch immer unser Glaube, das ist unsere Hoffnung, das ist die Quelle unserer Freude, der österlichen Freude, die uns geschenkt ist und die wir gemeinsam vor der Welt verkünden: Christus ist wirklich auferstanden, Halleluja! 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem Bewußtsein und mit einem erneuten Vertrauen in die außerordentliche Kraft des Geistes Gottes versichere ich Sie, teurer Bruder, meiner tiefen brüderlichen Liebe. Aus dem Vatikan, am 5. April 1995 Joannes Paulus PP. II Der hl. Philipp Neri - Vorbild für die Jugend Roms Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen der Diözese Rom am 6. April „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ {Joh 20,21). 1. Liebe Jugendliche von Rom! Diese Worte des auferstandenen Christus stehen im Mittelpunkt der Botschaft zum neunten und zehnten Weltjugendtag. Ich danke euch, weil ihr diese Worte auch heute bei unserer Zusammenkunft habt erldingen lassen. Ich grüße die Jugendlichen aus den Philippinen, die in Rom ansässig sind und die uns durch den Gesang des Liedes des Weltjugendtages von Manila mit dem Geist und dem Herzen zu jenen unvergeßlichen Stunden, die wir in ihrer Heimat verbracht haben, zurückgeführt haben. Ich danke auch den Jugendlichen, die uns eine musikalische Szene über die Gestalt des hl. Philipp Neri dargeboten haben. Ihr habt gut daran getan, Philipp Neri zum Hauptdarsteller dieses Treffens zu wählen, nicht nur weil sich dieses Jahr sein Todestag zum vierhundertsten Male jährt, sondern weil sein Zeugnis uns hilft, über das Wort Jesu zu meditieren und es zu verstehen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ In der Tat hat der hl. Philipp Neri diese Botschaft mit Glaubwürdigkeit in seinem Rom erlebt, dem Rom des 16. Jahrhunderts, einer Stadt, die von Krieg, Hunger und den Krankheiten des Leibes und des Geistes gezeichnet war. Ein Rom, das anders war als unseres, das aber dem, in dem wir heute leben, in vielerlei Hinsicht ähnelt. Heutzutage bietet das Leben in Rom sicherlich viele positive Aspekte: Feingefühl, Verhaltensweisen und Initiativen, die dem Vertrauen und der Hoffnung eine Tür öffnen. Aber die Einsamkeit lastet auf den älteren Leuten und oft auch auf den jungen. Vielleicht hat Rom nicht genügend Vertrauen in seine eigene Zukunft und investiert nicht genug in dieser Hinsicht. Vielleicht glaubt die Stadt nicht genügend an das „Evangelium vom Leben“; an das Heil, das von Gott kommt. In seinem Rom hat der hl. Philipp Neri bei den Jugendlichen einen Neuanfang gemacht, und so ist es auch in unserem Rom nötig, bei den Jugendlichen wiederzubeginnen. 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Der hl. Philipp Neri begann damit, mit den jungen Leuten Bande wahrer Freundschaft zu knüpfen, die aus persönlichem Kennenlemen und dem aufmerksamen Zuhören eines jeden bestand. Er erhellte ihren Geist mit der Verkündigung der Wahrheit Christi und riet allen zur Verehrung des Altarsakramentes, zur Nächstenliebe und zur spirituellen Ausrichtung. Mit den jungen Leuten baute er das Herz der Stadt wieder auf, indem er sie beständig dazu aufforderte, in Heiligkeit zu leben und zu diesem Zweck die Kunst, die Musik und den Besuch der Denkmäler des christlichen Rom zu verwerten; all dies sollte erfüllt sein mit Freude und Gebet. Liebe Freunde, was nämlich ist die Heiligkeit, wenn nicht die freudige Erfahrung der Liebe Gottes und der Begegnung mit Ihm im Gebet? Heilig sein bedeutet, in tiefer Gemeinschaft mit dem Gott der Freude zu leben, ein Herz zu besitzen, das frei von Sünde und den Traurigkeiten der Welt ist, und eine Intelligenz zu haben, die sich Ihm unterordnet. 3. Liebe Jugendliche, Gott hat den Menschen für die Freude erschaffen, ich möchte sage, er hat vor allem euch für die Freude geschaffen. Gott ist Freude, und in der Lebensfreude findet sich der Abglanz der ursprünglichen Freude, die Gott bei der Erschaffung des Menschen erfüllte. Verbreitet diese Freude in Rom! Ich möchte daß heute abend, unter uns, die Worte des Propheten Jesaja erschallen: „Tröstet, tröstet mein Volk ... Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, daß ihr Frondienst zu Ende geht“ ([Jes 40,1-2). Der hl. Philipp Neri hat diese Worte verwirklicht, er hat jene zu trösten verstanden, die Sklaven waren oder Gefangene von falschen Vorbildern für das Leben, indem er ausrief, daß die wirkliche Freiheit in Christus ist und daß die Sklaverei der Sünde und des Todes erst dann endet, wenn der Mensch Christus in seinem Leben aufnimmt. 4. Liebe Jugendliche, heute ist hier die Kunstform des Oratoriums zur Anwendung gekommen: indem sie ihre Talente vereinten, haben die Jugendlichen verschiedener Pfarreien und Gruppen - Künstler, Tänzer, Musiker, Sänger und Schauspieler - eine konkrete Art der Evangelisierung vorgestellt. Ihr alle könnt dies tun, da die Evangelisierung in das kulturelle Erleben einer Gemeinschaft eingegliedert werden muß. Denn was ist die Kultur, wenn nicht jener Komplex von Kenntnissen, Werten, Traditionen und Lebensarten, die für ein bestimmtes Volk oder die ganze Menschheit typisch sind? Die Kultur ist das Leben der Menschen selbst. Wenn also ein jeder von euch sich dafür einsetzt, die ihm von Gott geschenkten Fähigkeiten zu entwickeln, werdet ihr zu Verkündern des Wortes Gottes, die dazu in der Lage sind, die Kultur unserer Stadt anzuregen. Auch der bevorstehende Kongreß der Universitätsstudenten über das Thema „Zeugen des Evangeliums an der Universität“; der am 6. Mai an der Universität ,JLa Sapienza“ stattfinden wird, will euch darauf vorbereiten. 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Junge Leute von Rom, laßt in euch die Worte Jesu wieder erklingen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Nehmt sie auf, so wie es der hl. Philipp Neri in jener Pfingstnacht in den Katakomben von San Sebastiano tat. Er wurde zum Apostel von Rom, zum zweiten Schutzheiligen Roms! Tragt die Freude des auferstandenen Christus nach Rom! 5. Schließlich: auf Wiedersehen in Loreto, beim Heiligen Haus von Nazaret, wo vom 6. bis 10. September ein großes Treffen der Jugendlichen Europas stattfinden wird. Von der heiligsten Jungfrau Maria werden wir alle zusammen lernen, im Gehorsam des Glaubens Christus in unserem Leben aufzunehmen. Zu diesem Treffen, bei dem der Papst nicht fehlen kann, erwarte ich euch alle. Also dann: auf Wiedersehen in Loreto und inzwischen Frohe Ostern für jeden von euch. Ich danke und segne all jene, die diese Zusammenkunft organisiert haben: die Mitglieder der „Diözesandienststelle für Jugendpastoral“ und euch alle, die ihr als Hauptpersonen daran teilgenommen habt. Überbringt euren Altersgenossen in den verschiedenen Pfarreien der Stadt den Gruß des Papstes und sagt ihnen:, Am Donnerstag haben wir den Papst getroffen.“ Es war wirklich schön, alle zusammen die Gegenwart Christi unter uns zu erfahren. Tragt meinen Gruß und meinen Segen auch zu euren Familien, euren Freunden und allen Menschen, denen ihr begegnen werdet. Einsatz für die katholische Soziallehre Grußwort an die Teilnehmer eines interdisziplinären Kolloquiums der Universität Augsburg am 8. April Liebe Professoren, Assistenten und Mitarbeiter der Universität Augsburg! Anläßlich Ihres interdisziplinären sozialpolitischen Kolloquiums in Rom heiße ich Sie im Vatikan herzlich willkommen. Mein Dank gilt Ihnen allen für diese Initiative kollegialer, fächerübergreifender Gesprächskontakte. Sie tragen Verantwortung im akademischen, teilweise auch im gesellschaftspolitischen Bereich. Das Kolloquium sollte auch eine Einladung sein, die Auswirkung zweier Extremantworten auf das tägliche Leben von Millionen von Menschen hinsichtlich der Wirtschafts- und Sozialordnung zu bedenken: auf der einen Seite ein ungezügelter Kapitalismus, der die Macht, den Profit und den Kult einer oft seelenlosen Effizienz über alle anderen Erwägungen stellt, und auf der anderen Seite die gefährliche Illusion, daß es eine materialistische und wesentlich atheistische ideologische Lösung sozialer Probleme gäbe. Ich vertraue darauf, daß Ihre Gespräche dazu beitragen, das feste Fundament der katholischen Soziallehre, ihre zutiefst menschliche Dimension und den Geist des Evangeliums, der sie inspiriert, noch mehr schätzen zu lernen. Die Verantwortungsträger in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur müssen sich der tiefen 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wurzeln der Menschlichkeit wieder neu bewußt werden, nämlich der Frage nach dem Sinn und dem Ziel. Wenn der Mensch aus einer geistigen Mitte lebt und sich aus dieser Mitte für die Mitarbeit an der Lösung der großen Menschheitsaufgaben verantwortlich weiß, dann läßt er sich auch nicht enttäuschen und verbittern, weil er immer aus der Hoffnung lebt. In meiner jüngsten Enzyklika Evangelium vitae habe ich es als dringend notwendig bezeichnet, „das Vorhandensein wesentlicher, angestammter menschlicher und sittlicher Werte wiederzuentdecken, die der Wahrheit des menschlichen Seins selbst entspringen und die Würde der Person zum Ausdruck bringen und schützen: Werte also, die kein Individuum, keine Mehrheit und kein Staat je werden hervorbringen, verändern oder zerstören können, sondern die sie nur anerkennen, achten und fördern werden müssen“ (Nr. 71). Auch der noch so moderne technologische Fortschritt darf in keiner Weise den dem Menschen eigenen Bereich zunichte machen. Die Arbeit kann nie zu einer einfachen Sache herabgewürdigt noch darf der arbeitende Mensch auf die Ebene eines Rades am Triebwerk der Produktionsmaschinerie degradiert werden. Um sittliche Leitbilder aufzubauen und zu erhalten, bedarf es einer Sicht vom Menschen, die der Gerechtigkeit verpflichtet ist und die seine Würde in glaubwürdigem Handeln ausweist. Während ich Ihnen meine Dankbarkeit für die Durchführung Ihres Kolloquiums in Rom und Ihren Beitrag zur Verbreitung der katholischen Soziallehre ausspreche, erteile ich Ihnen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Pilgerschaft - auf dem Weg zum Vater sein Predigt zum 10. Weltjugendtag an Palmsonntag, 9. April „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn“ (Lk 19,38). 1. Heute, am Passions- oder Palmsonntag, wollen wir Dich, Herr Jesus Christus, als einen Pilger grüßen. Du kommst nach Jerusalem, kommst zum Paschafest, kommst, von vielen anderen Pilgern umgeben. Im Alten Bund bewahrte Israel stets das Andenken an seinen Pilgerweg durch die Wüste unter Führung des Mose im Gedächtnis. Es war eine entscheidende Erfahrung für Israel, das von Gott aus der Knechtschaft Ägyptens zum Dienst des Herrn geführte Volk (vgl. Dtn 26,1-11). Mose ließ sein Volk beim Auszug den Weg durch das Rote Meer nehmen und führte es auf einer vierzig Jahre dauernden Wanderung in das verheißene Land. Als die Israeliten sich dann in ihrem von Gott zugewiesenen Land niedergelassen hatten, wurde die Erinnerung an den Weg durch die Wüste zu einem lebendigen, dynamischen Teil ihrer Gottesverehrung. Es war bei den Juden üblich, zu verschiedenen Gelegenheiten nach Jerusalem zu pilgern, vor allem aber zum Paschafest. Auch Jesus kam in den Tagen vor dem 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Osterfest als Pilger dorthin, als Pilger des „Palmsonntags“. Und wir, die wir hier auf dem Petersplatz versammelt sind, grüßen ihn als den heiligsten Pilger, der unserem Pilgern endgültigen Sinn gibt. 2. Hat nicht schon der erste Pilgerweg des zwölfjährigen Jesus von Nazaret nach Jerusalem diese Erfüllung angekündigt? Als er damals mit seiner Mutter und Josef in die Heilige Stadt gekommen war, fühlte er sich berufen, im Tempel zu bleiben, um den Lehrern „zuzuhören und ihnen Fragen zu stellen“ (vgl. Lk 2,46) über die Dinge Gottes. Diese erste Wallfahrt nach Jerusalem verband ihn tief mit der Sendung, die sein ganzes Leben kennzeichnen sollte. Es ist also nicht zu verwundern, daß er, als Maria und Josef ihn im Tempel wiederfanden, auf die vorwurfsvolle Frage der Mutter die bezeichnende Antwort gab: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49). In den Jahren nach diesem geheimnisvollen Geschehen stieg Jesus als junger und dann als reifer Mann viele Male den Pilgerweg nach Jerusalem hinauf. Bis er an dem Tag, den wir heute feiern, sich zum letzten Mal dorthin begab. Die Wallfahrt des Palmsonntags war also eine messianische Pilgerfahrt im vollen Sinn. Bei ihr erfüllten sich die Weissagungen der Propheten, besonders die des Sacharja, der den Einzug des Messias in Jerusalem voraussagt, wie er auf dem Fohlen einer Eselin reitet (vgl. Sach 9,9), umgeben von einer jubelnden, „Hosanna“ rufenden Menschenmenge, die in ihm den Gesandten des Herrn erkannte. Deshalb nämlich breiteten die Jünger und die Leute an dem Weg, den Jesus nahm, ihre Mäntel auf der Straße aus, streuten Palm- und Olivenzweige und grüßten ihn, indem sie in heller Begeisterung mit Worten voll Glauben und Hoffnung sangen: „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn!“ (Lk 19,38). Das geschah vor dem Osterfest. Wenige Tage darauf sollten die begeisterten Freudenrufe, die Christus, den Pilger, beim Einzug in die Heilige Stadt begleitet hatten, sich in ein wildes Geschrei verwandeln: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn!“ (Lk 23,21). 3. Wir haben soeben den Bericht über die Passion des Herrn nach dem hl. Lukas gehört. Wir wissen, daß Jesus von Nazaret heute zum letzten Mal nach Jerusalem hinaufsteigt. Auch deshalb grüßen wir ihn in besonderer Weise als den Pilger. Er ist ein außergewöhnlicher, ein einzigartiger Pilger! Sein Pilgerweg läßt sich nicht mit geographischen Maßen messen. Er selbst sagt darüber in seiner geheimniserfüllten Sprache: „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Joh 16,28). Das ist die rechte Dimension seines Pilgerweges! Und die Heilige Woche, die wir heute beginnen, enthüllt die ganze „Länge und Breite, die Höhe und Tiefe“ (Eph 3,18) der Pilgerschaft Christi. Er steigt hinauf nach Jerusalem, weil sich in Ihm alle Prophezeiungen erfüllen. Er steigt hinauf, um sich zu erniedrigen und gehorsam zu werden bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz, und um nach der totalen Selbstentäußerung die Erhöhung durch den Vater zu erfahren (vgl. Phil 2,8-9). 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nur diese eine Woche des ganzen liturgischen Jahres wird mit gutem Recht die „Heilige“ genannt: Sie birgt in sich die Erfüllung des Geheimnisses Christi, der der heiligste Pilger und „gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (Gaudium et spes, Nr. 22), ein Pilger, der in unserer Geschichte unterwegs ist. Was könnte man über den Sinn des menschlichen Pilgems Lichtvolleres sagen als dies: „Vom Vater bin ich ausgegangen und bin in die Welt gekommen; jetzt verlasse ich die Welt wieder und gehe zum Vater“? Ist nicht genau dies in Christus die volle und endgültige Dimension jeder menschlichen Pilgerschaft? 4. Aus diesem Grund wurde vor ungefähr zehn Jahren der Palmsonntag der zentrale Bezugspunkt für die große und bedeutungsvolle Pilgerschaft der jungen Christen in der ganzen Welt. Es gibt bedeutsame Motive dafür, warum die Kirche diesen Sonntag als „Sonntag der Jugend“ anerkennt. Die Jugend war es, die Jesus entgegenging, als er zum Osterfest nach Jerusalem kam. Sie war es, die Mäntel und Zweige auf die Straße breitete und ihm entgegenjubelte: „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 21,9). Die jungen Menschen bezeigten so die Begeisterung über ihre jugendliche Entdeckung, eine Entdeckung, die sie bis heute von Generation zu Generation immer wieder machen: Jesus ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Er ist es, der der irdischen Pilgerschaft des Menschen ihren endgültigen Sinn gibt. Er sagt: „Vom Vater bin ich ausgegangen und bin in die Welt gekommen“; und mit diesen Worten weist er auf den Beginn des Weges hin. Dann fährt er fort: „Ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“; und damit zeigt er uns das Ziel unseres Weges, auf dem wir ihm folgen. 5. Darum also schauen die jungen Menschen auf Dich, o Christus, Du heiligster Pilger der Menschengeschichte, Du, der Du der Weg, die Wahrheit und das Leben bist. Auf das nahende Ende des zweiten christlichen Jahrtausends hin haben sie unter dem Zeichen des „pilgernden Kreuzes“ eine große Wallfahrt unternommen. Sie führt über die Wege der Kultur der Liebe. Es ist eine Pilgerfahrt auf vielerlei Ebenen: auf Pfarrei-, Diözesan-, National- und Weltebene. Heute ist vor allem die Jugend aus der Diözese Rom auf dem Petersplatz. Meine Lieben, ich grüße euch alle. Und zusammen mit euch grüße ich die Jugendlichen in allen Teilen der Welt, die in vielen Gegenden der Erde heute in Gemeinschaft mit uns den Weltjugendtag feiern. Wenn ich auf euch hier Anwesende schaue, wie sollte ich da nicht an das einzigartige Erlebnis des Weltjugendtreffens vor drei Monaten in Manila in den Philippinen denken? Wir denken auch an die europäische Jugendwallfahrt nach Loreto, die für den kommenden September geplant ist; und dann, später noch, erwartet uns die Feier des Zwölften Weltjugendtages in Paris 1997. Wir grüßen Dich, o Christus, Sohn des lebendigen Gottes, der Du Mensch geworden bist und als Mensch mit uns den Pilgerweg durch die Geschichte gehst. Wir grüßen Dich, du göttlicher Pilger, auf den Straßen der Welt! Dir strecken wir 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Palm- und Ölbaumzweige entgegen, wie es damals in Jerusalem die Söhne und Töchter Israels taten. Von dieser Woge des Glaubens und der Hoffnung erfaßt, rufen auch wir aus: „Ehre sei Dir, König der Zeiten!“ Wert und Würde der beruflichen Tätigkeit Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des Internationalen Universitätskongresses „Univ’95“ in der „Aula Paul VI.“ am 11. April Meine Lieben! 1. Auch dieses Jahr ist es mir eine Freude, euch in Rom willkommen zu heißen, wo ihr zu eurem Internationalen Universitätskongreß zusammengekommen seid. Ich grüße euch alle herzlich. Euch Professoren und Studenten von 300 Universitäten in 60 Ländern wünsche ich, daß ihr aus dem Gedanken- und Erfahrungsaustausch, der diese Tage bestimmen wird, den größtmöglichen Nutzen zieht. Gewiß ist die Wahl der Karwoche als Rahmen für die Arbeiten dieser Begegnung nicht zufällig. Daher ist es mein erster Wunsch, daß ihr das Thema des Kongresses in einer dem Geist dieser bedeutungsvollen liturgischen Zeit wirklich entsprechenden Weise zu vertiefen vermögt. Das Gedächtnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung Christi ist stets lebendiges und aktuelles Mysterium, in das jeder Mensch nach allen Dimensionen seines Lebens persönlich einbezogen ist. „Arbeit: die Zukunft erfinden“ Das Kongreßthema ruft eine wesentliche Sphäre der menschlichen Existenz auf den Plan. Die Arbeit, im weiten Sinn der charakteristischen Tätigkeit des Menschen verstanden, umfaßt jedes menschliche Tun (vgl. Laborem exercens, Vorbemerkung) und kann in diesem Sinn als interpretatori-scher Schlüssel der Anthropologie genommen werden. Auch die christliche Auffassung vom Menschen hat daher in der Arbeit eines der greifbarsten Anzeichen seiner Identität. Bei der Prüfung der Übereinstimmung seines Lebens mit dem Ideal des Evangeliums ist der Christ gerufen, auf diese entscheidende Frage zu antworten: Ist in meiner Arbeit wirklich der Geist Christi gegenwärtig? Handle ich so, daß das österliche Geheimnis in ihr lebendig ist? In dieser Perspektive können interessante Betrachtungen über die Ethik der Arbeit entwickelt werden, vor allem was deren subjektive Seite betrifft, daß nämlich der Mensch Subjekt der Arbeit und erste Grundlage für deren Wert ist, so daß alle Handlungen, die er bei der Verrichtung der Arbeit vollzieht, „der Erfüllung seiner Berufung zum Personsein“ (ebdNr. 6) dienen müssen. Der Papst hatte auf italienisch begonnen und fuhr auf spanisch fort: 2. Die Arbeit bezweckt die Erfüllung der „Berufung zum Personsein“ in uns. Somit erweist sie sich als Mittel des Kampfes für die Heiligkeit. Das, was uns heilig 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN macht, ist nicht die Arbeit, sondern das Wirken der Gnade in uns; unsere Antwort auf die Gnade wird allerdings in der ganzen Spanne unseres Lebens und daher im spezifischen Rahmen der täglichen Handelns gegeben. Wir können sagen, daß die Arbeit uns den Ort, die Umgebung, das Mittel oder - wenn man so will - die Instrumente und die Sprache unserer Antwort auf die Aufforderungen der Liebe Gottes bietet. Die Arbeit - mit den positiven Interessen, die sie weckt, den Antrieben, die sie in ihren Protagonisten weckt, mit dem Reichtum ihrer Motivationen, ihrer Härte und Mühe sowie der Eintönigkeit, die sie manchmal begleitet - sieht auf diese Weise ihre Bedeutung erweitert: Sie ist nicht nur Ausdruck der Würde des Menschen, Faktor der Entwicklung seiner Persönlichkeit, Band der Einheit mit den anderen Menschen, Quelle des Unterhaltes der Familie und Mittel, um zum Fortschritt der Gesellschaft beizutragen - sondern auch und vor allem Aufgabe, die uns von Gott anvertraut wurde, Zeichen seines Vertrauens in den Menschen und Zeugnis der Liebe des Geschöpfes zu seinem Schöpfer. In dieser Perspektive lade ich euch ein, in den fruchtbaren Jahren der Universitätsstudien die rechte „berufliche Leidenschaft“ zu pflegen und sie mit einem hohen Streben nach Heiligkeit zu bereichern. Gott spricht zu euch in der Arbeit, und die tägliche Arbeit enthält das ganze Lexikon eurer Antwort. Ja, die Arbeit muß zum Gebet werden, wie euch der sei. Josemarfa Escrivä zu tun ermutigt: Bitte um Hilfe, aufrichtiger Akt der Hingabe an den Herrn, freudige Annahme des Opfers, oft schwere, doch immer hochherzige Gabe, Boden für das Wachsen in den Tugenden. Er sagte dann auf französisch: 3. Liebe Freunde französischer Sprache! Mit diesen Worten möchte ich euch meine Ermutigung bei eurer menschlichen und christlichen Bildung aussprechen. Das Thema eurer Überlegungen lädt euch gerade dazu ein, euren Studien wie auch eurer künftigen Arbeit einen vollen Sinn zu geben. Die Karwoche regt euch besonders dazu an, eure Pläne dem Herrn anzuvertrauen und euch selbst ihm hinzugeben. Durch das Kreuzesopfer gibt Christus, der Erlöser, sein Leben hin und bringt dem Vater aller Barmherzigkeit und aller Liebe das Opfer der Menschen dar. Und seine Auferstehung erleuchtet unsere ganze Geschichte. Die Feier des Ostergeheimnisses möge für euch eine entscheidende Etappe auf eurem Weg als junge, in der Kirche engagierte Christen sein! ... und auf englisch: Liebe Jugendliche! Ich bin sicher, daß euer Besuch in Rom in der Karwoche und eure Reflexion über die Themen des diesjährigen „Univ“ Kongresses euch helfen werden, immer mehr zu reifen in eurem Einsatz, die Gesellschaft durch euer Beispiel und eure Liebe zu evangelisieren. Die Welt braucht junge Katholiken, die in der Lage sind, „Rechenschaft zu geben über die Hoffnung, die in ihnen ist“ (vgl. 1 Petr 3,15). Das gilt besonders in der Welt der Arbeit und der beruflichen Tätig- 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keit. Ich ermutige euch, weiterhin euren Glauben zu bezeugen durch die Treue gegenüber den ethischen und geistlichen Erfordernissen eurer beruflichen Pflichten. Möge die Gnade und Freude der Auferstehung Christi eure Herzen erfüllen! ... sodann auf deutsch: Mit dem Thema eurer Zusammenkunft greift ihr die zukunftgestaltende Bedeutung der Arbeit auf, die immer einer Sicht des Menschen entsprechen muß, die der Gerechtigkeit verpflichtet ist und Sinn in sich selbst trägt, nie aber dritten Zwecken untergeordnet werden darf. Möge euer Beten und Arbeiten hier in Rom fruchtbar werden für euer christliches Engagement zu Hause in euren Pfarreien und Bistümern. Dazu gilt euch allen mein besonderer Segen. ... schließlich auf portugiesisch: Liebe Universitätsangehörige portugiesischer Sprache: Ich wünsche, daß „Univ '95“ das Werkzeug ist, dessen die göttliche Vorsehung sich bedienen will, um eure edlen Ideale, Heiligkeit in der Arbeit und Friede in euren Familien, zu erleuchten. Habt einen glücklichen Aufenthalt in Rom, Gott segne euch! Danach kehrte er zur italienischen Sprache zurück: 4. Liebe Jugendliche, lebt die Arbeit immer im Geiste Christi, so werdet ihr am Werk der Erlösung teilnehmen. Die Garantie dafür, daß man die Arbeit in wahrer Übereinstimmung mit dem Geist Christi verrichtet, besteht gerade in dem spezifisch christlichen Dienst, den wir den Brüdern durch die Arbeit leisten: Die Bande der Freundschaft und der Zusammenarbeit, die sich festigen, wenn man Seite an Seite mit den Kollegen arbeitet, gilt es - mit Gebet und Buße, mit Wort und Beispiel - in Gelegenheiten der Evangelisierung zu verwandeln. Vergeßt auch nicht, daß die Haupttat der Erlösung von Jesus auf Golgota vollbracht wurde, wie wir in diesen Tagen meditieren. Fragt euch daher: Ist meine Arbeit Widerschein des Kreuzes? Verstehe ich es, in allen Prüfungen, die die Verrichtung der Arbeit mit sich bringt, in der Mühe, die sie verursacht, Christus zuzulächeln, der mir entgegenkommt und mir das Kreuz hinhält? Meine Lieben, ich vertraue eure Ideale und eure Pläne Maria an, die schweigend und schmerzerfüllt unter dem Kreuz steht, Maria, der ersten Zeugin der Herrlichkeit der Auferstehung. Ich wünsche euch von ganzem Herzen ein gesegnetes und frohes Osterfest und erteile euch, euren Angehörigen und den Veranstaltern eures Kongresses den Apostolischen Segen. 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag am 13. April 1995, vom 25. März 1. „Ehre sei Maria, Ehre und Lob, Ehre der Heiligen Jungfrau! (...) Er, der die Welt so wunderbar erschaffen hat, ehrte in ihr seine Mutter (...). Er liebte sie als Mutter, lebte im Gehorsam. Obwohl Er Gott war, achtete Er jedes ihrer Worte. “ Liebe Brüder im Priesteramt! Wundert euch nicht darüber, daß ich dieses Schreiben, das ich traditionellerweise zum Gründonnerstag an euch richte, mit den Worten eines polnischen Marienliedes beginne. Ich tue dies, weil ich in diesem Jahr zu euch über die Bedeutung der Frau im Leben des Priesters reden will, und diese Verse, die ich schon als Kind gesungen habe, können eine bezeichnende Einführung zu diesem Thema darstellen. Das Lied weist uns auf die Liebe Christi zu seiner Mutter hin. Die erste und fundamentale Beziehung, die der Mensch zur Frau herstellt, ist ja die des Kindes zur Mutter. Jeder von uns kann seiner Liebe zur irdischen Mutter so Ausdruck geben, wie es der Sohn Gottes seiner Mutter gegenüber getan hat und tut. Die Mutter ist die Frau, der wir das Leben verdanken. Sie hat uns in ihrem Schoß empfangen, sie hat uns zur Welt gebracht unter Schmerzen, die das Erlebnis der Niederkunft jeder Frau begleiten. Durch die Zeugung entsteht ein besonderes, gleichsam heiliges Band zwischen dem menschlichen Wesen und seiner Mutter. Nachdem unsere Eltern uns für das irdische Leben gezeugt hatten, waren es wiederum sie, die uns dank des Tauf Sakramentes in Christus zu Adoptivkindern Gottes werden ließen. Das alles hat die bestehende Bindung zwischen uns und den Eltern, besonders zwischen uns und unseren Müttern, noch vertieft. Das Urbild ist hier Christus selber, der Priester Christus, der sich mit den Worten an den ewigen Vater wendet: „Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen; an Brand- und Sündopfem hast du kein Gefallen. Da sagte ich: Ja, ich komme (...), um deinen Willen, Gott, zu tun“ (.Hebr 10,5-7). Diese Worte beziehen irgendwie auch die Mutter ein, hat doch der ewige Vater durch das Wirken des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria auch dank ihrer Zustimmung den Leib Christi gebildet: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Wie viele von uns verdanken ihrer Mutter gerade auch die Berufung zum Priestertum! Die Erfahrung lehrt, daß sehr oft die Mutter jahrelang in ihrem Herzen den Wunsch nach dem Priesterberuf des Sohnes hegt und diesen durch ihr Gebet infe- 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stem Vertrauen und mit tiefer Demut erreicht. So begünstigt sie, ohne ihren Willen aufzuzwingen, mit der für den Glauben typischen Wirksamkeit im Herzen des Sohnes das Aufbrechen der Sehnsucht nach dem Priestertum, einer Sehnsucht, die im rechten Augenblick Frucht tragen wird. 2. Ich möchte in diesem Brief eine Betrachtung anstellen über die Beziehung des Priesters zur Frau, wobei ich den Umstand zum Ausgangspunkt nehme, daß das Thema Frau in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit verlangt, ähnlich wie es im vergangenen Jahr für das Thema Familie zutraf. Denn der Frau wird die wichtige, für den kommenden September von der Organisation der Vereinten Nationen nach Peking einberufene internationale Konferenz gewidmet sein. Es ist ein im Vergleich zum Vorjahr zwar neues Thema, hängt jedoch eng mit jenem zusammen. Mit dem vorliegenden Schreiben, liebe Brüder im Priesteramt, will ich die Verbindung zu einem anderen Dokument herstellen. So wie ich im vergangenen Jahr die Gründonnerstagsbotschaft mit dem Brief an die Familien begleitet habe, möchte ich euch jetzt das Apostolische Schreiben Mulieris dignitatem vom 15. August des Jahres 1988 wieder ans Herz legen. Wie ihr euch erinnern werdet, handelt es sich um einen Text, der zum Abschluß des Marianischen Jahres 1987-1988 entstanden ist; während des Marianischen Jahres habe ich (am 25. März 1987) die Enzyklika Redemptoris Mater veröffentlicht. Es ist mein lebhafter Wunsch, daß im Laufe dieses Jahres Mulieris dignitatem wieder gelesen und zum Gegenstand besonderer Betrachtung gemacht werde, wobei man den marianischen Aspekten besondere Beachtung schenken möge. Die Verbindung mit der Mutter Gottes ist für das christliche „ Denken “ grundlegend. Dies ist es vor allem auf theologischer Ebene wegen der ganz besonderen Beziehung Mariens zum fleischgewordenen Wort und zur Kirche, seinem mystischen Leib. Aber das gilt auch auf historischer, anthropologischer und kultureller Ebene. Im Christentum stellt nämlich die Gestalt der Gottesmutter eine großartige Quelle der Inspiration nicht nur für das religiöse Leben dar, sondern auch für die christliche Kultur und selbst für die Vaterlandsliebe. Dafür gibt es im historischen Erbe vieler Nationen Beweise. So ist zum Beispiel in Polen das älteste Literaturdenkmal der Gesang Bogurodzica (Gottesgebärerin), der unsere Vorfahren nicht nur bei der Gestaltung des Lebens der Nation, sondern sogar bei der Verteidigung der gerechten Sache auf dem Schlachtfeld inspiriert hat. Die Mutter des Gottessohnes ist für einzelne Menschen und für ganze christliche Nationen zur „großen Inspiration“ geworden. Auch das sagt auf seine Art sehr viel aus über die Bedeutung der Frau im Lebert des Menschen und in besonderer Weise im Leben des Priesters. Ich hatte bereits Gelegenheit, dieses Thema in der Enzyklika Redemptoris Mater und in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem zu behandeln, wobei ich jenen Frauen - Müttern, Bräuten, Töchtern oder Schwestern - Hochachtung zollte, die für ihre Söhne bzw. Ehegatten, Eltern und Brüder eine wirksame Inspiration 777 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zum Guten gewesen sind. Nicht ohne Grand spricht man vom „weiblichen Genius“, und was ich bis jetzt geschrieben habe, bestätigt, wie zutreffend dieser Ausdruck ist. Wenn es jedoch um das Priesterleben geht, erhält die Präsenz der Frau einen besonderen Charakter und erfordert eine eigene Analyse. 3. Aber kehren wir zum Gründonnerstag zurück, dem Tag, an dem die Worte des liturgischen Hymnus besondere Bedeutung gewinnen: Ave verum Corpus natum de Maria Virgine: Vere passum, immolatum in cruce pro homine. Cuius latus perforatumfluxit acqua et sanguine: Esto nobis praegustatum mortis in examine. O Iesu dulcis! 0 lesu pie! 0 lesu, fili Mariae! Auch wenn diese Worte nicht zur Liturgie des Gründonnerstags gehören, sind sie doch zutiefst mit ihr verbunden. Mit dem Letzten Abendmahl, in dessen Verlauf Christus die Sakramente des Opfers und des Priestertums des Neuen Bundes einsetzte, beginnt das Triduum pa-schale. Im Zentrum dieser drei Tage steht der Leib Christi. Und eben dieser Leib wird, ehe er dem Leiden und dem Sterben ausgesetzt wird, während des Letzten Abendmahles bei der Einsetzung der Eucharistie als Speise dargebracht. Christus nimmt das Brot in seine Hände, bricht es, verteilt es an die Apostel und spricht die Worte: „Nehmt und eßt; das ist mein Leib“ (Mt 26,26). So setzt er das Sakrament seines Leibes ein, jenes Leibes, den er als Sohn Gottes von der Mutter, der unbefleckten Jungfrau, angenommen hatte. Danach reicht er den Aposteln im Kelch sein Blut in der Gestalt des Weines und spricht: „Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,27-28). Wiederum handelt es sich hier um das Blut, das den von der jungfräulichen Mutter empfangenen Leib belebte: Blut, das in Erfüllung des Geheimnisses von der Erlösung vergossen werden sollte, damit der von der Mutter empfangene Leib - als Corpus immolatum in cruce pro homine — für uns und für alle zum Sakrament ewigen Lebens, zur Wegzehrung für die Ewigkeit, werden konnte. Darum bitten wir in dem eucharistischen und zugleich marianischen Hymnus Ave verum: Esto nobis praegustatum mortis in examine. Auch wenn in der Gründonnerstagsliturgie nicht von Maria die Rede ist - wir finden sie jedoch am Karfreitag mit dem Apostel Johannes am Fuß des Kreuzes; fällt es einem schwer, ihre Anwesenheit bei der Einsetzung der Eucharistie nicht wahrzunehmen, dem Geschehen, das das Leiden und Sterben des Leibes Christi gleichsam vorwegnimmt, jenes Leibes, den der Sohn Gottes von der jungfräulichen Mutter im Augenblick der Verkündigung erhalten hatte. Für uns als Priester ist das Letzte Abendmahl ein besonders heiliger Augenblick. Christus, der zu den Jüngern sagt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,24), setzt das Weihesakrament ein. Im Hinblick auf unser Leben als Priester ist das ein unverkennbar christozentrischer Augenblick: Wir empfangen 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in der Tat das Priestertum von dem Priester Christus, dem einzigen Priester des Neuen Bundes. Aber wenn wir an das Opfer des Leibes und Blutes denken, das uns in persona Christi dargeboten wird, fällt es uns schwer, in ihm nicht die Anwesenheit der Mutter zu erkennen. Maria hat dem Sohn Gottes das Leben geschenkt, so wie es unsere Mütter für uns getan haben, auf daß Er sich darbringe und auch wir uns zusammen mit Ihm durch den priesterlichen Dienst im Opfer darbringen. Hinter dieser Sendung steht die von Gott empfangene Berufung, aber es verbirgt sich in ihr auch die große Liebe unserer Mütter, so wie sich hinter dem Opfer Christi im Abendmahlssaal die unaussprechliche Liebe seiner Mutter verbarg. O, wie wirklich und zugleich diskret ist die Mütterlichkeit und dank ihr die Weiblichkeit im Weihesakrament gegenwärtig, das wir jedes Jahr am Gründonnerstag feierlich erneuern! 4. Christus Jesus ist der einzige Sohn der seligen Jungfrau Maria. Wir verstehen gut die Bedeutung dieses Geheimnisses: So mußte es sein, daß ein durch seine Göttlichkeit so einzigartiger Sohn nur der einzige Sohn seiner jungfräulichen Mutter sein konnte. Aber gerade diese Einzigartigkeit stellt sich gewissermaßen als beste „Garantie“ für eine geistliche „Vielfalt“ heraus. Christus, wahrer Mensch und zugleich ewiger und eingeborener Sohn des himmlischen Vaters, hat eine unermeßliche Zahl geistlicher Brüder und Schwestern. Denn die Familie Gottes umfaßt ja alle Menschen: nicht nur jene, die durch die Taufe zu Adoptivkindern Gottes werden, sondern in gewissem Sinn die ganze Menschheit, weil Christus dadurch, daß Er ihnen die Möglichkeit bot, zu Adoptivsöhnen und -töchtem des ewigen Vaters zu werden, alle Männer und Frauen erlöst hat. So werden wir alle in Christus zu Brüdern und Schwestern. Und da taucht denn am Horizont unserer Überlegung zur Beziehung zwischen Priester und Frau neben der Gestalt der Mutter jene der Schwester auf. Dank der Erlösung hat der Priester auf eine besondere Weise an der von Christus allen Erlösten angebotenen geschwisterlichen Beziehung teil. Viele von uns Priestern haben Schwestern in der Familie. Auf jeden Fall hatte jeder Priester von Kind an Gelegenheit, Mädchen zu begegnen, wenn nicht in der eigenen Familie, so wenigstens in der Nachbarschaft, bei Kinderspielen und in der Schule. Eine Form gemischter Gemeinschaft besitzt eine enorme Bedeutung für die Formung der Persönlichkeit der Jungen und Mädchen. Wir berühren hier den Urplan des Schöpfers, der am Anfang den Menschen „als Mann und Frau“ schuf (vgl. Gen 1,27). Dieser göttliche Schöpfungsakt geht von Generation zu Generation weiter. Das Buch Genesis spricht davon im Zusammenhang mit der Berufung zur Ehe: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau“ (2,24). Die Berufung zur Ehe setzt natürlich voraus und erfordert, daß die Umgebung, in der man lebt, aus Männern und Frauen besteht. In diesem Rahmen entstehen jedoch nicht nur die Berufungen zur Ehe, sondern auch die zum Priestertum und Ordensleben. Sie bilden sich nicht in der Isolation heraus. Jeder Priesteramtskandidat hat, wenn er die Schwelle des Seminars über- 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schreitet, die Erfahrung seiner Familie und der Schule hinter sich, wo er Gelegenheit hatte, vielen Gleichaltrigen männlichen und weiblichen Geschlechts zu begegnen. Um reif und gelassen im Zölibat zu leben, erscheint es besonders wichtig, daß der Priester in seinem Innersten das Bild der Frau als Schwester entwickelt. In Christus sind Männer und Frauen unabhängig von ihren verwandtschaftlichen Banden Brüder und Schwestern. Es handelt sich um eine allgemeine Verbundenheit, dank der sich der Priester jedem neuen, selbst dem unter ethnischem oder kulturellem Gesichtspunkt fernstehendsten Umfeld im Bewußtsein zu öffnen vermag, den Menschen gegenüber, zu denen er gesandt ist, ein Amt echter geistlicher Vaterschaft auszuüben, das ihm „Söhne“ und „Töchter“ im Herrn vermittelt (vgl. 1 Thess 2,11; Gal 4,19). 5. Zweifellos stellt „die Schwester“ einen spezifischen Ausdruck der geistigen Schönheit der Frau dar; aber sie ist zugleich Offenbarung einer ihr eigenen „Un-berührbarkeit“. Wenn der Priester mit Hilfe der göttlichen Gnade und unter dem besonderen Schutz Mariens, der Jungfrau und Mutter, in diesem Sinne seine Haltung gegenüber der Frau reifen läßt, wird er erleben, daß sein Dienst von einem Gefühl großen Vertrauens gerade von seiten der Frauen begleitet wird, Frauen, die von ihm in den verschiedenen Altersstufen und Lebenssituationen als Schwestern und Mütter gesehen werden. Beachtliche Bedeutung erlangt die Gestalt der Frau als Schwester in unserer christlichen Zivilisation, wo unzählige Frauen dank der typischen Haltung, die sie dem Nächsten, besonders dem Notleidenden gegenüber angenommen haben, zu Schwestern aller geworden sind. Eine „Schwester“ bedeutet Gewähr für Unentgeltlichkeit: in der Schule, im Krankenhaus, im Gefängnis und in anderen Bereichen der sozialen Dienste. Wenn eine Frau unverheiratet bleibt, entfaltet sie in ihrer „Hingabe als Schwester“ durch den apostolischen Einsatz oder die großherzige Hingabe an den Nächsten eine besondere Mütterlichkeit im geistigen Sinn. Diese selbstlose Gabe „schwesterlicher“ Weiblichkeit erleuchtet das menschliche Dasein, weckt die edelsten Gefühle, deren der Mensch fähig ist, und hinterläßt immer eine Spur von Erkenntnis für das unentgeltlich dargebotene Gute. So sind also Mutter und Schwester die beiden Grunddimensionen der Beziehung zwischen Frau und Priester. Wenn diese Beziehung auf ungezwungene und reife Weise aufgebaut wird, wird die Frau bei ihren Kontakten mit dem Priester keine besonderen Schwierigkeiten haben. So zum Beispiel, wenn sie im Bußsakrament ihre Schuld bekennt. Noch weniger wird sie auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie zusammen mit Priestern apostolische Tätigkeiten verschiedener Art übernimmt. Jeder Priester hat daher die große Verantwortung, in sich eine echte brüderliche Haltung gegenüber der Frau zu entwickeln, eine Haltung, die keine Zweideutigkeit zuläßt. Aus dieser Sicht empfiehlt der Apostel seinem Schüler Timotheus, „ältere Frauen wie Mütter, jüngere wie Schwestern, in aller Zurückhaltung“ zu behandeln (1 Tim 5,2). 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Christus - wie der Evangelist Matthäus schreibt - sagte, der Mensch könne um des Himmelreiches willen ehelos bleiben, waren die Jünger bestürzt (vgl. 19,10-12). Kurz vorher hatte Er die Ehe für unauflöslich erklärt, und bereits diese Wahrheit hatte bei ihnen eine bezeichnende Reaktion ausgelöst: „Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten“ (Mt 19,10). Wie man sieht ging ihre Reaktion, was die Logik der Treue betraf, von der sich Jesus leiten ließ, in die entgegengesetzte Richtung. Aber der Meister nutzt auch dieses Unverständnis aus, um in den engen Horizont ihrer Denkweise die Perspektive der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen einzuführen. Damit will Er deutlich machen, daß die Ehe eine eigene Würde und sakramentale Heiligkeit besitzt und daß es trotzdem für den Christen noch einen anderen Weg gibt: einen Weg, der nicht Flucht vor der Ehe ist, sondern bewußte Wahl der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen. So gesehen, kann die Fraufiir den Priester nur eine Schwester sein, und diese ihre Würde als Schwester muß von ihm bewußt gepflegt werden. Der Apostel Paulus, der zölibatär lebte, schreibt im ersten Brief an die Korinther: „Ich wünschte, alle Menschen wären (unverheiratet) wie ich. Doch jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so“ (7,7). Für ihn besteht kein Zweifel: Sowohl die Ehe wie die Ehelosigkeit sind Gnadengaben Gottes, die eifrig gehütet und gepflegt werden müssen. Dadurch, daß er die Überlegenheit der Jungfräulichkeit betont, will Er keinesfalls die Ehe abwerten. Beiden entspricht ein spezifisches Charisma; jede von ihnen ist eine Berufung, die der Mensch mit Hilfe der Gnade Gottes in seiner Existenz zu erkennen imstande sein muß. Die Berufung zur Ehelosigkeit verlangt eine bewußte Verteidigung, mit besonderer Wachsamkeit über die Gefühle und das gesamte eigene Verhalten. Im besonderen verteidigen muß seine Berufung der Priester, der gemäß der in der abendländischen Kirche geltenden und von der Ostkirche sehr geschätzten Regelung sich im Hinblick auf das Reich Gottes für die Ehelosigkeit entschieden hat. Würden in der Beziehung zu einer Frau das Geschenk und die Wahl der Ehelosigkeit Gefahren ausgesetzt, dürfte es der Priester nicht unterlassen zu kämpfen, um seiner Berufung treu zu bleiben. Eine solche Verteidigung würde nicht bedeuten, daß die Ehe an sich etwas Schlechtes ist, sondern daß sein Weg ein anderer ist. Ihn zu verlassen wäre in seinem Fall ein Wortbruch gegenüber Gott. Das Gebet des Herrn: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“ gewinnt im Zusammenhang mit der von Elementen des Hedonismus, des Egozentrismus und der Sinnlichkeit erfüllten modernen Zivilisation einen einzigartigen Sinn. Bedauerlicherweise nimmt die Pornographie überhand, die die Würde der Frau erniedrigt und sie ausschließlich als Objekt sexueller Lust behandelt. Diese Aspekte der heutigen Zivilisation begünstigen sicherlich weder die eheliche Treue noch die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen. Wenn der Priester nicht in sich echte Haltungen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu Gott fördert, kann er leicht den Rufen nachgeben, die ihn aus der Welt erreichen. Wie 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sollte ich mich also an euch, hebe Brüder im Priesteramt, wenden, ohne euch heute, am Gründonnerstag, zu ermahnen, dem Geschenk des Zölibats treu zu bleiben, das uns von Christus angeboten wurde? In ihm ist ein geistliches Gut enthalten, das jedem einzelnen und der ganzen Kirche gehört. In den Gedanken und im Gebet sind gerade heute ganz besonders unsere Brüder im Priesteramt anwesend, die auf diesem Gebiet Schwierigkeiten begegnen, und alle, die wegen einer Frau den priesterlichen Dienst aufgegeben haben. Der seligsten Jungfrau Maria, Mutter der Priester, und der Fürbitte der zahllosen heiligen Priester in der Geschichte der Kirche empfehlen wir den schwierigen Augenblick, den sie durchmachen, und bitten für sie um die Gnade der Rückkehr zum ursprünglichen Eifer (vgl. Offb 2,4-5). Die Erfahrung meines Amtes - und ich glaube, das gilt für jeden Bischof - bestätigt, daß solche Wiederaufnahmen Vorkommen und daß sie auch heute gar nicht so selten sind. Gott bleibt dem Bund treu, den Er im Weihesakrament mit dem Menschen schließt. 6. An dieser Stelle möchte ich das noch weitreichendere Thema der Rolle ansprechen, die die Frau beim Aufbau der Kirche zu entfalten berufen ist. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in den Kapiteln II und III der Konstitution Lumen Gentium voll und ganz die Denkweise des Evangeliums getroffen, wenn es die Kirche zuerst als Volk Gottes und erst danach als hierarchische Verfassung darstellt. Sie ist vor allem Volk Gottes, weil alle, die sie bilden, Männer und Frauen - jeder auf die ihm eigene Weise -, an der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung Christi teilhaben. Während ich zum Lesen der genannten Konzilstexte neu einlade, will ich mich hier, ausgehend vom Evangelium, auf einige kurze Betrachtungen beschränken. Unmittelbar vor der Himmelfahrt gebietet Christus den Aposteln: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Verkündigung des Evangeliums ist Erfüllung der prophetischen Sendung, die in der Kirche verschiedene Formen annimmt, entsprechend dem einem jeden geschenkten Charisma (vgl. Eph 4,11-13). Da es sich bei jener Gelegenheit um die Apostel und ihren besonderen Auftrag handelt, sind es Männer, denen diese Aufgabe übertragen wird; wenn wir aber die Evangelienberichte, besonders den des Johannes, aufmerksam lesen, muß uns die Tatsache auffallen, daß die prophetische Sendung, wenn man sie in ihrer ganzen vielfältigen Fülle betrachtet, auf Männer und Frauen verteilt wird. Man denke zum Beispiel an die Samariterin und ihr Gespräch mit Christus am Jakobsbrunnen von Sychar (vgl. Joh 4,1-2): Ihr, einer „Samariterin“ und obendrein einer „Sünderin“; offenbart Jesus die Tiefgründigkeiten der wahren Verehrung Gottes, für den nicht der Ort ausschlaggebend ist, sondern die Haltung der Anbetung im Geist und in Wahrheit. Und was läßt sich von den Schwestern des Lazarus, Maria und Marta, sagen? In bezug auf die „kontemplative“ Maria merken die Synoptiker den Vorrang an, den Christus der Kontemplation gegenüber der Aktion zuerkennt (vgl. Lk 10,42). Noch wichtiger ist aber, was der hl. Johannes im Zusammenhang mit der Auferweckung 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihres Bruders Lazarus schreibt. In diesem Fall ist es Marta, die aktivere der beiden, der Jesus die tiefen Geheimnisse seiner Sendung offenbart: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (.Joh 11,25-26). In diesen an eine Frau gerichteten Worten ist das Ostergeheimnis enthalten. Aber gehen wir weiter im Bericht der Evangelien und treten in die Passionsgeschichte ein. Ist es etwa nicht eine unbestreitbare Tatsache, daß gerade die Frauen Christus auf dem Kreuzweg und in der Stunde des Todes am nächsten waren? Ein Mann, Simon von Zyrene, wird gezwungen, das Kreuz zu tragen (vgl. Mt 27,32); zahlreiche Frauen aus Jerusalem bezeigen ihm jedoch spontan auf der „via cru-cis“ ihr Mitgefühl (vgl. Lk23,27). Die Gestalt der Veronika ist zwar nicht biblisch, bringt jedoch treffend die Gefühle der Frauen von Jerusalem auf der via dolorosa zum Ausdruck. Unter dem Kreuz steht nur ein Apostel, Johannes, Sohn des Zebedäus, während mehrere Frauen dort sind (vgl. Mt 27,55-56): die Mutter Christi, die ihn der Überlieferung nach auf dem Weg zum Kalvarienberg begleitet hatte; Salome, die Mutter der Söhne des Zebedäus, Johannes und Jakobus; Maria, Mutter des Jakobus des Jüngeren und des Josef; und Maria aus Magdala. Sie alle sind unerschrockene Zeugen des Todeskampfes Jesu; alle sind auch im Augenblick der Salbung und Grablegung seines Leichnams zugegen. Nach dem Begräbnis, als sich der Tag vor dem Sabbat dem Ende zuneigt, gehen sie weg, allerdings mit dem nahezu einstimmigen Vorsatz zurückzukehren. Und sie werden die ersten sein, die sich am Tag nach dem Fest frühmorgens zum Grab begeben. Sie werden die ersten Zeugen des leeren Grabes sein, und sie werden darüber auch die Apostel benachrichtigen (vgl. Joh 20,1-2). Maria Magdalena, die weinend beim Grab geblieben war, begegnet als erste dem Auferstandenen, der sie als erste Verkünderin seiner Auferstehung zu den Aposteln schickt (vgl. Joh 20,11-18). Mit Recht stellt daher die östliche Überlieferung Magdalena, den Aposteln fast gleich, hat sie doch als erste die Wahrheit von der Auferstehung verkündet, worauf ihr dann die Apostel und die Jünger Christi folgten. So haben also die Frauen neben den Männern auch an der prophetischen Sendung Christi teil. Und dasselbe läßt sich über ihre Teilhabe an seiner priesterlichen und königlichen Sendung sagen. Mit dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und der königlichen Würde sind Männer und Frauen ausgestattet. Äußerst aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang das aufmerksame Lesen der Abschnitte des ersten Petrusbriefes (2,9-10) und der Konzilskonstitution Lumen Gentium (Nm. 10-12; 34-36). 7. In diesem Konzilsdokument folgt auf das Kapitel über das Volk Gottes jenes über die hierarchische Verfassung der Kirche. Darin ist die Rede vom Amtspriestertum, zu dem nach dem Willen Christi nur die Männer zugelassen sind. Die Tatsache, daß eine Frau nicht die Priesterweihe empfangen kann, wird heute in 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN manchen Kreisen als eine Form von Diskriminierung ausgelegt. Aber trifft das wirklich zu? Die Frage könnte sicherlich dann in dieser Formulierung gestellt werden, wenn das hierarchische Priestertum eine privilegierte, von der Ausübung von „Macht“ geprägte gesellschaftliche Stellung bezeichnen würde. Aber so ist es nicht: Das Amtspriestertum ist im Plan Christi nicht Ausdruck von Herrschaft, sondern von Dienst. Wer es als „Herrschaft“ interpretieren würde, wäre mit Sicherheit weit entfernt von der Absicht Christi, der im Abendmahlssaal das Letzte Abendmahl damit begann, den Aposteln die Füße zu waschen. Auf diese Weise stellte er den „Dienstcharakter“ des an eben jenem Abend eingesetzten Priestertums eindrucksvoll heraus. „Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Ja, das Priestertum, dessen wir heute mit so großer Verehrung als unseres besonderen Erbes gedenken, hebe Brüder, ist ein Priestertum des Dienstes! Wir dienen dem Volk Gottes! Wir dienen seiner Sendung! Dieses unser Priestertum muß die Teilhabe aller - Männer und Frauen - an der dreifachen prophetischen, priesterli-chen und königlichen Sendung Christi gewährleisten. Und nicht nur das Weihesakrament ist Dienst: Dienst ist vor allem die Eucharistie selbst. Mit den Worten: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird (...). Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (Lk 22,19.20), macht Christus seinen größten Dienst offenbar: den Dienst der Erlösung, in dem der eingeborene und ewige Sohn Gottes im vollsten und tiefsten Sinn Diener des Menschen wird. 8. Neben dem Diener Christus können wir diejenige nicht vergessen, die „die Magd“ ist, Maria. Der hl. Lukas berichtet uns, daß die Jungfrau im entscheidenden Augenblick der Verkündigung ihr „fiat“ mit den Worten bekundete: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“ (Lk 1,38). Die Beziehung zwischen Priester und Frau als Mutter und Schwester wird durch die marianische Überlieferung um einen weiteren Aspekt bereichert: den des Dienstes in Nachahmung Mariens als Magd. Wenn das Priestertum seiner Natur nach Dienst ist, muß es in Einheit mit der Mutter, die die Magd des Herrn ist, gelebt werden. Unser Priestertum wird also in ihren Händen, ja in ihrem Herzen behütet werden, und wir werden es allen öffnen können. Auf diese Weise wird es in jeder seiner Dimensionen fruchtbar und heilbringend sein. Möge die heilige Jungfrau an diesem jährlichen Fest unseres Priestertums mit besonderer Liebe auf uns alle, ihre geliebten Söhne, blicken. Sie senke uns vor allem eine große Sehnsucht nach Heiligkeit ins Herz. Ich schrieb in dem Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis: „Die Neuevangelisierung braucht neue Verkünder, und das sind die Priester, die sich verpflichten, ihr Priestertum als besonderen Weg zur Heiligkeit zu leben“ (Nr. 82). Der Gründonnerstag, der uns zu den Ursprüngen unseres Priestertums zurückführt, erinnert uns auch an die Verpflichtung, nach Heiligkeit zu streben, um für die Männer und Frauen, die unserem pa- 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN storalen Dienst anvertraut sind, „Diener an der Heiligkeit“ zu sein. In diesem Licht erscheint der von der Kongregation für den Klerus angeregte Vorschlag äußerst angebracht, in jeder Diözese anläßlich des Herz-Jesu-Festes oder an einem anderen, den örtlichen pastoralen Bedürfnissen und Gewohnheiten besser entsprechenden Datum einen „Tag für die Heiligung der Priester“ zu begehen. Ich mache mir diesen Vorschlag mit dem Wunsch zu eigen, daß ein solcher Tag den Priestern helfen möge, in immer vollkommenerer Anpassung an das Herz des Guten Hirten zu leben. Indem ich auf euch alle den Schutz Mariens, der Mutter der Kirche, der Mutter der Priester herabflehe, segne ich euch von ganzem Herzen. Aus dem Vatikan, am 25. März 1995, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn. Joannes Paulus PP. II Salbung und Weihe - Zeichen priesterlicher Sendung Predigt während der Chrisammesse am Gründonnerstag, 13. April 1. „Ave sanctum Chrisma!“ Liebe Brüder im Priesteramt, wir sind hier zur Morgenliturgie des Gründonnerstags zusammengekommen, die üblicherweise nur in den Kathedralkirchen gefeiert wird, wenn sich die Priester einer Diözese als Presbyterium um ihren Hirten scharen. Der Gründonnerstag ist das Fest des Priestertums, jenes Sakramentes, das von Christus genau an diesem Tag, während des Letzten Abendmahles, eingerichtet wurde. Ich werde heute abend in der Lateranbasilika, der Kathedralkirche des Bischofs von Rom, die Liturgie des Abendmahles feiern. Jetzt hingegen sind wir hier versammelt, um in einem gewissen Sinne der Vesperliturgie vorzugreifen und die Wirklichkeit des Priestertums unseres zahlreichen Presbyteriums hervorzuheben, als Sakrament der römischen kirchlichen Gemeinschaft. 2. „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt (Jes 61,1). Die Worte des Propheten Jesaja, die wir in der ersten Lesung gehört haben, werden auch im Abschnitt des Evangeliums wiederholt (vgl. Lk 4,18). Lukas erinnert an den Augenblick, an dem der schon dreißigjährige Jesus sich an einem Sabbat in die Synagoge begab und, wie es die Tradition vorschrieb, sich zum ersten Mal vor die Gemeinschaft stellte, um das Wort Gottes vorzulesen. Man reichte ihm das Buch des Propheten Jesaja. Als er die Rolle geöffnet hatte, fand er den Abschnitt, in dem geschrieben steht: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herrn ausrufe“ (Lk 4,18-19). Nachdem er diese Worte gelesen hatte - berichtet der Evangelist - gab Jesus die Rolle dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Sie erwarteten nämlich eine Erklärung von ihm, die wahrlich sehr kurz ausfiel. Er sagte: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk 4,21). Die Worte der Schrift haben sich erfüllt, denn in eurer Mitte steht der Gesalbte, der Messias, Derjenige, der kraft des Geistes des Herrn zu uns kommt: der Gesalbte und der von Gott Gesandte. 3.,Ave sanctum Chrisma!“ Am Festtag unseres Priestertums erinnern wir uns an die Salbung, die wir am Tag unserer Priesterweihe erhalten haben. An jenem Tag salbte uns der Bischof die Rächen unserer Hände mit Öl, während bei der Bischofsweihe die Stirn gesalbt wird. Die Salbung ist Zeichen für die Kraft des Heiligen Geistes, die jeder Priester erhält, um die Eucharistie zu feiern. Der Bischof erhält die Kraft des Heiligen Geistes, um der Kirche Gottes vorzustehen, um über die Feier der Eucharistie zu wachen, um zu lehren und zu trösten, um durch das Sakrament der Wiederversöhnung zu heilen, um die Kirche als Gemeinschaft der Liebe aufzubauen, in der die Frohe Botschaft durch den vielfältigen Dienst verkündet und verwirklicht wird. Zu Recht erinnert deshalb der Psalm an die Salbung Davids mit Öl. David war kein Priester, sondern ein Prophet und ein König. Die Tradition der Salbung von Propheten und Königen war im Alten Testament gefestigt worden, und dieser Brauch wurde auch gegenüber den christlichen Königen beibehalten und begleitete lange Zeit die Geschichte der christlichen Nationen. Christus erscheint uns in der heutigen Liturgie als dreifach Gesalbter: Prophet, Priester und messianischer König. Wir alle haben teil an seiner Salbung. Und deshalb grüßen wir in tiefem Glauben diese Heiligen Öle, die verwendet werden zur Salbung der Katechumenen bei der Taufe, der Getauften anläßlich ihrer Firmung, der Kandidaten für das Priesteramt und Bischofsamt bei ihrer Weihe und schließlich der Kranken in ihrem Leiden. ,Ave sanctum Oleum! Ave sanctum Chrisma!“ 4. Unser Gruß gilt nicht so sehr den Heiligen Ölen als vielmehr dem Gesalbten selbst, Christus, dem Herrn. Wir wissen nämlich, daß wir durch die Salbung teilhaben am Priestertum Christi, das sich in uns im priesterlichen Dienst entfaltet. Und heute, unseren Blick auf den göttlichen Messias gerichtet, möchten wir die Versprechen erneuern, die wir dem Herrn am Tag der Weihe gegeben haben. Sie müssen uns auf dem von uns gewählten Weg durch den Heiligen Geist festigen; sie müssen in uns den Wunsch des priesterlichen Dienstes gegenüber dem ganzen Gottesvolk wieder entfachen, überall dort, wohin uns der Heilige Geist senden wird, um unsere Sendung zu erfüllen. Die Gläubigen, die in dieser Basilika versammelt sind, erwarten die Erneuerung unserer Versprechen. Nach der Segnung des Chrisams und der Heiligen Öle 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchten sie diese in ihre Pfarreien bringen, damit sie dort zur Feier der heiligen Sakramente dienen können. Während sie die Erneuerung unserer beim Sakrament der Weihe abgelegten Versprechen hören, beten unsere Brüder und Schwestern im Glauben für uns, die Priester, daß wir der Berufung, die wir von Christus zum Wohle der Kirche erhalten haben, treu bleiben. 5. Vor diesem Hintergrund erhält die zweite Lesung aus der Offenbarung des hl. Johannes eine besondere Beredtheit. Der Apostel wendet sich an uns und die ganze Kirche: „Gnade sei mit euch und Friede ... von Jesus Christus; er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde“ (Offb 1,4-5). Der hl. Johannes grüßt zuerst Christus, den treuen Zeugen des Geheimnisses der Göttlichkeit, und wendet sich dann an ihn in der Perspektive des „Mysterium altum“; auf deren Schwelle wir uns befinden. Er spricht zu Christus, der uns liebt und uns durch sein Blut von unseren Sünden befreit hat; er spricht zu Christus, der aus uns ein Reich und Priester gemacht hat für Gott, seinen Vater; er spricht zu dem Christus, der schon in die Herrlichkeit des Vaters eingegangen ist, der aber immer in der Geschichte der Kirche und der Menschheit gegenwärtig ist und dabei die Wunden der Kreuzigung mit sich bringt: , Jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben; und alle Völker der Erde werden seinetwegen jammern und klagen“ (Offb 1,7). Die Worte des hl. Johannes führen uns auf diese Weise in die Ereignisse des Karfreitags ein, die unmittelbar vom Licht der Auferstehung überholt werden. In der Auferstehung wird sich Christus nämlich als mit dem Vater wesensgleicher Sohn offenbaren, als Erster und Letzter, als Erstgeborener der ganzen Schöpfung. Er wird sagen: „Ich bin das Alpha und das Omega, der, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung“ (Offb 1,8). „Lob sei dir, Christus, König der ewigen Herrlichkeit!“ Amen! Eucharistie ist Danksagung der ganzen Schöpfung Predigt während der Abendmahlsmesse in der Lateranbasilika am Gründonnerstag, 13. April 1. „Tantum ergo Sacramentum veneremur cemui...“ „Gott ist nah in diesem Zeichen: / Kniet hin und betet an! / Das Gesetz der Furcht muß weichen, / da der neue Bund begann; / Mahl der Liebe ohnegleichen: / nehmt im Glauben teil daran.“ Die Worte des Hymnus des hl. Thomas von Aquin fassen die Liturgie der Eucharistie des heutigen Abends gut zusammen. Wir feiern sie in dem lebendigen Bewußtsein, daß das, was die Kirche an so vielen Orten der Welt in der hl. Messe täglich neu erlebt, am Gründonnerstag vollbracht wurde. Gerade am heutigen Tag erleben wir in besonderer Weise das, was man das eucharistische „Heute“ nennen 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN könnte. In der Liturgie betont der Zelebrant dies deutlich: „Am Abend, bevor er für unser Heil und das Heil aller Menschen das Leiden auf sich nahm - das ist heute nahm er das Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob die Augen zum Himmel, zu dir, seinem Vater, dem allmächtigen Gott, sagte dir Lob und Dank, brach das Brot, reichte es seinen Jüngern und sprach: „Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ In dem Bewußtsein, daß gerade heute das Letzte Abendmahl stattgefunden hat, beugen wir uns über das Brot, das die Gemeinde täglich zum Altar bringt. Heute am Gründonnerstag, dem Tag, den die Liturgie als „eucharistisches Heute“ bezeichnet, nahm Christus das Brot in seine Hände, brach es und verteilte es an seine Jünger mit den Worten: „Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ In gleicher Weise des „eucharistischen Heute“ bewußt, beugen wir uns ebenfalls über den Kelch mit Wein und wiederholen die Worte, die der Herr beim Letzten Abendmahl sprach: „Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ 2. Aufgrund der Worte Christi: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, handeln die Priester ,Jn persona Christi“. Christus ist es, der die Konsekrationsworte spricht; Er feiert Eucharistie, Er gibt seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten des Brotes und des Weines hin. Und wir, die wir unwürdig an seinem Amtspriestertum teilhaben, vollbringen dies alles „in persona Christi“; nicht nur indem wir ihn vertreten, sondern indem wir uns mit Ihm, dem einzigen Priester des neuen und ewigen Bundes, gewissermaßen identifizieren. Davon spricht die zweite Lesung, der älteste uns überlieferte Text über die Einsetzung der Eucharistie. In ihm sagt Paulus, daß die Eucharistie Gedächtnis des Letzten Abendmahls und zugleich Verkündigung der eschatologischen Ankunft Christi ist: „Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (I Kor 11,26). 3. „Tantum ergo Sacramentum / veneremur cemui, / et antiquum documentum / novo cedat ritui; / praestet fides supplementum / sensuum defectui.“ Am Schluß der Messe tragen wir in der Prozession das Allerheiligste Sakrament in eine Seitenkapelle, welche in der liturgischen Tradition oft den Namen „dunkler Ort“ hat. Diese eucharistische Prozession erinnert an den besonderen Augenblick, in dem Christus mit den Aposteln den Abendmahlssaal verließ, nachdem sie das Paschamahl gegessen hatten. Über die Heilige Stadt Jerusalem war bereits die Nacht hereingebrochen. Die Apostel hatten kurz zuvor vernommen, daß der alte Bund durch einem neuen und ewigen Bund abgelöst wurde. Der Inhalt des alten Bundes wird von der ersten Lesung aus dem Buch Exodus in Erinnerung gebracht. Es wird die Nacht beschrieben, in der für die Israeliten die Befreiung von Ägypten durch das Blut des Osterlammes geschah, mit dem die Kinder Israels die Türpfosten und den Türsturz ihrer 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Häuser bezeichnet hatten. Der Todesengel, der in jener Nacht durch Ägypten zog, schlug alle Erstgeborenen der Ägypter, verschonte aber die der Juden, deren Wohnungen an Türpfosten und Türsturz mit dem Blut des Lammes gekennzeichnet waren. Diese letzte der sogenannten Plagen Ägyptens bewirkte die Befreiung Israels aus der Knechtschaft des Pharao. Die Israeliten wurden um den Preis des Blutes des Lammes befreit. Genau dieses Ereignis hatten die Söhne und Töchter Israels in Erinnerung, wenn sie jährlich zusammenkamen, um das Pascha zu feiern. 4. Auch die Apostel hatten das Andenken jener Ereignisse in lebendiger Erinnerung, als sie mit Christus das Paschamahl aßen. Doch sie wußten, daß der alte Bund nunmehr durch den neuen abgelöst werden mußte. Sie hatten es aus dem Mund des Meisters vernommen, der sich, als er den Abendmahlssaal verließ und seinem Leiden entgegenging, bewußt war, daß er seine Jünger einem neuen Bund entgegenführte, einem Bund, der wie der erste durch das Blut vollbracht werden würde: Nur diesmal war es das Blut des Lammes Gottes. War Jesus nicht einst von Johannes dem Täufer am Jordan genau so genannt worden? „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). In diesem Bewußtsein verläßt Jesus den Abendmahlssaal und macht sich zunächst nach dem Ort seiner Gefangennahme, Getsemani, auf. Dort beginnt für ihn die Nacht des Leidens mit ihren schmerzlichen Etappen: dem Verhör vor Hannas und vor Kajafas, der Verurteilung zum Tod durch die Führer des Volkes und schließlich dem „Ort der Dunkelheit“. Nach seiner Gefangennahme wartet Jesus bis zum Morgen auf die Entscheidung des Hohen Rates, ihn an Pilatus auszuliefem für die Hinrichtung am Kreuz. Auf diese Weise wird der neue Bund vollzogen, besiegelt durch das Blut des Lammes. Und deshalb gibt Jesus beim Letzten Abendmahl den Aposteln gesondert seinen Leib unter der Gestalt des Brotes und sein Blut unter der Gestalt des Weines, indem er sagt: „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird.“ 5. Eucharistie bedeutet Danksagung. Christus hat, als er dieses Sakrament einsetzte, die große und universale Danksagung der ganzen Schöpfung einbezogen. „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat?“, fragt der Psalmist in der heutigen Liturgie (Ps 116/115,12). Christus gibt der Menschheit die Fähigkeit, Gott Dank zu sagen, zurück, die sie wegen der Sünde verloren hatte: Dank für alle Güter der Natur und der Gnade, die dem Menschen von der Erschaffung an zuteil wurden. Dazu bedarf es des blutigen Opfers auf Golgota; es bedarf der Eucharistie, die auf unblutige Weise dieses Opfer vergegenwärtigt, damit der Mensch Gott Dank sagen und im Dank verbleiben kann. Danksagung ist das wichtige Wort des neuen und ewigen Bundes, besiegelt im Blute Christi zu Beginn des österlichen Triduums. Das Letzte Abendmahl ist das erste Wort dieses Tri-duums - das sakramentale Wort, das erneut die Geschichte der Schöpfung und des Menschen durchdringen muß. Zu allen Zeiten. Amen! 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag 1995 Einleitendes Gebet am 14. April Brüder und Schwestern, wieder sind wir am Abend des Karfreitags beim Kolosseum versammelt, um den Kreuzweg zu beten: den Weg Christi mitzugehen bis dorthin, wo er, der Hohepriester, sein Leben zum Opfer bringen will; wo er, der Lehrer der Wahrheit, in einer Atmosphäre des Todes das Evangelium vom Leben verkündet; wo er, das unschuldige Lamm, sterbend das Paschageheimnis vollzieht. Kreuzweg, Weg Christi, der sich fortsetzt in der Menschheit, einer in Schmerz getauchten, der Todesangst verfallenen Menschheit, die Opfer der Gewalt und brudermörderischer Kriege ist: Bosnien, Tschetschenien, Ruanda, Burundi, Mittlerer Osten, Somalia... Kreuzweg 1995, im Jahr der tragischen Gedenktage: Erinnerung an Auschwitz, das grauenvolle Vernichtungslager, an das völlig zerstörte Dresden, an Hiroshima, die von totaler Verheerung heimgesuchte Stadt. Kreuzweg 1995. Jesus zieht wiederum hinauf nach Golgota - mit uns, in uns, für uns: Die Menschheit soll von neuem in seinem blutüberströmten Gesicht die größte Offenbarung der Liebe des Vaters erkennen. Die Mutter Jesu ist bei uns: Sie folgte dem Sohn bis unters Kreuz und nahm sein Vermächtnis entgegen, sie bettete ihn mit grenzenloser Liebe ins Grab und erwartete voll Vertrauen die Erfüllung des Wortes: „Am dritten Tage werde ich auferstehen“ ... Der Kreuzweg führt durch alle Kolosseen der Geschichte Vorbereitete Meditation nach dem Kreuzweg am Kolosseum am 14. April (wurde nicht verlesen) 1. „Ecce lignum Crucis!“ Diese Worte stehen im Mittelpunkt der Karfreitagsliturgie. Wie an so vielen anderen Orten der Welt habe auch ich heute in der Petersbasilika inmitten der versammelten Gläubigen das Kreuz erhoben und, während ich nach und nach das Bild des gekreuzigten Erlösers enthüllte, dreimal verkündet: „Ecce lignum Crucis!“ -„Seht, das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt!“ „Venite, ador-emus“ - „Kommt, lasset uns anbeten!“ Und die ganze Versammlung kniete nieder und verweilte einen Augenblick in gesammelter Stille. Am Karfreitag feiert die Kirche keine Eucharistie: Sie ist ganz in die Betrachtung des Leidens des Herrn versunken, die ihren Höhepunkt in der Kreuzverehrung findet. Dann wird die heilige Kommunion ausgeteilt mit den Hostien, die während der Abendmahlsmesse (Missa praesanctificatorum) am Gründonnerstag konsek- 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN riert wurden. So erreicht das gestern mit der Abendmahlsliturgie begonnene Heilige Triduum heute im Sacramentum passionis seinen Höhepunkt. Wir müssen uns heute von der Wirklichkeit des Leidens und Sterbens Christi aufrütteln lassen, um die volle Ausdruckskraft der Eucharistie noch tiefer zu verstehen. 2. Und hier sind wir nun zur „Via Crucis“ am Kolosseum versammelt. Was bedeutet die Feier der Via Crucis gerade an diesem Ort? Um diese Frage zu beantworten, ist ein wichtiges Detail zu beachten. Für die Via Crucis haben wir ein Holzkreuz ohne den Gekreuzigten verwandt: „Ecce lignum crucis!“ So wurde das ,packte“ Kreuz auf den Ruinen des Kolosseums aufgestellt, die uns zutiefst berühren. Sagt uns all das nicht, daß das Holz des Kreuzes, an das am Karfreitag der Leib Christi angenagelt wurde, immer bereit steht, alle diejenigen aufzunehmen, die im Laufe der Jahrhunderte berufen sind, an den Leiden Christi teilzuhaben? Das galt für alle, die hier und an so vielen anderen Orten der Erde ihr Leben für Christus hingaben. Jesus von Nazaret sagt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24). Und weiter: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig“ (Mt 10,38). Er sagte das, als man sich seine Kreuzigung kaum vorstellen konnte, weil alle in ihm einen großen Propheten und Wundertäter sahen. Damals widersprach Petrus: „Das darf nicht mit dir geschehen!“ (Mt 16,22). Aber Christus wußte, was am Karfreitag geschehen würde, wenn er zum Tod am Kreuz verurteilt wird. Er wußte, daß die Bewohner von Jerusalem rufen würden: „Kreuzige ihn!“ (Joh 19,15), und daß Pilatus dem Druck der führenden Juden nachgeben und das Todesurteil fällen würde. Christus wußte, daß er das Kreuz durch die Straßen Jerusalems tragen würde, um auf ihm angenagelt zu werden, und daß er auf ihm sein Leben würde opfern müssen. „Ecce lignum crucis, in quo salus mundi pependit!“ Christus wußte, daß sein Tod für die Rettung der Welt notwendig war. 3. „Seht das Holz des Kreuzes!“ „Heiliges Kreuz, du Pfand des Heiles, Baum, vor allen hochgeehrt; keiner glich dir je an Blättern, schönen Blüten, edler Frucht. Süßes Holz, du hast gehalten süße Nägel, süße Last“ (Hymnus Crux fidelis). Während sie die Erhabenheit des Kreuzes verkündet, auf dem die Rettung der Welt vollendet wurde, führt uns die Kirche am Karfreitag zum Mittelpunkt der Geschichte des Menschen: zwischen dem „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ und dem ,3aum des Lebens“ (vgl. Gen 2,9). Nach dem Buch Genesis ist das Übertreten des göttlichen Verbots, vom ,3aum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, die Sünde, die die von der Menschheit ererbte Sündhaftigkeit begründet hat (vgl. Gen 2,16-17). 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der kurze und dichte Text des Buches Genesis ist erschütternd, wenn man ihn eingehend liest. Der Mensch hat seinen ursprünglichen Zustand der Glückseligkeit durch die Sünde verloren. Aber er hat den zweiten Baum nicht aus den Augen verloren. Die Sünde entfernte den Menschen vom „Baum des Lebens“, konnte aber aus seinem Herzen nicht die Sehnsucht nach dem Leben auslöschen, das er darstellte. Der ersten im Buch Genesis enthaltenen Ankündigung entsprechend, sollte der Gesalbte Gottes, der Sohn, geboren aus der Frau, den Menschen wieder den Weg zeigen, der zum Leben führt. Er sagt von sich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Seht, dieser Weg geht über das Kreuz. Deshalb verehren wir heute das Kreuzesholz, an dem der gemarterte Leib des Erlösers gehangen hatte: das Kreuz, das für uns zum Weg geworden ist, der zum Leben führt. Neben dem Kreuz am Kolosseum beenden wir also unsere Karfreitagsliturgie, die „liturgia passionis“. Wir schließen sie mit einem tiefen Gefühl der Hoffnung. Hatte Christus nicht bereits angekündigt, daß er auferstehen würde? So wird sich also das „mysterium passionis“ als „mysterium paschale“ erweisen. Mutter Christi du hast deinen Sohn auf dem Kreuzweg begleitet; du standest in seiner Todesstunde unter dem Kreuz; führe unsere Herzen durch alle Kolosseen der Geschichte des Menschen. Führe sie durch das weite und vielfache Leidensgeheimnis der Menschheitsfamilie zum Ostergeheimnis, das heißt zu jenem Licht, das sich in der Auferstehung Christi offenbaren und den endgültigen Sieg des Lebens über den Tod zeigen wird. Vereint um das Kreuz Frei formulierte Meditation beim Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 14. April Brüder und Schwestern! Heute, am Karfreitag, spricht zu uns das Kreuz. Das Kreuz spricht zu uns in der Liturgie, die wir in St. Peter gefeiert haben und die wir jetzt hier feiern. Das Kreuz spricht zu uns durch dieses römische Kolosseum. Es spricht zu uns durch die Märtyrer, die sich am Kreuz Christi festgehalten haben und zu Zeugen für seinen Tod, sein Martyrium, seine Auferstehung wurden. Am Ende dieser Meditation, die eine lutherische Schwester geschrieben hat, wollen wir unseren Brüdern und Schwestern, den römischen Märtyrern, die hier im Kolosseum ihren Glauben, ihre Hoffnung und die Liebe zu Christus bezeugten, sagen, daß wir das Glaubenserbe zu bewahren suchen, das sie uns hinterlassen haben; daß wir versuchen, mit dem gekreuzigten Christus an den Ort zu gehen, wo sie für ihren Glauben Zeugnis gaben; daß wir versuchen, immer mehr eins zu sein. Ich erinnere mich, daß die Meditationen der Via Crucis letztes Jahr vom Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios, vorbereitet worden waren. Dieses Jahr 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat sie eine lutherische Schwester vorbereitet, die an der letzten Synode über „das gottgeweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt“ teilgenommen hat. Wir haben zusammen teilgenommen und das Kreuz Christi getragen. Mit dem Papst, Bischof von Rom, haben es verschiedene Personen, vor allem Laien, Brüder und Schwestern, getragen und weiter ein orthodoxer Bruder aus Moskau und eine lutherische Schwester. All das zeigt, daß wir uns dem dritten Jahrtausend nähern, dem „Tertio millennio adveniente“, und immer näher, immer mehr eins sein wollen, denn Christus hat uns geeint in seinem Kreuz, in seiner Auferstehung, in seinem Mysterium,,Mysterium passionis“,,Mysterium paschale“. Meine Lieben, ich danke euch und empfehle euren Gebeten dieses „Tertio millennio adveniente“ an; es möge ein Zeichen der Kontinuität mit dem römischen Kolosseum der ersten Jahrhunderte sein. Wir bereiten uns auf die morgige Ostemacht und weiter auf den Ostersonntag vor, indem wir tief das Mysterium Christi, Heilsmysterium, Mysterium unseres Erlösers, leben. Mit der ganzen Kirche bekennen wir, wie wir es vor jeder Station der Via Cmcis getan haben: „Du, o Christus, hast die Welt gerettet, hast die Welt erlöst. Die Welt bedarf immer deiner Erlösung und wird ihrer immer bedürfen in all den Jahrtausenden, die auf dem Weg in die Zukunft der Menschheit und der Kirche noch bleiben.“ Brüder und Schwestern, ich gebe euch meinen Segen und danke euch für eure Teilnahme trotz des Regens. Dem Regen schulden wir noch einen besonderen Dank. Gelobt sei Jesus Christus! Mit Christus ist neue Hoffnung erstanden Predigt in der Ostemacht, 15. April 1. Der Evangelist Johannes erzählt, daß ein Pharisäer namens Nikodemus, ein führender Mann unter den Juden, bei Nacht zu Jesus ging und daß der Meister bei dieser Gelegenheit zu ihm sagte: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Nikodemus erwiderte: „Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden?“ Jesus antwortete ihm: „Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, daß ich dir sagte: Ihr müßt von neuem geboren werden“ (vgl. Joh 3,3-7). 2. Liebe Schwestern und Brüder, in dieser Ostemachtsfeier erleben wir in besonderer Weise die „neue Geburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist“: die Wiedergeburt durch die Taufe, die „auf Christus Jesus, ... auf seinen Tod“ geschieht, 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie der hl. Paulus uns darlegte (Rom 6,3). „Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein“ (Röm 6,5). In diesen Stunden versammelt sich das über die ganze Erde verstreute Volk Gottes, um zu wachen, und während es mit seinem Herrn wacht, schreitet in der Finsternis das Licht vorwärts, und der Augenblick rückt immer näher, wo Christus, nicht weit von der Kreuzigungsstätte entfernt, begraben, von den Toten auferstehen und die Macht des Lebens offenbaren wird, die in Ihm ist. „Der Herr des Lebens kennt nicht den Tod, auch wenn er seine Pforten überschritten hat“ (Polnisches Osterlied). Gerade zum Gedächtnis und in Erwartung seines Übergangs vom Tod zum Leben versammelt sich die ganze Kirche geistig an Jesu Grab. Und während der Osternachtsfeier, die den Kernpunkt des ganzen liturgischen Jahres und des Lebens der Kirche bildet, wird gleichsam in Erwartung der Auferstehung nach uraltem Brauch den Katechumenen das Taufsakrament gespendet. Sie haben sich auf diesen Augenblick lange vorbereitet, insbesondere während der Fastenzeit, und jetzt werden sie „aus Wasser und aus Heiligem Geist wiedergeboren“ zu einem neuen Leben in Christus. So lenkt die Ostemachtsfeier die Aufmerksamkeit auf das Taufgeheimnis. 3. Ich grüße euch, liebe Gläubige von Rom und aus allen Erdteilen, die ihr hier in der Petersbasilika um den Bischof von Rom versammelt seid! Mit euch empfange und grüße ich voll Freude und Liebe euch, Schwestern und Brüder, die ihr in Kürze die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie empfangt. Auch ihr habt die Worte gehört, die unser Herr Jesus an Nikodemus gerichtet hat. Auch ihr habt an sie geglaubt. Und jetzt wollt ihr „aus Wasser und aus Heiligem Geist wiedergeboren werden“. In euch grüße ich die christlichen Gemeinden und die Länder, aus denen ihr kommt: Albanien, Südkorea, Indonesien, die Volksrepublik China und die Vereinigten Staaten von Amerika. Der hl. Paulus versteht das Eintauchen in das Taufwasser als Teilhabe an Jesu Tod (vgl. Röm 6,3). Das geistige Sterben mit Christus ist der unerläßliche Übergang, um an seiner Auferstehung teilzuhaben. Denn der Apostel schreibt: „Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn ... So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus“ (Röm 6,8-9.11). Das Taufsakrament kommt der Auferstehung Christi gleich, weil es in das Leben einführt, das nicht stirbt. Während das menschliche Dasein, das jeder von uns von seinen irdischen Eltern empfangen hat, mit dem Tod des Leibes endet, hat das von Gott in Jesus Christus erhaltene Leben kein Ende. Das Leben Gottes kennt keinen Tod! In Gott ist die Fülle des Lebens. Alle, die „aus dem Wasser und dem Geist“ 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN getauft sind, werden dieses Lebens teilhaftig, das Jesus in seiner Auferstehung offenbart. 4. Zu Beginn der Ostemachtsfeier war das Gotteshaus in Dunkel gehüllt, und kein Lichtschein erhellte die Finsternis der Nacht. Dann, als der Diakon feierlich die draußen am geweihten Osterfeuer entzündete Kerze hereintrug und dreimal rief „Lumen Christi“, wurde es Licht. Auf diese Weise wich die Finsternis allmählich und machte dem Licht Platz. Immer mehr Kerzen wurden an der ersten Flamme entzündet, und in der Basilika wurde es immer heller. Das Licht Christi besiegt die Finsternis. Was ist dieses Licht? Darauf antwortet der hl. Johannes im Prolog seines Evangeliums: Es ist das Leben, das Christus in sich hat.„In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh 1,4). Die Wahrheit Christi, das Leben und das Licht der Menschen, drang in dieser Ostemacht von neuem in die Nacht ein, in das Sinnbild der Finsternis, die die Welt nach dem Tod Jesu umgeben und sein Grab eingehüllt hatte. Aber das Licht Christi will sich von neuem über die Welt ergießen. Als die Frauen nach dem Sabbat in der Frühe des Morgens zum Grab kamen, um den Leib des Herrn zu salben, fanden sie es leer, und sie hörten den Engel sprechen: „Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden“ CMt 28,5-6). An diesem Ostermorgen erklingt von neuem diese Ankündigung: „Annuntio vobis gaudium magnum!“ Ich verkünde euch das österliche Halleluja: Christus ist erstanden! Mit Ihm ist für jedes Menschenherz, das nach Licht und Heil dürstet, von neuem die Hoffnung erstanden. Die Kirche verkündet das Evangelium vom Leben Botschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ am Ostersonntag, 16. April 1. „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir.“ Während der Heiligen Woche, der Woche des Leidens des Herrn, verkündet die Kirche den Tod Christi. Sie verkündet ihn vom Palmsonntag an und dann während des Ostertriduums. Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag: drei Tage, an denen die liturgische Verkündigung vom Tod Christi entfaltet wird, die am Grab endet, wo der leblose Leib Jesu von Nazaret beigesetzt worden ist. Heute kehrt die Kirche zu diesem Grab zurück; sie kehrt vor allem mit den Frauen von Jerusalem zurück, die nach dem Sabbat gekommen waren, um den Leichnam Christi zu salben. Sie finden das Grab leer, und sie hören aus dem Innern die Worte: „Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat“ {Mt 28,5-6). Von diesem Augenblick an beginnt die Kirche zu beken- 795 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen, daß er, der tot war, jetzt als König zum Leben erstanden ist. „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir.“ 2. Es ist bedeutsam, daß die ersten Zeugen der Auferstehung Frauen waren; sie hören als erste aus dem Inneren des Grabes die unerwartete und erschütternde Nachricht, die sie zunächst in großen Schrecken versetzt. Die Wahrheit jedoch steht ihnen vor Augen: Das Grab ist leer, ohne den Leib Christi. Erschrocken und verwirrt erzählen sie, daß sie Zeuginnen eines Geschehens gewesen waren, das die Geschichte des Menschen umzukehren vermag. Sie können das Erlebnis eines solchen Geschehens nicht für sich behalten! Deshalb laufen sie zu den Aposteln, um ihnen getreu zu berichten, wovon sie Zeugen geworden sind. Petrus und Johannes eilen zum Grab und stellen dasselbe fest, was sie von den Frauen gehört haben. Noch am selben Tag verbreitet sich die Nachricht von dem leeren Grab. Am Abend bestätigt dann Jesus den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln, daß das leere Grab der Beweis ist für seine Auferstehung. 3. Kam die Auferstehung für die Apostel ganz überraschend? Hatten sie nicht aus dem Mund Jesu viele Ankündigungen darüber vernommen? Er hatte seinen Tod am Kreuz in Jerusalem klar angekündigt. Und er hatte immer hinzugefügt: „Der Menschensohn wird ... am dritten Tag auferstehen“ (Mt 17,22-23). Das, was geschehen war, was die Frauen und dann die Apostel selbst festgestellt hatten - eine zunächst schwer zu glaubende Wirklichkeit - war von jenem Tag an eine offenkundige Tatsache geworden. Hatte nicht im übrigen Jesus Tote zum Leben erweckt? Hatte er nicht Lazarus, seinen Freund, den Bruder von Maria und Martha, auferweckt Hatte er nicht zu Martha, die über den Tod ihres Bruders weinte, gesagt: „Dein Bruder wird auferstehen“ (Joh 11,23)? Und dann hatte er hinzugefügt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25). Nach all dem, muß die Kirche nicht die Auferstehung Christi bezeugen? Muß sie diese nicht voll Kraft und innerer Freude verkünden? 4. Ja, die Kirche verkündet das Evangelium vom Leben mit der Kraft dessen, der den Tod besiegt hat, und sie lädt jeden ein, „mit Standhaftigkeit und Mut daran zu arbeiten, daß in unserer Zeit, die allzu viele Zeichen des Todes aufweist, endlich eine neue Kultur des Lebens als Frucht der Kultur der Wahrheit und der Liebe entstehen möge“ (Evangelium vitae, Nr. 77). Christus öffnet den Weg des Lebens! An die durch den Krieg zerrissenen Familien, an die Opfer von Haß und Gewalt wie in Algerien, in Bosnien-Herzegowina, in Burundi und im südlichen Sudan richtet die Kirche ohne zu zögern von neuem die österliche Botschaft des Friedens und erinnert alle an ihren gemeinsamen Ursprung in dem einen Gott. Allen, die unter Leiden auf die Anerkennung ihrer tiefen Erwartungen warten, wie die Palästinenser, die Kurden oder unter anderen die Urbevölkerung Lateinamerikas, schlägt die Kirche den Dialog als einzigen Weg vor, der geeignet ist, gerechte Lösungen zu fördern für ein Zusammenleben, das von der Achtung und von gegenseitiger Annahme geprägt ist. Denen gegenüber, die versucht sind, ein weiteres 796 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mal ihre Hoffnung auf die Waffen zu setzen, wie im Kaukasus und kürzlich in Ecuador oder in Peru, wiederholt die Kirche tief betroffen und voll Sorge, daß Egoismus und Machtstreben der Wahrheit des Menschen und um so mehr der Würde des Christen widersprechen. Die Kirche weist alle darauf hin, daß das ruhige Zusammenleben als Frucht der Achtung und des gegenseitigen Verstehens von der geduldigen Öffnung auf jeden Mitmenschen hin Förderung erfährt. 5. Alles wird neu im Licht des Auferstandenen, der allein sagen kann:„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (.loh 11,25-26). Der Glaube der Kirche ist in diesen Worten enthalten! Christus, auferstanden am dritten Tag, ist „der Erstgeborene der Toten“ (Kol 1,18), der Beginn der leiblichen Auferstehung und des ewigen Lebens in Gott. Die Kirche erlebt heute eine große Freude, die sie vor allem mit der Mutter Christi teilt: „Regina coeli laetare: Alleluja!“ „Freu dich, du Himmelskönigin, alleluja!“ Aus der Höhe der Feier der Auferstehung verbreitet sich diese Freude über das ganze Leben der Christen: „Victimae paschali laudes immolent Christiani...“ „Dem Osterlamm, das geopfert ward, weihet, ihr Christen, das Opfer des Lobes! Das Lamm erlöste die Schafe; Christus, der ohne Schuld, versöhnte die schuldige Welt mit dem Vater. Tod und Leben stritten im Kampfe, wie nie einer war; der Fürst des Lebens erlag dem Tod; zum Leben erstanden, triumphiert er als König.“ Die Kirche braucht glaubwürdige Verkünder der Frohen Botschaft Botschaft aus Anlaß der Zweihundertjahrfeier der Geburt des hl. Vinzenz Pallotti vom 21. April An den Hochwürdigsten Herrn P. Seamus Freeman, Generalrektor der Gesellschaft des Katholischen Apostolates 1. Die Zweihundertjahrfeier der Geburt des hl. Vinzenz Pallotti (1795-1995), Priester in Rom und Gründer der Vereinigung des Katholischen Apostolates, gibt mir die Gelegenheit, der ganzen pallottinischen Familie ein Grußwort zu sagen. Gleichzeitig habe ich den Wunsch, daß ein solches Ereignis eine Zeit hervorruft, in der Gott für den hl. Vinzenz Pallotti), gedankt wird. Er ist ein Geschenk für die Kirche, ein Zeuge des christlichen Glaubens, der aus der Fülle des Evangeliums die Liebe lebte. Ich weise gerne darauf hin, daß diese Feier sich in einem Augenblick ereignet, in dem die ganze Christenheit sich auf das dritte Jahrtausend der Geburt des Erlösers vorbereitet; das gibt diesem Jubiläum eine besondere Bedeutung. Daher soll sich dieser Dank, der sich zum Herrn erhebt, wie ich in meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente hervorgehoben habe, auch 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „auf die Früchte der Heiligkeit ausweiten, welche im Leben der vielen Männer und Frauen herangereift sind, die in jeder Generation und in jeder Geschichtsepoche das Geschenk der Erlösung vorbehaltlos anzunehmen vermochten“ (Nr. 32). In diesem Geist schließe ich mich mit dem Lobgebet der großen pallottinischen Familie an - Priester, Brüder, Schwestern und gläubige Laien - und möchte meine Freude über alle Initiativen ausdrücken, die unternommen werden, um das besondere Charisma wiederzuerwecken, das der verehrte Gründer als Erbe hinterlassen hat. Diese Gabe des Geistes möge allen ein Antrieb sein, das geistliche Leben zu erneuern und alle Kräfte des Apostolates zu vereinen, um der Welt die Gegenwart des lebendigen Gottes zu bezeugen, der die unendliche Liebe ist. Aktualität des Gründungscharismas von Vinzenz Pallotti 2. Die Botschaft, die ich den geliebten Brüdern und Schwestern der Vereinigung des Katholischen Apostolates anvertrauen möchte, ist dieselbe, die der hl. Vinzenz Pallotti), in unseren Zeiten wiederholen würde: Bewahrt den christlichen Glauben, verkündet ihn durch Wort und Tat, helft anderen zu glauben, daß Gott ein barmherziger Vater aller Menschen ist; daß Jesus Christus der Erlöser ist, in dem wir zu neuem Leben wiedergeboren sind; daß der Heilige Geist die Kraft unseres Lebens ist; daß der Glaube „in der Liebe wirksam ist“ (Gal 5,6) (vgl. Opere complete X,198-199). Mit Freude vertraue ich von neuem dieses Gründungscharisma der ganzen pallottinischen Familie an, auf daß es eine Quelle der Inspiration sei, um auf die Nöte unserer Zeit in Kirche und Welt zu antworten. Die Aktualität dieser Botschaft zeigt sich deutlich an der Schwelle zum dritten Jahrtausend. Welcher Beitrag in einer Welt, die Gefahr läuft, unchristlich zu werden, könnte bedeutender sein, als daß die Mitglieder der Vereinigung des Katholischen Apostolates sich lebendig in die Neuevangelisierung einbringen? Es ist daher notwendig, daß sich alle fragen, wie wirksam ihr Einsatz ist, in einer Gesellschaft den Glauben wiederzubeleben, in der die religiöse Gleichgültigkeit „viele Menschen ... dahin bringt, zu leben, als ob es Gott nicht gäbe, oder sich mit einer vagen Religiosität zufrieden zu geben, die außerstande ist, es mit dem Problem der Wahrheit und mit der Pflicht zur Kohärenz aufzunehmen?“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 36). Authentische Glaubensverkündigung Die Kirche von heute braucht authentische Zeugen und glaubhafte Verkünder des Glaubens, so daß alle Christen erfahren, was es heißt, in Christus zu leben, und daß sie, geführt von Gottes Geist, die göttliche Wirklichkeit in der Welt zu entdecken wissen. Wie der Katechismus der Katholischen Kirche bestätigt, müssen wir, „um im Glauben zu leben, zu wachsen und bis ans Ende zu verharren,... ihn durch das Wort Gottes nähren und den Herrn anflehen, ihn zu mehren. Er muß ,in der Liebe wirksam’ (Gal 5,6), von der Hoffnung getragen und im Glauben der Kirche 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verwurzelt sein“ (Nr. 162). Davon war auch der hl. Vinzenz Pallotti), fest überzeugt, wenn er sagt, „die Religion ... muß von ihren Anhängern durch ihr Beispiel und mit der Rechtschaffenheit ihrer Worte verteidigt werden, und auf diese Weise muß ihre Vernünftigkeit aufgezeigt werden“ (Opere complete XI, 837). Doch um das Evangelium durch Wort und Tat zu bezeugen und zu verkünden, braucht es eine tiefe christliche Bildung, die genährt und unterhalten wird von der ständigen Verbindung mit Christus im Gebet, in der Feier der Liturgie, im geschwisterlichen Leben, in der Nächstenliebe und in der theologischen Reflexion. Mission „ad gentes“ Ein Aspekt der Glaubensverkündigung verdient noch besondere Aufmerksamkeit. Der hl. Vinzenz Pallotti), hat den Einsatz der Gläubigen für die Mission „ad gentes“ mit allen Kräften gefördert. Eine der Herausforderungen der Neuevangelisierung ist es, das Evangelium Jesu Christi dort zu verkünden, wo es noch unbekannt ist. In diesen unseren Zeiten können wir nicht den Aufruf des Gründers vergessen: „Es ist sicher, nichts anderes trägt so sehr zur Ehre Gottes und zum geistlichen Heil des Nächsten bei, als dort missionarisch tätig zu sein, wo das Licht des Evangeliums bisher noch nicht leuchtet und wo es jungen Kirchen in weitausgedehnten Territorien an Missionaren mangelt“ (Opere complete V, 80). Ich weiß sehr wohl, wie sehr sich die pallottinische Familie in den Missionen einsetzt; sie soll wissen, daß die Kirche tief dankbar ist für diesen kostbaren Dienst. Mut zur persönlichen Glaubens erfahrung Die Verkündigung des Glaubens führt zur Entdeckung Gottes, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8). Dies war ein immer wiederkehrendes Thema in der Verkündigung des hl. Vinzenz Pallotti),. Es hat sein Fundament in der persönlichen Erfahrung des Heiligen, sich von Gott bedingungs- und grenzenlos geliebt zu wissen. Seine geistlichen Erwägungen mögen immer neu zu allen Zeiten im Herzen seiner geistlichen Söhne Widerhall finden. Gott, die unendliche Liebe, ist immer und überall gegenwärtig. Gott, der die Liebe ist, schuf „den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis“ (vgl. Gen 1,26 - Opere complete III, 151), und dieser Mensch „ist nicht ein Bild auf Leinwand gemalt; noch ein Bild aus Holz, Stein, Metall, sondern ein lebendes, vernunftbegabtes, geistliches Wesen“ {Gott, die unendliche Liebe, Friedberg 1981, S. 80). In Jesus Christus wird die Liebe Gottes sichtbar. Er gab „seinen eingeborenen Sohn dahin“ (vgl. Joh 3,16), um mit dem sündigen Menschen einen neuen Bund zu schließen; Leben in Christus ist daher Leben in der Liebe des Vaters (vgl. Opere complete HI, 34-40). Im Lichte dieser Überzeugungen wählte der Heilige als Motto die Worte des Apostels Paulus: „Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe zu den Armen 3. Bei dieser Gelegenheit möchte ich alle Mitglieder der Vereinigung ermutigen, konkret zur Verwirklichung des Wunsches des Gründers beizutragen, den er mit den Worten zum Ausdruck brachte: „Wenn ich Arme sehe, oder an sie denke, ... dann möchte ich Speise, Trank, Arznei, Kleidung für sie werden ... dann möchte ich umgewandelt werden in Licht für die Blinden, Sprache für die Stummen, Gehör für die Tauben, Gesundheit für die Kranken“ (Opere complete X,15-16). Die Liebe zu den Armen muß also eine vorrangige Anforderung für die Vereinigung sein. Deshalb muß die Zuwendung aller in erster Linie denen gelten, an die niemand denkt oder die am Rand stehen. Es gilt, sich für das Leben der Kinder und Jugendlichen, der Alten und Ausgeschlossenen einzusetzen. Sämtliche karitativen Aktionen sind zu fördern, die der materiellen und spirituellen Entwicklung dienen; dabei ist zu denken an Lehren und Raten, Trösten und Ermutigen, Verzeihen und mit Geduld Ertragen. Dies sind die Tätigkeiten, mit denen der hl. Vinzenz Pal-lotti), Zeugnis der brüderlichen Liebe gab und zum Aufbau einer Zivilisation der Liebe beitrug. Der Auftrag der Pallottiner Meinerseits kann ich nicht anders, als meine Freude auszudrücken über all den gezeigten Einsatz, um jene prophetische Vision zu fördern und zu entwickeln, die die Identitätskarte der Pallottiner in der Kirche ist. Im Schlußdokument der 17. Generalversammlung von 1992 wurde bekräftigt: „Die Vereinigung des Katholischen Apostolates als Gabe des Heiligen Geistes ist eine Gemeinschaft („communio“) einzelner Personen und Gemeinschaften, die nach dem Charisma des hl. Vinzenz Pallotti), die Mitverantwortung unter allen Getauften wecken, um den Glauben zu beleben und die Liebe in Kirche und Welt zu entzünden und so zur Einheit aller in Christus beizutragen“ (Nr. 16). Diese Schule möge alle inspirieren, eifrige Verkünder des lebendigen Glaubens und Apostel der tätigen Liebe zu sein. Alle mögen sich für die Verwirklichung der Ziele der Vereinigung des Katholischen Apostolates einsetzen, die der heilige Gründer fördern, festigen und ausbreiten wollte, denn „sie [soll] allezeit in der Kirche Jesu Christi wie eine Posaune des Evangeliums sein ..., die alle ruft, alle einlädt und den Eifer und die Liebe aller Gläubigen weckt“ (Opere complete I, 5). Bezugnahme auf das Pfingstereignis 4. Ich begleite und bestärke all diese Gedanken und Wünsche mit meinem Gebet, daß Maria, die Königin der Apostel, alle, die der Vereinigung angehören, mit den Aposteln im Abendmahlssaal vereine. Der heilige Gründer bezieht sich auf das Pfingstereignis, wenn er schreibt: „Wo immer ich mich befinde, will ich mir vorstellen (und will mich mühen, dieses Bewußtsein oft in mir zu wecken), mit allen Geschöpfen im Abendmahlssaal von Jerusalem zu sein, wo die Apostel den Heili- 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen Geist empfingen ..." (Opere complete X, 86). Ich wünsche allen Gemeinschaften der Vereinigung des Katholischen Apostolates, daß sie wirklich „Coena-culum“ werden, wo man das Brausen des Heiligen Geistes spürt und von wo sich immer mehr das Feuer seiner Liebe und das Licht seiner Weisheit ausbreitet. Der Apostolische Segen, den ich aus vollem Herzen erteile, komme auf Sie und alle Mitglieder der Vereinigung herab und schenke allen die frohe Gewißheit der Gnade Gottes und seines Trostes. Aus dem Vatikan, am 21. April 1995 Joannes Paulus PP. K Der auferstandene Christus — Anfang und Ende der Geschichte der Menschheit Predigt in der Kirche Santo Spirito in Sassia am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit, 23. April „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Der auferstandene Christus hat am Abend desselben Tages, an dem er von den Toten auferstand, diese Worte zweimal ausgesprochen als er den elf im Abendmahlssaal versammelte Jüngern erschien. Wie der Evangelist Johannes bestätigt, zeigte der Herr ihnen seine Hände und seine Seite, um ihnen die Identität seines Leibes zu verdeutlichen, fast so, als wolle er sagen: Das ist derselbe Leib, der vor zwei Tagen ans Kreuz genagelt und dann ins Grab gelegt worden ist; der Leib, der die Wunden der Kreuzigung und des Lanzenstichs trägt; er ist der direkte Beweis dafür, daß ich auferstanden bin und lebe. Vom menschlichen Standpunkt aus gesehen, war es schwierig, diese Feststellung zu akzeptieren, wie die Reaktion des Thomas beweist. Am Abend der ersten Erscheinung im Abendmahlssaal war Thomas abwesend. Und als die anderen Apostel ihm erzählten, daß sie den Herrn gesehen hatten, weigerte er sich trotzig, daran zu glauben: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25). Aus diesen Worten kann man ersehen, wie wichtig die physische Identität des Leibes Christi für die Wahrheit der Auferstehung gewesen ist. Als der Herr Jesus am achten Tag - wie heute - wieder in den Abendmahlssaal kam, wandte er sich direkt an Thomas, so als wolle er dessen Wunsch erfüllen: „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Joh 20,27). Angesichts dieses Beweises glaubte der Apostel nicht nur, sondern er zog den äußersten Schluß aus dem, was er gehört und erfahren hatte, und drückte diesen in einem 801 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehr edlen und gleichzeitig knappen Glaubensbekenntnis aus: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). In Anwesenheit des Auferstandenen wurden für Thomas sowohl die Wahrheit seiner Menschlichkeit als auch die seiner Göttlichkeit offenbar. Derjenige, der mit eigener Macht auferstanden ist, ist der Herr: „Der Herr des Lebens kennt den Tod nicht“ (aus einem polnischen Osterlied). Das Bekenntnis des Thomas beschließt den Zyklus der Zeugnisse über die Auferstehung Christi, die die Kirche während der Osteroktav immer wieder vorstellt. „Mein Herr und mein Gott!“ Indem er auf diese Worte antwortet, eröffnet Jesus in einem gewissen Sinne die Wirklichkeit seiner Auferstehung der Zukunft der ganzen Menschheitsgeschichte. Er sagt nämlich zu Thomas: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh 20,29) Er denkt an jene, die ihn nicht, wie die Apostel, als Auferstandenen gesehen haben, die nicht mit ihm essen und trinken werden (vgl. Apg 10,41) und trotzdem glauben werden, auf Grund der Aussagen der Augenzeugen. Es sind besonders diese, die von Christus „selig“ genannt werden. 2. „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige“ {Offb 1,17-18). Es gibt eine gewisse Entsprechung zwischen der Erscheinung im Abendmahlssaal - vor allem jener des achten Tages, bei der Thomas anwesend war - und der eschatologischen Vision, von der der hl. Johannes in der zweiten Lesung aus der Offenbarung spricht. Im Abendmahlssaal zeigt Christus den Aposteln, allen voran Thomas, die Wunden an seinen Händen, seinen Füßen und seiner Seite, um die Identität seines auferstandenen und glorreichen Leibes mit dem gekreuzigten und ins Grab gelegten Leib zu bestätigen. In der Offenbarung stellt sich der Herr als der Erste und der Letzte dar, als Derjenige, mit dem die Geschichte des Kosmos beginnt und sie auch wieder endet, „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15), „der Erstgeborene der Toten“ (Kol 1,18), Anfang und Ende der Geschichte der Menschheit. Diese Identität, die auf ewig die Geschichte der Menschen durchdringt, wird mit den Worten „Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit“ (Offb 1,18). Es ist, als ob er sagen würde: Ich war tot in der Zeit; ich habe den Tod hingenommen, um bis zuletzt der Fleischwerdung treu zu bleiben, durch die ich in allem, außer der Sünde (vgl. Hebr 4,15), ein wahrer Mensch geworden bin, obwohl ich ein mit dem Vater wesensgleicher Gottessohn geblieben bin. Die drei Tage der Passion und des Todes, die für das Werk der Erlösung notwendig sind, bleiben in mir und in euch. Und jetzt lebe ich in Ewigkeit und offenbare durch meine Auferstehung den Willen des Vaters, der jeden Menschen aufruft, an meinem eigenen und unsterblichen Leben teilzuhaben. Ich habe die Schlüssel des Todes, mit denen ich die irdischen Gräber aufschließen und die Friedhöfe verwandeln will: aus Orten, wo der Tod herrscht, in weite Räume für die Auferstehung. 802 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Fürchte dich nicht!“ Als Jesus auf der Insel Patmos diese Aufforderung an Johannes richtet, enthüllt er damit seinen Sieg über die vielen Ängste, die den Menschen während seines irdischen Daseins begleiten, vor allem im Hinblick auf Leiden und Tod. Die Angst vor dem Tod betrifft auch das große Rätsel, für das der Tod steht: Handelt es sich vielleicht um eine völlige Vernichtung des menschlichen Wesens? Drücken die ernsten Worte: „Denn Staub bist du, zum Staub mußt du zurück“ (Gen 3,19) etwa nicht gänzlich die harte Wirklichkeit des Todes aus? Der Mensch hat also schon schwerwiegende Gründe, um angesichts des Geheimnisses des Todes Furcht zu spüren. Unsere gegenwärtige Zivilisation tut alles, um das Gewissen des Menschen von der unausweichlichen Wirklichkeit des Sterbens abzulenken, und es wird versucht, den Menschen dahin zu bringen, daß er so lebt als würde es den Tod gar nicht geben. Das drückt sich auf praktische Weise in dem Versuch aus, das Gewissen des Menschen von Gott abzulenken: ihn dahin zu bringen, daß er so lebt, als würde es Gott gar nicht geben! Die Wirklichkeit des Todes ist jedoch offensichtlich. Es ist nicht möglich, sie zum Schweigen zu bringen; es ist nicht möglich, die damit verbundene Angst zu zerstreuen. Der Mensch fürchtet den Tod, so wie er das fürchtet, was nach dem Tod kommt. Er fürchtet das Gericht und die Strafe, und diese Furcht hat auch einen rettenden Wert: Sie darf im Menschen nicht ausgelöscht werden. Wenn Christus sagt: „Fürchte dich nicht!“, so will er auf das, was die tiefste Quelle der existentiellen Ängste des menschlichen Wesens ist, antworten. Er möchte damit sagen: Fürchte nicht das Böse, weil in meiner Auferstehung das Gute sich stärker erwiesen hat als das Böse. Mein Evangelium ist siegreiche Wahrheit. Der Tod und das Leben sind auf dem Kalvarienberg in einem außerordentlichen Duell gegeneinander angetreten, und das Leben hat den Sieg davongetragen: „Dux vitae mortuus regnat vi-vius!“ „Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit“ (Ojfb 1,18). 4. „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden“ (Ps 117/118,22). Der Vers des Psalms der heutigen Liturgie hilft uns, die Wahrheit über die Auferstehung Christi zu begreifen. Er drückt auch die Wahrheit über die Göttliche Barmherzigkeit aus, die sich in der Auferstehung offenbart hat: Die Liebe hat über die Sünde gesiegt und das Leben über den Tod. Diese Wahrheit stellt in einem gewissen Sinne die Quintessenz der Frohen Botschaft dar. Christus kann deshalb sagen: „Fürchte dich nicht!“ Und er wiederholt diese Worte gegenüber jedem Menschen, vor allem jenen, die körperlich oder seelisch leiden müssen. Er kann sie mit größter Berechtigung wiederholen. Das hatte in besonderer Weise Schwester Faustina Kowalska, die ich vor zwei Jahren seligsprechen durfte, intuitiv erfaßt. Ihre mystischen Erfahrungen sind alle auf das Geheimnis des Barmherzigen Christus konzentriert und stellen fast einen besonderen Kommentar zum Wort Gottes dar, das uns in der heutigen Sonntagsliturgie vorgestellt worden ist. Schwester Faustina hat ihre Erfahrungen nicht nur niedergeschrieben, sondern sie hat auch einen Künstler gesucht, der fähig war, das 803 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bildnis des Barmherzigen Christus so zu malen, wie sie es sah. Dieses Bildnis, zusammen mit der Gestalt der sei. Faustina, ist ein beredtes Zeugnis für das, was die Theologen „condescendentia divina“ nennen. Gott macht sich für seine menschlichen Gesprächspartner verständlich. Die Heilige Schrift, vor allem das Evangelium, bestätigen das. Liebe Brüder und Schwestern! Auf dieser Linie befindet sich auch die Botschaft von Schwester Faustina. Aber gehörte diese Botschaft nur Schwester Faustina oder handelte es sich nicht vielmehr gleichzeitig um das Zeugnis all jener, denen diese Botschaft Mut eingeflößt hat während der schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs, der Konzentrationslager, der Vernichtung und der Bombenangriffe? Die mystische Erfahrung der sei. Faustina Kowalska und der Verweis auf den Barmherzigen Christus sind Teil des harten Umfeldes der Geschichte unseres Jahrhunderts. Wir Menschen dieses Jahrhunderts, das sich jetzt seinem Ende nähert, wollen dem Herrn für die Botschaft der Göttlichen Barmherzigkeit danken. 5. Heute, im besonderen, freut es mich, Gott zu danken in dieser Kirche von Santo Spirito in Sassia, die dem gleichnamigen Krankenhaus angeschlossen ist und die zu einem spezialisierten Zentrum für die Krankenseelsorge sowie für die Förderung der Spiritualität der Göttlichen Barmherzigkeit geworden ist. Es ist sehr bedeutsam und angebracht, daß gerade hier, neben diesem alteingesessenen Krankenhaus, mit anhaltendem Eifer für das Wohlergehen des Leibes und der Seele gebetet und gearbeitet wird. Ich drücke dem Kardinalvikar erneut meine Zufriedenheit darüber aus und sende ein dankbares Gedenken ebenfalls an den Titular-kardinal Fiorenzo Angelini. Ich grüße den Bischof des Bereiches West, den Rektor und die anderen Priester, die Ordensschwestern und euch alle, hebe Gläubige, die ihr hier anwesend seid. Ich möchte außerdem einen brüderlichen Gedanken an die Patienten des Krankenhauses Santo Spirito richten und auch an die Ärzte, die Krankenpfleger, die Schwestern und all jene, die sich tagtäglich um die Kranken kümmern. Ihnen allen möchte ich sagen: Habt Vertrauen zum Herrn! Seid Apostel der Göttlichen Barmherzigkeit und, gemäß der Aufforderung und dem Beispiel der Faustina, nehmt euch jener an, die körperlich, aber vor allem seelisch leiden. Laßt jeden die barmherzige Liebe des Herrn, der tröstet und Freude schenkt, spüren. Jesus sei Euer Frieden! „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Wir betrachten ihn im Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung und wiederholen zusammen die Worte der Liturgie des heutigen Sonntags: „Preist den Herrn, denn er ist gut! Preist den Herrn, denn er ist barmherzig!“ 804 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ethische und philosophische Forschungen im Geiste des Christentums Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kolloquiums über die philosophischen Aspekte der Enzyklika Veritatis splendor am 27. April Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Dozenten, liebe Studenten der Päpstlichen Universitäten! 1. Ich freue mich über die Begegnung mit euch bei diesem internationalen Studienkolloquium über die philosophischen Aspekte der Enzyklika Veritatis splendor, das die Kongregation für das katholische Bildungswesen aus gegebenem Anlaß veranstaltet hat. Ich begrüße jeden der Anwesenden und richte einen besonderen Gruß an Kardinal Pio Laghi, dem ich für die liebenswürdigen Worte danke, die er soeben im Namen aller an mich gerichtet hat. Ich möchte meiner großen Freude über diese wertvolle Initiative Ausdruck geben, die, wie ich mit Sicherheit annehme, einen wertvollen Beitrag anbieten wird zu einem besseren und tieferen Verständnis der Voraussetzungen und Verflechtungen vieler ethischen Problematiken unserer Zeit, die nun schon entschieden auf das dritte christliche Jahrtausend zugeht. 2. Von einem kulturellen Gesichtspunkt aus gesehen, ist es bezeichnend, daß die Sorge der Kirche auf dem Gebiet der Moral in Übereinstimmung steht mit dem erneuerten Interesse der gegenwärtigen Philosophie für die Ethik und deren Grundlagen. An der Wurzel dieser Konvergenz steht sicherlich das Bewußtsein, daß die wissenschaftliche und empirische Erkenntnis allein nicht imstande ist, angemessene Antworten auf die menschlichen Probleme zu geben, die sie selbst durch ihre Entdeckungen hervorgerufen hat. So ergibt sich zwangsläufig aus der wissenschaftlichen Forschung selbst die konstitutive Dimension des Menschen als persönliches und soziales Wesen: die letzte Zielsetzung seines Handelns. 3. Zuständigkeit für dieses Thema hat sowohl die Offenbarung wie die Vernunft: Hier liegt sogar die Quelle für einen notwendigen und fruchtbaren beiderseitigen Austausch. Die Offenbarung setzt voraus, daß der Mensch als geistbegabtes Geschöpf gemäß seiner Natur die physische und biologische Ordnung der Welt überschreitet, wenn er auch zu ihr gehört; sie setzt folglich voraus, daß er die Fähigkeit hat, bevorzugter Gesprächspartner Gottes zu sein. Hierin ist die dialogische Beschaffenheit des menschlichen Daseins begründet. Dieses geistige Offensein, das den Menschen zum Dialog mit Gott befähigt, hat eine ontische und ethische Dimension. Gerade deshalb haben die Menschen vom Beginn ihrer Geschichte an das Bewußtsein von ihrem ethischen Sein gehabt, wie es die Gebräuche und die Gesetze zeigen, die das Wissen um Gut und Böse zur 805 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Voraussetzung haben. Man darf nicht erstaunt sein über die Tatsache, daß die Ethik von Anfang an im Bereich des Denkens einen bevorzugten Platz einnimmt. Wie sollte man sich hier nicht an Sokrates, an Platon und an Aristoteles erinnern, die unvergängliche Beiträge zur Ethik geleistet haben? Nicht von ungefähr erhebt sich in jenem erhabenen Augenblick der ethischen Erkenntnis die Vorahnung von der Unsterblichkeit der Seele, das heißt die Vorahnung, daß der Mensch in seinem tiefsten Innern nicht der totalen Zerstömng des Todes unterworfen ist. 4. Schon das Buch der Weisheit hat dieses Erbe der Menschheit aufzugreifen verstanden. Auf seinen Spuren haben die Verfasser des Neuen Testamentes, vor allem Paulus und Johannes, das aufgenommen, was im Denken der Philosophen Gültigkeit besaß und was die Kirchenväter und großen Kirchenlehrer in Ehren gehalten und studiert haben, da sie in den philosophischen Wahrheiten kostbare „Samenkörner des göttlichen Wortes“ erkannten. In der Tat klärt sich nur im Geheimnis Christi, des fleischgewordenen Wortes, das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). In diesem Sinn können wir behaupten, daß die ethische und philosophische Forschung über den Menschen im christlichen Geheimnis eine höchste Vollendung findet. So enthüllt die Botschaft von Christus, der uns die Liebe des Vaters zu jedem von uns offenbart hat, dem Menschen, daß er, der Mensch, Person ist, d. h., daß er frei ist und eine transzendente Bestimmung hat. In dieser Freiheit hat die Berufung des Menschen zur Bruderliebe, zur Hingabe seiner selbst, zur Solidarität und zum Frieden, der das Werk der Gerechtigkeit ist, ihre Wurzeln. Auf Grund dieser Würde aller Menschen, von ihrer Empfängnis an bis zu ihrem Tod, mahnt die Kirche, alle Arten von Sklaverei, alte und neue, zu überwinden, wie ich kürzlich in der Enzyklika Evangelium vitae erwähnt habe (vgl. Nr. 3). Es ist klar, daß die Botschaft Christi, die der Kirche anvertraut ist, auch höchst bedeutsame Auswirkungen auf das Selbstverständnis des Menschen hat und in der Geschichte etwas absolut Neues darstellt. Als solches öffnet sie auch der philosophischen und ethischen Überlegung neue Horizonte. 5. Die Enzyklika Veritatis splendor, die sich in erster Linie an die Bischöfe richtet und durch sie an die Theologen und an das ganze Volk Gottes, untersucht unmittelbar einige theologische Theorien und äußert im Licht des Glaubens ein Urteil über deren Vereinbarkeit mit der Botschaft Christi. Es wird aber niemand entgehen, daß hinter einigen der besprochenen theologischen Positionen philosophische Auffassungen stehen, die sorgfältig bewertet werden. Zweifellos bildet das Thema der Freiheit, ein zentrales Thema des heutigen Denkens, ein Motiv des besonderen Interesses in der gegenwärtigen theologischen Reflexion. Kann es echte Freiheit auf Kosten der Wahrheit geben? Mit dieser Frage und mit anderen, die mit ihr in Verbindung stehen, seid ihr bei diesem bedeutsamen Kolloquium beschäftigt. Ich wünsche von Herzen, euer qualifizierter Beitrag 806 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möge auf dem Gebiet der Ethik einen kräftigen Anstoß zur philosophischen Vertiefung bilden. Die Enzyklika Veritatis splendor legt im Licht des Evangeliums die Grundlagen des christlichen Handelns vor. Die kürzlich erschienene Enzyklika Evangelium vitae beschäftigt sich mit besonderen Problemen von größter Bedeutung für das Schicksal der Menschheit; Problemen, die vertiefte Analysen verdienen. Auf einige von diesen möchte ich in einer im eigentlichen Sinn philosophischen Sicht eure Aufmerksamkeit lenken. Es handelt sich unter anderem um die Kritik an einer individualistischen Auffassung der Freiheit, einer Auffassung, die dazu führen kann, die Mißachtung des Schwachen zu rechtfertigen, wie es bei der Abtreibung und der Euthanasie geschieht. Ferner geht es um die Beziehung zwischen Zivilgesetz und Moralgesetz, um die Grundlagen der echten Demokratie und schließlich um den Sinn des Lebens selbst als eines Geschenkes Gottes, das in seiner Fülle in Christus offenbar geworden ist, dem „Wort des Lebens“. 6. Es ist mein herzlicher Wunsch, daß die Arbeit, die ihr in diesen Tagen intensiven Studiums leistet, hinsichtlich der noch offen gebliebenen Problematiken gültige Wege für die Forschung aufweise zu einem immer markanteren Zeugnis für die Wahrheit Christi und für das Evangelium des Lebens in unserer heutigen Welt. Euch und eure philosophische und wissenschaftüche Arbeit empfehle ich Maria, Sitz der Weisheit und Mutter des menschgewordenen Wortes, und von Herzen erteile ich jedem von euch einen besonderen Apostolischen Segen. Mission als Leidenschaft eines jeden Christen Ansprache bei der Audienz für die Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker am 28. April Sehr geehrte Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern im Herrn! 1. Von Herzen grüße ich Euch alle, die Ihr aus allen Erdteilen hier zusammengekommen seid, um an der XV. Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker teilzunehmen. Ich danke besonders Kardinal Jözef Tomko für die Worte, die er an mich gerichtet hat, und für den unermüdlichen Einsatz, den er - zusammen mit seinen Mitarbeitern - zur Förderung der missionarischen Tätigkeit und der Gründung neuer Kirchen an den Tag legt. Ich bin ebenfalls dankbar für die wertvollen Informationen über die eifrige Tätigkeit dieser Kongregation und über die Probleme hinsichtlich der missionarischen Animation und Zusammenarbeit, mit denen sich Eure Versammlung in diesen Tagen beschäftigt hat. In Eurer Arbeit seid Ihr vom Bewußtsein gestützt und geleitet worden, daß die Kirche „nur ein Ziel hat, nämlich dem 807 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen zu dienen, indem man ihm die in Jesus Christus erschienene Liebe Gottes aufzeigt“ (Redemptoris missio, Nr. 2). 2. Wie ich schon in der Enzyklika Redemptoris missio unterstrichen habe, sind die Themen der missionarischen Animation und Zusammenarbeit beide für die Lebendigkeit der Mission wesentlich, und sie stellen zwei sich ergänzende Aspekte dar, die untereinander eng verbunden sind. Der erste erinnert an die Tat Gottes, der den Menschen aus Erde vom Ackerboden geformt hatte; und er „blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ (Gen 2,7). Auch die missionarische Animation erreicht ihr Ziel, wenn sie durch die Kraft des Geistes im Getauften das Bewußtsein seines Zustandes als Kind Gottes einflößt und, indem sie in ihm einen lebendigeren Glauben zu Jesus, dem einzigen Heiland, erweckt, ihn dazu bringt, Zeuge und Missionar zu sein und mit dem Apostel auszurufen: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). An der Schwelle zum dritten Jahrtausend muß die Mission immer mehr zu Spannung, Streben und Leidenschaft jedes Christen und der ganzen Kirche werden, und zwar in der Perspektive einer Animation, die zur Erziehung, Information und Ausbildung auf allen Ebenen wird und jedes Gebiet der kirchlichen Tätigkeit für weltweite Aussichten öffnet: von der normalen seelsorgerischen Tätigkeit zur Mission ad gentes (vgl. Redemptoris missio, Nr. 33). 3. Diese Animation nimmt Gestalt an in der tatkräftigen Zusammenarbeit, verstanden als Austausch des Glaubens und der Gnade. Sie bringt eine höherstehende Solidarität hervor, weil sie „den Austausch von Leben und Energie zwischen allen Gliedern des mystischen Leibes Christi“ fördert (Fidei donum, Nr. 12) und, da sie aus der Gemeinschaft mit Christus entsteht, zu einem weltweiten, katholischen Empfinden führt. Die missionarische Zusammenarbeit ist zuallererst ein Ereignis des Glaubens, das das Gebet, die Opfergabe des Leidens und das Zeugnis des Lebens an die erste Stelle setzt und sich auf konkrete Weise in vielerlei Formen ausdrückt. „Das Gebet muß den Weg der Missionare begleiten“ (Redemptoris missio, Nr. 78), da die Missionare nur mit Hilfe des Heiligen Geistes das Geheimnis des Evangeliums kennen, erleben und bezeugen und es „mit Vertrauen und Freimut“ (ebd., Nr. 78) verkünden können. Mit dem Gebet ist das Opfer verbunden, jene geheimnisvolle und so wichtige Gabe, die „für den Leib Christi, die Kirche“; das ergänzt, „was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). Die Opferbereitschaft drückt sich auf vollkommene Weise aus in der vollständigen Hingabe des eigenen Lebens seitens vieler Missionare, die den Märtyrertod erlitten haben, wie es auch in jüngster Zeit vorgekommen ist. Wie könnten wir in diesem Zusammenhang uns nicht an die Bischöfe, die Priester, die Ordensmänner und -frauen und an die Laien erinnern, die in den Schützengrä- 808 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben ihres treuen Dienstes zugunsten des Evangeliums einen mutigen Tod gefunden haben? Wie könnten wir außerdem nicht hervorheben, daß das wünschenswerteste Opfer, das von der Gemeinschaft mit und im Opfer der Eucharistie dargebracht werden kann, die Einheit ihrer Mitglieder ist? „Dies ist das Opfer der Christen: ,Darum sind wir viele ein Leib’ (i Kor 10,1-7). Und dieses Opfer wird von der Kirche auch durch das Altars akrament, das den Gläubigen wohlbekannt ist, gefeiert: In ihm wird ihr gezeigt, daß sie in dem, was sie opfert, selbst geopfert wird“ (vgl. hl. Augustinus, De Civitate Dei, X, 6; CCL 47, 279). Auch der Weg hin zur vollkommenen Einheit der Gläubigen, die für die Glaubwürdigkeit der Verkündung des Evangeliums unerläßlich ist, ist ein wesentlicher Teil dieses wesensgleichen Opfers für den mystischen Leib. 4. Es geschieht allerdings durch „die totale und lebenslange Hingabe an die Missionsarbeit ..., besonders in den Missionsinstituten sowie in den Männer und Frauenkongregationen“ (Redemptoris missio, Nr. 79), daß der Höhepunkt und der Kern der Zusammenarbeit erreicht wird. Hier wird sie zur radikalen Entscheidung für die Liebe zu Christus und zu den Brüdern, zum Zeugnis und zur überzeugenden Verkündung. „Die besondere Berufung der Missionare auf Lebenszeit ... verkörpert das Beispiel des missionarischen Einsatzes der Kirche, die immer auf die radikale und ganzheitliche Hingabe angewiesen ist, auf neue und kühne Impulse“ (.Redemptoris missio, Nr. 66), und tatsächlich wird die Zusammenarbeit darin zur vollständigen Einbeziehung in das Werk der Verkündung des Evangeliums. Ein wirksamer und wertvoller Beitrag zur Missionstätigkeit, Frucht der Schaffenskraft des Geistes, der die Kirche immer verjüngt, kommt heute von der großzügigen Antwort junger Leute, freiberuflich Tätiger, christlicher Familien, von Priestern, Ordensmännem und -frauen, die einen Teil ihres Lebens für die missionarische Zusammenarbeit in den neugegründeten Kirchen opfern. Unter diesen zeigt die Erfahrung der „Fidei-Donum-Priester“ immer mehr ihre Wirksamkeit und Fruchtbarkeit denn sie „machen in einzigartiger Weise das Band der Einheit zwischen den Kirchen offenbar. Sie leisten für die bedürftigen kirchlichen Gemeinden einen kostbaren Beitrag und erfahren ihrerseits von ihnen Frische und Lebendigkeit des Glaubens“ (Redemptoris missio, Nr. 68). Diese Form der missionarischen Zusammenarbeit sollte eine Zielsetzung jedes Diözesanpresbyteriums und vor allem der Bischöfe sein - immer in Übereinstimmung mit der Missionskongregation. Die Entwicklung und Reifung der missionarischen Tätigkeit der erwachsenen Laien im Dienst der Heilssendung Christi und der Kirche stellt ein weiteres vielsprechendes Zeichen unserer Zeit dar, das mit Vertrauen angenommen und zu voller Reife gebracht werden sollte. Denn, wie ich schon in der Enzyklika Redemptoris missio hervorhob: „In der Missionstätigkeit müssen die verschiedenen Formen des Laientums aufgewertet und deren Natur und Zielrichtung beachtet werden: missionarische Laienvereinigungen, christliche Organe des internationalen freiwilligen Dienstes, kirchliche Bewegungen, Gruppen und Vereine verschie- 809 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dener Art, sie alle seien in der Mission ad gentes und in der Zusammenarbeit mit den Ortskirchen engagiert“ (Redemptoris missio, Nr. 72). Eine besondere Aufmerksamkeit sollte der Familie gewidmet werden, die ein bevorzugtes Milieu für die Pflege und Begleitung der missionarischen Berufungen darstellt. Die Familie muß dazu ermutigt werden, aktives Subjekt der Mission zu sein, das heißt die missionarische Berufung zu spüren und zu erleben, auch indem sie sich, vollständig oder nur für einen bestimmten Zeitraum, in den Dienst der Mission ad gentes stellt. In diesem Zusammenhang ermutige ich ganz besonders jene Diözesen, die es auf sich nehmen, den neugegründeten Ortskirchen nicht nur Diözesanpriester, sondern auch im Glauben gereifte und gut vorbereitete Laien zu senden, und die außerdem deren kostbaren und großzügigen Dienst in geistiger und materieller Hinsicht unterstützen. 5. Die verschiedenen Ausdrucksformen der missionarischen Animation und Zusammenarbeit finden einen starken Ausdruck der Verwirklichung im Weltmissionssonntag, mit dem das „Päpstliche Werk für die Glaubensverbreitung“ betraut ist. Damit wird gleichfalls die Mitarbeit im „Päpstlichen Zentralfonds für Solidarität“ genährt, mit dem der Papst die Missionare und die Evangelisierungstätigkeit der neuerrichteten Kirchen unterstützen kann: von der gewöhnlichen Hilfe für über tausend Bischöfe bis hin zur Pflege der einheimischen Berufungen in mehr als 800 Priesterseminaren, zur Ausbildung zahlreicher Katecheten, zur Schaffung und Unterstützung der für die Evangelisierung nötigen Einrichtungen und der eigentlichen Werke zur Förderung des Menschen, die eng mit der Verkündung des Evangeliums verknüpft sind. Hinsichtlich der missionarischen Zusammenarbeit möchte ich schließlich die Notwendigkeit bekräftigen, in koordinierter Art und Weise zu arbeiten, um die Gefahr einer Aufsplitterung bei der Aussendung der Missionare zu vermeiden, denn aus solcher Aufsplitterung folgt eine Konzentration von Personen und Mitteln in bestimmten geographischen Gebieten zum Nachteil anderer. Man muß diesbezüglich all jene Initiativen fördern, die auf koordinierte und einträchtige Weise durchgeführt werden, in Gemeinschaft untereinander und in Übereinstimmung mit der Missionskongregation. 6. In Nachahmung meiner verehrten Vorgänger habe ich in der Enzyklika Redemptoris missio nachdrücklich die unersetzliche Rolle der vier Päpstlichen Missionswerke unterstrichen - des Werkzeugs, von dem Eure Missionskongregation bei ihrem Dienst zugunsten der Evangelisierung Gebrauch macht. Sie sind Werke des Papstes und des Bischofskollegiums, das die Verantwortung der Evangelisierung mit dem ganzen Volk Gottes teilt (vgl. Redemptoris missio, Nr. 84), und sie „stellen für jede Diözese die spezifische und hauptsächliche Einrichtung für die Ausbildung des universalen missionarischen Geistes dar sowie für 810 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die innerkirchliche Gemeinschaft im Dienste der Verkündung des Evangeliums“ (Statuten der Päpstlichen Missionswerke, I, 6). Sicherlich wird der von dieser Vollversammlung geleistete Beitrag es gestatten, die unentbehrliche Verbindung zwischen den Bischofskonferenzen und den Päpstlichen Missionswerken in einem Geiste immer größerer, allumfassender Gemeinschaft zu entwickeln. Ich wünsche, daß aus der eingehenden Untersuchung dieser Themen die missionarische Pastoral jeder Teilkirche organischere und einheitlichere Orientierungen gewinnen möge, auch auf den Gebieten der missionarischen Animation und Zusammenarbeit im Zeichen einer deutlicheren Katholizität. 7. Sehr geehrte Kardinale, verehrte Brüder im Bischofsamt, hebe Brüder und Schwestern! Ich habe die besonders wichtigen Aspekte, mit denen Ihr Euch in diesen Tagen beschäftigt habt, aufzählen wollen und spreche den Wunsch aus, daß Eure wertvolle Arbeit reiche Frucht bringen möge für die Entwicklung eines erneuerten missionarischen Bewußtseins in der Kirche im Dienste der Verbreitung des Evangeliums unter den vielen Menschen, die immer noch darauf warten, Christus zu begegnen. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend muß das Streben nach Evangelisierung, das die Kirche beseelt, diese dazu treiben, eine Art von neuem missionarischen Aufbruch zu fördern mit dem Wunsch, allen Völkern das Licht und die Freude des Glaubens zu vermitteln. Ich vertraue die Mühen dieser Eurer arbeitsamen Tage und den täglichen Dienst, den ihr der Verkündung des Evangeliums erweist, der Jungfrau Maria an, die Beispiel und Gestalt der missionarischen Kirche ist, der Stern, der mit Sicherheit die Schritte der ganzen Menschheit zur Begegnung mit dem Herrn führt. Von Herzen segne ich Euch alle. Orientale Lumen Apostolisches Schreiben an den Episkopat, den Klerus und die Gläubigen zum hundertsten Jahrestag des Apostolischen Schreibens Orientalium dignitas von Papst Leo XIII. vom 2. Mai Verehrte Mitbrüder, hebe Söhne und Töchter der Kirche! 1. Das Licht aus dem Osten hat die Gesamtkirche erleuchtet, seitdem über uns „ein 2aus der Höhe aufstrahlendes Licht“ (Lk 1,78), Jesus Christus, unser Herr, erschienen ist, den alle Christen als Erlöser des Menschen und Hoffnung der Welt anru-fen. 811 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jenes Licht inspirierte meinen Vorgänger Papst Leo XIII. zu dem Apostolischen Schreiben Orientalium Dignitas, mit dem er die Bedeutung der östlichen Überlieferungen für die ganze Kirche verteidigen wollte. <135> <135> Vgl. Leonis XIII Acta, 14 (1894), 358-370. Der Papst erinnert an die Wertschätzung und konkrete Hilfe, die der Hl. Stuhl den orientalischen Kirchen erwiesen hat, und an den Willen, ihre Eigenart zu schützen; außerdem Apostol. Schreiben Praeclara gratulationis (20. Juni 1894): a.a.O., 195-214; Enzyklika Christi nomen (24. Dezember 1894): a.a.O., 405-409. Aus Anlaß des hundertsten Jahrestages jenes Ereignisses und damit einhergehender Initiativen, mit denen dieser Papst die Wiederherstellung der Einheit mit allen Christen des Ostens zu fördern gedachte, hatte ich den Wunsch, einen ähnlichen Aufruf an die katholische Kirche zu richten, der durch die vielen Erfahrungen des Kennenlemens und der Begegnungen, zu denen es in diesem letzten Jahrhundert gekommen ist, bereichert ist. Da wir nämlich glauben, daß die altehrwürdige Überheferung der Orientalischen Kirchen einen wesentlichen Bestandteil des Erbgutes der Kirche Christi darstellt, müssen die Katholiken vor allem diese Überlieferung kennenlernen, um sich mit ihr vertraut machen und, soweit es dem einzelnen möglich ist, den Prozeß der Einheit fördern zu können. Unsere orientalischen katholischen Brüder sind sich sehr wohl bewußt, daß sie zusammen mit den orthodoxen Brüdern die lebendigen Träger dieser Überlieferung sind. Auch die Söhne und Töchter der katholischen Kirche lateinischer Tradition müssen unbedingt diesen Schatz in seiner ganzen Fülle kennenlemen können und so gemeinsam mit dem Papst den leidenschaftlichen Wunsch verspüren, daß der Kirche und der Welt das vollständige Erscheinungsbild der Katholizität zurückgegeben werde, wie sie nicht nur in einer einzigen Überlieferung und schon gar nicht im Gegeneinander der Gemeinschaften Ausdruck findet; und daß es auch uns allen vergönnt sein möge, jenes von Gott geoffenbarte und ungeteilte Erbgut der Gesamtkirche <136> voll auszukosten, das im Leben der Kirchen des Ostens wie in jenem des Westens bewahrt wird und weiterwächst. <136> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium ecclesiarum, Nr. 1; Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 17. 2. Mein Blick geht zu dem Orientale Lumen, das von Jerusalem aus erstrahlt (vgl. Jes 60,1; Offb 21,10), der Stadt, in der das um unserer Rettung willen als Jude und „Nachkomme Davids“ (Rom 1,3; 2 Tim 2,8) menschgewordene Wort Gottes gestorben ist und auferweckt wurde. In jener heiligen Stadt wurde, als der Pfingsttag gekommen war und „sich alle am gleichen Ort befanden“ (Apg 2,1), der Heilige Geist, der „Paraklet“, auf Maria und die Jünger herabgesandt. Von dort verbreitete sich die Gute Nachricht in die Welt, weil sie, erfüllt vom Heiligen Geist, „freimütig das Wort Gottes verkündeten“ (Apg 4,31). Von dort, von der Mutter aller Kirchen, <137> wurde das Evangelium allen Nationen verkündet, von denen sich viele <137> Dazu bemerkt der Hl. Augustinus: „Von wo hat die Kirche ihren Ausgang genommen? Von Jerusalem,,, In Epistulam loannis, II, 2, PL 35, 1990. 812 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rühmen, in einem der Apostel den ersten Zeugen des Herrn gehabt zu haben. <138> Die verschiedensten Kulturen und Traditionen genossen in jener Stadt Gastrecht im Namen des einen Gottes (vgl. Apg 2,9-11). Wenn wir uns ihr mit Sehnsucht und Dankbarkeit zuwenden, finden wir wieder die Kraft und den Enthusiasmus, das Bemühen um die Eintracht in jener Authentizität und Vielgestaltigkeit, die das Ideal der Kirche bleibt, zu intensivieren. <139> <138> Vgl. n. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 23; Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 14. <139> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 4. 3. Ein Papst, Sohn eines slawischen Volkes, vernimmt in seinem Herzen besonders den Ruf jener Völker, zu denen sich die beiden heiligen Brüder Cyrill und Methodius begeben haben; sie stellen ein ruhmreiches Vorbild als Apostel der Einheit dar, die es verstanden, auf der Suche nach der Gemeinschaft zwischen dem Osten und dem Westen trotz der Schwierigkeiten, die die beiden Welten immer wieder entzweiten, Christus zu verkünden. Ich habe mich mehrmals mit dem Beispiel ihres Wirkens befaßt, <140> wobei ich mich auch an alle wandte, die dem Glauben und der Kultur nach ihre Söhne sind. <140> Vgl. Apostol. Schreiben Egregiae virtutis (31. Dezember 1980): A4S73(1981)258-262; Enzyklika Slavorum Apostoli (2. Juni 1985), Nm. 12-14: AAS77(1985)792-796. Diese Überlegungen sollen nun ausgeweitet werden und alle Orientalischen Kirchen in der Vielfalt ihrer verschiedenen Überlieferungen umfassen. Meine Gedanken richten sich an die Brüder der Ostkirchen mit dem Wunsch, in gemeinsamer Anstrengung nach einer Antwort auf die Fragen zu suchen, die sich der heutige Mensch überall auf der Welt stellt. An das Erbgut ihres Glaubens und Lebens möchte ich mich in dem Bewußtsein wenden, daß der Weg zur Einheit keinen Meinungsumschwung erfahren kann, sondern so unumkehrbar ist wie der Aufruf des Herrn zur Einheit. „Meine Lieben, wir haben gemeinsam diese Aufgabe, wir müssen zusammen, im Osten wie im Westen, sagen: Ne evacuetur Crux! (vgl. 1 Kor 1,17). Das Kreuz Christi darf nicht entleert werden, denn wenn das Kreuz Christi entleert wird, hat der Mensch keine Wurzeln und keine Aussicht mehr: er ist zugrunde gerichtet! Das ist der Aufschrei am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Schrei Roms, der Schrei Konstantinopels, der Schrei Moskaus. Es ist der Aufschrei der ganzen Christenheit: Nord- und Südamerikas, Afrikas, Asiens, der Schrei aller. Es ist der Ruf nach Neuevangelisierung“. <141> ^ Schlußwort nach dem Kreuzweg am Karfreitag (1. April 1994), Nr. 3: AAS87(1995)88. Meine Gedanken richten sich an die Ostkirchen, so wie es zahlreiche andere Päpste in der Vergangenheit getan haben, die sich vor allem dazu beauftragt fühlten, die Einheit der Kirche zu bewahren und unermüdlich dort nach der Einheit der Christen zu suchen, wo diese Einheit zerrissen war. Uns verbindet bereits ein be- 813 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sonders enges Band. Wir haben nahezu alles gemeinsam; <142> und wir haben vor allem die aufrichtige Sehnsucht nach Einheit gemeinsam. <142> Vgl. E. Vatikan. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nm. 14-18. 4. Alle Kirchen, im Osten wie im Westen, erreicht der Schrei der heutigen Menschen, die nach einem Sinn für ihr Leben fragen. Wir vernehmen den Ruf dessen, der den vergessenen und verlorenen Vater sucht (vgl. Lk 15,18-20; Joh 14,8). Die Menschen von heute bitten uns, ihnen Christus zu zeigen, der den Vater kennt und ihn uns geoffenbart hat (vgl. Joh 8,55; 14,8-11). Indem wir die Fragen der Welt an uns herankommen lassen und sie uns demütig und ergriffen anhören in voller Solidarität mit dem, der sie stellt, sind wir auf gerufen, mit Worten und Taten unserer Zeit auf die unermeßlichen Reichtümer zu verweisen, die unsere Kirchen in den Schatzkammern ihrer Überlieferungen aufbewahren. Wir lernen vom Herrn selbst, der auf seinem Weg bei den Leuten stehen blieb, sie anhörte, mit ihnen Mitleid hatte, als er sie sah „wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36; vgl. Mk 6,34). Von ihm müssen wir jenen liebevollen Blick lernen, mit dem er die Menschen mit dem Vater und mit sich selber versöhnte, indem er ihnen jene Kraft vermittelte, die allein den ganzen Menschen zu heilen vermag. Angesichts dieses Appells sind die Kirchen im Osten und im Westen aufgerufen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Wir dürfen nicht vor Christus, den Herrn der Geschichte, so gespalten hintreten, wie wir uns leider im Verlauf des zweiten Jahrtausends herausgestellt haben. Diese Spaltungen müssen weichen und den Weg zur Wiederannäherung und zur Eintracht freigeben; die Wunden auf dem Weg zur Einheit der Christen müssen vernarben“. <143> <143> Ansprache an das außerordentliche Konsistorium der Kardinäle (13. Juni 1994): L'Osservatore Romano, 13.-14. Juni 1994, S. 5. Jenseits unserer Schwächen müssen wir uns Ihm, dem einzigen Meister, zuwenden durch Teilnahme an seinem Tod, um so von jenem eifersüchtigen Festhalten an Gefühlen und Erinnerungen geläutert zu werden, Erinnerungen nicht an die großen Dinge, die Gott für uns getan hat, sondern an die Menschlichkeiten einer Vergangenheit, die noch immer schwer auf uns lastet. Möge der Geist unseren Blick klären, damit wir gemeinsam auf den modernen Menschen zugehen können, der auf die Frohbotschaft wartet. Wenn wir angesichts der Erwartungen und Leiden der Welt eine einhellige, erleuchtende, lebendig machende Antwort geben, werden wir tatsächlich zu einer wirksameren Verkündigung des Evangeliums unter den Menschen unserer Zeit beitragen. 814 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN I. Kapitel Kennenlemen des christlichen Ostens: eine Glaubens erfahr ung 5. „Bei der Erklärung der Offenbarungswahrheit sind im Orient und im Abendland verschiedene Methoden und Arten des Vorgehens zur Erkenntnis und zum Bekenntnis der göttlichen Dinge angewendet worden. Daher darf es nicht wundernehmen, daß von der einen und von der anderen Seite bestimmte Aspekte des offenbarten Mysteriums manchmal besser verstanden und deutlicher ins Licht gestellt wurden, und zwar so, daß man bei jenen verschiedenartigen theologischen Formeln oft mehr von einer gegenseitigen Ergänzung als von einer Gegensätzlichkeit sprechen muß“. <144> <144> U. Vatikan. Konzil, Dekret über den Ökumenismus TJnitatis redintegratio, Nr. 17. Während ich die angedeuteten Fragen, Sehnsüchte und Erfahrungen im Herzen trage, wendet sich mein Geist dem christlichen Erbgut des Orients zu. Ich habe nicht die Absicht, dieses Erbe zu beschreiben oder zu interpretieren: Ich höre auf die Orientalischen Kirchen, von denen ich weiß, daß sie lebendige Interpreten des von ihnen gehüteten Überlieferungsschatzes sind. Bei näherer Betrachtung tauchen vor meinen Augen Elemente auf, die für ein vollständigeres und umfassenderes Verständnis der christlichen Erfahrung und daher auch für eine vollständigere christliche Antwort auf die Erwartungen der Menschen von heute von großer Bedeutung sind. Im Vergleich zu jeder anderen Kultur fällt nämlich dem christlichen Osten als ursprünglichem Rahmen für die entstehende Kirche eine einzigartige und privilegierte Rolle zu. Die orientalische christliche Überlieferung schließt eine Art und Weise ein, den Glauben an den Herrn Jesus anzunehmen, zu verstehen und zu leben. In diesem Sinne kommt sie der christlichen Tradition des Abendlandes sehr nahe, die aus demselben Glauben entsteht und aus ihm gespeist wird. Doch sie unterscheidet sich in legitimer und einnehmender Weise insofern von ihr, als der orientalische Christ eine eigene Methode hat, seine Beziehung zum Erlöser wahrzunehmen und zu erfassen und daher auch eine ursprüngliche Art, diese Beziehung zu leben. Ich möchte mich hier lieber mit Ehrfurcht und Behutsamkeit der Haltung der Anbetung nähern, die diese Kirchen zum Ausdruck bringen, als diesen oder jenen spezifischen theologischen Punkt herauszugreifen, der im Laufe der Jahrhunderte in der Debatte zwischen Orient und Abendland in polemischem Gegensatz zutage getreten ist. Der christliche Osten zeigt sich im Innern von Anfang an vielgestaltig und fähig, die Wesenszüge jeder einzelnen Kultur mit höchster Achtung für jede Teilgemeinschaft aufzunehmen. Wir können nur tiefbewegt Gott danken für die wunderbare Vielfalt, mit der Er bereit war, aus verschiedenen Steinchen ein derart reiches und buntes Mosaik zusammenzusetzen. 815 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Manche Wesenszüge der spirituellen und theologischen Überlieferung, die den verschiedenen Erchen des Orients gemeinsam sind, lassen deren Sensibilität gegenüber den Formen erkennen, die die Weitergabe des Evangeliums in den Ländern des Abendlandes angenommen hat. Das II. Vatikanische Konzil faßt sie wie folgt zusammen: „Es ist allgemein bekannt, mit welcher Liebe die orientalischen Christen die liturgischen Feiern begehen, besonders die Eucharistiefeier, die Quelle des Lebens der Kirche und das Unterpfand der kommenden Herrlichkeit, bei der die Gläubigen, mit ihrem Bischof geeint, Zutritt zu Gott, dem Vater, haben durch den Sohn, das fleischgewordene Wort, der gelitten hat und verherrlicht wurde, in der Ausgießung des Heiligen Geistes, und so die Gemeinschaft mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit erlangen, indem sie ,der göttlichen Nahrung teilhaftig (2 Petr 1,4) geworden sind“. <145> <145> Ebd., Nr. 15. In diesen Wesenszügen zeichnet sich die orientalische Auffassung vom Christsein ab, dessen Ziel die Teilnahme an der göttlichen Natur durch die Gemeinschaft mit dem Geheimnis der allerheiligsten Dreifaltigkeit ist. Darin lassen sich die „alleinige Herrschaft“ des Vaters und die Auffassung vom Heil gemäß der Heilsökonomie erkennen, wie sie die orientalische Theologie nach dem hl. Irenäus von Lyon darlegt und wie sie bei den kappadozischen Kirchenvätern verbreitet ist. <146> Verwirklicht wird die Teilnahme am trinitarischen Leben durch die Liturgie und besonders durch die Eucharistie, das Geheimnis von der Gemeinschaft mit dem verherrlichten Leib Christi, Ursprung der Unsterblichkeit. <147> In der Vergöttlichung und vor allem in den Sakramenten schreibt die orientalische Theologie dem Heiligen Geist eine ganz besondere Rolle zu: durch die Macht des im Menschen wohnenden Geistes beginnt die Vergöttlichung bereits auf Erden, das Geschöpf wird verklärt und das Reich Gottes bricht an. <146> Vgl. Hl. Irenäus, Adversus haereses V, 36, 2: SCh 153/2, 461; Hl. Basilius, De Spiritu Sanclo, XV, 36; PC 32, 132; XVII, 43: a.a.O„ 148; XWI, 47: a.a.O., 153. <147> Hl. Gregor von Nyssa, Oratio catechetica, XXXVH: PC 45, 97. Die Lehre der kappadozischen Erchenväter über die Vergöttlichung ist in die Überlieferung aller orientalischen Erchen eingegangen und stellt einen wesentlichen Bestandteil ihres gemeinsamen Erbes dar. Das läßt sich in einem Gedanken zusammenfassen, den der hl. Irenäus schon zu Ende des 2. Jahrhunderts ausgesprochen hat: Gott ist Kind eines Menschen geworden, damit der Mensch Kind Gottes werde. <148> Diese Theologie der Vergöttlichung bleibt eine der Errungenschaften, die dem orientalischen christlichen Denken besonders teuer sind. <149> <148> Vgl. Adversus haereses 1H, 10, 2: SCh 211/2, 121; UI, 18, 7: a.a.O., 365; UI, 19, 1: a.a.O„ 375; IV, 20, 4: SCh 100/2, 635; IV, 33, 4: a.a.O., 811; V, Praef, SCh 153/2, 15. 13 Eingepflanzt in Christus „werden die Menschen göttlich und Kinder Gottes, ... der Staub ist zu solcher Herrlichkeit emporgewachsen, daß er nunmehr an Ehre und Göttlichkeit der göttlichen Natur gleich ist“, Nikolaus Cabasilas, Vom Leben in Christus, I: PG 150, 505. 816 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf diesem Weg der Vergöttlichung gehen uns diejenigen voraus, die die Gnade und der Einsatz auf dem Weg des Guten Christus „am ähnlichsten“ gemacht haben: die Märtyrer und die Heiligen. <150> Und unter diesen nimmt die Selige Jungfrau Maria, aus der Jesses junger Trieb hervorgesprossen ist (vgl. Jes 11,1), einen Sonderplatz ein. Ihre Gestalt ist nicht nur die der Mutter, die auf uns wartet, sondern die der reinsten Jungfrau, die - in Verwirklichung so vieler vorausdeutender Darstellungen im Alten Testament - Bild der Kirche, Symbol und Vorwegnahme der von der Gnade verklärten Menschheit, Vorbild und sichere Hoffnung für alle ist, die auf dem Weg zum himmlischen Jerusalem sind. <151> <150> Vgl. Hl. Johannes von Damaskus, Bilderrede, I, 19: PG 94, 1249. <151> Vgl. Johannes Paul n., Enzyklika Redemptoris Mater (25. März 1987), Nm. 31-34: AAS19( i 987)402-406; II. Vatikan. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 15. Trotz nachdrücklicher Betonung des trinitarischen Realismus und seiner Einbeziehung in das sakramentale Leben verknüpft der Orient den Glauben an die Einheit der göttlichen Natur mit der Unerkennbarkeit des göttlichen Wesens. Die orientalischen Kirchenväter behaupten immer, daß es unmöglich sei zu wissen, was Gott ist; was man wissen kann, ist einzig und allein, daß es Ihn gibt, da Er sich in der Heilsgeschichte als Vater, Sohn und Heiliger Geist geoffenbart hat. <152> Dieser Sinn für die unaussprechliche göttliche Wirklichkeit spiegelt sich in der Feier der Liturgie wider, wo von allen Gläubigen des christlichen Orients der Sinn für das Geheimnis so tief entwickelt wird. Vgl. Hl. Irenaus, Adversus haereses, II, 28, 3-6: SCh 294, 274-284; Hl. Gregor von Nyssa, De vita Moysis: PG 44, 377; Hl. Gregor von Nazianz, Oratio XLV, 3s.: PG 36, 625-630. „Im Orient finden sich auch die Reichtümer jener geistlichen Traditionen, die besonders im Mönchtum ihre Ausprägung gefunden haben. Denn seit den glorreichen Zeiten der heiligen Väter blühte dort jene monastische Spiritualität, die sich von dorther auch in den Gegenden des Abendlandes ausbreitete und aus der das Ordenswesen der Lateiner als aus seiner Quelle seinen Ursprung nahm und immer wieder neue Kraft erhielt. Deshalb wird mit Nachdruck empfohlen, daß die Katholiken sich mehr mit diesen geistlichen Reichtümem der orientalischen Väter vertraut machen, die den Menschen in seiner Ganzheit zur Betrachtung der göttlichen Dinge emporführen“. <153> II. Vatikan. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 15. Evangelium, Kirchen und Kulturen 7. Schon bei anderen Gelegenheiten habe ich darauf hingewiesen, daß ein besonders im christlichen Orient gelebter großer Wert in der Achtung der Völker und ihrer Kulturen besteht, damit das Wort Gottes und sein Lobpreis in jeder Sprache erklingen kann. Mit diesem Thema habe ich mich bereits in der Enzyklika Slavo-rum Apostoli befaßt, wo ich hervorhob, daß Cyrill und Methodius „danach strebten, in allem denjenigen ähnlich zu werden, denen sie das Evangelium brachten; 817 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie wollten Mitbürger jener Völker werden und ihr Geschick in allem teilen“; <154> „es handelte sich um eine neue katechetische Methode“. <155> Damit brachten sie eine im christlichen Orient weitverbreitete Haltung zum Ausdruck: „Dadurch daß die heiligen Cyrill und Methodius das Evangelium mit der einheimischen Kultur der von ihnen missionierten Völker in eine lebendige Einheit gebracht haben, besitzen sie besondere Verdienste um die Bildung und Fortentwicklung eben dieser Kultur oder, besser, vieler Kulturen“ <156> Achtung und Rücksichtnahme auf die einzelnen Kulturen verbinden sich bei ihnen mit der Leidenschaft für die Universalität der Kirche, um deren Verwirklichung sie sich unermüdlich bemühen. Die Haltung der beiden Brüder aus Saloniki ist im christlichen Altertum repräsentativ für einen typischen Stil vieler Kirchen: die Offenbarung wird dann in angemessener Weise verkündet und vollkommen verständlich, wenn Christus die Sprache der verschiedenen Völker spricht und diese in ihrer Sprache und in den ihnen eigenen Ausdrucksformen die Heilige Schrift lesen und die Liturgie singen können, was gleichsam eine Erneuerung des Pfingstwunders bedeutet. <154> Nr. 9: A4S77(1985)789-790. <155> Ebd., Nr. 11: a.a.O., 791. <156> Ebd., Nr. 21: a.a.O„ 802-803. In einer Zeit, in der man es als ein immer fundamentaleres Recht eines jeden Volkes anerkennt, sich dem eigenen Kultur- und Gedankenerbe gemäß auszudrücken, bietet sich uns die Erfahrung der einzelnen Kirchen des Orients als ein glaubwürdiges Beispiel gelungener Inkulturation an. Von diesem Vorbild lernen wir, daß wir, wenn wir das Wiedererstehen von Partikularismen und auch erbitterten Nationalismen vermeiden wollen, begreifen müssen, daß die Verkündigung des Evangeliums in der je besonderen Eigenart der Kulturen tiefverwurzelt und zugleich offen sein muß für das Einmünden in eine Universalität, die Austausch mit dem Ziel der gegenseitigen Bereicherung ist. Zwischen Erinnerung und Erwartung 8. Wir fühlen uns heutzutage oft als Gefangene der Gegenwart: es ist, als hätte der Mensch das Wahrnehmungsvermögen dafür verlernt, daß er an einer Geschichte teilhat, die ihm einerseits vorausgeht und andererseits nach ihm kommt. In dieser Schwierigkeit, sich mit dankbarem Herzen für die empfangenen und zu erwartenden Wohltaten zwischen Vergangenheit und Zukunft einzuordnen, bieten vor allem die Ostkirchen einen ausgeprägten Sinn für Kontinuität an, der in den Begriffen Überlieferung und eschatologische Erwartung Ausdruck findet. Die Überlieferung ist Erbgut der Kirche Christi, lebendige Erinnerung an den Auferstandenen, dem die Apostel begegnet sind und von dem sie Zeugnis gegeben haben; sie haben die lebendige Erinnerung an ihn an ihre Nachfolger weitergegeben in einer ununterbrochenen Folge, die von der apostolischen Sukzession durch 818 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Auflegen der Hände bis zu den Bischöfen unserer Tage gewährleistet ist. Die Überlieferung drückt sich im geschichtlichen und kulturellen Erbe jeder Kirche aus, das sich in ihr aus dem Zeugnis der Märtyrer, der Väter und der Heiligen sowie aus dem lebendigen Glauben aller Christen im Laufe der Jahrhunderte bis herauf in unsere Tage herausgebildet hat. Es handelt sich nicht um eine gleichbleibende Wiederholung von Formeln, sondern um ein Erbe, das den lebendigen ursprünglichen kerygmatischen Kern hütet. Die Überlieferung entreißt die Kirche der Gefahr, nur veränderliche Meinungen zu sammeln, und garantiert ihre Sicherheit und Kontinuität. Wenn die jeder Kirche eigenen Bräuche und Gewohnheiten als bloße Unbeweglichkeit verstanden werden, besteht gewiß die Gefahr, der Tradition jene lebendige Wirklichkeit zu entziehen, die wächst und sich entfaltet und die der Geist ihr eben garantiert, damit sie zu den Menschen aller Zeiten sprechen kann. Und wie schon die Schrift mit jedem wächst, der sie liest, <157> so wächst jedes andere Element des lebendigen Erbes der Kirche im Verständnis der Gläubigen und wird in der Treue und Kontinuität durch neue Beiträge bereichert. <158> Nur wenn die Annahme dessen, was die Kirche „Überlieferung“ nennt, im Gehorsam des Glaubens erfolgt, wird dieser die Einpflanzung in die verschiedenen geschichtlich-kulturellen Situationen und Gegebenheiten erlauben <159> Die Tradition ist niemals bloße Sehnsucht nach vergangenen Dingen oder Formen oder schmerzliche Erinnerung an verlorengegangene Privilegien, sondern sie ist die lebendige Erinnerung der Braut, die von der ihr innewohnenden Liebe ewig jung erhalten wird. „Divina eloquia cum legente crescunt“: Hl. Gregor der Grosse, In Ezechiel, I, VH, 8: PL 76, 843. Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbiun, Nr. 8. Vgl. Internationale Theologenkommission, Interpretationis problema (Oktober 1989), II, 1-2: EnVat 11, S. 1717-1719. Wenn uns die Überlieferung in Kontinuität mit der Vergangenheit bringt, so macht uns die eschatologische Erwartung offen für die Zukunft Gottes. Jede Kirche muß gegen die Versuchung ankämpfen, das, was sie vollbringt, zu verabsolutieren und sich so entweder dem Selbstruhm oder der Betrübnis hinzugeben. Doch die Zeit gehört Gott, und nichts von dem, was in Erfüllung geht, läßt sich jemals mit der Fülle des Reiches gleichsetzen, das immer unverdientes Geschenk ist. Der Herr Jesus ist gekommen, um für uns zu sterben, und er ist von den Toten auferstanden, während die in der Hoffnung erlöste Schöpfung noch in Geburtswehen liegt (vgl. Rom 8,22); jener selbe Herr wird wiederkommen, um die Welt dem Vater zu übergeben (vgl. 1 Kor 15,28). Um diese Wiederkunft des Herrn fleht die Kirche, und bevorzugter Zeuge dafür ist der Mönch und Ordensmann. Der Orient gibt der Wirklichkeit der Überlieferung und der Erwartung lebendigen Ausdruck. Insbesondere ist seine gesamte Liturgie Erinnerung an die Erlösung und flehentliche Bitte um die Wiederkehr des Herrn. Und wenn die Überlieferung die Kirchen Treue zu dem lehrt, was sie hervorgebracht hat, so ist die eschatologi- 23 24 25 819 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehe Erwartung fllr sie Anstoß, das zu sein, was sie noch nicht in Fülle sind und von dem der Herr will, daß sie es werden; Anstoß also dazu, nach immer neuen Wegen der Treue zu suchen, die den Pessimismus dadurch überwinden, daß sie auf die Hoffnung auf Gott hin orientiert sind, der nicht enttäuscht. Wir müssen den Menschen die Schönheit der Erinnerung zeigen, die Kraft, die uns vom Geist zukommt und uns zu Zeugen macht, weil wir Söhne von Zeugen sind; wir müssen sie die herrlichen Dinge genießen lassen, die der Geist in der Geschichte ausgesät hat; wir müssen ihnen zeigen, daß es gerade die Tradition ist, die diese Kostbarkeiten bewahrt und damit denen Hoffnung gibt, die wissen, auch wenn sie ihre Anstrengungen nicht von Erfolg gekrönt sehen, daß ein anderer sie zur Vollendung bringen wird; da wird sich der Mensch weniger allein, weniger eingesperrt fühlen in den engen Winkeln seines individuellen Wirkens. Das Mönchtum als Vorbildlichkeit für das getaufte Leben 9. Nun möchte ich die weite Landschaft des orientalischen Christentums von einer besonderen Warte aus betrachten, die uns viele seiner Wesenszüge erkennen läßt: dem Mönchtum. Im Orient hat das Mönchtum große Einheit bewahrt, da es nicht wie im Abendland die Ausbildung der unterschiedlichen Typen apostolischen Lebens kennt. Die verschiedenen Ausdrucksformen monastischen Lebens, vom strengen Koinobitentum, wie es Pachomius oder Basilius verstanden, bis zum allerstrengsten Eremitentum eines Antonius oder eines Makarios von Ägypten, entsprechen eher verschiedenen Stufen des geistlichen Weges als der Wahl zwischen unterschiedlichen Lebensformen. Auf jeden Fall greifen alle auf das Mönchtum an sich zurück, in welcher Form auch immer es sich ausdrückt. Außerdem wurde das Mönchtum im Orient nicht nur als eine Art Ausnahmesituation angesehen, die nur eine Kategorie von Christen betrifft, sondern eigentlich als Bezugspunkt für alle Getauften im Rahmen der jedem einzelnen vom Herrn zugeteilten Gaben, so daß es als eine sinnbildliche Synthese des Christentums erscheint. Wenn die Berufung durch Gott eine totale ist wie im monastischen Leben, dann vermag die Person die höchste Stufe dessen zu erreichen, was Sensibilität, Kultur und Spiritualität auszudrücken imstande sind. Das gilt um so mehr für die Ostkirchen, für die das Mönchtum eine wesentliche Erfahrung darstellte und das sich auch heute noch als blühend erweist, kaum daß die Verfolgung aufhört und die Herzen sich in Freiheit zum Himmel erheben können. Das Kloster ist der prophetische Ort, in dem die Schöpfung zum Lobpreis Gottes und das konkret gelebte Gebot der Nächstenliebe zum Ideal menschlichen Zusammenlebens wird und wo der Mensch Gott ohne Schranken und Hindernisse sucht, ein Ort, der so zum Bezug für alle wird, sie im Herzen trägt und ihnen bei der Gottsuche hilft. 820 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erinnern möchte ich auch an das leuchtende Zeugnis der Nonnen im christlichen Orient. Es hat ein Modell der Hochschätzung des spezifisch Weiblichen in der Kirche aufgezeigt, indem es auch die Denkweise der Zeit aufgebrochen hat. Als im Zuge der jüngsten Verfolgungen, vor allem in den Ländern Osteuropas, viele Männerklöster gewaltsam geschlossen wurden, hat das weibliche Ordenswesen die Flamme des monastischen Lebens am Brennen erhalten. Das Charisma der Nonne mit den für sie spezifischen Wesensmerkmalen ist ein sichtbares Zeichen für jene Mütterlichkeit Gottes, auf die sich die Heilige Schrift so oft beruft. Ich werde also meinen Blick auf das Mönchtum richten, um jene Werte auszumachen, von denen ich glaube, daß sie heute sehr wichtig sind, um den Beitrag des christlichen Orients für die Kirche Christi auf ihrem Weg zum Reich Gottes darzustellen. Ohne daß die monastische Erfahrung oder das Erbe des Orients Exklusivcharakter besitzen, haben diese Aspekte dort bisweilen einen besonderen Bedeutungsgehalt angenommen. Im übrigen versuchen wir nicht, die Exklusivität aufzuwerten, sondern die gegenseitige Bereicherung durch das, wozu der eine Geist in der einen Kirche Christi die Menschen angeregt hat. Das Mönchtum ist seit jeher die eigentliche Seele der Ostkirchen gewesen: die ersten christlichen Mönche sind im Orient geboren, und das monastische Leben war wesentlicher Bestand des lumen orientale, das von den großen Vätern der ungeteilten Kirche an das Abendland weitergegeben wurde. <160> <160> Groß war im Westen der Einfluß der vom Hl. Athanasius verfaßten Vita Antonii: PG 26, 835-977. Sie wird unter anderen vom Hl. Augustinus in seinen Confessiones, V1H, 6: CSEL 33, 181-182, erwähnt. Die (lateinischen) Übersetzungen von Werken der östlichen Kirchenväter, darunter die Regeln des Hl. Basilius: PG 31, 889-1305, die Geschichte der ägyptischen Mönche: PG 65, 441-456, und die Apophthegmata Patrum (Aussprüche der Wüstenväter): PG 65, 72-440, prägten das abendländische Mönchtum. Vgl. Wilhelm von Saint-Thierry, Epistula ad Fratres de Monte Dei: SCh 223, 130-384. Die starken gemeinsamen Wesenszüge, die die östliche und die abendländische monastische Erfahrung verbinden, machen sie zu einer wunderbaren Brücke der Brüderlichkeit, wo die gelebte Einheit sogar heller erstrahlt als alles, was im Dialog zwischen den Kirchen sichtbar zu werden vermag. Zwischen Wort und Eucharistie 10. Das Mönchtum macht auf besondere Weise offenbar, daß das Leben zwischen zwei Höhepunkten schwebt: zwischen dem Wort und der Eucharistie. Das heißt, daß es immer, auch in seinen Formen des Einsiedlerlebens, gleichzeitig persönliche Antwort auf eine individuelle Berufung und Kirchen- und Gemeinschaftsereignis ist. Ausgangspunkt für den Mönch ist das Wort Gottes, ein Wort, das ruft, das einlädt, das persönlich verpflichtet, so wie es den Aposteln erging. Wenn ein Mensch vom Wort erreicht wird, entsteht der Gehorsam, das heißt das Hören, das das Leben verändert. Der Mönch nährt sich jeden Tag vom Brot des Wortes. Ohne dieses 821 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brot ist er wie tot und hat nichts mehr, was er den Brüdern mitteilen könnte, denn das Wort ist Christus, dem gleich zu werden der Mönch berufen ist. Auch wenn er mit seinen Brüdern das Gebet singt, das die Zeit heiligt, setzt er seine Assimilierung des Wortes fort. Der Reichtum an liturgischen Hymnen, auf den alle Kirchen des christlichen Orients mit Recht stolz sind, ist nur die Fortsetzung des gelesenen, erfaßten, assimilierten und schließlich gesungenen Wortes: jene Hymnen sind großenteils vortreffliche, durch die Erfahrung des einzelnen und der Gemeinschaft abgeklärte und personalisierte Paraphrasen des biblischen Textes. Angesichts des unendlichen göttlichen Erbarmens bleibt dem Mönch nichts anderes übrig, als das Wissen um seine radikale Armseligkeit zu verkünden, was sogleich zur flehenden Bitte um und zum Jubelschrei über eine noch großzügigere, weil unverhoffte Rettung aus dem Abgrund seines Elends wird. <161> Daher machen das Flehen um Vergebung und die Verherrlichung Gottes den wesentlichen Teil des liturgischen Gebetes aus. Der Christ versinkt in Staunen über dieses Paradoxon, das letzte in einer endlosen Reihe, die als ganze voll Dankbarkeit in der Sprache der Liturgie gepriesen wird: das Grenzenlose wird zur Grenze; eine Jungfrau bringt ein Kind zur Welt; durch den Tod besiegt der, der das Leben ist, für immer den Tod; im Himmel sitzt ein menschlicher Leib zur Rechten des Vaters. <161> Vgl. z. B. Hl. Basilius, Regula brevis: PG 31, 1079-1305; Hl. Johannes Chrysostomos, De compunctione: PG 47, 391-422; Predigten Uber Matthäus, Hom. XV, 3: PG 57, 225-228; Hl. Gregor von Nyssa, Über die Selig-preisungen, Hom. 3: PG 44, 1219-1232. Am Höhepunkt dieser Gebetserfahrung steht die Eucharistie, der andere unlösbar mit dem Wort verbundene Höhepunkt, als Ort, an dem das Wort Fleisch und Blut wird, eine himmlische Erfahrung, wo das Wort wieder Ereignis wird. In der Eucharistie offenbart sich das tiefe Wesen der Kirche als Gemeinschaft derer, die zusammengerufen sind, um die Hingabe dessen zu feiern, der Spender und Opfergabe zugleich ist: durch die Teilnahme an den heiligen Geheimnissen werden sie zu „Blutsverwandten“ Christi <162> und nehmen so in dem nunmehr untrennbaren Band, das in Christus Gottes- und Menschennatur verbindet, die Erfahrung der Vergöttlichung vorweg. <162> Vgl. Nicolaus Cabasilas, Vita in Christo, IV: PG 150, 584-585; Kyrillos von Alexandrien, Johannes-Traktat, 11: PG 74, 561; ebd., 12: a.a.O., 564; Hl. Johannes Chrysostomos, Homilie über Matthäus, Hom. LXXX1I, 5: PG 58, 743-744. Aber die Eucharistie nimmt auch die Zugehörigkeit von Menschen und Dingen zum himmlischen Jerusalem vorweg. Sie offenbart auf diese Weise vollständig ihr eschatologisches Wesen: als lebendiges Zeichen dieser Erwartung setzt der Mönch in der Liturgie den Gebetsruf der Kirche fort und vollendet ihn; die Kirche wird als die Braut gesehen, die in einem nicht nur mit Worten, sondern mit der ganzen Existenz ständig wiederholten „marana tha“ flehentlich um die Rückkehr des Bräutigams bittet. 822 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine Liturgie für den ganzen Menschen und für den ganzen Kosmos 11. In der liturgischen Erfahrung ist Christus, der Herr, das Licht, das den Weg erhellt und wie in der Schrift die Transparenz des Kosmos offenbar macht. Das Geschehen der Vergangenheit findet in Christus Sinn und Erfüllung, und die Schöpfung offenbart sich als das, was sie ist: eine Gesamtheit von Wesenszügen, die erst in der Liturgie ihre Vollendung, ihre volle Bestimmung finden. Darum ist die Liturgie der Himmel auf Erden, und in ihr durchdringt das fleischgewordene Wort die Materie mit einer potentiellen Heilskraft, die in ihrer ganzen Fülle in den Sakramenten offenbar wird: da teilt die Schöpfung einem jeden die ihr von Christus übertragene Macht mit. So überträgt der Herr durch sein Untertauchen im Jordan dem Wasser eine Macht, die es mit der Fähigkeit ausstattet, Bad der Wiedergeburt durch die Taufe zu sein. <163> Vgl. Hl. Gregor von Nazianz, Oratio XXXIX: PG 36, 335-360. Mit diesem Bild beweist das liturgische Gebet im Orient eine großartige Gabe, die menschliche Person in ihrer Ganzheit einzubeziehen: das Geheimnis wird in seinen erhabenen Inhalten, aber auch mit der Wärme der Gefühle besungen, die es im Herzen der erlösten Menschheit weckt. Bei der heiligen Handlung wird auch die Leiblichkeit zum Lob eingeladen, und die Schönheit, die im Orient eine der behebtesten Bezeichnungen für die göttliche Harmonie und Vorbild der verklärten Menschheit ist, <164> tritt überall zutage: in Gestalt und Ausstattung der Kirchen, in den Klängen, in den Farben, in der Beleuchtung, in den Düften. Die lange Dauer der Zelebrationen, die wiederholte Anrufung, alles ist Ausdruck für das stufenweise Sich-Einfühlen in das Mysterium, das mit dem ganzen Menschen gefeiert wird. Und so wird das Gebet der Kirche bereits Teilnahme an der himmlischen Liturgie und Vorwegnahme der endgültigen Glückseligkeit. Vgl. Clemens von Alexandrien, Paidagogos, III, 1, 1: SCh 158, 12. Diese Gesamtbewertung des Menschen in seinen Vernunft- und Gefühlskomponenten, in der ,Ekstase“ und in der Immanenz ist von hoher Aktualität, stellt sie doch eine bewundernswerte Schule dar, um die Bedeutung der geschaffenen Wirklichkeit zu begreifen: sie ist weder ein Absolutum noch ein Schlupfwinkel für Sünde und Ungerechtigkeit. In der Liturgie enthüllen die Dinge ihre Natur als Gabe, die der Menschheit vom Schöpfer angeboten wurde: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1,31). Auch wenn das alles vom Drama der Sünde gekennzeichnet ist, die auf der Materie lastet und ihre Transparenz verhindert, wird diese doch in der Inkarnation erlöst und voll zur Gottesträgerin, das heißt fähig, uns in Beziehung zum Vater zu bringen: besonders offenkundig wird diese Eigentümlichkeit in den heiligen Geheimnissen, den Sakramenten der Kirche. Das Christentum verwirft nicht die Materie, die Leiblichkeit, ja sie wertet sie im liturgischen Akt sogar vollständig auf, in dem der menschliche Leib sein tiefstes Wesen als Tempel des Geistes zeigt und sich mit dem Herrn Jesus vereinigt, der 29 30 823 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um der Rettung der Welt willen auch einen Leib angenommen hat. Das schließt aber keine absolute Verherrlichung alles Physischen ein, denn wir wissen sehr wohl, was für eine Unordnung die Sünde in die Harmonie des menschlichen Daseins hineingetragen hat. Die Liturgie macht offenbar, daß sich der Leib, wenn er durch das Mysterium des Kreuzes hindurchgeht, auf dem Weg zur Verklärung, zum Erfülltsein vom Pneuma befindet: auf dem Berg Tabor hat Christus in strahlendem Licht gezeigt, daß es der Wille des Vaters ist, daß er ins Sein zurückkehre. Und auch die kosmische Wirklichkeit ist zur Danksagung eingeladen, denn der gesamte Kosmos ist berufen, in Christus, dem Herrn, alles zu vereinen. In dieser Auffassung kommt eine wunderbar ausgewogene Lehre über die Würde, die Achtung und die Zielsetzung der Schöpfung und im besonderen des menschlichen Leibes zum Ausdruck. Dieser menschliche Leib wird, unter Zurückweisung jedes Dualismus und jedes Vergnügungskultes als Selbstzweck, zu einem von der Gnade erleuchteten und daher im Vollsinn menschlichen Ort. Wer nach einem echten Sinnbezug zu sich selber und zu der so häufig von Egoismus und Gier entstellten Welt sucht, dem enthüllt die Liturgie den Weg zur Ausgeglichenheit des neuen Menschen und lädt ein zur Achtung vor der eucharisti-schen Wirkkraft der geschaffenen Welt: sie ist dazu bestimmt, aufgenommen zu werden in die Eucharistie des Herrn, in sein Pascha, das im Opfer am Altar gegenwärtig ist. Ein klarer Blick auf die Selbstfindung 12. Auf Christus, den Gottmenschen, ist der Blick des Mönches gerichtet: in dem verzerrten Angesicht des Schmerzensmannes nimmt er bereits die prophetische Ankündigung des verklärten Antlitzes des Auferstandenen wahr. Dem kontemplativen Blick offenbart sich Christus wie den Jerusalemer Frauen, die hinaufgezogen waren, um sich das geheimnisvolle Schauspiel am Kalvarienberg anzusehen. Und ausgebildet in jener Schule der Beschaulichkeit gewöhnt sich der Blick des Mönches daran, Christus auch in den verborgenen Winkeln der Schöpfung und in der Geschichte der Menschen zu betrachten, diese freilich begriffen in ihrer fortschreitenden Angleichung an den ganzen Christus. Der nach und nach Christus ähnlich gewordene Blick lernt so, sich abzukehren vom Äußerlichen, vom Sturm der Gefühle, das heißt von allem, was den Menschen daran hindert, sich leicht und bereitwillig vom Geist ergreifen zu lassen. Sobald er sich auf diesem Weg befindet, läßt er sich in einem nicht endenden Bekehrungsprozeß mit Christus versöhnen: im Bewußtsein der eigenen Sünde und der Feme vom Herrn, das zur Zerknirschung des Herzens führt, Symbol der eigenen Taufe im heilsamen Wasser der Tränen; im Schweigen und in der gesuchten und geschenkten inneren Ruhe, wo er lernt, das Herz im Einklang mit dem Rhythmus des Geistes schlagen zu lassen, und so jede Scheinheiligkeit oder Zweideutigkeit ausschaltet. Seine wachsende Genügsamkeit und Wesentlichkeit, durch 824 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die er für sich selbst transparenter wird, kann den Mönch, wenn er seine Entwicklung für die Fracht eigener asketischer Anstrengung hält, in Stolz und Intransigenz verfallen lassen. Die geistliche Unterscheidung in ständiger Läuterung macht ihn demütig und sanft und bringt ihm zum Bewußtsein, daß er nur einige Züge jener Wahrheit wahrzunehmen vermag, die seine Sehnsucht stillt, da sie Geschenk des Bräutigams ist, der allein Fülle der Glückseligkeit ist. Dem Menschen, der nach dem Sinn des Lebens sucht, bietet der Orient diese Schule an, damit er sich selbst kennenlemt und frei und geliebt ist von jenem Jesus, der gesagt hat: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt“ (Mt 11,28). Dem, der nach innerer Heilung sucht, rät er weiterzusuchen: wenn die Absicht redlich und der Weg rechtschaffen ist, wird sich am Ende das Angesicht des Vaters zu erkennen geben, wie es dem menschlichen Herzen tief eingeprägt ist. Ein Vater im Geist 13. Der Weg des Mönches trägt im allgemeinen nicht allein den Akzent persönlicher Anstrengung, sondern steht in Beziehung zu einem geistlichen Vater, dem er sich mit kindlichem Vertrauen und in der Gewißheit anheimgibt, daß sich in ihm die liebevoll fordernde Väterlichkeit Gottes zeigt. Diese Gestalt des geistlichen Vaters verleiht dem orientalischen Mönchtum eine außerordentliche Flexibilität: denn durch ihn wird der Weg eines jeden Mönches sowohl hinsichtüch der Zeiten und des Rhythmus des Tagesablaufes wie der Methoden der Gottsuche sehr persönlich gestaltet. Gerade weil der geistliche Vater der Bezugs- und Anpassungspunkt ist, gestattet dies dem Mönchtum die größte Vielfalt an Ausdrucksformen, koinobitischen ebenso wie eremitischen. Auf diese Weise konnte das Mönchtum im Orient die Erwartungen jeder Kirche in den verschiedenen Perioden ihrer Geschichte verwirklichen. <165> <165> Bezeichnend sind z. B. die Erfahrungen des Antonius. Vgl. Hl. Athanasius, De vita Antonii, 15: PC 26, 865, und des Hl. Pachomius, Les Vies coptes de saint Pakhöme et ses successeurs, ed. L. Th. Lefon, Louvain 1943, S. 3; und das Zeugnis des Euagrios Pontikos, Tractatuspracticus, 100: SCh 171, 710. Bei dieser Suche lehrt der Orient im besonderen, daß es Brüder und Schwestern gibt, die der Geist mit der Gabe der geistlichen Führung beschenkt hat: sie sind wertvolle Bezugspunkte, weil sie mit dem Auge der Liebe schauen, das Gott auf uns ruhen läßt. Es handelt sich nicht um einen Verzicht auf die eigene Freiheit, um sich von anderen leiten zu lassen: es geht darum, aus der Kenntnis des Herzens, die ein echtes Charisma ist, Nutzen zu ziehen, um sich mit freundlicher Festigkeit helfen zu lassen und so den Weg zur Wahrheit zu finden. Unsere Welt hat Vaterfiguren in hohem Maße nötig. Häufig hat sie sie abgelehnt, weil sie ihr wenig glaubwürdig erschienen oder ihr Vorbild als überholt und für das gängige Empfinden wenig anziehend galt. Sie hat jedoch große Mühe, neue zu finden und leidet nun in Angst und Unsicherheit, ohne Vorbilder und Bezugspunkte. Wer wirk- 825 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lieh ein Vater im Geist ist - und das Volk Gottes hat immer bewiesen, daß es ihn zu erkennen vermag wird den anderen nicht sich gleich machen, sondern ihm helfen, den Weg zum Reich Gottes zu finden. Natürlich gibt es auch im Abendland das wunderbare Geschenk eines monasti-schen Lebens, sowohl für Männer wie für Frauen, das die Gabe der Führung im Geiste bewahrt und auf seine Aufwertung wartet. Mögen in jenem Bereich und wo immer die Gnade solche kostbaren Mittel innerer Reifung weckt, die Verantwortlichen diese Gabe pflegen und hochhalten und alle davon Gebrauch machen können: auf diese Weise werden sie erfahren, welche Tröstung und Hilfe für ihren Glaubens weg die Vaterschaft im Geist darstellt. <166> <166> Vgl. Johannes Paul II., Predigt vor Ordensmännem und Ordensfrauen (2. Februar 1988), Nr. 6: AAS80( 1988)1111. Gemeinschaft und Dienst 14. Gerade in der fortschreitenden Loslösung von dem, was ihn in der Welt an der Gemeinschaft mit seinem Herrn hindert, entdeckt der Mönch die Welt als Ort, wo sich die Schönheit des Schöpfers und die Liebe des Erlösers widerspiegeln. In seinem Gebet ruft der Mönch in einer Epiklese den Heiligen Geist auf die Welt herab, und da es am Gebet Christi selbst teilhat, ist er sicher, erhört zu werden. Er fühlt in sich eine tiefe Liebe zur Menschheit wachsen, jene Liebe, die das Gebet im Orient so häufig als Eigenschaft Gottes, des Freundes der Menschen, preist, der nicht gezögert hat, seinen Sohn hinzugeben, damit die Welt gerettet werde. In dieser Haltung ist es dem Mönch manchmal gegeben, jene Welt zu schauen, die durch die vergöttlichende Tat des gestorbenen und auferstandenen Christus bereits verklärt ist. Welche Bestimmung der Geist für ihn auch vorgesehen haben mag, im wesentlichen ist der Mönch immer der Mensch der Gemeinschaft. Mit diesem Namen wird seit der Antike auch der monastische Stil des koinobitischen Lebens bezeichnet. Das Mönchtum beweist uns, daß es keine glaubwürdige Berufung gibt, wenn sie nicht aus der Kirche und für die Kirche entsteht. Zeugnis dafür ist die Erfahrung vieler Mönche, die, eingeschlossen in ihren Zellen, in ihr Gebet eine außerordentliche Hingabe nicht nur für den Menschen, sondern für jede Kreatur einbringen, in der unablässigen Anrufung, damit sich alles zum heilbringenden Strom der Liebe Christi bekehre. Dieser Weg der inneren Befreiung in der Öffnung zum anderen hin macht den Mönch zum Mann der Nächstenliebe. Der Schule des Apostels Paulus folgend, der die Erfüllung des Gesetzes in der Liebe sieht (vgl. Rom 13,10), war die östliche Mönchsgemeinschaft stets darauf bedacht, die Überlegenheit der Liebe gegenüber jedem Gesetz zu gewährleisten. Sie äußert sich zunächst im Dienst an den Brüdern im monastischen Leben, sodann aber auch an der kirchlichen Gemeinschaft, und zwar in Formen, die sich je nach Zeit und Ort ändern und von den sozialen Werken bis zur Wanderpredigt rei- 826 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen. Die Ostkirchen haben mit großer Hochherzigkeit dieses Engagement gelebt, angefangen bei der Evangelisierung, dem erhabensten Dienst, den der Christ dem Bruder anbieten kann, und weiter in vielen anderen Formen geistlichen und materiellen Dienstes. Ja, man kann sagen, das Mönchtum ist in der Antike - und verschiedentlich auch in späterer Zeit - das bevorzugte Werkzeug für die Evangelisierung der Völker gewesen. Ein Mensch in Beziehung zu Gott 15. Das Leben des Mönches ist ein Beweis für die im Orient bestehende Einheit zwischen Spiritualität und Theologie: der Christ und im besonderen der Mönch sucht nicht so sehr nach abstrakten Wahrheiten, weiß er doch, daß allein sein Herr die Wahrheit und das Leben ist; aber er weiß auch, daß dieser Herr der Weg ist (vgl. Joh 14,6), um zu beiden zu gelangen: Erkennen und Teilhaben sind also eine einzige Wirklichkeit: von der Person durch die Fleischwerdung des Wortes Gottes zu dem einen Gott in drei Personen. Der Orient hilft uns mit seinem großen Reichtum an Elementen, die christliche Bedeutung der menschlichen Person zu beschreiben. Sie ist ganz auf die Inkarnation gerichtet, von der die Schöpfung selbst das Licht empfängt. In Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, offenbart sich die Fülle der menschlichen Berufung: damit der Mensch Gott werde, hat das Wort Menschengestalt angenommen. So versinkt der Mensch, der ständig den bitteren Geschmack seiner Grenzen und seiner Sünde erfährt, nicht in Anklage oder Angst, weil er weiß, daß in ihm die Macht der Gottheit wirkt. Die Menschheit wurde von Christus ohne Trennung von der göttlichen Natur und unvermischt angenommen, <167> und der Mensch wird nicht allein gelassen, wenn er auf tausenderlei Weise und oft vergebens eine ihm unmögliche Erklimmung des Himmels versucht: da gibt es einen ruhmreichen Tabernakel, nämlich die allerheiligste Person Jesu, des Herrn, wo sich Göttliches und Menschliches in einer Umarmung begegnen, die niemals aufgelöst werden kann: das Wort ist Fleisch geworden, in allem uns ähnlich außer der Sünde. Es senkt die Gottheit in das kranke Herz der Menschheit und, indem es den Geist des Vaters ausgießt, befähigt es sie, durch Gnade Gott zu werden. <167> Vgl. Symbolum Chalcedonense: DS 301-302. Aber wenn uns der Sohn das geoffenbart hat, dann ist es uns gegeben, dem Geheimnis des Vaters, dem Anfang der Gemeinschaft in Liebe, näherzukommen. Die Heiligste Dreifaltigkeit erscheint uns dann wie eine Liebesgemeinschaft: einen solchen Gott erkennen heißt, die Dringlichkeit spüren, daß er zur Welt spreche, daß er sich mitteile; und die Heilsgeschichte ist nur die Geschichte der Liebe Gottes zum Geschöpf, das er geliebt und erwählt hat und das er „als das Bild des Bildes“ wünschte - wie es in der Intuition der orientalischen Kirchenväter ausge- 827 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN drückt ist <10> das heißt, es wird geformt nach dem Bild des Bildes, das der Sohn ist, und vom Geist der Liebe, der heilig macht, zur vollkommenen Gemeinschaft geführt. Und auch wenn der Mensch sündigt, sucht und liebt ihn dieser Gott, damit die Beziehung nicht zerbreche und die Liebe weiterfließe. Er liebt ihn im Geheimnis des Sohnes, der sich von einer Welt, die ihn nicht erkannt hat, am Kreuz töten ließ, aber vom Vater auferweckt wurde als ewige Gewähr dafür, daß niemand die Liebe töten kann, weil jeder, der an ihr teilhat, von Gottes Herrlichkeit berührt wird: es ist der von der Liebe verwandelte Mensch, den die Jünger auf dem Tabor gesehen haben, der Mensch, der zu sein wir alle berufen sind. <10> Vgl. Hl. Irenaus, Adversus haereses V, 16, 2: SCh 153/2, 217; IV, 33, 4; SCh 100/2, 811; Hl. Athanasius, Contra gentiles, 2-3 u. 34: PG 25, 5-8 u. 68-69; De incamatione verbi, 12-13: SCh 18, 228-231. Anbetendes Schweigen 16. Doch dieses Geheimnis hält sich ständig bedeckt und hüllt sich in Schweigen, <11> um zu vermeiden, daß an Stelle Gottes ein Idol aufgebaut wird. Erst in einer fortschreitenden Läuterung der Erkenntnis von Gemeinschaft werden der Mensch und Gott sich begegnen und in der ewigen Umarmung ihre niemals ausgelöschte Wesensgleichheit der Liebe wiedererkennen. <11> Das Schweigen („hesychia“) ist ein wesentlicher Bestandteil der orientalischen monastischen Spiritualität. Vgl. Leben und Aussprüche der Wüstenväter: PG 65, 72-456; Euagrios Pontikos, Betrachtungen über das Mönchswesen:: PG 40, 1252-1264. So entsteht, was man als den Apophatismus des christlichen Orients bezeichnet: je mehr der Mensch in der Erkenntnis Gottes wächst, umso mehr nimmt er ihn als unerreichbares, in seinem Wesen unbegreifliches Geheimnis wahr. Das darf nicht mit einem geheimnisvollen Mystizismus verwechselt werden, wo sich der Mensch in rätselhaften impersonalen Dingen verliert. Die Christen des Orients wenden sich vielmehr an Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist, lebendige, unaufdringlich gegenwärtige Personen, denen sie eine feierliche und demütige, würdevolle und schlichte liturgische Doxologie darbringen. Sie bemerken jedoch, daß man diesem Gegenwärtigsein vor allem dann näherkommt, wenn man sich zu einem anbetenden Schweigen erziehen läßt, denn auf dem Höhepunkt der Erkenntnis und der Erfahrung Gottes steht seine absolute Transzendenz. Zu ihr gelangt man nicht in erster Linie durch systematische Meditation, sondern vielmehr durch die Aufnahme der Schrift und der Liturgie im Gebet. In diesem demütigen Annehmen der durch das Geschöpfsein bedingten Grenze angesichts der grenzenlosen Transzendenz eines Gottes, der nicht abläßt, sich als der Gott zu offenbaren, der die Liebe ist, als Vater unseres Herrn Jesus Christus, in der Freude des Heiligen Geistes, erblicke ich die Haltung des Gebetes und die theologische Methode, die der Osten bevorzugt und weiterhin allen, die an Christus glauben, anbietet. 828 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir müssen uns eingestehen, daß wir alle dieses von angebeteter Gegenwart erfüllte Schweigen nötig haben: die Theologie, um die eigene Seele der Weisheit und des Geistes voll erschließen zu können; das Gebet, damit es niemals vergesse: Gott schauen heißt, mit so strahlendem Gesicht vom Berg hinabzusteigen, daß man es mit einem Schleier verhüllen muß (vgl. Ex 34,33), und damit unsere Versammlungen unter Vermeidung von Selbstverherrlichung der Gegenwart Gottes Raum zu geben wissen; die Verkündigung, damit sie sich nicht der Täuschung hingebe, es genüge, viele Worte zu machen, um zur Gotteserfahrung hinzuführen; das Engagement, damit es darauf verzichtet, sich in einen Kampf zu verbeißen, der keine Liebe und Gnade kennt. Nötig hat dieses Schweigen der heutige Mensch, der oft nicht mehr zu schweigen vermag aus Angst, sich selbst zu begegnen, sich zu enthüllen, die Leere zu verspüren, die zur Frage nach dem Sinn wird; der Mensch, der im Lärm Betäubung sucht. Alle, Glaubende und Nicht-Glaubende, müssen ein Schweigen erlernen, das dem anderen zu sprechen erlaubt, wann und wo er will, und uns jenes Wort verstehen läßt. II. Kapitel Vom Kennenlemen zur Begegnung 17. Dreißig Jahre ist es her, seitdem die zum Konzil versammelten Bischöfe der katholischen Kirche in Anwesenheit zahlreicher Brüder der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften die Stimme des Geistes vernommen haben, der tiefe Wahrheiten über das Wesen der Kirche zur Einsicht brachte. Dadurch wurde offenkundig, daß alle, die an Christus glauben, einander viel näher waren, als sie gedacht hätten: alle waren auf dem Weg zu dem einen Herrn, alle erfuhren Hilfe und Unterstützung von seiner Gnade. Von hier ging eine immer dringendere Aufforderung zur Einheit aus. Seit damals ist ein langer Weg im gegenseitigen Kennenlemen zurückgelegt worden. Es hat die Wertschätzung füreinander verstärkt und uns oft erlaubt, auf einem Weg der Liebe, der bereits eine Pilgerschaft zur Einheit hin ist, gemeinsam zu dem einen Herrn und auch füreinander zu beten. Nach den bedeutsamen Schritten, die Papst Paul VI. vollbracht hatte, wollte ich, daß man auf dem Weg des gegenseitigen Kennenlernens in Liebe weiter vorankäme. Ich kann die tiefe Freude bezeugen, die die brüderliche Begegnung mit so vielen Oberhäuptern und Vertretern von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in diesen Jahren in mir ausgelöst hat. Wir haben Sorgen und Erwartungen miteinander geteilt, gemeinsam haben wir den Herrn um Einheit zwischen unseren Kirchen und um Frieden für die Welt angerufen. Wir haben uns gemeinsam verantwortlicher für das Gemeinwohl gefühlt, nicht nur als einzelne, sondern im Namen der Christen, zu deren Hirten uns der Herr bestellt hat. Manchmal sind hier beim Römischen Stuhl die eindringlichen Appelle anderer Kirchen eingetroffen, die bedroht waren oder von Gewalt und Übergriffen heimgesucht wurden. Er hat ver- 829 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sucht, ihnen allen sein Herz zu öffnen. Soweit es möglich war, hat der Bischof von Rom seine Stimme für sie erhoben, damit die Menschen guten Willens den Schrei jener leidenden Brüder hörten. „Zu den Sünden, die einen größeren Einsatz an Buße und Umkehr verlangen, müssen sicher jene gezählt werden, die die von Gott für sein Volk gewollte Einheit beeinträchtigt haben. Mehr noch als im ersten Jahrtausend hat die kirchliche Gemeinschaft im Verlauf des nun zu Ende gehenden Jahrtausends ,oft nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten* <168> schmerzliche Trennungen erlebt, die offenkundig dem Willen Christi widersprechen und der Welt ein Ärgernis sind. Diese Sünden der Vergangenheit lassen ihre Last leider noch immer spüren und bestehen als dieselben Versuchungen auch in der Gegenwart weiter. Dafür gilt es Wiedergutmachung zu leisten, indem Christus inständig um Vergebung angerufen wird“. <169> <168> n. Vatikan. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 3. <169> Johannes Paul IL, Apostol. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 34: AAS87(1995)26. Die Sünde unserer Spaltung ist sehr schwer: ich empfinde das Bedürfnis, daß unsere gemeinsame Verfügbarkeit gegenüber dem Geiste, der uns zur Umkehr ruft, wachsen möge, um den anderen mit brüderlicher Achtung anzunehmen und anzuerkennen, neue mutige Taten zu setzen, die uns von jeder Versuchung eines Zu-rückweichens befreien können. Wir spüren, daß wir über die Stufe der Gemeinsamkeit, die wir erreicht haben, hinausgehen müssen. 18. Mit jedem Tag regt sich in mir eindringlicher der Wunsch, die Geschichte der Kirchen neu zu überprüfen, um schließlich eine Geschichte unserer Einheit zu schreiben und so zurückzugehen in die Zeit, in der sich nach dem Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus das Evangelium in den verschiedensten Kulturen verbreitete und ein äußerst fruchtbarer Austausch begann, von dem die Liturgien der Kirchen noch heute zeugen. Wenngleich es nicht an Schwierigkeiten und Gegensätzen gefehlt hat, so beweisen die Briefe der Apostel (vgl. 2 Kor 9,11-14) und der Kirchenväter <170> engste brüderliche Bande zwischen den Kirchen in voller Glaubensgemeinschaft und unter Achtung ihrer je besonderen Eigentümlichkeiten und Identitäten. Die gemeinsame Erfahrung des Martyriums und die Meditation über die Märtyrerakten jeder Kirche, die Teilhabe an der Lehre so vieler heiliger Glaubenslehrer durch eine intensive Verbreitung und vertieften Gedankenaustausch verstärken dieses wunderbare Gefühl der Einheit. <171> Die Herausbildung unterschiedlicher Erfahrungen kirchlichen Lebens war kein Hindernis dafür, daß die Christen durch gegenseitige Beziehungen weiterhin die Gewißheit empfinden konnten, in jeder Kirche zu Hause zu sein, weil von allen in einer wunderbaren <170> Vgl. Hl. Clemens von Rom, Brief an die Korinther: Patres Apostolici, ed. F. X. Funk, I, 60-144; HI. Ignatius von Antiochien, Briefe, a.a.O., 172-252; Hl. Polykarpos, Brief an die Philipper, a.a.O., 266-282. <171> Vgl. Hl. Irenaus, Adversus haereses I, 10, 2; SCh 264/2, 158-160. 830 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vielfalt von Sprachen und Modulationen das Lob des einen Vaters durch Christus im Heiligen Geist emporstieg; alle haben sich versammelt, um die Eucharistie zu feiern, Herz und Vorbild für die Gemeinschaft nicht nur im Hinblick auf die Spiritualität oder das sittliche Leben, sondern auch für die Struktur der Kirche in der Vielfalt der Ämter und Dienste unter dem Vorsitz des Bischofs, des Nachfolgers der Apostel.o Die ersten Konzilien sind ein beredtes Zeugnis für diese fortdauernde Einheit in der Vielfalt. <172> 4^ Vgl. n. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 26; Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 41; Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 15. Vgl. Johannes Paul II., Schreiben zum 1600. Jahrestag des I. Konzils von Konstantinopel A Concilio Constan-tinopolitano I (25, März 1981), Nr. 2: A/1573(1981)515; Apostol. Schreiben zur Zwölfhundertjahrfeier des n. Konzils von Nizäa Duodecimum saeculum (4. Dezember 1987), Nr. 2 u. Nr. 4; AAS80(1988)242.243-244. Und auch als sich - oft unter dem Einfluß politischer und kultureller Faktoren -das gegenseitige Unverständnis in bestimmten dogmatischen Fragen verstärkte und bereits zu schmerzlichen Folgen in den Beziehungen zwischen den Kirchen führte, blieb das Bemühen lebendig, um die Einheit der Kirche zu flehen und sie zu fördern. Im ersten ökumenischen Dialogkontakt hat uns der Heilige Geist erlaubt, uns im gemeinsamen Glauben, der vollkommenen Weiterführung des apostolischen Kerygmas zu festigen, und dafür danken wir Gott aus ganzem Herzen <173> Und auch wenn bereits in den ersten Jahrhunderten des christlichen Zeitalters im Leib der Kirche langsam Gegensätze aufbrachen, dürfen wir nicht vergessen, daß das ganze erste Jahrtausend hindurch die Einheit zwischen Rom und Konstantinopel trotz Schwierigkeiten fortbesteht. Wir haben immer besser begriffen, daß nicht so sehr ein historisches Ereignis oder lediglich eine Frage des Vorrangs das Netz der Einheit zerrissen hat, sondern eine fortschreitende Entfremdung, so daß die Verschiedenheit des anderen nicht mehr als gemeinsamer Reichtum, sondern als Unvereinbarkeit empfunden wird. Auch als im zweiten Jahrtausend mit der wachsenden Unkenntnis voneinander und mit zunehmenden Vorurteilen eine Verhärtung in der Polemik und in der Spaltung eintritt, kommt es dennoch immer wieder zu konstruktiven Begegnungen zwischen Kirchenoberhäuptem, die den Wunsch haben, die Beziehungen zu intensivieren und den Austausch zu fördern; ebenso geht das heiligmäßige Wirken von Männern und Frauen weiter, die in dem Gegeneinander eine schwere Sünde erkannten und sich für die Einheit und die Liebe begeisterten sowie auf vielerlei Weise versuchten, das Streben nach Gemeinschaft durch das Gebet, durch Studium und Überlegung sowie durch die offene und herzliche Begegnung zu fördern. <174> Dieses verdienstvolle Wirken sollte dann als ganzes in die Überlegungen des II. Vatikanischen Konzils einfließen und in der von Papst Paul VI. und dem ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. ausgespro- <173> Vgl. Johannes Paul II., Predigt in Sankt Peter im Beisein des Erzbischofs von Konstantinopel und Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. (6. Dez. 1987), Nr. 3: AA580(1988)713-714. <174> Vgl. z. B. Anselm von Havelberg, Dialogi: PL 188, 1139-1248. 831 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chenen Aufhebung des gegenseitigen Kirchenbannes aus dem Jahr 1054 sinnbildhaften Ausdruck finden. <175> <175> Vgl. Tomos Agapis, Vatican - Phanar (1958-1970), Rom - Istanbul, 1971, S. 278-295. 19. Infolge der jüngsten Geschehnisse, die Mittel- und Osteuropa in Mitleidenschaft gezogen haben, erlebt der Weg der Liebe neuerlich schwierige Augenblicke. Christliche Brüder, die miteinander unter der Verfolgung litten, blicken gerade jetzt, wo sich Perspektiven und Hoffnungen auf eine größere Freiheit eröffnen, voll Argwohn und Furcht aufeinander: ist das nicht eine neue, große Gefahr zur Sünde, die wir alle mit allen Kräften zu überwinden versuchen müssen, wenn wir wollen, daß Völker, die auf der Suche sind, den Gott der Liebe leichter finden können, statt von neuem aufgrund unserer Spaltungen und Gegensätze Anstoß zu erregen? Als Seine Heiligkeit Bartholomäus I., Patriarch von Konstantinopel, anläßlich des Karfreitags 1994 die Kirche von Rom mit seiner „Kreuzweg“-Meditation beschenkte, habe ich an diese Gemeinschaft in der allerjüngsten Erfahrung des Martyriums erinnert: „Wir sind verbunden in diesen Märtyrern zwischen Rom, dem ,Berg der Kreuze’, den Solovieskj-Inseln und vielen anderen Vernichtungslagern. Da wir vor diesem Hintergrund der Märtyrer vereint und verbunden sind, können wir gar nicht anders als eins sein“. <176> <176> Schlußwort nach dem Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag (1. April 1994): AAS%1( 1995)87. Es ist daher dringend notwendig, sich diese schwere Verantwortung bewußt zu machen: wir können heute an der Verkündigung des Reiches Gottes mitwirken oder aber zu Förderern neuer Spaltungen werden. Möge der Herr uns die Herzen öffnen, unseren Geist bekehren und uns zu konkreten, mutigen Schritten inspirieren, die imstande sind, wenn nötig, Gemeinplätze, leichtfertiges Resignieren oder Pattstellungen zu durchbrechen. Wenn einer, der der Erste sein will, dazu gerufen ist, zum Diener aller zu werden, dann wird man aus dem Mut dieser Liebe den Primat der Liebe erwachsen sehen. Ich bitte den Herrn, daß Er vor allem mich selbst und die Bischöfe der katholischen Kirche zu konkreten Handlungen inspirieren möge, die von dieser inneren Sicherheit Zeugnis geben. Das verlangt das innerste Wesen der Kirche. Jedesmal, wenn wir die Eucharistie, das Sakrament der Gemeinschaft, feiern, finden wir in dem ausgeteilten Leib und Blut das Sakrament und den Aufruf zu unserer Einheit. <177> Wie werden wir voll glaubwürdig werden können, wenn wir getrennt vor der Eucharistie erscheinen, wenn wir nicht imstande sind, die Teilhabe an demselben Herrn, den wir der Welt verkünden sollen, auch zu leben? Angesichts des gegenseitigen Ausschlusses von der Eucharistie spüren wir unsere Armseligkeit und das Bedürfnis, jede Anstrengung zu unternehmen, damit der Tag komme, an dem wir gemeinsam an demselben Brot und <177> Vgl. Missale Romanum, Hochfest des Leibes und Blutes Christi (Fronleichnam), Gabengebet; ebd., HL eucha-ristisches Hochgebet; Hl. Basilius, Anaphora alexandrina, Hrsg. E. Renaudot, Liturgiarum orientalium collec-tio, I, Frankfurt 1847, S. 68. 832 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN demselben Kelch Anteil haben werden. <178> Dann wird die Eucharistie wieder im Vollsinn als Prophezeiung des Reiches Gottes wahrgenommen werden, und mit voller Wahrheit werden die Worte aus einem uralten eucharistischen Gebet anklingen: „Wie dieses gebrochene Brot auf den Hügeln verstreut wurde und gesammelt zu einem Einzigen wurde, so möge sich deine Kirche von den Grenzen der Erde her in deinem Reich sammeln“. <179> <178> Vgl. Paul VI., Botschaft an die Mechiiharisten (8. Sept. 1977): Insegnamenti 15(1977)812. <179> Didache, IX, 4: Patres Apostolici; Hrsg. F. X. Funk, I, 22. Erfahrungen der Einheit 20. Gedenktage von besonderer Bedeutung ermutigen uns dazu, mit Liebe und Ehrfurcht unsere Gedanken den orientalischen Kirchen zuzuwenden. Das gilt, wie schon erwähnt, vor allem für den hundertsten Jahrestag der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Orientalium dignitas. Damit hatte ein Weg seinen Anfang genommen, der unter anderem im Jahr 1917 zur Gründung der Kongregation für die Orientalischen Kirchen <180> und zur Errichtung des Päpstlichen Orientalischen Instituts <181> durch Papst Benedikt XV. geführt hat. Später, am 5. Juni 1960, wurde von Johannes XXIII. das Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen errichtet. <182> In jüngster Zeit, am 18. Oktober 1990, habe ich den Codex des kanonischen Rechtes der orientalischen Kirchen promulgiert <183> damit die Eigentümlichkeit des orientalischen Erbes bewahrt und gefördert würde. <180> Vgl. Motu proprio Dei providentis (1. Mai 1917): 4459(1917)529-531. <181> Vgl. Motu proprio Orientis Catholici (15. Oktober 1917): a.a.O., 531-533. <182> Vgl. Motu proprio Supemo Dei nutu (5. luni 1960), Nr. 9: 44552(1960)435-436. <183> Vgl. Apostol. Konstitution Sacri canones (18. Oktober 1990): 44582(1990) i 033-1044. Das sind die Kennzeichen einer Haltung, die die Kirche von Rom immer als wesentlichen Bestandteil des Auftrags angesehen hat, der dem Apostel Petrus von Jesus Christus anvertraut wurde: die Brüder im Glauben und in der Einheit stärken (vgl. Lk 22,32). Die in der Vergangenheit unternommenen Versuche stießen, bedingt durch den Zeitgeist und durch das damalige Verständnis von den Wahrheiten über die Kirche, an ihre Grenzen. Doch möchte ich hier noch einmal betonen, daß diesem Einsatz die Überzeugung zugrunde liegt, daß sich Petrus (vgl. Mt 16,17-19) in den Dienst einer in Liebe vereinten Kirche stellen will. „Die Aufgabe Petri ist, stets die Wege zu suchen, die der Wahrung der Einheit dienen. Er darf daher keine Hindernisse schaffen, sondern er muß Mittel und Wege suchen -was absolut nicht im Widerspruch steht zu der Aufgabe, die Christus ihm anvertraut hat: ,die Brüder im Glauben zu stärken’ (vgl. Lk 22,32). Es ist außerdem bezeichnend, daß Christus diese Worte ausgerechnet in dem Moment ausspricht, als der Apostel sich anschickt, ihn zu verleugnen. Es ist, als wollte der Herr selber sagen: .Erinnere dich, daß du schwach bist und daß du der ständigen Umkehr be- 833 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darfst. Du kannst die anderen stärken, wenn du dir deiner eigenen Schwäche bewußt wirst. Ich gebe dir als Aufgabe die Wahrheit mit, die große Wahrheit Gottes, die für das Heil des Menschen bestimmt ist. Doch kann diese Wahrheit nur durch die Liebe gepredigt und verwirklicht werden’. Es ist immer notwendig, veritatem facere in caritate, sich von der Liebe geleitet an die Wahrheit zu halten (vgl. Eph 4,15)“. <184> Heute wissen wir, daß die Einheit nur dann von der Liebe Gottes verwirklicht werden kann, wenn die Kirchen dies bei voller Achtung der einzelnen Traditionen und der notwendigen Autonomie gemeinsam wollen. Wir wissen, daß sich das nur von der Liebe von Kirchen her erfüllen kann, die sich aufgerufen fühlen, immer stärker die nur aus einer Taufe und aus einer Eucharistie hervorgegangene eine Kirche Christi zu bezeugen, und die Schwestern sein wollen. <185> „Die Kirche Christi ist - wie ich unlängst ausführte - eine. Wenn es Spaltungen gibt, müssen sie überwunden werden; doch die Kirche ist eine, die Kirche Christi im Orient und im Okzident kann nur eine sein, eine und geeint“. <186> Nach heutiger Sicht erscheint es klar, daß eine echte Einheit nur unter voller Achtung der Würde des anderen möglich war; daß man also nicht die Bräuche und Gewohnheiten der lateinischen Kirche insgesamt für vollkommener und für besser geeignet hielt, die Fülle der rechten Lehre sichtbar zu machen; daß dieser Einheit ferner ein Gemeinschaftsbewußtsein vorausgehen mußte, das die ganze Kirche durchdringen und sich nicht auf ein Übereinkommen zwischen Vertretern auf höchster Ebene beschränken sollte. Heute wissen wir - und das wird immer wieder beteuert -, daß die Einheit Wirklichkeit werden wird, wie und wann der Herr es will, und daß sie den Beitrag der Sensibilität und die Kreativität der Liebe erfordert und dabei vielleicht auch über die bereits historisch bewährten Formen hinausgehen wird. <187> <184> Johannes Paul U., Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, Hamburg 1994, S. 181-182. <185> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 14. <186> Grußwort an die Dozenten des Päpstl. Orientalischen Instituts (12. Dezember 1993): L'Osservatore Romano, 13.-14. Dez. 1993, S. 4. <187> Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium ecclesiarum, Nr. 30. 21. Die Ostkirchen, die in volle Gemeinschaft mit dieser Kirche von Rom getreten sind, wollten sichtbares Zeichen dieser Sorge sein, was sie entsprechend dem Reifegrad des damaligen Kirchenbewußtseins zum Ausdruck brachten. <188> Mit ihrem Eintritt in die katholische Gemeinschaft wollten sie keineswegs die Treue zu ihrer Tradition verleugnen, von der sie im Laufe der Jahrhunderte in heroischer Weise und oft unter Blutvergießen Zeugnis abgelegt haben. Auch wenn es in ihren Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen zuweilen zu Mißverständnissen und offenen Gegensätzen gekommen ist, wissen wir alle, daß wir unaufhörlich um das göttliche Erbarmen und um ein neues Herz bitten müssen, das ungeachtet allen erlittenen und zugefügten Unrechts fähig zur Versöhnung ist. <188> Vgl. Johannes Paul II., Botschaft Magnum baptismi donum (14. Febr. 1988), Nr. 4: /AS’80( 1988)99 I -992. 834 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es wurde wiederholt betont, daß die bereits verwirklichte volle Einheit der katholischen Ostkirchen mit der Kirche von Rom für sie keine Verminderung im Bewußtsein der eigenen Authentizität und Originalität mit sich bringen darf. <189> Falls das vorgekommen sein sollte, hat das II. Vatikanische Konzil sie zur vollen Wiederentdeckung ihrer Identität ermuntert, da sie „das volle Recht und die Pflicht (haben), sich jeweils nach ihren eigenen Grundsätzen zu richten, die sich durch ihr ehrwürdiges Alter empfehlen, den Gewohnheiten ihrer Gläubigen besser entsprechen und der Sorge um das Seelenheil angemessener erscheinen“. <190> Diese Kirchen tragen tief im Fleisch eine dramatische Rißwunde, weil ihnen noch immer eine volle Einheit mit den orthodoxen Ostkirchen versperrt ist, mit denen sie immerhin das Erbe ihrer Väter teilen. Es bedarf einer ständigen und gemeinsamen Umkehr, damit sie entschlossen und mit Elan auf dem Weg des gegenseitigen Verstehens voranschreiten. Und Umkehr wird auch von der lateinischen Kirche verlangt, damit sie die Würde der Orientalen voll achtet und bewertet und dankbar die geistlichen Schätze annimmt, deren Träger die katholischen Ostkirchen zum Nutzen der gesamten katholischen Gemeinschaft sind; <191> auf diese Weise möge sie konkret und viel stärker als in der Vergangenheit zeigen, wie sehr sie den christlichen Osten schätzt und bewundert und wie sehr sie seinen Beitrag als wesentlich dafür erachtet, daß die Universalität der Kirche voll gelebt werden könne. <189> Vgl. n. Vatikan. Konzil, Dekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium ecclesiarum, Nr. 24. <190> Ebd., Nr. 5. <191> Vgl. n. Vatikan. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 17; Johannes Paul n., Ansprache an das Außerordentliche Konsistorium (13. Juni 1994): L'Osservatore Romano, 13.-14. Juni 1994, S.5. Sich begegnen, sich kennenlemen, miteinander arbeiten 22. Es ist mein inständiger Wunsch, daß die Worte, die der hl. Paulus aus dem Orient an die Kirche von Rom richtete, heute aus dem Mund der Christen im Westen mit Blick auf ihre Brüder in den Ostkirchen wieder erldingen mögen: ,(Zunächst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündet wird“ {Rom 1,8). Und gleich darauf teilte der Völkerapostel voll Enthusiasmus seine Absicht mit: „Denn ich sehne mich danach, euch zu sehen; ich möchte euch geistliche Gaben vermitteln, damit ihr dadurch gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben“ {Rom 1,11-12). Hier wird also auf wunderbare Weise die Dynamik der Begegnung in Worte eingefangen: die Kenntnis von den Glaubensschätzen des anderen - die ich soeben in großen Zügen zu schildern versucht habe - ruft spontan das Verlangen nach einer neuen und tieferen Begegnung unter Brüdern hervor, die ein echter und aufrichtiger gegenseitiger Austausch sein soll. Es ist ein Verlangen, das der Heilige Geist ständig in der Kirche weckt und das gerade in sehr schwierigen Zeiten noch eindringlicher wird. 835 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 23. Ich bin mir freilich bewußt, daß augenblicklich manche Spannungen zwischen der Kirche von Rom und einigen Kirchen des Ostens den Weg der gegenseitigen Wertschätzung im Hinblick auf die Gemeinschaft schwieriger gestalten. Dieser Stuhl in Rom hat sich mehrmals bemüht, Weisungen zu erlassen, die den gemeinsamen Weg aller Kirchen in einem für das Leben der Welt derart wichtigen Augenblick begünstigen sollen; das gilt vor allem für Osteuropa, wo dramatische historische Ereignisse die Ostkirchen in jüngster Zeit häufig daran gehindert haben, den Evangelisierungsauftrag, den sie gleichwohl als dringend ansahen, voll zu verwirklichen. <192> Von größerer Freiheit gekennzeichnete Situationen bieten ihnen heute neue Möglichkeiten, auch wenn die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel wegen der Schwierigkeiten der betreffenden Länder sehr knapp sind. Ich möchte nachdrücklich betonen, daß die Gemeinschaften im Westen bereit sind -nicht wenige sind ja bereits in diesem Sinne tätig -, die Intensivierung dieses Dienstes der Diakonie dadurch zu fördern, daß sie ihre Erfahrung zur Verfügung stellen, die sie in den Jahren einer freieren Ausübung der Nächstenliebe erwerben konnten. Wehe uns, wenn der Überfluß der einen Seite Anlaß zur Demütigung der anderen Seite oder zu fruchtlosem und anstoßerregendem Konkurrenzdenken wäre. Die Gemeinschaften im Westen werden es sich ihrerseits zur Pflicht machen, wo es möglich ist, vor allem den Dienst betreffende Vorhaben mit den Brüdern der Ostkirchen zu teilen oder zur Verwirklichung dessen beizutragen, was diese im Dienst an ihren Völkern unternehmen; und sie werden in Gebieten gemeinsamer Präsenz niemals eine Haltung an den Tag legen, die respektlos gegenüber den mühsamen Anstrengungen erscheinen könnte, für deren Durchführung den Ostkirchen um so höheres Verdienst gebührt, je prekärer ihre zur Verfügung stehenden Mittel sind. <192> Vgl. Johannes Paul U., Brief an die Bischöfe des europäischen Kontinents (31. Mai 1991): A4S84(1992)163-168; außerdem „Les principes generaux et normes pratiques pour coordonner l'evangelisation et l'engagement oecumenique de VEglise catholique en Russie et dans les autres Pays de la C.E.I.“ (veröffentlicht von der Päpstl. Kommission Pro Russia am 1. Juni 1992). Handlungen gemeinsamer Liebe der einen Seite gegenüber der anderen und beider gemeinsam gegenüber den in Not und Bedrängnis geratenen Menschen werden als ein Akt von unmittelbarer Aussagekraft erscheinen. Bleiben solche Gesten aus oder kommt es gar zu gegenteiligen Bezeugungen, so wird dies alle, die uns beobachten, zu der Annahme verleiten, jedes Bemühen um Annäherung zwischen den Kirchen in Liebe sei nichts weiter als eine abstrakte Aussage ohne Überzeugungskraft und ohne Konkretisierung. Das Gebot des Herrn, sich auf jeden Fall darum zu bemühen, daß alle, die an Christus glauben, ihren Glauben gemeinsam bezeugen, halte ich vor allem in den Ländern für grundlegend, in denen sich das Zusammenleben zwischen Söhnen und Töchtern der katholischen Kirche - Lateinern und Orientalen - und Söhnen und Töchtern der orthodoxen Kirchen besonders eng gestaltet. Nach dem gemeinsamen Martyrium, das sie unter dem Druck der atheistischen Regime für Christus 836 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erlitten haben, ist nun der Augenblick gekommen, wo es nötigenfalls zu leiden gilt, um niemals im Zeugnis der Liebe unter Christen nachzulassen, denn selbst wenn wir unseren Leib dem Feuer übergäben, hätten aber die Liebe nicht, würde es uns nichts nützen (vgl. 1 Kor 13,3). Wir werden intensiv darum beten müssen, daß der Herr unseren Geist und unsere Herzen rühre und uns Geduld und Milde schenke. 24. Ich glaube, eine wichtige Möglichkeit, um im gegenseitigen Verstehen und in der Einheit zu wachsen, besteht eben darin, daß wir einander besser kennenlemen. Die Söhne und Töchter der katholischen Kirche kennen bereits die Wege, die der Heilige Stuhl angegeben hat, damit sie dieses Ziel erreichen können: Kennenlernen der Liturgie der Ostkirchen; <193> Vertiefung der Kenntnis von den geistlichen Traditionen der Väter und Lehrer des christlichen Orients; <194> Herausstellung der Ostkirchen als Beispiel für die Inkulturation der Botschaft des Evangeliums; Ankämpfen gegen die Spannungen zwischen Lateinern und Orientalen und Anregung des Dialogs zwischen Katholiken und Orthodoxen; Ausbildung von Theologen, Liturgikem, Historikern und Kanonisten in Einrichtungen, die auf den christlichen Osten spezialisiert sind, damit sie ihrerseits die Kenntnis von den Kirchen des Orients verbreiten können; ein diesen Themen entsprechendes Lehrangebot - vor allem für die künftigen Priester - an den Priesterseminaren und an den Theologischen Fakultäten. <195> Auf diesen auch weiterhin beachtenswerten Hinweisen möchte ich mit besonderem Nachdruck beharren. <193> Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Instruktion In ecclesiasticam futurorum (3. Juni 1979), Nr. 48: EnVat 6, S. 1080. <194> Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Instruktion Inspectis dierum (10. Nov. 1989): AAS82(1990)607-636. <195> Vgl. Konregation für das Katholische Bildungswesen, Rundschreiben En egard au developpement (6. Jan. 1987), Nm. 9-14: L'Osservatore Romano, 16. April 1987, S. 6. 25. Außer der Kenntnis voneinander halte ich gegenseitige Besuche für äußerst wichtig. Ich wünsche mir, daß diesbezüglich die Klöster in besonderer Weise tätig werden, wegen der ganz besonderen Rolle, die dem monastischen Leben innerhalb der Kirchen zufällt, und wegen der vielen Punkte, die die Erfahrung des Ordenslebens und damit die geistliche Sensibilität im Orient und im Abendland vereinen. Eine weitere Form der Begegnung stellt die Aufnahme orthodoxer Dozenten und Studenten an den Päpstlichen Universitäten und anderen katholischen akademischen Einrichtungen dar. Wir wollen weiter unser möglichstes tun, damit diese Aufnahme in größerem Umfang erfolgen kann. Gott segne außerdem die Entstehung und Entwicklung von Unterkünften für unsere Brüder aus dem Osten, auch in der Stadt Rom, die das lebendige und gemeinsame Gedächtnis der Apostelfürsten und vieler Märtyrer hütet. Wichtig ist, daß die Initiativen für Begegnung und Austausch in den umfassendsten Weisen und Formen die Kirchengemeinden einbeziehen: wir wissen zum Bei- 837 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN spiel, wie positiv Initiativen zur Kontaktnahme zwischen Pfarreien sein können, die zur gegenseitigen kulturellen und geistlichen Bereicherung, auch in der Übung der Nächstenliebe, untereinander „Partnerschaften“ eingehen. Sehr positiv beurteile ich die Initiativen gemeinsamer Pilgerfahrten zu den Orten, wo im Gedenken an Männer und Frauen, die zu allen Zeiten die Kirche durch das Opfer ihres Lebens bereichert haben, die Heiligkeit in besonderer Weise Ausdruck findet. In dieser Richtung wäre es dann ein Akt von großer Bedeutung, wenn man zur gemeinsamen Anerkennung der Heiligkeit jener Christen gelangen könnte, die in den letzten Jahrzehnten, besonders in den Ländern Osteuropas, für den einen Glauben an Christus ihr Blut vergossen haben. 26. Meine Gedanken gehen sodann besonders zu den Diasporagebieten, wo in mehrheitlich lateinischer Umgebung zahlreiche Gläubige der Ostkirchen leben, die ihre Herkunftsländer verlassen haben. Diese Orte, wo der zwanglose Kontakt innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft leichter zustande kommt, könnten den idealen Rahmen für die Verbesserung und Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Kirchen bei der Ausbildung künftiger Priester und bei der Planung pastoraler und karitativer Vorhaben darstellen, was auch für die Herkunftsländer der Orientalen von Vorteil wäre. Den lateinischen Bischöfen jener Länder lege ich das aufmerksame Studium, das volle Verständnis und die getreue Anwendung der von diesem Stuhl erlassenen Prinzipien und Normen über die ökumenische Zusammenarbeit <196> und über die Seelsorge an den Gläubigen der katholischen Ostkirchen besonders ans Herz, vor allem wenn diese ohne eigene Hierarchie sind. Vgl. Päpstl. Rat für die Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen überden Ökumenismus, V: A4585(1993) 1096-1119. Ich lade die Oberhäupter und den Klerus der katholischen Ostkirchen ein, mit den lateinischen Bischöfen eng für eine wirksame Seelsorge zusammenzuarbeiten, damit diese nicht bruchstückhaft bleibe, vor allem dann, wenn ihr Jurisdiktionsbereich sich auf sehr große Gebiete erstreckt, wo fehlende Zusammenarbeit tatsächlich Isolierung bedeutet. Die katholische orientalische Hierarchie wird alles unternehmen, um eine Atmosphäre der Brüderlichkeit, der aufrichtigen gegenseitigen Wertschätzung und der Zusammenarbeit mit ihren Brüdern der Kirchen zu fördern, mit denen uns noch keine volle Gemeinschaft verbindet, ganz besonders gegenüber denjenigen, die derselben kirchlichen Tradition angehören. Dort, wo es im Westen keine orientalischen Priester für die Seelsorge an den Gläubigen der katholischen Ostkirchen gibt, sollten sich die lateinischen Bischöfe und ihre Mitarbeiter Mühe geben, damit in jenen Gläubigen das Bewußtsein und die Kenntnis ihrer eigenen Tradition wachse und sie dazu bestellt werden, durch ihren spezifischen Beitrag aktiv am Wachstum der christlichen Gemeinschaft mitzuwirken. 65 838 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 27. Was das Mönchtum betrifft, so wünschen wir uns angesichts seiner Bedeutung im orientalischen Christentum, daß es in den katholischen Ostkirchen wiederaufblühe und alle, die sich zum Einsatz für dieses Erstarken berufen fühlen, dazu ermutigt werden. <197> Es besteht in der Tat ein innerer Zusammenhang zwischen dem liturgischen Gebet, der geistlichen Tradition und dem monastischen Leben im Osten. Eben darum könnte auch für sie eine richtig gestaltete und motivierte Wiederaufnahme des monastischen Lebens ein echtes kirchliches Aufblühen bedeuten. Und man soll nicht meinen, daß dies die Wirksamkeit des pastoralen Dienstes vermindere; ja, er wird letztlich von einer derart kräftigen Spiritualität gestärkt werden und auf diese Weise seinen idealen Platz wiederfinden. Dieser Wunsch betrifft auch die Gebiete der orientalischen Diaspora, wo das Vorhandensein orientalischer Klöster den Ostkirchen in jenen Ländern größere Festigkeit geben und darüber hinaus einen wertvollen Beitrag zum Ordensleben der Christen im Westen leisten würde. <197> Vgl. Botschaft der Ordentlichen Bischofssynode, VII, „Aufruf an die Ordensmänner und Ordensfrauen der Ostkirchen“ (27. Oktober 1994): L'Osservatore Romano, 29. Oktober 1994, S. 7. Gemeinsam dem „ Orientale Lumen “ entgegengehen 28. Zum Abschluß dieses Schreibens gehen meine Gedanken zu den geliebten Brüdern, den Patriarchen, Bischöfen, Priestern und Diakonen, zu den Mönchen und Nonnen, zu den Männern und Frauen der Ostkirchen. An der Schwelle des dritten Jahrtausends hören wir alle den Schrei der Menschen zu uns dringen, die, bedrückt von der Last schwerer Bedrohungen, dennoch - ihnen selbst vielleicht sogar unbewußt - den sehnlichen Wunsch haben, die von Gott gewollte Geschichte der Liebe kennenzulemen. Jene Menschen spüren, daß ein einmal aufgenommener Lichtstrahl allemal die Finsternis vom Blickfeld des zärtlichen Vaters her zu zerstreuen vermag. Maria, „Mutter des Sternes, der nicht untergeht“, <198> ,Morgenröte des mystischen Tages“, <199> , Aufgang der Sonne der Herrlichkeit“, <200> zeige uns das Orientale Lumen. Vom Osten steigt jeden Tag aufs neue die Sonne der Hoffnung auf, das Licht, das dem Menschengeschlecht seine Existenz wiedergibt. Vom Osten wird, wie es in einem schönen Bild heißt, unser Erlöser wiederkehren (vgl. Mt 24,27). <198> Horologion, Hymnus Akathistos an die allerseligste Gottesmutter, Ikos 5. <199> Ebd. 6^ Horologion, Komplet vom Sonntag (1. Ton) in der byzantinischen Liturgie. Die Männer und Frauen des Ostens sind für uns Zeichen des Herrn, der wiederkommt. Wir dürfen sie nicht vergessen, nicht nur, weil wir sie als vom selben Herrn erlöste Brüder und Schwestern heben, sondern auch, weil die heilige Sehnsucht nach den Jahrhunderten, die wir in voller Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe gelebt haben, uns drängt, uns laut an unsere Schuld, unser Unverständ- 839 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nis füreinander erinnert: wir haben die Welt eines gemeinsamen Zeugnisses beraubt, das es vielleicht vermocht hätte, viele Dramen zu vermeiden, wenn nicht gar den Sinn der Geschichte zu ändern. Wir empfinden es schmerzvoll, daß wir noch nicht an derselben Eucharistie teilnehmen können. Nun, da das Jahrtausend zu Ende geht und unser Blick ganz auf die aufgehende Sonne gerichtet ist, befinden wir uns voll Dankbarkeit auf dem Weg unseres Blickes und unseres Herzens. Weiter erschallt kräftig das Echo des Evangeliums, des Wortes, das nicht enttäuscht, nur geschwächt durch unsere Spaltung: Christus ruft, doch der Mensch hat Mühe, seine Stimme zu hören, weil es uns nicht gelingt, einmütige Worte weiterzugeben. Wir hören gemeinsam das Flehen der Menschen, die das Wort Gottes in seiner Ganzheit hören wollen. Die Worte des Abendlandes haben die Worte des Orients nötig, damit das Wort Gottes seine unerforschlichen Reichtü-mer immer besser offenbare. Unsere Worte werden sich für immer im himmlischen Jerusalem begegnen, wir bitten aber und wollen, daß jene Begegnung in der heiligen Kirche, die sich noch auf der Pilgerschaft zur Fülle des Reiches befindet, vorweggenommen werden möge. Möge Gott Zeit und Raum abkürzen. Bald, sehr bald möge uns Christus, das Orientale Lumen, entdecken lassen, daß wir trotz jahrhundertelanger Entfernung in Wirklichkeit einander sehr nahe waren, weil wir, vielleicht ohne es zu wissen, miteinander dem einen Herrn entgegen- und damit aufeinander zugingen. Möge sich der Mensch des dritten Jahrtausends dieser Entdeckung erfreuen können, wenn ihn endlich ein einträchtiges und damit voll glaubwürdiges Wort erreicht, das von Brüdern verkündet wird, die einander Heben und dankbar sind für die Reichtümer, mit denen sie sich gegenseitig beschenken. Und so werden wir vor Gott hintreten mit den reinen Händen der Versöhnung, und die Menschen der Welt werden einen entscheidenden Grund mehr für ihr Glauben und Hoffen haben. Mit diesen Wünschen erteile ich allen meinen Segen. Aus dem Vatikan, am 2. Mai, dem Gedächtnis des hl. Athanasius, Bischof und Kirchenlehrer, des Jahres 1995, dem siebzehnten Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II 840 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wichtiges Zusammentreffen im Geist der Brüderlichkeit Schreiben an den Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Tschechischen Brüder und Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen in der Tschechischen Republik, Dr. Pavel Smetana, vom 2. Mai An Herrn Dr. Pavel Smetana, Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Tschechischen Brüder und Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen in der Tschechischen Republik Mein Besuch in die Tschechische Republik - in ein Land, das mir immer teuer war wegen des mutigen Zeugnisses, das die Jünger Christi während der Zeit der atheistischen Unterdrückung gegeben haben, die unterschiedslos Katholiken und Protestanten betraf - rückt näher. Seit langem freue ich mich auf diesen Besuch und, was ich für sehr wichtig halte, auf ein Zusammentreffen im Geist der Brüderlichkeit mit den Vertretern der verschiedenen Kirchen und christlichen Bekenntnisse. Ich weiß um die Sorge, die die geplante Heiligsprechung des Sehgen Jan Sarkan-der in Olmütz in Mähren bei Ihnen, lieber Bruder, wie auch bei vielen anderen hervorgemfen hat. Ich möchte Ihnen versichern, daß ich mich zu diesem Schritt nicht nur auf die Einladung der Bischöfe aus der Tschechischen Republik hin entschlossen habe, sondern auch, weil ich ihn als eine providentielle Gelegenheit betrachte, mich an einem durch große Bedeutung ausgezeichneten Ort in einer kritischen Beurteilung über die Religionskriege zu äußern, die im siebzehnten Jahrhundert so zahlreiche Opfer, sowohl bei Protestanten wie bei Katholiken, gekostet haben. Der selige Jan Sarkander war selbst ein Opfer dieser unseligen Konflikte, die damals so viel Leid für Ihre eigene Gemeinschaft verursacht haben. Wenn ich die Einladung der Bischöfe angenommen habe, so tat ich es deshalb, weil ich dies auch als eine Gelegenheit für uns alle betrachte, um uns zu verpflichten, Gewähr dafür zu bieten, daß solche Sünden gegen die christliche Liebe nie mehr begangen werden dürfen. Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich Länder besucht, wo Erinnerungen an Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten noch stark nachwirken. Ich habe die Mitglieder der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, und besonders die Mitglieder der katholischen Kirche, immer dringend dazu aufgerufen, es nicht zu gestatten, daß vergangenes Unrecht für gegenwärtige Beziehungen bestimmend sei. Ich bin zutiefst überzeugt - vor allem da wir uns dem dritten Jahrtausend des christlichen Zeitalters nähern -, daß dies eine Zeit der Gnade für uns alle ist, eine Zeit, um Vergebung zu bitten und Vergebung anzubieten, über die Leiden der Vergangenheit hinauszusehen und zusammenzuarbeiten, um für das Evangelium Jesu Christi deutlicher Zeugnis zu geben, „damit die Welt glaubt“ CJoh 17, 21). Für die Kirche ist es eine Zeit, „zutiefst die Schwachheit so vieler ihrer Söhne zu bedauern, die das Antlitz der Kirche dadurch entstellten, daß sie sie hinderten, das Abbild ihres gekreuzigten Herrn als eines unübertrefflichen Zeugen 841 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geduldiger Liebe und demütiger Sanftmut widerzuspiegeln“ (Tertio Millenio ad-veniente, Nr. 35). In diesem Geist ist mit der Heiligsprechung von Jan Sarkander keineswegs beabsichtigt, vergangene Gewalttätigkeiten zu rechtfertigen oder sie gutzuheißen, es sollen vielmehr nur die persönlichen Verdienste dieses Sohnes Mährens anerkannt werden. Er wurde dort ja immer sehr geliebt und verehrt, sowohl vom katholischen Klerus wie von den Laien, die zweifellos nicht auf ihn als auf das Opfer religiösen Hasses schauen, dazu bestimmt, Wunden wieder aufzureißen, die die Zeit jetzt verheilt haben sollte; vielmehr schauen sie auf ihn als auf ein demütiges und standhaftes Vorbild aufrichtiger Christusliebe, der Hingabe an die Seelen, der Treue zum pastoralen Dienst und besonders zum Sakrament der Buße und den Verpflichtungen, die es auferlegt. Ich vertraue darauf, daß das neue Verhältnis, das sich in den letzten Jahren glücklicherweise zwischen der katholischen Kirche und den anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in der Tschechischen Republik entwickelt hat, weiterhin wächst und sich verstärkt. Es ist mein glühender Wunsch, und ich bete darum, daß mein Besuch dazu beiträgt, diesen Geist christlicher Einheit noch mehr zu fördern in Übereinstimmung mit der festen Verpflichtung, die das Zweite Vatikanische Konzil eingegangen ist - einer Verpflichtung, die eine der Prioritäten meines eigenen pastoralen Wirkens ist. Aus diesem Grund habe ich Edward Idris Kardinal Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, gebeten, diesen meinen Brief persönlich zu überbringen und Ihnen mein Bedauern darüber auszudrücken, daß ich nicht eher geschrieben habe, vor allem aber, Ihnen meine Empfindungen der Ehrerbietung und Wertschätzung in Jesus Christus, den einen Hirten und Hüter unserer Seelen (vgl. 1 Petr 2,25), zu übermitteln. Aus dem Vatikan, am 2. Mai 1995 Joannes Paulus PP. II. Anstoß zu Erneuerung und Stärkung des Glaubens geben Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke am 4. Mai Herr Kardinal, liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, Nationalleiter, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Päpstlichen Missionswerke! 1. Ich heiße euch wärmstens willkommen und grüße alle von ganzem Herzen. Ich danke dem Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Kardinal Jözef Tomko, für die im Namen aller Anwesenden zum Ausdruck gebrachten 842 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Worte und für die Informationen, die er mir über die Tätigkeiten der Päpstlichen Missionswerke vermittelt hat. Gleichermaßen gilt meine Dankbarkeit dem Sekretär der Kongregation, Erzbischof Msgr. Giuseppe Uhac, dem Untersekretär des gleichen Dikasteriums und Präsidenten des Obersten Rates der Missionswerke, Msgr. Charles Schleck, den Generalsekretären, den Nationalleitem, allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Dienst der Päpstlichen Missionswerke. 2. Diese Begegnung gibt mir Gelegenheit, erneut meine Hochachtung und Unterstützung für die wertvolle Arbeit auf dem Gebiet der missionarischen Animation, Bildung und Solidarität zum Ausdruck zu bringen, die die eurer kompetenten Führung und eurer Liebe anvertrauten Päpstlichen Werke auf den verschiedenen Ebenen der Weltkirche, der einzelnen Teilkirchen und jeder christlichen Gemeinde leisten. Dank konstanter und eingehender Einsatzbereitschaft der Verantwortlichen und der Mitarbeiter der Päpstlichen Werke werden die Mitglieder des Gottesvolkes, von den Kindern angefangen, angeregt und bestärkt, ihre Berufung als Mitträger des universalen Missionsauftrags der Kirche zu verwirklichen: durch das Geschenk ihrer Gebete, ihrer Opferbereitschaft und ihrer materiellen Hilfe für die zahlreichen Bedürfnisse, die stets mit der Arbeit der Missionare und der Gründung und Entwicklung der jungen Kirchen verbunden sind. 3. Ein besonderer Aspekt der Päpstlichen Missionswerke ist ihre Universalität. Sie unterstützen in der Tat alle und jeden einzelnen der Missionare, die an den Fronten der Evangelisation arbeiten; sie inspirieren und geben Anregungen für die zahlreichen Formen missionarischer Kooperation und bestärken die christlichen Gemeinden, ihre Hirten, die Familien und die einzelnen Getauften - jeder seinen eigenen Möglichkeiten entsprechend aktiv an der Verkündigung des Evangeliums an alle Völker und alle Menschen teilzunehmen. Aufgrund dieser Dimension und dieser universalen Bestimmung sind die Päpstlichen Missionswerke echte Werke des Papstes, seine wahrhaft missionarische Stimme. Auf ganz besondere Weise sind sie es möchte ich sagen - im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend, auf das wir uns vorbereiten. Wie groß ist doch die Ernte und wie gering die Zahl der Arbeiter (vgl. Mt 9,37), insbesondere in Asien, diesem riesigen Kontinent, der für die missionarische Evangelisierungsarbeit der Horizont des neuen Jahrtausends ist (vgl. Predigt an die Teilnehmer des internationalen Jugendforums in Manila, Nr. 7; Osservatore Romano, 14.1.1995, S. 4). 4. Der missionarische Auftrag des Herrn an die Kirche ist von bleibender Gültigkeit. Zweitausend Jahre nach Christi Geburt ist diese Verpflichtung sogar noch bindender und eindeutiger aufgrund der Tatsache, daß die Mission „ad gentes“ ein stets umfangreicheres, komplexeres und dringlicheres Anliegen wird. 843 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist demnach notwendig, daß alle christlichen Gemeinden im missionarischen Geist geformt werden und mit neuen Akzenten und auf angemessene Weise an der Arbeit der Missionare und der jungen Kirchen teilhaben. Und - wie ich bereits in meiner Enzyklika Redemptoris missio betonte - „dieses Werk der Animation ist in erster Linie Aufgabe der Päpstlichen Missionswerke“ (vgl. Redemptoris missio, Nr. 84). Sie sind von solch großer Bedeutung und Gültigkeit, daß man die Päpstlichen Missionswerke wie Paul VI. in seiner Botschaft zum Weltmissionstag 1974 schrieb - erfinden müßte, wenn es sie nicht gäbe (vgl. Insegnamenti XII. [1974] 618). Daher ist es wichtig, daß sie gut organisiert sind und mit wahrhaft missionarischer Begeisterung und Ausdauer in allen, auch den jüngsten, Teilkirchen handeln. Möge eure Arbeit von Eifer und Zuversicht gekennzeichnet sein und die gleiche Begeisterung und Einsatzkraft allen vermitteln, die auf euch schauen. 5. Die Anerkennung des unerläßlichen und konstanten Dienstes, den die Päpstlichen Missionswerke innerhalb des Gottesvolkes zur Intensivierung seiner Beteiligung an der Missionstätigkeit leisten, schließt jedoch keineswegs aus, daß auch andere Formen und Initiativen der Animation und Kooperation kirchlicher Organe, Bewegungen und Institutionen nicht ebenso wertvoll sind und gefördert werden sollten, denn sie sind ihrerseits bemüht, an der Mission „ad gentes“ teilzunehmen. Letztere braucht besonders aufgrund ihrer heute ständig zunehmenden Vielschichtigkeit und ihrer „neuen Areopage“ den wirksamen Beitrag aller Kräfte und jedes einzelnen Mitglieds der Kirche. Die authentische Gemeinschaft und brüderliche Zusammenarbeit aller, die sich dem Missionsauftrag widmen, sind notwendige Voraussetzungen, denn „Commu-nio und Sendung sind zutiefst miteinander verbunden, sie durchdringen und bedingen einander, so daß die ,communio’ zugleich Quelle und Frucht der Sendung ist: die ,communio’ ist missionarisch, und die Sendung gilt der ,communio’“ (Christifideles laici, Nr. 32). Ich möchte die Verantwortlichen der Päpstlichen Missions werke, Experten der Gemeinschaft mit dem Papst, dem Hirten der Weltkirche, und mit den Bischöfen, den Hirten der Teilkirchen, lebhaft darin bestärken, diese missionarische „commu-nio“ in den christlichen Gemeinden zu fördern, denn sie ist Quelle der Berufungen und der Unterstützung für die Missionen; sie gibt Anstoß zur Erneuerung und zur Stärkung des Glaubens derjenigen, die sich für die Überbringung des Evangeliums an die Nichtchristen verwenden. Möge Maria, Mutter Gottes und der Kirche, die zu Beginn der Mission „ad gentes“ den Aposteln mit ihren Fürbitten und ihrer mütterlichen Liebe beistand, alle Missionare und auch euch, die ihr die missionarische Zusammenarbeit innerhalb des Gottesvolkes fördert, begleiten und unterstützen. Euch und all denjenigen, die ihren spirituellen und materiellen Beitrag für die Missionstätigkeit leisten, gilt meine auf richtige Dankbarkeit und mein Apostolischer Segen. 844 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Christusnachfolge Lebenssinn entdecken Botschaft zum 32. Weltgebetstag um Geistliche Berufe am Vierten Ostersonntag, dem 7. Mai 1995, vom 18. Oktober 1994 Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, geliebte Brüder und Schwestern in der ganzen Welt! ,3ittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). Mit diesen Worten des Herrn wende ich mich an die ganze Kirche, die am kommenden 7. Mai, dem Vierten Ostersonntag, den alljährlichen Weltgebetstag um Geistliche Berufe begeht, der unter dem Thema steht: „Jugendpastoral und Berufungspastoral ergänzen sich.“ 1. Es sind zehn Jahre vergangen, seit die Organisation der Vereinten Nationen das Jahr 1985 zum „Internationalen Jahr der Jugend“ ausgerufen hat. Ich entschied mich damals, zu dieser Gelegenheit den jungen Männern und Mädchen in der Welt einen Brief zu senden, um mit ihnen das fröhliche Jahrestreffen am Weltjugendtag abzumachen. Nach Ablauf von zehn Jahren nun möchte ich dem Herrn danken für die Hoffnung, die diese Initiative in den Herzen der Jugendlichen einpflanzte und wachsen ließ. Und ich möchte aus Anlaß des kommenden Weltgebetstags um Geistliche Berufe alle einladen, über die enge Verbindung nachzudenken, welche die Jugendpastoral mit der Berufungspastoral verknüpft. Wenn ich bei verschiedenen Gelegenheiten die Jugend in aller Welt aufrief, die Begegnung Christi mit dem jungen Mann (vgl. Mk 10,17-22; Mt 19,16-22; Lk 18,18-23) zu meditieren, so konnte ich bereits unterstreichen, daß die Jugendzeit ihren wahren Reichtum dann erreicht, wenn sie vorrangig als Zeit des Nachdenkens über die eigene Berufung erlebt wird. Die Frage des jungen Mannes: „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ zeigt eine grundlegende Dimension der Jugendzeit auf. Der junge Mann möchte nämlich eigentlich sagen: „Was muß ich tun, damit mein Leben Sinn erhält? Was ist der Plan Gottes für mein Leben? Was ist sein Wille?“ Das Zwiegespräch, das aus der Frage des jungen Mannes entsteht, gibt Jesus die Gelegenheit, die besondere Intensität offenzulegen, mit der Gott jene Person liebt, die sich als fähig erweist, sich die Schlüsselfrage über ihre Berufung und damit über ihre eigene Zukunft zu stellen: „Er sah ihn an und gewann ihn lieb.“ Wer ernsthaft die Unruhe der Bemfung durchlebt, der findet im Herzen Christi eine Aufmerksamkeit voll milder Güte vor. Wenig später offenbart Jesus auch, welche Antwort Gott dem gibt, der seine eigene Jugendzeit als eine Zeit erlebt, welche in besonderer Weise offen ist für eine geistliche Orientierung. Diese Antwort lautet: ,Folge mir!“ Gerade in der Nachfolge Jesu offenbart die Jugendzeit den ganzen Reichtum ihrer Möglichkeiten und erlangt eine Fülle an Bedeutung. 845 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerade in der Nachfolge Jesu entdecken die jungen Menschen den Sinn eines Lebens der Selbsthingabe und erfahren die Schönheit und die Wahrheit eines Wachstums in der Liebe. Gerade in der Nachfolge Jesu fühlen sie sich zur Gemeinschaft mit ihm gerufen als lebendige Glieder ein und desselben Leibes, der die Kirche ist. Gerade in der Nachfolge Jesu wird es ihnen möglich, den persönlichen Ruf zur Liebe zu verstehen: in der Ehe, im gottgeweihten Leben, im geweihten Dienstamt, in der Heidenmission. 2. Jener Dialog zeigt freilich auch, daß die Aufmerksamkeit und die Güte Jesu ohne Antwort bleiben können. Und Traurigkeit ist das Ergebnis von Lebensentscheidungen, die von Ihm wegführen. Wie viele Gründe halten auch heute noch Heranwachsende und Jugendliche davon ab, die Wahrheit ihres Alters in der großmütigen Anhänglichkeit an Christus zu durchleben. Wie viele gibt es noch, die nicht wissen, an wen sie jene Frage stellen sollen, die der „reiche Jüngling“ an Jesus richtete! Bei wie vielen läuft ihre Jugendzeit Gefahr, ihres echten Wachstums beraubt zu werden! Und wie viele Erwartungen gibt es! Im Herzen einer jeden neuen Generation bleibt immer der starke Wunsch erhalten, der eigenen Existenz einen Sinn zu geben. Die jungen Menschen suchen auf ihrem Weg jemanden, der mit ihnen über alle sie bedrängenden Probleme zu sprechen versteht und Lösungen, Wertvorstellungen und Perspektiven aufzeigen kann, für die es sich lohnt, die eigene Zukunft aufs Spiel zu setzen. Was heute gefordert ist, ist eine Kirche, die eine Antwort auf die Erwartungen der jungen Menschen weiß. Jesus selber möchte mit ihnen in Dialog treten und ihnen durch seinen Leib, der die Kirche ist, die Perspektive einer Entscheidung vorlegen, die ihr Leben in Anspruch nimmt. Wie Jesus mit den Jüngern von Emmaus, so muß heute die Kirche sich zur Weggefährtin der jungen Menschen machen, die so oft von Ratlosigkeit, von Widerständen und Widersprüchen gezeichnet sind, und muß ihnen die immer wieder in Staunen versetzende „Nachricht“ vom auferstandenen Christus verkünden. Genau das braucht es: eine Kirche für die jungen Menschen, die ihr Herz anzusprechen versteht, die es zu erwärmen, zu trösten und zu begeistern weiß mit der Freude des Evangeliums und der Kraft der Eucharistie; eine Kirche, die sich empfänglich und einladend erweist für den, der eine Zweckbestimmung sucht, welche seine ganze Existenz in Anspruch nimmt; es braucht eine Kirche, die sich nicht scheut, viel zu verlangen, nachdem sie viel gegeben hat; eine Kirche, die auch nicht Angst hat, von den jungen Menschen die Mühe eines edlen und wahrhaftigen Abenteuers zu verlangen, welches die Nachfolge gemäß dem Evangelium bedeutet. 3. Dieser Einsatz der Kirche für die jungen Menschen, und zwar unter genauer Beachtung der Aspekte pädagogischer und methodologischer Art, kann in keiner 846 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weise davon absehen, die Werbung und die Begleitung der verschiedenen Berufungen als primäre Pflicht zu betrachten. Und er kann ferner nicht absehen von einer beständigen und spezifischen Aufmerksamkeit für die Berufungen zum geweihten Dienstamt und zu einem Leben der besonderen Weihe an Gott, die naturgemäß einer besonderen Pflege und Sorge bedürfen. Ein Jugendpastoralplan muß sich notwendigerweise als letztendliches Ziel die Reifung des jungen Mannes oder Mädchens zu einem persönlichen, tiefen und entschiedenen Dialog mit dem Herrn setzen. Die Dimension der Berufung ist somit ein integrierender Bestandteil der Jugendpastoral, so daß wir kurz gefaßt behaupten können: Die spezifische Berufungspastoral findet in der Jugendpastoral ihren lebendigen Raum; die Jugendpastoral ihrerseits wird dann komplett und wirksam, wenn sie sich für die Dimension der Berufung öffnet. Am Beginn der Jugendzeit zeigt sich in der Tat eine natürliche Veranlagung zur Entdeckung des Neuen, des Wahren, des Schönen und des Guten; gerade in diesem Alter werden die ersten Erfahrungen gemacht, die die Etappen des Wachstums hin zu einer Verinnerlichung des Glaubens prägen. Die christliche Gemeinde hat den Kindern, die dieses Neue erleben, vieles zu geben und zu sagen, weil gerade das Evangelium der Berufung eine Antwort geben kann auf die Fragen, die Erwartungen und die innere Unruhe der Heranwachsenden und Jugendlichen. Die christliche Gemeinde ist Wächterin und Botin dieser Antwort, da sie von ihrem Herrn eingeladen ist, dem Heranwachsenden und Jugendlichen den letzten Sinn seiner Existenz offen zulegen und ihn so auf die Entdeckung der eigenen Berufung im täglich Erlebten auszurichten. Jedes Leben offenbart sich nämlich als eine Berufung, die erkannt und befolgt werden will, weil eine Existenz ohne Berufung niemals wahrhaftig sein könnte. Die christliche Gemeinde ist berufen, die Begegnung des jungen Menschen mit Jesus zu ermöglichen, indem sie sich zur Vermittlerin seines Rufes und zur Erzieherin zur Antwort, die Er erwartet, macht. Sie hat den Auftrag, den jungen Menschen ihren persönlichen Ruf, Kirche zu sein und Kirche zu gestalten, entdecken zu lassen. Die christliche Gemeinde stellt so das natürliche Umfeld dar, in dem die Jugendlichen ihren Erziehungsweg vervollkommnen können, indem sie den je größeren Reichtum ihrer einzigartigen Altersstufe entdecken und jener Berufung entsprechen, die der Gott des Lebens für einen jeden seit Erschaffung der Welt vorgesehen hat. Die Wege der Jugendpastoral, wie sie in den Teilkirchen, in den Pfarrgemeinden, in den kirchlichen Verbänden und in den Instituten des gottgeweihten Lebens ausgedacht und verwirklicht werden, können nicht von dieser Zielsetzung und von diesen Inhalten absehen. Es ist Aufgabe der Erzieher, in Erfüllung ihrer jeweiligen Rolle das Heranreifen der verschiedenen Berufungen zu begleiten, wobei sie besonderes Augenmerk haben auf die Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben. Auch wenn ihr Handeln nicht direkt die Antwort „produzieren“ kann, so kann es sie 847 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN doch erleichtern, ja manchmal sogar erst ermöglichen. Die Frucht ist stets eine neue, originelle und grundsätzlich geschenkte Wirklichkeit: eine Frucht, die in ihrem Konkretwerden all den Unsicherheiten einer jeden Kultivierung ausgesetzt ist. Diesbezüglich muß man die Versuchung einer allzu eiligen Ungeduld und einer ängstlichen Besorgnis um das Schicksal und die Wachstumsrhythmen des Samens femhalten. Der Erzieher ist von Mal zu Mal berufen, sich Mühe zu geben, in überfließendem Maß und in kluger Weise zu säen und dann die ihm eigene Pflicht zu erfüllen, ohne dabei die Rhythmen der Entwicklung zu erzwingen. Sein größtes Bestreben muß es sein, erzieherische Wege zu bauen, die geeignet sind, dem jungen Menschen das Flerz Gottes entdecken zu lassen, so daß sein eigenes Wollen davon erfüllt wird und er dazu gelangt, die unermeßliche Freude über das Geschenk des Lebens und über das Leben, das sich zum Geschenk macht, zu erkennen. Getragen von der Gewißheit, daß der himmlische Vater auch weiterhin viele junge Menschen beruft, daß sie ganz nahe den Spuren seines Sohnes Jesus Christus im geweihten Dienstamt, im Gelöbnis der evangelischen Räte und im missionarischen Leben folgen, vertraue ich allen Verantwortlichen und Mitarbeitern in der Jugend-und der Berufungspastoral die faszinierende und gleichzeitig herausfordernde Aufgabe der Berufswerbung an. Man muß dabei so Vorgehen, daß „sich die Überzeugung verbreitet und Wurzeln schlägt, daß alle Glieder der Kirche, ohne Ausnahme, die Gnade und die Verantwortung der Sorge um die Berufungen haben“ {Pastores dabo vobis, Nr. 41). Ich bin sicher, daß an diesem Weltgebetstag um Geistliche Berufe dem Gebet der erste Platz eingeräumt wird. Möge die ganze Kirche in vertrauensvoller Hoffnung beten und im Bewußtsein, daß die Berufungen ein Geschenk sind, das durch Gebet erfleht und durch die Heiligkeit des Lebens verdient werden muß. Maria, die in ihrer Jugend den außerordentlichen Ruf erlebt hat, im wunderbaren Geheimnis der Fleischwerdung des göttlichen Wortes ganz Gott und ganz dem Menschen zu gehören, ihr vertraue ich alle Jugendlichen dieser Welt an und ebenso all jene, die mit ihnen unterwegs sind und sich zu ihren Anführern machen auf dem Weg, der zur Vollkommenheit führt. Möge die „Mutter des Erlösers“ erbitten, daß in der Kirche das Leben neues Leben hervorbringe und alle Glieder des Leibes Christi es der Welt kundtun, daß es keine wahre Menschlichkeit gibt, wenn man sich nicht nach dem Willen Gottes zu leben bemüht. Laßt uns beten: O Jungfrau von Nazaret, das „Ja“; das du in deiner Jugend gesprochen hast, hat deine ganze Existenz bestimmt und ist groß geworden wie dein Leben selbst. O Mutter Jesu, in deinem freien und freudigen „Ja“ und in deinem tätigen Glauben haben so viele Generationen und so viele Erzieher Anregung und Kraft gefunden zur Annahme des Wortes Gottes und zur Erfüllung seines Willens. O Lehrmeisters, rin des Lebens, lehre die jungen Menschen ihr „Ja“ zu sprechen, das ihrer Existenz Sinn gibt und sie den „Namen“ entdecken läßt, der von Gott im Herzen einer jeden Person verborgen ist. 0 Königin der Apostel, schenke uns weise Erzieher, die es verstehen, die Jugendlichen zu lieben und wachsen zu lassen, und die sie zur Begegnung mit jener Wahrheit geleiten, die sie frei und glücklich macht. Amen! BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesen Segenswünschen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen an Euch, geliebte Brüder im Episkopat, an die Priester, die Diakone, die Ordensmänner und -frauen und an alle gläubigen Laien, insbesondere an die jungen Männer und Mädchen, die mit aufgeschlossenem Herzen auf die Stimme Gottes hören und bereit sind, sie in großherziger und getreuer Anhänglichkeit aufzunehmen. Aus dem Vatikan, am 18. Oktober 1994, im siebzehnten Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Zeichen der Reife christlicher Gemeinschaft Predigt bei der Seligsprechung auf dem Petersplatz am 7. Mai 1. „Ich gebe ihnen ewiges Leben“ (Joh 10,28). Die Worte Christi, des Guten Hirten, die wir im heutigen Abschnitt aus dem Evangelium gehört haben, bilden eine wunderbare Einleitung zu der feierlichen Liturgie, die die Kirche heute in Rom auf dem Petersplatz begeht: die Seligsprechung von fünf Dienern Gottes aus verschiedenen Ländern und Kontinenten. Es sind: Agostino Roscelli (Italien), Maria de San Jose Alvarado Cardozo (Venezuela), Maria Helena Stollenwerk (Deutschland), Maria Domenica Brun Barbantini und Giuseppina Gabriella Bonino (Italien). Mit Freude grüße ich euch alle, liebe Brüder und Schwestern. Einen ganz besonderen Gruß richte ich an den Präsidenten der Republik und die Vertreter des Episkopats und der Kirche von Venezuela. Die Selige Maria de San Jose, mit dem bürgerlichen Namen Laura Alvarado Cardozo, die heute zur Ehre der Altäre erhoben wird, ist ja die erste Selige dieses großen Landes, das sich einer langen katholischen Tradition rühmt. Dieses hochbedeutsame Ereignis stellt fast einen neuen Anfang im Leben dieser Teilkirche dar. Die Heiligen und Seligen bestätigen gewissermaßen die Reife der christlichen Gemeinschaft. In ihnen kommt die Kirche auf endgültige Weise als das durch die Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geeinte Gottesvolk zum Ausdruck. Gerade diese trinitari-sche Liebe erweist sich als fruchtbringend in der Heiligkeit des Menschen. Als Bischof von Rom, der an den Leiden und Freuden der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften in der ganzen Welt Anteil nimmt, grüße ich die ihnen vorstehenden Brüder im Bischofsamt. Vor allem grüße ich die Hirten der Diözesen, aus denen die Diener Gottes stammen, die wir heute mit Freude zur Ehre der Altäre erhoben sehen. 849 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. „Jauchzt vor dem Herrn, alle Länder der Erde Dient dem Herrn mit Freude! Kommt vor sein Antlitz mit Jubel! Erkennt: Der Herr allein ist Gott. Er hat uns geschaffen“ (Ps 99/100,1-3). Die Aufforderung zum Lob im Antwortpsalm drückt gut die Atmosphäre der Osterzeit aus. Die Kirche freut sich über die Schöpfung. Sie freut sich, weil Gott der Schöpfer der ganzen Erde ist, der Schöpfer der unbeseelten und der beseelten Natur. Sie freut sich, weil Gott der Schöpfer des Menschen ist, den er nach seinem Bild und Gleichnis gestaltet, ihm eine unsterbliche Seele gegeben und ihn dazu bestimmt hat, an seinem eigenen göttlichen Leben teilzunehmen. „Er hat uns geschaffen, wir sind sein Eigentum“ (Ps 99/100,3). Die Kirche bekennt diese Wahrheit in der Osterzeit, wenn die ganze Schöpfung gleichsam am Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi teilnimmt. Gott, der uns erschaffen hat, hat uns in Christus auch zu neuen Geschöpfen gemacht. Wenn wir sein Eigentum sind auf Grund der ersten Schöpfung - Er, der uns erschaffen hat, hat ja Machtbefugnis über uns, eine Machtbefugnis, die die Theologen „dominium altum“ nennen, dann gewinnt dieses Eigentumsverhältnis im Geheimnis der Erlösung noch an Tiefe und wird darin ganz offenkundig. Gerade dieses Geheimnis der Erlösung zeichnet die Liturgie des heutigen vierten Sonntags der Osterzeit im Bild des Guten Hirten: ,Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle, und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,27-30). Vor dem Hintergrund dieser wunderbaren Zusammenfassung der offenbarten Wahrheit wollen wir nun stehenbleiben, um über die geistliche Ausrichtung der Diener Gottes nachzudenken, die heute als Selige verkündet werden. 3. Ein charakteristischer geistlicher Zug beim seligen Agostino Roscelli, dem Gründer der Kongregation der Schwestern von der Immakulata, bestand darin, im Dienst der Brüder zu arbeiten, ohne je die innere Verbundenheit mit dem Herrn zu vernachlässigen. Der wahre Kontemplative ist jener, der fähig ist, mit ganzer Kraft intensiv für das Heil der Seelen und zum Wohl der Kirche zu arbeiten. Die apostolische Tätigkeit des neuen Seligen erwies sich als wahrhaft fruchtbar, weil sie aus einem echt mystischen und kontemplativen Leben entsprang. Seine glühende Gottesliebe, fruchtbar gemacht durch die Gabe der Weisheit, ließ ihn bis an die Grenze des Möglichen sich im Dienst am Nächsten verausgaben, ohne sich je vom Herrn zu lösen. In den Werken der Liebe für die Armen und Verlassenen, ebenso wie in den langen im Beichtstuhl und bei der Seelsorge verbrachten Stunden wußte er das Bild dessen in die Tat umzusetzen, der als Guter Hirt für die ihm anvertraute Herde 850 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sorgt, der auf die Suche geht nach dem verlorenen Schaf und der sein Leben einsetzt zur Rettung aller. In spanischer Sprache fuhr der Papst fort: 4. Die Selige Maria de San Jose Alvarado Cardozo entdeckte schon als kleines Mädchen die Liebe zur Eucharistie. In ihr fand sie das besondere Charisma ihrer Spiritualität. Sie verbrachte lange Stunden des Tages und der Nacht vor dem Allerheiligsten. Ihr ganzes Leben lang buk sie mit eigenen Händen Hostien, um sie kostenlos an Priester zu verteilen. Dieses Beispiel wird immer noch von ihren Töchtern befolgt, die auch die Hostien für diese heilige Messe angeboten haben. Ihre grenzenlose Liebe zu Christus in der Eucharistie brachte Maria dazu, sich dem Dienst der Ärmsten zu widmen. In ihnen sah sie den leidenden Jesus. Darum gründete sie in Maracay die Kongregation der Augustiner-Rekollektinnen, die sich dem Dienst an Armen, Waisenkindern und Verlassenen widmet. Nächstenliebe ist die Tugend, in der sich Mutter Maria de San Jose besonders auszeichnete. So sagte sie immer wieder zu ihren Töchtern: „Die von allen Ausgeschlossenen gehören uns; jene, die niemand aufnehmen will, sind die Unsem. Ihre tiefe, in der Eucharistie und im Gebet verwurzelte Frömmigkeit wurde noch reicher durch eine zärtliche Verehrung der Jungfrau Maria, deren Namen sie angenommen hat und die sie nachahmen wollte. Sie sagte: „Ich möchte im Leben und Sterben das Magnifi-cat singen.“ Das Zeugnis dieser einfachen Frau unserer Zeit lädt alle, und insbesondere die geliebten Söhne und Töchter Venezuelas, ein, treu das Evangelium zu leben. Folgendes sagte der Papst auf deutsch: 5. Wenn wir uns nun Mutter Maria Stollenwerk zuwenden, so ersteht vor uns eine große Frauenpersönlichkeit und eine Pionierin der Mission, obwohl sich ihr sehnlichster Wunsch, selbst in die Mission gesandt zu werden, nicht verwirklichen ließ. Ihr ganzes Leben, so können wir zusammenfassend sagen, ist ein greifbares Zeichen ihrer Ergriffenheit von Gott. Von Kindheit an war das Gebetsleben der neuen Sehgen vom Päpstlichen Missionswerk der Kinder inspiriert; vor allem das Los der Kinder, denen jedes Lebensrecht abgesprochen wurde, ging ihr zu Herzen. Durch die Begegnung mit dem seligen Arnold Janssen kam sie ihrem Wunsch näher, Missionsschwester zu werden. Mit ihm gelang es schließlich, die Missionskongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes ins Leben zu rufen. Schon der Name der Kongregation macht deutlich, wie sehr Mutter Maria Stollenwerk die Verehrung des Heiligen Geistes am Herzen lag. Er war ihr Antrieb, das Evangelium zu verkünden und, wie Paulus sagt, allen alles zu werden (vgl. 1 Kor 9,16.22). Vor allem sah die neue Selige im Heiligen Geist die treibende Kraft der Missionstätigkeit. Aus dieser ganz auf die Kraft des Geistes Gottes vertrauenden Grundhaltung und durch die aus der eucharistischen Anbetung gewonnene Zuversicht auf die beständige Nähe des Herrn, von dem sie sich gesandt den Entzug jeglicher Sicherheit und Freiheit erlebter Trennungen; unauslöschliche Erschütterungen durch grenzenlose Vernichtung. 851 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wußte, konnte Mutter Maria Stollenwerk sagen: „Gott allein kann unser Herz ausfüllen; es ist zu groß und zu weit, um sich von den Geschöpfen einnehmen zu lassen.“ Möge die neue Selige auch in unseren Tagen jungen, missionarisch orientierten Frauen diese Weite des Herzens und eine solche Stärke des Glaubens schenken, damit das ewige Leben, das der Herr allein zu geben vermag (vgl. Joh 10,28), in den Herzen der Menschen wachsen und zur Reife kommen kann. Auf die italienische Sprache zurückkommend, fuhr der Papst fort: 6. Das Bild des wachsamen und besorgten Guten Hirten finden wir in der neuen Sehgen Mutter Maria Domenica Barbantini. In dem Bewußtsein, im Opfer Christi eine „neue Schöpfung“ geworden zu sein, zögerte sie nicht, die göttliche Gnade mit einer Liebe zu beantworten, die sie in den täglichen Dienst an den bedürftigen Brüdern und Schwestern umsetzte. Sie hinterließ ihren geistlichen Töchtern ein Erbe und eine Sendung, die äußerst aktuell und wertvoll sind. Eine dem Evangelium gemäße konkrete Liebe zu den Letzten, den an den Rand Gedrängten und Verwundeten; eine Liebe, die in Gesten der Aufmerksamkeit und des christlichen Trostes besteht, in hochherziger Hingabe und unermüdlicher Nähe den Kranken und Leidenden gegenüber. In dieser apostolischen und missionarischen Aufgabe leuchten die Kraft und die Wahrheit des Wortes Jesu, der dazu auffordert, geliebt und bedient zu werden in den hungernden und dürstenden, in den nackten, den fremden, den kranken und den gefangenen Brüdern und Schwestern. 7. Die Liebe Christi, des Guten Hirten, hat auch im Leben von Josefine Gabriele Bonino, Gründerin der Schwestern von der Heiligen Familie in Savigliano, einen einzigartigen Ausdruck gefunden. Ihr Charisma war das der Liebe in der Familie, gelernt und praktiziert vor allem im Zusammenleben mit den Eltern bis ins Erwachsenenalter und dann, auf den Ruf des Herrn hin, im Ordensleben. Von der Familie als Hauskirchen zur Ordensgemeinschaft als geistlicher Familie: So läßt sich ihr schlichter, verborgener, aber unabschätzbar reicher Weg zusammenfassen: der Weg der Familie, ein Lebensraum, in welchem gewöhnliche Dinge mit ungewöhnlicher Liebe geschehen. Josefine Gabriele, eine beispielhafte Tochter, die ihrem Vater und ihrer Mutter bis zu deren Tod beistand, wurde Mutter für zahllose kleine und größere Kinder, die die Familie entbehren mußten. Ihr Lebensentwurf, der sich in ihrer Ordensgemeinschaft fortsetzt, ist eine höchst aktuelle Botschaft für unsere heutige Gesellschaft: Jeder Mensch, der zur Welt kommt, hungert mehr nach Liebe als nach Brot und hat das Recht auf eine Familie, und die christliche Gemeinschaft ist berufen, in Notsituationen, die sich unvermeidlich ergeben, dem entgegenzukommen. 8. „Tretet mit Dank durch seine Tore ein! Kommt mit Lobgesang in die Vorhöfe seines Tempels! ... Denn der Herr ist gütig, ewig währt seine Huld“ (Ps 99/100,4-5). 852 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Aufforderang richtet sich an uns alle. In besonderer Weise gilt sie wohl denen, die die Kirche von heute an Selige nennt: Augustinus Roscelli, Maria de Jose Alvarado Cardozo, Maria Helene Stollenwerk, Maria Dominika Brun Barbantini und Josefine Gabriele Bonino. Auf sie lassen sich die Worte aus dem Buch der Offenbarung des Johannes an wenden, die in der zweiten Lesung der Messe verkündet wurden. Diese Lesung beschreibt eine ungeheure Menge, die aus allen Nationen und Generationen, aus allen Völkern und Sprachen kommt. „Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. Deshalb stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel“ (Offb 7,14-15). In der apokalyptischen Vision des hl. Johannes erscheint Christus, der Gute Hirt, auch als Lamm. Er ist also der Hirte, der die Herde Gottes weidet, und das zum Opfer bestimmte Lamm. Ja, Christus ist der Hirte, gerade weil er sich zum Lamm Gottes gemacht hat, zum Sühnopfer, um die Sünden der Welt hinwegzunehmen. „Victimae paschali laudes immolent Christiani. Agnus redemit oves: Christus innocens Patri reconciliavit peccatores.“ „Das Lamm in der Mitte vor dem Thron“ - schreibt der Apostel Johannes - „wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen“ (Offb 7,17). Das Erbe der Seligen ist die ewige Seligkeit, dennsie sind endgültig mit Christus in der ewigen Glorie vereint. Das Lamm steht „in der Mitte vor dem Thron“ in der Herrlichkeit des Vaters, und diejenigen, die es zu den Quellen führt, „aus denen das Wasser des Lebens strömt“, nehmen teil an der unaussprechlichen Herrlichkeit Gottes, die Leben und Liebe ist. Amen. Botschaft anläßlich des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa vom 8. Mai 1. Vor fünfzig Jahren, am 8. Mai 1945, endete auf europäischem Boden der Zweite Weltkrieg. Während das Ende jener furchtbaren Heimsuchung in den Herzen die Erwartung auf Rückkehr der gefangenen, verschleppten und geflüchteten Menschen Wiederaufleben ließ, weckte es in ihnen zugleich das Verlangen, ein besseres Europa aufzubauen. Der Kontinent konnte wieder beginnen, auf eine Zukunft in Frieden und Demokratie zu hoffen. Nach einem halben Jahrhundert bewahren Einzelpersonen, Familien und Völker noch immer die Erinnerung an jene sechs schrecklichen Jahre: Erinnerungen an Angst, Gewalt, größte Not, Tod; dramatische Erfahrungen schmerzlicher, durch 853 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Laufe der Zeit beginnt man den Sinn besser zu verstehen 2. Es war zunächst nicht leicht, die vielfältigen und tragischen Ausmaße des Konfliktes genau zu erfassen. Aber im Laufe der Jahre wuchs das Bewußtsein davon, welche Auswirkung jenes Geschehen auf das 20. Jahrhundert und auf die Zukunft der Welt hatte. Der Zweite Weltkrieg war nicht nur eine historische Episode ersten Ranges; er hat einen Wendepunkt für die moderne Menschheit bezeichnet. Die Erinnerungen dürfen mit den Jahren nicht verblassen; vielmehr sollen sie unserer und den kommenden Generationen eine ernste Lehre sein. Was jener Krieg für Europa und für die Welt bedeutet hat, begann man in diesen fünf Jahrzehnten durch die Gewinnung neuer Daten zu begreifen, die eine bessere Kenntnis der von ihm verursachten Leiden erlaubten. Die zwischen 1939 und 1945 erlebte tragische Erfahrung stellt heute einen unerläßlichen Bezugspunkt für jeden dar, der über die Gegenwart und die Zukunft der Menschheit nachdenken will. 1989 habe ich aus Anlaß des fünfzigsten Jahrestages des Kriegsausbruchs geschrieben: „Fünfzig Jahre danach haben wir die Pflicht, uns vor Gott dieser dramatischen Tatsachen zu erinnern, um die Toten zu ehren und all denen, die diese Flut der Grausamkeit an Herz und Leib verwundet hat, unsere Anteilnahme zu bekunden, indem wir die Beleidigungen vollständig vergeben.“ <201> Wir müssen die Erinnerung an das Geschehene wachhalten: genau das ist unsere Pflicht. Gleichzeitig mit dem eben erwähnten Jahrestag begannen sich vor nunmehr sechs Jahren mit dem raschen Sturz der kommunistischen Regime in Osteuropa ganz neue gesellschaftliche und politische Szenarien abzuzeichnen. Es handelte sich um eine tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung, die die Tilgung einiger tragischer Folgen des Weltkrieges ermöglichte, dessen Ende ja für viele europäische Nationen in der Tat nicht den Beginn des vollen Genusses von Frieden und Demokratie bedeutet hatte, wie es am 9. Mai 1945 eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Denn einige Völker hatten die Macht der Selbstbestimmung verloren und waren in die erdrückenden Grenzen eines Reiches hineingezwungen worden, während alles daran gesetzt wurde, außer den religiösen Traditionen auch ihre geschichtliche Erinnerung und die jahrhundertealten Wurzeln ihrer Kultur zu zerstören. Das alles habe ich in der Enzyklika Centesimus annus hervorgehoben. <202> Für diese Völker hat der Zweite Weltkrieg in gewissem Sinne erst im Jahr 1989 aufgehört. <201> Botschaft zum 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges (27. August 1989), Nr. 2: AAS82( 1990)51. <202> Vgl. Nr. 18:AAS83(1991)815. 854 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Krieg mit Zerstörungen unglaublichen Ausmaßes 3. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges für das Leben der Völker und der Kontinente sind schrecklich gewesen. Die Soldatenfriedhöfe vereinen im Gedenken Christen und Gläubige anderer Religionen, Militärs und Zivilisten aus Europa und anderen Weltgegenden. Auch Soldaten aus nicht-europäischen Ländern hatten nämlich auf dem Boden des alten Kontinents gekämpft: Viele sind auf dem Schlachtfeld gefallen, für andere bedeutete der 8. Mai das Ende eines furchtbaren Alptraumes. Viele Millionen Männer und Frauen wurden getötet; die Zahl der Verwundeten und Vermißten läßt sich nicht einmal annähernd angeben. Unendlich viele Familien waren gezwungen, ihr angestammtes Land zu verlassen, mit dem sie durch jahrhundertelange Zugehörigkeit verbunden waren; menschliche Lebensbereiche und geschichtsträchtige Denkmäler wurden zerstört, Städte und Länder verwüstet und in Schutt und Asche gelegt. Niemals zuvor hat die Zivilbevölkerung, insbesondere Frauen und Kinder, in einem Krieg einen derart hohen Preis an Toten gezahlt. Die Entfachung des Eiasses 4. Noch schwerwiegender war die Ausbreitung der „Kultur des Krieges“ mit ihrem traurigen Gefolge von Tod, Haß und Gewalt. „Der Zweite Weltkrieg - schrieb ich 1989 an die polnischen Bischöfe - hat alle erkennen lassen, welches bis dahin unbekannte Ausmaß die Verachtung des Menschen und die Verletzung seiner Rechte erreichen kann. Er hat eine unerhörte Mobilisierung des Hasses entfesselt, die den Menschen und alles, was menschlich ist, im Namen einer imperialistischen Ideologie mit Füßen getreten hat.“ <203> <203> Brief an die Bischöfe Polens zum 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges (26. August 1989), Nr. 3: AA582(1990)46. Man wird gar nie genug hervorheben können, daß der Zweite Weltkrieg das Leben so vieler Menschen und so vieler Völker schmerzlich verändert hat. Schließlich wurden grauenhafte Vernichtungslager errichtet, wo Millionen von Juden und Hunderttausende von Sinti und Roma und anderer Menschen unter dramatischen Umständen den Tod gefunden haben, Menschen, deren einzige Schuld darin bestand, eine andere Volkszugehörigkeit zu haben. Auschwitz: Mahnmal für die Folgen des Totalitarismus 5. Auschwitz ist neben vielen anderen Konzentrationslagern das auf dramatische Weise ausdruckskräftigste Symbol für die Folgen des Totalitarismus. An diesem fünfzigsten Jahrestag im Gedenken und mit dem Herzen zu jenen Stätten zu pilgern, verlangt die Pflicht.„Ich knie nieder auf diesem Golgota der heutigen Welt“, sagte ich 1979 während der Feier der hl. Messe in Birkenau, unweit von Auschwitz. <204> Wie damals nehme ich meine Pilgerschaft zu jenen Vernichtungslagern im Geiste wieder auf. Ich halte zunächst inne „vor dem Gedenkstein mit der Inschrift in hebräischer Sprache“, um des Volkes zu gedenken, „dessen Söhne und Töchter zur Ausrottung bestimmt waren“, und eindringlich zu betonen, daß „daran niemand gleichgültig vorübergehen darf“. <205> Wie damals bleibe ich, nach den in der ehemaligen Sowjetunion inzwischen eingetretenen Veränderungen, vor dem Stein in russischer Sprache stehen und gedenke „des Anteils, der in dem letzten schrecklichen Krieg von diesem Land für die Freiheit der Völker erbracht worden ist“. <206> Dann halte ich vor dem Gedenkstein in polnischer Sprache inne und denke an das Opfer eines großen Teiles der Nation, das „schmerzlich auf dem Gewissen der Menschheit lastet“. Wie ich 1979 sagte, so wiederhole ich heute: „Ich habe drei Gedenksteine ausgewählt. Eigentlich müßte man vor jedem einzelnen der vorhandenen Steine innehalten.“ <207> Ja, an diesem fünfzigsten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges empfinde ich das tiefe Bedürfnis, bei allen Gedenksteinen zu verweilen, auch jenen, die an das Opfer weniger bekannter oder gar vergessener Opfer erinnern. <204> Homilie im ehemaligen Konzentrationslager Birkenau ij. Juni 1979), Nr. 2: Insegnamenti 11(1979)1484. <205> Ebd. <206> Ebd., a.a.O., 1485. <207> Ebd. 855 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Aus dieser Betrachtung entspringen Fragen, die sich die Menschheit stellen muß. Wie konnte man zu einem solchen Maß an Menschen und Völkervemich-tung gelangen? Warum sind nach Kriegsende aus der bitteren Lektion nicht die notwendigen Konsequenzen für den gesamten europäischen Kontinent gezogen worden? Die Welt und besonders Europa gerieten in jene entsetzliche Katastrophe, weil sie die moralische Kraft verloren hatten, die notwendig gewesen wäre, um all dem Widerstand zu leisten, was sie in den Strudel des Krieges trieb. Der Totalitarismus zerstört in der Tat die grundlegenden Freiheiten des Menschen und unterdrückt seine Rechte. Indem er durch das unablässige Trommelfeuer der Propaganda die öffentliche Meinung manipuliert, bringt er die Menschen leicht dazu, dem Aufruf zu Gewalt und Krieg nachzukommen, und vernichtet schließlich das Verantwortungsgefühl des Menschen. Man war sich damals leider nicht darüber im klaren, daß, sobald die Freiheit mit Füßen getreten wird, die Voraussetzungen für ein gefährliches Abgleiten in Gewalt und Haß, Vorboten der „Kultur des Krieges“, gegeben sind. Genau das ist eingetreten: Für die Führer war es ein Leichtes, die Massen zu der verhängnisvollen Entscheidung zu verleiten, und zwar mit Hilfe der Behauptung des Mythos vom Übermenschen, der Ansendung rassistischer bzw. antisemitischer Politik, der 856 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verachtung des Lebens aller, die, weil als krank oder asozial betrachtet, als nutzlos angesehen wurden; der Verfolgung aus religiösen oder der Diskriminierung aus politischen Gründen, der fortschreitenden Unterdrückung jeglicher Freiheit durch Polizeikontrolle und durch die aus dem einseitigen Einsatz der Kommunikationsmittel herrührende psychologische Konditionierung. Auf eben solche Machenschaften bezog sich Papst Pius XI. seligen Andenkens, als er in der Enzyklika Mit brennender Sorge vom 14. März 1937 von „düsteren Zeichen“ sprach, die am Horizont erschienen. <208> Nr. 11:AAS29(1937)186. Eine menschliche Gesellschaft läßt sich nicht auf Gewalt aufbauen 7. Der Zweite Weltkrieg war das direkte Ergebnis dieses Degenerationsprozesses: aber sind daraus nicht in den folgenden Jahrzehnten die notwendigen Konsequenzen gezogen worden? Das Ende des Krieges hat leider nicht zum Verschwinden der Politik und der Ideologien geführt, die den Boden für ihn bereitet bzw. ihm Vorschub geleistet hatten. Anders ausgedrückt, totalitäre Regime bestanden fort und breiteten sich, vor allem in Osteuropa, sogar noch weiter aus. Auch nach jenem 8. Mai wurden auf dem Boden des alten Kontinents und anderswo weiter zahlreiche Konzentrationslager betrieben, während nach wie vor viele Personen unter Mißachtung jedes elementaren Menschenrechts in Haft genommen wurden. Man hat nicht begriffen, daß sich auf der Zerstörung, Unterdrückung und Diskriminierung der menschlichen Person keine ihrer würdige Gesellschaft aufbauen läßt. Diese Lektion des Zweiten Weltkrieges ist noch nicht vollkommen und überall zur Kenntnis genommen worden. Und doch bleibt sie - und muß bleiben - als Mahnung für das nächste Jahrtausend. Insbesondere die in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg so intensiv betriebene kultische Verherrlichung von Volk und Nation, die gleichsam zu einem neuen Götzendienst wurde, hat in jenen sechs schrecklichen Jahren eine grauenhafte Katastrophe hervorgerufen. Pius XI. warnte bereits im Dezember 1930: ,,Es wird sehr schwer, um nicht zu sagen unmöglich sein, daß der Friede zwischen den Völkern und zwischen den Staaten andauert, wenn statt wahrer und echter Vaterlandsliebe ein egoistischer, hartnäckiger Nationalismus um sich greift und sich austobt, das heißt Haß und Mißgunst an Stelle gegenseitigen Wohlwollens, Mißtrauen und Verdächtigung an Stelle brüderlichen Vertrauens, Konkurrenz und Kampf an Stelle einträchtiger Zusammenarbeit, Streben nach Vormacht, nach Vorherrschaft an Stelle der Achtung und des Schutzes aller Rechte, auch jener der Schwachen und der Kleinen.“ <209> Ansprache an die Römische Kurie (24. Dezember 1930): A4J>22(1930)535-536. Es ist kein Zufall, daß einige erleuchtete Staatsmänner Westeuropas, ausgehend von Überlegungen zu den vom Zweiten Weltkrieg verursachten Verheerungen, ein gemeinschaftliches Band zwischen ihren Ländern schaffen wollten. Jenes Bündnis hat sich in den folgenden Jahrzehnten entfaltet und damit dem Willen der beigetretenen Nationen, ihrem Schicksal nicht mehr allein gegenüberzustehen, konkrete Gestalt verliehen. Sie hatten verstanden, daß es außer dem Gemeinwohl der einzelnen Völker ein Gemeinwohl der Menschheit gibt, das vom Krieg gewaltsam mit Füßen getreten worden war. Dieses Nachdenken über die dramatische Erfahrung veranlaßte sie zu der Ansicht, daß die Interessen einer Nation nur im Rahmen der solidarischen Wechselbeziehung mit den anderen Völkern in angemessener Weise verfolgt werden konnten. 857 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche hört den Schrei der Opfer 8. Vielfältig sind die Stimmen, die sich am fünfzigsten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges erheben und versuchen, die Trennwände zwischen Siegern und Besiegten zu überwinden. Es wird an den Mut und das Opfer von Millionen Männern und Frauen erinnert. Was die Kirche betrifft, so horcht sie vor allem auf den Schrei aller Opfer. Ein Schrei, der uns den Skandal jenes sechs Jahre währenden Konfliktes besser begreifen läßt. Ein Schrei, der zum Nachdenken darüber auffordert, was dieser Krieg über die ganze Menschheit gebracht hat. Ein Schrei, der eine Anklage gegen die Ideologien darstellt, die die schreckliche Katastrophe herbeigeführt haben. Wir alle sind angesichts jedes Krieges aufgerufen, über unsere Verantwortung nachzudenken, während wir um Verzeihung bitten und verzeihen. Man ist als Christ unangenehm berührt, wenn man daran denkt, daß „sich die Ungeheuerlichkeiten jenes Krieges auf einem Kontinent ereignet haben, der sich einer besonderen Blüte von Kultur und Zivilisation rühmte; auf dem Kontinent, der am längsten im Einflußbereich des Evangeliums und der Kirche gestanden hat“. <210> Johannes Paul II., Brief an die Bischöfe Polens zum 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges (26. August 1989), Nr. 3: AAS82(1990)46. Daher müssen die Christen Europas um Verzeihung bitten, auch wenn eingeräumt werden muß, daß für den Aufbau der Kriegsmaschinerie etliche, ganz verschiedene Kräfte Verantwortung trugen. Der Krieg ist nicht imstande, Gerechtigkeit zu gewähren 9. Die vom Zweiten Weltkrieg verursachten Spaltungen weisen uns darauf hin, daß die Gewalt im Dienst des ,Machtwillens“ ein ungeeignetes Instrument für die Herstellung der wahren Gerechtigkeit ist. Sie setzt vielmehr einen unheilvollen Prozeß in Gang von unvorhersehbaren Folgen für Männer, Frauen, Völker, die Gefahr laufen, zusammen mit ihrem Hab und Gut und selbst ihrem Leben auch jede Würde zu verlieren. Noch stark klingt die Ermahnung nach, die Papst Pius XII. seligen Andenkens im August 1939, beinahe am Vorabend jenes tragischen 858 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Krieges, bei einem allerletzten Versuch erhob, die bewaffnete Auseinandersetzung doch noch abzuwenden: ,,Es besteht zwar drohende Gefahr, doch noch ist es Zeit. Mit dem Frieden ist nichts verloren. Mit dem Krieg kann alles verloren sein. Mögen es die Menschen fertigbringen, sich wieder zu verständigen! Mögen sie wieder Verhandlungen auf nehmen!“ <211> Pius XII. trat damit in die Fußstapfen Papst Benedikts XV., der, nachdem er alles versucht hatte, um den Ersten Weltkrieg abzuwenden, nicht zögerte, ihn mit der Bezeichnung „sinnloses Gemetzel“ zu brandmarken. <212> Ich selber bin nicht von dieser Linie abgewichen, als ich am <211> Rundfunkbotschaft „In schwerer Stunde" (24. August 1939): AAS31 (1939)334. <212> Botschaft an die Staatsoberhäupter der am Krieg beteiligten Nationen (1. August 1917): AAS9(1917)420. 20. Januar 1991 angesichts des Golfkrieges sagte: „Die tragische Wirklichkeit dieser Tage zeigt noch deutlicher, daß mit Waffen die Probleme nicht gelöst, sondern neue und größere Spannungen zwischen den Völkern geschaffen werden.“ <213> Das ist eine Feststellung, die im Laufe der Jahre immer neue und ausgiebigere Bestätigung erhält, obgleich sich in einigen Gegenden Europas und in anderen Teilen der Welt weiterhin schmerzliche Kriegsherde entzünden. Papst Johannes XXIII. führte in der Enzyklika Pacem in terris unter den Zeichen der Zeit die Verbreitung der Überzeugung an, daß „Streitigkeiten, die unter Umständen zwischen den Völkern entstehen, nicht durch Waffengewalt, sondern durch Verträge und Verhandlungen beizulegen sind“. <214> Trotz der menschlichen Mißerfolge fehlt es auch in jüngster Zeit nicht an Ereignissen, die als Beweis dafür geeignet sind, daß ehrliche, geduldige und die Rechte und Bestrebungen der Parteien respektierende Verhandlungen den Weg zu einer friedlichen Lösung selbst der kompliziertesten Situationen führen können. In diesem Geist spreche ich allen modernen Friedensstiftern meine lebhafte Anerkennung und Unterstützung aus. <213> Gebetsaufruf nach dem Angelus: Insegnamenti XII/1(1991)156. <214> HL, AA555(1963)291. Dazu fühle ich mich besonders durch die unauslöschliche Erinnerung an den Abwurf der Atombomben gedrängt, der im August 1945 zuerst Hiroshima und dann Nagasaki heimgesucht hat. Er zeugt in erschütterndem Maße von dem Schrecken und dem Leid, die vom Krieg hervorgerufen wurden: Die endgültige Bilanz jener Tragödie ist - wie ich bei meinem Besuch in Hiroshima sagte - noch nicht zur Gänze gezogen worden, noch wurde der totale menschliche Preis errechnet, vor allem wenn man überlegt, was ein Atomkrieg unserem Denken, unserem Verhalten und unserer Zivilisation angetan hat und noch immer antun könnte. „Sich auf die Vergangenheit besinnen heißt, sich der Zukunft verpflichten. Sich an Hiroshima erinnern heißt, den Atomkrieg verabscheuen. Sich an Hiroshima erinnern heißt, sich dem Frieden verpflichten. Sich daran erinnern, was die Menschen dieser Stadt gelitten haben, heißt, unseren Glauben an den Menschen erneuern, an 859 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seine Fähigkeit, das Gute zu tun, an seine Freiheit, das Rechte zu wählen, an seine Entschlossenheit, ein Unglück zu einem neuen Anfang werden zu lassen.“ <12> Nach fünfzig Jahren erscheint jener tragische Konflikt, der einige Monate später mit dem dramatischen Geschehen von Hiroshima und Nagasaki und infolge der Kapitulation Japans auch im Pazifik ein Ende fand, mit immer größerer Klarheit als „ein Selbstmord der Menschheit“. <13> Er ist nämlich, genau betrachtet, eine Niederlage für die Besiegten wie für die Sieger. <12> Johannes Paul II., Ansprache vor dem Friedensdenkmal in Hiroshima (25. Februar 1981): AASlAi 198 i )417. <13> Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 18: A4S83(1991)816. Die Propagandamaschinerie 10. Eine weitere Überlegung drängt sich auf Während des Zweiten Weltkrieges kam außer den konventionellen und den chemischen, biologischen und Atomwaffen noch ein anderes mörderisches Kriegswerkzeug zu umfassender Anwendung: die Propaganda. Bevor man den Gegner mit den Mitteln der physischen Zerstörung heimsuchte, versuchte man ihn moralisch zu vernichten - durch Verleumdung, falsche Anschuldigungen, Lenkung der öffentlichen Meinung in Richtung unsinnigster Intoleranz, durch jede Form von Indoktrination, besonders gegenüber der Jugend. Es ist tatsächlich für jedes totalitäre Regime typisch, eine kolossale Propagandamaschinerie aufzubauen, um die eigenen Untaten zu rechtfertigen und zur ideologisch bedingten Intoleranz und zur rassistischen Gewalt gegen alle aufzuhetzen, die - wie es hieß - nicht verdienten, als integrierender Bestandteil der Gemeinschaft angesehen zu werden. Wie unendlich weit entfernt ist dies alles von der echten Kultur des Friedens! Diese setzt die Anerkennung des inneren Bandes voraus, das zwischen der Wahrheit und der Liebe besteht. Die Kultur des Friedens wird dadurch aufgebaut, daß man jede Form von Rassismus und Intoleranz bereits im Keim zurückweist, keiner wie immer gearteten Rassenpropaganda nachgibt, wirtschaftliche und politische Machtgelüste kontrolliert, die Gewalt und jede Art von Ausbeutung entschieden ablehnt. Die perversen Propagandamechanismen beschränken sich nicht auf die Verfälschung der Gegebenheiten der Wirklichkeit, sie vergiften auch die Information in bezug auf die Verantwortlichkeiten und erschweren so in hohem Maße das moralische und politische Urteil. Der Krieg erzeugt eine Propaganda, die keinen Raum läßt für den Pluralismus der Auslegungen, für die kritische Analyse der Ursachen, für die Suche nach der tatsächlichen Verantwortlichkeit. Das alles ergibt sich aus der Prüfung der über den Zeitraum zwischen 1939 und 1945 verfügbaren Daten wie auch aus der Dokumentation bezüglich anderer Kriege, die in den nachfolgenden Jahren ausgebrochen waren: In jeder Gesellschaft macht der Krieg einen totalitären Gebrauch von den Informations- und Propagandamitteln, der nicht zur 860 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Achtung vor dem anderen und zum Dialog erzieht, sondern vielmehr zu Verdächtigung und Rache aufhetzt. Der Krieg ist nicht verschwunden 11. Nach dem Jahr 1945 war es mit Kriegen leider nicht endgültig vorbei. Gewalt, Terrorismus und bewaffnete Angriffe haben diese letzten Jahrzehnte weiter heimgesucht. Wir haben den sogenannten ,Jealten Krieg“ erlebt, in dem sich zwei durch ständiges Wettrüsten im Gleichgewicht befindliche Blöcke drohend gegenüberstanden. Und auch als diese zweipolige Konfrontation aufhörte, bedeutete das nicht das Ende kriegerischer Auseinandersetzungen. Noch heute gibt es zu viele offene Konflikte in verschiedenen Teilen der Welt. Die öffentliche Meinung, betroffen von den schrecklichen Bildern, die täglich durch das Fernsehen in die Häuser gelangen, reagiert emotional, gewöhnt sich aber schließlich allzu schnell daran und nimmt die Unabwendbarkeit der Ereignisse nahezu hin. Das ist nicht nur ungerecht, es ist höchst gefährlich. Man darf nicht vergessen, was in der Vergangenheit geschehen ist und was auch heute geschieht. Das sind Dramen, die zahllose unschuldige Opfer betreffen, deren Schreckens- und Leidensschreie an das Gewissen aller rechtschaffenen Menschen appellieren: Der Logik der Waffen kann und darf man nicht nachgeben! Der Heilige Stuhl wollte auch durch die Unterzeichnung der wichtigsten internationalen Verträge und Abkommen die Staatengemeinschaft auf die Dringlichkeit hinweisen - und tut das weiterhin unermüdlich ; die Vorschriften in bezug auf die Nicht-Weiterverbreitung von Kernwaffen und die Vernichtung der chemischen und biologischen Waffen sowie besonders schrecklicher Waffen mit unterschiedlichen Wirkungen zu verschärfen. Ebenso hat der Heilige Stuhl kürzlich die öffentliche Meinung aufgefordert, sich das fortdauernde Phänomen des Waffenhandels klarer bewußt zu machen, eine schwerwiegende Erscheinung, über die eine ernsthafte sittliche Reflexion dringend geboten ist. <14> Es gilt auch daran zu erinnern, daß nicht nur die Militarisierung der Staaten, sondern auch der leichte Zugang zu den Waffen von seiten von Privatleuten, der der Ausbreitung des organisierten Verbrechens und des Terrorismus Vorschub leistet, eine unvorhersehbare und ständige Bedrohung für den Frieden darstellt. <14> Vgl. Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Dokument Oer internationale Waffenhandel (1. Mai 1994), Vatikanstadt 1994. Eine Schule für alle Gläubigen 12. Nie wieder Krieg! Ja zum Frieden! Das waren die allgemein bekundeten Gefühle unmittelbar nach jenem historischen 8. Mai 1945. Die sechs schrecklichen Jahre des Krieges waren für alle eine Gelegenheit zum Reifen in der Schule des 861 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schmerzes: auch die Christen hatten Gelegenheit, einander wieder näherzukommen und sich nach ihrer Verantwortung für die unter ihnen herrschenden Spaltungen zu fragen. Außerdem haben sie die Gemeinsamkeit eines Schicksals wiederentdeckt, das sie untereinander und mit den anderen Menschen jeder Nation vereint. Auf diese Weise hat sich das Geschehen, welches das Höchstmaß der Zerrissenheit und Spaltung zwischen den Völkern und Menschen bedeutet hat, für die Christen als eine von der Vorsehung gewollte Gelegenheit erwiesen, um sich einer tiefen Gemeinschaft im Leiden und im Zeugnis bewußt zu werden. Unter dem Kreuz Christi haben Mitglieder aller christlichen Kirchen und Gemeinschaften bis zum äußersten Opfer Widerstand geleistet. Viele von ihnen haben in vorbildlicher Weise mit den friedlichen Waffen des erlittenen Zeugnisses und der Liebe die Folterer und Unterdrücker herausgefordert. Zusammen mit anderen, Gläubigen und Nichtgläubigen, Männern und Frauen jeder Rasse, Religion und Nation, haben sie ganz oben, über der Flut von Gewalt, eine Botschaft der Brüderlichkeit und Vergebung verbreitet. Sollte man an diesem Jahrestag etwa nicht solcher Christen gedenken, die, während sie Zeugnis gegen das Böse ablegten, für die Unterdrücker gebetet und sich niedergebeugt haben, um die Wunden aller zu plagen? Im Miteinander des Leidens konnten sie sich als Brüder und Schwestern erkennen und erlebten die ganze Sinnwidrigkeit ihrer Spaltungen. Das geteilte Leid hat sie die Last der Spaltungen, die zwischen den Jüngern Christi noch immer bestehen, und ihrer negativen Konsequenzen für den Aufbau der geistigen, kulturellen und politischen Identität des europäischen Kontinents in höchstem Maße empfinden lassen. Ihre Erfahrung ist für uns eine Mahnung: Auf dieser Linie gilt es weiterzumachen, mit intensivem Gebet und Arbeit voller Vertrauen und Großherzigkeit im Blick auf das bevorstehende Jubiläumsjahr 2000. Mögen sie mit einer Pilgerschaft der Buße und Wie-derversöhnungis den Weg zu jenem Ziel einschlagen in der Hoffnung, endlich die volle Gemeinschaft zwischen allen, die an Christus glauben, verwirklichen zu können, was der Sache des Friedens mit Sicherheit zum Vorteil gereichen wird. 13. Die Woge von Schmerz, die sich mit dem Krieg über die Erde ergossen hat, hat die Gläubigen aller Religionen veranlaßt, ihre geistig geistlichen Mittel und Fähigkeiten in den Dienst am Frieden zu stellen. Jede Religion hat, wenn auch mit unterschiedlichem Verlauf, in diesen fünf Jahrzehnten einzigartige Erfahrungen solcher Art erlebt. Die Welt ist Zeuge dafür, daß nach der furchtbaren Tragödie des Krieges im Bewußtsein der Gläubigen der verschiedenen Religionsbekenntnisse etwas Neues entstanden ist: Sie fühlen sich in höherem Maße verantwortlich für den Frieden unter den Menschen und haben begonnen untereinander zusammenzuarbeiten. Der „Weltgebetstag für den Frieden“ am 27. Oktober 1986 in Assisi hat diese im Leiden gereifte Haltung öffentlich gewürdigt. Assisi hat „das <215> enge Band, das eine echte religiöse Haltung und das große Gut des Friedens miteinander verbindet“, <216> offenbar gemacht. In den nachfolgenden „Gebetstagen für den Frieden auf dem Balkan“ (9.-10. Januar 1993 in Assisi und am 23. Januar 1994 in St. Peter) wurde im besonderen der spezifische Beitrag hervorgehoben, den die Gläubigen zur Förderung des Friedens durch die Waffen des Gebetes und der Buße leisten sollten. <215> Vgl. Johannes PaulU., Apostol. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 50: 44587(1995)36. <216> Johannes Pauin., Ansprache anläßlich des feierlichen interreligiösen Weltgebetes für den Frieden, Nr. 6: AAS79(1987)868. 862 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Welt, die kurz vor dem Ende des zweiten Jahrtausends steht, erwartet von den Gläubigen ein entschiedeneres Handeln für den Frieden. Zu den Vertretern der christlichen Kirchen und der großen Weltreligionen, die 1989 zum 50. Jahrestag des Kriegsausbruchs in Warschau zusammengekommen waren, sagte ich: „Aus dem Herzen unserer verschiedenen religiösen Traditionen erwächst das Zeugnis der mitleidenden Teilnahme an den Schmerzen des Menschen, der Achtung vor der Heiligkeit des Lebens. Dies ist eine gewaltige geistige Kraft, die Vertrauen erweckt für die Zukunft der Menschheit.“ <217> Das traurige Geschehen des Zweiten Weltkrieges macht uns nach fünfzig Jahren stärker das Erfordernis bewußt, mit neuer Kraft und neuem Einsatz diese geistigen Kräfte freizusetzen. <217> Femsehbotschaft an die Teilnehmer am internationalen Gebetstreffen für den Frieden aus Anlaß des 50. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges (Warschau, 1. September 1989): Insegnamenti XII/2(1989)421. In diesem Zusammenhang muß daran erinnert werden, daß gerade die schreckliche Erfahrung des Krieges Anstoß zur Entstehung der Organisation der Vereinten Nationen gewesen ist, die von Papst Johannes XXm. seligen Andenkens wegen deren „Hauptaufgabe, den Frieden unter den Völkern zu schützen und zu festigen“, <218> als eines der Zeichen unserer Zeit angesehen wurde. Als Reaktion auf die grausame Mißachtung der Würde und der Rechte der Menschen ist außerdem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte entstanden. Der fünfzigste Jahrestag der Vereinten Nationen, der in diesem Jahr begangen wird, sollte Anlaß sein, den Einsatz der internationalen Gemeinschaft im Dienst am Frieden zu verstärken. Dazu wird es notwendig sein, der Organisation der Vereinten Nationen die Mittel zu gewährleisten, derer sie bedarf, um ihre Sendung wirksam fortsetzen zu können. <218> Johannes XXm., Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963), IV: AASToO 963)295. Noch immer rüsten einige zum Krieg 14. In diesen Tagen werden in vielen Teilen Europas Gedenkfeiern und Kundgebungen abgehalten, an denen staatliche Autoritäten und Verantwortliche jeder Gemeinschaft und jedes Landes teilnehmen. Während ich mich dem Gedenken an Leid und Tod der vielen Opfer des Krieges anschließe, möchte ich alle Menschen guten Willens einladen, ernsthaft über den unabdingbaren Zusammenhang nachzudenken, der zwischen dem Gedenken an den schrecklichen Weltkrieg und der Ausrichtung der nationalen und internationalen Politik bestehen muß. Im besonderen wird es darauf ankommen, über wirksame Mittel zur Kontrolle des internationalen Waffenhandels zu verfügen und zugleich geeignete Strukturen zum Eingreifen im Krisenfall vorzusehen, die alle Parteien dazu veranlassen sollen, statt der bewaffneten Auseinandersetzung lieber den Verhandlungsweg zu wählen. Trifft es etwa nicht zu, daß es, während wir die Wiedererlangung des Friedens feiern, leider noch immer Leute gibt, die sowohl durch die Förderung einer Kultur des Flasses wie durch die Verbreitung raffinierter Kriegswaffen zum Krieg rüsten? Trifft es etwa nicht zu, daß in Europa schmerzliche offene Konflikte bestehen, die seit Jahren auf friedliche Lösungen warten? Dieser 8. Mai 1995 ist für manche Gegenden Europas leider kein Tag des Friedens! Ich denke besonders an die gemarterten Länder des Balkans und des Kaukasus, wo noch immer Waffenlärm herrscht und weiter Menschenblut vergossen wird. 863 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg 1965 fragte sich Paul VI. in seiner Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen: „Wird die Welt je die parteiliche und kriegerische Gesinnung ändern, die bisher mit einem Großteil ihrer Geschichte verwoben war?“ <219> Eine Frage, die noch immer auf ihre Beantwortung wartet. Möge die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg bei allen den Vorsatz wiederbeleben, im Dienst an einer entschiedenen Friedenspolitik in Europa und in der ganzen Welt tätig zu sein - jeder nach seinen Möglichkeiten. <219> Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen (4. Oktober 1965), Nr. 5: A4S57(1965)882. Eine besondere Bedeutung für die jungen Menschen 15. Meine Gedanken gehen zu den jungen Menschen, die die Schrecken jenes Krieges nicht persönlich erlebt haben. Ihnen sage ich: Liebe Jugendliche, ich habe großes Vertrauen in eure Fähigkeit, glaubwürdige Vermittler des Evangeliums zu sein. Fühlt euch persönlich zum Dienst am Leben und am Frieden verpflichtet. Die Opfer, die kämpfenden Soldaten an den Fronten und die Märtyrer des Zweiten Weltkrieges waren zum großen Teil junge Menschen wie ihr. Darum bitte ich euch, Jugendliche des Jahres 2000, sehr wachsam zu sein angesichts des Entstehens der Kultur des Hasses und des Todes. Erklärt den stumpfsinnigen und gewalttätigen Ideologien eine eindeutige Absage; verwerft jede Form von übertriebenem Nationalismus und Intoleranz; auf diesen Wegen schleicht sich unbemerkt die Versuchung zu Gewalt und Krieg ein. Euch ist es aufgegeben, neue Wege der Brüderlichkeit zwischen den Völkern zu eröffnen, um durch Vertiefung des Gesetzes „der Gegenseitigkeit von Geben und Empfangen, von Selbsthingabe und Annahme des anderen“ <220> eine einzige Menschheitsfamilie aufzubauen. Das verlangt das vom Schöpfer jedem Menschen ins Herz geschriebene Sittengesetz, ein Gesetz, das von ihm in der Offenbarung des Alten Testamentes bestätigt und schließlich von Jesus im Evangelium zur <220> Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae (25. März 1995), Nr. 76: L'Osservatore Romano, 31. März 1995, S. 10. 864 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9 857 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN io 858 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vollendung gebracht worden ist: ,,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 19,18; Mk 12,31); „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34). Die Zivilisation der Liebe und der Wahrheit kann nur dann verwirklicht werden, wenn sich die Öffnung für die Annahme des anderen auf die Beziehungen zwischen den Völkern, zwischen den Nationen und den Kulturen ausdehnt. Möge im Bewußtsein aller die Aufforderung Widerhall finden: Du sollst die anderen Völker lieben wie dein eigenes! Der Weg der Zukunft der Menschheit führt über die Einheit; und die wahre Einheit - das ist die Botschaft des Evangeliums führt über Jesus Christus, der unsere Versöhnung und unser Friede ist (vgl. Eph 2,14-18). Wir brauchen ein neues Herz 16. „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich während dieser vierzig Jahre in der Wüste geführt hat, um dich gefügig zu machen und dich zu prüfen. Er wollte erkennen, wie du dich entscheiden würdest: ob du auf seine Gebote achtest oder nicht. Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, daß der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht“ (Dtn 8,2-3). Wir sind noch nicht in das „verheißene Land des Friedens“ eingetreten. Die Erinnerung an den schmerzlichen Weg des Krieges und den nicht leichten Weg der Nachkriegsjahre weist uns ständig darauf hin. Dieser Weg in den dunklen Zeiten des Krieges, in den schwierigen Situationen der Nachkriegsjahre, in den unsicheren und problemreichen Tagen unserer heutigen Zeit hat oft enthüllt, daß es im Herzen der Menschen, auch der Gläubigen, eine starke Versuchung zum Haß, zur Mißachtung des anderen, zur Pflichtverletzung gibt. Auf diesem selben Weg hat es jedoch nicht an der Hilfe des Herrn gefehlt, der zusammen mit dem aufrichtigen Verlangen nach Versöhnung und Einheit Gefühle der Liebe, des Verständnisses und des Friedens keimen ließ. Wir wissen als Gläubige, daß der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht. Wir wissen auch, daß der Friede in den Herzen aller derer Wurzel faßt, die sich Gott öffnen. Sich des Zweiten Weltkrieges und des in den Jahrzehnten danach zurückgelegten Weges zu erinnern, muß bei den Christen das dringende Bedürfnis nach einem neuen Herzen hervorrufen, das fähig ist, den Menschen zu achten und seine echte Würde zu fördern. Das ist die Gmndlage für die wahre Hoffnung auf den Frieden der Welt: „Ein Licht aus der Höhe“ - so prophezeite Zacharias - wird aufstrahlen, „um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens“ (Lk 1,78-79). In dieser österlichen Zeit, die den Sieg Christi feiert über die Sünde, das zersetzende Element, das Trauer und Zerrüttung mit sich bringt, kommt uns wieder das eindringliche Gebet auf die Lip- 865 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN pen, mit dem die Enzyklika Pacem in terris meines verehrten Vorgängers Johannes XXIIL schließt: „Christus möge den Geist der Regierenden erleuchten, daß sie mit angemessenem Wohlstand ihren Bürgern auch das schöne Geschenk des Friedens sichern und verteidigen. Er möge den Willen aller Menschen entzünden, daß sie die Schranken zerbrechen, die die einen von den andern trennen; daß sie die Bande gegenseitiger Liebe festigen, einander besser verstehen; daß sie schließlich allen verzeihen, die ihnen Unrecht getan haben. Unter Gottes Führung und Schutz mögen sich alle Völker brüderlich umarmen, und stets möge in ihnen der ersehnte Friede herrschen.“ <221> <221> V: A4S55(1963)304. Maria, stets wachsame und um alle ihre Kinder besorgte Mittlerin der Gnade, erwirke für die ganze Menschheit das kostbare Geschenk der Eintracht und des Friedens. Aus dem Vatikan, am 8. Mai 1995 Joannes Paulus PP. II Die Ideale von Glauben und Liebe zum Ausdruck bringen Ansprache an die zur Seligsprechung nach Rom gekommenen Pilger am 8. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude empfange ich euch alle, die ihr nach Rom gepilgert seid, um an der Feier teilzunehmen, bei der ich gestern auf dem Petersplatz fünf neue Selige verkündet habe: Don Agostino Roscelli, Sr. Maria Domenica Brun Barbantini, Sr. Giuseppina Gabriella Bonino, Sr. Maria de San Jose und Sr. Maria Helena Stollenwerk. Ihr kommt aus Italien, Deutschland, Venezuela und anderen Ländern, in denen das Zeugnis der Sehgen überreiche Früchte des Guten gebracht hat. Ich grüße die anwesenden verehrten Brüder im Bischofsamt zusammen mit den Priestern. Ich grüße die Ordensmänner und die zahlreichen Ordensfrauen: die Schwestern der Immakulata von Genua, die Schwestern von der Heiligen Familie aus Savigliano, die Schwestern Dienerinnen der Kranken des Heiligen Camillus. Diese Seligsprechung ist ein weiteres Loblied, das aus dem Ordensleben zu Gott emporsteigt und die Früchte bestätigt, von denen die Synode über das Ordensleben sprach, die vor einiger Zeit stattgefunden hat. Gern betrachte ich in dieser Stunde, in der die Freude der liturgischen Versammlung eine Fortsetzung findet, mit euch zusammen an den Gestalten der neuen Seligen noch einmal die besonders hervortretenden Merkmale ihres Lebenszeugnisses. 866 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Der selige Agostino Roscelli hatte, erfüllt von der Kraft beständigen Gebetes, ein tiefes Verstehen für die Nöte seiner Zeit und bot Antworten an, die, ohne geräuschvolle vergängliche Erfolge zu suchen, zeitüberdauemde geistliche und soziale Früchte trugen. Sein Feingefühl und seine Liebe zum konkreten Menschen, gegründet auf das Wort des Evangeliums, brachten ihn zu Gedanken und Taten, die in gewissem Sinn Hinweise des II. Vatikanischen Konzils vorausnahmen. Der heiligen Jungfrau vertraute der selige Agostino Roscelli die von ihm gegründete Ordensgemeinschaft der Schwestern der Immakulata von Genua und das ganze seinem Apostelherzen entstammende geistliche und karitative Werk an. Das Zeugnis, das er als Mensch tiefer Kontemplation und als aktiver Seelsorger gab, ist ein Beispiel für alle Priester und für alle, die der Herr auch fernerhin als Arbeiter in seine Ernte ruft. 3. Für die selige Maria Domenica Brun Barbantini aus Lucca wurde die grausame Härte ihres Lebens zum Mittel, durch das der himmlische Vater sie begreifen ließ, daß er sie für immer als Braut seines Sohnes und geistliche Mutter vieler Leidenden haben wollte. So wurde der gekreuzigte Jesus, „ihr Gut... ihre einzige und alleinige Liebe“. Ihn suchte sie in den Kranken ihrer Stadt. In ihnen bebte sie ihn und diente sie ihm, für sie setzte sie ihre Gaben an Mut, Intelligenz und Unternehmungslust ein. Diese vollkommene Hingabe, die nichts für sich selbst suchte, bildete die sichere Grundlage für den Plan der Liebe, der im Januar 1823 im Herzen der Seligen Maria Domenica seinen Anfang nahm und noch heute in der Kirche und in der Welt durch ihre geistlichen Töchter fruchtbar und aktuell ist. Ihnen empfahl die Selige stets, den armen Kranken und Sterbenden zu Hilfe zu kommen „mit einem Herzen, das nach dem Herzen Jesu gebildet und ganz von seiner Liebe entflammt ist“, und mit dem Bewußtsein, „einem menschgewordenen Gott zu dienen, der im Garten Todesangst gelitten hat und an einem Kreuz gestorben ist“. Jesus selbst ist es, dem sie dienen. Heroischer Glaube und hochherzige Nächstenliebe, das ist das von der Seligen Mutter Maria Domenica durch ihr Leben hinterlassene Erbe. Möge ihr Beispiel ihre geistbchen Töchter und alle, die treu den Weg der Heibgkeit gehen, ermutigen. 4. Im Piemont der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, in einem Land, das fruchtbar war an Heibgkeit, begegnen wir einer jungen Frau, Giuseppina Gab-rieha Bonino, einzige Tochter wohlhabender Eltern, ganz hingegeben an den Herrn und an das Wohl der Famihe. Nach dem Tod ihres Vaters und ihrer Mutter widmet sich Gabriella Bonino der Aufnahme von Waisenkindern und dem Beistand für arme alte Menschen, und dank inständigen Gebets, geistlicher Führung und Erfahrungen im Klosterleben reift in ihr die Berufung zum gottgeweihten Leben. In der Synthese der beiden Elemente: Hingabe an die Famihe und Weihe an Gott, wird ihr Charisma offen- 867 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kundig, das zur Gründung einer Ordensgemeinschaft führt, die sich an der Heiligen Familie orientiert. Heute umarmt die Kirche alle Mitglieder dieser Gemeinschaft und wünscht ihnen, daß sie ihren Weg immer froh und fruchtbringend weitergehen mögen, um „im Familienstil“ dem Menschen zu dienen. In spanischer Sprache fuhr der Papst fort: 5. Gern begrüße ich nun die lieben Pilger aus Venezuela, die zusammen mit ihren Bischöfen und hohen Autoritäten nach Rom gekommen sind, um der Seligsprechung von Mutter Maria de San Jose Alvarado Cardozo beizuwohnen, der ersten Venezolanerin, die zur Ehre der Altäre erhoben wird. Wie eure Bischöfe gesagt haben, ist das ein bedeutsames Ereignis für das Volk und die Kirche von Venezuela, das mit großem Jubel gefeiert werden soll als Anerkennung der zahllosen Zeugnisse der Heiligkeit im Lauf der fünf Jahrhunderte der Evangelisierung dieses edlen Landes, das dem Herzen des Papstes so nahe ist. Die erste venezolanische Selige war eine Frau aus einfachen Verhältnissen, aber mit einer grenzenlosen Nächstenliebe. In der Eucharistie fand sie das feste Fundament für ihre völlige Hingabe an die Leidenden. Ihr selbstloses Dasein für die Waisen und die verlassenen alten Leute zog andere Frauen an, und sie gründete die Kongregation der Augustiner-Rekollektinnen vom Herzen Jesu. Über das ganze Land verbreitete sie ihre Liebe zu Christus in der Eucharistie und ihre unerschütterliche Treue zur Kirche. Das Leben von Mutter Maria de San Jose ist als Beispiel des Vertrauens auf Gott und des helfenden Einsatzes für die Bedürftigen ein Anruf an alle. Die neue Selige ruft die venezolanische Frau auf, mit ganzem Einsatz ihre besondere Sendung in der Kirche und in der Welt zu erfüllen. An den Pforten des dritten christlichen Jahrtausends empfehlen wir dieser glorreichen Tochter der Kirche die Aufgaben der neuen Evangelisierung in Venezuela und im ganzen lateinamerikanischen Kontinent. Folgendes sagte der Papst in deutscher Sprache: 6. Meinen herzlichen Willkommensgruß richte ich nun an die Pilger, die zur Seligsprechung von Helena Stollenwerk nach Rom gekommen sind. Mein besonderer Gruß gilt den anwesenden Schwestern der Missionskongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes sowie den Gläubigen aus den Diözesen Aachen und Roermond. Mit Euch und vielen anderen Schwestern und Brüdern, die sich den verschiedenen Zweigen der Steyler Missionare und Missionarinnen verbunden wissen, teile ich die Freude dieser Tage, die der ganzen Kirche, vor allem den Gebieten, die in besonderer Beziehung zum reichen Erbe der von Steyl aus erfolgten Ordensgründungen stehen, zur Ehre gereichen. Von den Tagen ihrer Kindheit an war Helena eine begnadete Verkünderin des Glaubens. In Einfachheit, Klarheit und mit Überzeugungskraft vermochte sie über ihren tiefen Glauben zu sprechen und andere dafür zu gewinnen. Diese Gabe hat 868 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie als Oberin stets neu bewiesen. Aus ihrem eigenen Ringen um den rechten Weg für ihr Leben konnte sie bei anderen Berufungen entdecken, lenken und fördern. Vielleicht ist ein solcher Ansatz für die Förderung geistlicher Berufungen in unserer heutigen Zeit, in der es vor allem um eine existentielle Durchdringung des Alltags durch den Glauben an den leidenden und auferstandenen Herrn gehen sollte, von großer Bedeutung. Doch kann das Lebenswerk von Helena Stollenwerk nicht voll ergründet werden, ohne ihre innige Beziehung zum eucharistischen Herrn in den Blick zu nehmen. Aus der Gewißheit seiner realen Anwesenheit im allerheiligsten Altarssakrament konnte sie die Kraft für ihre missionarische Sendung und für ihr Wirken in der Leitung der Schwestemgemeinschaft schöpfen. Diese Aspekte der geistlichen Persönlichkeit unserer neuen Seligen möchte ich Euch, hebe Schwestern und Brüder, heute in besonderer Weise ans Herz legen. Dann kehrte der Papst zur italienischen Sprache zurück: 7. Liebe Brüder und Schwestern, angesichts so großer und so vieler Zeichen, die die Macht der Liebe Gottes bezeugen, singen wir spontan mit Herz und Mund den für die Osterzeit typischen Ruf: Alleluia! Es ist wahr: Jeder Heilige oder Selige in der Kirche ist ein Zeuge für das Ostergeheimnis, für die unerschöpfliche Wirkkraft des Todes und der Auferstehung Christi. Unser , Alleluia“ ist aber um so echter, je mehr wir es in der persönlichen Nachahmung der Ideale von Glauben und Liebe zum Ausdruck bringen, wie sie die neuen Seligen in ihrem Leben verwirklicht haben. Wir wissen, daß wir auf ihre Fürbitte im Himmel zählen können. Wir wollen sie anrufen, wollen ihren Spuren folgen und auf Erden einen Vorgeschmack von dem verkosten, dessen sie sich im Himmel in Fülle erfreuen. Mit diesem Wunsch, der zum Gebet wird, erteile ich nun euch allen und denen, die geistig mit euch auf dieser Pilgerfahrt verbunden sind, besonders den Kranken und den Betagten, den Apostolischen Segen. Plädoyer für eine natürliche Ernährung von Anfang an Ansprache an die Studiengruppe der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zum Thema: „Natürliche Ernährung: Wissenschaft und Gesellschaft“ am 12. Mai Eminenzen, Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Wie immer ist es mir eine große Freude, mit den ehrenwerten Teilnehmern der von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften organisierten Studientagungen zusammenzutreffen, und ich danke Bischof James McHugh für seine freundlichen BegrüßungsWorte. Ganz besonders freut es mich heute, der „Royal Society“, die dieses bedeutende Treffen mit gefördert hat, meine Anerkennung auszusprechen. 869 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihrem Zweck und Statut entsprechend, befaßt sich die Päpstliche Akademie der Wissenschaften mit einer Vielfalt wissenschaftlicher, sozialer und ethischer Fragen von wesentlicher Bedeutung für den Dienst, den die Kirche an der menschlichen Familie leistet, einen Dienst, der dem grundlegenden Liebesgebot des Evangeliums entspringt. Die Akademie hat die wichtige Aufgabe, der Kirche, insbesondere dem Hl. Stuhl, bei der Erfüllung dieses Dienstes durch die Nutzung bester wissenschaftlicher Erkenntnisse zu helfen. Ihre Studien und Untersuchungen sind ein Beitrag zu der sehr wichtigen Aufgabe der Kirche, mit der Menschheit auf ihrem Weg durch zeitliche Wirklichkeiten zu gehen in Richtung auf die große und unumstößliche transzendente Bestimmung des Menschen. 2. Bei dieser Gelegenheit sind Sie eingeladen worden, Ihr Fachwissen mitzuteilen zu dem besonderen Thema: „Stillen: Wissenschaft und Gesellschaft“, als einen Beitrag zu jener umfassenden Studie über Bevölkerung und Ressourcen, mit der sich die Akademie seit 1990 befaßt. Als Wissenschaftler richten Sie Ihre Untersuchung auf ein besseres Verständnis der Vorteile des Stillens für den Säugling und die Mutter. Wie Ihre Arbeitsgruppe bestätigen kann, gehören zu diesen Vorteilen unter normalen Umständen zwei wesentliche nützliche Aspekte für das Kind: Schutz gegen Krankheiten und optimale Ernährung. Darüber hinaus schafft diese natürliche Ernährungsweise, abgesehen von den immunologischen und emäh-rungsmäßigen Auswirkungen, auch ein Band der Liebe und Sicherheit zwischen Mutter und Kind, dem durch die Interaktion mit der Mutter ermöglicht wird, sein Dasein als Person wahrzunehmen. All das betrifft offensichtlich unzählige Frauen und Kinder und ist zweifellos, generell gesehen, für jede Gesellschaft - arm oder reich - von Bedeutung. Es ist zu hoffen, daß Ihre Studien zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit beitragen und verdeutlichen, wie sehr diese natürliche Ernährungsweise dem Kind zugute kommt und jene Vertrautheit und intime Beziehung zur Mutter fördert, die für die gesunde Entwicklung des Kindes so notwendig sind. Diese Beziehung ist derart menschlich und natürlich, daß in den Psalmen das Bild des Kindes an der Brust seiner Mutter als Ausdruck der Fürsorge Gottes für den Menschen erscheint (vgl. Ps 22,10). Diese Wechselbeziehung zwischen Mutter und Kind ist so lebensnotwendig, daß mein Vorgänger Papst Pius XII. die katholischen Mütter darin bestärkte, nach Möglichkeit ihre Kinder selbst zu nähren (vgl. Ansprache an die Mütter, 26. Oktober 1941). Dieses Thema ist somit unter verschiedenen Gesichtspunkten wichtig für die Kirche, da sie ja berufen ist, für die Heiligkeit des Lebens und der Familie Sorge zu tragen. 3. Weltweite Umfragen haben ergeben, daß noch zwei Drittel aller Mütter, wenigstens in einem gewissen Maß, ihre Kinder stillen. Aber die Statistiken zeigen doch auch, daß die Zahl der Frauen, die ihre Kinder auf diese Weise nähren, abnimmt; und das nicht nur in Industrieländern, wo diese Praxis fast wieder neu eingeführt werden muß, sondern auch in zunehmendem Maße in Entwicklungsländern. Diese 870 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Abnahme geht auf eine Reihe von sozialen Faktoren zurück, wie die Urbanisierung und die steigenden Anforderungen an Frauen, die Gesundheitspolitik und Maßnahmen auf dem Sektor des Gesundheitswesens und die Marketingstrategien zu alternativen Formen der Ernährung. Doch die Wissenschaft plädiert in weit überwiegendem Maße für das natürliche Ernähren und nicht für einen Ersatz. Verantwortliche internationale Organe fordern die Regierungen auf, sicherzustellen, daß Frauen die Möglichkeit haben, ihre Kinder nach der Geburt vier bis sechs Monate lang zu stillen und die Brustnahrung, durch geeignete Zusatznahrung ergänzt, bis zum zweiten Lebensjahr und darüber hinaus fortzusetzen (vgl. UNICEF, Children and Development in the 1990s, anläßlich der Weltkinderkonferenz in New York vom 29.-30. September 1990). Ihr Treffen will also die wissenschaftlichen Grundlagen für die Förderung jener Sozialpolitiken und Arbeitsbedingungen erläutern, die Müttern diese Praxis ermöglichen. Praktisch wollen wir damit sagen, daß Mütter Zeit, Information und Unterstützung brauchen. In vielen Gesellschaften werden an Frauen so hohe Anforderungen gestellt, daß ihnen kaum Zeit bleibt, sich dem Stillen und der Pflege des Säuglings zu widmen. Anders als bei anderen Ernährungsweisen kann die Mutter bei dieser natürlichen Form von niemandem ersetzt werden. Frauen haben auch das Recht, wahrheitsgemäß über die Vorteile dieser Ernährungsweise wie auch über die mit ihr in manchen Fällen verbundenen Schwierigkeiten informiert zu werden. Auch die im Gesundheitswesen Tätigen sollten auf entsprechende Weise ausgebildet und ermutigt werden, Frauen in diesen Fragen zu helfen. 4. In der unlängst veröffentlichten Enzyklika Evangelium vitae schrieb ich: „Die Familienpolitik muß Grundlage und Motor jeder Sozialpolitik sein ... außerdem ist es notwendig, die Arbeitspolitik, die Städtebaupolitik, die Wohnungsbau- und Dienstleistungspolitik neu zu ordnen, damit die Arbeitszeiten und der Zeitplan der Familie aufeinander abgestimmt werden können und die Betreuung der Kinder und der alten Menschen tatsächlich möglich wird“ (Nr. 90). Handelt es sich hier um eine vage Utopie, oder ist es der obligatorische Weg, der zum wahren Wohl der Gesellschaft führt? Auch diese kurze Reflexion über den sehr persönlichen und intimen Akt einer Mutter, die ihr Kind stillt, kann uns zu einem tiefen und weitreichenden kritischen Überdenken gewisser sozialer und wirtschaftlicher Voraussetzungen führen, deren negative menschliche und moralische Auswirkungen zu ignorieren ständig schwieriger sein dürfte. Mit Sicherheit ist eine radikale Überprüfung vieler Aspekte vorherrschender sozio-ökonomischer Arbeitsbedingungen, wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit und mangelnder Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Familien dringend notwendig. 5. Daher bin ich Ihnen allen sehr dankbar dafür, daß Sie Ihre Zeit und Mitarbeit für dieses von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der Royal Academy of Sciences geförderte Treffen zur Verfügung gestellt haben. Erwartungsvoll 871 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehe ich der Zusammenfassung und den Ergebnissen Ihrer Studien entgegen, damit diese Informationen auf breiter Ebene an unsere kirchlichen Organe und an interessierte Institutionen in aller Welt weitergereicht werden können. Ich bete für den Erfolg Ihrer Studie wie auch für Ihr persönliches Wohlergehen. Möge Gottes Segen jedem einzelnen von Ihnen und Ihren Familienmitgliedern Kraft, Freude und Frieden verleihen. Aufmerksame und hilfsbereite Präsenz bei den Bedürftigsten Ansprache bei der Audienz für die 15. Vollversammlung der Caritas Intemationalis am 13. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Die zu Ende gehende fünfzehnte Vollversammlung der Caritas Intemationalis gibt mir die gute Gelegenheit, euch zu empfangen, euch, die Vertreter der Männer und Frauen der ganzen Welt, die das wunderbare Netz der Caritasverbände bilden. Ihr gehört zu den Aktivsten und den Kompetentesten, um alle Gläubigen der Kirche dazu anzuregen, daß sie hochherzig dem grundlegenden Gebot der Nächstenliebe entsprechen, das der Herr auf die gleiche Stufe mit dem der Gotteshebe gestellt hat als Zusammenfassung des ganzen Gesetzes und Richtschnur für das christliche Leben (vgl. Mt 22,34-40). Ich danke eurem Präsidenten Msgr. Affonso Gregory für die Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat und worin er von euren Arbeiten berichtete. Ihr habt ihn soeben in seinem Amt bestätigt, und so entbiete ich ihm meine guten Wünsche und bringe ihm mein Vertrauen zum Ausdruck. 2. Papst Paul VI. hat gewollt, daß nahe beim Nachfolger des Petras der Päpstliche Rat Cor Unum für die harmonische Koordinierung der zahlreichen und verschiedenen Bewegungen sorge, die in der Kirche im Dienst einer konkreten Nächstenliebe arbeiten. Es ist eine glückliche Fügung, daß Caritas Intemationalis in der vordersten Reihe derer erscheint, die im Geist der Sendung dieses mir so nahestehenden Rates arbeiten. Bevor ich einige Aspekte eurer Tätigkeit hervorhebe, möchte ich die Achtung und Dankbarkeit der ganzen Kirche aussprechen für das Werk, das von den verschiedenen Caritasverbänden in der ganzen Welt geleistet wird. Ich denke an all diejenigen, die sich in euren verschiedenen Organisationen unaufhörlich ein-setzen - bisweilen seit mehreren Jahrzehnten -, ohne je zu ermüden. Ich heiße die Gruppen der Caritas willkommen, die kürzlich in Europa und Afrika gegründet wurden und die mit euch zusammen bei diesem internationalen Treffen sind, sowie die Verantwortlichen der neuen Gruppierungen, die für Ozeanien gebildet wurden. 872 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zusammen mit den Mitgliedern der Caritas möchte ich auch die eingeladenen Beobachter, die bei euch sind, begrüßen. Sie bezeugen das Ausmaß und die Verschiedenheit der großen Familie aktiver Nächstenliebe in der Kirche. Und wie könnte ich es unterlassen, all die Hochherzigkeit der Spender zu erwähnen, ohne die ihr nicht handeln könntet? Wie sollte ich ferner nicht an den Einsatz der ständigen Mitglieder und der ehrenamtlichen Mitarbeiter erinnern, die es in der Heimat oder in fernen Missionen fertigbringen, viel von sich selbst zu geben, um ihren ärmsten Nächsten aufzunehmen und ihm beizustehen? Bewegten Herzens denke ich an so viele Männer und Frauen, die einen hohen persönlichen Preis, oft bis zum Opfer ihres Lebens, bezahlt haben, weil sie ihrer Sendung der Liebe bis zum Ende treu geblieben sind. 3. Eure Sitzungen bilden eine Gelegenheit zu wertvollem Austausch, damit sich die notwendige grenzenüberschreitende Zusammenarbeit im Flinbhck auf eine bessere Diakonie der Nächstenliebe in weltumfassendem Maßstab entwickelt. Immer wieder gilt es, die theologischen und spirituellen Motivationen zu betonen und zu vertiefen, die für eure Arbeit richtungweisend sind und die Caritas von anderen Nichtregierungsorganisationen unterscheiden. 4. Um die verschiedenen Formen gegenseitiger geschwisterlicher Hilfe anzuregen und wirksam zu gestalten, ist es wichtig, daß jede örtliche Gemeinschaft ihre eigenen karitativen Organe hat, ohne aber das, was eine wesentliche Aufgabe aller bleibt, an nur einige zu delegieren. Die beständigen oder ehrenamtlichen Animatoren eurer verschiedenen Dienste haben eine besondere Verantwortung. Ihnen muß eine gute Ausbildung gegeben werden, nicht nur zur Erlangung der notwendigen technischen Kompetenz, sondern auch in dem Sinn, daß sie die echte Dynamik des Evangeliums und der Nächstenliebe persönlich leben und ihren Brüdern und Schwestern vermitteln. Es handelt sich darum, die Soziallehre der Kirche ins Werk zu setzen und ihren Geist gut zu verstehen. Ich habe in Centesimus annus schon gesagt, daß ihr in sich schon „die Bedeutung eines Instrumentes der Glaubensverkündigung zukommt“ (Nr. 54). Und ich möchte hier hinzufügen, wie sehr es in diesem ökumenischen Zeitalter zu wünschen ist, daß alle, die sich als Jünger Christi bekennen, sich vereinen, um die Armut zu bekämpfen und die integrale Entwicklung des Menschen zu fördern. Im täglichen Kontakt mit den bescheidensten Verhältnissen der Menschheit und mit ihrem Leiden könnt ihr die Bedeutung der Soziallehre der Kirche ermessen und die Forderungen, das Leben und die Würde der Person zu achten. Die Nächstenliebe ist zuerst aufmerksame und hilfsbereite Präsenz bei den Bedürftigsten. Doch ihr wißt, daß es auch notwendig ist, sich um den Unterhalt der Familien zu sorgen, das Recht auf Arbeit und Wohnung, den Zugang zur Gesundheitsfürsorge angesichts von Epidemien und Mangelkrankheiten aller Art und Schulung und Berufsausbildung für die Jugend zu gewährleisten. Es kommt euch zu, eine ge- 873 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sunde Wirtschaft zu verteidigen, die die Armen nicht zugrunde richtet und an der die Gesellschaft nicht zerbricht. Mit diesen wenigen Beispielen denke ich sowohl an Hilfeleistungen auf lokaler und persönlicher Ebene wie auch an den wünschenswerten Einfluß eurer Organisationen bei umfassenderen Unternehmungen. Mögen Kompetenz und Brudersinn euch bei den Verantwortlichen der Wirtschaft und den zivilen Obrigkeiten zu überzeugenden Wortführern der Soziallehre der Kirche machen. Bringt klar und deutlich die Forderungen der Gerechtigkeit zum Ausdruck, die übrigens in unseren Augen nur ein anderer Aspekt jener Achtung des Menschen und jener Liebe zu ihm sind, in deren Namen wir die Lebensbedingungen aller zu verbessern wünschen. 5. In den letzten Jahren haben die furchtbaren Prüfungen, die Länder wie Bosnien-Herzegowina und Ruanda heimgesucht haben - um nur sie zu nennen -, auf seiten der Christen, die in den Caritasverbänden der Welt tätig sind, einen Aufschwung der Solidarität und beachtliche Interventionen an Ort und Stelle hervorgemfen. Aber ihr seid die ersten, die unterstreichen können, daß das Handeln in dringenden Notsituationen noch immer unzureichend ist. Wir leben in einer Welt, in der es noch eine dramatische Ungleichheit, ja Ungerechtigkeit gibt. Die Armut ist weiterhin eine schwere Plage für ganze Länder wie auch in beträchtlichen Bevölkerungsteilen der reicheren Länder. Handelt weiterhin im Soforteinsatz und auch in langfristigen Aktionen. Angesichts von Millionen unschuldiger Opfer der Unterernährung, von Vertriebenen und von Menschen, die an vielen anderen Übeln leiden, zu deren Überwindung die Welt heute die Mittel besitzt, dürfen wir nicht resignieren. Ihr wirkt tatkräftig und solidarisch zusammen. Das darf aber die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen nicht davon dispensieren, für das wahre Wohl der Völker alle Mittel der Staaten und der internationalen Gemeinschaft zum Einsatz zu bringen. 6. Im Arbeitsplan, den ihr bei eurem Treffen aufgestellt habt, habe ich mit großer Befriedigung gelesen, daß ihr eure Arbeit in den Rahmen der Vorbereitung auf das Große Jubiläum zum Beginn des dritten christlichen Jahrtausends stellen wollt. Besonders das Jahr 1999 wird im Zeichen der Nächstenliebe stehen. Es ist ermutigend zu sehen, daß ihr zu diesem in unserer Zeit so notwendigen christlichen Aufbruch beitragen werdet, denn die Stimme Christi soll gehört werden, das Gebot der Liebe muß ein mächtiger Antrieb zum Aufbau einer Gesellschaft werden, in der die Solidarität aller den Frieden festigt. Liebe Freunde, bringt allen euren Brüdern und Schwestern ermutigende Grüße des Bischofs von Rom. Von Herzen erbitte ich für euch den Segen Gottes und rufe mit euch den Vater an, der reich ist an Erbarmen, Christus, den Erlöser, und den Geist der Liebe. 874 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diener an der göttlichen Liebe unter den Menschen Predigt bei der Priesterweihe am 14. Mai 1. „Gloria Dei vivens homo“ (hl. Iräneus von Lyon, Adversus haereses, 4, 20,7) Liebe Neupriester! Am Tag eurer Weihe möchte ich an die Worte des hl. Iräneus anknüpfen. Als Priester seid ihr in der Tat berufen, mit der gesamten Kirche das „opus gloriae“; das große „Werk der Lobpreisung“; zu vollbringen, das besonders in der Liturgie während der Osterzeit zum Ausdruck kommt, so wie es der Antwortpsalm betont: „Danken sollen dir, Herr, all deine Werke, und deine Frommen dich preisen. Sie sollen von der Herrlichkeit deines Königtums reden, sollen sprechen von deiner Macht“ (Ps 144/145,10-11). Der Mensch verleiht nahezu den Geschöpfen seine Stimme, wenn er mit eigenen Worten beschreibt, was sie mit dem Reichtum und der Schönheit ihrer Existenz ausdrücken. Auf diese Weise wird er zum „Priester“ der gesamten Schöpfung, beinahe zum Diener der Geheimnisse, die Gott in die Welt gesetzt hat. Im Bemühen, diese Geheimnisse immer umfassender zu erkennen, indem er sich die ganze Erde untertan macht, vollendet der Mensch seine eigene Berufung auf der sichtbaren Welt, die als Abbild Gottes und Ihm ähnlich geschaffen wurde. Der Mensch ist folglich „Priester“ für die gesamte Schöpfung, aber wird Priester im vollen Sinn, wenn er - vom Charakter des Sakraments der Priesterweihe gezeichnet - in die Welt geht, um den Menschen die Herrlichkeit des Königtums Gottes zu verkünden. Das Königtum für ewige Zeiten, das durch die Geschichte jeder Generation zum Ausdruck kommt, die „väterliche Herrschaft Gottes: „Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade. Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken“ (Ps 144/145,8-9). Liebe Brüder! Die Worte der heutigen Liturgie schreiben sich besonders in eure Priesterweihe ein. Dieser Tag wird für immer in eurem Gedächtnis haften bleiben. Wie könnte man einen solchen Tag vergessen? Alle Einzelheiten bleiben in euch haften. Ihr werdet euch besonders an das erinnern, was Gott an diesem Tag - sowohl durch das innere Wort des Gewissens als auch durch die Akzente der Liturgie, in deren Verlauf ihr die Priesterweihe empfangen habt - zu euch sprach. Das sage ich euch auch aus eigener Erfahrung. 2. leder von euch ist durch die Teilhabe am Priestertum Christi berufen, Mittler zwischen Gott und den Menschen zu sein. Man könnte auf ihn das anwenden, was die Kirche in der heutigen zweiten Lesung aus der Offenbarung nach lohannes verkündet: „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die 875 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein. Und er, Gott, wird bei ihnen sein“ (Offb 21,1-3). Der Priester lebt zutiefst das Geheimnis des Immanuel, des „Gott mit uns“. Wie oft wiederholt er in seinem apostolischen Dienst die Worte: „Der Herr sei mit euch.“ Sie drücken genau das Geheimnis des Immanuel aus, das heißt des Gottes, der gekommen ist und unter den Menschen gewohnt hat. Sie drücken das Geheimnis Gottes aus, der ständig kommt und in der Mitte der Menschen wohnen möchte, um mit ihnen das irdische Schicksal mit seinen Freuden und seinen Leiden zu teilen. In der Tat, was sind Brot und Wein, die das Gottesvolk zum Altar bringt, wenn nicht der symbolische Ausdruck aller Freuden und Leiden, aller Hoffnungen und Erwartungen, die der Mensch jeden Tag erlebt? Der Priester nimmt diese Gaben aus den Händen und den Herzen des Gottesvolkes an, und er bringt sie Gott am Altar dar. Im Glauben ist er gewiß, daß sie von Christus im Geheimnis der eucha-ristischen Opfergaben angenommen werden. Wenn sich in Form von Brot und Wein das Opfer am Kreuz erneuert, wird Christus, der „Gute Hirte“; in den Gaben des Menschen wirklich gegenwärtig, um die Menschheit zu einem „neuen Himmel“ und zu einer „neuen Erde“ zu führen (vgl. Offb 21,1), wo Gott jede Träne abwischen wird, wo weder Tod noch Trauer, noch Klage, noch Schmerz, noch Mühsal sein werden. An jenem Tag werden die Wirklichkeiten dieser Welt vergehen, und Gott wird durch Christus alles neu machen (vgl. CP? 21,4-5). Der Priester ist folglich in gewissem Sinn Diener der Herabkunft Gottes zum Menschen und gleichzeitig des Aufstiegs des Menschen zu Gott durch Christus. Mittler, Teilhaber des einzigen Mittlers, der Christus ist. 3. „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,34-35). Diese Worte der heutigen Liturgie schreiben sich in den Tag eurer Priesterweihe ein; auch sie sprechen von dem, was zu eurer Berufung gehört. Der Priester ist in der Tat ein Mann, der das tiefe Bewußtsein hat, von Gott geliebt zu werden. Das ist eine Liebe, die er selbst in erster Person erfährt, zusammen mit der gesamten Menschheit, im gekreuzigten und auf erstandenen Christus. Wenn das „Werk der Lobpreisung“ Aufgabe des Priesters ist so kann das ausschließlich durch das „Werk der Liebe“ erfüllt werden. Sich dessen bewußt, wie sehr er selbst von Gott geliebt wird, soll der Priester seinerseits zum Diener der göttlichen Liebe unter den Menschen werden. Er antwortet auf Liebe mit Liebe. Jeder von uns sollte sich stets an die Worte des hl. Johannes vom Kreuz erinnern: Am Lebensabend werden wir im Hinblick auf die Liebe gerichtet (Worte des Lichtes und der Liebe, 57). 4. Liebe Neupriester der Diözese Rom. Demnach ist es notwendig, daß ihr vom Beginn eures Amtes an eine klare Auffassung von den Aufgaben habt, die in eurer priesterlichen Sendung vom Gebot der Liebe Christi herrühren. Es ist notwendig, immer mehr zum Diener dieser Liebe zu werden. Vor allem Diener der gegenseiti- 876 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen Liebe unter den Priestern selbst, in einer einmaligen Brüderlichkeit, typisch für die Berufung und die priesterliche Sendung. Diener der Liebe gegenüber jedem Menschen, besonders gegenüber den Bedürftigsten. Diener, die fähig sind, den Geist der Liebe im Leben der menschlichen Gemeinschaften zum Tragen zu bringen: der Familien, der Pfarreien, der verschiedenen sozialen Bereiche. Um eine so umfangreiche und unterschiedliche Aufgabe zu erfüllen, muß sich jeder dem Licht des Heiligen Geistes öffnen, um zu verstehen, was Christus von ihm erwartet, und um auf den Ruf seines Herrn und Meisters zu antworten. In der Tat hängt es weitgehend von den Priestern ab, ob die Menschen in unseren christlichen Gemeinschaften die Jünger Christi erkennen, die einander lieben. Beten wir, liebe Brüder und Schwestern, unaufhörlich darum, die Gaben des Heiligen Geistes zu erhalten, die der priesterlichen Sendung dienen. Sie ist ein geistlicher Dienst der Liebe, der in jedem sozialen Bereich Anwendung finden soll, wo die Neupriester ihren Dienst ausüben. Wie vielsagend sind die Worte der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte, wo Paulus und Barnabas bekanntgaben, was Gott durch sie vollbracht hatte (vgl. Apg 14,21-27)! 5. „Mysterium fidei!“ Von heute an, liebe Neupriester, werdet ihr jeden Tag diese Worte im Mittelpunkt des eucharistischen Opfers aussprechen, am Höhepunkt eures Lebens und eurer priesterlichen Sendung: „Mysterium fidei“ - Geheimnis des Handelns Gottes an den Menschen und durch die Menschen. Geheimnis des Heilswerkes Gottes durch das Kreuz und die Auferstehung Christi und Geheimnis des göttlichen Handelns, vollbracht durch den Dienst des Priesters. Ich erbitte für euch, liebe Neupriester, den mütterlichen Schutz Marias, Mutter der Kirche, Mutter von uns Priestern, und ich wünsche euch von ganzem Herzen, daß die Worte der Liturgie in eurem Dasein immer dieselbe Frische und Kraft bewahren mögen, die sie heute besitzen. Ich freue mich mit der Kirche von Rom über diesen Tag der Priesterweihen: ein großer Tag für das Leben jeder Diözese, jeder Kirche. Ich möchte dem Kardinalvikar, den Bischöfen, seinen Mitarbeitern, allen Priestern von Rom und dem ganzen Gottesvolk, das in Rom lebt, meine Glückwünsche aussprechen. Ich beglückwünsche vor allem euch Familien, ihr Väter und Mütter, die ihr hier anwesend seid, um an diesem großen Tag der Priesterweihe eurer Söhne teilzunehmen. „Gloria Dei vivens homo“: Amen! Gelobt sei Jesus Christus. 877 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1600 Jahre Paulinus von Nola Brief an den Bischof von Nola, Umberto Tramma, vom 15. Mai 1. Immer ist in mir noch die Erinnerung an den Besuch lebendig, den ich am 23. Mai 1992 in Nola gemacht habe. Beim warmen Empfang durch die christliche Gemeinschaft dort schien es mir, als könnte ich weiter irgendwie das große Herz des hl. Paulinus spüren. Ich danke dem Herrn, der mir gestattet hat, am gleichen Ort zu beten, wo er gelebt hat, in Cimitele nämlich, und dann die sterblichen Überreste zu verehren, die in der Kathedralkirche aufbewahrt werden. In dieser Stadt spürt man gleichsam seine geistige Präsenz. Euer hl. Patron hatte wahrlich Recht, als er in einem seiner Lieder sang: „Alles vergeht, aber der Ruhm der Heiligen bleibt in Christus, der alles neu macht, während er selber bleibt“ (Gesang XVI, 3-4). Es freut mich daher, ehrwürdiger Bruder, mich mit der Freude dieser Kirche zur Feier des 1600. Jahrestages der endgültigen Niederlassung des Paulinus von Nola verbinden zu können. Der Gedenktag verdient es ja, feierlich begangen zu werden, da die Entscheidung für diesen Wohnsitz mit der Entscheidung des Heiligen zusammenfiel, sich im monastischen Leben voll Christus zur Verfügung zu stellen. 2. Was die Zeitgenossen bei Paulinus vor allem bewunderten, war die Radikalität seiner Bekehrung, die um so klarer hervortrat angesichts der gehobenen wirtschaftlichen und sozialen Stellung, auf die er verzichtete. Er war in Bordeaux geboren und stammte aus einer hoch adeligen und sehr reichen Familie, war in den literarischen Studien aufs Beste ausgebildet, hatte sehr schnell Karriere gemacht und war Senator und Gouverneur von Kampanien geworden. Gerade in dieser Eigenschaft schuf er die erste Beziehung mit dieser Stadt, die er zu seinem bevorzugten Sitz machte. Hier traf ihn die Gnade und berührte sein Herz. Angesichts des Schauspiels des Glaubens der Pilgermassen, die aus einem weiten Bereich von Mittel- und Süditalien kamen, um das Grab des hl. Felix zu besuchen, fühlte sich der junge Gouverneur, der schon irgendwie glaubte, aber noch nicht getauft war, angetrieben, sein Leben zu überdenken. Er wurde gleichsam vom hl. Felix an der Hand geführt und „begann in deinem Lichte voll Freude Christus liebzugewinnen“ (Gesang XXI, 373). Doch vor dem endgültigen Ja erwarteten ihn noch lange Jahre leidenschaftlichen Suchens und der Prüfungen, die wie der reinigende Schmelztiegel seines Glaubens waren. 3. Die Taufe, die er in seiner Geburtsstadt aus den Händen des Delphinus empfing, war der Beginn eines immer entschlosseneren Lebens. In Übereinstimmung mit seiner frommen Frau Terasia entschied er, sich aus Liebe zu Christus seiner unermeßlichen Besitzungen zu entledigen. Jenes Rom, das ihn in der Toga des Senators bewundert hatte, sollte ihn 395 auf der Reise nach Nola in der rauhen Kutte eines Mönches Wiedersehen. Der Kontrast konnte nicht deutlicher sein und weckte auch entgegengesetzte Äußerungen des Beifalls oder der Mißbilligung. Sogar in 878 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kirchlichen Kreisen traf er auf Unverständnis. Doch ging der Glaubenssinn des Volkes Gottes nicht fehl, wenn es in ihm ein Wunder der Gnade anerkannte. Und wenn schon die kirchliche Gemeinschaft von Barcelona wenige Monate vor dem Aufbruch nach Nola begeistert seine Priesterweihe gefordert hatte, so wurde ihm bei der Ankunft in „seinem“ Kampanien nicht weniger Zuneigung zuteil, wo nicht nur die Laien, sondern alle Bischöfe der Region und sogar die von Afrika persönlich oder brieflich ihn festlich willkommen hießen. 4. Von dieser Stunde an, ehrwürdiger Bruder, verbanden sich die Wege des Paulinus mit denen dieser Gemeinschaft. Mit seiner Frau Terasia, die in keuscher Schwesterlichkeit mit ihm zusammenlebte, und anderen Freunden, die ihm gefolgt waren, nahm er im Bereich des Heiligtums des hl. Felix Wohnung. Hier hatte er schon als Gouverneur ein Hospiz für die Armen errichten lassen. Nun errichtete er auf diesem Hospiz einen zweiten Stock, der dem monastischen Zusammenleben dienen sollte, und er gab für diese Anordnung eine eindrucksvolle Erklärung: Das Gebet der Armen sollte die Fundamente seines Hauses festigen (Gesang XXI, 391-394). Damit stellte Paulinus einen typischen Begriff der römischen Gesellschaft auf den Kopf: Er fühlte sich nicht als „Herr“ der Armen, sondern wählte vielmehr sie als seine „Herren“ (Brief 13,11) im Bewußtsein, daß seine Hilfe für die Bedürftigen nicht ein „Geben“; sondern vielmehr ein „Empfangen“ war, weil Christus es ja liebte, alles „mit Zinsen“ zu entschädigen, was er in ihrer Person empfing. Wie sollten wir nicht die Schönheit dieser Botschaft in einer Zeit wie der unseren auf greifen, da die Welt noch weiter so ärgemiserregend geteilt ist zwischen denen, die zu viel besitzen, und denen, die allzu wenig haben, und wo sich die „Hochherzigkeit“ der Reichen auf die Brosamen eines demütigenden Almosens beschränkt? 5. Der Lebensrhythmus, den Paulinus seiner Gemeinschaft verschrieb, war vom Lob Gottes und der Betrachtung seines Wortes geprägt. Seine früheren literarischen Interessen vergessend, lebte er vom Wort Gottes. Er wurde nicht müde, den tieferen Sinn der biblischen Bilder zu ergründen. Wenn man sich an seine sehr häufigen Zitate erinnert, könnte man sagen, er liebte es, im Ozean der Schrift zu schwimmen, ihre Tiefen zu erforschen, und er besaß das staunende Auge eines Kindes, das nach immer neuer Schönheit ausschaut. Da er nach Licht verlangte, wurde er zum Schüler aller, die das Geschenk der Weisheit besaßen. Es genügt, an seine Freunde und Briefpartner zu erinnern: Ambrosius von Mailand, Hieronymus und Augustinus. Doch er erwählte vor allem den Letzteren zum „Meister“ und führte mit ihm einen Briefverkehr, in dem der große afrikanische Lehrer, weit davon entfernt, den Ton eines „Lehrers“ anzuschlagen, gerne selbst zum „Lernenden“ wurde. Doch warum stellte er dem Freund in Nola Fragen, der in seiner Demut sich dagegen wehrte? Augustinus wußte, daß Paulinus gerade dann, wenn er „fragte“, „lehrte“ (Aug. Brief 149,2): Die Lehre des Aszeten und Hirten von Nola war die „gelebte Theologie“ eines vom Geist Gottes reich erfüllten Menschen, und 879 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das kam in den symbolischen Äußerungen eines Geistes zum Ausdruck, der mehr vom Weg der Schönheit als dem der abstrakten Spekulation angetan war. 6. Während er sich der Aszese widmete, ließ es Paulinus nicht an der Erfüllung seines Dienstes fehlen. Für die zahlreichen Pilger, die zum Heiligtum strömten, schuf er neue Räumlichkeiten für den Gottesdienst und die Unterbringung, die aus dem Komplex der Basilika in Cimitile einen der wichtigsten Komplexe der alten Christenheit machten. Für die Heranbildung der einfacheren Menschen entwickelte Paulinus über seinen angeborenen Sinn für das „Schöne“ hinaus eine erleuchtete Bildkatechese und setzte dabei Malereien ein, die von der Heilsgeschichte inspiriert waren. Bei ihm verbinden sich wunderbar der Mönch und der Hirt. Man darf sich daher nicht wundem, daß beim Tod des Bischofs Paulus in den angstvollen Jahren des befürchteten Einbmchs der Barbaren gerade er die Führung dieser Kirche zu übernehmen hatte. Beider sind die Nachrichten über sein bischöfliches Wirken nicht umfangreich. Doch kommt das historisch Gesicherte und das aus der Tradition des Volkes Überlieferte darin überein, das Bild eines Hirten mit einem unermeßlich weiten Herzen zu zeichnen, der sich selbst vergaß, aber sich ganz für sein Volk hin gab. Nicht weniger bezeichnend ist der Stil, den er als Lehrer der christlichen Wahrheit prägt, indem er sie voll Festigkeit gegen den Irrtum verteidigte, aber den Irrenden gegenüber zugleich entgegenkommend und väterlich blieb. 7. Er war ein Mann der Gemeinschaft, ein wahrhaft „katholischer“ Geist, und so pflegte Paulinus eine völlig natürliche Sorge für die universale Kirche. Diesem Apostolischen Stuhl war er ferner besonders ergeben. Er kam jedes Jahr nach Rom, um die Gräber der Apostel zu besuchen. Er pflegte aber zugleich mit zahlreichen anderen Hirten herzliche und dauerhafte Beziehungen. Man kann sagen, daß man von Italien, Afrika und Gallien auf ihn wie auf einen Bezugspunkt schaute. Aus dem Osten besuchte ihn zweimal der hl. Nicetas, Apostel von Da-zien. Was sollen wir ferner von den vielen anderen sagen - Kleriker, Mönche und Laien - die sich seiner immer gefühlswarmen Korrespondenz erfreuten? Einheit im Stil der Dreifaltigkeit Diese seltene Fähigkeit zu Beziehungen war nicht nur die Frucht eines sehr empfindsamen Herzens, sie hatte darüber hinaus ihre Wurzeln in der lebendigen Erfahrung der kirchlichen Einheit, die von der Dreifaltigkeit herkommt. In diesem Geheimnis fand er die Gründe und das Maß für die geistliche Freundschaft, in der er besonders erfahren war, man könnte ihn sogar als ihren erleuchteten „Lehrer“ bezeichnen. Er liebte es nämlich, aus seiner Lebenserfahrung heraus zu erklären, daß die mystische Einheit des Leibes Christi der brüderlichen Liebe unerhörte Möglichkeiten weit über die Grenzen der rein menschlichen Freundschaft hinaus eröffnet. Daher konnte er an Augustinus schreiben, den er doch persönlich nie getroffen hatte: „Man darf sich nicht wundem, daß wir, auch wenn wir fern voneinander leben, einer dem anderen präsent sind und uns kennen, obwohl wir uns nie kennengelemt haben, denn wir sind 880 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glieder eines einzigen Leibes, wir besitzen ein einziges Haupt, wir sind von einer einzigen Gnade überströmt, leben von einem einzigen Brot, wandern auf dem gleichen Weg und leben in dem gleichen Haus“ {Brief 6,2). 8. Glücklich ist daher die Kirche von Nola, die sich in ihrer Geschichte eines so großen Hirten rühmen darf! Seine Botschaft bewahrt über den Abstand so vieler Jahrhunderte hinweg ihre unversehrte Frische. Möge diese Gemeinschaft daher dort eine wirksame Anregung zur Erneuerung und zum Zeugnisgeben finden! Ich gratuliere von Herzen auch zu allem, was diese Kirche unter deiner Führung, ehrwürdiger Bruder, der Gesamtkirche mit der Veröffentlichung von Paulinustexten und der Förderung von Studien über Paulinus schenkt. Gebe es Gott, daß die neue Entdeckung dieser an geistlicher Weisheit so reichen Gestalt der Kirche Früchte der lehrmäßigen Vertiefung und echten christlichen Lebens bringt. Mit diesen Wünschen und als Unterpfand für besonders reiche himmlische Gaben erteile ich dir, ehrwürdiger Bruder, sowie der ganzen deiner Sorge anvertrauten Gemeinschaft den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 15. Mai des Jahres 1995, dem siebzehnten meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Die Liebe zu Gott als Schlüssel der Berufung Ansprache bei der Audienz für die Generaloberinnen der Institute des gottgeweihten Lebens und der Gemeinschaften des apostolischen Lebens am 18. Mai Liebe Schwestern! 1. Aus der ganzen Welt seid ihr nach Rom gekommen, um in einer besonderen Zusammenkunft die das Ordensleben in unserer Zeit betreffenden Fragen im Licht der letzten Bischofssynode, die dem gottgeweihten Leben und seiner Sendung in Kirche und Welt gewidmet war, zu untersuchen und vertieft darüber nachzudenken. Ich freue mich, euch in dieser für euch vorbehaltenen Audienz zu empfangen, und entbiete allen meinen herzlichen Willkommensgruß im Herrn. Ich begrüße Eduardo Martinez Kardinal Somalo, den Präfekten der Kongregation, der damit beauftragt ist, mit den Instituten des gottgeweihten Lebens und den Gemeinschaften des apostolischen Lebens näher in Verbindung zu stehen, und ich danke ihm für seine an mich gerichteten Worte und für die liebenswürdigen Wünsche, die er im Namen aller anwesenden Ordensfrauen zum Ausdruck gebracht hat. Ich möchte meine Anerkennung für den Einsatz aussprechen mit dem das Dikasterium in Erfüllung der ihm durch die Apostolische Konstitution Pastor Bonus (vgl. Nr. 107) anvertrauten Aufgabe seine Obliegenheiten erfüllt. Möge sein eifriges 881 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und erleuchtetes Wirken mehr und mehr die Praxis der evangelischen Räte in der Kirche fördern. Ich danke der Präsidentin der Union für die Worte, die sie zu mir gesprochen und in denen sie die Linien angedeutet hat, nach denen ihr im Hinblick auf ein nachhaltigeres Wirken im Dienst des Evangeliums eure Überlegungen orientieren wollt. Ich gratuliere der neuen Präsidentin und ihrem Exekutivrat und wünsche ihnen eine gute Arbeit. Wieviel verdankt die Kirche den Ordensfrauen, ihrem Weg der vollkommenen Weihe an Gott und der hochherzigen Hingabe an die Schwestern und Brüder! Dabei denke ich auch mit Schmerz und zugleich mit Bewunderung an so viele Ordensfrauen, die in letzter Zeit in mehreren Ländern ihr Leben hingegeben haben: in Ruanda, Burundi, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Algerien, Zaire und anderswo, und an jene, die noch unter Schwierigkeiten infolge von Krieg, Partisanenkämpfen, Terrorismus, Verfolgung und Ausgrenzung zu leiden haben. Ihnen gilt mein Dank und der Dank der ganzen christlichen Gemeinschaft. 2. Wir leben noch in der Atmosphäre der österlichen Liturgie, und darum denken wir spontan an das, was der Apostel Petrus nach dem Pfingstereignis in seiner ersten Ansprache zu der ihm zuhörenden Menge sagte: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen“ (Apg 2,32). Und kurz darauf zog er, auf das Thema zurückkommend, daraus die Folgerung: Wenn Christus auferstanden ist, dann ist es klar: „In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). Dieses mutige und freimütige Zeugnis des Apostels machte die Zuhörer zutiefst betroffen (vgl. Apg 2,37; 4,13), und in Massen bekehrten sie sich (vgl. Apg 2,41). Meine heben Ordensfrauen, auch heute dürfen die Christen, und noch mehr die gottgeweihten Menschen, sich vor allem als „Zeugen der Auferstehung“ Jesu fühlen. Nur er kann ja Licht schenken für den Zugang zum wahren Sinn des Lebens und des Todes und vermag darum auch, den Weg des Heiles zu zeigen. Die Sendung der Kirche besteht gerade darin, zu bezeugen, daß Christus wahrhaft das menschgewordene göttliche Wort ist, daß er das Licht der Welt und die Wahrheit, ist. „Dem Wesen nach ,missionarisch’ sein bedeutet nicht nur, daß die Kirche eine universale Sendung gegenüber der ganzen Menschheit hat, sondern daß sie auch in ihrer grundlegenden Wirklichkeit, in ihrer Seele und sozusagen in ihrer Psychologie’ selbst eine Dynamik besitzt, die sich konkret in der Verkündigung des Evangeliums, in der Glaubensverbreitung und in der ,bis an die Grenzen der Erde’ gehenden Einladung zur Umkehr entfaltet ... Jeder hat in der Kirche und mit der Kirche die Aufgabe, das Licht des Evangeliums der Heilssendung entsprechend zu verbreiten, die der Erlöser an die kirchliche Gemeinschaft weitergegeben hat“ (Mittwochskatechese vom 19. April 1995). 3. Im Licht des auferstandenen Christus lassen sich beim Nachdenken über die vielen begeisterten und lehrreichen Beiträge aus der letzten Bischofssynode über das Ordensleben daraus einige Richtlinien entnehmen, die euch Generaloberinnen 882 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und euren Mitschwestem, die von euch Klarstellungen, Ermutigung und neuen Schwung erwarten, von Nutzen sind. Die erste Überzeugung betrifft die bleibende Gültigkeit des Ordenslebens in der Kirche. Wir können sicher sein, daß auch im kommenden Jahrtausend, an dessen Schwelle wir stehen, die geheimnisvolle, aber wirkliche Stimme Jesu vernehmbar sein wird: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach“ (Mt 19,21). Trotz des augenblicklichen Mangels an Berufen wollen wir Vertrauen auf die Vorsehung haben; Gott wird seine Kirche nicht im Stich lassen. Wesentlich ist von seiten der Ordensfamilien die volle Mitwirkung bei der Heranbildung ihrer Mitglieder zu einer allumfassenden, aufrichtigen und frohen Liebe zu Jesus Christus, der zutiefst erkannt wird, dem man folgt und dem man gehorcht. Die zweite Überzeugung betrifft den Wert und die Bedeutung der Wiederentdeckung der „Charismen“ der Gründerin oder des Gründers, um sie voll und ganz, doch auch in Anpassung an die Erfordernisse der Zeit zu leben. In der Tat, wenn die Gründung die Schranke der Zeit überwunden hat, so ist das ein Zeichen für einen besonderen Plan der Vorsehung, sowohl im Hinblick auf die Kirche wie auf die Gesellschaft. Die dritte Überzeugung bezieht sich auf die theologische Wurzel der Ordensweihe; Die „Tauf- und Firmungsweihe“, eine sakramentale Weihe, schenkt, zusammen mit ihrem sakramentalen Charakter, die heiligmachende Gnade und daher die Teilnahme am dreifältigen Leben Gottes und begründet die Verpflichtung zum Zeugnisgeben im Mystischen Leib Christi. Die „Ordensweihe“ ist die kirchliche Anerkennung einer inneren Berufung zur Ganzhingabe an Gott und an seinen Heilsplan durch die drei Gelübde. Mit dem Konzil ist zu sagen: Der Ordensstand, „der durch das Gelöbnis der evangelischen Räte begründet wird, ist zwar nicht Teil der hierarchischen Struktur der Kirche, gehört aber unerschütterlich (incon-cusse) zu ihrem Leben und ihrer Heiligkeit“ (Lumen Gentium, Nr. 44). Er darf und kann also nicht fehlen und wird nicht fehlen. Die vierte Überzeugung betrifft die „Sendung“ des gottgeweihten Lebens, die in der Gemeinschaft mit Christus und mit der Kirche, seinem Mystischen Leib, besteht. Die Ordensleute sind vor allem in einer ganz besonderen Weise zur „Nachfolge Christi“ berufen, die Opfer und Abtötung mit sich bringt nach der Mahnung Jesu: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Sodann ist da die pastorale Gemeinschaft, die in der Zusammenarbeit mit der Ortskirche zum Ausdruck kommt durch hochherziges Offensein - unter Beachtung der Zielsetzungen des jeweiligen Instituts - für die Weisungen und Initiativen des Diözesanbischofs. Im übrigen werden Ordensleute immer Gespür haben für die Nöte ihrer Zeitgenossen, sie werden das Böse und den Irrtum verurteilen und alle Menschen stets mit Hingabe, in ruhiger Ausgeglichenheit und in geschwisterlicher und konstruktiver Dialogbereitschaft heben. Manchmal können das Gemeinschaftsleben, der Gehorsam, die Monotonie der Arbeit und das Gefühl der 883 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einsamkeit die Glut der Hingabe in eine Krise bringen. Gerade dann müssen das Licht und die Kraft des geistlichen Lebens die Oberhand behalten im Bedenken dessen, was der Verfasser des Briefes an die Hebräer so wunderbar geschrieben hat: „Wir wollen alle Last und die Fesseln der Sünde abwerfen. Laßt uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens“ (12,1-2). 4. Die Erkenntnis der hl. Therese von Lisieux, die mit ihrem religiösen Genius und ihrer Heiligkeit einen Windstoß echter Spiritualität ins zwanzigste Jahrhundert gebracht hat, gilt auch für euch Generaloberinnen und für alle gottgeweihten Menschen: „Ich begriff, daß die Liebe alle Berufungen einschloß, daß die Liebe alles war, daß sie alle Zeiten und Orte umfaßte, mit einem Wort, daß die Liebe ewig ist!“ (Autobiographische Manuskripte, 9. Kap.). Seht, liebe Schwestern, der Schlüssel eurer Berufung ist die immer glühendere, immer überzeugtere Gottesliebe! Maria, die heilige Jungfrau, die wir mit besonderer Frömmigkeit in dem ihr geweihten Monat Mai verehren, stehe euch immer bei und unterstütze euch bei euren Vorsätzen und euren Programmen. Und auch mein Segen begleite euch, den ich euch nun von Herzen erteile und der in Liebe auch allen euren Mitschwestem gilt. Freude und Dankbarkeit im Priesteramt Ansprache an eine Gruppe von Priestern, die vor 25 Jahren von Papst Paul VI. die Weihe empfangen haben, am 18. Mai Liebe Brüder im Priesteramt! 1. Ich grüße euch mit großer Zuneigung und danke mit euch dem Herrn für das Priesterjubiläum, das ihr in diesen Tagen mit einem intensiven geistlichen Programm begeht. Ich richte einen besonderen Dank an Msgr. Salvatore Gristina für seine hebenswürdigen Worte, mit denen er die Gefühle der Hingabe und der Gemeinschaft von euch allen zum Ausdruck brachte. Fünfundzwanzig Jahre sind nunmehr vergangen, seitdem am 17. Mai 1970, am Pfingstfest, der Herr euch eine denkwürdige Erfahrung schenkte: für immer euch an Ihn bindend, verwandelte er euch in Ikonen des Priesters Christus durch die Hände des Dieners Gottes, Papst Paul VI., der bei der Feier seines 50jährigen Priesterjubiläums gleichsam das Verlangen hatte, jedem von euch seine Leidenschaft für das Evangelium anzuvertrauen und seinen Wunsch, den Brüdern zu dienen. 2. Was bedeutet es, das Priesterjubiläum zu feiern? Welche Gefühle sollen die Seele des Dieners Christi durchdringen, der sich dem Altar des Herrn nähert, um die Gnade jenes ersten Tages wieder lebendig werden zu lassen? „Meine Seele 884 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46-47). Das ist die Antwort. Die Worte des Lobgesangs Mariens scheinen am besten geeignet, um das auszudrücken, was das Herz des Priesters erfüllt, der diesen so wichtigen Abschnitt seines Priesteramtes erlebt: Wie in Maria beim Wunder der göttlichen Mutterschaft, so herrschen in der Seele des Priesters vor allem Freude und Dankbarkeit vor. In der Tat, die Betrachtung der empfangenen Gaben und des Guten, das er vollbracht hat, lassen ihn staunend neu entdecken, daß alles in seinem Leben Gnade ist; alles ist Frucht der Liebe Gottes, der ihn durch seine bevorzugte Wahl vom Mutterschoß an zum lebendigen Abbild des Guten Hirten berufen hat. Im Licht dieser alten, aber immer wieder neuen Liebe erscheinen dem Priester auch die schwierigen Momente in seinem priesterlichen Leben als Gelegenheiten der Gnade und des göttlichen Wohlwollens, die ihn dazu bewegen, mit festerem Vertrauen die Weihe seines Lebens an den „treuen und gerechten“ Herrn zu erneuern. 3. „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ „Ja, Herr, du weißt, daß ich dich liebe“ (Joh 21,16). Wie von Petrus am Ufer des Sees von Tiberias, so verlangt heute der Auferstandene von jedem von euch eine Antwort der Liebe. Sie soll sich fortsetzen im Gespräch mit ihm in innerem, unaufhörlichem Gebet, in der ungeschmälerten Antwort auf das Geschenk des Zölibats, in der Entscheidung für die Armut, die der Verkündigung des Gottesreiches Glaubwürdigkeit verleiht, in der vollen Verfügbarkeit für die Sache Gottes, die sich auch in der Tugend des Gehorsams, in der Annahme der Letzten und in der täglichen Hingabe des Lebens ausdrückt, wenn nötig bis zum Vergießen des Blutes. Es ist der Weg der Heiligkeit, den der Priester mit immer neuem Eifer gehen soll: Wenn er sich davon entfernt, läuft er Gefahr, vergebens zu arbeiten (vgl. Lk 5,5). 4. In den vergangenen 25 Jahren mußtet ihr euch mit einer in sehr schneller Entwicklung befindlichen Welt konfrontieren. In ihr zeigte sich immer augenscheinlicher „der Bruch zwischen Evangelium und Kultur“, den Papst Paul VI. als das „Drama unserer Zeitepoche“ bezeichnete (Evangelii nuntiandi, Nr. 20): Die religiöse Gleichgültigkeit, die krampfhafte Suche nach Ersatzwerten, die hemmungslose Verbreitung einer Kultur des Todes haben zuweilen eure Aufgabe als Erzieher und Lehrer des Gottesvolkes mühsam gemacht. Gegenüber so vielen problematischen Situationen hat euch die Gewißheit der unveränderten Liebe Gottes zum Menschen und eurer Berufung, euch in den Dienst seines Heilsplanes zu stellen, gestützt. Wie ich euch am vergangenen Gründonnerstag schrieb: „Das Priestertum, dessen wir heute mit so großer Verehrung als unseres besonderen Erbes gedenken, ... ist ein Priestertum des Dienstes!“ (Nr. 7). Diese Sendung setzt euch immer anspruchsvollere Ziele und veranlaßt euch zu einem stärkeren Einsatz, immer neue Methoden zu finden, damit auch der Mensch von heute Christus, dem Retter, begegnen möge. In der Tat, „die Neuevangelisierung braucht neue Verkünder, und das sind die Priester, die sich verpflichten, ihr Priestertum als besonderen Weg zur 885 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heiligkeit zu leben“ (Pastores dabo vobis, Nr. 82). Fürchtet euch nicht! Seid mit all euren Kräften Propheten der Hoffnung, Verkünder der Wahrheit, Diener der Gnade und des Lebens! Erkennt angesichts des näherkommenden dritten Jahrtausends der christlichen Ära euer Priestertum als große Gabe Gottes für den Aufbau der echten Zivilisation, jener der Liebe. Ich vertraue Maria, der Mutter der Priester, euer Leben, eure Freuden, die Leiden und die Zukunft eures Priestertums an: Möge ihre liebevolle Anwesenheit euch immer begleiten. Ich erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen, den ich gern auf eure Familienangehörigen ausweite und auf all jene, die der Herr eurem priesterlichen Eifer anvertraut hat. Eucharistische Kongresse sind Zeichen der Dankbarkeit Ansprache bei der Vollversammlung des Päpstlichen Komitees für Internationale Eucharistische Kongresse am 18. Mai Eminenzen, verehrte Brüder im Bischofs und Priesteramt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist mir heute eine Freude, zusammen mit den Mitgliedern des Päpstlichen Komitees für Internationale Eucharistische Kongresse eine beachtliche Anzahl von Abgeordneten der Bischofskonferenzen zu empfangen. Eure Anwesenheit in Stellvertretung aller Kontinente und der verschiedensten Kulturen veranschaulicht deutlich die universale Dimension der Eucharistischen Kongresse, welche ihrerseits in der Feier des Eucharistischen Kongresses in Rom anläßlich des Großen Jubiläums des Jahres 2000 in einzigartiger Weise zum Ausdruck kommt. An jeden einzelnen von euch geht mein herzlicher Gruß. In ganz besonderer Weise aber möchte ich mich an euren Vorsitzenden, den verehrten Kardinal Edouard Gagnon, wenden und ihm für seine bewegenden Worte danken, die er soeben im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. 2. Die Wahl des Veranstaltungsortes Eucharistischer Kongresse bringt natürlich eine besondere Bedeutung für die Gesamtkirche mit sich. Und tatsächlich fanden diese Kongresse auch in verschiedenen Teilen der Erde statt; nicht zuletzt, um besonders wichtige Momente im Leben der Kirche in Erinnerung zu rufen und sie zu vollziehen, um aus ihnen die für die Gegenwart notwendigen Lehren zu entnehmen. Das war zum Beispiel beim letzten Kongreß in Sevilla der Fall, bei dem wir des fünf hundertjährigen Jubiläums der Evangelisierung Lateinamerikas gedacht haben. Der Sturz der kommunistischen Vorherrschaft in Osteuropa bot eine von der Vorsehung ausersehene Gelegenheit, den Kongreß „in dem Teil Europas einzuberufen, der nach einer harten Prüfung wiedergeboren wurde in Freiheit“ {Ankündigung durch den Papst bei der Statio Orbis des Kongresses in Sevilla, L'Osservatore Romano, 14./15. Juni 1993, S. 1). In Sevilla stellte ich die Vorbereitung und die Entwicklung dieses kommenden Treffens zu Ehren Jesu im Altars- 886 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sakrament „unter den mütterlichen Schutz unserer Lieben Frau von Tschensto-chau, womit der Tätigkeit der Kirche besonders in den Ländern Mitteleuropas ein erneuter Anstoß gegeben werden soll“ (ebd.). „Eucharistie und Freiheit“ wird daher das Thema des nächsten Kongresses sein, dessen Gastgeberin die Kirche Polens ist. 3. Der Kongreß wird ein außerordentlicher Hymnus an Christus sein, ein Hymnus der Dankbarkeit für das Geschenk der Freiheit, das von Mitteleuropa aus der gesamten Kirche sowie der ganzen Welt zum Wohl gereichte. Er wird auch zeigen können, wie der Glaube an Christus, den Erlöser, gegenwärtig in der Feier der Eucharistie und im Allerheiligsten Altarsakrament, die Quelle der Hoffnung und der Liebe war, die alle Leiden und Verfolgungen überdauerten - ein Glaube, der schließlich die Befreiung eingebracht und verwirklicht hat. In der Eucharistie können wir das Geheimnis der Befreiung auch von den neuen Formen der Sklaverei finden, die sich in der heutigen Genuß und Kosumgesellschaft zeigen. Der Kongreß wird in der historischen Stadt Wroclaw stattfinden, also direkt im Herzen Europas, jenes Europas, das seine christlichen Wurzeln zum Wohl der ganzen Menschheit bewahren bzw. wiederfinden muß. Es ist eine Stadt, in der die Tür zum Osten offen steht, und dies mit unverkennbar ökumenischer Berufung. Der Kongreß wird also nicht um die Frage herum kommen, wie die Christen sich von all dem befreien können, was sie hindert, sich zusammen um den eucharistischen Tisch des Herrn zu versammeln (vgl. Orientale Lumen, Nr. 19 und Nr. 28). 4. Zum Teil war die Arbeit eurer Versammlung auf Überlegungen bezüglich der pastoralen Aktivität gerichtet, die notwendig ist, um das christliche Volk so zu bilden, daß es die wesentliche Beziehung zwischen Eucharistie und Freiheit leben kann. Die Freiheit, die wir in Christus und im eucharistischen Sakrament suchen, ist jene weitreichende und tiefgründende, die folgendermaßen vom Konzil beschrieben wird: „Die wahre Freiheit aber ist ein erhabenes Kennzeichen des Bildes Gottes im Menschen“ (Gaudium et spes, Nr. 17). Von eben dieser Freiheit spricht der Apostel Paulus im Brief an die Galater mit den Worten, die als „Molto“ für diesen Kongreß gewählt wurden: „Hac libertate nos Christus liberavit ...“ - „Für die Freiheit hat Christus uns befreit; steht also fest und laßt euch nicht wieder unter das Joch einer Knechtschaft bringen“ (Gal 5,1). Jeden Tag vergegenwärtigt die Eucharistie das Opfer Christi und läßt es wirksam werden; denn Christus hat sich freiwillig für uns hingegeben, damit wir mit ihm zu neuem Leben wiedergeboren werden können. „Der gekreuzigte Christus - so rief ich in der Enzyklika Veritatis Splendor in Erinnerung - enthüllt den authentischen Sinn der Freiheit; diesen lebt er in ganzer Fülle durch seine Selbsthingabe und beruft seine Jünger, an eben dieser Freiheit teilzunehmen“ (Nr. 85). So war die Eucharistie - in diesem wie in den ersten Jahrhunderten der Kirche - das Brot der Freiheit, die Wegzehrung des Mutes und des Martyriums. Ihre Feier in den Katakomben des zwanzigsten Jahrhun- 887 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN derts hat den Raum des Glaubens und der Hoffnung geschaffen, in dem sich die neuen Märtyrer wieder gestärkt haben, die mit dem Zeugnis ihres Lebens und auch oft mit dem Preis des Todes die Würde des Gewissens und den Wert des Gehorsams gegenüber dem Gesetze Gottes rühmten. 5. Meine Lieben, euch allen möchte ich meine Wertschätzung und meine lebendige Anerkennung für den von euch geleisteten wertvollen Dienst aussprechen. Ich weiß, daß das Päpstüche Komitee und das lokale Komitee von Wroclaw mit Hilfe kompetenter und großzügiger Mitarbeiter schon viel für das In-Gang-Brin-gen der Kongreßvorbereitung und die diesbezügliche Programmerstellung geleistet haben. Das Zusammentreffen in dieser Woche mit dem Kardinalerzbischof Henryk Roman Gulbinowicz und mit Vertretern der Diözesangemeinde hat euch ja einen Vorgeschmack auf den brüderlichen Empfang gegeben, der den Pilgern der ganzen Kirche Vorbehalten sein wird. Viel bleibt noch zu tun, damit nicht nur die dort Anwesenden diese wertvolle Erfahrung des Kongresses erleben. Eine eurer Hauptaufgaben als Gesandte der Teilkirchen wird eben darin bestehen, ein echtes Interesse für ein solch wichtiges kirchliches Ereignis zu wecken und allen Gläubigen zu helfen, sich als wirklich daran teilnehmend zu empfinden. Diesbezüglich habt ihr, wie es ja auch angebracht war, über die Lebendigkeit des eucharistischen Kultes in euren Ländern reflektiert, indem ihr euch fragtet, wie die Feier des Internationalen Eucharistischen Kongresses neue und gottgewollte Beiträge für dessen Entwicklung liefern könne. Ein erstes Mittel dafür wird sicherlich sein, aufmerksam die pastorale, katechetische und liturgische Vorbereitung zu verfolgen, die in Wroclaw und in ganz Polen getroffen wird, und euch ihnen anzuschließen mit Initiativen, die den kulturellen Bedingungen eines jeden Landes angepaßt sind. Ein zweites Mittel wird die Vertiefung des Kongreßthemas selbst sein, um in den verschiedenen örtlichen Gegebenheiten jene Faktoren erkennen zu können, die von der vollen Ausübung der authentischen Freiheit abhalten oder sie behindern. Ein drittes Mittel wird es sein, konkretes Zeugnis dafür abzulegen, daß ein erneuerter Glaube an Christus in der Eucharistie und eine eucharistische Frömmigkeit, die der heutigen Zeit und den liturgischen Normen entspricht, uns angesichts des vielgestaltigen Druckes und der neuen Götzen, die dazu neigen, sich unserem Gewissen aufzuzwingen, wirklich frei machen können. Maria, die Allheilige, die durch die Freiheit ihres „Fiat“ und die freiwillige Anwesenheit unter dem Kreuz der Welt Jesus, den Befreier, geschenkt hat, möge uns helfen, ihm im Allerheiligsten Altars akrament zu begegnen, und sie möge erlangen, daß der nächste Kongreß ihn auch der Welt als einzig wahren Erlöser vor Augen stelle: heute, wie gestern und immer (vgl. Tertio Millennio adveniente, Nr. 1 und Nr. 59). Euch und eure Arbeit ihr anvertrauend, erteile ich euch allen und euren Mitarbeitern den Apostolischen Segen. 888 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle Dimensionen der Liebe des Evangeliums aufzeigen Ansprache an die Generalversammlung der Gesellschaft der Missionare Afrikas am 19. Mai Herr Generaloberer, liebe Freunde der Gesellschaft für die Missionen Afrikas! 1. Die zu Ende gehende Generalversammlung bietet die willkommene Gelegenheit, euch zu empfangen. Ich danke P. Daniel Cardot, eurem neuen Generalsuperior, für die Worte, die er an mich gerichtet hat; er übernimmt die Aufgabe von P. Patrick Harrington, den ich gern begrüße; ich ermutige ihn sehr und wünsche ihm alles Gute für die Erfüllung seiner Aufgabe gemeinsam mit seinen neuen Assistenten. 2. Während der Wochen der Meditation und des Gedankenaustausches konntet ihr gemeinsam den Sinn der Sendung bedenken, die eure Gesellschaft kennzeichnet. Kurz nach der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika und wenige Monate vor den Synodenfeiem, die auf afrikanischem Boden stattfinden werden, schätze ich eure Treue zu zahlreichen Ländern dieses Kontinents, wo ihr arbeitet. Wir wissen, daß unsere afrikanischen Brüder schwere Prüfungen durchmachen müssen aufgrund ihrer Armut, der Ungerechtigkeit und zahlreichen Formen der Gewaltanwendung. Doch - wie ihr gern betont - ist die Kirche in Afrika zwar in den Augen der Welt arm, jedoch reich durch die angeborenen Qualitäten ihrer Kinder. Sie lebt einem ruhigen Glauben in tiefer Hoffnung nach. Eure brüderliche Präsenz bedeutet inmitten der jungen Kirchen eine sehr wertvolle Stütze und hilft ihnen, in Gemeinschaft mit der universalen Kirche, ihre eigene Gestalt zu gewinnen. Teilt daher weiter mit unseren Brüdern und Schwestern in Afrika und auch in den übrigen Regionen, wo ihr präsent seid, die von jedem Missionar in seiner persönlichen Berufung und von eurer ganzen Gesellschaft in ihrer Tradition der Evangelisierung empfangenen Gaben. 3. In dieser Osterzeit sind wir für die Worte des Auferstandenen aufgeschlossen, der seine Gefährten mit der Kraft des Geistes als Träger des Heiles, des Verzei-hens und der Versöhnung aussendet. Auf dem Weg nach Emmaus läßt Jesus den Jüngern den Sinn seines Erlösungsopfers am Kreuz und seines Sieges über den Tod aufgehen; er offenbart seine Gegenwart im Brotbrechen und läßt diese ratlos gewordenen Menschen den Weg der Gemeinschaft mit ihren Brüdern wiederfinden; denn sie kehren ja zu den Aposteln in Jerusalem zurück. Dieser große Augenblick des Osterevangeliums regt das Bedenken eurer Sendung im Geist der Enzyklika Redemptoris missio sowie der Botschaft an, welche die Synode für Afrika erlassen hat. Die Synodenväter haben in wunderbarer Weise den echten Sinn der Evangelisierung ausgesprochen: „Unveränderlich in ihrem Gehalt, der Christus ist, ... ist sie nicht an erster Stelle eine Theorie, sondern Leben, eine Begegnung der Liebe, die unser Leben umwandelt, heute nicht anders als zu Beginn der Kirche ... 889 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Evangelisieren heißt Christus, den einzigen Erlöser des Menschen, leben lassen“ (iSchlußbotschaft, Nr. 9). Euer Herzensanliegen ist es, unseren Brüdern und Schwestern in Afrika alle Dimensionen der Liebe des Evangeliums aufzuzeigen: die Hilfe und Unterstützung für die am meisten Hilflosen und die Entdeckung des Antlitzes des Herrn, wie es im Antlitz der Kleinsten aufleuchtet, die seine Brüder und Schwestern sind, wie es so nachdrücklich das Evangelium des hl. Matthäus aufzeigt (25,31-6). Die christliche Botschaft ist von einer Art, daß sie nur in der brüderlichen Präsenz derer mitgeteilt werden kann, die ihrerseits selbst die Gnade empfangen haben. Es geht um einen wirklichen Austausch der Gaben, um eine Formulierung aufzugreifen, die ich an anderer Stelle verwendet habe: Die Missionare, die ihr seid, nehmen bewußt den religiösen Sinn, den Sinn für Gemeinschaft und das Vertrauen auf das Lebens wahr, in Afrika lauter wesentliche Qualitäten; ihr entdeckt voll Freude im Herzen dieser Völker lebendige Samenkörner des Wortes. Anderseits sollt ihr die Schätze entdecken lassen, mit denen uns Christus zu allen Zeiten und an allen Orten überhäuft, das Licht der Offenbarung und die vielfältigen Aspekte des kirchlichen Lebens. 4. Eine der schönsten Äußerungen dieses Austausches der Gaben ist sichtbar in der Entwicklung eurer Gesellschaft und in den Berufungen, die ihr in den durch die Missionare Afrikas evangelisierten Ländern aufnehmen könnt: Die jungen Kirchen sind bereit, ihre Kinder für die Weiterführung der Verkündigung der Frohbotschaft zur Verfügung zu stellen. Wir wollen daher die Jugendlichen, die er ruft, dem Herrn anvertrauen, aber auch ihre Heranbildung unter eurer Führung sowie die Fruchtbarkeit ihres künftigen Dienstes. 5. Liebe Freunde, bei dieser kurzen Begegnung möchte ich euch vor allem ermutigen und euch das Vertrauen des Nachfolgers des Petrus für ein Institut aussprechen, das im Dienst des Evangeliums bereits so viel geleistet hat und auf das die Kirche heute wie gestern zählt. Möge Christus, der Erlöser, die Söhne von Msgr. Marion de Bresillac auf ihren Wegen führen! Von ganzem Herzen erteile ich euch wie auch allen Mitgliedern der Gesellschaft den Apostolischen Segen. In alten und neuen Armen Christus erkennen Ansprache an das Generalkapitel der Kongregation der Barmherzigen Schwestern von der hl. Johanna Antida Thouret am 19. Mai Liebe Schwestern in Christus! 1. Ich freue mich sehr über die heutige Begegnung mit euch Ordensschwestern von der verdienstvollen Kongregation der Barmherzigen Schwestern von der hl. Johanna Antida Thouret anläßlich eures Generalkapitels. Ich grüße euch alle und 890 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jede einzelne mit Zuneigung und richte einen besonderen Glückwunsch an Schwester Antoine Marie Henriot, die als Generaloberin der Kongregation in ihrem Amt bestätigt wurde, sowie an den neugewählten Rat. Während dieser Tage des intensiven Gebets und der Meditation habt ihr euer besonderes Charisma an Nächstenliebe im Dienst an den Bedürftigen und Leidenden vertieft und die geeignetsten Wege klar zu erkennen versucht, um es in der heutigen Gesellschaft und in der gegenwärtigen Zeitphase zwischen dem zweiten und dem dritten christlichen Jahrtausend zu leben. Eine wahre und fruchtbare Erneuerung eures Religiosenin-stituts kann nicht von der Bemühung um tiefe und ständige Treue zur ursprünglichen Inspiration eurer Gründerin absehen: In der Tat kann nur auf diese Weise das ursprüngliche vinzentinische Charisma unter den veränderten historischen und kulturellen Bedingungen wieder lebendig werden. 2. Die Berufung, die euch der Herr in der Kirche geschenkt hat, ist die Evangelisierung der Armen, indem ihr ihnen helft, als Persönlichkeiten und als Kinder Gottes zu wachsen. Es handelt sich dabei um eine bevorzugte Form des Apostolats, wodurch ihr in den von der alten und der neuen Armut betroffenen Personen das Antlitz des leidenden Christus erkennt. Es ist das ein Zeugnis, das sich als besonders wirksam erweist gegenüber den Menschen unserer Zeit, die sich empfindsamer zeigen für die konkreten Zeichen der Präsenz Gottes in ihrem Leben als für die Lehräußerungen über sein Vatersein. Folglich seid ihr mit eurem Verhalten, euren Worten und mit jeder Tat berufen, jedem, der sich an euch wendet, in irgendeiner Weise Gelegenheit zu einer unmittelbaren und persönlichen Erfahrung der liebevollen Fürsorge Gottes zu bieten. Wie sollte man jedoch nicht erkennen, daß ein solches Zeugnis, um wahrhaftig zu sein, einer fortwährenden Erneuerung an den Quellen der Gnade, genährt von Gebet und geistlichem Leben, bedarf? Der tägliche Kontakt mit Gott möge daher eure Tätigkeit ständig begeistern, damit sie durch ein Übermaß an Barmherzigkeit zum Tragen komme und sich nahezu auf natürliche Weise unter den Brüdern ausbreite. „Gott allein!“ Das ist der Leitspruch, den euch die hl. Johanna Antida in einem entscheidenden Moment für die Geschichte der Kirche in Frankreich und in Europa als Erbe hinterlassen hat. Denn Gott ist die Liebe (1 Joh 4,8). In diesem Wahlspruch ist die Notwendigkeit enthalten, die Barmherzigkeit in Fülle zu leben - ein Grundsatz, der die Evangelisierung anregt und fruchtbar werden läßt. Ich ermutige euch deshalb, liebe Schwestern, euch mit dem Zeugnis der Nächstenliebe der großen Herausforderung der Neuevangelisierung zu stellen, wozu die gesamte Kirche berufen ist. 3. Die evangelische Armut und die Einfachheit kennzeichnen stets euren Lebensstil, um mit den Kleinen und Armen vertraut zu sein. Die Betrachtungen und Ratschläge, die aus der Versammlung des Kapitels hervorgegangen sind, mögen die Kongregation auf dem Weg zum Jahr 2000 führen, um der jetzigen Generation das Beispiel eines vollkommen im Dienst an Gott und den Brüdern geweihten Lebens zu geben und gerade dadurch die Fähigkeit zu erlangen, die Jugendlichen 891 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von heute anzuziehen, die - gleichwie jene von gestern - nach wirklichen Vorbildern suchen, für die sie die eigene Existenz einsetzen. Ich vertraue dem mütterlichen Schutz der Heiligsten Maria die Arbeiten des Kapitels und all eure Wünsche und Vorhaben an. Sie, die mit Christus die Armut von Betlehem, von Nazareth und des Kalvarienberges teilte, möge euch die vollkommene Loslösung von den irdischen Dingen und von euch selbst schenken, damit ihr ganz Gott und den Brüdern gehört. Indem ich für die ganze Kongregation die Fürbitte der hl. Johanna Antida Thouret und des hl. Vinzenz von Paul erbitte, erteile ich euch und euren Mitschwestem sowie allen, denen ihr mit eurer Nächstenliebe täglich begegnet, von Herzen meinen Segen. Fördert und verteidigt das Leben! Ansprache an die Generalkapitel der Kamillianer und Kamillianerinnen am 19. Mai Liebe Brüder und Schwestern der Kamillianerfamilie! 1. Es ist mir eine große Freude, euch anläßlich eurer jeweiligen Generalkapitel zu empfangen. Herzlich grüße ich euch, die Kapitulare der Ordensgemeinschaft der Diener der Kranken, die ihr in Bucchianico, der Geburtsstadt eures hl. Gründers, Kamillus von Lellis, zusammengekommen seid. Mit gleicher Zuneigung heiße ich auch euch willkommen, Töchter des hl. Kamillus, die ihr, denke ich, noch voll eifriger Begeisterung seid aufgrund der unlängst gefeierten Seligsprechung eurer Gründerin, Mutter Giuseppina Vannini. Gleichfalls grüße ich den Generaloberen, P. Angelo Brusco, und die Generaloberin, Mutter Serafina Dalla Porta, und danke ihnen für ihre Begrüßungsworte, und da bekanntlich beide in ihrem Amt bestätigt worden sind, wünsche ich ihnen einen heiligen und fruchtbringenden Dienst. Während dieser intensiven Tage sind eure beiden Ordensgemeinschaften dem Auf ruf gefolgt, über Charisma und Spiritualität der Kamillianer im Hinblick auf das Jubiläum des Jahres 2000 nachzudenken im Einklang mit den Anweisungen des Apostolischen Schreibens Tertio millennio adveniente und einer erneuerten Zustimmung zu den Werten des Evangeliums. Dieser letzte Abschnitt unseres Jahrhunderts gab der gesamten Kamillianerfamilie mehrmals Gelegenheit, fruchtbringende Hundertjahrfeiern zu begehen, die euch zum Nachdenken über die heroischen Ereignisse aus der Gründungszeit des Instituts angeregt haben, von denen ich insbesondere das vierhundertjährige Jubiläum der Ordenserhebung der ursprünglichen „Gesellschaft der Diener der Kranken“(vgl. Bulle Illius qui pro gre-gis von Papst Gregorius XIV.) erwähnen möchte. In dieser Atmosphäre erneuerten Eifers hat das Generalkapitel des Ordens beschlossen, den „Tag der Kamillianer, Märtyrer der Nächstenliebe“ einzuführen, der jedes Jahr am 25. Mai, dem Geburtstag des hl. Kamillus von Lellis, gefeiert werden soll. Mit dieser Initiative 892 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wollt ihr unterstreichen, daß die Hingabe in Nächstenliebe bis zum Heroismus einer der bezeichnenden Aspekte jenes prophetischen Charakters des gottgeweihten Lebens ist, der von Natur aus „das neue und ewige, in der Erlösung Christi erworbene Leben“ bezeugt und „die zukünftige Auferstehung und die Herrlichkeit des Himmelreiches“ ankündigt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44). 2. Die letzte ordentliche Versammlung der Bischofssynode hat mit Nachdruck die Anweisung des Konzils neu aufgegriffen, wonach „zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens heißt: ständige Rückkehr zu den Quellen jedes christlichen Lebens und zum Geist des Ursprungs der einzelnen Institute, zugleich aber deren Anpassung an die veränderten Zeitverhältnisse“ (.Perfectae caritatis, Nr. 2). Erneuern und sich erneuern bedeutet also, den ursprünglichen Geist des jeweiligen Ordenscharismas lebendig zu erhalten und ihn vor der - durch veränderte historische und gesellschaftliche Gegebenheiten bedingten - drohenden Abflachung seiner anfänglichen Kraft zu bewahren. Wirkliche Erneuerung ist nur durch absolute und mutige Treue zu dem jeweiligen Charisma in Kontinuität des von dem Gründer eingeschlagenen Weges erreichbar. 3. Die neue Fassung eurer Konstitution, liebe Kamillianer, betont berechtigterweise die Notwendigkeit, daß euer Leben „von der Freundschaft Gottes durchtränkt sein muß“; damit ihr euch bewußt seid, den Kranken gegenüber Diener der Barmherzigkeit Christi zu sein. Auf diese Weise wird in euch ,jener Glaube offenbar, der in Kamillus in tätiger Liebe wirksam wurde“ und in dem ihr berufen seid, in den Kranken den Herrn selbst zu sehen. Mehr noch, in dieser Gegenwart Christi in den Kranken und denjenigen, die ihnen in seinem Namen dienen, seht ihr die eigentliche Quelle eurer Spiritualität (vgl. Konstitution, 13). Durch eure Berufung und Sendung an der Seite der Leidenden und derjenigen, die sich ihrer annehmen, werdet ihr, dem Beispiel eures Gründers, dem heroischen Apostel der Nächstenliebe, folgend, zu Förderern und „Handwerkern“ einer wirklichen Lebensform des Evangeliums im Dienst an den Kranken. In diesem Sinne möchte ich euch meine Anerkennung aussprechen für den wichtigen Impuls, den ihr der missionarischen Tätigkeit eures heute auf allen Kontinenten vertretenen Ordens durch die Ausdehnung seines apostolischen Wirkens bis nach Südamerika, in den Femen Osten und Osteuropa geben konntet. Ferner habt ihr im Kaukasus die Verwaltung des Redemptoris-Mater-Krankenhauses übernommen, das ich Armenien gespendet habe, und in Zusammenarbeit mit dem Hl. Stuhl habt ihr ein Gesundheitsprojekt in Georgien eingerichtet, das den Namen Redemptor hominis trägt. Weiter hattet ihr angesichts der Ausbreitung neuer Armut und Krankheiten den Wunsch - den Anweisungen des Generalkapitels von 1989 folgend; euch in stärkerem Maße den Bedürfnissen der Armen und der verlassensten und ausgestoßensten unter den Kranken, wie den Drogensüchtigen und den Aids-Opfem, zu widmen, und zu diesem Zweck habt ihr zahlreiche Betreuungszentren gegründet. 893 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Euch, liebe Töchter des hl. Kamillus, möchte ich erneut meine Anerkennung und jene Wünsche aussprechen, die ich bereits im vergangenen Oktober zum Ausdruck brachte, als ich die Freude hatte, Mutter Giuseppina Vannini zur Ehre der Altäre zu erheben. Geht weiter mit neuer kraftvoller Nächstenliebe den von eurer seligen Gründerin vorgezeichneten Weg! Mit den Kamillianem zusammen bestärke ich euch darin, die unerläßliche Zuwendung an die Kranken stets mit der Evangelisierung des Gesundheitswesens zu verbinden, um die Sichtweise des Evangeliums für Leben, Leiden und Sterben zu bezeugen. Darin besteht eine der grundlegenden Aufgaben, die von den Ausbildungsinstituten eurer Ordensfamilie, insbesondere vom Internationalen Institut für die Pastoraltheologie des Gesundheitswesens, dem „Camillianum“ in Rom, verwirklicht werden muß. Wie ich bereits in der Enzyklika Evangelium vitae betonte, ist diese Aufgabe von grundlegender Bedeutung für die Förderung einer wahren Kultur des Lebens innerhalb der christlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft (vgl. Nr. 82). 5. Setzt euch ein, in treuer Einhaltung der ursprünglichen Inspiration eurer Ordensinstitute und durch die Befolgung der Anweisungen der letzten Bischofssynode ü über das gottgeweihte Leben, für die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Ordensleuten und Laien, damit die Familie der Kamillianer das Zeugnis ihrer evangelischen Solidarität in der Welt des Sanitäts- und Gesundheitswesens ausweiten kann. Die Pastoral im Gesundheitswesen ist einer der Apostolatsbereiche, in dem die Anmut des Gott und dem Nächsten geweihten Lebens am besten zum Ausdruck kommt, insbesondere in der heutigen Gesellschaft, die eher bereit ist, „mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten, als den Theorien zu glauben“ (vgl. Redemptoris missio, Nr. 42). Möge die liebevolle Sorge für die leidenden Brüder innerhalb des Gottesvolkes an den hervorragenden Wert jener Liebe erinnern, die in der Barmherzigkeit zum Ausdruck kommt: Es gibt keine bessere Schule als diese, um wahre Berufungen zu wecken. 6. Liebe Brüder und Schwestern, folgt auf den Spuren des heiligen Gründers und der seligen Gründerin treu ergeben eurer Berufung, unterstützt durch ein vom Gebet und vor allem von der Eucharistie genährtes intensives geistliches Leben. Lebt in brüderlicher Gemeinschaft, und erfüllt mit Freude und Kompetenz euren barmherzigen Dienst an den Kranken, vor allem an den ärmsten und einsamsten. Möget ihr Apostel Christi für diejenigen sein, die eurer Hilfe am meisten bedürfen, seid mutige und prophetische Initiatoren in der weit verzweigten Welt der Krankheit, offen und empfänglich für die Anforderungen der Zeit, seid fähig, mitzuhelfen und dem leidenden Menschen eure Liebe entgegenzubringen. Möget ihr euch auch durch jene Großherzigkeit auszeichnen, mit der ihr die im Bereich des Gesundheitswesens Tätigen unterstützt, indem ihr das Leben fördert und verteidigt und den Dienst an den Kranken zu einer wahren Gotteserfahrung macht. Möge die hl. Jungfrau, die ihr mit dem besonderen Namen „Maria, Heil der Kranken“ anruft, 894 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der der hl. Kamillus von Lellis und die sei. Giuseppina Vannini stets in Liebe zugetan waren, euch bei der Verwirklichung der während eurer Generalkapitel ausgearbeiteten Vorsätze helfen. Es begleite euch auch mein Segen, den ich euch wie der ganzen Kamillianerfamilie und von Herzen auch allen eurer sorgfältigen Pflege anvertrauten Kranken erteile. Gegenseitiges Verständnis fördern Ansprache an den Kultusminister der Republik Bulgarien, Prof. Gheorghi Kostov, und eine offizielle Delegation anläßlich des Festes der hll. Kyrill und Method am 23. Mai Sehr geehrter Herr Kultusminister! Sehr geehrte Herren und liebe Brüder! l.Ich richte meinen herzlichen Willkommensgruß an Euch alle, Mitglieder der offiziellen Delegation aus Bulgarien, die ihr nach einer inzwischen längeren Tradition von hohem geistigen und ökumenischem Wert jedes Jahr nach Rom kommt um den Festtag der Missionare der Slawenvölker, der hll. Kyrill und Method feierlich zu begehen. Die engen geistigen Bande dieser Völker zu den zwei Brüdern aus Saloniki, die von mir zusammen mit dem hl. Benedikt zu Mitpatronen Europas erklärt worden sind, regen die Kirche und die bulgarische Nation dazu an, sich zu dieser alljährlichen Pilgerfahrt zusammenzuschließen. Sie führt ihre Vertreter bis nach Rom und macht deutlich, daß die Botschaft von Kyrill und Method, tief verwurzelt im Gewissen der slawischen Nationen, das beispielhafte Muster darstellt, das die Menschen hin zur kirchlichen Einheit und zur Verständigung untereinander lenkt. Ich habe neulich geschrieben, daß die communio sanctorum zu den Völkern mit stärkerer Stimme spricht als die trennenden Faktoren (vgl. Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 37). Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend sind wir aufgefordert, die Zeichen der Zeit mit größerer Aufmerksamkeit wahrzunehmen: Wir haben die Ökumene der Märtyrer und der Heiligen vor uns, das heißt das Zeugnis von so vielen Söhnen und Töchtern der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, deren Beispiel schon heute als Erbe aller Christen verstanden wird. Umso mehr verdienen Kyrill und Method eine neue Interpretation im Hinblick auf das neue Jahrtausend. Sie sind Heilige aus der Epoche unserer gemeinsamen Geschichte. Ihr Leben und ihr Werk gehören in eine Zeit, in der die Spaltung der Christenheit zwischen Ost und West noch nicht vollzogen war. Die Gegensätzlichkeiten, die mit ihrer Last an möglichen Doppelsinnigkeiten und schmerzlichen Verwicklungen ständig Zunahmen, ließen die Entfremdung zwischen West- und Ostkirche schon ahnen. Kyrill und Method bezahlten einen 895 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehr hohen Preis dafür, daß sie bis zuletzt dem Wohle der Slawenvölker und der Einheit der universalen Kirche dienen wollten (vgl. Slavorum Apostoli, Nr. 10). 2. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend muß das Beispiel der heiligen Brüder aus Saloniki die Gläubigen und die Menschen guten Willens noch tiefer zum gegenseitigen Verständnis und zur brüderlichen Verständigung anregen. Kyrill und Method verstanden es, die Wahrheiten des Evangeliums in eine neue Sprache zu übersetzen und trugen auf diese Weise zur Entwicklung der Kultur der slawischen Völker und der ganzen Welt bei, wie der Herr Minister gerade eben zu Recht gesagt hat. Möge dieses Vermächtnis der Heiligkeit, das Kyrill und Method auf ewig festgeschrieben haben und das den christlichen Westen und Osten zusammenschweißt, jeden von uns mit dem brennenden Wunsch nach Einheit zwischen der katholischen und den orthodoxen Kirchen erfüllen. Ihr Beispiel spornt uns an, jeden Weg zu suchen, um die Beziehungen, die Zusammenarbeit, das Vertrauen, den theologischen Dialog und den Dialog der Nächstenliebe zu vertiefen. Unser Zeugnis der Einheit vor der ganzen Welt kann dem gesellschaftlichen Zusammenleben nur Nutzen bringen und zum Aufbau einer menschlicheren, gerechteren und harmonischeren Gesellschaft beitragen. Durch Eure Vermittlung sende ich meinen Gruß an das bulgarische Volk und an seine Verantwortlichen zusammen mit meinen herzlichen Wünschen für Wohlergehen und Frieden. Ich trage Euch außerdem auf, meine Gefühle brüderlicher Zuneigung an den Patriarchen von Bulgarien, Seine Seligkeit Maxime, und an die altehrwürdige Kirche von Sofia zu überbringen. Utunumsint Enzyklika über den Einsatz für die Ökumene vom 25. Mai 1. Ut unum sint! Der Aufruf zur Einheit der Christen, den das II. Vatikanische Konzil mit so großer Eindringlichkeit vorgebracht hat, findet im Herzen der Gläubigen immer stärkeren Widerhall, besonders beim Näherrücken des Jahres Zweitausend, das für sie ein heiliges Jubiläumsjahr sein wird zum Gedächtnis der Fleischwerdung des Gottessohnes, der Mensch geworden ist, um den Menschen zu retten. Das mutige Zeugnis so vieler Märtyrer unseres Jahrhunderts, die auch anderen nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche befindlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften angehören, verleiht dem Konzilsaufruf neue Kraft und erinnert uns an die Verpflichtung, seine Aufforderung anzunehmen und in die Tat umzusetzen. Vereint in der hochherzigen Hingabe ihres Lebens für das Reich Gottes sind diese unsere Brüder und Schwestern der bedeutendste Beweis 896 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dafür, daß in der Ganzhingabe seiner selbst an die Sache des Evangeliums jedes Element der Spaltung bewältigt und überwunden werden kann. Christus ruft alle seine Jünger zur Einheit. Mein brennender Wunsch ist es, diese Aufforderung heute zu erneuern, sie mit Entschiedenheit wieder aufzuwerfen, wobei ich an das erinnere, was ich am Karfreitag 1994 zum Abschluß der von den Worten unseres verehrten Bruders, des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus von Konstantinopel geführten Kreuzwegmeditation am Kolosseum in Rom unterstrichen habe. Ich habe bei jenem Anlaß gesagt, daß diejenigen, die an Christus glauben und durch die lange Reihe der Märtyrer miteinander verbunden sind, nicht gespalten bleiben können. Wenn sie gegen das Bestreben der Welt, das Geheimnis der Erlösung zu entleeren, wahrhaftig und wirksam ankämpfen wollen, müssen sie gemeinsam dieselbe Wahrheit über das Kreuz bekennen J Das Kreuz! Die antichristliche Strömung setzt sich zum Ziel, den Wert des Kreuzes zu zerstören, es seiner Bedeutung zu entleeren, indem sie leugnet, daß der Mensch in ihm die Wurzeln seines neuen Lebens hat; indem sie behauptet, das Kreuz vermöge weder Aussichten noch Hoffnungen zu nähren: der Mensch, so heißt es, ist nur ein irdisches Wesen, das so leben soll, als ob es Gott nicht gäbe. 2. Niemandem entgeht die Herausforderung, die all das an die Gläubigen stellt. Sie müssen sie annehmen. Wie könnten sie in der Tat ablehnen, mit Gottes Hilfe alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um Mauern der Trennung und des Mißtrauens niederzureißen, um Hindernisse und Vorurteile zu überwinden, die die Verkündigung des Evangeliums vom Heil durch das Kreuz Jesu, des einzigen Erlösers des Menschen, jedes Menschen, verhindern? Ich danke dem Herrn, daß er uns dazu angehalten hat, auf dem Weg der Einheit und der Gemeinschaft unter den Christen voranzuschreiten, der zwar schwierig, aber so reich an Freude ist. Die interkonfessionellen Dialoge auf theologischer Ebene haben positive und greifbare Ergebnisse erbracht: das ermutigt zum Weitennachen. Doch außer den Divergenzen in den Lehrmeinungen, die gelöst werden müssen, können die Christen die Last uralter, aus der Vergangenheit ererbter Verständnislosigkeit, gegenseitiger Mißverständnisse und Vorurteile nicht verringern. Erschwert wird diese Situation nicht selten durch Unbeweglichkeit, Gleichgültigkeit und eine unzureichende Kenntnis voneinander. Das Engagement für die Ökumene muß sich daher auf die Umkehr der Herzen und auf das Gebet stützen, was auch zur notwendigen Läuterung der geschichtlichen Erinnerung führen wird. Durch die Gnade des Heiligen Geistes sind die Jünger des Herrn, beseelt von der Liebe, vom Mut zur Wahrheit und von dem aufrichtigen Willen, einander zu verzeihen und sich zu versöhnen, aufgerufen, ihre schmerzvolle Vergangenheit und jene Wunden, die diese leider auch heute noch immer hervorruft, gemeinsam neu zu bedenken. Von der stets jungen Kraft des Evangeliums werden sie eingeladen, 1 Vgl. Schlußwort nach dem Kreuzweg am Karfreitag (1. April 1994), Nr. 3: A4S87(1995)88. 897 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gemeinsam aufrichtig und völlig objektiv die begangenen Irrtümer sowie die Begleiterscheinungen anzuerkennen, die am Beginn ihrer unglückseligen Trennungen standen. Dazu braucht es einen ruhigen und klaren, der Wahrheit verpflichteten und von der göttlichen Barmherzigkeit belebten Blick, der imstande ist, den Geist zu befreien und in einem jeden eine neue Bereitschaft zu wecken im Hinblick auf die Verkündigung des Evangeliums an die Menschen jedes Volkes und jeder Nation. 3. Mit dem II. Vatikanischen Konzil hat sich die katholische Kirche unumkehrbar dazu verpflichtet, den Weg der Suche nach der Ökumene einzuschlagen und damit auf den Geist des Herrn zu hören, der uns lehrt, aufmerksam die „Zeichen der Zeit“ zu lesen. Die Erfahrungen, die die Suche nach Einheit in diesen Jahren erlebt hat und weiter erlebt, erleuchten sie noch tiefer über ihre Identität und ihre Sendung in der Geschichte. Die katholische Kirche sieht die Schwächen ihrer Söhne und Töchter und bekennt sie im Bewußtsein, daß deren Sünden ebenfalls Treuebrüche und Hindernisse für die Verwirklichung des Planes des Erlösers darstellen. Da sie sich unablässig zur Erneuerung nach dem Evangelium aufgerufen fühlt, hört sie nicht auf, Buße zu tun. Gleichzeitig erkennt und preist sie jedoch noch mehr die Macht des Herrn, der sie mit dem Geschenk der Heiligkeit überhäuft hat, sie an sich zieht und sie seinem Leiden und seiner Auferstehung angleicht. Im Wissen um die vielfältigen Wechselfälle ihrer Geschichte setzt sich die Kirche dafür ein, sich von jedem rein menschlichen Rückhalt zu befreien, um das Gesetz der Seligpreisungen aus dem Evangelium in seiner ganzen Tiefe zu leben. Da sie sich bewußt ist, daß sich die Wahrheit nicht anders durchsetzt „als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt“ <222> erstrebt sie für sich selber nichts außer die Freiheit, das Evangelium zu verkünden. In der Tat erprobt sich ihre Autorität im Dienst an der Wahrheit und der Liebe. <222> II. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 1. Ich selbst möchte jeden nützlichen Schritt fördern, damit das Zeugnis der gesamten katholischen Gemeinschaft in seiner vollen Reinheit und Konsequenz verstanden werden kann, vor allem im Hinblick auf jenes Ziel, das die Kirche an der Schwelle des neuen Jahrtausends erwartet, eines außerordentlichen Augenblicks, angesichts dessen sie den Herrn bittet, daß die Einheit zwischen allen Christen bis hin zur Erlangung der vollen Gemeinschaft wachsen möge. <223> Dieses edle Ziel hat auch die vorliegende Enzyklika im Auge, die in ihrem vorwiegend pastoralen Charakter einen Beitrag dazu leisten will, das Bemühen aller zu unterstützen, die für das Anliegen der Einheit tätig sind. ^ Vgl. Apostol. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 16: AA£87( 1995)15. 4. Dies ist eine klare Verpflichtung des Bischofs von Rom als Nachfolger des Apostels Petrus. Ich erfülle sie mit der tiefen Überzeugung, dem Herrn zu gehorchen, und im vollen Bewußtsein meiner menschlichen Schwachheit. Denn auch 898 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn Christus dem Petrus diese besondere Sendung in der Kirche anvertraut und ihm aufgetragen hat, die Brüder zu stärken, so ließ er ihn gleichzeitig seine menschliche Schwachheit und die besondere Notwendigkeit seiner Bekehrung erkennen: „Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,32). Gerade in der menschlichen Schwachheit des Petrus wird vollständig offenkundig, daß der Papst völlig von der Gnade und vom Gebet des Herrn abhängt, um dieses besondere Amt in der Kirche erfüllen zu können: „Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt“ (Lk 22,32). Die Bekehrung des Petrus und seiner Nachfolger stützt sich auf das Gebet des Erlösers selber, und die Kirche nimmt ständig an diesem Bittgebet teil. In unserer, vom II. Vatikanischen Konzil geprägten ökumenischen Epoche ist die Sendung des Bischofs von Rom in besonderer Weise darauf ausgerichtet, an das Erfordernis der vollen Gemeinschaft der Jünger Christi zu erinnern. Der Bischof von Rom selbst muß sich das Gebet Christi um die Bekehrung, die für „Petrus“ unabdingbar ist, voll Inbrunst zu eigen machen, um den Brüdern dienen zu können. Von Herzen bitte ich darum, daß die Gläubigen der katholischen Kirche und alle Christen an diesem Gebet teilnehmen. Zusammen mit mir mögen alle für diese Bekehrung beten. Wir wissen, daß die Kirche auf ihrem irdischen Pilgerweg unter Gegnerschaft und Verfolgungen gelitten hat und weiter leiden wird. Doch die Hoffnung, die sie trägt, ist unerschütterlich, so wie die Freude unzerstörbar ist, die aus solcher Hoffnung erwächst. Denn der starke und ewige Fels, auf dem sie gegründet ist, ist Jesus Christus, ihr Herr. I. Kapitel Die ökumenische Verpflichtung der katholischen Kirche Der Plan Gottes und die Gemeinschaft 5. Zusammen mit allen Jüngern Christi gründet die katholische Kirche ihre ökumenische Verpflichtung, alle in der Einheit zu versammeln, auf dem Plan Gottes. Denn „die Kirche ist nicht eine in sich selbst geschlossene Wirklichkeit, sondern fortwährend offen für die missionarische und ökumenische Dynamik, da sie ja in die Welt gesandt ist, um das Geheimnis der Gemeinschaft, das sie konstituiert, zu verkünden und zu bezeugen, zu vergegenwärtigen und zu verbreiten: alle und alles in Christus zu vereinen, allen untrennbares Sakrament der Einheit’ zu sein“. <224> Schon im Alten Testament brachte der Prophet Ezechiel unter Bezugnahme auf die damalige Situation des Gottesvolkes den göttlichen Willen zum Ausdruck, die Mitglieder seines zerrissenen Volkes „von allen Seiten zu sammeln“; der Prophet Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio Communionis notio (28. Mai 1992), Nr. 4: AAS85(1993)840. 899 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bediente sich dazu des einfachen Symbols zweier zunächst verschiedener Holzstücke, die dann zu einem einzigen Stück zusammengefügt wurden: „Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Die Völker werden erkennen, daß ich der Herr bin, der Israel heiligt“ (vgl. 37,16-28). Das Johannesevangelium sieht angesichts der Situation des Gottesvolkes zu jener Zeit in Jesu Tod den Grund für die Einheit der Kinder Gottes: „Der Hohepriester [...] sagte [...], daß Jesus für das Volk sterben werde. Aber er sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (11,51-52). Tatsächlich wird der Brief an die Epheser erklären: „Er riß [...] die trennende Wand der Feindschaft nieder [...] durch das Kreuz [...]. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet“ (2,14-16), aus dem, was getrennt war, hat er eine Einheit geschaffen. 6. Die Einheit der ganzen zerrissenen Menschheit ist Gottes Wille. Aus diesem Grund hat er seinen Sohn gesandt, damit dieser durch seinen Tod und seine Auferstehung uns seinen Geist der Liebe schenke. Am Vorabend seines Opfertodes am Kreuz bittet Jesus selbst den Vater für seine Jünger und für alle, die an ihn glauben, daß sie eins seien, eine lebendige Gemeinschaft. Von daher rührt nicht nur die Pflicht, sondern auch die Verantwortung, die vor Gott, gegenüber seinem Plan, jenen Menschen obliegt, die durch die Taufe zum Leib Christi werden sollen, zu dem Leib, in dem sich die Versöhnung und die Gemeinschaft voll verwirklichen sollen. Wie ist es nur möglich, getrennt zu bleiben, wenn wir doch mit der Taufe „eingetaucht“ wurden in den Tod des Herrn, das heißt in den Akt selbst, in dem Gott durch den Sohn die Wände der Trennung niedergerissen hat? Die „Spaltung widerspricht ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen“. <225> II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 1. Der ökumenische Weg: der Weg der Kirche 7. „Der Herr der Geschichte, der seinen Gnadenplan mit uns Sündern in Weisheit und Langmut verfolgt, hat in jüngster Zeit begonnen, über die gespaltene Christenheit ernste Reue und Sehnsucht nach Einheit reichlicher auszugießen. Von dieser Gnade sind heute überall sehr viele Menschen ergriffen, und auch unter unseren getrennten Brüdern ist unter der Einwirkung der Gnade des Heiligen Geistes eine sich von Tag zu Tag ausbreitende Bewegung zur Wiederherstellung der Einheit aller Christen entstanden. Diese Einheitsbewegung, die man als ökumenische Bewegung bezeichnet, wird von Menschen getragen, die den dreieinigen Gott an-rufen und Jesus als Herrn und Erlöser bekennen, und zwar nicht nur einzeln für sich, sondern auch in ihren Gemeinschaften, in denen sie die frohe Botschaft vernommen haben und die sie ihre Kirche und Gottes Kirche nennen. Fast alle streben, wenn auch auf verschiedene Weise, zu einer einen, sichtbaren Kirche Gottes 900 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hin, die in Wahrheit allumfassend und zur ganzen Welt gesandt ist, damit sich die Welt zum Evangelium bekehre und so ihr Heil finde zur Ehre Gottes“. <226> <226> Ebd. 8. Diese Aussage des Dekretes Unitatis redintegratio muß im Gesamtzusammenhang des Konzilslehramtes gelesen werden. Das II. Vatikanische Konzil bringt die Entschlossenheit der Kirche zum Ausdruck, die ökumenische Aufgabe zugunsten der Einheit der Christen anzunehmen und sie mit Überzeugung und Entschiedenheit voranzutreiben: „Dieses Heilige Konzil mahnt alle katholischen Gläubigen, daß sie, die Zeichen der Zeit erkennend, mit Eifer an dem ökumenischen Werk teilnehmen“. <227> 1 Ebd., Nr. 4. Unitatis redintegratio hält sich, wenn es die katholischen Prinzipien des Ökume-nismus anführt, vor allem an die Lehre über die Kirche, wie sie in der Konstitution Lumen Gentium, und zwar in dem Kapitel über das Volk Gottes niedergelegt ist. <228> Zugleich denkt es an die Aussagen der Konzilserklärung Dignitatis humanae über die Religionsfreiheit. <229> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 14. Vgl. II. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nm. 1 u. 2. Die katholische Kirche nimmt hoffnungsvoll die ökumenische Verpflichtung an als einen Imperativ des vom Glauben erleuchteten und von der Liebe geleiteten christlichen Gewissens. Auch hier läßt sich das Wort des hl. Paulus an die ersten Christen von Rom anwenden: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (Röm 5,5); daher „läßt“ uns unsere „Hoffnung nicht zugrunde gehen“ (Röm 5,5). Es ist die Hoffnung auf die Einheit der Christen, die in der trinitarischen Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ihre göttliche Quelle hat. 9. Jesus selbst hat in der Stunde seines Leidens gebetet, daß „alle eins seien“ (Joh 17,21). Diese Einheit, die der Herr seiner Kirche geschenkt hat und in der er alle umfangen wollte, ist nicht etwas Nebensächliches, sondern steht im Zentrum seines Wirkens. Und sie ist auch nicht gleichbedeutend mit einem zweitrangigen Attribut der Gemeinschaft seiner Jünger. Sie gehört vielmehr zum Wesen dieser Gemeinschaft selbst. Gott will die Kirche, weil er die Einheit will und in der Einheit die ganze Tiefe seiner agape zum Ausdruck kommt. Denn diese vom Heiligen Geist geschenkte Einheit besteht nicht bloß in einer Ansammlung von Personen, die sich zu einer Summe addieren. Es ist eine Einheit, die durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der hierarchischen Leitung und Gemeinschaft gebildet wird. <230> Die Gläubigen sind eins, weil sie sich im Geist in der Gemeinschaft des Sohnes und in ihm in seiner Gemeinschaft mit dem Vater befinden: „Wir haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 14. 9 10 901 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seinem Sohn Jesus Christus“ (I Joh 1,3). Für die katholische Kirche ist daher die Gemeinschaft der Christen nichts anderes als das Offenbarwerden der Gnade an ihnen, durch die Gott sie zu Teilhabern an seiner eigenen Gemeinschaft macht, die sein ewiges Leben ist. Die Worte Christi, daß „alle eins seien“, sind also das Gebet an den Vater, damit sich sein Plan voll erfülle, auf daß allen enthüllt werde, „wie jenes Geheimnis Wirklichkeit geworden ist, das von Ewigkeit her in Gott, dem Schöpfer des Alls, verborgen war“ (Eph 3,9). An Christus glauben heißt, die Einheit wollen; die Einheit wollen heißt, die Kirche wollen; die Kirche wollen heißt, die Gnadengemeinschaft wollen, die dem Plan des Vaters von Ewigkeit her entspricht. Das also ist die Bedeutung des Gebetes Christi: „Ut unum sint“. 10. Im gegenwärtigen Zustand der Spaltung unter den Christen und der zuversichtlichen Suche nach der vollen Gemeinschaft fühlen sich die katholischen Gläubigen zutiefst ermahnt vom Herrn der Kirche. Das II. Vatikanische Konzil hat durch ein klares und für alle, auch unter den anderen Christen vorhandene kirchliche Werte offenes Kirchenbild ihren Einsatz gestärkt. Die katholischen Gläubigen stellen sich im Geist des Glaubens der ökumenischen Problematik. Das Konzil sagt, daß „die Kirche Christi in der katholischen Kirche verwirklicht ist, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“, und anerkennt gleichzeitig, „daß außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen“. <231> „Daher sind die getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet“. <232> <231> Ebd., Nr. 8. <232> U. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 3 11. Auf diese Weise bestätigt die katholische Kirche, daß sie während ihrer zweitausendjährigen Geschichte in der Einheit mit sämtlichen Gütern, mit denen Gott seine Kirche ausstatten möchte, erhalten gebheben ist, und das trotz der oft schweren Krisen, die sie erschüttert haben, trotz mangelnder Treue einiger ihrer Amtsträger und der Fehler, in die ihre Mitglieder tagtäglich verfallen. Die katholische Kirche weiß, daß namens der Hilfe, die ihr vom Heiligen Geist zukommt, die Schwächen, die Mittelmäßigkeiten, die Sünden, mitunter die Treuebrüche mancher ihrer Söhne und Töchter das nicht zerstören können, was Gott auf Grund seines Planes an Gnaden in sie eingegossen hat. Auch „die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ {Mt 16,18). Die katholische Kirche vergißt jedoch nicht, daß viele in ihren Reihen Gottes Plan trüben. Wenn das Dekret über den Ökume-nismus die Spaltung der Christen ins Gedächtnis zurückruft, weiß es sehr wohl um 902 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die „Schuld der Menschen auf beiden Seiten“ <233> und erkennt an, daß die Verantwortung nicht ausschließlich den „anderen“ zugeschrieben werden kann. Durch Gottes Gnade ist jedoch das, was den Aufbau der Kirche Christi ausmacht, und auch jene Gemeinschaft, die mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften fortbesteht, nicht zerstört worden. <233> Ebd. Die Elemente der Heiligung und der Wahrheit, die in den anderen christlichen Gemeinschaften in je unterschiedlichem Grad vorhanden sind, bilden in der Tat die objektive Grundlage der, wenn auch unvollkommenen, Gemeinschaft, die zwischen ihnen und der katholischen Kirche besteht. In dem Maße, in dem diese Elemente in den anderen christlichen Gemeinschaften vorhanden sind, ist die eine Kirche Christi in ihnen wirksam gegenwärtig. Deshalb spricht das H. Vatikanische Konzil von einer gewissen, wenngleich unvollkommenen Gemeinschaft. Die Konstitution Lumen Gentium unterstreicht, daß die katholische Kirche sich mit diesen Gemeinschaften sogar durch eine bestimmte, echte Verbindung im Heiligen Geist „aus mehrfachem Grunde verbunden weiß“. <234> <234> Nr. 15. 12. Dieselbe Konstitution hat ausführlich „die Elemente der Heiligung und Wahrheit“ dargelegt, die in unterschiedlicher Weise außerhalb der sichtbaren Grenzen der katholischen Kirche vorhanden und wirksam sind: „Viele nämlich halten die Schrift als Glaubens- und Lebensnorm in Ehren, zeigen einen aufrichtigen religiösen Eifer, glauben in Liebe an Gott, den allmächtigen Vater, und an Christus, den Sohn Gottes und Erlöser, empfangen das Zeichen der Taufe, wodurch sie mit Christus verbunden werden; ja, sie anerkennen und empfangen auch andere Sakramente in ihren eigenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Mehrere unter ihnen besitzen auch einen Episkopat, feiern die heilige Eucharistie und pflegen die Verehrung der jungfräulichen Gottesmutter. Dazu kommt die Gemeinschaft im Gebet und in anderen geistlichen Gütern; ja sogar eine wahre Verbindung im Heiligen Geiste, der in Gaben und Gnaden auch in ihnen mit seiner heiligmachenden Kraft wirksam ist und manche von ihnen bis zur Vergießung des Blutes gestärkt hat. So erweckt der Geist in allen Jüngern Christi Sehnsucht und Tat, daß alle in der von Christus angeordneten Weise in der einen Herde unter dem einen Hirten in Frieden geeint werden mögen“. <235> <235> Ebd. Unter Bezugnahme auf die orthodoxen Kirchen erklärte das Konzilsdekret über den Ökumenismus im besonderen, daß „durch die Feier der Eucharistie des Herrn in diesen Einzelkirchen die Kirche Gottes sich aufbaut und wächst“. <236> Das alles anzuerkennen ist ein Erfordernis der Wahrheit. <236> II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegmtio, Nr. 15. 903 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 13. Dasselbe Dokument arbeitet die Auswirkungen dieser Situation auf die Lehre mit aller Nüchternheit heraus. Es erklärt bezüglich der Mitglieder dieser Gemeinschaften: „Nichtsdestoweniger sind sie durch den Glauben in der Taufe gerechtfertigt und Christus eingegliedert, darum gebührt ihnen der Ehrenname des Christen, und mit Recht werden sie von den Söhnen der katholischen Kirche als Brüder im Herrn anerkannt“. <237> <237> Ebd., Nr. 3. Unter Bezugnahme auf die vielfältigen Güter, die in den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vorhanden sind, fügt das Dekret hinzu: „All dieses, das von Christus ausgeht und zu ihm hinführt, gehört rechtens zu der einzigen Kirche Christi. Auch zahlreiche liturgische Handlungen der christlichen Religion werden bei den von uns getrennten Brüdern vollzogen, die auf verschiedene Weise je nach der verschiedenen Verfaßtheit einer jeden Kirche und Gemeinschaft ohne Zweifel tatsächlich das Leben der Gnade zeugen können und als geeignete Mittel für den Zutritt zur Gemeinschaft des Heiles angesehen werden müssen“. <238> Hier handelt es sich um ökumenische Texte von allergrößter Bedeutung. Außerhalb der Grenzen der katholischen Gemeinschaft besteht also kein kirchliches Vakuum. Viele und bedeutende (eximia) Elemente, die in der katholischen Kirche zur Fülle der Heilsmittel und der Gnadengaben gehören, die die Kirche ausmachen, finden sich auch in den anderen christlichen Gemeinschaften. <238> Ebd. 14. Alle diese Elemente tragen den Hinweis auf die Einheit in sich, in der sie ihre Fülle finden sollen. Es geht also nicht darum, alle in den christlichen Gemeinschaften verstreuten Reichtümer einfach summarisch aneinanderzureihen, um schließlich zu einer Kirche zu gelangen, die Gott für die Zukunft anstreben würde. Gemäß der großen, von den Kirchenvätern des Orients und des Abendlandes bezeugten Tradition glaubt die katholische Kirche, daß im Pfingstereignis Gott bereits die Kirche in ihrer eschatologischen Wirklichkeit offenbar gemacht hat, wie er sie „seit der Zeit des gerechten Abel“ <239> vorbereitete. Sie ist bereits eine Gegebenheit. Aus diesem Grund befinden wir uns bereits in der Endzeit. Die Elemente dieser bereits gegebenen Kirche existieren in ihrer ganzen Fülle in der katholischen Kirche und noch nicht in dieser Fülle in den anderen Gemeinschaften, <240> wo gewisse Aspekte des christlichen Geheimnisses bisweilen sogar wirkungsvoller zutage treten. Das Bestreben des Ökumenismus ist es eben, die zwischen den Christen bestehende teilweise Gemeinschaft bis zur vollen Gemeinschaft in der Wahrheit und in der Liebe wachsen zu lassen. <239> Vgl. Hl. Gregor der Grosse, Homiliae in Evangelia 19, 1: PL 76, 1154, zitiert aus: II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 2. <240> vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 4. 904 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erneuerung und Bekehrung 15. Von den Anfängen, vom Imperativ des christlichen Gewissens bis hin zur Verwirklichung des ökumenischen Weges zur Einheit hebt das II. Vatikanische Konzil vor allem die Notwendigkeit der Bekehrung des Herzens hervor. Die messiani-sche Verkündigung „die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“ und der darauf folgende Aufruf „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15), mit dem Jesus seine Sendung beginnt, nennen das grundlegende Element, das jeden Neubeginn kennzeichnen muß: das Grunderfordemis der Evangelisierung in jedem Abschnitt des Heilsweges der Kirche. Das betrifft in besonderer Weise den Prozeß, den das H. Vatikanische Konzil dadurch eingeleitet hat, daß es in die Erneuerung die ökumenische Aufgabe aufgenommen hat, die voneinander getrennten Christen zu vereinen. ,Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung“. <241> Ebd., Nr. 7. Das Konzil ruft sowohl zur persönlichen wie zur gemeinschaftlichen Bekehrung auf. Das Streben jeder christlichen Gemeinschaft nach der Einheit muß Schritt halten mit ihrer Treue zum Evangelium. Handelt es sich um Personen, die ihre christliche Berufung leben, spricht das Konzil von innerer Umkehr, von einem Neuwerden des Geistes. <242> Vgl. ebd. Ein jeder muß sich also grundlegender zum Evangelium bekehren und, ohne je den Plan Gottes aus den Augen zu verlieren, seinen Blick ändern. Durch den Okume-nismus wurde die Betrachtung von „Gottes großen Taten“ (mirabilia Dei) um neue Räume bereichert, in denen der dreieinige Gott das Wirken der Gnade weckt: die Wahrnehmung, daß der Heilige Geist in den anderen christlichen Gemeinschaften tätig ist; die Entdeckung von Beispielen der Heiligkeit; die Erfahrung der unbegrenzten Reichtümer der Gemeinschaft der Heiligen; der Kontakt mit unvorhersehbaren Aspekten des christlichen Engagements. Dementsprechend hat auch das Bußbedürfnis zugenommen: das Bewußtsein von gewissen Ausschlüssen, die die brüderliche Liebe verletzen; von gewissen Verweigerungen zu verzeihen; eines gewissen Stolzes; jenes nicht dem Evangelium entsprechenden Sich-Abkapselns in die Verdammung der „anderen“; einer Verachtung, die aus einer unlauteren Anmaßung herrührt. Auf diese Weise wird das ganze Leben der Christen von der ökumenischen Sorge geprägt, und sie sind aufgerufen, sich gleichsam von ihr formen zu lassen. 16. Im Lehramt des Konzils besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Erneuerung, Bekehrung und Reform. Es führt aus: „Die Kirche wird auf dem Wege ihrer Pilgerschaft von Christus zu dieser dauernden Reform gerufen, deren sie allzeit bedarf, soweit sie menschliche und irdische Einrichtung ist; was also etwa je nach den Umständen und Zeitverhältnissen [...] nicht genau genug bewahrt worden ist, 21 22 905 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN muß deshalb zu gegebener Zeit sachgerecht und pflichtgemäß erneuert werden“. <243> Keine christliche Gemeinschaft kann sich diesem Aufruf entziehen. <243> Ebd., Nr. 6. Durch den offenen Dialog helfen sich die Gemeinschaften, sich gemeinsam im Lichte der apostolischen Überlieferung zu betrachten. Das veranlaßt sie sich zu fragen, ob sie wirklich in angemessener Weise all das zum Ausdruck bringen, was der Heilige Geist durch die Apostel weitergegeben hat. <244> <245> Was die katholische Kirche betrifft, so habe ich auf diese Erfordernisse und Ausblicke wiederholt hingewiesen, wie zum Beispiel anläßlich der Tausendjahrfeier der Taufe der Rus25 oder zur Erinnerung an das Werk der Evangelisierung der Heiligen Cyrill und Methodius vor elfhundert Jahren. <246> Erst kürzlich hat das vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen mit meiner Approbation herausgegebene Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus diese Erfordernisse auf den Pastoralbereich angewandt. <247> <248> <244> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 7. 26 Vgl. Apostol. Schreiben Euntes in mitndum (25. Januar 1988): .1/15800 988)935-956. <246> Vgl. Enzyklika Slavorum Apostoü (2. Juni 1985): AAS1K 1985)779-813. <247> Vgl. Directoire pour Vapplication des principes et des normes sur VOecutnenisme (25. März 1993): A4S85(1993) 1039-1119. 23 Vgl. insbesondere das sogenannte Lima-Papier: Taufe, Eucharistie, Amt (Januar 1982): Euch. Oecum. 1, 1392-1446, und das Dokument Nr. 153 von „Glaube und Verfassung“ Confessing the „One“faith, Genf 1991. 17. Was die anderen Christen betrifft, so haben die Hauptdokumente der Kommission Glaube und Verfassung28 und die Erklärungen anläßlich zahlreicher bilateraler Gespräche den christlichen Gemeinschaften bereits nützliche Werkzeuge geliefert, um zu erkennen, was für die ökumenische Bewegung und für die Umkehr, die sie auslösen soll, notwendig ist. Diese Studien sind unter einem doppelten Blickwinkel wichtig: sie zeigen die schon erreichten beachtlichen Fortschritte auf und erfüllen mit Hoffnung, weil sie eine sichere Grundlage für die Forschung darstellen, die fortgesetzt und vertieft werden muß. Die Gemeinschaft, die in einer dauernden, im Lichte der apostolischen Überlieferung durchgeführten Reform wächst, ist in der gegenwärtigen Situation des christlichen Volkes zweifellos einer der kennzeichnenden und wichtigsten Züge des Ökumenismus. Andererseits ist sie auch eine grundlegende Garantie für seine Zukunft. Die Gläubigen der katholischen Kirche können nicht übersehen, daß der ökumenische Aufschwung des II. Vatikanischen Konzils eines der Ergebnisse des damaligen Bemühens der Kirche ist, sich im Lichte des Evangeliums und der großen Überlieferung selbst zu erforschen. Mein Vorgänger Papst Johannes XXIII. hatte das gut verstanden, als er bei der Einberufung des Konzils ablehnte, Aggior-namento und ökumenische Öffnung zu trennen. <249> Die ökumenische Berufung des Konzils hat Papst Paul VI. zum Abschluß jener Konzilsversammlung dadurch ge- <249> Vgl. Ansprache zur Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils (11. Oktober 1962): A1.S’54( 1962)793. 906 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN würdigt, daß er den Dialog der Liebe mit den Kirchen, die sich in Einheit mit dem Patriarchen von Konstantinopel befinden, wiederaufnahm und zusammen mit ihm die konkrete und höchst bedeutungsvolle Handlung vollzog, die die Exkommunikationen der Vergangenheit „vergessen gemacht“ - ja „aus dem Gedächtnis und aus der Mitte der Kirche getilgt“ hat. Es muß daran erinnert werden, daß die Schaffung einer eigenen Einrichtung für den Ökumenismus mit dem Beginn der Vorbereitung des n. Vatikanischen Konzils zusammenfällt <250> und daß durch diese Einrichtung die Meinungen und Einschätzungen der anderen christlichen Gemeinschaften ihren Anteil an den großen Debatten über die Offenbarung, über die Kirche, über das Wesen des Ökumenismus und über die Religionsfreiheit gehabt haben. <250> Es handelt sich um das Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen, das von Papst Johannes XXHL mit dem Motu proprio Supemo Dei nutii (5. Juni 1960), Nr. 9: AAS52(1960)436, errichtet und durch die nachfolgenden Dokumente bestätigt wurde: Motu proprio Appropinquante Concilio (6. August 1962), c. m, a. 7, §2, I: AAS54(1962)614; vgl. Paul VI., Apostol. Konstitution Regimini ecclesiae universae (15. August 1967), 92-94: AA559(1967)918-919. Dieses Dikasterium wird zur Zeit Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen genannt: vgl. Johannes Paul II., Apostol. Konstitution Pastor bonus (28. Juni 1988), V, art. 135-138: AAS80(1988)895-896. Fundamentale Bedeutung der Lehre 18. Während das Ökumenismusdekret einen Gedanken aufgreift, den Papst Johannes XXni. selbst bei der Eröffnung des Konzils geäußert hatte, <251> nennt es die Art der Lehrverkündigung unter den Elementen der dauernden Reform. <252> Es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, das Glaubensgut zu modifizieren, die Bedeutung der Dogmen zu ändern, wesentliche Worte aus ihnen zu streichen, die Wahrheit an den Zeitgeschmack anzupassen, bestimmte Artikel aus dem Credo zu streichen mit der falschen Vorgabe, sie würden heute nicht mehr verstanden. Die von Gott gewollte Einheit kann nur in der gemeinsamen Zustimmung zur Unversehrtheit des Inhalts des geoffenbarten Glaubens Wirklichkeit werden. Was den Glauben betrifft, steht der Kompromiß im Widerspruch zu Gott, der die Wahrheit ist. Wer könnte im Leib Christi, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist (,Joh 14,6), eine Versöhnung für rechtmäßig halten, die um den Preis der Wahrheit erreicht würde? Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis huma-nae schreibt der menschlichen Würde die Suche nach der Wahrheit, „besonders in dem, was Gott und seine Kirche angeht“, <253> und die Zustimmung zu seinen Forderungen zu. Ein „Miteinander“, das die Wahrheit verraten würde, stünde daher im Gegensatz zum Wesen Gottes, der seine Gemeinschaft anbietet, und zum Wahrheitsbedürfnis, das tief in jedem Menschenherzen wohnt. <251> Vgl. Ansprache zur Eröffnung des IL Vatikanischen Konzils (11. Oktober 1962): AAS54(1962)792. <252> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 6. <253> n. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 1. 907 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 19. Doch die Lehre muß in einer Weise dargelegt werden, die sie denjenigen, für die Gott sie bestimmt, verständlich macht. In der Enzyklika Slavorum apostoli erinnerte ich daran, daß Cyrill und Methodius aus diesem Grunde bemüht waren, die Ausdrücke der Bibel und die Vorstellungen der griechischen Theologie in einen Zusammenhang von sehr verschiedenen geschichtlichen Erfahrungen und Ideen zu übertragen. Sie wollten, daß das eine Wort Gottes „auf diese Weise in den Ausdrucksformen, die jeder einzelnen Zivilisation eigen sind, zugänglich“ werde. <254> Sie begriffen, daß sie nicht „den Völkern, die ihrer Verkündigung zugewiesen waren, die unbestrittene Überlegenheit der griechischen Sprache und der byzantinischen Kultur oder die Sitten und Gebräuche der fortgeschrittenen Gesellschaft aufdrängen“ konnten, „in welcher sie selbst aufgewachsen waren“. <255> So realisierten sie jene „vollkommene Gemeinschaft in der Liebe, [die] die Kirche vor jeglicher Form von ethnischem Partikularismus oder Exklusivität oder vor rassischem Vorurteil wie auch vor jeder nationalistischen Überheblichkeit bewahrt“. <256> In eben diesem Geist habe ich zu den Ureinwohnern Australiens gesagt: „Ihr dürft kein in zwei Teile gespaltenes Volk sein [...]. Jesus ruft euch, seine Worte und seine Werte innerhalb eurer eigenen Kultur anzunehmen“ <257> Da die Gabe des Glaubens ihrer Natur nach für die ganze Menschheit bestimmt ist, ist es erforderlich, sie in alle Kulturen zu übersetzen. Denn das Element, das über die Gemeinschaft in der Wahrheit entscheidet, ist die Bedeutung der Wahrheit. Die Ausdrucksform der Wahrheit kann vielgestaltig sein. Und die Erneuerung der Ausdrucksformen erweist sich als notwendig, um die Botschaft vom Evangelium in ihrer unwandelbaren Bedeutung an den heutigen Menschen weiterzugeben. <258> <254> Enzyklika Slavorum Apostoli (2. Juni 1985), Nr. 11: AAS1K1985)792. <255> Ebd., Nr. 13: a.a.O„ 794. <256> Ebd.. Nr. 11: a.a.O., 192. <257> Ansprache an die Ureinwohner Australiens (29. November 1986), Nr. 12: A4S79(1987)977. <258> Vgl. HI. Vinzenz von Lerins, Commonitoriumprimum; 23: PL 50, 667-668. „Dieser Erneuerung kommt also eine besondere ökumenische Bedeutung zu“. <259> Und dabei geht es nicht nur um Erneuerung in der Weise, wie der Glaube ausgedrückt wird, sondern um die Erneuerung des Glaubenslebens selbst. Nun könnte man fragen: wer soll diese Erneuerung vornehmen? Das Konzil gibt auf diese Frage eine klare Antwort: „Sie ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und geht einen jeden an, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen“. <260> <259> II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 6. <260> Ebd., Nr. 5. 20. Das alles ist äußerst wichtig und von grundlegender Bedeutung für die ökumenische Tätigkeit. Daraus ergibt sich unmißverständlich, daß der Ökumenismus, 908 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Bewegung für die Einheit der Christen, nicht bloß irgendein „Anhängsel“ ist, das der traditionellen Tätigkeit der Kirche angefügt wird. Im Gegenteil, er gehört organisch zu ihrem Leben und zu ihrem Wirken und muß infolgedessen dieses Miteinander durchdringen und so etwas wie die Frucht eines Baumes sein, der gesund und üppig heranwächst, bis er seine volle Entwicklung erreicht. So glaubte Papst Johannes XXIII. an die Einheit der Kirche, und so sah er der Einheit aller Christen entgegen. Bezüglich der anderen Christen, der großen christlichen Familie stellte er fest: „Das, was uns verbindet, ist viel stärker als das, was uns trennt“. Und das II. Vatikanische Konzil mahnt seinerseits: „Alle Christgläubigen sollen sich bewußt sein, daß sie die Einheit der Christen um so besser fördern, ja sogar einüben, je mehr sie nach einem reinen Leben gemäß dem Evangelium streben. Je inniger die Gemeinschaft ist, die sie mit dem Vater, dem Wort und dem Geist vereint, um so inniger und leichter werden sie imstande sein, die gegenseitige Brüderlichkeit zu vertiefen“ <261> Ebd., Nr. 7. Vorrang des Gebetes 21. „Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden“. <262> Ebd., Nr. 8. Man schreitet auf dem Weg, der zur Bekehrung der Herzen führt, zum Rhythmus der Liebe voran, die sich Gott und zugleich den Brüdern zuwendet: allen Brüdern, auch jenen, die sich nicht in voller Gemeinschaft mit uns befinden. Aus der Liebe entsteht die Sehnsucht nach der Einheit auch bei denen, die das Erfordernis der Einheit stets ignoriert haben. Die Liebe ist Baumeisterin der Gemeinschaft unter den Menschen und unter den Gemeinschaften. Wenn wir uns lieben, sind wir bestrebt, unsere Gemeinschaft zu vertiefen, sie auf die Vollkommenheit hin auszurichten. Die Liebe wendet sich an Gott als vollkommene Quelle der Gemeinschaft - die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes -, um daraus die Kraft zu schöpfen, die Gemeinsamkeit unter den Menschen und Gemeinschaften zu wecken oder sie unter den getrennten Christen wiederherzustellen. Die Liebe ist der tiefe Strom, der den Prozeß auf die Einheit hin belebt und mit Kraft erfüllt. Diese Liebe findet ihren vollendetsten Ausdruck im gemeinsamen Gebet. Wenn die Brüder, die miteinander nicht in vollkommener Gemeinschaft stehen, zum gemeinsamen Gebet Zusammenkommen, so nennt das II. Vatikanische Konzil ihr Gebet die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung. Es ist „ein sehr wirksames Mittel, um die Gnade der Einheit zu erflehen“, „ein echter Ausdruck der Gemeinsamkeit, 41 42 909 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in der die Katholiken mit den getrennten Brüdern immer noch verbunden sind“. <263> Auch wenn man nicht im formalen Sinn für die Einheit der Christen, sondern für andere Anliegen, wie zum Beispiel für den Frieden, betet, wird das Gebet an und für sich Ausdruck und Bekräftigung der Einheit. Das gemeinsame Gebet der Christen ist eine Einladung an Christus selbst, die Gemeinschaft derer zu besuchen, die zu ihm flehen: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). <263> Ebd. 22. Wenn Christen miteinander beten, erscheint das Ziel der Einheit näher. Es hat den Anschein, als würde die lange Geschichte der durch mannigfache Zersplitterungen gezeichneten Christen wieder zusammengefügt, wenn sie nach jener Quelle ihrer Einheit strebt, die Jesus Christus ist. Er „ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit!“ (Hebr 13,8). In der Gemeinsamkeit des Gebetes ist Christus wirklich gegenwärtig; Er betet „in uns“, „mit uns“ und „für uns“. Er leitet unser Gebet in dem Tröstergeist, den er seiner Kirche schon im Abendmahlssaal in Jerusalem verheißen und geschenkt hat, als er sie in ihrer ursprünglichen Einheit gegründet hat. Der Vorrang auf dem ökumenischen Weg zur Einheit gebührt sicherlich dem gemeinsamen Gebet, der Verbundenheit all derer im Gebet, die sich um Christus selbst zusammenschließen. Wenn es die Christen ungeachtet ihrer Spaltungen fertigbringen, sich immer mehr im gemeinsamen Gebet um Christus zu vereinen, wird ihr Bewußtsein dafür wachsen, daß das, was sie trennt, im Vergleich zu dem, was sie verbindet, gering ist. Wenn sie sich immer öfter und eifriger vor Christus im Gebet begegnen, werden sie Mut schöpfen können, um der ganzen schmerzlichen menschlichen Realität der Spaltungen entgegentreten zu können, und sie werden sich miteinander in jener Gemeinschaft der Kirche wiederfinden, die Christus trotz aller menschlichen Schwachheiten und Begrenztheiten unaufhörlich im Heiligen Geist aufbaut. 23. Schließlich führt die Gebetsgemeinschaft dazu, die Kirche und das Christentum mit neuen Augen zu sehen. Man darf nämlich nicht vergessen, daß der Herr vom Vater die Einheit seiner Jünger erfleht hat, damit sie Zeugnis gäbe von seiner Sendung und die Welt glauben könnte, daß der Vater ihn gesandt hatte (vgl. Joh 17,21). Man kann sagen, daß die ökumenische Bewegung in gewissem Sinne ihren Ausgang von der negativen Erfahrung derer genommen hat, die sich bei der Verkündigung des einen Evangeliums jeweils auf ihre Kirche oder kirchliche Gemeinschaft beriefen; ein Widerspruch, der keinem entgehen konnte, der die Heilsbotschaft hörte, und der darin ein Hindernis für die Annahme des Evangeliums fand. Leider ist dieses schwerwiegende Hindernis noch nicht überwunden. Es ist wahr, wir befinden uns noch nicht in voller Gemeinschaft. Doch trotz unserer Spaltungen befinden wir uns auf dem Weg zur vollen Einheit, jener Einheit, die 910 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die apostolische Kirche in ihren Anfängen kennzeichnete und nach der wir aufrichtig suchen: unser vom Glauben geleitetes gemeinsames Gebet ist dafür ein Beweis. Zu ihm versammeln wir uns im Namen Christi, der Einer ist. Er ist unsere Einheit. Das „ökumenische “ Gebet steht im Dienst an der christlichen Sendung und ihrer Glaubwürdigkeit. Darum muß es besonders im Leben der Kirche und bei jeder Tätigkeit präsent sein, die die Förderung der Einheit der Christen zum Ziel hat. Es ist, als sollten wir uns immer wieder im Abendmahlssaal des Gründonnerstag versammeln, obwohl unsere gemeinsame Anwesenheit an jenem Ort noch auf ihre vollkommene Erfüllung wartet, bis sich nach Überwindung der Hindernisse, die der vollkommenen kirchlichen Gemeinschaft im Wege stehen, alle Christen zu der einen Eucharistiefeier versammeln werden. <264> <264> Vgl. ebd., Nr. 4. 24. Es besteht Grand zur Freude festzustellen, daß die vielen ökumenischen Begegnungen fast immer das Gebet einschließen und sogar in ihm ihren Höhepunkt erreichen. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die im Monat Januar oder in einigen Ländern in der Pfingstwoche begangen wird, ist zu einer verbreiteten und festen Tradition geworden. Aber auch darüber hinaus gibt es zahlreiche Gelegenheiten, die im Laufe des Jahres die Christen zum gemeinsamen Gebet zusammenführen. In diesem Zusammenhang möchte ich jene besondere Erfahrung in Erinnerung rufen, die die Pilgerschaft des Papstes zwischen den Kirchen in den verschiedenen Erdteilen und Ländern der heutigen oikoumene darstellt. Ich bin mir bewußt, daß das II. Vatikanische Konzil den Papst auf diese besondere Aufgabe seines apostolischen Amtes hinorientiert hat. Das Konzil hat diese Pilgerschaft des Papstes in der Erfüllung der Rolle des Bischofs von Rom im Dienst der Gemeinschaft zu einer klaren Notwendigkeit gemacht. <265> Meine Pastoralbesuche haben fast immer eine ökumenische Begegnung und das gemeinsame Gebet von Brüdern und Schwestern eingeschlossen, die nach der Einheit in Christus und seiner Kirche suchen. Mit ganz besonderer innerer Bewegung erinnere ich mich an das gemeinsame Gebet mit dem Primas der anglikanischen Gemeinschaft in der Kathedrale von Canterbury am 29. Mai 1982, als ich in jenem wunderbaren Kirchenbau „ein beredtes Zeugnis sowohl für die langen Jahre unseres gemeinsamen Erbes als auch für die traurigen Jahre der darauffolgenden Spaltung“ <266> erkannte. Unvergeßlich sind mir auch meine Besuche in den skandinavischen und nordischen Ländern (1.-10. Juni 1989), in Nord- und Südamerika oder in Afrika oder am Sitz des Ökumenischen Rates der Kirchen (12. Juni 1984), jener Einrichtung, die sich zum Ziel setzt, die Mitgliedskirchen und kirchlichen Gemeinschaften aufzurafen „zum <265> Vgl. Johannes Paul H., Apost. Schreiben Tertia millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 24: AAS87(1995) 19-20. <266> Ansprache bei der ökumenischen Feier in der Kathedrale von Canterbury (29. Mai 1982), Nr. 5: AAS74(1982)922. 911 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ziel der sichtbaren Einheit in einem einzigen Glauben und in einer einzigen eu-charistischen Gemeinschaft, die sich im gemeinsamen Kult und im gemeinsamen Leben in Christus ausdrückt“. <267> Und wie könnte ich je meine Teilnahme an der Eucharistiefeier in der Georgioskirche im Phanar am Sitz des Ökumenischen Patriarchates (30. November 1979) und den feierlichen Gottesdienst in der Petersbasilika anläßlich des Besuches meines verehrten Bruders, des Patriarchen Dimitrios <267> Ökumenischer Rat der Kirchen, Statuten, III, 1: zitiert in: Euch. Oecum. 1,1392. I., in Rom (6. Dezember 1987) vergessen? Bei jenem Anlaß sprachen wir am Kon-fessio-Altar gemeinsam das nicaen-okonstantinopolitanische Glaubensbekenntnis nach dem griechischen Originaltext. Die besonderen Merkmale, von denen jede dieser Begegnungen im Gebet gekennzeichnet war, lassen sich nicht mit wenigen Worten beschreiben. Wegen der Vorbehalte aus der Vergangenheit, die auf jeder dieser Begegnungen in unterschiedlicher Weise lasteten, haben alle eine eigene und einzigartige Bedeutsamkeit; alle haben sich dem Gedächtnis der Kirche eingeprägt, die vom Tröster auf die Suche nach der Einheit aller Christgläubigen gelenkt wird. 25. Aber nicht nur der Papst ist zum Pilger geworden. In diesen Jahren haben mich viele hochrangige Vertreter anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften in Rom besucht, und ich konnte bei öffentlichen und privaten Anlässen mit ihnen beten. Auf die Anwesenheit des Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. habe ich bereits hingewiesen. Ich möchte nun auch an jene Begegnung im Gebet erinnern, die mich anläßlich des 600. Jahrestages der Heiligsprechung der hl. Brigitta gleichfalls hier in der Petersbasilika mit den lutherischen Erzbischöfen, dem Primas von Schweden und dem Primas von Finnland, zur Feier der Vesper vereint hat (5. Oktober 1991). Es handelt sich um ein Musterbeispiel dafür, daß das Bewußtsein der Verpflichtung, für die Einheit zu beten, zum integrierenden Bestandteil des Lebens der Kirche geworden ist. Es gibt kein wichtiges, bedeutsames Ereignis, das nicht von der Anwesenheit beider Seiten und dem Gebet der Christen begleitet würde. Ich kann unmöglich all diese Begegnungen aufzählen, obwohl jede verdienen würde genannt zu werden. Der Herr hat uns tatsächlich an der Hand genommen und leitet uns. Dieser vielfältige Gedankenaustausch, diese Gebete haben bereits Seite um Seite unseres „Buches der Einheit“ beschrieben, eines „Buches“, das wir immer aufschlagen und neu lesen müssen, um daraus Inspiration und Hoffnung zu schöpfen. 26. Das Gebet, die Gemeinschaft im Gebet, läßt uns immer die Wahrheit der Worte aus dem Evangelium wiederfinden: ,/iur einer ist euer Vater“ (Mt 23,9), jener Vater, Abba, den Christus selber anruft, Er, der sein eingeborener Sohn und eines Wesens mit ihm ist. Und dann: „nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder“ (Mt 23,8). Das „ökumenische“ Gebet enthüllt diese grundlegende Dimension der Brüderlichkeit in Christus, der gestorben ist, um die Kinder Gottes, die 912 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zerstreut waren, zusammenzuführen, auf daß wir im Sohn zu Söhnen werden (vgl. Eph 1,5) und die unergründliche Wirklichkeit der Vaterschaft Gottes und zugleich die Wahrheit über die Menschlichkeit eines jeden und aller vollkommener widerspiegeln. Das „ökumenische“ Gebet, das Gebet der Brüder und Schwestern bringt das alles zum Ausdruck. Eben weil sie voneinander getrennt sind, vereinen sie sich mit um so größerer Hoffnung in Christus und vertrauen ihm die Zukunft ihrer Einheit und ihrer Gemeinschaft an. Auf diesen Umstand könnte man wieder einmal treffend die Lehre des Konzils anwenden: „Wenn der Herr Jesus zum Vater betet, ,daß alle sollen eins seien [...] wie auch wir eins sind’ (Joh 17,20-22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und in der Liebe“. <268> <268> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. Ja, die Bekehrung des Herzens, Grundvoraussetzung für jede glaubwürdige Suche nach der Einheit, erwächst aus dem Gebet und wird von ihm auf ihre Erfüllung hin orientiert: „Denn aus dem Neuwerden des Geistes, aus der Selbstverleugnung und aus dem freien Strömen der Liebe erwächst und reift das Verlangen nach der Einheit. Deshalb müssen wir vom göttlichen Geiste die Gnade aufrichtiger Selbstverleugnung, der Demut und des geduldigen Dienstes sowie der brüderlichen Herzensgüte zueinander erflehen“. <269> 40 II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 7. 27. Für die Einheit zu beten ist jedoch nicht denen Vorbehalten, die in einem Umfeld der Spaltung unter den Christen leben. In jenem intimen und persönlichen Dialog, den jeder von uns mit dem Herrn im Gebet führen soll, darf die Sorge um die Einheit nicht ausgeschlossen werden. Denn nur so wird sie voll zum Bestandteil der Wirklichkeit unseres Lebens und der Verpflichtungen werden, die wir in der Kirche übernommen haben. Um dieses Erfordernis neuerlich zu bekräftigen, habe ich den Gläubigen der katholischen Kirche ein für mich beispielhaftes Vorbild vor Augen gestellt, nämlich das der Trappistin Maria Gabriella von der Einheit, die ich am 25. Januar 1983 seliggesprochen habe. <270> Auf Grund ihrer Berufung zu einem Leben in Abgeschiedenheit von der Welt hat Schwester Maria Gabriella ihr Dasein der Meditation und dem Gebet mit dem Schwerpunkt auf dem 17. Kapitel des Johannesevangeliums gewidmet und es für die Einheit der Christen dargebracht. Genau das ist der Ansatz und Kern jedes Gebetes: die totale und vorbehaltlose Hingabe des eigenen Lebens an den Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Das Beispiel von Schwester Maria Gabriella lehrt uns und läßt uns begrei- <270> Maria Gabriella Sagheddu, geboren am 17. März 1914 in Dorgali (Sardinien). Mit 21 Jahren tritt sie in das Trappistenkloster von Grottaferrata ein. Nachdem ihr durch das apostolische Wirken von Abbe Paul Couturier die Notwendigkeit von Gebeten und geistlicher Hingabe für die Einheit der Christen bewußt geworden ist, beschließt sie 1936 anläßlich der Gebetsoktav für die Einheit, ihr Leben für dieses Anhegen aufzuopfem. Schwester Maria Gabriella stirbt nach schwerer Krankheit am 23. April 1939. 913 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fen, daß es keine besonderen Zeiten, Situationen oder Orte gibt, um für die Einheit zu beten. Das Gebet Christi zum Vater ist Modell für alle, immer und an jedem Ort. Ökumenischer Dialog 28. Wenn das Gebet die „Seele“ der ökumenischen Erneuerung und der Sehnsucht nach der Einheit ist, stützt sich alles, was das Konzil „Dialog“ nennt, auf das Gebet und erhält von ihm Auftrieb. Diese Definition ist gewiß nicht ohne Zusammenhang mit dem heutigen personalistischen Denken. Die „DiaIog“-Haltung ist auf der Ebene des Wesens der Person und ihrer Würde angesiedelt. Vom Standpunkt der Philosophie her verbindet sich eine solche Einstellung mit der vom Konzil ausgesprochenen christlichen Wahrheit über den Menschen: er ist in der Tat „auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur“; daher kann der Mensch „sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden“. <271> Der Dialog ist ein unerläßlicher Durchgang auf dem Weg zur Selbsterfiillung des Menschen, des Individuums wie auch jeder menschlichen Gemeinschaft. Obwohl an dem Begriff „Dialog“ in erster Linie das Erkenntnismoment (dia-logos) hervorzuragen scheint, hat jeder Dialog eine globale, existentielle Dimension in sich. Er bezieht das menschliche Subjekt in seiner Ganzheit ein; der Dialog zwischen den Gemeinschaften nimmt die Subjektivität einer jeden von ihnen in besonderer Weise in Anspruch. <271> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 24. Diese Wahrheit über den Dialog, die von Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Eccle-siam suam <272> so tiefgründig dargelegt wurde, ist auch von der Lehre und der ökumenischen Praxis des Konzils aufgegriffen worden. Der Dialog ist nicht nur ein Gedankenaustausch. Er ist gewissermaßen immer ein „Austausch von Gaben und Geschenken“. <273> <272> Vgl. 4AS56(1964)609-659. <273> Vgl. n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 13. 29. Aus diesem Grund stellt auch das Konzilsdekret über den Ökumenismus in den Vordergrund „alles Bemühen zur Ausmerzung aller Worte, Urteile und Taten, die der Lage der getrennten Brüder nach Gerechtigkeit und Wahrheit nicht entsprechen und dadurch die gegenseitigen Beziehungen mit ihnen erschweren“. <274> Dieses Dokument setzt sich vom Standpunkt der katholischen Kirche mit der Frage auseinander und bezieht sich auf das Kriterium, das sie gegenüber den anderen Christen anwenden soll. Bei all dem besteht jedoch ein Erfordernis der Gegenseitigkeit. Die Beachtung dieses Kriteriums ist für alle Seiten, die in den Dialog eintreten wollen, Verpflichtung und Vorbedingung, um ihn in Gang zu bringen. Man muß von einer Position des Gegeneinander und des Konflikts auf eine Ebene <274> H. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 4. 914 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gelangen, auf der man sich gegenseitig als Partner anerkennt. Wenn der Dialog aufgenommen wird, muß jede Seite bei ihrem Gesprächspartner einen Willen zur Versöhnung und zur Einheit in der Wahrheit annehmen. Um das alles zu verwirklichen, muß das zur Schau getragene Sich-Gegeneinander-Stellen ein Ende haben. Nur auf diese Weise wird der Dialog die Spaltung überwinden helfen und die Einheit näherbringen können. 30. Man darf mit großer Dankbarkeit gegenüber dem Geist der Wahrheit sagen, daß das II. Vatikanische Konzil eine segensreiche Zeit gewesen ist, während der die Grundvoraussetzungen für die Teilnahme der katholischen Kirche am ökumenischen Dialog verwirklicht wurden. Auf der anderen Seite haben die Anwesenheit der zahlreichen Beobachter verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften, ihre starke Einbeziehung in das Konzilsereignis und die vielen Begegnungen und gemeinsamen Gebete, die das Konzil ermöglicht hat, zur Schaffung der Bedingungen beigetragen, um den gemeinsamen Dialog aufzunehmen. Die Vertreter der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften haben während des Konzils die Bereitschaft zum Dialog seitens der katholischen Bischöfe der ganzen Welt und insbesondere des Apostolischen Stuhles erfahren. Lokale Strukturen des Dialogs 31. Die Verpflichtung zum ökumenischen Dialog, so wie sie seit dem Konzil zutage getreten ist, ist weit davon entfernt, ein Vorrecht des Apostolischen Stuhles zu sein und obliegt deshalb auch den einzelnen Orts- oder Teilkirchen. Von den Bischofskonferenzen und von den Synoden der katholischen Ostkirchen sind Sonderkommissionen zur Förderung des ökumenischen Geistes und des ökumenischen Handelns eingerichtet worden. Auf der Ebene der einzelnen Diözesen gibt es analoge zweckmäßige Strukturen. Solche Initiativen beweisen das konkrete und allgemeine Engagement der katholischen Kirche bei der Anwendung der vom Konzil erarbeiteten Richtlinien über den Ökumenismus: das ist ein wesentlicher Aspekt der ökumenischen Bewegung. <275> Der „Dialog“ ist nicht nur aufgenommen worden; er ist eine erklärte Notwendigkeit, eine der Prioritäten der Kirche geworden-, infolgedessen hat man die „Technik“ der Dialogführung verfeinert und gleichzeitig das Wachsen des Geistes des Dialogs gefördert. In diesem Zusammenhang soll vor allem auf den Dialog zwischen den Christen aus den verschiedenen Kirchen oder Gemeinschaften eingegangen werden, der „von wohlunterrichteten Sachverständigen geführt wird, wobei ein jeder die Lehre seiner Gemeinschaft tiefer und genauer erklärt, so daß das Charakteristische daran deutlich her- <275> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 755; Codex des kanonischen Rechtes der Ostkirchen, can. 902-904. 915 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vortritt“. <276> Es ist jedoch für jeden Gläubigen nützlich, die Methode des Dialogs kennenzulemen. <276> n. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 4. 32. Wie die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit feststellt, muß „die Wahrheit auf eine Weise gesucht werden, die der Würde der menschlichen Person und ihrer Sozialnatur eigen ist, d. h. auf dem Wege der freien Forschung, mit Hilfe des Lehramtes oder der Unterweisung, des Gedankenaustauschs und des Dialogs, wodurch die Menschen einander die Wahrheit, die sie gefunden haben oder gefunden zu haben glauben, mitteilen, damit sie sich bei der Erforschung der Wahrheit gegenseitig zu Hilfe kommen; an der einmal erkannten Wahrheit jedoch muß man mit personaler Zustimmung festhalten“. <277> <277> n. Vat. Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 3. Dem ökumenischen Dialog kommt eine grundlegende Bedeutung zu. Denn „durch diesen Dialog erwerben alle eine bessere Kenntnis der Lehre und des Lebens jeder von beiden Gemeinschaften und eine gerechtere Würdigung derselben. Von hier aus gelangen diese Gemeinschaften auch zu einer stärkeren Zusammenarbeit in den Aufgaben des Gemeinwohls, die jedes christliche Gewissen fordert, und sie kommen, wo es erlaubt ist, zum gemeinsamen Gebet zusammen. Schließlich prüfen hierbei alle ihre Treue gegenüber dem Willen Christi hinsichtlich der Kirche und gehen tatkräftig ans Werk der notwendigen Erneuerung und Reform“. <278> <278> II. Vat. Konzil, Dekret Uber den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 4. Dialog als Gewissensprüfung 33. Im Verständnis des Konzils hat der ökumenische Dialog den Charakter einer gemeinsamen Suche nach der Wahrheit, besonders über die Kirche. Die Wahrheit formt nämlich das Gewissen und orientiert sein Handeln in Richtung Einheit. Gleichzeitig verlangt sie, daß das Gewissen der Christen, untereinander gespaltener Brüder, und ihre Taten dem Gebet Christi für die Einheit untergeordnet werden. Hier gibt es ein Zusammenwirken von Gebet und Dialog. Ein tieferes und bewußteres Gebet läßt den Dialog reichere Früchte erbringen. Wenn einerseits das Gebet die Voraussetzung für den Dialog ist, so wird es andererseits in immer reiferer Gestalt zu dessen Frucht. 34. Dank des ökumenischen Dialogs können wir von einer größeren Reife unseres beiderseitigen gemeinsamen Gebetes sprechen. Das ist möglich, insoweit der Dialog auch und zugleich die Funktion einer Gewissensprüfung erfüllt. Wie sollte man sich in diesem Zusammenhang nicht der Worte des ersten Johannesbriefes erinnern? „Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er (Gott) treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem 916 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unrecht“ (1,8-9). Johannes geht noch weiter, wenn er sagt: „Wenn wir sagen, daß wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns“ (1,10). Eine derartig radikale Mahnung, unseren Zustand als Sünder anzuerkennen, muß auch ein Wesensmerkmal des Geistes sein, mit dem man sich dem ökumenischen Dialog stellt. Wenn er nicht zu einer Gewissensprüfung, gleichsam zu einem „Dialog der Gewissen“ würde, könnten wir dann mit jener Gewißheit rechnen, die uns derselbe Brief mitteilt? „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt“ (2,1-2). Alle Sünden der Welt sind in dem Heilsopfer Christi miteingeschlossen, somit auch jene, die gegen die Einheit der Kirche begangen worden sind: die Sünden der Christen, der Hirten ebenso wie der Gläubigen. Auch nach den so vielen Sünden, die zu den historischen Spaltungen beigetragen haben, ist die Einheit der Christen möglich, vorausgesetzt, wir sind uns demütig bewußt, gegen die Einheit gesündigt zu haben, und von der Notwendigkeit unserer Bekehrung überzeugt. Nicht allein die persönlichen Sünden müssen vergeben und überwunden werden, sondern auch jene sozialen, das heißt die eigentlichen „Strukturen“ der Sünde, die zur Spaltung und ihrer Verfestigung beigetragen haben und beitragen können. 35. Wiederum kommt uns das II. Vatikanische Konzil zu Hilfe. Man kann sagen, das ganze Dekret über den Ökumenismus ist vom Geist der Bekehrung durchdrungen. <279> Der ökumenische Dialog gewinnt in diesem Dokument einen eigenen Charakter; er wandelt sich zum , Dialog der Bekehrung “ und damit, gemäß der Formulierung Papst Pauls VI., zum echten „Dialog des Heiles“. <280> Der Dialog kann sich nicht entfalten, wenn er einen ausschließlich horizontalen Verlauf nimmt und sich auf die Begegnung, auf den Austausch von Standpunkten oder sogar von jeder Gemeinschaft eigenen Gaben beschränkt. Er strebt auch und vor allem eine vertikale Dimension an, die ihn auf den Erlöser der Welt und Herrn der Geschichte hinlenkt, der unsere Versöhnung ist. Die vertikale Dimension des Dialogs liegt in der gemeinsamen und gegenseitigen Anerkennung unseres Zustandes als Menschen, die gesündigt haben. Der Dialog öffnet gerade in den Brüdern und Schwestern, die innerhalb von Gemeinschaften leben, die keine volle Gemeinschaft miteinander haben, jenen inneren Raum, in dem Christus, die Quelle der Einheit der Kirche, mit der ganzen Kraft seines Tröstergeistes wirksam tätig werden kann. Vgl. ebd., 4. Enzyklika Ecclesiam suam (6. August 1964), HI: AAS56(1964)642. Dialog zur Lösung der Gegensätze 36. Der Dialog ist auch ein natürliches Instrument, um die verschiedenen Standpunkte miteinander zu vergleichen und vor allem jene Gegensätze zu untersuchen, 59 60 917 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die für die volle Gemeinschaft der Christen untereinander ein Hindernis darstellen. Das Ökumenismusdekret widmet sich zunächst den moralischen Haltungen, denen sich die Gespräche über Lehrfragen stellen müssen: „Beim ökumenischen Dialog müssen die katholischen Theologen, wenn sie in Treue zur Lehre der Kirche in gemeinsamer Forschungsarbeit mit den getrennten Brüdern die göttlichen Geheimnisse zu ergründen suchen, mit Wahrheitsliebe, mit Liebe und Demut Vorgehen“. <281> Die Wahrheitsliebe ist die tiefste Dimension einer glaubwürdigen Suche nach der vollen Gemeinschaft der Christen. Ohne diese Liebe wäre es unmöglich, sich den objektiven theologischen, kulturellen, psychologischen und sozialen Schwierigkeiten zu stellen, denen man bei der Untersuchung der Gegensätze begegnet. Zu dieser inneren, persönlichen Dimension muß untrennbar der Geist der Liebe und Demut hinzukommen. Liebe gegenüber dem Gesprächspartner, Demut gegenüber der Wahrheit, die man entdeckt und die Revisionen von Aussagen und Haltungen erforderlich machen könnte. <281> n. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 11. Was die Erforschung der Gegensätze betrifft, fordert das Konzil, daß die ganze Lehre in Klarheit vorgelegt werde. Gleichzeitig verlangt es, daß die Art und Weise und die Methode, wie der katholische Glaube verkündet wird, kein Hindernis für den Dialog mit den Brüdern darstellen soll. <282> Es ist gewiß möglich, den eigenen Glauben zu bezeugen und die Lehre auf eine Weise zu erklären, die korrekt, aufrichtig und verständlich ist und sich gleichzeitig sowohl die geistigen Kategorien wie die konkrete geschichtliche Erfahrung des anderen vergegenwärtigt. Selbstverständlich wird sich die volle Gemeinschaft in der Annahme der ganzen Wahrheit verwirklichen müssen, in die der Heilige Geist die Jünger Christi einführt. Daher muß jede Form von Verkürzung oder leichtfertiger „Übereinstimmung“ absolut vermieden werden. Die ernsten Fragen müssen gelöst werden; denn wenn das nicht geschähe, würden sie zu einem anderen Zeitpunkt in gleicher Gestalt oder unter anderem Namen wieder auftauchen. <282> Vgl. ebd. 37. Das Dekret Unitatis redintegratio führt auch ein Kriterium an, das befolgt werden soll, wenn es für die Katholiken darum geht, die Lehren darzulegen oder miteinander zu vergleichen: Dabei „soll man nicht vergessen, daß es eine Rangordnung oder Hierarchie’ der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens. So wird der Weg bereitet werden, auf dem alle in diesem brüderlichen Wettbewerb zur tieferen Erkenntnis und deutlicheren Darstellung der unerforschlichen Reichtümer Christi angeregt werden“ <283> 62 Ebd.\ vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über die Unfehlbarkeit der Kirche und des Papstes Mysterium ecclesiae (24. Juni 1973), Nr. 4: AAS65(1973)402. 918 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 38. Im Dialog stößt man unweigerlich auf das Problem der unterschiedlichen Formulierungen, mit denen die Lehre in den verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ausgedrückt wird, was natürlich mehr als nur eine Konsequenz für die ökumenische Aufgabe hat. Angesichts von Lehrformeln, die von jenen in der Gemeinschaft, der man angehört, üblichen abweichen, gilt es zunächst natürlich zu klären, ob die Worte nicht einen identischen Inhalt meinen; ein konkretes Beispiel dafür sind diesbezügliche Feststellungen in gemeinsamen Erklärungen der jüngsten Zeit, die von meinen Vorgängern und von mir zusammen mit Patriarchen von Kirchen unterzeichnet worden sind, mit denen es seit Jahrhunderten einen christologischen Streit gab. Was die Formulierung der geoffenbarten Wahrheiten betrifft, führt die Erklärung Mysterium ecclesiae aus: „Schließlich unterscheiden sich zwar die Wahrheiten, die die Kirche in ihren dogmatischen Formeln wirklich zu lehren beabsichtigt, von den wandelbaren Vorstellungen einer Zeit und können ohne diese ausgedrückt werden; trotzdem kann es aber bisweilen geschehen, daß jene Wahrheiten auch vom Heiligen Lehramt mit Worten vorgetragen werden, die Spuren solcher Vorstellungen an sich tragen. Unter dieser Voraussetzung muß man sagen, daß die dogmatischen Formeln des Lehramtes der Kirche von Anfang an stimmig und geeignet waren, die geoffenbarte Wahrheit zu vermitteln, und daß sie immer stimmig und geeignet bleiben, sie dem, der sie richtig versteht, mitzuteilen“. <284> In dieser Hinsicht erlaubt der ökumenische Dialog, der die an ihm beteiligten Partner dazu anspomt, sich gegenseitig zu fragen, zu verstehen, zu erklären, unerwartete Entdeckungen. Die Polemiken und intoleranten Streitigkeiten haben das, was tatsächlich bei der Ergründung ein und derselben Wirklichkeit, aber eben aus zwei verschiedenen Blickwinkeln, das Ergebnis zweier Sichtweisen war, zu unvereinbaren Aussagen gemacht. Heute gilt es, die Formel zu finden, die es dadurch, daß sie die Wirklichkeit in ihrer Ganzheit einfängt, erlaubt, über partielle Lesarten hinauszugehen und falsche Interpretationen auszumerzen. <284> Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über die Unfehlbarkeit der Kirche und des Papstes Mysterium ecclesiae (24. Juni 1973), Nr. 5: Z/1S65(1973)403. Ein Vorteil des Ökumenismus besteht darin, daß durch ihn den christlichen Gemeinschaften geholfen wird, den unerforschlichen Reichtum der Wahrheit zu entdecken. Auch in diesem Zusammenhang kann alles, was der Geist in den „anderen“ wirkt, zum Aufbau jeder Gemeinschaft beitragen <285> und gewissermaßen zur Belehrung über das Geheimnis Christi. Der echte Ökumenismus ist ein Gnadengeschenk der Wahrheit. <285> Vgl. n. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 4. 39. Schließlich stellt der Dialog die Gesprächspartner vor richtiggehende Gegensätze, die den Glauben berühren. Vor allem diesen Gegensätzen muß man sich stellen im aufrichtigen Geist brüderlicher Liebe, in der Achtung vor den Forderungen des eigenen und des Gewissens des Nächsten sowie in tiefer Demut und 919 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe gegenüber der Wahrheit. Der Vergleich auf diesem Gebiet hat zwei wesentliche Bezugspunkte: die Heilige Schrift und die große Tradition der Kirche. Den Katholiken kommt dabei das stets lebendige Lehramt der Kirche zu Hilfe. Die praktische Zusammenarbeit 40. Die Beziehungen der Christen untereinander zielen nicht nur auf das gegenseitige Kennenlemen, auf das gemeinsame Gebet und auf den Dialog ab. Sie sehen vor und fordern schon jetzt jede nur mögliche praktische Zusammenarbeit auf den verschiedenen Ebenen: pastoral, kulturell, sozial und auch im Zeugnis für die Botschaft des Evangeliums. <286> <286> Vgl. Gemeinsame christologische Erklärung zwischen der katholischen Kirche und der Assyrischen Kirche des Ostens: L'Osservatore Romano (12. November 1994), S. 1. „Durch die Zusammenarbeit der Christen kommt die Verbundenheit, in der sie schon untereinander vereinigt sind, lebendig zum Ausdruck, und das Antlitz Christi, des Gottesknechtes, tritt in hellerem Licht zutage“. <287> Eine solche auf dem gemeinsamen Glauben begründete Zusammenarbeit ist nicht nur von brüderlicher Gemeinschaft erfüllt, sondern stellt eine Epiphanie Christi selbst dar. <287> n. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 12. Die ökumenische Zusammenarbeit ist zudem eine echte Schule des Ökumenismus, ein dynamischer Weg zur Einheit. Die Einheit im Handeln führt zur vollen Einheit im Glauben: „Bei dieser Zusammenarbeit können alle, die an Christus glauben, unschwer lernen, wie sie einander besser kennen und höher achten können und wie der Weg zur Einheit der Christen bereitet wird“. <288> <288> Ebd. Vor den Augen der Welt nimmt die Zusammenarbeit unter den Christen die Dimensionen des gemeinsamen christlichen Zeugnisses an und gereicht als Werkzeug der Evangelisierung den einen wie den anderen zum Wohl. II. Kapitel Die Früchte des Dialogs Die wiederentdeckte Brüderlichkeit 4L Was oben zum ökumenischen Dialog seit dem Ende des Konzils gesagt wurde, veranlaßt uns, dem Geist der Wahrheit zu danken, der von Christus, dem Herrn, den Aposteln und der Kirche verheißen worden ist (vgl. Joh 14,26). Es ist das erste Mal in der Geschichte, daß der Einsatz für die Einheit der Christen so große Ausmaße und einen so gewaltigen Umfang angenommen hat. Schon das ist ein unermeßliches Geschenk, das Gott gewährt hat und das alle unsere Dankbarkeit verdient. Aus der Fülle Christi empfangen wir „Gnade über Gnade“ {Joh 1,16). 920 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anzuerkennen, was Gott schon gewährt hat, ist die Voraussetzung, die uns darauf vorbereitet, jene noch unerläßlichen Gaben zu empfangen, um das ökumenische Werk der Einheit zur Vollendung zu führen. Ein Überblick über die letzten dreißig Jahre läßt uns besser viele der Früchte dieser gemeinsamen Bekehrung zum Evangelium erfassen, zu deren Werkzeug der Geist Gottes die ökumenische Bewegung gemacht hat. 42. So geschieht es zum Beispiel, daß - ganz im Geist der Bergpredigt - die einer Konfession zugehörigen Christen die anderen Christen nicht mehr als Feinde oder Fremde betrachten, sondern in ihnen Brüder und Schwestern sehen. Andererseits besteht im Sprachgebrauch die Tendenz, sogar den Ausdruck getrennte Brüder heute durch Bezeichnungen zu ersetzen, die treffender die Tiefe der - an den Taufcharakter gebundenen - Gemeinschaft wachrufen, die der Heilige Geist ungeachtet der historischen und kanonischen Brüche nährt. Man spricht von den „anderen Christen“, von den „anderen Getauften“, von den „Christen der anderen Gemeinschaften“. Das Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus bezeichnet die Gemeinschaften, denen diese Christen angehören, als „Kirchen und kirchliche Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen“. <289> Diese Erweiterung des Wortschatzes ist Ausdruck einer bemerkenswerten Entwicklung der Geisteshaltungen. Das Bewußtsein der gemeinsamen Zugehörigkeit zu Christus vertieft sich. Das habe ich wiederholt persönlich feststellen können während der ökumenischen Gottesdienste, die zu den wichtigen Ereignissen meiner apostolischen Reisen in die verschiedenen Teile der Welt gehören, oder bei den Begegnungen und ökumenischen Feiern, die in Rom stattfanden. Die „universale Brüderlichkeit“ der Christen ist zu einer festen ökumenischen Überzeugung geworden. Nach der Aufhebung des gegenseitigen Kirchenbannes der Vergangenheit helfen sich die einst rivalisierenden Gemeinschaften heute in vielen Fällen gegenseitig; so werden mitunter die Kultgebäude zur Verfügung gestellt oder Stipendien für die Ausbildung der Amtsträger der mittellosen Gemeinschaften angeboten; oder man interveniert bei den staatlichen Behörden zur Verteidigung anderer Christen, die zu Unrecht beschuldigt wurden, oder beweist die Haltlosigkeit der Verleumdungen, deren Opfer bestimmte Gruppen sind. <289> Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Directoire pour l'application des principes et des normes sur VOecumenisme (25. März 1993), Nr. 5: AAS85(1993)1040. Mit einem Wort, die Christen haben sich zu einer brüderlichen Liebe bekehrt, die alle Jünger Christi umfaßt. Wenn es vorkommt, daß im Zuge gewaltsamer politischer Umwälzungen in konkreten Situationen eine gewisse Aggressivität oder ein Rachegeist zutage tritt, bemühen sich die Autoritäten der betroffenen Seiten im allgemeinen darum, das „neue Gesetz“ des Geistes der Liebe Oberhand gewinnen zu lassen. Leider vermochte es ein solcher Geist nicht, alle blutigen Konfliktsitua- 921 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tionen umzuwandeln. Unter diesen Umständen erfordert der ökumenische Einsatz von dem, der ihn ausübt, nicht selten wahrhaft heroische Entscheidungen. In diesem Zusammenhang muß unterstrichen werden, daß die Anerkennung der Brüderlichkeit nicht die Folge eines liberalen Philanthropismus oder eines vagen Familiengeistes ist. Sie wurzelt in der Anerkennung der einen Taufe und in dem daraus folgenden Erfordernis, daß Gott in seinem Werk verherrlicht werde. Das Direktorium zur Ausfiihrung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus wünscht eine gegenseitige offizielle Anerkennung der Taufen. <290> Das geht weit über einen ökumenischen Höflichkeitsakt hinaus und stellt eine ekklesiologische Grundaussage dar. <290> Ebd., Nr. 94: a.a.O., 1078. Es muß zweckmäßiger Weise daran erinnert werden, daß der grundlegende Charakter der Taufe bei der Aufbauarbeit der Kirche auch dank des vielseitigen Dialoges deutlich in den Vordergrund gestellt worden ist. <291> <291> Vgl. Kommission „Glaube und Verfassung“ des Ökumenischen Rates der Kirchen, Taufe, Eucharistie, Amt (Januar 1982): Euch. Oecum. 1, 1391-1447, und besonders 1398-1408. Die Solidarität im Dienst an der Menschheit 43. Es kommt immer häufiger vor, daß die Verantwortlichen der christlichen Gemeinschaften zu wichtigen Problemen, die die menschliche Berufung, die Freiheit, die Gerechtigkeit, den Frieden, die Zukunft der Welt betreffen, gemeinsam im Namen Christi Stellung beziehen. Dadurch sind sie in einem tragenden Element der christlichen Sendung „miteinander verbunden“: nämlich die Gesellschaft auf möglichst realistische Weise an den Willen Gottes zu erinnern, indem sie die Autoritäten und die Bürger davor warnen, dem Trend zu folgen, der dazu führen würde, daß die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Es versteht sich von selbst, und die Erfahrung beweist es, daß unter gewissen Umständen die gemeinsame Stimme der Christen mehr Durchschlagskraft besitzt als eine Einzelstimme. Die Verantwortlichen der Gemeinschaften sind jedoch nicht die einzigen, die sich in diesem Einsatz für die Einheit zusammenschließen. Zahlreiche Christen aus allen Gemeinschaften beteiligen sich auf Grund ihres Glaubens gemeinsam an mutigen Projekten, die sich vornehmen, die Welt dahingehend zu verändern, daß der Achtung der Rechte und der Bedürfnisse aller, besonders der Armen, der Gede-mütigten und der Schutzlosen, zum Sieg verholfeü wird. In der Enzyklika Sollici-tudo rei socialis habe ich mit Freude diese Zusammenarbeit erwähnt und unterstrichen, daß sich die katholische Kirche ihr nicht entziehen darf. <292> In der Tat engagieren sich jetzt die Christen, die einst unabhängig voneinander handelten, miteinander im Dienst an diesem Anliegen, damit Gottes Güte triumphieren könne. <292> Vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 32:44580(1988)556. 922 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Logik ist die des Evangeliums. Unter Betonung dessen, was ich in meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis geschrieben hatte, hielt ich daher die Gelegenheit für angebracht, „auf diesen Punkt zu dringen und jede in dieser Richtung unternommene Bemühung auf allen Ebenen, in denen wir uns mit unseren christlichen Brüdern begegnen, zu ermutigen“, <293> und ich sagte Gott Dank „für das, was er bereits in den anderen Kirchen und Gemeinschaften und durch sie“ wie auch durch die katholische Kirche „gewirkt hat“. <294> Heute stelle ich mit Befriedigung fest, daß das ausgedehnte Netz ökumenischer Zusammenarbeit sich immer mehr ausweitet. Auch durch den Einfluß des Ökumenischen Rates der Kirchen wird großartige Arbeit auf diesem Gebiet geleistet. <293> Ansprache an die Kardinäle und die Mitglieder der Römischen Kurie (28. Juni 1985), Nr. 10: A4Y77(1985)1158; vgl. Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979), Nr. 11: AAS71(1979)277-278. <294> Ansprache an die Kardinäle und die Mitglieder der Römischen Kurie (28. Juni 1985), Nr. 10: MS77(1985)1158. Übereinstimmungen im Wort Gottes und im Gottesdienst 44. Gewichtige Fortschritte der ökumenischen Bekehrung gibt es auch auf einem anderen Gebiet, nämlich in bezug auf das Wort Gottes. Ich denke vor allem an ein für verschiedene Sprachgruppen so wichtiges Ereignis wie die ökumenischen Bibelübersetzungen. Nach der Promulgation der Konstitution Dei verbum durch das II. Vatikanische Konzil mußte die katholische Kirche diesen Schritt mit Freude annehmen. <295> Diese von Fachgelehrten erstellten Übersetzungen bieten im allgemeinen eine sichere Grundlage für das Gebet und die pastorale Tätigkeit aller Jünger Christi. Wer sich erinnert, wie sehr die Debatten rund um die Heilige Schrift besonders im Abendland die Spaltungen beeinflußt haben, vermag zu erfassen, was für einen beachtlichen Fortschritt diese Gemeinschaftsübersetzungen darstellen. <295> Vgl. Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen und Exekutivkomitee der Vereinigten Bibelgesellschaften, Grundsätze für die interkonfessionelle Zusammenarbeit bei der Erstellung der Übersetzungen der Bibel, Gemeinsames Dokument (1968): Euch. Oecum. 1, 319-331, überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht in dem Dokument Directives concemant la Cooperation interconfessionelle dans la traduction de la Bible (16. November 1987), Tipografia Poliglotta Vaticana 1987. 45. Der von der katholischen Kirche vollzogenen liturgischen Erneuerung entsprach in mehreren kirchlichen Gemeinschaften die Initiative, ihren Gottesdienst zu erneuern. Einige von ihnen haben auf Grund des auf ökumenischer Ebene geäußerten Wunsches <296> die Gewohnheit aufgegeben, ihren Abendmahlsgottesdienst nur bei seltenen Gelegenheiten zu feiern, und sich für eine sonntägliche Abendmahlsfeier entschieden. Andererseits stellt man bei einem Vergleich der Zyklen der liturgischen Lesungen verschiedener christlicher Gemeinschaften im Westen fest, daß sie im wesentlichen übereinstimmen. Ebenso werden auf ökumenischer <296> Vgl. Kommission „Glaube und Verfassung“ des Ökumenischen Rates der Kirchen, Taufe, Eucharistie, Amt (Januar 1982): Ench. Oecum. 1, 1391-1447. 923 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ebene <297> ganz besonders die Liturgie und die liturgischen Zeichen (Bilder, Ikonen, Paramente, Licht, Weihrauch, Gebärden) hervorgehoben. Darüber hinaus beginnt man in den Instituten für Theologie, wo die künftigen Geistlichen ausgebildet werden, dem Studium der Geschichte und der Bedeutung der Liturgie einen festen Platz in den Lehrprogrammen einzuräumen und sieht das als eine Notwendigkeit, die man wiederentdeckt. <297> Zum Beispiel während der letzten Vollversammlungen des Ökumenischen Rates der Kirchen, 1983 in Vancouver, 1991 in Canberra, und von „Glaube und Verfassung“ 1993 in Santiago de Compostela. Es handelt sich um Zeichen der Übereinstimmung, die verschiedene Aspekte des sakramentalen Lebens betreffen. Gewiß ist es wegen der den Glauben berührenden Divergenzen noch nicht möglich, miteinander die Eucharistie zu feiern. Doch haben wir den sehnlichen Wunsch, gemeinsam die eine Eucharistie des Herrn zu feiern, und dieser Wunsch wird schon zu einem gemeinsamen Lob, zu ein und demselben Bittgebet. Gemeinsam wenden wir uns an den Vater und tun das zunehmend ,,mit nur einem Herzen“. Diese „reale, obgleich noch nicht volle“ Gemeinschaft endlich besiegeln zu können, scheint manchmal näher zu sein. Wer hätte vor einem Jahrhundert auch nur an so etwas denken können? 46. Ein Grund zur Freude ist in diesem Zusammenhang, daran zu erinnern, daß die katholischen Priester in bestimmten Einzelfällen die Sakramente der Eucharistie, der Buße und der Krankensalbung anderen Christen spenden können, die zwar noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber sehnlich den Empfang der Sakramente wünschen, von sich aus darum bitten und den Glauben bezeugen, den die katholische Kirche in diesen Sakramenten bekennt. Umgekehrt können sich in bestimmten Fällen und unter besonderen Umständen auch die Katholiken zum Empfang derselben Sakramente an die Geistlichen jener Kirchen wenden, in denen sie gültig gespendet werden. Die Bedingungen für diesen gegenseitigen Empfang sind in Normen festgelegt, und ihre Einhaltung erscheint für die Förderung der Ökumene nötig. <298> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus JJnitatis redintegratio, Nrn. 8 u. 15; Codex des kanonischen Rechtes, can. 844; Codex des Ostkirchenrechtes, can. 671; Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Directoire pour Vapplication des principes et des normes sur VOecumenisme (25. März 1993), 122-125: A4S85(1993)1086-1087; 129-131: a.a.O., 1088-1089; 123 und 132: a.a.0., 1087-1089. Anerkennung der bei den anderen Christen vorhandenen Güter 47. Der Dialog bewegt sich nicht ausschließlich um die Lehre, sondern bezieht die ganze Person ein: er ist auch ein Dialog der Liebe. Das Konzil sagte: „Es ist notwendig, daß die Katholiken die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe mit Freude anerkennen und hochschätzen, die sich bei den von uns getrennten Brüdern finden. Es ist billig und heilsam, die Reichtümer Christi und das Wirken der Geisteskräfte im Leben der anderen anzuerkennen, die für Christus Zeug- 924 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nis geben, manchmal bis zur Hingabe des Lebens: Denn Gott ist immer wunderbar und bewunderungswürdig in seinen Werken“. <299> II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 4. 48. Die Beziehungen, die die Mitglieder der katholischen Kirche seit dem Konzil zu den anderen Christen hergestellt haben, führten zur Entdeckung dessen, was Gott in den Angehörigen der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften wirkt. Dieser direkte Kontakt auf verschiedenen Ebenen zwischen den Hirten und zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaften hat uns das Zeugnis zu Bewußtsein gebracht, das die anderen Christen für Gott und für Christus geben. Auf diese Weise hat sich für die ganze ökumenische Erfahrung ein weiter Raum aufgetan, der zugleich die Herausforderung ist, die sich unserer heutigen Zeit stellt. Ist das 20. Jahrhundert etwa nicht eine Zeit großen Zeugnisses, das „bis zum Vergießen des Blutes“ reicht? Und betrifft dieses Zeugnis etwa nicht auch die verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die ihren Namen von Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, nehmen? Dieses gemeinsame Zeugnis der Heiligkeit als Treue zu dem einzigen Herrn ist ein außerordentliches gnadenreiches ökumenisches Potential. Das II. Vatikanische Konzil hat unterstrichen, daß die bei den anderen Christen vorhandenen Güter zur Auferbauung der Katholiken beitragen können: ,Man darf auch nicht übergehen, daß alles, was von der Gnade des Heiligen Geistes in den Herzen der getrennten Brüder gewirkt wird, auch zu unserer eigenen Auferbauung beitragen kann. Denn was wahrhaft christlich ist, steht niemals im Gegensatz zu den echten Gütern des Glaubens, sondern kann immer dazu helfen, daß das Geheimnis Christi und der Kirche vollkommener erfaßt werde“. <300> Der ökumenische Dialog wird es als echter Heilsdialog nicht versäumen, diesen schon in sich selbst gut eingeleiteten Prozeß voranzubringen, um in Richtung der wahren und vollen Einheit fortzuschreiten. Ebd. Wachsen der Gemeinschaft 49. Kostbare Frucht der Beziehungen der Christen untereinander und des von ihnen geführten theologischen Dialogs ist das Wachsen der Gemeinschaft. Beides hat den Christen die Glaubenselemente bewußt gemacht, die sie gemeinsam haben. Das diente der weiteren Festigung ihres Einsatzes für die volle Einheit. Bei alldem bleibt das II. Vatikanische Konzil mächtiges Antriebs- und Orientierungszentrum. Die dogmatische Konstitution Lumen Gentium stellt die Verbindung her zwischen der Lehre über die katholische Kirche und der Anerkennung der heilbringenden Elemente, die sich in den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften finden. <301> Es handelt sich dabei nicht um eine Bewußtseinsnahme statischer Elemente, Vgl. Nr.15. 79 80 81 925 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die in diesen Kirchen und Gemeinschaften passiv vorhanden sind. Denn Güter der Kirche Christi drängen auf Grund ihrer Natur zur Wiederherstellung der Einheit. Daraus folgt, daß die Suche nach der Einheit der Christen kein Akt opportunistischer Beliebigkeit ist, sondern ein Erfordernis, das aus dem Wesen der christlichen Gemeinschaft selbst erwächst. Ähnlich gehen die bilateralen theologischen Dialoge mit den größeren christlichen Gemeinschaften von der Anerkennung der bereits erreichten Stufe der Gemeinschaft aus, um dann fortschreitend die mit einer jeden bestehenden Divergenzen zu erörtern. Der Herr hat den Christen unserer Zeit zugestanden, den traditionellen Streit vermindern zu können. Der Dialog mit den orientalischen Kirchen 50. In diesem Zusammenhang muß man mit besonderer Dankbarkeit an die göttliche Vorsehung vor allem feststellen, daß sich die Verbindung mit den orientalischen Kirchen, die im Laufe der Jahrhunderte rissig und brüchig geworden war, mit dem II. Vatikanischen Konzil wieder gefestigt hat. Die Beobachter dieser Kirchen, die zusammen mit Vertretern der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Abendlandes beim Konzil zugegen waren, haben bei einem für die katholische Kirche so feierlichen Anlaß öffentlich den gemeinsamen Willen bekundet, wieder nach der Gemeinschaft zu suchen. Das Konzil seinerseits hat mit Objektivität und tiefer Zuneigung auf die orientalischen Kirchen geblickt und ihre Kirchlichkeit und objektiven Gemeinschaftsbande hervorgehoben, die sie mit der katholischen Kirche verbinden. Das Dekret über den Ökumenismus stellt fest: „So baut sich auf und wächst durch die Feier der Eucharistie des Herrn in diesen Einzelkirchen die Kirche Gottes“, um konsequenterweise hinzuzufügen, daß diese Kirchen „trotz ihrer Trennung wahre Sakramente besitzen, vor allem aber in der Kraft der apostolischen Sukzession das Priestertum und die Eucharistie, wodurch sie in ganz enger Verwandtschaft bis heute mit uns verbunden sind“. <302> <302> Nr. 15. Anerkannt wurden die große liturgische und spirituelle Tradition der orientalischen Kirchen, die besondere Eigenart ihrer historischen Entwicklung, die eigenen Kirchenordnungen, die von ihnen seit den ältesten Zeiten befolgt und von den Kirchenvätern und ökumenischen Konzilien bekräftigt worden sind, sowie die ihnen eigene Weise, die Lehre zu verkünden. Das alles in der Überzeugung, daß die legitime Verschiedenartigkeit in keiner Weise der Einheit der Kirche entgegensteht, sondern vielmehr ihre Zierde und Schönheit vermehrt und zur Erfüllung ihrer Sendung in nicht geringem Maße beiträgt. Das II. Vatikanische Konzil will den Dialog auf die bestehende Gemeinsamkeit gründen und lenkt die Aufmerksamkeit auf die reichhaltige Wirklichkeit der ori- 926 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN entalischen Kirchen: „Deshalb ermahnt das Heilige Konzil alle, besonders aber diejenigen, die sich um die so erwünschte Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen den orientalischen Kirchen und der katholischen Kirche bemühen wollen, daß sie diese besonderen Umstände der Entstehung und des Wachstums der Kirchen des Orients sowie der Art der vor der Trennung zwischen ihnen und dem Römischen Stuhl bestehenden Beziehungen gebührend berücksichtigen und sich über dies alles ein rechtes Urteil bilden“. <303> <303> Ebd., Nr. 14. 51. Diese Anleitung des Konzils hat sich als fruchtbar erwiesen sowohl für die brüderlichen Beziehungen, die durch den Dialog der Liebe heranreiften und sich entfalteten, als auch für die Diskussion über die Lehre im Bereich der Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in ihrer Gesamtheit. Desgleichen war sie in den Beziehungen zu den altorientalischen Kirchen reich an Früchten. Es handelte sich um einen langsamen und mühsamen Prozeß, der jedoch Quelle großer Freude war; und die Entwicklung hatte auch etwas Faszinierendes an sich, da sie uns fortschreitend die Brüderlichkeit wiederfinden ließ. Die Wiederaufnahme der Kontakte 52. Was die Kirche von Rom und das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel betrifft, so setzte der Prozeß, auf den wir soeben hingewiesen haben, dank der gegenseitigen Öffnung ein, die von den Päpsten Johannes XXIII. und Paul VI. einerseits und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. und seinen Nachfolgern andererseits eingeleitet wurde. Die bewirkte Veränderung erfährt ihren historischen Ausdruck in dem kirchlichen Akt, durch dessen Verwirklichung man die Erinnerung an den gegenseitigen Bann „aus dem Gedächtnis und aus der Mitte der Kirchen getilgt hat“, <304> der neunhundert Jahre zuvor, im Jahr 1054, zum Symbol des Schismas zwischen Rom und Konstantinopel geworden war. Jenes für das ökumenische Engagement so bedeutungsvolle historische kirchliche Ereignis fand am 7. Dezember 1965 während der letzten Tage des Konzils statt. Auf diese Weise schloß die Konzilsversammlung mit einem feierlichen Akt, der gleichzeitig Reinigung der historischen Erinnerung, gegenseitige Vergebung und solidarische Verpflichtung zur Suche nach der Gemeinschaft war. <304> Vgl. Gemeinsame Erklärung von Papst Paul VI. und dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Athenagoras I. (7. Dezember 1965): Tomos agapis, Vatikan-Phanar (1958-1970), Rom-Istanbul 1971, S. 280-281. Vorausgegangen war dieser Geste die Begegnung Pauls VI. mit dem Patriarchen Athenagoras I. im Januar 1964 in Jerusalem während der Pilgerreise des Papstes in das Heilige Land. Bei jener Gelegenheit konnte er auch mit dem orthodoxen Patriarchen Benedictos von Jerusalem Zusammentreffen. In der Folge konnte Papst 927 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Paul VI. am 25. Juli 1967 Patriarch Athenagoras im Phanar (Istanbul) einen Besuch abstatten, und im Oktober desselben Jahres wurde der Patriarch in Rom feierlich empfangen. Diese Begegnungen im Gebet wiesen den Weg, dem man für die Wiederannäherung zwischen der Kirche des Orients und der Kirche des Abendlandes sowie für die Wiederherstellung der Einheit, die im ersten Jahrtausend zwischen ihnen bestanden hatte, zu folgen hat. Als mir nach dem Tod Papst Pauls VI. und dem kurzen Pontifikat Papst Johannes Pauls I. das Amt des Bischofs von Rom anvertraut wurde, habe ich es für eine der ersten Aufgaben meines päpstlichen Dienstes gehalten, einen persönlichen Kontakt zum Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. herzustellen, der inzwischen die Nachfolge des Patriarchen Athenagoras auf dem Stuhl von Konstantinopel angetreten hatte. Während meines Besuches im Phanar am 29. November 1979 konnten der Patriarch und ich die Aufnahme des theologischen Dialogs zwischen der katholischen Kirche und allen kirchenrechtlich in Gemeinschaft mit dem Stuhl von Konstantinopel stehenden orthodoxen Kirchen beschließen. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang hinzuzufügen, daß damals bereits die Vorbereitungen für die Einberufung des künftigen Konzils der orthodoxen Kirchen im Gang waren. Die Suche nach ihrer Eintracht ist ein Beitrag zum Leben und zur Lebendigkeit jener Schwesterkirchen, und das auch im Hinblick auf die Funktion, die zu erfüllen sie auf dem Weg zur Einheit berufen sind. Der Ökumenische Patriarch wollte mir den Besuch, den ich ihm abgestattet hatte, erwidern, und im Dezember 1987 hatte ich die Freude, ihn mit aufrichtiger Zuneigung und mit der ihm gebührenden Feierlichkeit in Rom zu empfangen. In diesem Rahmen kirchlicher Brüderlichkeit muß an die seit Jahren zur festen Gewohnheit gewordene Gepflogenheit erinnert werden, in Rom am Fest der hll. Apostel Petrus und Paulus eine Delegation des Ökumenischen Patriarchats zu empfangen sowie eine Delegation des Heiligen Stuhles zu den Feierlichkeiten zu Ehren des hl. Andreas in den Phanar zu entsenden. 53. Diese regelmäßigen Kontakte erlauben unter anderem einen direkten Informations- und Meinungsaustausch für eine brüderliche Abstimmung aufeinander. Andererseits macht es uns unsere gegenseitige Teilnahme am Gebet wieder zur vertrauten Gewohnheit, Seite an Seite zu leben, hält uns dazu an, den Willen des Herrn für seine Kirche miteinander anzunehmen und somit in die Tat umzusetzen. Auf dem Weg, den wir seit dem II. Vatikanischen Konzil zurückgelegt haben, müssen wenigstens zwei Ereignisse erwähnt werden, die von besonderer Bedeutung und von großer ökumenischer Relevanz für die Beziehungen zwischen Orient und Abendland sind: da ist zunächst das Jubiläum von 1984, das angesagt wurde, um des 11-hundertjährigen Jubiläums des Evangelisierungswerkes der hll. Cyrill und Methodius zu gedenken und das es mir ermöglichte, die beiden heiligen Apostel der Slawen und Glaubensboten zu Mitpatronen Europas zu erklären. Schon Papst Paul VI. hatte im Jahr 1964 während des Konzils den hl. Benedikt zum Patron Europas erklärt. Daß die beiden Brüder aus Thessaloniki dem großen Be- 928 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gründer des abendländischen Mönchtums an die Seite gestellt werden, soll indirekt jene kirchliche und kulturelle Doppeltradition herausstellen, die für die zweitausend Jahre Christentum, die die Geschichte des europäischen Kontinents geprägt haben, so bedeutsam war. Es ist daher nicht überflüssig zu erwähnen, daß Cyrill und Methodius aus dem Bereich der damaligen byzantinischen Kirche kamen, also einer Epoche, in der diese noch in Gemeinschaft mit Rom stand. Indem ich sie zusammen mit dem hl. Benedikt zu Patronen Europas erklärte, wollte ich nicht nur die historische Wahrheit über das Christentum auf dem europäischen Kontinent bekräftigen, sondern auch ein wichtiges Thema für jenen Dialog zwischen Orient und Abendland liefern, der in der Nachkonzilszeit so viele Hoffnungen geweckt hat. Wie im hl. Benedikt, so findet Europa in den hll. Cyrill und Methodius seine geistlichen Wurzeln wieder. Nun, da sich das zweite Jahrtausend nach Christi Geburt seinem Ende zuneigt, müssen sie gemeinsam als Patrone unserer Vergangenheit und als Heilige verehrt werden, denen die Kirchen und die Nationen des europäischen Kontinents ihre Zukunft anvertrauen. 54. Das andere Ereignis, an das ich gern erinnern möchte, ist die Tausendjahrfeier der Taufe der Rus’ (988-1988). Die katholische Kirche und in besonderer Weise der Apostolische Stuhl wollten an den Jubiläumsfeierlichkeiten teilnehmen und haben zu unterstreichen versucht, daß die Taufe, die der hl. Wladimir in Kiew empfangen hat, eines der zentralen Ereignisse für die Evangelisierung der Welt gewesen ist. Ihm verdanken nicht nur die großen slawischen Nationen Osteuropas ihren Glauben, sondern auch jene Völker, die jenseits des Ural bis nach Alaska leben. In dieser Perspektive findet eine Formulierung, die ich wiederholt gebraucht habe, ihren tiefsten Grund: die Kirche muß mit ihren beiden Lungen atmen! Diese Formulierung bezieht sich im ersten Jahrtausend der Geschichte des Christentums vor allem auf die Dualität Byzanz-Rom; seit der Taufe der Rus’ dehnt diese Formulierung ihre Grenzen aus: die Evangelisierung hat sich auf ein viel weiteres Gebiet erstreckt, so daß sie nunmehr die ganze Kirche umfaßt. Wenn man sodann bedenkt, daß dieses Heilsereignis, das sich an den Ufern des Dnjepr vollzogen hat, in eine Zeit zurückreicht, in der es zwischen der Kirche im Orient und jener im Abendland noch keine Spaltung gab, begreift man sehr klar, daß die Perspektive, gemäß der nach der vollen Einheit gesucht wird, jene der Einheit in der legitimen Verschiedenartigkeit sein soll. Das habe ich in der den hll. Cyrill und Methodius gewidmeten Enzyklika Slavorum apostolfi und in dem Apostolischen Schreiben Euntes in mundumfi das zum Gedenken an den tausendsten Jahrestag der Taufe der Kiewer Rus’ an die Gläubigen der katholischen Kirche gerichtet ist, mit Nachdruck ausgeführt. <305> <306> <305> Vgl./tAS77(1985)779-813. 8^ Vgl. AAS&X 1988)935-956; vgl. auch Schreiben Magmim baptismi donum (14. Februar 1988): a.a.O., 988-997. 929 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwesterkirchen 55. Das Konzilsdekret Unitatis redintegratio hat in seinem geschichtlichen Blickfeld die Einheit gegenwärtig, die trotz allem im ersten Jahrtausend gelebt wurde. Sie nimmt in gewissem Sinne Modellgestalt an. „Mit Freude möchte die Heilige Synode [...] allen die Tatsache in Erinnerung rufen, daß im Orient viele Teilkirchen oder Ortskirchen bestehen, unter denen die Patriarchalkirchen den ersten Rang einnehmen und von denen nicht wenige sich ihres apostolischen Ursprungs rühmen“. <307> Seinen Anfang hat der Weg der Kirche am Pfingsttag in Jerusalem genommen, und ihre ganze ursprüngliche Entwicklung in der damaligen oikoumene konzentrierte sich um Petrus und die Elf (vgl. Apg 2,14). Die Strukturen der Kirche im Orient und im Abendland bildeten sich also in bezug auf jenes apostolische Erbe heraus. Ihre Einheit im ersten Jahrtausend erhielt sich in eben jenen Strukturen durch die Bischöfe als Nachfolger der Apostel in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom. Wenn wir heute, am Ende des zweiten Jahrtausends, die volle Einheit wiederherzustellen trachten, müssen wir uns auf diese so strukturierte Einheit berufen. <307> n. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 14. Das Ökumenismusdekret hebt noch einen weiteren charakteristischen Aspekt hervor, dank dem alle Teilkirchen in der Einheit verblieben, nämlich „den Eifer und die Sorge [...], jene brüderlichen Bande der Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe zu bewahren, die zwischen Lokalkirchen als Schwesterkirchen bestehen müssen“. <308> <308> Ebd. 56. Nach dem II. Vatikanischen Konzil und im Zusammenhang mit jener Tradition wurde die Gepflogenheit wiedereingeführt, den um ihren Bischof versammelten Teil- oder Ortskirchen die Bezeichnung „Schwesterkirchen“ zuzuerkennen. Ein sehr bedeutsamer Schritt auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft war dann die Aufhebung der gegenseitigen Exkommunikationen, wodurch ein schmerzliches Hindernis kirchenrechtlicher und psychologischer Art beseitigt wurde. Die Strukturen der Einheit, die vor der Spaltung bestanden, sind ein Erbe an Erfahrung, das unseren Weg zur Wiederfindung der vollen Gemeinschaft leitet. Natürlich hat der Herr während des zweiten Jahrtausends nicht aufgehört, seiner Kirche reiche Früchte an Gnade und Wachstum zu schenken. Doch leider hat die fortschreitende gegenseitige Entfremdung zwischen den Kirchen des Abendlandes und des Ostens sie des Reichtums gegenseitiger Geschenke und Hilfen beraubt. Es muß mit Gottes Gnade eine große Anstrengung unternommen werden, um zwischen ihnen die volle Gemeinschaft wiederherzustellen, die Quelle so vieler Güter für die Kirche Christi ist. Diese Anstrengung erfordert allen unseren guten Willen, das demütige Gebet und eine dauernde Zusammenarbeit, die sich durch nichts entmutigen lassen darf. Der hl. Paulus spornt uns an: „Einer trage des anderen 930 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Last“ (Gal 6,2). Wie passend für uns und wie aktuell ist diese Aufforderung des Apostels! Die traditionelle Bezeichnung „Schwesterkirchen“ sollte uns auf diesem Weg ständig begleiten. 57. Wie Papst Paul VI. wünschte, ist es unser erklärtes Ziel, gemeinsam wieder zur vollen Einheit in der legitimen Verschiedenartigkeit zu finden: „Gott hat uns gewährt, dieses Zeugnis der Apostel im Glauben zu empfangen. Durch die Taufe sind wir einer in Christus Jesus (vgl. Gal 3,28). Kraft der apostolischen Sukzession verbinden uns das Priestertum und die Eucharistie enger; durch die Teilhabe an den Gaben Gottes an seine Kirche sind wir in Gemeinschaft mit dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist [...]. In jeder Ortskirche verwirklicht sich dieses Geheimnis der göttlichen Liebe. Ist nicht vielleicht das der Grund für den traditionellen und sehr schönen Ausdruck, mit dem sich die Ortskirchen gern als Schwesterkirchen bezeichneten (vgl. Dekret Unitatis redintegratio, Nr. 14)? Dieses Leben von Schwesterkirchen haben wir Jahrhunderte lang gelebt, als wir gemeinsam die ökumenischen Konzilien abhielten, die das Glaubensgut gegen jegliche Verfälschung verteidigten. Nach einer langen Periode der Spaltung und des gegenseitigen Unverständnisses erlaubt uns der Herr, trotz der Hindernisse, die sich in der Vergangenheit zwischen uns gelegt hatten, uns als Schwesterkirchen wiederzuentdecken“. <309> Wenn wir heute, an der Schwelle des dritten Jahrtausends, nach der Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft suchen, müssen wir die Verwirklichung dieser realen Gegebenheit anstreben, auf die wir Bezug nehmen müssen. <309> Apostol. Breve Anno ineimte (25. Juli 1967): Tomos agapis, Vatikan-Phanar (1958-1970), Rom-Istanbul 1971, S. 388-391. Die Verbindung mit dieser glorreichen Tradition ist für die Kirche fruchtbar. „Die Kirchen des Orients - so das Konzil - (besitzen) von Anfang an einen Schatz, aus dem die Kirche des Abendlandes in den Dingen der Liturgie, in ihrer geistlichen Tradition und in der rechtlichen Ordnung vielfach geschöpft hat“. <310> Zu diesem „Schatz“ gehören auch „die Reichtümer jener geistlichen Traditionen, die besonders im Mönchtum ihre Ausprägung gefunden haben. Denn seit den glorreichen Zeiten der heiligen Väter blühte dort jene monastische Spiritualität, die sich von dorther auch im Abendland ausbreitete“. <311> Wie ich im jüngsten Apostolischen Schreiben Orientale lumen Gelegenheit hatte zu betonen, haben die Ostkirchen mit großer Hochherzigkeit das vom monastischen Leben bezeugte Engagement gelebt, „angefangen bei der Evangelisierung, dem erhabensten Dienst, den der Christ dem Bruder anbieten kann, und weiter in vielen anderen Formen geistlichen und materiellen Dienstes. Ja, man kann sagen, das Mönchtum ist in der Antike - und verschiedentlich auch in späterer Zeit - das bevorzugte Werkzeug für die Evangelisierung der Völker gewesen“. <312> <310> II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 14. <311> Ebd., 15. <312> Nr. 14: L'Osservatore Romano, 2.-3. Mai 1995, S. 3. 931 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Konzil beschränkt sich nicht darauf, all das zu betonen, was die Kirchen im Orient und im Abendland einander ähnlich macht. Es zaudert im Einklang mit der geschichtlichen Wahrheit nicht mit der Aussage: ,3s darf nicht wundemehmen, daß von der einen und von der anderen Seite bestimmte Aspekte des offenbarten Mysteriums manchmal besser verstanden und deutlicher ins Licht gestellt wurden, und zwar so, daß man bei jenen verschiedenartigen theologischen Formeln oft mehr von einer gegenseitigen Ergänzung als von einer Gegensätzlichkeit sprechen muß“. <15> Der Austausch von Gaben zwischen den Kirchen in ihrer gegenseitigen Ergänzung macht die Gemeinschaft fruchtbar. <15> U. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 17. 58. Aus der Wiederbeteuerung der bereits bestehenden Glaubensgemeinschaft zog das II. Vatikanische Konzil nützliche pastorale Konsequenzen für das konkrete Leben der Gläubigen und für die Förderung des Geistes der Einheit. Wegen der bestehenden engen sakramentalen Bande zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen hat das Dekret Orientalium ecclesiarum betont: „Die Seelsorgepraxis zeigt [...], daß bei den in Frage kommenden ostkirchlichen Brüdern mancherlei persönliche Umstände in Betracht zu ziehen sind, unter denen weder die Einheit der Kirche verletzt wird noch irgendeine Gefahr zu fürchten ist, vielmehr ein Heilsnotstand und das geistliche Wohl der Seelen drängt. Daher hat die katholische Kirche je nach zeitlichen, örtlichen und persönlichen Umständen in Vergangenheit und Gegenwart oft eine mildere Handlungsweise angewandt und allen die Mittel zum Heil und das Zeugnis gegenseitiger christlicher Liebe durch Teilnahme an Sakramenten und anderen heiligen Handlungen und Sachen dargeboten“. <16> <16> Nr. 26. Diese theologische und pastorale Orientierung ist auch auf Grund der Erfahrung in den Jahren nach dem Konzil von den beiden Codices des kanonischen Rechtes übernommen worden. <17> Unter pastoralem Gesichtspunkt wurde sie vom Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus erläutert. <18> <17> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 844, §§ 2 u. 3; Codex des Ostkirchenrechtes, can. 671, §§ 2 u. 3. <18> Päpstl. Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Directoire pour l'application des principes et des nonnes sur rOecumenisme (25. März 1993), 122-128: AAStt5( 1993)1086-1088. In dieser so wichtigen und heiklen Frage ist es unerläßlich, daß die Hirten die Gläubigen sorgfältig unterrichten, damit diese die besonderen Gründe für diese Teilnahme am liturgischen Gottesdienst und die unterschiedlichen Ordnungen kennenlemen, die es in diesem Bereich gibt. Man darf niemals die ekklesiologische Dimension der Teilnahme an den Sakramenten, vor allem an der heiligen Eucharistie, aus den Augen verlieren. 932 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fortschritte des Dialogs 59. Die Gemischte Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in ihrer Gesamtheit hat seit ihrer Einsetzung im Jahr 1979 intensive Arbeit geleistet, wobei sie ihre Forschung zunehmend an jenen Perspektiven orientierte, die in gemeinsamem Einvernehmen mit dem Ziel festgelegt worden waren, die volle Gemeinschaft zwischen den beiden Kirchen wiederherzustellen. Diese Gemeinschaft, die auf der Einheit im Glauben, in Kontinuität der Erfahrung und Tradition der alten Kirche gründet, wird in der gemeinsamen Feier der heiligen Eucharistie ihren vollen Ausdruck finden. Indem sie sich auf alles stützte, was wir gemeinsam haben, konnte die gemischte Kommission in einem positiven Geist wesentliche Fortschritte machen; und sie vermochte, wie ich zusammen mit dem hochverehrten Bruder, dem Ökumenischen Patriarchen Seiner Heiligkeit Dimitrios I., erklären konnte, schließlich auszudrücken, „was die katholische Kirche und die orthodoxe Kirche schon miteinander als gemeinsamen Glauben an das Geheimnis der Kirche und das Band zwischen Glaube und Sakramenten bekennen können“. <19> Sodann konnte die Kommission feststellen und bestätigen, daß „in unseren Kirchen die apostolische Sukzession für die Heiligung und die Einheit des Gottesvolkes grundlegend ist“. <20> Es handelt sich um wichtige Bezugspunkte für die Weiterführung des Dialogs. Ja mehr noch: diese gemeinsam abgegebenen Erklärungen bilden die Grundlage, die die Katholiken und die Orthodoxen berechtigt, schon jetzt, in unserer Zeit, ein gemeinsames treues und einvemehmliches Zeugnis zu geben, damit der Name des Herrn verkündet und verherrlicht werde. <19> Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und dem Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. (7. Dezember 1987): AAS80(1988)253. <20> Gemischte Internationale Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche in ihrer Gesamtheit, Dokument Das Weihesakrament in der sakramentalen Struktur der Kirche, im besonderen die Bedeutung der apostolischen Sukzession fiir die Heiligung und die Einheit des Gottesvolkes (26. Juni 1988), 1: Service d'infonnation 68 (1988), 195. 60. Vor kurzem hat die gemischte internationale Kommission in der so heiklen Frage der Methode, die bei der Suche nach der vollen Gemeinschaft zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche befolgt werden solle, einer Frage, die oft die Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen verschlechtert hat, einen bedeutsamen Schritt vollzogen. Sie hat die lehrmäßigen Grundlagen für eine positive Lösung des Problems gelegt, die sich auf die Lehre von den Schwesterkirchen stützt. Auch in diesem Zusammenhang ist klar geworden, daß die Methode, die auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft befolgt werden soll, der Dialog der Wahrheit ist, der vom Dialog der Liebe genährt und unterstützt wird. Das den katholischen orientalischen Kirchen zuerkannte Recht, sich zu organisieren und ihr Apostolat auszuüben, sowie die tatsächliche Einbeziehung dieser Kirchen in den Dialog der Liebe und in den theologischen Dialog werden nicht nur eine wirkliche 933 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und brüderliche gegenseitige Achtung zwischen den in demselben Gebiet lebenden Orthodoxen und Katholiken, sondern auch ihren gemeinsamen Einsatz auf der Suche nach der Einheit begünstigen." Ein Schritt vorwärts ist getan worden. Der Einsatz muß weitergehen. Schon jetzt kann man aber eine Beruhigung der Geister feststellen, die die Suche fruchtbarer macht. Was die orientalischen Kirchen betrifft, die sich in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche befinden, hatte das Konzil die folgende Wertschätzung zum Ausdruck gebracht: „Dieses Heilige Konzil erklärt, daß dies ganze geistliche und liturgische, disziplinäre und theologische Erbe mit seinen verschiedenen Traditionen zur vollen Katholizität und Apostolizität der Kirche gehört; und es sagt Gott dafür Dank, daß viele orientalische Söhne der katholischen Kirche [...] schon jetzt mit den Brüdern, die die abendländische Tradition pflegen, in voller Gemeinschaft leben“. <313> <314> Sicher werden die katholischen Ostkirchen im Geist des Ökumenismus-dekrets in positiver Weise am Dialog der Liebe und am theologischen Dialog sowohl auf lokaler wie auf universaler Ebene teilnehmen können und so zum gegenseitigen Verständnis und zu einer dynamischen Suche nach der vollen Einheit beitragen. <315> " Vgl. Johannes Paul II., Brief an die Bischöfe des europäischen Kontinents über die Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen aufgrund der neuen Situation in Mittel- und Osteuropa (31. Mai 1991), Nr. 6: zL4584(1992)168. <314> n. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 17. <315> Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Orientale lumen (2. Mai 1995), Nr. 24: L'Osservatore Romano, 2-3. Mai 1995, S. 5. 61. Nach dieser Auffassung will die katholische Kirche nichts anderes als die volle Gemeinschaft zwischen Orient und Abendland. Dabei inspiriert sie sich an der Erfahrung des ersten Jahrtausends. In jener Zeit war in der Tat „die Herausbildung unterschiedlicher Erfahrungen kirchlichen Lebens [...] kein Hindernis dafür, daß die Christen durch gegenseitige Beziehungen weiterhin die Gewißheit empfinden konnten, in jeder Kirche zu Hause zu sein, weil von allen in einer wunderbaren Vielfalt von Sprachen und Modulationen das Lob des einen Vaters durch Christus im Heiligen Geist emporstieg; alle haben sich versammelt, um die Eucharistie zu feiern, Herz und Vorbild für die Gemeinschaft nicht nur im Hinblick auf die Spiritualität oder das sittliche Leben, sondern auch für die Struktur der Kirche in der Vielfalt der Ämter und Dienste unter dem Vorsitz des Bischofs, des Nachfolgers der Apostel. Die ersten Konzilien sind ein beredtes Zeugnis fiir die fortdauernde Einheit in Vielfalt“. <316> Wie läßt sich nach fast tausend Jahren diese Einheit wiederherstellen? Das ist die große Aufgabe, die sie lösen muß und die auch der orthodoxen Kirche obliegt. Von daher begreift man die ganze Aktualität des Dialogs, der gestützt wird vom Licht und der Kraft des Heiligen Geistes. <316> Ebd., Nr. 18: a.a.O., S. 4. 934 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beziehungen zu den alten Kirchen des Orients 62. Seit dem II. Vatikanischen Konzil hat die katholische Kirche mit Unterschieden hinsichtlich der Vorgangs weisen und zeitlichen Abläufe auch zu jenen alten Kirchen des Orients wieder brüderliche Beziehungen aufgenommen, die die dogmatischen Formeln der Konzilien von Ephesus und Chalkedon angefochten haben. Alle diese Kirchen haben Beobachter zum II. Vatikanischen Konzil entsandt; ihre Patriarchen haben uns mit ihrem Besuch geehrt, und der Bischof von Rom hat mit ihnen wie mit Brüdern sprechen können, die sich nach langer Zeit in der Freude wiederfinden. Die Wiederaufnahme der brüderlichen Beziehungen zu den alten Kirchen des Orients, Zeugen des christlichen Glaubens in oft feindseligen und tragischen Situationen, ist ein konkretes Zeichen dafür, daß uns trotz der historischen, politischen, sozialen und kulturellen Hindernisse Christus miteinander vereint. Und gerade was das christologische Thema betrifft, haben wir gemeinsam mit den Patriarchen einiger dieser Kirchen unseren gemeinsamen Glauben an Jesus Christus erklären können, den wahren Gott und wahren Menschen. Papst Paul VI. seligen Andenkens hatte in diesem Sinne Erklärungen mit Seiner Heiligkeit Shenouda BI., dem koptisch-orthodoxen Papst und Patriarchen, <317> und mit dem syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien, Seiner Heiligkeit Jacoub III., <318> unterzeichnet. Ich selbst konnte diese christologische Übereinstimmung bestätigen und daraus die Konsequenzen ziehen: für die Entwicklung des Dialogs mit Papst Shenouda <319> und für die pastorale Zusammenarbeit mit dem syrischen Patriarchen von Antiochien, Mar Ignatius Zakka I. Iwas. <320> <317> Vgl. Gemeinsame Erklärung von Papst Paul VI. und Seiner Heiligkeit Shenouda III., Papst von Alexandrien, Patriarch des Stuhles des hl. Markus (10. Mai 1973): AA5'65(1973)299-301. <318> Ygi Gemeinsame Erklärung von Papst Paul VI. und Seiner Heiligkeit Mar Ignatius Jacoub III., Patriarch der Kirche Antiochiens der Syrer und des ganzen Orients (27. Oktober 1971): AAS63(1971)814-815. <319> Ygi Ansprache an die Gesandten der koptisch-orthodoxen Kirche (2. Juni 1979): AA571(1979) 1000-1001. <320> Ygl. Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und dem syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien und dem ganzen Orient, Seiner Heiligkeit Moran Mar Ignatius Zakka I. Iwas (23. Juni 1984): Insegnamenti VII, 1 (1984), 1902-1906. Gemeinsam mit dem ehrwürdigen Patriarchen der Kirche Äthiopiens, Abuna Paulos, der mich am 11. Juni 1993 in Rom besuchte, haben wir die zwischen unseren beiden Kirchen bestehende tiefe Gemeinschaft hervorgehoben: „Wir teilen den von den Aposteln empfangenen Glauben, dieselben Sakramente und dasselbe in der apostolischen Sukzession verwurzelte Amt [...]. Heute können wir tatsächlich behaupten, denselben Glauben an Christus zu haben, nachdem er lange Zeit Ursache der Spaltung zwischen uns gewesen war“. <321> <321> Ansprache an Seine Heiligkeit Abuna Paulos, Patriarch der orthodoxen Kirche Äthiopiens (11. Juni 1993): L'Osservatore Romano, 11.-12. Juni 1993, S. 4. Vor kurzer Zeit hat mir der Herr die große Freude beschert, eine gemeinsame christologische Erklärung mit dem assyrischen Patriarchen des Orients, Seiner Heilig- 935 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keit Mar Dinkha IV., zu unterschreiben, der mich aus diesem Anlaß im November 1994 in Rom besuchte. Unter Berücksichtigung der differenzierten theologischen Formulierungen konnten wir so gemeinsam den wahren Glauben an Christus bekennen. <322> Meiner Freude über all das möchte ich mit den Worten der seligen Jungfrau Ausdruck verleihen: „Meine Seele preist den Herrn“ (Lk 1,46). <322> Vgl. Gemeinsame christologische Erklärung zwischen der katholischen Kirche und der assyrischen Kirche des Orients: L'Osservatore Romano, 12. November 1994, S. 1. 63. Hinsichtlich der traditionellen Auseinandersetzungen über die Christologie haben die ökumenischen Kontakte also grundlegende Klärungen ermöglicht, so daß wir miteinander jenen Glauben bekennen können, der uns gemeinsam ist. Noch einmal sei festgestellt, daß diese bedeutende Errungenschaft sicherlich Ergebnis der theologischen Forschung und des brüderlichen Dialogs ist. Und nicht nur das. Sie ist für uns auch Ermutigung: denn sie zeigt uns, daß der eingeschlagene Weg richtig ist und daß man vernünftigerweise darauf hoffen kann, miteinander die Lösung für die anderen Streitfragen zu finden. Dialog mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Abendland 64. Im umfassenden, für die Wiederherstellung der Einheit unter allen Christen vorgezeichneten Plan berücksichtigt das Ökumenismusdekret ebenso auch die Beziehungen zu den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Abendlandes. In der Absicht, ein Klima der christlichen Brüderlichkeit und des Dialogs zu schaffen, führt das Konzil seine Angaben und Hinweise im Rahmen zweier allgemeiner Betrachtungen aus: die eine hat historisch-psychologischen und die andere theolo-gisch-doktrinalen Charakter. Einerseits stellt das Dokument fest: „Die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die in der schweren Krise, die im Abendland schon vom Ende des Mittelalters ihren Ausgang genommen hat, oder auch in späterer Zeit vom Römischen Apostolischen Stuhl getrennt wurden, sind mit der katholischen Kirche durch das Band besonderer Verwandtschaft verbunden, da ja das christliche Volk in den Jahrhunderten der Vergangenheit so lange Zeit sein Leben in kirchlicher Gemeinschaft geführt hat“. <323> Andererseits wird mit ebensolchem Realismus festgestellt: „Dabei muß jedoch anerkannt werden, daß es zwischen diesen Kirchen und Gemeinschaften und der katholischen Kirche Unterschiede von großem Gewicht gibt, nicht nur in historischer, soziologischer, psychologischer und kultureller Beziehung, sondern vor allem in der Interpretation der geoffenbarten Wahrheit“. <324> <323> xi Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 19. <324> Ebd., Nr. 19. 65. Gemeinsam sind die Wurzeln und trotz der Unterschiede sind die Orientierungen ähnlich, die die Entwicklung der katholischen Kirche und der aus der Refor- 936 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mation hervorgegangenen Kirchen und Gemeinschaften im Abendland geleitet haben. Sie besitzen daher eine gemeinsame abendländische Charakteristik. Die oben genannten „Unterschiede“, wenn sie auch von Bedeutung sind, schließen also gegenseitige Durchdringungen und Ergänzungen nicht aus. Die ökumenische Bewegung hat gerade im Bereich der Kirchen und Gemeinschaften der Reformation ihren Ausgang genommen. Zur gleichen Zeit, bereits im Januar 1920, hatte das Ökumenische Patriarchat den Wunsch geäußert, es solle eine Zusammenarbeit zwischen den christlichen Gemeinschaften aufgebaut werden. Dieser Umstand zeigt, daß die Auswirkung des kulturellen Hintergrundes nicht entscheidend ist. Wesentlich ist vielmehr die Frage des Glaubens. Das Gebet Christi, unseres einzigen Herrn, Erlösers und Meisters, spricht alle in derselben Weise an, den Orient ebenso wie das Abendland. Es wird zu einem Imperativ, der gebietet, die Trennungen aufzugeben, um die Einheit zu suchen und wiederzufinden, angespomt gerade auch durch die bitteren Erfahrungen der Spaltung. 66. Das II. Vatikanische Konzil beabsichtigt nicht, das „nachreformatorische“ Christentum „zu beschreiben“, denn diese Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften weisen „wegen ihrer Verschiedenheit nach Ursprung, Lehre und geistlichem Leben nicht nur uns gegenüber, sondern auch untereinander nicht wenige Unterschiede“ auf. <325> Außerdem bemerkt dasselbe Dekret, daß sich die ökumenische Bewegung und der Wunsch nach Frieden mit der katholischen Kirche noch nicht überall durchgesetzt hat. <326> Ungeachtet dieser Umstände schlägt das Konzil jedoch den Dialog vor. <325> Ebd., Nr. 19. <326> Vgl .ebd. Das Konzilsdekret versucht dann, „einige Gesichtspunkte hervorzuheben, die das Fundament und ein Anstoß zu diesem Dialog sein können und sollen“. <327> "Unser Geist wendet sich [...] den Christen zu, die Jesus Christus als Gott und Herrn und einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen offen bekennen zur Ehre des einen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. <328> Diese Brüder pflegen Liebe und Hochschätzung für die Heilige Schrift: „Unter Anrufung des Heiligen Geistes suchen sie in der Heiligen Schrift Gott, wie er zu ihnen spricht in Christus, der von den Propheten vorherverkündigt wurde und der das für uns fleischgewordene Wort Gottes ist. In der Heiligen Schrift betrachten sie das Leben Christi und was der göttliche Meister zum Heil der Menschen gelehrt und getan hat, insbesondere die Geheimnisse seines Todes und seiner Auferstehung [...]; sie bejahen die göttliche Autorität der Heiligen Schrift“. <329> <327> Ebd. <328> Ebd., Nr. 20. <329> Ebd., Nr. 21. 937 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gleichzeitig „haben sie jedoch [...] eine von uns verschiedene Auffassung von dem Verhältnis zwischen der Schrift und der Kirche, wobei nach dem katholischen Glauben das authentische Lehramt bei der Erklärung und Verkündigung des geschriebenen Wortes Gottes einen besonderen Platz einnimmt“, <330> „Nichtsdestoweniger ist die Heilige Schrift gerade beim (ökumenischen) Dialog ein ausgezeichnetes Werkzeug in der mächtigen Hand Gottes, um jene Einheit zu erreichen, die der Erlöser allen Menschen anbietet“. <331> <330> Ebd. <331> Ebd. Zudem stellt das Sakrament der Taufe, das wir gemeinsam haben, „ein sakramentales Band“ der Einheit zwischen allen (dar), die durch sie wiedergeboren sind“. <332> Die theologischen, pastoralen und ökumenischen Verflechtungen der gemeinsamen Taufe sind zahlreich und bedeutsam. Obwohl dieses Sakrament „nur ein Anfang und Ausgangspunkt“ ist, „ist es hingeordnet auf das vollständige Bekenntnis des Glaubens, auf die völlige Eingliederung in die Heilsveranstaltung, wie Christus sie gewollt hat, und schließlich auf die vollständige Einfügung in die eucharis-tische Gemeinschaft“. <333> <332> Ebd., Nt. 22. <333> Ebd. 67. Lehrmäßige und historische Unterschiede der Reformationszeit haben sich in bezug auf die Kirche, die Sakramente und das Weiheamt ergeben. Das Konzil verlangt daher, daß „die Lehre vom Abendmahl des Herrn, von den übrigen Sakramenten, von der Liturgie und von den Dienstämtem der Kirche notwendig Gegenstand des Dialogs sind“. <334> <334> Ebd., Nr. 22; vgl. Nr. 20. Während das Dekret Unitatis redintegratio hervorhebt, daß den nachreformatori-schen Gemeinschaften die „aus der Taufe hervorgehende volle Einheit mit uns fehlt“, stellt es zugleich fest, daß sie „vor allem wegen des Fehlens des Weihesakramentes die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben“, obwohl sie „bei der Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung des Herrn im Heiligen Abendmahl bekennen, daß hier die lebendige Gemeinschaft mit Christus bezeichnet werde, und sie seine glorreiche Wiederkunft erwarten“. <335> <335> Ebd., Nr. 22. 68. Das Dekret läßt das geistliche Leben und die moralischen Konsequenzen nicht außer acht: „Das christliche Leben dieser Brüder wird genährt durch den Glauben an Christus, gefördert durch die Gnade der Taufe und das Hören des Wortes Gottes. Dies zeigt sich im privaten Gebet, in der biblischen Betrachtung, im christlichen Familienleben und im Gottesdienst der zum Lob Gottes versammelten Ge- 938 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinde. Übrigens enthält ihr Gottesdienst nicht selten deutlich hervortretende Elemente der alten gemeinsamen Liturgie“. <336> <336> Ebd., Nr. 23. Das Konzilsdokument beschränkt sich allerdings nicht auf diese geistlichen, moralischen und kulturellen Aspekte, sondern weitet seine Wertschätzung auf das starke Gerechtigkeitsgefühl und auf die aufrichtige Nächstenliebe aus, die bei diesen Brüdern vorhanden sind; außerdem verkennt es nicht ihre Initiativen zur Schaffung menschlicher sozialer Lebensbedingungen und zur Lestigung des Briedens. Das alles geschieht in dem ehrlichen Willen, an dem Wort Christi als Quelle des christlichen Lebens festzuhalten. So hebt der Text eine Problematik hervor, die auf ethisch-moralischem Gebiet in unserer Zeit immer dringlicher wird, nämlich daß „viele Christen das Evangelium“ nicht immer „in der gleichen Weise auslegen wie die Katholiken“. <337> Auf diesem weiten Gebiet gibt es einen breiten Raum für den Dialog über die moralischen Prinzipien des Evangeliums und ihre Anwendung. <337> Ebd. 69. Die Vorgaben und die Einladung des II. Vatikanischen Konzils sind in die Tat umgesetzt worden, und nach und nach wurde der bilaterale theologische Dialog mit den verschiedenen Kirchen und weltweiten christlichen Gemeinschaften des Abendlandes aufgenommen. Andererseits begann für den multilateralen Dialog bereits 1964 der Prozeß zur Errichtung einer „Gemischten Arbeitsgruppe“ mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen, und seit 1968 gehören katholische Theologen als Vollmitglieder der theologischen Abteilung dieses Rates an, nämlich der Kommission „Glaube und Verfassung“. Der Dialog war und ist fruchtbar und verheißungsvoll. Mit den vom Konzilsdekret als Gegenstand des Dialogs empfohlenen Themen hat man sich bereits auseinandergesetzt oder wird das in Kürze tun können. Wenn man die verschiedenen bilateralen Gespräche betrachtet, die mit einer Hingabe geführt werden, die das Lob der ganzen ökumenischen Gemeinschaft verdient, so haben sie sich auf viele Streitfragen konzentriert, wie die Taufe, die Eucharistie, das Weiheamt, den sakramentalen Charakter und die Autorität der Kirche und die apostolische Sukzession. Auf diese Weise wurden unverhoffte Aussichten auf eine Lösung entworfen, und zugleich hat man begriffen, wie notwendig die tiefere Ergründung mancher Themen wäre. 70. Diese schwierige und heikle Untersuchung, die Probleme des Glaubens und der Achtung des eigenen und des Gewissens des anderen einbezieht, wurde auch vom Gebet der katholischen Kirche und der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften begleitet und unterstützt. Das im kirchlichen Gefüge bereits so tief verwurzelte und verbreitete Gebet für die Einheit zeigt, daß den Christen die Be- 939 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deutung der ökumenischen Frage nicht entgeht. Gerade weil die Suche nach der vollen Einheit eine Glaubensgegenüberstellung zwischen Gläubigen verlangt, die sich auf den einen Herrn berufen, ist das Gebet die Quelle der Erleuchtung über die Wahrheit, die als ganze angenommen werden muß. Durch das Gebet erstreckt sich zudem die Suche nach der Einheit, die ja nicht auf einen Kreis von Spezialisten beschränkt ist, auf jeden Getauften. Unabhängig von ihrer Rolle in der Kirche und von ihrer kulturellen Bildung können alle in einer geheimnisvollen, tiefgründigen Dimension einen aktiven Beitrag leisten. Kirchliche Beziehungen 71. Wir müssen der göttlichen Vorsehung auch für alle Ereignisse danken, die Zeugnis geben vom Fortschritt auf dem Weg der Suche nach der Einheit. Neben dem theologischen Dialog müssen angebrachterweise die anderen Begegnungsformen erwähnt werden, nämlich das gemeinsame Gebet und die praktische Zusammenarbeit. Papst Paul VI. gab diesem Prozeß mit seinem Besuch am Sitz des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf am 10. Juni 1969 einen starken Anstoß und traf dann wiederholt mit den Vertretern verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften zusammen. Diese Kontakte tragen wirksam dazu bei, die gegenseitige Kenntnis voneinander zu verbessern und die christliche Brüderlichkeit wachsen zu lassen. Papst Johannes Paul I. brachte während seines so kurzen Pontifikats den Willen zur Fortsetzung des Weges zum Ausdruck. <338> Der Herr hat mir gewährt, in dieser Richtung zu wirken. Außer den wichtigen ökumenischen Begegnungen in Rom ist ein bedeutender Teil meiner Pastoralbesuche regelmäßig dem Zeugnis für die Einheit der Christen gewidmet. Einige meiner Reisen weisen sogar eine ökumenische „Priorität“ auf, besonders in den Ländern, in denen die katholischen Gemeinden gegenüber den aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften eine Minderheit darstellen; oder wo diese letzteren in einer bestimmten Gesellschaft einen beachtlichen Anteil der an Christus Glaubenden darstellen. <338> yg] Rundfunkbotschaft Urbi et orbi (27. August 1978): AAS1()( 1978)695-696. 72. Das gilt vor allem für die europäischen Länder, wo diese Spaltungen ihren Ausgang genommen haben, und für Nordamerika. In diesem Zusammenhang verdienen, ohne deshalb die anderen Besuche schmälern zu wollen, jene besondere Aufmerksamkeit, die mich auf dem europäischen Kontinent zweimal nach Deutschland geführt haben: im November 1980 und im April-Mai 1987; der Besuch im Vereinigten Königreich (England, Schottland und Wales) im Mai-Juni 1982; in der Schweiz im Juni 1984; und in den skandinavischen und nordischen Ländern (Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark und Island), wohin ich mich im Juni 1989 begeben habe. Mit Freude, in gegenseitiger Achtung, in christlicher Solidarität und im Gebet bin ich vielen, vielen Brüdern und Schwestern begegnet, 940 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die alle in der Suche nach der Treue zum Evangelium engagiert sind. Das alles festzustellen war für mich eine Quelle großer Ermutigung. Wir haben die Gegenwart des Herrn mitten unter uns erfahren. In diesem Zusammenhang möchte ich an eine von brüderlicher Liebe bestimmte und von tiefer Glaubensklarheit durchdrungene Haltung erinnern, die ich mit starker Anteilnahme erlebt habe. Sie bezieht sich auf die Eucharistiefeiem, denen ich während meiner Reise in die nordischen und skandinavischen Länder in Finnland und in Schweden Vorstand. Bei der Kommunion präsentierten sich die lutherischen Bischöfe dem Zelebranten. Sie wollten mit einer einvemehmlichen Geste ihren sehnlichen Wunsch nach Erreichung des Zeitpunktes bekunden, an dem wir, Katholiken und Lutheraner, an derselben Eucharistie werden teilnehmen können, und sie wollten den Segen des Zelebranten empfangen. Voll Liebe habe ich sie gesegnet. Dieselbe so bedeutungsreiche Geste hat sich in Rom während der Messe wiederholt, die ich am 6. Oktober 1991 anläßlich des 600. Jahrestages der Heiligsprechung der hl. Birgitta auf der Piazza Farnese feierte. Ähnlichen Empfindungen begegnete ich auch jenseits des Atlantik im September 19S4 in Kanada und besonders im September 1987 in den Vereinigten Staaten, wo man eine große ökumenische Aufgeschlossenheit feststellt. Hier sei als Beispiel die ökumenische Begegnung in Columbia, South Carolina, vom 11. September 1987 erwähnt. Wichtig ist an sich die Tatsache, daß diese Begegnungen zwischen den Brüdern „aus der Reformationszeit“ und dem Papst mit gewisser Regelmäßigkeit stattfinden. Ich bin zutiefst dafür dankbar, daß mich sowohl die Verantwortlichen der verschiedenen Gemeinschaften als auch die Gemeinschaften in ihrer Gesamtheit gern aufgenommen haben. Unter diesem Gesichtspunkt halte ich den ökumenischen Wortgottesdienst für äußerst wichtig, der in Columbia stattgefunden hat und die Familie zum Thema hatte. 73. Ein weiterer Grund zu großer Freude ist die Feststellung, daß es in der nach-konziliaren Zeit und in den einzelnen Ortskirchen reichlich Initiativen und Aktionen zur Förderung der Einheit der Christen gibt, die ihr auf Mitwirkung aller abzielendes Tun auf der Ebene der Bischofskonferenzen, der einzelnen Diözesen und der Pfarrgemeinden wie auch der verschiedenen kirchlichen Bereiche und Bewegungen ausweiten. Verwirklichte Zusammenarbeit 74. „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“ {Mt 7,21). Die Kohärenz und Redlichkeit der Absichten und der Grundsatzaussagen erfüllen sich durch deren Anwendung auf das konkrete Leben. Das Konzilsdekret über den Ökumenismus führt an, daß bei den anderen Christen „der Christusglaube seine Früchte in Lobpreis und Danksagung für die von Gott empfangenen Wohltaten 941 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zeitigt; hinzu kommt ein lebendiges Gerechtigkeitsgefühl und eine aufrichtige Nächstenliebe“. <339> <339> ü. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, 23. Der soeben beschriebene Bereich ist ein fruchtbarer Boden nicht nur für den Dialog, sondern auch für eine tätige Zusammenarbeit: Der „werktätige Glaube hat auch viele Einrichtungen zur Behebung der geistlichen und leiblichen Not, zur Förderung der Jugenderziehung, zur Schaffung menschenwürdiger Verhältnisse im sozialen Leben und zur allgemeinen Festigung des Friedens hervorgebracht“. <340> <340> Ebd. Das soziale und kulturelle Leben bietet weite Räume für ökumenische Zusammenarbeit. Immer häufiger finden sich die Christen zusammen, um die Menschenwürde zu verteidigen, das Gut des Friedens, die Anwendung des Evangeliums auf das soziale Leben zu fördern sowie in Wissenschaft und Kunst den christlichen Geist präsent zu machen. Sie finden sich immer mehr zusammen, wenn es darum geht, der Not und dem Elend unserer Zeit entgegenzutreten: dem Hunger, den Katastrophen und der sozialen Ungerechtigkeit. 75. Diese Zusammenarbeit, die ihre Inspiration aus dem Evangelium selbst bezieht, ist für die Christen niemals eine bloß humanitäre Aktion. Sie hat ihren eigentlichen Grund im Wort des Herrn: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben“ (Mt 25,35). Wie ich bereits hervorgehoben habe, macht die Zusammenarbeit aller Christen klar jenen zwischen ihnen bereits bestehenden Grad von Gemeinschaft offenbar. <341> <341> Vgl. ebd., Nr. 12. Vor der Welt gewinnt das gemeinsame Wirken der Christen in der Gesellschaft dann den transparenten Wert eines Zeugnisses, das gemeinsam im Namen des Herrn abgelegt wird. Es nimmt auch die Dimensionen einer Verkündigung an, weil es das Antlitz Christi enthüllt. Die noch bestehenden gegensätzlichen Auffassungen in der Lehre üben einen negativen Einfluß aus und setzen auch der Zusammenarbeit Grenzen. Die zwischen den Christen bereits bestehende Glaubensgemeinschaft bietet jedoch nicht nur für ihre gemeinsame Tätigkeit auf sozialem Gebiet eine solide Grundlage, sondern auch im religiösen Bereich. Diese Zusammenarbeit wird die Suche nach der Einheit erleichtern. Wie das Öku-menismusdekret bemerkte, können bei dieser Zusammenarbeit „alle, die an Christus glauben, unschwer lernen, wie sie einander besser kennen und höher achten können und wie der Weg zur Einheit der Christen bereitet wird“. <342> <342> Ebd. 76. Wie sollte man in diesem Zusammenhang nicht an das ökumenische Interesse für den Frieden erinnern, das unter wachsender Beteiligung der Christen und mit 942 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einer immer tiefgründigeren theologischen Motivation im Gebet und im Tun Ausdruck findet? Es könnte gar nicht anders sein. Glauben wir etwa nicht an Jesus Christus, den Friedensfürsten? Die Christen sind sich zunehmend einig in der Ablehnung der Gewalt, und zwar jeder Art von Gewalt, von Kriegen bis zur sozialen Ungerechtigkeit. Wir sind zu einem immer tätigeren Einsatz aufgerufen, damit noch klarer zutage tritt, daß nicht die religiösen Gründe die wahre Ursache der herrschenden Konflikte darstellen, auch wenn leider die Gefahr der Instrumentalisierung zu politischen und feindseligen Zwecken nicht gebannt ist. Während des Weltgebetstages für den Frieden 1986 in Assisi haben die Christen der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften mit einer einzigen Stimme zum Herrn der Geschichte für den Frieden in der Welt gebetet. An jenem Tag haben parallel dazu, wenn auch in anderer Weise, ebenso die Juden und die Vertreter der nichtchristlichen Religionen um den Frieden gebetet - in einem Einklang von Gefühlen, die die tiefsten Seiten des menschlichen Geistes zum Schwingen brachten. Nicht vergessen möchte ich auch den Weltgebetstag für den Frieden in Europa, besonders auf dem Balkan, der mich am 9. und 10. Januar 1993 wieder als Pilger in die Stadt des hl. Franziskus geführt hat, und die Messe für den Frieden auf dem Balkan und insbesondere in Bosnien-Herzegowina, die ich im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen am 23. Januar 1994 in der Petersbasilika feierte. Wenn unser Blick durch die Welt streift, erfüllt Freude unser Herz. Denn wir stellen fest, daß sich die Christen immer mehr von der Frage des Friedens ermahnt fühlen. Sie sehen sie in engem Zusammenhang mit der Verkündigung des Evangeliums und mit der Ankunft des Reiches Gottes. HI. Kapitel Quanta est nobis via? (Wie lang ist der Weg, der noch vor uns liegt?) Den Dialog weiter intensivieren 77. Nun können wir uns fragen, wie lang der Weg ist, der uns noch von jenem segensreichen Tag trennt, an dem die volle Einheit im Glauben erreicht sein wird und wir einträchtig miteinander die heilige Eucharistie des Herrn werden feiern können. Die bessere gegenseitige Kenntnis und die Übereinstimmungen in Fragen der Fehre, die wir schon erreicht haben und die eine effektive Zunahme des Gemeinschaftsgefühls zur Folge hatten, können dem Gewissen der Christen, die die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche bekennen, freilich noch nicht genügen. Das letzte Ziel der ökumenischen Bewegung ist die Wiederherstellung der sichtbaren vollen Einheit aller Getauften. 943 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Hinblick auf dieses Ziel sind alle bisher erreichten Ergebnisse nur ein, wenn auch vielversprechendes und positives Wegstück. 78. In der ökumenischen Bewegung hat nicht nur die katholische Kirche, zusammen mit den orthodoxen Kirchen, diese anspruchsvolle Auffassung von der von Gott gewollten Einheit. Das Streben nach einer solchen Einheit wird auch von anderen zum Ausdruck gebracht. Zum Ökumenismus gehört, daß sich die christlichen Gemeinschaften gegenseitig helfen, damit in ihnen tatsächlich der ganze Inhalt und alle Ansprüche dessen gegenwärtig sind, „was uns seit den Zeiten der Apostel überkommen ist“. Ohne dies wird eine volle Gemeinschaft nie möglich sein. Diese gegenseitige Hilfe bei der Suche nach der Wahrheit ist eine vortreffliche Form der Liebe im Sinne des Evangeliums. Die Suche nach der Einheit findet in den verschiedenen Dokumenten der zahlreichen internationalen gemischten Dialog-Kommissionen Ausdruck. Ausgehend von einer gewissen Grundeinheit in der Lehre geht es in diesen Texten um die Taufe, die Eucharistie, das Amt und die Autorität. Von dieser grundlegenden, aber eben nur teilweisen Einheit gilt es nun zu der notwendigen und hinreichenden sichtbaren Einheit zu gelangen, die sich in die konkrete Wirklichkeit einschreibt, damit die Kirchen tatsächlich das Zeichen jener vollen Gemeinschaft in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche verwirklichen, die in der gemeinsamen Feier der Eucharistie Ausdruck finden wird. Dieser Weg zur notwendigen und ausreichenden sichtbaren Einheit in der Gemeinschaft der einen von Christus gewollten Kirche erfordert eine noch geduldige und beherzte Arbeit. Dabei gilt es, keine weiteren Verpflichtungen über die unverzichtbaren hinaus aufzuerlegen (vgl. Apg 15,28). 79. Schon jetzt ist es möglich, die Themen festzulegen, die vertieft werden müssen, um zu einer echten Übereinstimmung im Glauben zu gelangen: 1) die Beziehungen zwischen Heiliger Schrift als oberster Autorität in Sachen des Glaubens und der heiligen Tradition als unerläßlicher Interpretation des Wortes Gottes; 2) die Eucharistie, Sakrament des Leibes und Blutes Christi, dargebracht zum Lob des Vaters, Gedächtnis des Opfers und Realpräsenz Christi, heiligmachende Ausgießung des Heiligen Geistes; 3) die Weihe als Sakrament zum Dienstamt in seinen drei Stufen: Bischofsamt, Priestertum und Diakonat; 4) das Lehramt der Kirche, dem Papst und den in Gemeinschaft mit ihm stehenden Bischöfen anvertraut, <21> <22> 129 Die geduldige Arbeit der Kommission „Glaube und Verfassung“ ist zu einer analogen Einsicht gelangt, die sich die VIT. Versammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in der sogenannten Erklärung von Canberra (7.-20. Februar 1991, vgl. Signs ofthe Spirit, Official Report Seventh Assembly, WCC, Genf 1991, S. 235-258) zu eigen gemacht hat und die dann von der Weltkonferenz von „Glaube und Verfassung“ in Santiago de Compostela (3.-14. August 1993, vgl. Service d'information 85 [1994], 18-38) neuerlich bestätigt wurde. <22> Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 14. 944 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verstanden als Verantwortung und Autorität im Namen Christi für die Unterweisung im Glauben und seine Bewahrung; 5) die Jungfrau Maria, Gottesmutter und Ikone der Kirche, geistliche Mutter, die für die Jünger Christi und für die ganze Menschheit Fürbitte leistet. Auf diesem mutigen Weg zur Einheit halten uns die Klarheit und die Klugheit des Glaubens an, die falsche Irenik und die Nichtbeachtung der Nonnen der Kirche zu vermeiden. <23> Umgekehrt gebieten uns dieselbe Klarheit und dieselbe Klugheit, die Lauheit beim Einsatz für die Einheit und noch mehr den vorgefaßten Widerstand zu meiden oder auch den Defätismus, der dazu neigt, alles negativ zu sehen. An einer Sicht der Einheit festhalten, die allen Forderungen der geoffenbarten Wahrheit Rechnung trägt, heißt jedoch nicht, der ökumenischen Bewegung Einhalt zu gebieten. <24> Im Gegenteil, es bedeutet zu vermeiden, daß sie sich mit Scheinlösungen zufriedengibt, die zu keinem stabilen und echten Ergebnis führen würden. <25> Der Anspruch der Wahrheit muß bis auf den Grund gehen. Ist das etwa nicht das Gesetz des Evangeliums? <23> Vgl. ebd,, Nm. 4u. 11. <24> Vgi. Johannes Paul II., Ansprache an die Kardinale und die Mitglieder der Römischen Kurie (28. Juni 1985), Nr. 6: AAS77(1985)1153. <25> Vgl. ebd. Annahme der erreichten Ergebnisse 80. Während der Dialog über neue Themenbereiche weitergeht oder sich auf tiefer reichenden Ebenen entwickelt, haben wir eine neue Aufgabe zu lösen: wie nämlich die bisher erzielten Ergebnisse angenommen werden sollen. Sie dürfen nicht Aussagen der bilateralen Kommissionen bleiben, sondern müssen Gemeingut werden. Damit das geschieht und sich auf diese Weise die Gemeinschaftsbande festigen, bedarf es einer ernsthaften Untersuchung, die in verschiedenen Weisen, Formen und Zuständigkeiten das Volk Gottes als ganzes einbeziehen muß. Es handelt sich nämlich um Fragen, die häufig den Glauben betreffen, und sie erfordern die allseitige Übereinstimmung, die von den Bischöfen bis zu den gläubigen Laien reicht, die alle die Salbung mit dem Heiligen Geist empfangen haben. <26> Es ist derselbe Geist, der dem Lehramt beisteht und den sensus fidei weckt. <26> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 12. Für die Annahme der Ergebnisse des Dialogs braucht es daher einen umfangreichen und sorgfältigen kritischen Prozeß, der sie analysiert und mit Strenge ihre Übereinstimmung mit der Glaubenstradition überprüft, die uns von den Aposteln überkommen ist und in der um den Bischof als ihrem rechtmäßigen Hirten versammelten Gemeinschaft der Gläubigen gelebt wird. 81. Dieser Prozeß, der mit Klugheit und in der Haltung des Glaubens vorgenommen werden muß, wird vom Heiligen Geist begleitet werden. Damit er günstig 945 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausgeht, müssen seine Ergebnisse zweckmäßigerweise von kompetenten Personen verständlich dargestellt werden. Sehr wichtig ist dafür der Beitrag, den die Theologen und die Theologischen Fakultäten in Erfüllung ihres Charismas in der Kirche anzubieten berufen sind. Außerdem ist klar, daß die ökumenischen Kommissionen diesbezüglich ganz einzigartige Verantwortlichkeiten und Aufgaben haben. Der gesamte Prozeß wird von den Bischöfen und vom Heiligen Stuhl verfolgt und unterstützt. Die Lehrautorität hat die Verantwortung, das endgültige Urteil zu sprechen. Bei all dem wird es eine große Hilfe sein, sich methodisch an die Unterscheidung zwischen dem Glaubensgut {depositum fidei) und der Formulierung, in der es ausgedrückt wird, zu halten, wie es Papst Johannes XXIII. in seiner Ansprache zur Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils empfahl. <343> <343> Vgl. A4S54(1962)792. Den geistlichen Okumenismus fortsetzen und Zeugnis geben von der Heiligkeit 82. Man begreift, wie der Emst der ökumenischen Verpflichtung die katholischen Gläubigen zutiefst betrifft. Der Heilige Geist lädt sie zu einer ernsthaften Gewissensprüfung ein. Die katholische Kirche muß in jenen Dialog eintreten, den man „Dialog der Bekehrung“ nennen könnte; in ihm wird das innere Fundament für den ökumenischen Dialog gelegt. In diesem Dialog, der sich vor Gott vollzieht, muß jeder nach dem eigenen Unrecht suchen, seine Schuld bekennen und sich in die Hände dessen begeben, der der Fürsprecher beim Vater ist, Jesus Christus. Sicher findet man in dieser Beziehung von Bekehrung zum Willen des Vaters und gleichzeitig von Reue und absolutem Vertrauen auf die versöhnende Macht der Wahrheit, die Christus ist, die Kraft, um die lange und schwierige ökumenische Pilgerschaft zu einem guten Ende zu führen. Der „Dialog der Bekehrung“ mit dem Vater, den jede Gemeinschaft ohne Nachsicht für sich selber führen muß, ist das Fundament brüderlicher Beziehungen, die etwas anderes sind als ein herzliches Einverständnis oder eine rein äußerliche Tischgemeinschaft. Die Bande der brüderlichen koinonia müssen vor Gott und in Christus Jesus verflochten werden. Nur das Hintreten vor Gott vermag eine feste Grundlage für jene Bekehrung der einzelnen Christen und für jene dauernde Reform der Kirche auch als menschliche und irdische Einrichtung <344> zu bieten, die die Vorbedingungen für jedes ökumenische Engagement sind. Eines der grundlegenden Verfahren des ökumenischen Dialogs ist das Bemühen, die christlichen Gemeinschaften in diesen innersten geistlichen Raum einzubeziehen, in dem Christus in der Macht des Geistes sie alle ohne Ausnahme dazu bringt, sich vor dem Vater zu prüfen und sich zu fragen, ob sie seinem Plan über die Kirche treu gewesen sind. <344> Ygl. n. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 6. 946 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 83. Ich habe vom Willen des Vaters gesprochen, von dem geistlichen Raum, in dem jede Gemeinschaft den Aufruf zu einer Überwindung der Hindernisse vernimmt, die der Einheit im Weg stehen. Nun wissen alle christlichen Gemeinschaften, daß eine solche Forderung und eine solche Überwindung mit Hilfe der Kraft, die der Geist schenkt, nicht außerhalb ihrer Reichweite liegen. Denn alle besitzen ja Märtyrer des christlichen Glaubens. <345> Trotz des Dramas der Spaltung haben diese Brüder in sich selber eine so radikale und absolute Hingabe an Christus und an seinen Vater bewahrt, daß sie so weit zu gehen vermochten, ihr Blut zu vergießen. Aber besagt nicht vielleicht genau diese Hingabe Einbezogen-werden in das, was ich als „Dialog der Bekehrung“ bezeichnet habe? Soll nicht gerade dieser Dialog die Notwendigkeit unterstreichen, um der vollen Gemeinschaft willen in der Erfahrung der Wahrheit bis zum Äußersten zu gehen? <345> Vgl. ebd., Nr. 4; Paul VI., Predigt bei der Heiligsprechung der Märtyrer von Uganda (18. Oktober 1964): AAS56(1964)906. 84. Aus einer theozentrischen Sicht haben wir Christen bereits ein gemeinsames Martyrologium. Es enthält auch die Märtyrer unseres Jahrhunderts, die viel zahlreicher sind, als man glauben würde, und zeigt, wie auf einer tiefen Ebene Gott unter den Getauften die Gemeinschaft unter dem höchsten Anspruch des mit dem Opfer des Lebens bezeugten Glaubens aufrechterhält. <346> Wenn man für den Glauben zu sterben vermag, beweist das, daß man das Ziel auch dann erreichen kann, wenn es sich um andere Formen desselben Anspruchs handelt. Ich habe bereits mit Freude festgestellt, daß die zwar unvollkommene, aber real gegebene Gemeinschaft in vielen Bereichen des kirchlichen Lebens bewahrt wird und wächst. Ich glaube nun, daß sie darin schon vollkommen ist, was wir als den Gipfel des Gnadenlebens betrachten, den Märtyrertod, die intensivste Gemeinschaft, die es mit Christus geben kann, der sein Blut vergießt und durch dieses Opfer jene, die einst in der Feme waren, in die Nähe kommen läßt (vgl. Eph 2,13). <346> Vgl. Johannes Paul n., Apostol. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 37: A4S87(1995)29-30; Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nr. 93: AAS85(1993)1207. Auch wenn für alle christlichen Gemeinschaften die Märtyrer der Beweis für die Macht der Gnade sind, so sind sie dennoch nicht die einzigen, die von dieser Macht Zeugnis ablegen. Obgleich auf unsichtbare Weise, ist die noch nicht volle Gemeinsamkeit unserer Gemeinschaften in Wahrheit fest verankert in der vollen Gemeinschaft der Heiligen, das heißt derjenigen, die sich nach einem Leben in Treue zur Gnade in der Gemeinschaft mit dem verherrlichten Christus befinden. Diese Heiligen kommen aus allen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die ihnen den Eintritt in die Heilsgemeinschaft eröffnet haben. Wenn man von einem gemeinsamen Erbgut spricht, muß man dazu nicht nur die Einrichtungen, die Riten, die Heilsmittel und die Traditionen zählen, die alle Ge- 947 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinschaften bewahrt haben und von denen sie geformt worden sind, sondern an erster Stelle und vor allem diese Tatsache der Heiligkeit. <347> <347> Vgl. Paul VI., Ansprache im berühmten Heiligtum von Namugongo, Uganda (2. August 1969): AAS61(1969)590-591. In der Ausstrahlung, die vom „Erbe der Heiligen“ ausgeht, die allen Gemeinschaften angehören, erscheint der „Dialog der Bekehrung“ zur vollen und sichtbaren Einheit nun unter einem Licht der Hoffnung. Diese Allgegenwart der Heiligen liefert nämlich den Beweis für die Transzendenz der Macht des Geistes. Sie ist Zeichen und Beweis für den Sieg Gottes über die Kräfte des Bösen, die die Menschheit spalten. Wie es in den Liturgien besungen wird, krönt Gott in der Krönung der „Verdienste der Heiligen das Werk seiner Gnade“. <348> Dort, wo der aufrichtige Wille zur Nachfolge Christi besteht, gießt der Geist seine Gnade oft auf anderen als den gewöhnlichen Pfaden aus. Die ökumenische Erfahrung hat uns dies besser begreifen lassen. Wenn es die Gemeinschaften in dem inneren geistlichen Raum, den ich beschrieben habe, tatsächlich fertigbringen, sich zur Suche nach der vollen und sichtbaren Gemeinschaft „zu bekehren“, wird Gott für sie das tun, was Er für ihre Heiligen getan hat. Er wird die aus der Vergangenheit ererbten Hindernisse überwinden und wird die Gemeinschaften auf seinen Wegen führen, wohin Er will: zur sichtbaren koinonia, die zugleich Lobpreis seiner Herrlichkeit und Dienst an seinem Heilsplan ist. <348> Ygj Römisches Meßbuch, Präfation von den Heiligen I: Sanctorum „coronando merita tua dona coronans“. 85. Da Gott in seiner grenzenlosen Barmherzigkeit immer das Gute auch aus den Situationen gewinnen kann, die seinen Plan verletzen, können wir also entdecken, daß durch das Einwirken des Geistes unter bestimmten Umständen die Gegensätzlichkeiten dazu dienen würden, Aspekte der christlichen Berufung, wie sie sich im Leben der Heiligen ereignet, deutlich darzulegen. Trotz der Zersplitterung, die ein Übel ist, von dem wir geheilt werden müssen, verwirklichte sich also so etwas wie eine Mitteilung der Fülle der Gnade, die zur Verschönerung der koinonia bestimmt ist. Die Gnade Gottes wird mit all denen sein, die dem Beispiel der Heiligen folgen und sich bemühen, den Ansprüchen der Gnade zu entsprechen. Wie können wir da zögern, uns zu den Erwartungen des Vaters zu bekehren? Er ist mit uns. Beitrag der katholischen Kirche auf der Suche nach der Einheit der Christen 86. Die Konstitution Lumen Gentium schreibt in einer Grundsatzaussage, die das Dekret Unitatis redintegratio aufgreift, <349> daß die einzige Kirche Christi in der katholischen Kirche fortbesteht. <350> Das Dekret über den Ökumenismus unterstreicht <349> Vgi ii vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 4. <350> Vgl. n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 8. 948 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gegenwart der Fülle [plenitudo) der Heilsmittel in ihr. <351> Die volle Einheit wird dann Wirklichkeit werden, wenn alle an der Fülle der Heilsmittel teilhaben werden, die Christus seiner Kirche anvertraut hat. <351> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 3. 87. Auf dem Weg, der zur vollen Einheit führt, bemüht sich der ökumenische Dialog, eine brüderliche Hilfe füreinander zu wecken, durch die sich die Gemeinschaften gegenseitig das geben sollen, was eine jede braucht, um dem Plan Gottes entsprechend zur endgültigen Fülle zu wachsen (vgl. Eph 4,11-13). Ich habe gesagt, daß wir uns als katholische Kirche bewußt sind, vom Zeugnis, von der Suche und sogar von der Art und Weise gewonnen zu haben, wie bestimmte gemeinsame christliche Güter von den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften hervorgehoben und gelebt worden sind. Unter den Fortschritten, die während der letzten dreißig Jahre erzielt worden sind, muß diesem gegenseitigen brüderlichen Einfluß ein herausragender Platz eingeräumt werden. Auf dem Wegstück, an dem wir angekommen sind, <352> muß diese Tatkraft gegenseitiger Bereicherung ernsthaft in Betracht gezogen werden. Gestützt auf die Gemeinschaft, die dank der in den christlichen Gemeinschaften vorhandenen kirchlichen Elemente bereits besteht, wird sie jedenfalls zur vollen und sichtbaren Gemeinschaft anspomen, dem ersehnten Ziel des Weges, den wir zurücklegen. Das ist die ökumenische Form des dem Evangelium gemäßen Gesetzes vom Einander-Mitteilen und Miteinander-Teilen. Das läßt mich noch einmal wiederholen: „Es gilt, in allem das Bemühen zu beweisen, daß wir dem entgegenkommen wollen, was unsere christlichen Brüder berechtigterweise wünschen und von uns erwarten, da wir ihre Denkweise und ihre Gefühle kennen [...]. Die Gaben jedes einzelnen müssen zum Nutzen und Vorteil aller entwickelt und entfaltet werden“. <353> <352> Nach dem von der Kommission „Glaube und Verfassung“ erstellten sogenannten Limapapier über Taufe, Eucharistie, Amt (Januar 1982): Ench. Oecum. 1, 1392-1446, und im Geist der Erklärung der VII. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen über Die Einheit der Kirche als koinonia: Geschenk und Anspruch (Canberra, 7.-20. Februar 1991): vgl. Istina 36 (1991), 389-391. <353> Ansprache an die Kardinäle und die Mitglieder der Römischen Kurie (28. Juni 1985), Nr. 4: AAS77(1985)1151-1152. Der Dienst des Bischofs von Rom an der Einheit 88. Unter allen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ist sich die katholische Kirche bewußt, das Amt des Nachfolgers des Apostels Petrus, des Bischofs von Rom, bewahrt zu haben, den Gott als „immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit“ <354> eingesetzt hat und dem der Heilige Geist beisteht, damit er alle anderen an diesem wesentlichen Gut teilhaben läßt. Wie es Papst Gregor der Große treffend formulierte, ist mein Amt das eines servus servorum Dei (eines Dieners der Diener Gottes). Diese Definition schützt am besten vor der *46 n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 23. 949 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gefahr, die Amtsvollmacht (und im besonderen den Primat) vom Dienstamt zu trennen, was der Bedeutung von Amtsvollmacht im Sinne des Evangeliums widersprechen würde: „Ich aber bin unter euch wie der, der bedient“ (Lk 22,27), sagt unser Herr Jesus Christus, das Haupt der Kirche. Wie ich anläßlich der wichtigen Begegnung beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf am 12. Juni 1984 ausführen konnte, stellt andererseits die Überzeugung der katholischen Kirche, in Treue zur apostolischen Überlieferung und zum Glauben der Väter im Amt des Bischofs von Rom das sichtbare Zeichen und den Garanten der Einheit bewahrt zu haben, freilich eine Schwierigkeit für den Großteil der anderen Christen dar, deren Gedächtnis durch gewisse schmerzliche Erinnerungen gezeichnet ist. Soweit wir dafür verantwortlich sind, bitte ich mit meinem Vorgänger Paul VI. um Verzeihung. <355> <355> \/g[ Ansprache beim Besuch am Sitz des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf (12. Juni 1984), Nr. 2: InsegnamentiVlI, 1 (1984), 1686. 89. Es ist jedoch bedeutungsvoll und ermutigend, daß die Frage des Primats des Bischofs von Rom gegenwärtig zum Gegenstand einer unmittelbaren bzw. bevorstehenden Untersuchung wurde, und bedeutungsvoll und ermutigend ist es auch, daß diese Frage nicht nur in den theologischen Gesprächen der katholischen Kirche mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als wesentliches Thema vertreten ist, sondern auch allgemeiner in der ökumenischen Bewegung insgesamt. Vor kurzem haben die Teilnehmer an der in Santiago de Compostela abgehaltenen fünften Weltversammlung der Kommission „Glaube und Verfassung“ des Ökumenischen Rates der Kirchen empfohlen, die Versammlung „möge die Anregung geben zu einer neuen Untersuchung über die Frage eines universalen Dienstamtes an der christlichen Einheit“. <356> Nach Jahrhunderten erbitterter Polemiken stellen die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zunehmend mit einem neuen Blick Untersuchungen über diesen Dienst an der Einheit an. <357> <356> Weltkonferenz von „Glaube und Verfassung“, Bericht der II. Sektion, Santiago de Compostela (14. August 1993): Confessing the onefaith to God's glory, 31,2, Faith and Order Paper n. 166, WCC, Genf 1994, S. 243. <357> Um nur einige Beispiele zu zitieren: der Schlußbericht der Internationalen Anglikanisch-Römisch Katholischen Kommission - ARCIC I (September 1981): Euch. Oecum. 1, 3-88; die Gemischte Internationale Kommission für den Dialog zwischen der Katholischen Kirche und den Jungem Christi, Bericht 1981: Ench. Oecum. 1, 529-547; die Gemischte Nationale Gemeinsame Katholisch-Lutherische Kommission, Dokument Das Hirtenamt in der Kirche (13. März 1981): Ench. Oecum. 1, 703-742; klar dargestellt ist das Problem in der Untersuchung unter der Leitung der Gemischten Internationalen Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche in ihrer Gesamtheit. 90. Der Bischof von Rom ist der Bischof der Kirche, die die prägende Spur des Martyriums des Petrus und des Paulus bewahrt: ,Durch einen geheimnisvollen Plan der Vorsehung beendete er [Petrus] seinen Weg in der Nachfolge Jesu in Rom und in Rom, leistet er diesen höchsten Beweis der Liebe und der Treue. In 950 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rom erbringt auch der Völkerapostel Paulus das höchste Zeugnis. Auf diese Weise wurde die Kirche von Rom die Kirche des Petrus und des Paulus“. <358> Im Neuen Testament nimmt die Gestalt des Petrus einen herausragenden Platz ein. Im ersten Teil der Apostelgeschichte erscheint er als der Leiter und Wortführer des als ,,Petrus [...] zusammen mit den Elf“ (2,14; vgl. auch 2,37; 5,29) bezeichneten Kollegiums der Apostel. Der dem Petrus zugewiesene Platz gründet sich auf die Worte Christi selbst, wie sie in den Überlieferungen der Evangelien wiedergegeben werden. <358> Ansprache an die Kardinäle und die Mitglieder der Römischen Kurie (28. Juni 1985), Nr. 3: A4 577(1985)1150. 91. Das Matthäusevangelium beschreibt und präzisiert die pastorale Sendung des Petrus in der Kirche: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (16,17-19). Lukas hebt hervor, daß Christus dem Petrus aufträgt, die Brüder zu stärken, ihn aber gleichzeitig seine menschliche Schwäche und die Notwendigkeit seiner Bekehrung erkennen läßt (vgl. Lk 22,31-32). Es ist gerade so, als würde vor dem Hintergrund der menschlichen Schwachheit des Petrus voll offenkundig werden, daß sein besonderes Amt in der Kirche vollständig seinen Ursprung aus der Gnade hat; es ist, als würde sich der Meister ganz besonders seiner Bekehrung widmen, um ihn auf die Aufgabe vorzubereiten, die er sich anschickt, ihm in seiner Kirche anzuvertrauen, und würde ihm gegenüber sehr anspruchsvoll sein. Dieselbe Aufgabe des Petrus, gleichfalls verbunden mit einer realistischen Aussage über seine Schwachheit, findet sich im vierten Evangelium: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? [...] Weide meine Schafe“ (vgl. Joh 21,15-19). Bezeichnend ist außerdem, daß nach dem ersten Brief des Paulus an die Korinther der auferstandene Christus dem Kephas erscheint, dann den Zwölfen (vgl. 15,5). Wichtig ist festzuhalten, daß die Schwachheit des Petrus und des Paulus offenbar macht, daß die Kirche auf der unendlichen Macht der Gnade gründet (vgl. Mt 16,17; 2 Kor 12,7-10). Gleich nach seiner Einsetzung wird Petrus von Christus mit seltener Strenge gerügt, der zu ihm sagt: „Du willst mich zu Fall bringen!“ {Mt 16,23). Sollte man nicht in dem Erbarmen, das Petrus braucht, einen Bezug zu dem Amt jener Barmherzigkeit sehen, die er als erster erfährt? Dennoch wird er Jesus dreimal verraten. Auch das Johannesevangelium hebt hervor, daß Petrus die Aufgabe, die Herde zu weiden, in einem dreifachen Liebesbekenntnis (vgl. 21,15-17) empfängt, das dem dreifachen Verrat entspricht (vgl. 13,38). Lukas seinerseits beharrt in dem bereits zitierten Wort Christi, an dem die erste Überlieferung in der 951 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Absicht, die Sendung des Petrus zu beschreiben, festhalten wird, darauf, daß dieser, „sobald er sich bekehrt hat, seine Brüder stärken“ soll (vgl. Lk 22,32). 92. Was Paulus betrifft, so kann er die Beschreibung seines Dienstes mit der ergreifenden Feststellung abschließen, die er aus dem Mund des Herrn vernehmen darf: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“, und kann daher ausrufen: „denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,9-10). Das ist ein grundlegendes Merkmal der christlichen Erfahrung. Als Erbe der Sendung des Petrus in der vom Blut der Apostelfürsten befruchteten Kirche übt der Bischof von Rom ein Amt aus, das seinen Ursprung in der vielgestaltigen Barmherzigkeit Gottes hat, die die Herzen bekehrt und mit der Kraft der Gnade erfüllt, während der Jünger den bitteren Geschmack seiner Schwachheit und seines Elends wahmimmt. Die diesem Amt eigene Autorität steht ganz im Dienst des barmherzigen Planes Gottes und muß immer in dieser Perspektive gesehen werden. Aus ihm erklärt sich die Vollmacht dieses Amtes. 93. Durch seine Bindung an das dreifache Liebesbekenntnis des Petrus, das dem dreifachen Verrat entspricht, weiß sein Nachfolger, daß er Zeichen der Barmherzigkeit sein muß. Sein Dienst ist ein Dienst der Barmherzigkeit, geboren aus einem Barmherzigkeitsakt Christi. Diese ganze Lehre aus dem Evangelium muß dauernd neu gelesen werden, damit die Ausübung des Petrusamtes nichts von ihrer Glaubwürdigkeit und Transparenz verliert. Die Kirche Gottes ist von Christus dazu berufen, einer im Gewirr ihrer Schuld und ihrer üblen Vorhaben verfangenen Welt kundzutun, daß trotz allem Gott in seiner Barmherzigkeit die Herzen zur Einheit zu bekehren vermag, indem er sie zur Gemeinschaft mit ihm gelangen läßt. 94. Dieser im Werk der göttlichen Barmherzigkeit verwurzelte Dienst an der Einheit wird innerhalb des Bischofskollegiums einem von denen anvertraut, die vom Heiligen Geist den Auftrag erhalten haben, nicht die Macht über das Volk auszuüben - wie das die Führer der Nationen und die Mächtigen tun (vgl. Mt 20,25; Mk 10,42) -, sondern es zu leiten, damit es sich ruhigen Weiden zuwenden kann. Diese Aufgabe kann die Hingabe des eigenen Lebens erfordern (vgl. Joh 10,11-18). Nachdem der hl. Augustinus dargelegt hat, daß Christus „der einzige Hirte (ist), in dessen Einheit alle eins sind“, fordert er auf, „daß daher alle Hirten eins sein sollen in dem einzigen Hirten, daß sie die einzige Stimme des Hirten hören lassen sollen; daß die Schafe diese Stimme hören, ihrem Hirten, das heißt nicht diesem oder jenem, sondern dem einen, folgen sollen; daß alle in ihm eine einzige Stimme und nicht widersprechende Stimmen vernehmen lassen sollen [...]; die Stimme macht frei von jeder Spaltung, reinigt von jeder Irrlehre, die die Schafe hören“. <359> Der Auftrag des Bischofs von Rom in der Gruppe aller Bischöfe besteht eben darin, wie ein Wächter zu „wachen“ (episkopein), so daß dank der Hirten in <359> Sermo XLVI, 30: CCL 41, 557. 952 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allen Teilkirchen die wirkliche Stimme des Hirten Christus zu hören ist. Auf diese Weise verwirklicht sich in jeder der ihnen anvertrauten Teilkirchen die una, sancta, catholica et cipostolica Ecclesia. Alle Kirchen befinden sich in voller und sichtbarer Gemeinschaft, weil alle Hirten in Gemeinschaft mit Petrus und so in der Einheit Christi sind. Mit der Vollmacht und Autorität, ohne die dieses Amt illusorisch wäre, muß der Bischof von Rom die Gemeinschaft aller Kirchen gewährleisten. Dadurch ist er der Erste unter den Dienern an der Einheit. Dieser Primat wird auf verschiedenen Ebenen ausgeübt; sie betreffen die wachsame Aufsicht über die Weitergabe des Wortes, über die Feier der Sakramente und der Liturgie, über die Mission, über die Disziplin und über das christliche Leben. Dem Nachfolger des Petrus obliegt es, an die Forderungen des Gemeinwohls der Kirche zu erinnern, falls jemand versucht wäre, dies zugunsten eigener Interessen zu vergessen. Er hat die Pflicht hinzuweisen, zu warnen und manchmal diese oder jene Meinung, die verbreitet wird, für unvereinbar mit der Einheit des Glaubens zu erklären. Wenn es die Umstände erfordern, spricht er im Namen aller Hirten, die mit ihm in Gemeinschaft stehen. Er kann auch - unter ganz bestimmten, vom I. Vatikanischen Konzil klargestellten Bedingungen - ex cathedra erklären, daß eine Lehre zum Glaubensgut gehört. <360> Durch dieses Zeugnis der Wahrheit dient er der Einheit. <360> \/g|_ j vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Christi Pastor aeternus: DS 3074. 95. Das alles muß sich jedoch immer in Gemeinsamkeit vollziehen. Wenn die katholische Kirche beteuert, daß das Amt des Bischofs von Rom dem Willen Christi entspricht, trennt sie dieses Amt nicht von der Sendung, die allen Bischöfen anvertraut ist, die gleichfalls „Stellvertreter und Gesandte Christi“ sind. <361> Der Bischof von Rom gehört zu ihrem „Kollegium“, und sie sind seine Brüder im Amt. <361> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 27. Was die Einheit aller christlichen Gemeinschaften betrifft, gehört natürlich in den Bereich der Sorgen des Primats. Als Bischof von Rom weiß ich sehr wohl, und habe das in der vorliegenden Enzyklika erneut bestätigt, daß die volle und sichtbare Gemeinschaft aller Gemeinschaften, in denen kraft der Treue Gottes sein Geist wohnt, der brennende Wunsch Christi ist. Ich bin überzeugt, diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu haben, vor allem wenn ich die ökumenische Sehnsucht der meisten christlichen Gemeinschaften feststelle und die an mich gerichtete Bitte vernehme, eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet. Ein Jahrtausend hindurch waren die Christen „miteinander verbunden in brüderlicher Gemeinschaft des Glaubens und des sakramentalen Lebens, wobei dem Römischen Stuhl mit allgemeiner Zustimmung eine Führungsrolle zukam, wenn Streitigkeiten über Glaube oder Disziplin unter ihnen entstanden“. <362> <362> II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitaris redintegratio, Nr. 14. 953 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf diese Weise nahm der Primat seine Aufgabe an der Einheit wahr. Als ich mich an den ökumenischen Patriarchen, Seine Heiligkeit Dimitrios I., wandte, habe ich gesagt, ich sei mir bewußt, daß „sich aus sehr verschiedenen Gründen und gegen den Willen der einen wie der anderen das, was ein Dienst sein sollte, unter einem ganz anderen Licht zeigen konnte. Aber [...] aus dem Wunsch, wirklich dem Willen Christi zu gehorchen, sehe ich mich als Bischof von Rom dazu gerufen, diesen Dienst auszuüben [...]. Der Heilige Geist schenke uns sein Licht und erleuchte alle Bischöfe und Theologen unserer Kirchen, damit wir ganz offensichtlich miteinander die Formen finden können, in denen dieser Dienst einen von den einen und anderen anerkannten Dienst der Liebe zu verwirklichen vermag“. <363> <363> predigt bei der Eucharistiefeier in der Peterskirche in Anwesenheit von Dimitrios /., Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch (6. Dezember 1987), Nr. 3: AA580(1988)714. 96. Eine ungeheure Aufgabe, die wir nicht zurückweisen können und die ich allein nicht zu Ende bringen kann. Könnte die zwischen uns allen bereits real bestehende, wenn auch unvollkommene Gemeinschaft nicht die kirchlichen Verantwortlichen und ihre Theologen dazu veranlassen, über dieses Thema mit mir einen brüderlichen, geduldigen Dialog aufzunehmen, bei dem wir jenseits fruchtloser Polemiken einander anhören könnten, wobei wir einzig und allein den Willen Christi für seine Kirche im Sinne haben und uns von seinem Gebetsruf durchdringen lassen: „...sollen auch sie eins sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21)? Die Gemeinschaft aller Teilkirchen mit der Kirche von Rom: notwendige Voraussetzung für die Einheit 97. Die katholische Kirche hält sowohl in ihrer Praxis wie in den offiziellen Texten daran fest, daß die Gemeinschaft der Teilkirchen mit der Kirche von Rom und die Gemeinschaft ihrer Bischöfe mit dem Bischof von Rom ein grundlegendes Erfordernis - im Plan Gottes - für die volle und sichtbare Gemeinschaft ist. In der Tat muß die volle Gemeinschaft, deren höchste sakramentale Bekundung die Eucharistie ist, ihren sichtbaren Ausdruck in einem Amt finden, in dem alle Bischöfe sich vereint in Christus anerkennen und alle Gläubigen die Stärkung ihres Glaubens finden. Der erste Teil der Apostelgeschichte stellt uns Petras als den vor, der im Namen der Apostelgrappe spricht und der Einheit der Gemeinschaft dient -und das unter Achtung der Autorität des Jakobus, des Oberhauptes der Kirche von Jerusalem. Diese Aufgabe des Petras muß in der Kirche bestehen bleiben, damit sie unter ihrem einzigen Haupt, das Christus Jesus ist, in der Welt die sichtbare Gemeinschaft aller seiner Jünger ist. Ist es nicht vielleicht ein Dienstamt dieser Art, über dessen Notwendigkeit sich heute viele von denen äußern, die sich im Ökumenismus engagieren? Den Vorsitz in der Wahrheit und in der Liebe führen, damit das Boot - das schöne Symbol, das 954 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Ökumenische Rat der Kirchen zu seinem Emblem gewählt hat - nicht von den Stürmen zum Kentern gebracht wird und eines Tages sein Ufer erreichen kann. Volle Einheit und Evangelisierung 98. Die ökumenische Bewegung unseres Jahrhunderts war stärker als die ökumenischen Unternehmungen der vergangenen Jahrhunderte, deren Bedeutung jedoch nicht unterschätzt werden darf, von einer missionarischen Sichtweise gekennzeichnet. In dem Johannesvers, der als Inspiration und Leitmotiv dient - „... sollen auch sie eins sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21) -, ist damit die Welt glaubt so nachdrücklich unterstrichen worden, daß man manchmal Gefahr läuft zu vergessen, daß im Denken des Evangelisten die Einheit vor allem der Ehre des Vaters gilt. Es liegt auf der Hand, daß die Spaltung der Christen im Widerspruch zu der Wahrheit steht, die sie zu verbreiten beauftragt sind, und daher ihr Zeugnis schwer verletzt. Das hat mein Vorgänger Papst Paul VI. sehr wohl verstanden und in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nunti-andi ausgeführt: „Als Träger der Evangelisierung dürfen wir den an Christus Glaubenden nicht das Bild von zerstrittenen und durch Fronten getrennten, keineswegs erbaulichen Menschen geben, sondern das Bild von Persönlichkeiten, die im Glauben gereift und fähig sind, einander jenseits aller konkreten Spannungen in der gemeinsamen, aufrichtigen und lauteren Wahrheitssuche zu begegnen. Wirklich, das Schicksal der Evangelisierung ist mit aller Bestimmtheit an das von der Kirche gebotene Zeugnis der Einheit gebunden [...]. An dieser Stelle möchten Wir in einer besonderen Weise das Zeichen der Einheit unter allen Christen noch eigens als Weg und Mittel der Evangelisierung hervorheben. Die Spaltung der Christen ist ein so schwerwiegender Umstand, daß dadurch das Werk Christi selbst in Mitleidenschaft gezogen wird“. <364> <365> <366> <367> <364> Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 77: AAS6%(! 976)69; vgl. H. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 1; Päpstl. Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Directoire pour Vapplication des principes et des normes sur l'Oecumenisme (25. März 1993), 205- 209: A41S'85(1993)1112-1114. Wie kann man denn das Evangelium von der Versöhnung verkünden, ohne sich gleichzeitig tätig für die Versöhnung der Christen einzusetzen? Wenn es wahr ist, daß die Kirche auf Antrieb des Heiligen Geistes und durch die Verheißung der UnVergänglichkeit allen Nationen das Evangelium verkündet hat und verkündet, so ist ebenso wahr, daß sie sich mit den Schwierigkeiten auseinandersetzen muß, die von den Spaltungen herrühren. Werden die Nichtglaubenden, die sich Missionaren gegenübersehen, die untereinander zerstritten sind, obwohl sie sich alle auf Christus berufen, imstande sein, die wahre Botschaft anzunehmen? Werden sie nicht meinen, das Evangelium sei Faktor der Spaltung, auch wenn es als das grundlegende Gesetz der Liebe vorgestellt wird? 955 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 99. Wenn ich beteuere, daß für mich als Bischof von Rom das ökumenische Bemühen „eine der pastoralen Prioritäten“ meines Pontifikats ist, <27> so denke ich an das schwere Hindernis, das die Spaltung für die Verkündigung des Evangeliums darstellt. Eine christliche Gemeinschaft, die an Christus glaubt und mit der Leidenschaftlichkeit des Evangeliums das Heil der Menschheit ersehnt, kann sich keinesfalls dem Anruf des Geistes verschließen, der alle Christen zur vollen und sichtbaren Einheit anleitet. Es handelt sich um einen der Imperative der Liebe, der ohne Abstriche erfüllt werden muß. Der Ökumenismus ist ja nicht nur eine interne Frage der christlichen Gemeinschaften. Er betrifft die Liebe, die Gott in Jesus Christus der ganzen Menschheit zugedacht hat, und diese Liebe behindern bedeutet eine Beleidigung für ihn und seinen Plan, alle in Christus zusammenzuführen. Papst Paul VI. schrieb an den Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I.: „Möge uns der Heilige Geist auf dem Weg der Versöhnung leiten, damit die Einheit unserer Kirchen ein immer leuchtenderes Zeichen der Hoffnung und des Trostes für die ganze Menschheit werde“. <28> <27> Ansprache an die Kardinale und die Mitglieder der Römischen Kurie (28. Juni 1985), Nr. 4: AAS77(1985)1151. <28> Brief vom 13. Januar 1970: Tomos agapis, Vatikan-Phanar (1958-1970), Rom-Istanbul (1971), S. 610-611. Ermahnung 100. Als ich mich kürzlich an die Bischöfe, den Klerus und die Gläubigen der katholischen Kirche wandte, um den Weg anzugeben, der im Hinblick auf die Feier des Großen Jubiläumsjahres zweitausend eingeschlagen werden soll, habe ich unter anderem gesagt, „die beste Vorbereitung auf die Jahreswende zweitausend wird nur in dem erneuerten Einsatz fiir eine möglichst getreue Anwendung der Lehre des II. Vatikanums auf das Leben jedes einzelnen und der ganzen Kirche Ausdruck finden können“. <29> Das Konzil ist - wie der Advent - der große Anfang jenesWeges, der uns an die Schwelle des dritten Jahrtausends führt. Angesichts der Bedeutung, die die Konzilsversammlung dem Bemühen um die Wiederherstellung der Einheit der Christen beigemessen hat, schien es mir in diesem unserem Zeitalter ökumenischer Begnadung notwendig, die Grundüberzeugungen, die das Konzil dem Gewissen der katholischen Kirche eingeprägt hat, dadurch zu bekräftigen, daß ich diese Grundsätze im Lichte der Fortschritte in Erinnerung brachte, die inzwischen auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft aller Getauften erzielt worden sind. <29> Apostol. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 20: AASRK1995) 17. Zweifellos ist in diesem Bemühen der Heilige Geist am Werk und geleitet die Kirche zur vollen Verwirklichung des Planes des Vaters gemäß dem Willen Christi, wie er mit so betrübter Eindringlichkeit im Gebet ausgedrückt ist, das - nach dem vierten Evangelium - in dem Augenblick seine Lippen überkommt, als er sich in 956 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das heilbringende Drama seines Pascha begibt. So wie damals bittet Christus auch heute, daß ein neuer Schwung den Einsatz jedes einzelnen für die volle und sichtbare Gemeinschaft beleben möge. 101. Ich fordere daher meine Brüder im Bischofsamt auf, diesem Einsatz jede nur erdenkliche Aufmerksamkeit zu schenken. Die beiden Codices des kanonischen Rechtes erneuern unter den Verantwortlichkeiten des Bischofs die Aufgabe, die Einheit aller Christen zu fördern, indem sie jede Tätigkeit oder Initiative zu ihrer Förderung unterstützen, wohl wissend, daß die Kirche kraft des Willens Christi dazu gehalten ist. <30> Das gehört zum bischöflichen Auftrag und ist eine Verpflichtung, die sich direkt aus der Treue zu Christus, dem Hirten der Kirche, ergibt. Es sind aber auch alle Gläubigen vom Geist Gottes eingeladen, ihr Möglichstes zu tun, damit sich die Bande der Gemeinschaft unter allen Christen festigen und die Zusammenarbeit der Jünger Christi wächst: „Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und geht einen jeden an, je nach seiner Fähigkeit“. <31> <30> Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, can. 755; Codex des Ostkirchenrechtes, can. 902. <31> II. Vat. Konzil, Dekret Uber den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 5. 102. Die Macht des Geistes Gottes läßt über die Jahrhunderte hin die Kirche wachsen und baut sie auf. Mit dem Blick auf das neue Jahrtausend bittet die Kirche den Geist um die Gnade, ihre Einheit zu stärken und sie zur vollen Gemeinschaft mit den anderen Christen wachsen zu lassen. Wie ist das zu erreichen? Zuallererst durch das Gebet. Das Gebet sollte immer von jener Unruhe erfüllt sein, die Streben nach der Einheit und deshalb eine der notwendigen Formen der Liebe ist, die wir für Christus und für den von Erbarmen erfüllten Vater hegen. Auf diesem Weg, den wir zusammen mit den anderen Christen in das neue Jahrtausend einschlagen, muß das Gebet den Vorrang haben. Wie ist das zu erreichen? Durch die Danksagung, da wir uns nicht mit leeren Händen an diesem Zielpunkt einfinden: „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an [...] der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ {Röm 8,26), um uns vorzubereiten, daß wir Gott um das bitten, was wir brauchen. Wie ist das zu erreichen? Durch Hoffnung auf den Geist, der uns von den Gespenstern der Vergangenheit, von den schmerzlichen Erinnerungen der Trennung abzubringen vermag; er kann uns Klarheit, Kraft und Mut verleihen, um die nötigen Schritte zu unternehmen, so daß unser Engagement immer glaubwürdiger wird. Wenn wir uns fragen wollten, ob denn das alles möglich sei, würde die Antwort immer lauten: ja. Dieselbe Antwort, die von Maria von Nazaret zu hören war, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Da kommen mir die Worte in den Sinn, mit denen der hl. Cyprian das Vaterunser, das Gebet aller Christen, kommentiert: „Gott nimmt das Opfer dessen nicht an, der 957 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in Zwietracht lebt, ja er befiehlt ihm, wegzugehen vom Altar und sich zuerst mit seinem Bruder zu versöhnen. Nur so werden unsere Gebete vom Frieden inspiriert sein, und Gott wird sie annehmen. Das größte Opfer, das wir Gott darbringen können, ist unser Friede und die brüderliche Eintracht, ist das von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes versammelte Volk“. <368> Sollten wir zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht mit erneutem Schwung und reiferem Bewußtsein den Herrn inständig um die Gnade bitten, uns alle auf dieses Opfer der Einheit vorzubereiten? <368> Nr. 23: CSEL 3, 284-285. 103. Ich, Johannes Paul, demütiger servus servorum Dei, erlaube mir, mir die Worte des Apostels Paulus zu eigen zu machen, dessen Martyrium, zusammen mit dem des Apostels Petrus, diesem Stuhl von Rom den Glanz seines Zeugnisses verliehen hat, und sage euch, den Gläubigen der katholischen Kirche, und euch, den Brüdern und Schwestern der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, ,Jeehrt zur Ordnung zurück, laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes, und lebt in Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein [...]. Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“ (2 Kor 13,11.13). Gegeben zu Rom bei Sankt Peter, am 25. Mai, dem Hochfest der Himmelfahrt Christi, des Jahres 1995, im 17. Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Konkrete Zeichen der Auferstehung vorweisen Ansprache an die Italienische Bischofskonferenz am 25. Mai 1. Jesus Christus, dem „treuen Zeugen, dem Erstgeborenen der Toten, dem Herrscher über die Könige der Erde“, Ihm, der „uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen“ (vgl. Ojfb 1,50). Liebe Brüder im Bischofsamt, bei der Freude dieser erneuten Begegnung kommt uns von Herzen ein Lob auf Christus auf die Lippen. Das Geheimnis vom Eingang des Herrn in den Himmel, das zu betrachten uns die Liturgie heute einlädt, macht den Gruß, mit dem ich den Kirchen in Italien, die ihr vertretet, meine Zuneigung erweisen möchte, noch wesentlich bedeutungsreicher. Im Bück auf Jesus, der hinaufsteigt, um seinen Platz zur Seite des Vaters einzunehmen, stellen wir uns erneut unserem Dienstauftrag am italienischen Volk, das reich ist an religiösen Überlieferungen und dem es zugleich nottut, das von jeher 958 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gültige Evangelium neu zu hören. Wie aber ist das möglich? Welches sind die Wege, die die Vorsehung den kirchlichen Gemeinschaften in Italien auftut, „während das dritte Jahrtausend neuer Zeitrechnung näherrückt“? Zu welchen treuen und kreativ mutigen Entscheidungen ruft uns derjenige auf, der sagt: „Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21,5)? In diesen Tagen hat sich eure Versammlung bereit gemacht, auf das zu hören, „was der Geist den Gemeinden sagt“ {Offb 2,7) über die Herausforderungen der neuen Evangelisierung, und sie sucht nun nach konkreten, geeigneten Richtlinien für eine wirksame Pastoral. 2. In dieser Hinsicht lassen sich klärende Hinweise aus der Erfahrung der ersten christlichen Gemeinden entnehmen. In der Osterzeit stellt uns die Liturgie in den Schriftlesungen verschiedene bedeutende Momente aus dem Leben dieser Gemeinden vor und unterstreicht dabei immer ihre Beziehung zu den Osterereignissen. Vor allem führt sie uns zurück zu der erneuernden Ausgießung des Geistes und zu den wesentlichen und kennzeichnenden Momenten, die im Anhören des Wortes Gottes aus dem Mund der Apostel, im Brechen des eucharistischen Brotes, im Gemeinschaftsleben und in der Diakonie der Liebe bestehen (vgl. Apg 2,42-48). Dieser von „Freude und Einfalt des Herzens“ {Apg 2,46) erfüllte Lebensstil hat jenen missionarischen Schwung in sich, der unwiderstehlich von der Auferstehung Jesu ausstrahlt. So schreibt Lukas: „Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen“ {Apg 4,33). Ja die ganze christliche Gemeinde war „beim ganzen Volk beliebt“ {Apg 2,Al). Nicht durch Zufall kann der Evangelist notieren: „Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“ {Apg 2,48). Es ist eine Gabe des Geistes und ein Auftrag, den Er uns anvertraut: heute die Auferstehung nicht nur im liturgischen Ritus zu feiern, sondern auch dadurch, daß wir - wie es damals die Apostel taten - der uns umgebenden Welt konkrete Zeichen der Auferstehung vorweisen, nämlich Gemeinschaften, die gerade aufgrund ihrer Begegnung mit dem im Wort und im Brot gegenwärtigen auferstandenen Jesus daran mitwirken, daß seine Botschaft in der Welt ausgebreitet wird, und die auch zum Wachsen einer neuen, nach den Forderungen der Liebe aufgebauten Gesellschaft beitragen. 3. Die Erinnerung an das, was zu Beginn der Kirche geschah, darf uns aber nicht zu einer unverbindlichen sehnsüchtigen Rückschau auf das damals vom Herrn vollbrachte Werk verführen. Sie soll uns vielmehr verpflichten, ihn in der Gegenwart als den zu erkennen und zu treffen, „der ist und der war und der kommt“ {Offb 1,8), denn ,Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ {Hebr 13,8). Das geistliche Ziel des Großen Jubiläums, das das pastorale Wirken der Kirche in Italien zutiefst kennzeichnen muß, macht es, wie ich in Tertio millennio adveniente geschrieben habe, „dringend nötig, den Männern und Frauen Europas erneut die befreiende Botschaft des Evangeliums anzubieten“ (Nr. 57). 959 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr tut also gut daran, als Hirten über das Verhältnis „Glaube - Kultur“ nachzudenken ist doch gerade die Kultur einer der charakteristischen „Orte“, wo das Wort Gottes in unserer Mitte gegenwärtig wird und handelt. Und es ist euch allen gut bekannt, welche und wie viele Notwendigkeiten und Dringlichkeiten, Schwierigkeiten und Widerstände, aber auch wieviel Empfänglichkeit und Verfügbarkeit für eine kulturelle Erneuerung der italienischen Gesellschaft vorhanden sind. Es ist dringend notwendig, dem Menschen von heute wieder die volle Wahrheit über sich selbst vorzulegen, die Wahrheit, die in seiner Natur als gottebenbildliches Geschöpf liegt, das als solches berufen ist, nur in Gott die vollständige Antwort auf den Hunger und Durst seines Herzens nach Freiheit und Solidarität zu finden. Möge euer Einsatz als Bischöfe seinen Ausdruck finden in Einheit der Ziele und Mut zur Entscheidung, in unbegrenztem Gottvertrauen und herzlichem Dialog mit den Menschen unserer Zeit! 4. In dieser Hinsicht freue ich mich über die von der Bischofskonferenz herausgegebene Veröffentlichung des Erwachsenenkatechismus mit dem Titel „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Der Text, der sorgfältig und getreu den Hinweisen des Katechismus der Katholischen Kirche folgt, des ,3ezugspunkts für die Katechismen oder Kompendien, die in den verschiedenen Regionen zu erstellen sind“ (.Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 11), stellt ein wertvolles und gültiges Werkzeug für die Inkulturation des Glaubens in Italien dar. Die einmütige Beteiligung des ganzen Episkopats an dem langen Weg seiner Abfassung und die Approbation durch den Hl. Stuhl verleihen ihm eine einzigartige Bedeutung. Er wird also zusammen mit dem Katechismus der Katholischen Kirche bei allen kirchlichen Gemeinschaften in Italien als Glaubensbuch für die Erwachsenen seinen Platz haben. Mit euch teile ich den Wunsch, dieses neue Buch möge eine wertvolle Hilfe für die Katechese der Erwachsenen und, allgemeiner gesagt, für ihre religiöse Bildung sein, denn das bleibt ja zu jeder Zeit das erste und zentrale Anliegen des pastoralen Bemühens. 5. Zu den bedeutendsten Ereignissen in der Kirche Italiens gehört in diesem Jahr 1995 sicherlich der kommende kirchliche Kongreß in Palermo. Ihr schreibt ihm zu Recht große Bedeutung zu und bemüht euch, in allen christlichen Gemeinschaften, ja in gewissem Sinn im ganzen Land das Interesse für die Probleme zu wecken, mit denen er sich beschäftigen wird. Die kirchlichen Zusammenkünfte haben die verschiedenen Phasen des Pastoralplanes deutlich gemacht, mit dem sich die Kirche in Italien seit den siebziger Jahren befaßt. Nun wollt ihr in Palermo mit der Gnade des Geistes, den der Auferstandene schenkt, erneut das grundlegende Ziel abstecken: die Identität und die Anwesenheit der Kirche im gegenwärtigen geschichtlichen Kontext Italiens. Das dafür gewählte Thema: „Das Evangelium der Liebe für eine neue Gesellschaft in Italien“ öffnet große Perspektiven, die geeignet sind, jenes Evangelium vitae, das ich den Christen und allen Menschen guten 960 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Willens erneut vor Augen stellen wollte, deutlich darzulegen und ihm der Situation Italiens gemäß Gestalt zu geben. Insbesondere verdient hervorgehoben zu werden die Beziehung zwischen den Erfordernissen der Freiheit, dem Eintreten für die Gerechtigkeit und dem Suchen nach der Solidarität, um die es euch in besonderer Weise geht, da ihr sie als eine Gabe und eine Forderung des Evangeliums der Liebe betrachtet. Der erste Akt christlicher Solidarität besteht darin, jedem, seinen Rechten und Pflichten entsprechend, seine Würde als Mensch und als Kind Gottes zuzuerkennen. Anderseits verlangen Freiheit und Gerechtigkeit, daß tatsächlich und großzügig Solidarität geübt wird, so daß die Rechte und die Pflichten aller respektiert werden können. So Gott will, werde ich die Freude haben, in Palermo bei euch zu sein. Unterdessen wollen wir uns bei diesem wie bei jedem anderen kirchlichen Ereignis dem Heiligen Geist anvertrauen, damit er Geist und Herz eines jeden öffne und die notwendige Einsicht und den notwendigen Mut schenke, um im gegenwärtigen Augenblick den Willen Gottes zu erkennen. In dieser Absicht wurde eigens das Gebet für den Kongreß von Palermo verfaßt. 6. Die Bezugnahme auf das Gebet erinnert uns daran, daß die Heilsgeschichte auch Geschichte des Gebetes ist. So war es schon im Alten Testament bei den großen Gestalten des auserwählten Volkes, von den Patriarchen bis hin zu Mose und den Propheten. So war es auch im Neuen Testament bei Maria, bei Petrus, bei Paulus, bei der ganzen Gemeinde in den Zeiten der Apostel. Das Große Jubiläum, das den Eintritt des Sohnes Gottes in die Zeit „für uns Menschen und um unseres Heiles willen“ bekennt und feiert, ist schon in sich eine Einladung, im Gebet die einzelnen Augenblicke des Heilsgeheimnisses durchzugehen, das, von der Liebe des Vaters beschlossen, im großmütigen Opfer des Sohnes verwirklicht und für immer wirksam gemacht wurde durch die Ausgießung des Geistes. Hier in Italien war der Weg der Kirche während des vergangenen Jahres auch begleitet vom „Großen Gebet“ des Gottesvolkes. Diese Praxis sollte weitergehen, denn es bleibt noch viel Fragliches, und die Schwierigkeiten sind alles andere als überwunden. Ich hatte schon öfter Gelegenheit, meiner Bewunderung für die vielen Gaben des italienischen Volkes und für den Reichtum seines zivilen und religiösen Erbes Ausdruck zu geben. Heute spreche ich ihm angesichts der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Schwierigkeiten, die das Land durchzumachen hat, meine herzliche Ermutigung aus, und im Geist des „Großen Gebetes“ betone ich noch einmal, wie kostbar der Beitrag der christlichen Werte für den Aufbau einer wahrhaft menschenwürdigen Gesellschaft ist. Um in der heutigen Welt die Botschaft des Evangeliums überzeugend darzulegen, ist es aber notwendig, daß jedes Mitglied des Gottesvolkes wieder eine gediegene Spiritualität zurückgewinne und sie bewahre, um im Sinn des Evangeliums die Zeichen des Guten und des Bösen unterscheiden zu können und genügend innere Kraft zu besitzen, um furchtlos den unbekannten neuen Situationen und Herausforderangen der heutigen Welt entgegenzutreten. Nur so wird es möglich sein, in einprägsamer Weise das ,Evangelium 961 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Lebens“ darzulegen und zu seinen grundlegenden Werten auch die Zustimmung und Mitarbeit derer zu erreichen, die nicht die gleiche Glaubenssicht teilen. „Das ,Volk des Lebens - so habe ich kürzlich in der Enzyklika geschrieben - freut sich, seinen Einsatz mit vielen anderen teilen zu können, so daß das ,Volk für das Leben’ immer zahlreicher wird und die neue Kultur der Liebe und Solidarität wachsen kann zum wahren Wohl der Gesellschaft der Menschen“ (.Evangelium vitae, Nr. 101). Mitten in diesem „Großen Gebet“ ist Maria neben uns und vor uns und wirkt in der Stille als führende Gestalt angesichts des sich auftuenden dritten Jahrtausends, wie sie es beim Anfang des vorausgehenden tat. 7. Ich darf nicht versäumen daran zu erinnern, daß ihr den Statuten der Italienischen Bischofskonferenz (CEI) gemäß in dieser Generalversammlung aufgerufen seid, den Wechsel in den Verantwortlichkeiten eurer Ämter vorzunehmen, daß ihr also diejenigen ernennen müßt, die bei den verschiedenen Organen eine Aufgabe zu erfüllen haben. Ich danke dem Präsidenten der Bischofskonferenz, Camillo Kardinal Ruini, für die Hingabe und Weisheit, womit er seine anfordemde Aufgabe erfüllt, und danke allen, die heute ihr Mandat beenden. Vor allem spreche ich den scheidenden Vizepräsidenten, den Kardinälen Silvano Piovanelli und Giovanni Saldarini, meine dankbare Anerkennung aus wie auch den Vorsitzenden und den Mitgliedern der verschiedenen Kommissionen. Einen lebhaften Dank richte ich an den Generalsekretär Msgr. Dionigi Tettamanzi, der jetzt zum Pastoraldienst in der Erzdiözese Genua berufen ist, und ich gratuliere ihm zu seiner Ernennung als Vizepräsident; er teilt diese Ernennung mit Msgr. Alberto Ablindi, dem ich ebenfalls gratuliere und alles Gute wünsche. Mein herzlicher Gruß gilt dem neuen Generalsekretär Msgr. Ennio Antonelli, bis jetzt Erzbischof von Perugia. Ich ermutige ihn, seine menschlichen und pastoralen Gaben ganz der Italienischen Bischofskonferenz zur Verfügung zu stellen. Schließlich beglückwünsche ich auch die neuen Präsidenten der bischöflichen Kommissionen zu ihrem Dienst an den Kirchen in Italien. Im periodischen Wechsel dieser Aufträge sehe ich eine gute Gelegenheit, das Bewußtsein der bischöflichen Gemeinschaft und die Dienstbereitschaft zu vertiefen, die jeder Bischof auch jenen Teilen des Gottesvolkes gegenüber pflegen soll, die anderen Hirten an vertraut sind. Das Band der Einheit im Empfinden und Handeln, das auf diese Weise sichtbar wird, hat einen beispielhaften Wert, der sich um so nützlicher erweist, je größer die soziale und kulturelle Zersplitterung der Umwelt ist, worin wir leben. 8. Die pastoralen Aufgaben, zu denen ihr euch verpflichtet habt, sind anfordemd. Es wird im Dienst am Evangelium in einer Welt, die dem Geschenk Jesu Christi gegenüber nicht selten taub oder gleichgültig ist, gewiß nicht an Schwierigkeiten fehlen. Wir alle brauchen einen großen Glauben, der ebenso untemehmungsfreu-dig wie geduldig und ruhig ist (vgl. Ps 130/131,2-3). Der Christus der Offenbarung des Johannes, ein biblisches Bild, das die Kirchen in Italien dem Treffen in 962 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Palermo entgegenführt, bedeutet für uns alle Siegesgewißheit, Lichtglanz, der die Finsternis der Welt besiegen wird. In Christus bekräftigen wir unseren Glauben, und gemeinsam rufen wir zu ihm: „Amen. Komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen! Amen“ (Offb 22,20). Mit diesen Empfindungen und Wünschen segne ich von Herzen jeden von euch und alle, die eurer Hirtensorge anvertraut sind. Ohne Achtung des Rechtes auf Leben gibt es keinen Frieden Brief an die Generalsekretärin der Vierten Weltkonferenz der Vereinten Nationen über die Frauen, Frau Gertrude Mongella, vom 26. Mai 1. Mit aufrichtiger Freude begrüße ich Sie im Vatikan zu einer Zeit, da Sie und Ihre Mitarbeiter mit der Vorbereitung der Vierten Weltkonferenz der Vereinten Nationen über die Frauen beschäftigt sind, die im September in Peking stattfinden wird. Dort wird die Aufmerksamkeit der Völkergemeinschaft auf wichtige und dringende Fragen konzentriert sein, die die Würde, die Rolle und die Rechte der Frauen betreffen. Ihr Besuch gibt mir die Gelegenheit, meine tiefe Anerkennung auszudrücken für Ihre Anstrengungen, die Konferenz über das Thema ,Maßnahmen für Gleichheit, Entwicklung und Frieden“ zu einer Gelegenheit ernsthaften und objektiven Nachdenkens über diese lebenswichtigen Ziele sowie über die Rolle der Frauen bei der Erreichung dieser Ziele zu machen. Die Konferenz hat hohe Erwartungen in weiten Bereichen der öffentlichen Meinung geweckt. Der Heilige Stuhl ist sich dessen bewußt, was für das Wohlergehen von Milhonen Frauen überall auf der Welt auf dem Spiel steht, und hat, wie Sie wissen, aktiv an den vorbereitenden und regionalen Treffen teilgenommen, die zu dieser Konferenz hinführen. In diesem Prozeß hat der Heilige Stuhl sowohl lokale als auch universale Fragen, die für Frauen von besonderem Interesse sind, nicht nur mit den anderen Delegationen und Organisationen, sondern vor allem mit den Frauen selbst erörtert. Die Delegation des Heiligen Stuhls, die selbst zum größten Teil aus Frauen bestand, hat mit großem Interesse und Verständnis die Hoffnungen und Ängste, die Sorgen und Forderungen von Frauen aus aller Welt angehört. 2. Lösungen zu den Themen und Problemen, die während der Konferenz behandelt werden, müssen, wenn sie ehrlich und dauerhaft sein sollen, auf der Anerkennung der eigenen und unveräußerlichen Würde der Frau gegründet sein sowie auf der Wichtigkeit der Präsenz und Beteiligung von Frauen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Der Erfolg der Konferenz wird davon abhängen, ob es ihr gelingen wird, ein wahrheitsgetreues Bild der Würde und der Forderungen der Frauen zu bieten, ein Bild, das geeignet ist, objektive und realistische Antworten auf das Leiden, die Mühen und Frustrationen, die immer noch Teil des Lebens zu vieler Frauen sind, zu inspirieren und zu stützen. Tatsächlich stellt die Anerken- 963 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nung der Würde jedes einzelnen Menschen die Grundlage und Stütze des Konzepts der allgemeinen Menschenrechte dar. Für Gläubige haben diese Würde und die daraus hervorgehenden Rechte ihr tiefes Fundament in der Wahrheit der Erschaffung des Menschen nach dem Bild und Gleichnis Gottes. Die Charta der Vereinten Nationen bezieht sich auf diese Würde in demselben Kontext, in dem sie die gleichen Rechte von Männern und Frauen anerkennt (vgl. Präambel, Par. 2). Diese Vorstellung ist in fast allen internationalen Dokumenten über die Menschenrechte von herausragender Bedeutung. Wenn die Fähigkeiten und die Erwartungen vieler Frauen in der Welt nicht genützt und in die Tat umgesetzt werden, so ist dies vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, daß ihre Menschenrechte - so wie diese in den vorgenannten Dokumenten anerkannt worden sind -nicht unterstützt werden. In diesem Sinne kann die Konferenz eine notwendige Warnung aussprechen und die Regierungen und Organisationen dazu auffordem, auf wirksame Weise zuarbeiten, um die Würde und die Rechte der Frauen auf gesetzgeberischem Wege sicherzustellen. 3. Eine Tatsache, auf die die meisten Frauen selbst hinweisen, ist, daß die Gleichstellung der Würde nicht gleichbedeutend ist mit „Gleichheit mit den Männern“. Dies würde sowohl die Frauen als auch die ganze Gesellschaft nur noch ärmer machen, indem nämlich der einzigartige Reichtum und der eigene Wert der Fraulichkeit entstellt wird oder verlorengeht. Vom Standpunkt der Kirche aus sind Frauen und Männer vom Schöpfer dazu berufen, in tiefer Gemeinschaft miteinander zu leben und in gegenseitiger Kenntnis und Selbsthingabe mit den sich ergänzenden charakteristischen Merkmalen des Weiblichen und des Männlichen für das Gemeinwohl zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht vergessen, daß man auf der persönlichen Ebene die eigene Würde nicht als ein Ergebnis der Bestätigung von Rechten auf juristischem und internationalem Niveau erfährt, sondern als die natürliche Folge der konkreten materiellen, gefühlsmäßigen und geistigen Zuwendung, die man im Herzen der eigenen Familie erhält. Keine Antwort auf Frauenfragen kann die Rolle der Frauen innerhalb der Familie außer acht lassen oder die Tatsache auf die leichte Schulter nehmen, daß jedes neue Leben voll und ganz dem Schutz und der Sorge der Frau anvertraut ist, die es im Schoß trägt (vgl. Evangelium vitae, Nr. 58). Um diese natürliche Ordnung der Dinge zu achten, ist es notwendig, der irrigen Vorstellung entgegenzutreten, daß die Mutterrolle für Frauen unterdrückend sei und daß eine Verpflichtung der Frau zugunsten ihrer Familie, vor allem ihren Kindern gegenüber, sie persönlich davon abhalte, sich selbst zu verwirklichen, und Frauen im ganzen daran hindere, Einfluß auf die Gesellschaft zu nehmen. Man erweist nicht nur den Kindern, sondern auch den Frauen und selbst der Gesellschaft einen schlechten Dienst, wenn man Frauen deswegen Schuldgefühle vermittelt, weil sie zu Hause bleiben und sich um ihre Kinder kümmern und diese erziehen möchten. Die Präsenz der Mutter in der Familie, die für die Stabilität und das Wachstum dieser grundlegenden Einheit der Gesellschaft so entscheidend ist, sollte statt dessen in jeder möglichen Weise an- 964 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erkannt, aufgewertet und unterstützt werden. Ebenso muß die Gesellschaft die Ehemänner und Väter zur Verantwortung gegenüber ihren Familien aufrufen, und sie sollte eine Situation anstreben, in der diese nicht mehr durch wirtschaftliche Umstände gezwungen werden, auf der Suche nach Arbeit ihr Heim zu verlassen. 4. In unserer heutigen Welt, in der so viele Kinder in Krisensituationen leben, die nicht nur ihre langfristige Entwicklung, sondern sogar ihr Leben gefährden, ist es darüber hinaus dringend erforderlich, daß jene Sicherheit, die von verantwortungsbewußten Eltern - Mutter und Vater - im Rahmen der Familie geboten wird, wiederaufgebaut und bekräftigt wird. Kinder brauchen die positive Umgebung eines geordneten Familienlebens, das ihre Entwicklung bis zur menschlichen Reife sichert - und zwar gilt dies für Mädchen genauso wie für Jungen. Die Kirche hat im Laufe der Geschichte sowohl durch ihre Taten als auch mit ihren Worten bewiesen, wie wichtig es ist, die kleinen Mädchen zu erziehen und ihnen gesundheitliche Betreuung zukommen zu lassen, vor allem dort, wo sie sonst diese Vorteile nicht gehabt hätten. Entsprechend der Sendung der Kirche und zur Unterstützung der Ziele der Frauenkonferenz werden die katholischen Einrichtungen und Organisationen auf der ganzen Welt dazu ermuntert, in ihrer Fürsorge und besonderen Aufmerksamkeit gegenüber den kleinen Mädchen fortzufahren. 5. In der diesjährigen Botschaft zum Weltfriedenstag über das Thema „Die Frau: Erzieherin zum Frieden“ schrieb ich, daß die Welt es dringend nötig hat, „auf die Friedensbestrebungen zu hören, die sie (die Frauen) mit Worten und Gebärden und in besonders dramatischen Augenblicken mit der stummen Ausdruckskraft ihres Schmerzes bekunden“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1995, Nr. 4). Dies sollte auch tatsächlich klar sein: „Wenn die Frauen die Möglichkeit haben, ihre Gaben voll an die ganze Gemeinschaft weiterzugeben, erfährt die Art und Weise, wie sich die Gesellschaft versteht und organisiert, eine positive Veränderung“ (Nr. 9). Dies ist eine Anerkennung der einzigartigen Rolle der Frau hinsichtlich der Vermenschlichung der Gesellschaft sowie hinsichtlich ihrer Ausrichtung auf die positiven Ziele der Solidarität und des Friedens. Es Hegt dem Heiligen Stuhl fern, den Einfluß und die Tätigkeit der Frauen in der Gesellschaft beschränken zu wollen. Im Gegenteil: Ohne ihre Rolle in bezug auf die Familie zu schmälern, erkennt die Kirche an, daß der Beitrag der Frauen zum Wohle und Fortschritt der Gesellschaft nicht hoch genug zu bemessen ist, und die Kirche erwartet von den Frauen, daß sie noch mehr tun, um die Gesellschaft von dem tödlichen Virus der Erniedrigung und der Gewalt zu retten, die heutzutage eine dramatische Zunahme verzeichnen. Es sollte kein Zweifel daran bestehen, daß „die Frauen“ auf der Grundlage ihrer gleichberechtigten Würde mit den Männern „das volle Recht haben, sich aktiv in sämthche Bereiche des öffenthchen Lebens einzuschalten, und ihr Recht ist dort, wo es sich als notwendig erweist, auch durch gesetzliche Mittel zu bestätigen und zu schützen“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1995, Nr. 9). Um die Wahrheit zu 965 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sagen, haben die Frauen in einigen Gesellschaften schon große Fortschritte in diese Richtung vollzogen, indem sie auf entschiedenere Weise - und nicht ohne viele Hindernisse überwunden zu haben - am kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben beteiligt sind (vgl. ebd., Nr. 4). Dies stellt eine positive und hoffnungsvolle Entwicklung dar, die von der Konferenz in Peking besonders dadurch gefestigt werden kann, daß alle Länder aufgerufen werden, jene Situationen zu überwinden, die die Frauen daran hindern, in ihrer Würde und mit ihren Fähigkeiten anerkannt, geachtet und geschätzt zu werden. Es sind tiefgreifende Veränderungen der Einstellung und der Organisation der Gesellschaft nötig, um die Teilnahme der Frauen am öffentlichen Leben zu erleichtern, wobei gleichzeitig für die besonderen Verpflichtungen von Frau und Mann in bezug auf ihre Familien Sorge getragen werden muß. In manchen Fällen müssen auch Veränderungen vorgenommen werden, um Frauen Zugang zum Eigentum und zur Verwaltung ihres Vermögens zu ermöglichen. Die besonderen Schwierigkeiten und Probleme der alleinstehenden Frauen oder jener Frauen, die selbst ihren Familien vorstehen, Sollten ebenfalls nicht außer acht gelassen werden. 6. Tatsächlich implizieren Entwicklung und Fortschritt den Zugang zu Ressourcen und Möglichkeiten, einen gerechten und ausgegüchenen Zugang nicht nur zwischen den am wenigsten entwickelten, den in Entwicklung befindlichen und den reicheren Ländern und zwischen verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Klassen, sondern auch zwischen Frauen und Männern (vgl. Gaudium et spes, Nr. 9). Es sind größere Anstrengungen notwendig, um die Diskriminierung gegenüber Frauen auf Gebieten zu beseitigen, die die Ausbildung, das Gesundheitswesen und die Arbeit einschließen. Dort, wo bestimmte Gruppen oder Klassen systematisch von diesen Gütern femgehalten werden und wo es den Gemeinschaften oder Ländern an den grundlegenden sozialen Infrastrukturen und wirtschaftlichen Möglichkeiten mangelt, sind Frauen und Kinder die ersten, die an den Rand gedrängt werden. Und trotzdem: Dort, wo die Armut überhandnimmt, oder angesichts der von Konflikten und Krieg verursachten Verwüstungen oder auch inmitten des Dramas der Auswanderung, sei sie erzwungen oder nicht, sind es sehr oft die Frauen, die die Zeichen der menschlichen Würde aufrechterhalten, die die Familie verteidigen und kulturelle und religiöse Werte erhalten. Die Geschichte wird fast ausschließlich als Darstellung der Leistungen von Männern niedergeschrieben, obwohl sehr oft der bessere Teil der Geschichte durch das entschlossene und ausdauernde Handeln der Frauen zugunsten des Guten zustande kommt. An anderer Stelle habe ich über die Schuldverpflichtung des Mannes gegenüber der Frau im Bereich des Lebens und dem Schutz des Lebens geschrieben (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 18). Wieviel muß immer noch über die riesige Schuldverpflichtung der Männer gegenüber den Frauen in jedem weiteren Bereich des sozialen und kulturellen Fortschritts gesagt und geschrieben werden! Die Kirche und die menschliche Gesellschaft sind durch die einzigartige Präsenz und die Begabungen der Frauen durch alle Zeiten hindurch - und auch heute noch - unermeß- 966 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lieh bereichert worden, vor allem jener Frauen, die sich selbst dem Herrn geweiht haben und sich in ihm in den Dienst der anderen gestellt haben. 7. Die Konferenz von Peking wird zweifellos die Aufmerksamkeit auf die schreckliche Ausbeutung von Frauen und Mädchen lenken, die in jedem Teil der Welt existiert. Die öffentliche Meinung beginnt erst jetzt, sich über die unmenschlichen Bedingungen klar zu werden, unter denen Frauen und Kinder oft zu arbeiten gezwungen sind, besonders in den weniger entwickelten Gebieten unseres Planeten, für wenig oder keinen Lohn, ohne soziale Rechte, ohne Sicherheit. Und wie steht es mit der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern? Die Trivialisie-rung der Sexualität, vor allem in den Medien, und in einigen Gesellschaften die Hinnahme einer Sexualität ohne sittliche Schranken und ohne Verantwortlichkeit sind vor allem für Frauen schädlich und steigern die Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen, um ihre persönliche Würde und ihren Dienst am Leben zu wahren. In einer Gesellschaft, die diesem Weg folgt, ist die Versuchung sehr stark, die Abtreibung als eine sogenannte „Lösung“ zur Beseitigung ungewollter Ergebnisse sexueller Promiskuität und Unverantwortlichkeit zu gebrauchen. Auch in diesem Falle trägt die Frau die schwerste Last: Sie wird oft alleingelassen oder dazu gedrängt, dem Leben ihres Kindes noch vor dessen Geburt ein Ende zu setzen, und muß dann noch die Last ihres Gewissens tragen, das sie immer daran erinnert, daß sie dem eigenen Kind das Leben genommen hat (vgl. Mulieris digni-tatem, Nr. 14). Eine radikale Solidarität mit den Frauen erfordert, daß die zugrunde liegenden Ursachen, die ein Kind „unerwünscht“ machen, angegangen werden. Es wird nie Gerechtigkeit, einschließlich Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden für Frauen oder Männer, geben können, ohne den unabänderlichen Entschluß, das Leben zu achten, zu verteidigen, zu lieben und ihm zu dienen - und zwar jedes menschliche Leben, in jeder Phase und jeder Situation (vgl. Evangelium vitae, Nm. 5. 87). Es ist sehr wohl bekannt, daß dies ein Hauptanliegen des Heiligen Stuhls ist, und dies wird auch in den Stellungnahmen der Delegation des Heiligen Stuhls während der Konferenz in Peking zum Ausdruck gebracht werden. 8. Die Herausforderung, vor der die meisten Gesellschaften stehen, ist die der Unterstützung, ja sogar Stärkung der Rolle der Frau in der Familie, während es der Frau gleichzeitig ermöglicht werden muß, zum Aufbau der Gesellschaft all ihre Fähigkeiten einzusetzen und all ihre Rechte auszuüben. Trotzdem wird eine gesteigerte Präsenz der Frauen auf gleicher Ebene mit den Männern im Arbeitsleben, im öffentlichen Leben und allgemein in den Entscheidungsprozessen, die die Gesellschaft bestimmen, problematisch bleiben, solange die Kosten dafür weiterhin dem Privatsektor aufgebürdet werden. Auf diesem Gebiet hat der Staat eine Subsidiaritätspflicht, die durch angemessene legislative und sozialpolitische Maßnahmen ausgeübt werden muß. Unter dem Blickwinkel einer unkontrollierten Politik des freien Marktes besteht wenig Hoffnung, daß Frauen in der Lage sein werden, 967 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Hindernisse auf ihrem Weg zu überwinden. Die Konferenz von Peking sieht sich vielen Herausforderungen gegenüber. Wir müssen hoffen, daß diese Konferenz einen Kurs einschlägt, der den Klippen eines übertriebenen Individualismus mit einem ihn begleitenden sittlichen Relativismus oder - auf der entgegengesetzten Seite - den Klippen einer sozialen und kulturellen Konditionierung ausweicht, die es den Frauen nicht erlaubt, sich ihrer eigenen Würde bewußt zu werden, mit dramatischen Auswirkungen für das richtige Gleichgewicht der Gesellschaft und andauernden Qualen und Verzweiflung bei so vielen Frauen. 9. Frau Generalsekretär, ich hoffe und bete dafür, daß die Teilnehmer an der Konferenz die Tragweite dessen, was dort beschlossen werden soll, zusammen mit den daraus folgenden Konsequenzen für Millionen Frauen überall auf der Welt richtig einschätzen. Es ist viel Feingefühl nötig, um das Risiko verordnender Maßnahmen zu vermeiden, die weit entfernt sind von den Erfordernissen des wirklichen Lebens und den Bestrebungen der Frauen, denen die Konferenz dienen und die sie fördern soll. Mit der Hilfe des Allmächtigen Gottes mögen Sie und alle Beteiligten mit erleuchtetem Geist und aufrichtigem Herzen arbeiten, damit die Ziele der Gleichheit, der Entwicklung und des Friedens besser verwirklicht werden können. Aus dem Vatikan, am 26. Mai 1995 Joannes Paulus PP. II Den Weg der hll. Kyrill und Method mutig und beharrlich weitergehen Ansprache an den Präsidenten der ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien, Kiro Glimgorov, und eine offizielle Delegation am 26. Mai Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Vertreter der Regierung, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Indem ich Sie herzlich willkommen heiße, möchte ich das ganze Volk grüßen, daß Sie vertreten. Der Zweck Ihres Besuchs ist es, den hll. Kyrill und Method die Ehre zu erweisen anläßlich ihres Festes nach dem Kalender der Ostkirchen. Es ist dies eine willkommene Gelegenheit für die Kirche von Rom und für ihren Bischof, um erneut feststellen zu können, welch fruchtbare geistige Bande den Westen mit dem Osten verbinden - auch durch die Vermittlung der zwei Apostel der slawischen Völker. Kyrill und Method sind nämlich zuallererst Beispiele und zugleich Fürsprecher in den ökumenischen Anstrengungen der Schwesterkirchen des Ostens und des Westens“ (Slavorum Apostoli, Nr. 27). Aber die Lehre und das Beispiel der zwei 968 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heiligen Brüder müssen ebenfalls die Ideale der Gesellschaft als solche nähren. Sie leisteten nämlich „einen entscheidenden Beitrag zur Bildung Europas, und zwar nicht nur in der religiösen, christlichen Gemeinschaft, sondern auch für seine gesellschaftliche und kulturelle Einheit“ (ebd.). 2. Man kann gut verstehen, wie diese beiden Aspekte ihrer Botschaft sich gegenseitig ergänzen und vervollständigen. Während meiner Besuche in verschiedenen europäischen Ländern und anläßlich vieler Initiativen, an denen ich teilgenommen habe, habe ich es nicht versäumt, an die christlichen Wurzeln Europas zu erinnern, und habe dabei hervorgehoben, daß aus diesen Wurzeln der Lebenssaft aufsteigt, der den Zusammenhalt des Kontinents nährt und seine Verschiedenheiten miteinander in Einklang bringt. Auf der Grundlage dieses gemeinsamen Erbes können sich die Völker Europas zum gegenseitigen Verständnis und zur Bereitschaft zur Zusammenarbeit ermutigt fühlen durch den großzügigen Austausch der Früchte der jeweiligen kulturellen und geistlichen Eigenheiten. Die mannigfaltige Verschiedenheit, die das facettenreiche Gewebe Europas bildet, muß allerdings dazu beitragen, den Kontinent zu verschönern und ihn zur Suche nach lebendiger Einheit in wahrer Gemeinschaft der verschiedenen Teile antreiben. Auf zwei verschiedenen Ebenen, aber mit gleicher Verantwortung sind die bürgerliche Gesellschaft und die kirchliche Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit aufgefordert, tätig zu werden, damit der Weg, der von den heiligen Brüdern aus Saloniki aufgezeigt worden ist, auch heute mit Mut und Beharrlichkeit gegangen wird. Das ist mein aufrichtiger Wunsch für Sie, die Sie aus einer Gegend kommen, die in meinem Herzen ist und die ich ständig in meine Gebete einschließe. Möge Ihr Land immer mit sozialer Eintracht, Weitblick der Absichten und Wohlstand für alle gesegnet sein. Ich danke jedem von Ihnen für die Liebenswürdigkeit dieses Besuchs und rufe den Beistand des Herrn und den Schutz der hll. Kyrill und Method auf Ihr ganzes Volk herab. Albanien möge Heimat der Ökumene und des interreligiösen Dialogs werden Ansprache an eine Gruppe albanischer Pilger am 27. Mai Albanische Brüder und Schwestern, gelobt sei Jesus Christus! 1. Es ist mir eine große Freude, euch albanische Pilger zu begrüßen, die ihr aus eurem Heimatland, aus Italien, aus Deutschland, aus den Vereinigten Staaten von Amerika und aus anderen Ländern angereist seid. Ich danke dem Herrn, der mir die Gelegenheit gibt, jene Gastfreundschaft zu erwidern, die ich am 25. April 1993 erfahren durfte, als ich Albanien einen kurzen, aber unvergeßlichen Besuch abstattete. Dieser wahrlich historische Tag bestätigte die Wiedergeburt der Kirche in 969 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eurem geliebten Land. Damals war es mir nämlich auch gegeben, die neuen Hirten der albanischen Diözesen zu weihen, und heute freue ich mich, sie erneut umarmen zu können. Ich grüße sie herzlich und danke dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Frano Illia, für die Worte, mit denen er eure Gefühle ausgedrückt hat. Ich grüße ebenfalls die Bischöfe von Lungro und von Piana degli Albanesi zusammen mit dem hochgeschätzten Apostolischen Nuntius. Außerdem sende ich einen Gedanken brüderlicher Zuneigung an den ehrwürdigen Kardinal Mikel Koliqi, einer leuchtenden Figur als Zeuge Christi in schwierigen Zeiten. Ein besonderer Graß gilt Mutter Teresa von Kalkutta, die heute bei uns ist: Mutter Teresa ist in eurem Land geboren und hat seinen Namen auf der ganzen Welt berühmt gemacht. Das Andenken an die Momente intensiven Gebets in der Kathedrale von Skutari und das auf dem Balkon des Erzbischöflichen Palais gebetete Regina Caeli ist in mir noch lebendig. Wie könnte ich außerdem die Atmosphäre festlicher Herzlichkeit vergessen, in der zu Beginn und am Ende meines Besuchs die Begegnungen mit der Bevölkerung von Tirana und den Vertretern der albanischen Behörden stattgefunden haben? Es waren unvergeßliche Momente, bei denen die Gaben der Höflichkeit und Spontaneität, die die Seele eures Volkes kennzeichnen, unmittelbar faßbar wurden. Es ist hundert Jahre her, daß die Mutter vom Guten Rat zur Schutzpatronin Albaniens erklärt und euer Volk ihr geweiht worden ist. Um an dieses Ereignis zu erinnern und es zu feiern, habt ihr nach Rom und zum Heiligtum von Genazzano pilgern wollen, wo ich selbst vor meiner Reise nach Albanien mich im Gebet gesammelt habe, um diese Reise eurer Schutzherrin anzuvertrauen. Durch alle Jahrhunderte hört die Mutter der Kirche nicht auf, Brücken des Gebets und christlicher Solidarität zu schlagen: in der ganzen Welt, in Europa und besonders über den Weg, der die beiden Ufer des Adriatischen Meeres verbindet. 2. Seid also willkommen, liebe albanische Brüder! Der Bischof von Rom empfängt euch mit offenen Armen. Er empfängt euch als Botschafter eines Märtyrervolkes, das jahrzehntelang einer erbarmungslosen anti-religiösen Verfolgung ausgesetzt war. Ich wiederhole, was ich in Skutari gesagt hatte: „Eure Todes- und Auferstehungserfahrung gehört nämlich der ganzen Kirche und der ganzen Welt... Wir dürfen das, was gewesen ist, nicht vergessen!“ (Predigt in Skutari am 25.4.93, Nr. 2; in: O.R.dt. 7.5.93, S. 7). Meine Lieben, durch euch empfange und grüße ich alle eure Landsleute: nicht nur die Katholiken, sondern auch die Orthodoxen, die der Muttergottes so fromm ergeben sind, und die Muslime, die ebenfalls Maria verehren. Ich wünsche mir, daß eure Pilgerfahrt ein weithallender Aufruf zum Frieden unter den Völkern Europas, und vor allem auf dem Balkan, sein möge. Auch möge sie ein Antrieb zu verstärktem Einsatz für das friedliche Zusammenleben unter den Anhängern der verschiedener Religionen in Albanien sein. 970 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Geschichte der Kirche, die vom Blut der Märtyrer befruchtet wird, zeigt, daß euer Land hinsichtlich gegenseitiger Aufnahme und Toleranz eine besondere Berufung besitzt. Möge Albanien immer mehr zur Heimat der Ökumene und des interreligiösen Dialogs werden: Was könnte euch stolzer machen, als in Europa und der ganzen Welt als Beispiel des Dialogs, der Gewaltlosigkeit und der gegenseitigen Annahme angeführt zu werden? Am Ende des zweiten Jahrtausends, das leider von der Erinnerung an qualvolle religiöse Konflikte überschattet wird, ist jedes Zeugnis willkommen, das die Tatsache belegt, daß wahrer Glaube keine Nötigung und Gewalt duldet. Es ist kein Zufall, daß das albanische Volk eine solche Berufung erhalten hat: Denn es hat Armut und Unterdrückung erfahren, und die Schrift lehrt uns, daß der Herr gerade den Armen und Unterdrückten seine Wege zeigt, jene Wege, die aus der Sklaverei in die Freiheit führen. Nun, meine Lieben, müßt ihr euch einer neuen und anstrengenden Herausforderung stellen: die Entwicklung des Landes mit der Bewahrung des religiösen und moralischen Erbes in Einklang zu bringen und dabei allen Verlockungen wirtschaftlicher, politischer oder auch religiöser Art zu widerstehen, die zu Spaltung, Konfrontation oder Konflikten unter Brüdern führen könnten. Vor allem im Balkan fehlt es leider nicht an schrecklichen Beweisen dafür, wie die Menschen, die Kinder desselben Gottes sind, dazu kommen können, sich gegenseitig zu vernichten, wenn sie solchen Versuchungen nachgeben. 3. So möge wiederum Maria, die Mutter vom Guten Rat, den Weg vorzeichnen, der vor euch hegt: den Weg des Glaubens und des Friedens, um Albanien unter Achtung vor den Rechten aller seiner Kinder wiederaufzubauen, wobei alle Art von Ungerechtigkeit verbannt sein soll. Die Mutter vom Guten Rat sei erneut der Hoffnungsstem an eurem Horizont, der Stern der neuen Evangelisierung. Die Früchte ihres mütterlichen Schutzes sind jetzt schon in Fülle zu sehen. Denn die Kirche in Albanien erlebt einen neuen Frühling: zahlreiche Bekehrungen und Rückkehr zur Glaubenspraxis, eine vielversprechende Zunahme der Priester- und Ordensberufungen, die Verbreitung der Bibel und der liturgischen Texte in albanischer Sprache, soziale und Bildungswerke im Dienste aller Bürger ohne jeden Unterschied. All dies ist für euch Grund zu aufrichtiger Dankbarkeit gegenüber dem Herrn -eurer Dankbarkeit, die ihr in diesen Tagen den Händen der Jungfrau Maria anvertraut habt, während der ihr geweihte Monat Mai seinem Ende zugeht. Erlaubt mir, mich euch im Geiste anzuschließen und mit euch die „Weihe“ des Landes Albanien an die Mutter vom Guten Rat zu erneuern. O Mutter vom Guten Rat, Schutzpatronin des albanischen Volkes, bitte für uns! Mit diesen Gefühlen versichere ich euch eines besonderen Gedenkens im Gebet und spende euch allen, die ihr hier anwesend seid, sowie dem ganzen albanischen Volk von Herzen den Apostolischen Segen. Den Pilgern albanischer Herkunft aus den Vereinigten Staaten einen herzlichen Gruß: Ich lade euch ein, euer Heimatland und die Werte eurer Kultur immer in ho- 971 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hen Ehren zu halten. Gott möge euch und eure Familien segnen und euch nahe bei seinem Herzen behalten! Gott schütze euer Vaterland, Gott schütze das albanische Volk auf der ganzen Welt! Der Kinofilm - Kulturträger und Wertangebot Botschaft zum 29. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel [am 28. Mai 1995] vom 6. Januar Liebe Brüder und Schwestern! In diesem Jahr möchte ich euch anläßlich des Welttages der Sozialen Kommunikationsmittel einladen, über das Kino als „Kulturträger und Wertangebot“ nachzudenken. Denn wie ihr sicher wißt, beginnen im laufenden Jahr in der ganzen Welt Gedenkfeiern zum hundertjährigen Bestehen dieses verbreiteten, nunmehr allen leicht zugänglichen Ausdrucksmittels. Die Kirche hat wiederholt die Bedeutung der Kommunikationsmittel bei der Weitergabe und Förderung humaner und religiöser Werte (vgl. Pius XII., Miranda prorsus, 1957) und die besonderen konkreten Verantwortlichkeiten derer hervorgehoben, die in diesem schwierigen Bereich tätig sind. Denn angesichts der Fortschritte und Entwicklungen, die die Welt der sozialen Kommunikation in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, ist sich die Kirche sowohl der gefährlichen Macht der Beeinflussung, die die Massenmedien besitzen, als auch der Möglichkeiten bewußt, die diese, wenn weise eingesetzt, als wirksame Unterstützung für die Evangelisierung bieten. Wie ich in meiner Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel des Jahres 1989 schrieb, „ist die Frage, die sich der Kirche heute stellt, nicht mehr, ob der Mann auf der Straße noch eine religiöse Botschaft erfassen kann, sondern es geht darum, die besten kommunikativen Ausdrucksweisen zu finden, um die größtmögliche Durchschlagskraft der evangelischen Botschaft zu erzielen“ (Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1989, Nr. 5). Unter den sozialen Kommunikationsmitteln ist das Kino ein nunmehr weitverbreitetes und geschätztes Instrument, von dem häufig Botschaften ausgehen, die die Entscheidungen vor allem des jüngeren Publikums zu beeinflussen und zu bestimmen imstande sind, handelt es sich doch um eine Form der Kommunikation, die sich nicht so sehr auf Worte, sondern auf konkrete Tatsachen stützt, welche durch Bilder von großer Durchschlagskraft auf die Zuschauer und deren Unterbe-wußtsein zum Ausdruck gebracht werden. Das Kino, das zwar bisweilen wegen mancher Gesichtspunkte seiner vielfältigen Produktion Kritik und Tadel seitens der Kirche auslöste, hat sich seit seiner Entstehung wiederholt auch mit Themen auseinandergesetzt, die vom ethischen und 972 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geistlichen Standpunkt her von großer Bedeutung und großem Wert sind. Ich möchte hier zum Beispiel an die zahlreichen, noch in vielen Filmarchiven aufbewahrten Filmversionen des Lebens und Leidens Jesu und des Lebens der Heiligen erinnern, die auf Initiative vieler Diözesen, Pfarreien und religiöser Einrichtungen vor allem dazu dienten, zahlreiche kulturelle, die Freizeitgestaltung betreffende und katechetische Aktivitäten zu beleben. Von diesen Voraussetzungen her hat sich ein breiter Strom des religiösen Kinos mit einer enormen Produktion von Filmen entwickelt, die großen Einfluß auf die Massen hatten, wenn auch in den Grenzen, die mit der Zeit unvermeidlich deutlich wurden. Humane und religiöse Werte, die Aufmerksamkeit und Lob verdienen, sind außer in den Filmen, die direkt auf die Tradition des Christentums Bezug nehmen, oft auch in Filmen über andere Kulturen und Religionen gegeben und bestätigen somit die Bedeutung des Kinos, das auch als Träger des Kulturaustausches und als Einladung zur Öffnung und zum Nachdenken im Hinblick auf Realitäten verstanden werden soll, die unserer Bildung und Denkart femstehen. In diesem Sinne ermöglicht das Kino die Beseitigung trennender Unterschiede und gewinnt jene der Kultur eigene Würde, jene „besondere Form des Daseins und des Seins des Menschen, die zwischen den Personen, die zur selben Gemeinschaft gehören, eine Gesamtheit von Verbindungen schafft, die den zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Charakter der menschlichen Existenz prägen“ (Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1984, Nr. 2). An alle, die im Filmbereich arbeiten, richte ich die herzliche Aufforderung, auf diesen wichtigen Aspekt der Kultur nicht zu verzichten, denn es entspricht nicht den eigentlichen und tiefsten Bedürfnissen und Erwartungen der menschlichen Person, sich um inhaltsleere und ausschließlich auf Unterhaltung abzielende Produktionen zu kümmern, wobei die einzige Sorge die Steigerung der Zuschauerzahlen ist. Wie es auf alle sozialen Kommunikationsmittel zutrifft, hat das Kino nicht nur die Macht und das große Verdienst, zum kulturellen und menschlichen Wachstum des einzelnen beizutragen, sondern kann auch einen Angriff auf die Freiheit vor allem der Schwächsten darstellen, wenn es die Wahrheit verdreht (vgl. Miranda prorsus) und unter Anwendung von Gewalt- und Sexszenen, die die Würde der Person verletzen und nur den Zweck haben, „heftige Emotionen zu wecken, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers anzuregen“ (Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 1981, Nr. 4), als Spiegel negativer Verhaltensweisen auf-tritt. Die Haltung dessen, der in verantwortungsloser Weise zu sittenverderbender Nachahmung anspomt, von deren schädlichen Auswirkungen wir täglich im Nachrichtenteil der Zeitungen lesen, kann nicht als Ausdruck künstlerischer Freiheit erklärt werden. Denn der Mensch wird, wie uns das Evangelium in Erinnerung ruft, nur in der Wahrheit frei (vgl. Joh 8,32). Die Dringlichkeit eines solchen Problems in unserer Gesellschaft, die, so scheint es, aus den täglichen, vom Kino wie vom Fernsehen und von den Zeitungen ange- 973 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN botenen Anreizen allzu oft negative Vorbilder bezieht, drängt mich noch einmal zu einem nachdrücklichen Appell. An die Verantwortlichen im Medienbereich: Sie mögen sich um professionelle und verantwortungsvolle Arbeit bemühen. Dann an die Konsumenten: Sie mögen sich bewußt und mit kritischem Geist den immer auf dringlicheren Angeboten von seiten der Welt der Medien, einschließlich des Kinos, stellen. Bereit, alles, was Gelegenheit zu Wachstum sein kann, von dem zu unterscheiden, was Anlaß zu Schaden geben kann. Wenn das Kino einem seiner hauptsächlichen Ziele folgt und ein Bild vom Menschen liefert, wie er ist, muß es, ausgehend von der Wirklichkeit, gültige Gelegenheiten zum Nachdenken über die konkreten Verhältnisse darstellen, worin der Mensch lebt. Das heißt, es muß Denkanstöße zu Themen bieten, wie soziales Engagement, Anprangem von Gewalt, Ausgrenzung, Krieg und Ungerechtigkeiten, Themen, mit welchen sich das Kino in seiner hundertjährigen Geschichte oft auseinandergesetzt hat und die alle jene nicht gleichgültig lassen können, die um das Schicksal der Menschheit besorgt sind; es muß also jene Werte fördern, um die es der Kirche geht, und durch ein Medium von so leichter Durchschlagskraft beim Publikum materiell zu ihrer Verbreitung beitragen (vgl. Pius XII., II film ideale, 1955). Vor allem heute, an der Schwelle des dritten Jahrtausends, ist es unerläßlich, sich bestimmten Fragen zu stellen, den Problemen nicht auszuweichen, sondern Lösungen und Antworten zu suchen. In diesem Zusammenhang darf man nicht versäumen, dem Kino den ihm zustehenden Platz und Wert einzuräumen, indem man die Verantwortlichen auf allen Ebenen ersucht, sich den großen Einfluß voll bewußt zu machen, den sie auf die Leute ausüben können, und den Auftrag, zu dessen Erfüllung sie in dieser unserer Zeit aufgerufen sind, die zunehmend auf die dringende Notwendigkeit universaler Friedens- und Toleranzbotschaften aufmerksam macht wie auch auf jene Werte hinweist, die in der dem Menschen vom Schöpfergott verliehenen Würde gründen. Alle, die in dem heiklen Bereich des Kinos arbeiten, müssen sich als Kommunikatoren offen für den Dialog und für die sie umgebende Wirklichkeit erweisen, indem sie sich darum bemühen, die bedeutendsten Ereignisse durch die Realisierung von Werken hervorzuheben, die zum Nachdenken anregen im Bewußtsein, daß diese Öffnung durch die Förderung der gegenseitigen Annäherung der verschiedenen Kulturen und Menschen zur Trägerin positiver Früchte für alle werden kann. Um das volle und vollständige Verständnis der Botschaften zu gewährleisten, die das Kino für das menschliche und geistliche Wachstum der Konsumenten vorlegen kann, ist es auch wichtig, für eine Schulung der Empfänger in der Kinosprache zu sorgen, die oft auf die direkte Darstellung der Wirklichkeit verzichtet, um sich nicht immer leicht verständlicher Symboliken zu bedienen; es wäre angebracht, daß bereits in den Schulen die Lehrer dem Problem dadurch entsprechende Aufmerksamkeit widmen, daß sie die Schüler für die Bilder sensibilisieren und beizeiten ihre kritische Haltung gegenüber einer Ausdrucksweise entwickeln, die 974 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nunmehr zu einem integrierenden Bestandteil unserer Kultur geworden ist; auch deshalb, weil „die Anwendung der Kommunikationstechnik nur zum Teil segensreich war und ihr Einsatz zu Recht gesunde Werte und besonnene Auswahl auf seiten der einzelnen, des privaten Bereiches, der Regierungen und der ganzen Gesellschaft erfordert“ (Aetatis novae, Nr. 12). Während das Echo auf die Botschaften und Betrachtungen, die Feierlichkeiten zu dem eben abgeschlossenen Jahr der Familie noch nicht verhallt sind, halte ich es für wichtig, die Familien daran zu erinnern, daß auch ihnen die Aufgabe übertragen ist, die Kinder zu einem gewissenhaften Lesen und Erfassen der filmischen Bilder zu erziehen, die ihnen über die Femseh- und Videogeräte (die heutzutage sogar Kinder im jüngsten Alter zu bedienen wissen) täglich ins Haus geliefert werden. Im Zusammenhang mit der notwendigen Erziehung der Konsumenten darf auch die soziale Komponente des Mediums Film nicht vergessen werden, das denen, die es konsumieren, passende Gelegenheiten zum Dialog durch den Gedankenaustausch über das behandelte Thema bietet. Es wäre daher sehr nützlich, vor allem für die Allerjüngsten die Einrichtung von „Filmdebatten“ zu erleichtern, die auf Anregung tüchtiger und erfahrener Erzieher die Kinder anleiten könnten, sich in konstruktiven und ruhigen Aussprachen zu äußern und zu lernen, den anderen zuzuhören. Bevor ich diese Botschaft abschließe, muß ich die Aufmerksamkeit auf den besonderen Einsatz lenken, den eine solche Thematik von allen verlangt, die sich als Christen bekennen und die um ihre Sendung in der Welt wissen, nämlich daß es ihre Aufgabe ist, das Evangelium, die Frohe Botschaft Jesu, des „Erlösers des Menschen“, allen Menschen ihrer Zeit zu verkünden. Das Kino mit seinen vielfältigen Möglichkeiten kann zu einem gültigen Werkzeug für die Evangelisierung werden. Die Kirche fordert Regisseure, Filmschaffende und alle, die in jedem Bereich der komplexen und bunten Welt des Kinos tätig sind und sich als Christen bekennen, auf, in voller Übereinstimmung mit ihrem Glauben zu arbeiten und auch im Produktionsbereich mutige Initiativen zu ergreifen, um durch ihre Berufserfahrung die christliche Botschaft, die für jeden Menschen Heilsbotschaft ist, immer stärker in jener Welt präsent zu machen. Die Kirche empfindet es als ihre Pflicht, vor allem den Allerjüngsten jene geistliche und moralische Hilfe anzubieten, ohne die ein Wirken im gewünschten Sinn nahezu unmöglich wird, und muß diesbezüglich mit geeigneten Initiativen zu Unterstützung und Ermutigung eingreifen. In der Hoffnung, daß diese meine Worte für alle Grund zum Nachdenken und Anlaß zu neuem Engagement sein mögen, sende ich von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen an alle, die in diesem Bereich, wenn auch in verschiedenen Aufgaben, arbeiten, und an alle jene, die das Kino als glaubwürdigen Kulturträger für das unverkürzte Wachsen jedes Menschen und der ganzen Gesellschaft zu nutzen versuchen. Aus dem Vatikan, am 6. Januar 1995, Fest der Erscheinung des Herrn. Joannes Paulus PP. II 975 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der hl. Philipp Neri - ein besonderes Vorbild für alle Christen Roms Predigt zum 400. Jahrestag des Todes des hl. Philipp Neri am 28. Mai 1. Am Abend vor seinem Leiden verkündete der Herr beim Letzten Abendmahl mit den Aposteln, bei dem er die Eucharistie einsetzte, die Worte, die wir im heutigen Evangelium lesen: „Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an dich glauben: Alle sollen eins sein. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,20-21). Zum Beginn der Pascha-Ereignisse offenbart Jesus das Geheimnis seiner Gottheit, seiner Einheit mit dem Vater: der Vater ist im Sohn und der Sohn im Vater in der Einheit der Gottheit. Indem er Mensch wurde, ist der Sohn in die Welt gekommen, um die Menschen an sich zu ziehen und sie in diese Einheit hineinzuführen. Christus sagt ferner: „Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt, und sie haben erkannt, daß du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin“ (Joh 17,25-26). Diese vom Heiligen Geist in unsere Herzen eingegossene Liebe stellt sicher, daß wir des göttlichen Lebens teilhaftig werden, des Lebens, das Jesus uns als Geschenk zu bringen gekommen ist, damit wir seiner teilhaftig würden. Diese Teilhabe am göttlichen Leben, die heiligmachende Gnade, ist Quelle und Grundlage der Heiligkeit des Menschen. Das Evangelium des heutigen Sonntags läßt uns diese Wahrheit bewußt werden. Wir vereinigen uns heute mit der Kirche von Rom, die auf 400 Jahre seit dem Tod des hl. Philipp Neri zurückschaut. Er gehört zu jener Schar auserwählter Menschen, deren Dasein für immer die Ewige Stadt gekennzeichnet hat. Und dank ihres Beitrags hat sich jener „Schatz der Heiligkeit“ gebildet, der sich im Lauf der Jahrhunderte angehäuft hat und nunmehr unlöslich mit der Geschichte Roms verbunden ist. 2. Auf der Höhe der Zeit der Renaissance, jener Zeit, in der die Gelehrten und Künstler bei den „Klassikern“ Inspiration suchten, entdeckte Philipp Neri, Florentiner von Geburt, jedoch Römer durch Adoption, in außergewöhnlicher Weise die Botschaft der Ursprünge des Christentums. Sein bevorzugter Wanderweg war der Gang zu den „sieben Kirchen“. Er liebte es besonders, betend bei den Katakomben des hl. Sebastian zu verweilen, die zur damaligen Zeit noch fast unerforscht waren. Wie providentiell ist für uns an der Schwelle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 dieses Zeugnis! Philipp lädt uns ein, die heiligen Stätten des christlichen Rom zu besuchen und dort Lebenssaft zu schöpfen, um in der Stadt die Neuheit des Evangeliums auszugießen, damit sie daraus die unerschöpfliche erneuernde Kraft gewinne, welche die Stärke der Heiligen bildet. Eine typische Eigenart von Philipp Neri war eine Art ständiger Begeisterung, der das weise Gleichgewicht 976 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN niemals fehlte und die ihm Stütze war bei den verschiedenen Werken der Aufnahme der Pilger, zumal bei Gelegenheit des Jubiläums von 1550 und vor allem beim Aufbau des Oratoriums, „seiner eigentlichen Erfindung“ {Brief an den Delegaten für die Föderation des Oratoriums, Nr. 3). Seine persönliche Heiligkeit und die Liebe zum Herrn, die er den Menschen und den Werken zu übermitteln verstand, war Frucht des Heiligen Geistes, jenes Geistes, der sein Herz bei der einzigartigen Pfingsterfahrung von 1544 entflammt hatte. Er wußte dieses göttliche Geschenk täglich zu hüten und zu nähren mit intensivem Gebet, das in der Eucharistiefeier gipfelte. Dazu kam die eifrige Betrachtung des Wortes Gottes, verbunden mit einer ausgeprägten Marienverehrung. 3. Seine bescheidene und lebhafte Gestalt, ebenso mutig wie mild, bescheiden und schlagfertig, weckt auch heute noch unmittelbare Sympathie. Ich stelle sie gern den römischen Christen von heute als Beispiel vor Augen, sowohl den Laien wie den Priestern. Er ist vor allem für jene ein Beispiel, die in der Kirche im Dienst des Evangeliums stehen, zumal er sich besonders der Jugend angenommen hat. Ich denke hier an alle Priester, die in der Jugendpastoral der Pfarrei und der Diözese Anregung geben; ich denke besonders an seine Gefolgsleute, die geistlichen Söhne der Familie des Oratoriums. Die Kongregation des Oratoriums ist aufgerufen, die Originalität und Fruchtbarkeit seines Charismas in die Zeit hineinzuver-längem und seine Spiritualität in den unterschiedlichen Situationen unserer Zeit zur Geltung zu bringen. In dieser Hinsicht besteht kein Zweifel, daß das Erbe des hl. Philipp Neri eine wertvolle Kraftquelle für die neue Evangelisierung bildet, mit der die Kirche auch in Rom und in Europa befaßt ist. Mehr allgemein jedoch ist das Erbe des hl. Philipp für das ganze Volk Gottes da, das aufgerufen ist, in der Welt Freude und Vertrauen auszustrahlen, den Weg des Glaubens und der Hoffnung zu gehen und getreu der Berufung aller zur Heiligkeit zu entsprechen. 4. Im heute verkündeten Evangelium betet Jesus für die Einheit, die seine Jünger vom Geheimnis der Dreifaltigkeit her erhalten, das heißt aus der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist. Er bittet um diese Einheit für alle Glaubenden: zunächst für die Apostel und dann für alle Generationen derer, die auf ihr Wort hin an Ihn glauben werden (vgl. Joh 17,20). Er betet also auch um unsere Einheit, um die Einheit in unseren Generationen, die dem Ende des zweiten Jahrtausends entgegengehen. „Sie sollen vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ {Joh 17,23). Gerade diese Liebe ist die Quelle der Einheit: die Liebe, die im trini-tarischen Geheimnis Gottes der Heilige Geist ist, der vom Vater und vom Sohne ausgeht. Er ist der Hauch des lebendigen und lebendigmachenden Gottes, der das Werk der Schöpfung von Anfang an durchdringt. Der Heilige Geist ist die geheimnisvolle Quelle des Lebens in allem Geschaffenen, zumal im Menschen. Schon das natürliche Leben ist ja eine Teilhabe an jenem unaussprechlichen Leben, das seinen Ursprung in Gott besitzt. 977 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Doch der Heilige Geist ist vor allem der Hauch des göttlichen Lebens, der heiligmachende Hauch, der den Menschen durchdringt und ihn nach dem Gleichbild des ewigen Sohnes, der das Wort Gottes ist, zum Adoptivkind Gottes macht. Dieses Werk der Annahme an Kindes Statt dehnt sich auf die Gemeinschaft des Volkes Gottes aus, das auch seinerseits vom Heiligen Geist gezeugt ist. Wir müssen uns dessen zumal am heutigen Sonntag bewußt werden, da die Kirche sich in der Zeit der unmittelbaren Vorbereitung auf das Pfingstfest befindet. Sie erlebt die zehn Tage von der Himmelfahrt Christi bis zum Pfingstfest, geistlicherweise im Abendmahlssaal versammelt und einmütig im Gebet mit Maria, der Mutter Christi (vgl. Apg 1,14). Die Kirche betet darum, daß das Kommen des Heiligen Geistes nach dem Maß der Zeiten, in denen wir leben, Wirklichkeit wird, nach dem Maß der Sendung, die sie von Christus für alle Zeiten und alle Generationen erhalten hat. 5. Wie beredt sind die letzten Worte der Offenbarung des Johannes: „Komm, Herr Jesus“ (Offb 22,20)! „Der Geist und die Braut sagen: .Komm’“ {Offb 22,17). Die Braut ist hier die Kirche, die seit dem Pfingsttag in Jerusalem durch alle Geschlechter und Jahrhunderte hindurch in der gleichen Erwartung lebt. Sie wartet auf das endgültige Kommen Christi. Sie wartet schöpferisch; und dieses Warten hilft uns, „das Antlitz der Erde zu erneuern“. Die geheimnisvolle Quelle dieser Erwartung der Kirche ist gerade der Heilige Geist. Die Zeugen dieser Erwartung aber im Verlauf der Geschichte sind in besonderer Weise die Heiligen. War nicht für die Kirche von Rom und ihr Warten auf Christus im 16. Jahrhundert gerade der hl. Philipp Neri ein einzigartiger Zeuge? Ist er nicht einer von denen, in denen sich das Erbe der Heiligkeit erneuert hat, das in der Geschichte der Kirche mit dem hl. Diakon Stephanus begann, an den uns heute die erste Lesung erinnert? Der Märtyrer Stephanus beschließt sein kurzes Leben mit den Worten: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,56). Die Heiligen aller Zeiten und der hl. Philipp Neri in seiner Zeit lebten von der Schau des „offenen Himmels“ Sie sind Zeugen des Menschensohnes, der in die Geschichte ein-treten und sie durchlaufen wollte, um für alle Weg, Wahrheit und Leben zu werden (vgl. Joh 14,6). Ich möchte noch meiner großen Freude darüber Ausdruck geben, daß diese Jahrhundertfeier des hl. Philipp Neri in Rom in seiner Kirche und in seiner Pfarrei so feierlich begangen wird. Nach dem, was ich gehört habe, sehe ich diese Kirche heute wie immer voll gedrängt, und in ihr ist weiter das Andenken an diesen ausgesprägten römischen Heiligen lebendig. Ich grüße alle Anwesenden, den Kardinal, die Erzbischöfe und Bischöfe, die Priester, die Ordensleute, alle Gläubigen und vor allem die Patres des hl. Philipp. Ich grüße ferner die bei dieser Feier anwesenden Autoritäten: die Autoritäten des Italienischen Staates, den Bürgermeister von Rom und alle jene, die spüren, daß die Person des hl. Philipp Neri noch immer lebendig ist und ein geistliches und kulturelles Erbe dieser Ewigen Stadt bildet. Ich danke Gott und der Mutter Gottes, daß wir im Verlauf des Maimonats, des marianischen Monats, die Quelle geistlicher Freude im Andenken an 978 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den hl. Philipp Neri, sein apostolisches Wirken, seine Heiligkeit und seinen Ruhm finden. Gelobt sei Jesus Christus. Dialogbereitschaft ist Grundverhalten für Friedensförderung Ansprache zum 50. Jahrestag der Gründung der Pax-Christi-Bewegung am 29. Mai Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Ich freue mich, euch bei Gelegenheit der Zusammenkunft des internationalen Rates der Pax-Christi-Bewegung begrüßen zu können, die vorige Woche in Assisi stattfand, eine Versammlung, bei der ihr die Fünfzig]ahrfeier der Gründung eurer Bewegung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begangen habt. Ich begrüße vor allem Kardinal Godfried Danneels, euren Präsidenten, und die anwesenden Bischöfe. Pax-Christi ist entstanden aufgrund der Erkenntnis der unglaublichen zerstörerischen Gewalt des Krieges und der Erfahrung der großen, während der Kampfjahre von den Völkern erduldeten Leiden. Die Bewegung ist ein Zeichen für den Willen der Christen, das Wiederauftreten einer solchen Katastrophe zu verhindern. Angesichts des Hasses und des Mangels an Achtung vor der menschlichen Person und vor ihren grundlegenden Rechten hat eure Bewegung nicht aufgehört, sich für Frieden und Versöhnung einzusetzen. Sie ist entstanden, um die Waffen des Gebetes, des Dialogs und der Reflexion einzusetzen, die allein sich radikal der Gewalt und allen unmenschlichen Auswirkungen der totalitären Ideologien widersetzen können. 2. In meiner kürzlichen Botschaft zum fünfzigsten Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollte ich an die Bedeutung dieses Krieges für die damaligen und die heutigen Menschen erinnern. „Die zwischen 1939 und 1945 erlebte tragische Erfahrung stellt heute einen unerläßlichen Bezugspunkt für jeden dar, der über die Gegenwart und die Zukunft der Menschheit nachdenken will“ (Nr. 2). Die Schreie der Opfer dieses Krieges dürfen nicht nachhallen, ohne die heutige Menschheit, vor allem die Jugend, zu beunruhigen. Eine ernsthafte Untersuchung der Faktoren, die zum Ausbruch dieses Konfliktes, zu den ungeheuren Zerstörungen und den abgrundtiefen Leiden geführt haben, fordert uns auf, immer entschiedener geltend zu machen: Nie wieder Krieg, der der Brüderlichkeit in Christus, dem Erlöser, bleibende Wunden schlägt! 3. Unsere Gesellschaft muß auf der Hut sein, damit nicht wieder die totalitären Ideologien aufkommen, denn sie beleidigen jede Menschenwürde, indem sie einen Teil der Menschheit wegen seiner kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit ablehnen. Es muß unaufhörlich daran erinnert werden, daß alles, was sich dem Menschenleben entgegenstellt, den Weg zur Kultur des Todes anbahnt, und daß jedes 979 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verbrechen gegen das Leben ein Attentat gegen den Frieden ist (vgl. Paul VI., Botschaft zum Weltfriedenstag, 1977). Wenn man die Ursprünge des Zweiten Weltkriegs untersucht, entdeckt man, daß die Pflege von Haß und Unduldsamkeit und die Ablehnung andersgearteter Menschen der Gewaltherrschaft den Boden bereitet haben. 1945 konnte am Ende der mörderischen Kämpfe bei den Völkern Europas, die den glühenden Wunsch hegten, daß alle Menschen endlich miteinander ins Gespräch kämen und eine brüderliche Gesellschaft aufbauten, wieder Hoffnung auf eine Zukunft in Frieden und Solidarität aufkommen. In diesem Geist kam es zu Pax Christi als einer Bewegung der Versöhnung zwischen Menschen und Völkern. Der Name erinnert nachdrücklich an den wahren Ursprung des Friedens: an Ihn, den Herrn, der unseren Herzen die notwendigen Gnaden zur Bekehrung und zur Versöhnung, Wege echter Menschlichkeit, schenkt. Die Welt kann sich ja nicht selbst den Frieden geben, der mit der persönlichen Annahme der Vergebung beginnt, die Gott - reich an Erbarmen - schenkt. Durch Christus versöhnt, befriedet und geeint, kann jeder seinerseits gegen die Sünde kämpfen, die ihn von seinesgleichen entfernt. Er wird zum Friedensstifter bei seinen Brüdern und Schwestern, nicht nur bei seinen Freunden, sondern auch bei seinen Feinden. Diese letzteren zu lieben, „das gibt es in der Tat nur bei den Christen“ (Tertullian, Ad scapulam, I, 3), denn es ist eine offensichtliche Frucht der göttlichen Liebe. 4. In diesen letzten Jahren hat sich eure Bewegung auch geduldig und selbstlos damit befaßt, die Gemeinschaft und den Dialog zwischen den Christen und den verschiedenen religiösen Bekenntnissen zu fördern. Überall, wo es möglich war, habt ihr euch dafür eingesetzt, den Frieden aufzubauen durch gegenseitiges Verständnis seitens der Gemeinschaften hinsichtlich der Achtung der Rechte und der die Menschen und Völker kennzeichnenden Kulturen. Auf dem Weg des Dialogs habt ihr den Beweis erbracht, daß historische Uneinigkeiten und Schranken zwischen Menschengruppen überwunden werden könnten und daß das Zusammenleben möglich wäre, wenn man Solidarität entwickelt. 5. Vor euch möchte ich nochmals an die Aufrufe erinnern, die meine Vorgänger und ich zu wiederholten Malen über die moralischen Verflechtungen bei systematischem oder allzu leichtem Rückgriff zu den Waffen und über die Notwendigkeit, auf dem Weg der Abrüstung voranzukommen, erlassen haben. Keine Form der Gewaltanwendung bringt eine Regelung der Konflikte zwischen Personen oder Nationen zustande, denn Gewalt bringt wiederum Gewalt hervor. Es ist angebracht, die Länder, die Waffen produzieren, an ihre moralische Verpflichtung zu erinnern, ganz besonders hinsichtlich ihres Tauschhandels mit den Entwicklungsländern, bei dem der Waffenlieferung zu viel Bedeutung beigemessen wird und diese Länder in übermäßige Verschuldung gebracht werden, statt daß ihnen geholfen wird, ihre eigenen Mittel und die internationalen Hilfen zur Förderung der Menschen zu nutzen. Es gibt heute in jedem Land wie auf internationaler Ebene zahlreiche Verträge zugunsten der Durchsichtigkeit des Waffenhandels und der 980 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beachtung der entsprechenden Gesetze. In dieser Hinsicht ist der kürzlich in Übereinstimmung gefaßte Beschluß der Vereinten Nationen zur unbegrenzten Ausdehnung des Atomwaffen-Sperrvertrags zu begrüßen mit dem Wunsch, daß alle Länder sich eine bessere und totale Durchführung dieses Vertrags angelegen sein lassen, die das Ziel hat, eine internationale, die Sicherheit aller garantierende Ordnung zu schaffen und die Abrüstung zu erreichen. Im übrigen ist es ausgezeichnet, daß die öffentliche Meinung dank von Bewegungen wie der euren hellhörig gemacht und ihr die notwendige Bildung vermittelt wird, um berechtigten Druck auf Autoritäten und Menschengruppen auszuüben, damit das schwache Gebäude des Friedens nicht aus bloßen Interessengründen in Gefahr gerät. 6. Die Führer der Nationen und Persönlichkeiten des politischen und wirtschaftlichen Lebens haben schwere Verantwortung hinsichtlich der Herstellung und des Gebrauchs gewisser Waffengattungen, die besonders schwere Verletzungen bei-bringen und grausam und unterschiedslos Zivilbevölkerungen treffen, die dann noch über die Zeit der Konflikte hinaus bleibende Folgen zu tragen haben. Ich möchte nochmals mit Nachdruck dazu aufrufen, endgültig die Herstellung und den Gebrauch jener Waffen einzustellen, die man „Landminen nennt. In zahlreichen Ländern setzen sie noch lange den Frieden aufs Spiel, weil sie auf Straßen und in Felder gelegt wurden in der Absicht, ohne Unterschied möglichst vielen Menschen zu schaden. In der Tat töten sie noch lange nach Beendigung der Feindseligkeiten weiter oder verursachen bei Erwachsenen und vor allem bei Kindern durch schwere Verstümmlungen nicht wieder gutzumachende Schäden. 7. Aber Rüstungsverminderung, Abrüstung oder Nicht-Kriegszustand führen nicht unmittelbar den Frieden herbei. Wesentlich notwendig ist es, eine Kultur des Lebens und eine Kultur des Friedens zu schaffen. Das ist eine Schulung, die sehr früh in der Familie und an den verschiedenen Stätten der Erziehung beginnen muß. Denn mit den Haltungen, die den Frieden schaffen, werden wir vertraut, wenn wir diejenigen achten lernen, die uns nahe sind, wenn wir uns darin üben, Konflikte zwischen Menschen, die Zusammenleben, auf friedliche Weise zu lösen, und wenn wir Wege des Verzeihens finden, die Gewaltgelüste entwaffnen. Die Eltern haben also die nicht zu unterschätzende Rolle, in der Familie eine harmonische Atmosphäre zu schaffen, die die Reifung der Jugendlichen begünstigt und ihnen den Wunsch ins Herz gibt, den Frieden allen gegenüber und trotz allem zu suchen. Bewegungen wie die eure sind wertvoll. Sie machen die Menschen aufmerksam auf alle Gewalt, die die Harmonie zwischen Personen und innerhalb der Schöpfung zerbricht. Sie beteiligen sich an der Gewissensbildung, damit zwischen Menschen und Völkern die Gerechtigkeit und die Suche nach dem Gemeinwohl als Grundlagen eines dauerhaften Friedens den Sieg davontragen (vgl. Centesimus annus, Nr. 5; hl. Thomas v. Aquin, Summa theologiae, IM, 29, a. 2, ad 3; Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 2302-2317). 981 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. In diesen Tagen vor Pfingsten betrachten wir die um Maria versammelte ur-christliche Gemeinde. Im Gebet empfängt sie die Gabe des Friedens, die zur Evangelisierungssendung der Kirche gehört (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag, 1990). Mit dem hl. Paulus ermahne ich euch: „Seid also standhaft: Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen“ (Eph 6,14-15). Mit diesen Empfindungen segne ich euch von ganzem Herzen, euch selbst und alle Mitglieder der Pax-Christi-Bewegung, deren Vertreter ihr seid, auf daß die Welt durch euer Wort und euer Leben erkenne, daß der Friede ein Geschenk Gottes ist, und daß der Friede für die Welt möglich ist in Christus, unserem endgültigen Ostern und unserem endgültigen Frieden. Abschluß des Marienmonats Meditation am Schluß des Wortgottesdienstes vor der Lourdesgrotte in den Vatikanischen Gärten am 31. Mai Es ist schön, daß die Gemeinschaft des Hl. Stuhls, der Vatikanstadt, an diesem letzten Tag des Monats Mai, Fest des Besuches der Muttergottes bei Elisabet, die Grotte der Madonna von Lourdes besucht. Dieser Besuch hat seine Tradition und sagt auch viel über die Verehrung der Gottesmutter in diesem Zentrum der Kirche. In diesem Jahr erinnert uns das liturgische Gedächtnis auch an ihre Anwesenheit im Abendmahlssaal, denn wir sind in der Novene zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Es waren die vom Gebet aller Jünger des Herrn und seiner Mutter erfüllten Tage. Und die Kirche mißt dieser ersten Novene große Bedeutung bei, diesem gemeinsamen Gebet der Apostel an den Tagen, die der Geburt der Kirche vorausgingen. Hier im Vatikan - wie an vielen anderen Orten des Erdballs - entsteht die Kirche immerfort. Doch entsteht sie hier in ganz spezieller, zentraler Weise, insofern als hier das Zentrum des mit dem Sitz Petri verbundenen Dienstes ist. Ich danke euch allen, meine Lieben: Kardinale, Bischöfe, Priester, Brüder und Schwestern, die ihr an diesem letzten Tag des Monats Mai zusammengekommen seid. Ich danke euch für euer Gebet. Ich gebe euch einen Segen, der auch vom Gebet, von der Fürspreche unserer himmlischen Mutter getragen sein möge. Gelobt sei Jesus Christus! 982 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erwidert die unendliche Liebe Christi mit eurer totalen und ausschließlichen Liebe Ansprache bei der Audienz für die „Virgines consecratae“ anläßlich des 25. Jahrestags der Promulgation des erneuerten Ritus der Jungfrauenweihe am 2. Juni Liebe Schwestern! 1. Ich bin froh über diese Audienz. Sie gibt mir die Möglichkeit der Begegnung mit euch anläßlich eures internationalen Treffens zur Feier des 25. Jahres der Promulgation des erneuerten Ritus der „Consecratio virginum“ am 31.5.1970. Ich grüße die Organisatoren dieses Treffens und euch alle, die ihr hier zusammengekommen seid. Das Zweite Vatikanische Konzil hat angeordnet, daß der Ritus der Jungfrauenweihe, wie er im Pontificale Romanum vorlag, einer Revision unterzogen werde (Sacrosanctum concilium, Nr. 80). Es ging nicht nur um eine sorgfältige Revision der liturgischen Formeln oder rituellen Gesten, sondern darum, einen Ritus wieder aufzunehmen, der sich auf Frauen bezog, die nicht Instituten geweihten Lebens angehörten, und der viele Jahrhunderte nicht gebräuchlich war. Mit dem Ritus wurde auch der „Ordo virginum“ wieder eingeführt, der seine juristische Gestalt, unterschieden von der der religiösen Institute, gefunden hat im Can. 604 des neuen Codex des kanonischen Rechtes. Der erneuerte Ritus und der Ordo sind also der Gemeinschaft der Kirche zurückgegeben. Das ist eine zweifache Gabe des Herrn, über die ihr jubelt und ihm dafür dankt. Aus ihr wollt ihr Motivation und Inspiration schöpfen für euren Eifer und für euren Einsatz. 2. Ich meinerseits möchte zu euch sprechen mit der warmen Herzlichkeit, mit der sich die Bischöfe der frühchristlichen Zeit an ihre Virgines wandten. Die Wärme eines Methodios von Olympos, der als erster die christliche Jungfräulichkeit besungen hat; eines Athanasius von Alexandrien und Cyprian von Karthago, die die Jungfrauen einen „erlesenen Teil der Herde Christi“ nannten; eines Johannes Chrysostomus, in dessen Schriften vieles aufleuchtet, was das geistliche Leben der Jungfrauen zu nähren vermag; eines Ambrosius von Mailand, dessen Werke einen außerordentlichen Eifer für die geweihten Jungfrauen bezeugen; eines Augustinus von Hippo mit seiner scharfsichtigen und gründlichen Theologie der um des Himmelreiches willen gelebten Jungfräulichkeit; des heiligen und großen Bischofs Leo I., der mit höchster Wahrscheinlichkeit der Autor des wunderbaren Weihegebetes „Deus castorum corporum“ ist; des Leander von Sevilla, der einen ausgezeichneten Brief an die Schwester Florentina anläßlich ihrer Jungfrauenweihe geschrieben hat: Das ist eine bischöfliche Tradition, der ich mich gern anschließe. 3. Bei diesem bedeutsamen Anlaß möchte ich einige grundlegende Orientierungen unterstreichen, die euch in eurer besonderen Berufung in der Kirche und in der Welt leiten müssen. Liebt Christus! Er ist Grund und Sinn eures Lebens. Für die „Virgo consecrata“ ist, wie Leander von Sevilla betont, Christus alles: „Bräutigam, 983 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bruder, Freund, Erbteil, Lohn, Gott und Herr“ (Einführung der Regel des Leander). Das Mysterium der Menschwerdung wird von den Vätern gelesen und gedeutet mit dem Schlüssel der Brautschaft, und zwar im „Kielwasser“ der Interpretation des Apostels Paulus vom Tod des Herrn. „Christus hat die Kirche so sehr geliebt, daß Er sich selbst hingegeben hat für sie“ (Eph 5,25). Auch das Ereignis der Auferstehung wird gesehen als bräutliche Begegnung des Auferstandenen mit der neuen messianischen Menschheit. So wurde die österliche Vigil gefeiert als Hochzeitsnacht der Kirche (St. Asterio Amaseno, Homilia XIX, in: Psalmum V, oratio V). Das ganze Leben Christi steht also unter dem Zeichen des Mysteriums Seiner Vermählung mit der Kirche {Eph 5,32). An diesem Mysterium habt auch ihr Anteil, liebe Schwestern, durch die Gabe des Heiligen Geistes und kraft einer „neuen geistlichen Salbung“ (Pontificale Romanum, Ordo consecrationis virgi-num, Nr. 16). 4. Erwidert die unendliche Liebe Christi mit eurer totalen und ausschließlichen Liebe. Liebt Ihn, wie er sich wünscht geliebt zu werden in der Konkretisierung des Lebens: „Wenn ihr mich hebt, haltet meine Gebote“ (Joh 14,1-5.21). Liebt ihn, wie es eurem bräutlichen Stand entspricht, indem ihr seine Gesinnung übernehmt (vgl. Phil 2,5), seinen Lebensstil teilt, den Lebensstil der Demut und Sanftmut, der Liebe und des Erbarmens, des Dienstes und der frohen Verfügbarkeit, des unermüdlichen Eifers für die Ehre des Vaters und die Rettung des Menschengeschlechtes. Der Stand der geweihten Jungfräulichkeit macht das Lob Christi spontaner, das Hören auf sein Wort leichter, er macht froher in seinem Dienst, und er schenkt euch öfter die Gelegenheit, ihm Verehrung durch eure Liebe darzubringen. Aber die geweihte Jungfräulichkeit ist nicht ein Privileg, sondern eine Gabe Gottes, die eine starke Verpflichtung zur Nachfolge Christi und zur Jüngerschaft einschließt. Die „Gefolgschaft des Lammes“ im Himmel (Offb 14,6) beginnt auf der Erde, indem der „schmale Weg“ gegangen wird (Mt 7,14). Eure Nachfolge Christi wird um so radikaler sein, je größer eure Liebe zu Christus, je klarer das Wissen um den Sinn der Jungfrauenweihe ist. In dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignita-tem habe ich in der Abhandlung über das evangelische Ideal der Gott geweihten Jungfräulichkeit daran erinnert, daß sich in der Gott geweihten Jungfräulichkeit der Radikalismus des Evangeliums ausdrückt: „Alles verlassen und Christus nach-folgen“ (Nr. 20). Die Jüngerschaft wird um so intensiver sein, je tiefer eure Überzeugung ist, daß Christus der einzige Lehrer ist, dessen Worte Geist und Leben sind (vgl. Joh 6,63). Liebe Schwestern! Denkt daran, daß euer Platz wie der von Maria von Betanien {Lk 10,39) zu Füßen Jesu ist: hörend auf die Worte der Gnade aus Seinem Mund {Lk 4,22). 5. Liebt die Kirche! Sie ist eure Mutter. Von ihr habt ihr durch den feierlichen Ritus unter Vorsitz des Diözesanbischofs {Ordo consecrationis virginum praeno-tanda, Nr. 6, S. 8) die Gabe der Konsekration erhalten. Ihrem Dienst wurdet ihr 984 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geweiht. Der Kirche müßt ihr euch immer eng verbunden wissen. Nach der Lehre der Väter werden die Jungfrauen, wenn sie vom Herrn die Konsekration der Jungfräulichkeit erhalten, ein sichtbares Zeichen der Jungfräulichkeit der Kirche, ein Werkzeug ihrer Fruchtbarkeit, Zeugnis ihrer Treue zu Christus. Die Jungfrauen sind auch eine Erinnerung an die Orientierung der Kirche auf die zukünftigen Güter hin und eine Mahnung, daß die eschatologische Erwartung lebendig bleibt. Euch, den Virgines, kommt es zu, euch in eurer Ortskirche großmütig zur „helfenden Hand“ zu machen: Stimme ihres Gebetes zu sein, Ausdruck ihrer Barmherzigkeit, Hilfe für ihre Armen, Trost für ihre berühmten Söhne und Töchter, Stütze für ihre Waisen und Witwen. Wir könnten sagen: Zur Zeit der Väter drückte sich die „pietas“ und die „caritas“ der Kirche zum großen Teil durch das Herz und die Hände der „Virgines consecratae“ aus. Das sind Richtlinien und Aufgaben, die auch heute noch gelten. Ich selbst habe den anthropologischen Wert der Erwählung zur Jungfräulichkeit, wie sie sich in der Kirche vollendet, unterstrichen. Es ist ein Weg, durch den die „Virgo consecrata“ ihre Persönlichkeit als Frau realisiert. In der freiwillig gewählten Jungfräulichkeit bestätigt sich die Frau selbst als Person, das heißt als ein Sein, das der Schöpfer von Anfang an um seiner selbst willen gewollt hat, und gleichzeitig verwirklicht sie „den personalen Wert ihres Frauseins“ (Mulieris dignitatem, Nr. 20). Nicht weniger als die Frau, die den Weg der Ehe geht, ist die „Virgo consecrata“ fähig, die bräutliche Liebe auszudrücken: in der gleichen Liebe wird sie in der Kirche eine Gabe für Gott, für Christus, den Erlöser, für jeden Bruder und jede Schwester. 6. Liebt die Kinder Gottes! Eure totale und ausschließliche Liebe zu Christus trennt euch nicht von der Liebe zu allen Männern und Frauen, euren Brüdern und Schwestern, da die Horizonte eurer Liebe - gerade weil ihr dem Herrn gehört - die Horizonte Christi selbst sind. Nach dem Apostel Paulus sorgt sich die Jungfrau um die Sache des Herrn, um heilig zu sein an Leib und Geist (I Kor 7,34). Sie ist auf der Suche nach dem, was droben ist, wo sie Christus findet, der zur Rechten Gottes sitzt (Kol 3,1). Dieser Umstand jedoch macht euch nicht unbeteiligt gegenüber den großen Leiden der „irdischen Stadt“; ihren Ängsten und Kämpfen, ihren Konflikten und der Trauer, die hervorgerufen wird durch Kriege, Hunger, Seuchen und die verbreitete Kultur des Todes. Habt ein barmherziges Herz, das teilnimmt an dem Leid der Brüder! Setzt euch ein für die Verteidigung des Lebens, für die Förderung der Frau, für die Respektierung ihrer Freiheit und ihrer Würde. Ihr wißt: „Ihr, die ihr Jungfrauen um Christi willen seid“; werdet,Mütter im Geiste“ (Ordo cons. virg., Nr. 16), in Liebe mitarbeitend an der Evangelisation des Menschen und an seiner Förderung. 7. Liebt Maria von Nazaret, die erste Frucht der christlichen Jungfräulichkeit: demütig und arm, Verlobte Josefs (Mt 1,1-8), „eines gerechten Mannes aus dem Hause Davids“ (Lk 1,27). Maria wurde durch ein besonderes Privileg und wegen ihrer Treue zum Ruf des Herrn die Jungfrau-Mutter des Sohnes Gottes. Maria ist 985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN so das vollkommene Bild, die Ikone der Kirche als Mysterium der Einheit und der Liebe, Bild der Kirche in ihrem Sein als Jungfrau, als Braut und als Mutter. Maria ist auch, wie Leander von Sevilla bemerkt, „Gipfel und Prototyp“ der Jungfräulichkeit. Sie war an Leib und Geist voll und ganz das, was ihr mit allen Kräften zu sein wünscht: Jungfrau mit Leib und Seele, Bräute, durch die totale und ausschließliche Hingabe an die Liebe Christi, Mütter durch die Gabe des Geistes. 8. Liebe Schwestern! Maria ist eure Mutter, Schwester und Lehrerin. Lernt von ihr, den Willen Gottes zu erfüllen und seinen Heilsplan anzunehmen, sein Wort zu bewahren und mit ihm den Ereignissen des Lebens zu begegnen, sein Lob zu singen für das „Große“; das er für die Menschheit getan hat. Lernt teilzunehmen am Mysterium des Leidens, lernt Christus zu den Menschen zu tragen und zu bitten für alle, die es brauchen. Seid mit Maria dort im Hochzeitssaal, wo man feiert und Christus sich seinen Jüngern offenbart als der Messias-Bräutigam; seid mit Maria unter dem Kreuz, wo Christus sein Leben opfert für die Kirche. Bleibt mit ihr im Abendmahlssaal, dem Haus des Heiligen Geistes, der sich ausgießt als göttliche Liebe in der Braut-Kirche. Mit der Hilfe der heiligen Jungfrau bleibt treu. Die Jungfrauen, die das Leben der Kirche in allen Jahrhunderten bereichert haben, mögen euch ein Beispiel sein. Es begleitet euch die Versicherung meines beharrlichen Gebetes und ein besonderer Segen. Überwindung von religiöser Gleichgültigkeit und ethischem Relativismus Ansprache an das Zentralkomitee für das Große Jubiläum des Jahres 2000 am 8. Juni Verehrte Kardinäle und Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder! 1. Es ist mir eine große Freude, euch heute hier zu empfangen anläßlich eurer ersten Vollversammlung, die einberufen worden ist, um im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 einen Aktionsplan gemäß den Richtlinien des Apostolischen Schreibens Tertio millennio adveniente auszuarbeiten. Ich grüße den Präsidenten, Roger Kardinal Etchegaray, und danke ihm für die höflichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Ich grüße den Generalsekretär und jeden einzelnen von euch, die ihr hier anwesend seid, und vor allem jene, die nicht ohne Opfer von weit her gekommen sind, um an den Arbeiten der Versammlung teilzunehmen. Ihr bildet eine hochqualifizierte Gruppe, die unter anderem aus hervorragenden Vertretern von regionalen bischöflichen Organismen und Verantwortlichen der Römischen Dikasterien besteht. Durch eure Zusammenarbeit seid ihr aufgerufen, euch jede Gabe des Geistes zunutze zumachen und gänzlich die Anregungen und Vorschläge zu verwerten, die (wie ich hoffe sehr zahlreich) von den 986 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kirchlichen Gemeinschaften kommen werden, um so etwas wie eine Welle starker und echter Spiritualität hervorzurufen zur Vorbereitung auf das Große Jubeljahr zu Beginn des dritten christlichen Jahrtausends. 2. Eure Begegnung schöpft ihren geistigen Impuls aus dem noch lebendigen Klima des Pfingstfestes, an dem kürzlich das Gottesvolk die Aussendung des Heiligen Geistes gefeiert hat, der die Quelle seiner immer neuen Lebenskraft und gleichzeitig seiner Gemeinschaft ist. „Es gibt verschiedene Gnadengaben - schreibt der Apostel Paulus an die Korinther -, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen“ (1 Kor 12,4-6). Dieses Bild der Kirche, die vom Heiligen Geist beseelt und in der Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit versammelt ist, bietet einen willkommenen Hintergrund für eure Arbeit. Die verschiedenen Gaben und Dienste im Hinblick auf dasselbe Ziel und im selben Geist zu koordinieren und zu orientieren: Dies ist in der Tat eure gemeinsame Anstrengung, wobei ein jeder seine besondere Aufgabe hat. Gerade die Mannigfaltigkeit der Tätigkeit, zu der ihr bestellt seid, verlangt eine außerordentliche Zusammenarbeit von seiten aller Beteiligten. Deshalb habt ihr euch entschlossen, die Aufgabenbereiche aufzugliedem und die Arbeiten auf Kommissionen, Unterkommissionen und Komitees zu verteilen. Innerhalb dieser Organismen kann jeder seine Erfahrung auf den Gebieten der Seelsorge, der Theologie, der Liturgie und der sozialen Angelegenheiten einbringen. Einzig und gemeinsam ist der Geist, der euch leitet, und einzig ist auch das Ziel, zu dem wir alle unterwegs sind. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 ist ein außerordentliches Ereignis im Leben der Kirche und der Welt: Gerade deshalb wird sicher während der Zeit der Vorbereitung und des feierlichen Verlaufs der stärkende Einfluß des Heiligen Geistes zu spüren sein. 3. Seit Beginn meines Pontifikats konnte ich immer wieder ausdrücklich von Großen Jubeljahr sprechen, und ich habe dazu aufgefordert, die Zeit der Erwartung wie einen neuen Advent“ zu erleben. Ich bin noch des öfteren auf dieses Thema zurückgekommen und bin in der Enzyklika Dominum et vivificantem (vgl. Nr. 49) ausführlich darauf eingegangen. Während der Vorbereitungszeit auf dieses Ereignis ist es nötig, all dem besondere Aufmerksamkeit zu schenken, was der Geist zur Kirche und zu den Kirchen spricht (vgl. Apg 2,7) wie auch zu den einzelnen Menschen durch die Gnadengaben, die er zum Nutzen der ganzen Gemeinschaft verteilt. In dieser Zeit ist es notwendig, die Sensibilität für alles zu wecken, „was der Geist den verschiedenen Gemeinschaften rät, von den kleinsten, wie der Familie, bis hin zu den großen, wie den Nationen und den internationalen Organisationen, wobei die Kulturen und Zivilisationen nicht übergangen werden sollen. Trotz des äußeren Anscheins wartet die Menschheit weiter auf die Offenbarung der Kinder Gottes und lebt von dieser Hoffnung wie eine Mutter, die in Geburtswehen liegt -nach dem kraftvollen Bild, das der hl. Paulus im Brief an die Römer gebraucht (vgl. 8,19-22)“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 23). Besonders während dieser 987 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „vor-vorbereitende Phase, die auch das Jahr 1996 mit einschließt, besteht der hauptsächliche Zweck darin, „im christlichen Volk das Bewußtsein für den Wert und die Bedeutung wiederzubeleben, die das Jubeljahr 2000 in der menschlichen Geschichte hat“ (ebd., Nr. 31). Im Laufe dieser Phase wird es euer Generalkomitee auch nicht versäumen, „einige Denk und Handlungslinien auf universaler Ebene zu empfehlen“ {ebd.) und auf diese Weise den Ortskirchen einen Dienst zu erweisen, in denen dann eigens eingesetzte Kommissionen auf engmaschigere Weise tätig sein werden. Es geht darum, den Bischofskonferenzen, den Diözesen und den Pfarreien zu helfen, „die kennzeichnendsten Aspekte des Jubiläumsereignisses zu vertiefen“ (ebd.) und diese mit dem gewöhnlichen Einsatz der neuen Evangelisierung zu verbinden, indem zu diesem Zweck beständige und wirksame seelsorgerische Hilfen bereitgestellt werden. Ich weiß, daß ihr schon dabei seid, die nötigen Verbindungen in diesem Sinne aufzunehmen und dabei möglichst oft die vielfältigen und modernen sozialen Kommunikationsmittel in Anspruch nehmt, damit die intensive Vorbereitungstätigkeit beim ganzen Christenvolk in allen Teilender Erde bekannt und gebilligt werde. Niemandem entgeht, wie wichtig es heute ist, die Welt der Kommunikation nicht zu vernachlässigen, jenen „ersten Areopag der modernen Zeit“; der dabei ist, die ganze Menschheit zu vereinheitlichen, die ihrerseits, wie man zu sagen pflegt, zu einem „global village“ geworden ist. Ein solcher Einsatz hat nicht nur das Ziel, die Verkündung zu vervielfachen: Es handelt sich um ein tieferes Ereignis, denn die Evangelisierung der modernen Kultur selbst hängt zum großen Teil vom Einfluß der Massenmedien ab (vgl. Redemptoris mis-sio, Nr. 37). Aufgrund der besonderen Merkmale der Zeit, die wir momentan erleben, wird die Vorbereitung zum Großen Jubiläum 2000 stark beeinflußt von den heutigen Möglichkeiten der Kommunikation, mit neuen Sprachen, neuen Techniken und neuen psychologischen Verhaltensweisen. All dessen muß man Rechnung tragen, damit der Weg hin zum dritten Jahrtausend des christlichen Glaubens zu einer wahrhaften Straße der Evangelisierung wird. 4. Der Konvergenzpunkt jeder pastoralen Anstrengung bleibt die Verkündung Christi, des Erlösers des Menschen: „Gott liebt dich, Christus ist für dich gekommen“ (Christifideles laici, Nr. 34). Diese Verkündung ist dazu bestimmt, die Predigttätigkeit wiederzubeleben und ihr eine ursprüngliche, kerygmatische Kraft wiederzugeben, die fähig ist, das Gewissen der heutigen Menschen zu erwärmen, die nicht selten gleichgültig sind oder zumindest so erscheinen oder von anderen Interessen eingefangen sind. Also eine erneuerte Predigttätigkeit für eine neue Evangelisierung: eine Verkündigung, die auf Christus, den Erlöser des Menschen, auf den Vater, reich an Barmherzigkeit, und auf die belebende Kraft des Geistes konzentriert ist; eine Predigttätigkeit, die dem Wort Gottes und dem Menschen treu ist. Wie ich schon öfters gesagt habe, will deshalb das Jubiläum des Jahres 2000 „ein großes Lob und Dankgebet vor allem für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung sein“ (Tertio 988 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN millennio adveniente, Nr. 32). Seid deshalb darum bemüht, den Ortskirchen durch die Kommissionen für Theologie und Pastoral nützliche Beiträge für eine echte Erneuerung der Evangelisierungsaktion zu leisten. An diesem Punkt angelangt, möchte ich nun eure Aufmerksamkeit auf das lenken, was ich in Tertio millennio adveniente ausgeführt habe über die Gewissensprüfung hinsichtlich der Phänomene unserer Zeit, vor allem der religiösen Gleichgültigkeit und des ethischen Relativismus (vgl. Nr. 36). Wenn ihr diese Phänomene eingehend untersucht und sie mit der ebenso offensichtlichen (und scheinbar gegensätzlichen) Tatsache der verbreiteten Suche nach Religiosität vergleicht, sollt ihr, auch mit Hilfe der modernen Technik, die geeignetsten Mittel auf zeigen, um die Verkündigung Christi zu vermitteln, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebt 13,8). Das Große Jubiläum wird dann die Menschheit in die Lage versetzen, die Schwelle zum dritten Jahrtausend als eine Schwelle echter Hoffnung zu überschreiten. 5. Die Christen sind aufgerufen, von jeder Art von Chiliasmus Abstand zu nehmen und auf das Jahr 2000 mit einem tiefen Gefühl des Vertrauens zu schauen: „Con-fitemini Domino quoniam bonus“ (Ps 136,1). Sich an die Geburt des Heilands zu erinnern bedeutet, das Geheimnis der Menschwerdung, das ein erhabener Ausdruck von Gottes unendlicher Liebe ist, mit erneuerter Freude zu feiern. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die wesentliche ökumenische Dimension dieser Feierlichkeit zu unterstreichen, in der wir uns in tiefem Einklang mit den anderen Christen fühlen, mit denen wir noch keine vollständige Gemeinschaft haben: ,Das Herannahen des Endes des zweiten Jahrtausends spornt alle zu einer Gewissensprüfung und zu ökumenischen Initiativen an, so daß man im Großen Jubeljahr, wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auftreten kann, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends nahe zu sein“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Hier taucht eine weitere Spur auf, die sich in den nächsten Jahren als besonders fruchtbar erweisen könnte, nämlich die des interreligiösen Dialogs. Die Suche nach Gott von seiten des Menschen drückt sich in allen Religionen aus. Im Christentum „sucht nicht mehr nur der Mensch nach Gott, sondern Gott kommt in Person, um zum Menschen über sich zu sprechen und ihm den Weg zu zeigen, auf dem er ihn erreichen kann“ (ebd., Nr. 6). Durch den menschgewordenen Sohn spricht Gott Vater nicht nur zum Menschen, sondern er sucht ihn, und er tut dies, weil „Er ihn von Ewigkeit her in dem Wort liebt und ihn in Christus zur Würde der Sohnschaft erhöhen will“ (ebd., Nr. 7). Auf diese Weise geht Gott weit über jede rein menschliche Erwartung oder religiöse Erfahrung hinaus, und der Mensch wird von Christus im Geist dahin geleitet, das unerforschliche Geheimnis des Vaters zu schauen. Zu welcher höchsten Berufung, meine Lieben, ist die Menschheit bestellt! Die Kirche wird vom Geist gedrängt, dies den unaufmerksamen Menschen immer wieder ins Gedächtnis zurückzurufen, und das Jubeljahr stellt eine einmalige Gelegenheit dar, um zu dieser heilsamen Erkenntnis zu gelangen. Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns beten, damit dieses Ereignis nach dem Willen Gottes als ein Moment intensiver Vertie- 989 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fung des Glaubens ablaufen möge. Deswegen vertrauen wir es schon jetzt dem mütterlichen Schutz Mariens, der Mutter der Kirche, an. Die Heilige Jungfrau begleite besonders euch, meine Lieben, und euren nicht einfachen, aber erhebenden Dienst zugunsten des ganzen christlichen Volkes. Meinerseits versichere ich euch meines beständigen Gedenkens im Gebet und spende euch und allen euren Mitarbeitern von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Traditionspflege trägt zum Erhalt des Gemeinschaftslebens bei Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des 4. Internationalen Kongresses über die Sinti- und Roma-Pastoral, veranstaltet vom Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, am 8. Juni 1. Willkommen, ihr Vertreter der Sinti und Roma und ihr Seelsorger, die ihr euch so selbstlos in den Dienst dieser Völker stellt! Der Papst freut sich, euch anläßlich eures 4. Internationalen Kongresses empfangen zu können, der vom Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs zweckmäßig organisiert worden ist und zum Thema hat: „Sinti und Roma heute: zwischen Geschichte und neuen pastoralen Erfordernissen“. Ihr seid aus Ost- und Westeuropa sowie aus anderen Teilen der Welt gekommen, um euer christliches Engagement durch Gebet, Nachdenken über die Herausforderungen, die sich dem Glauben heute stellen, Austausch von Erfahrungen und Bemühen um eine stets wachsende Solidarität und Öffnung gegenüber den Brüdern zu stärken. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Geschichte seid ihr auf der Suche nach neuen Formen der Beteiligung von Sinti und Roma am gesellschaftlichen Leben und nach neuen Ausdrucksformen ihrer Religiosität. Ihr seid nicht mit leeren Händen kommen! Im Namen der Sinti- und Roma-Völker erneuert ihr die Bereitschaft, einen spezifischen Beitrag für das Zusammenleben und den Aufbau einer gerechteren und harmonischeren Gesellschaft zu leisten und dabei jene Werte zu betonen, die die Kultur dieser Völker kennzeichnen, wie zum Beispiel die Achtung für die Alten und für die Familie, die Liebe zur Freiheit, der rechte Stolz auf die eigenen Traditionen und eine großherzige Unterstützung des Friedens. Ferner verleiht ihr erneut dem Willen der Sinti und Roma Ausdruck, aktiv an der Lösung der komplexen Probleme mitzuarbeiten, von denen deren Leben in verschiedenen Teilen der Welt immer noch betroffen ist: Diskriminierung und Rassismus, Mangel an Unterkünften und Stellplätzen, Verweigerung der Aufnahme, unzureichende Ausbildung und Ausgrenzung. Zugleich anerkennt ihr, daß Sinti und Roma, seien sie seßhaft oder wandernd, nicht umhin können, sich zur Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, unter der sie sich befinden, verpflichtet zu fühlen durch die Anerkennung ihrer positiven Wesenszüge, die Annahme ihrer 990 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesetze und das Angebot des eigenen Beitrags für die notwendige gegenseitige Kenntnis und die gemeinsame Suche nach einem fruchtbaren Zusammenleben. 2. In der Kirche, dem zum Vater pilgernden Gottesvolk, wie das Zweite Vatikanische Konzil erklärt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9), darf sich keine Volks und Sprachgruppe ausgegrenzt fühlen: Alle sollen in ihr Aufnahme und volle Anerkennung finden. Mein verehrter Vorgänger Paul VI. sagte vor dreißig Jahren beim Treffen mit der ersten Sinti- und Roma-Wallfahrt: „Ihr seid im Herzen der Kirche“ (Insegnamenti III [1965], S. 492). Heute möchte ich mir diese Worte zu eigen machen in der Hoffnung, daß die Kirche, deren Wirken heute auch im Osten Europas reorganisiert wird, sich weiterhin aktiv um die Sinti und Roma bemüht durch selbstlose Seelsorger sowie Initiativen, die die Liebe Jesu, des Guten Hirten, zu den Kleinen und Schwachen in der Alltäglichkeit des Lebens bezeugen. 3. Die Evangelisierung der Sinti und Roma darf die Erinnerung an ihre Geschichte nicht aus den Augen verlieren, die oft von tragischen Leiden und schweren Feindseligkeiten gezeichnet war. In meiner jüngsten Botschaft anläßlich des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa habe ich darum gebeten, die Erinnerung an die Ereignisse, die während jener schrecklichen Jahre stattgefunden haben, wachzuhalten, denn „die Erinnerungen dürfen mit den Jahren nicht verblassen; vielmehr sollen sie unserer und den kommenden Generationen eine ernste Lehre sein“ (L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache vom 19. Mai 1995, S. 7). Ich wollte daran erinnern, daß in den Vernichtungslagern der Nazis „Millionen von Juden und Hunderttausende von Sinti und Roma und anderer Menschen unter dramatischen Umständen den Tod gefunden haben, Menschen, deren einzige Schuld darin bestand, eine andere Volkszugehörigkeit zu haben“ (ebd.). Wenn man das, was sich in der Vergangenheit zugetragen hat, vergißt, kann man damit die Türe zu neuen Formen der Ablehnung und der Aggressivität öffnen. Gleichgültigkeit kann auch heute wieder töten. Wie sollte man daher in diesem Zusammenhang nicht die neuerlichen Gewaltaktionen anprangem, die Sinti oder Roma zum Ziel hatten und besonders gegen wehrlose Personen wie Kinder gerichtet waren? Vorfälle dieser Art dürfen nicht unbeachtet bleiben. Träger der öffentlichen Verwaltung, kirchliche Gemeinschaften, Freiwilligendienste und Mitarbeiter der Medien sollen sich einträchtig dafür einsetzen, daß solche verwerflichen Vorfälle verhütet werden und sich in der Gesellschaft ein Klima der Toleranz und echter Solidarität festigt. 4. Empfänglich und aufgeschlossen für die Welt der Sinti und Roma, erinnert die Kirche daran, daß die Berufung zur Heiligkeit universal ist. Das Zeugnis von Ce-ferino Jimenez Malla, ein Roma und heldenhafter Christ bis zur Hingabe des eigenen Lebens, ist dafür ein leuchtendes Beispiel. In der heutigen Zeit gehen Sinti und Roma durch eine Periode tiefgreifender Umstellung ihrer Traditionen hindurch und müssen daher gegen die Gefahr eines Zerfalls ihres Gemeinschaftslebens ankämpfen. Es ist wichtig, daß der christliche Glaube kraftvoll und fest von 991 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN neuem angeboten wird. Es braucht eine Neuevangelisierung, die sich jedem Mitglied als einem geliebten Teil des wandernden Gottesvolkes zuwendet, um ihm zu helfen, die zweifache Versuchung zu überwinden, sich in sich selbst zu verschließen und Zuflucht bei den Sekten zu suchen oder aber das eigene religiöse Erbe in einem Materialismus zu verlieren, der jeden Bezug auf das Göttliche erstickt. Wie tief die Liebe der Kirche zu den Sinti und Roma ist, bezeugt in ihrer mannigfachen Vielfalt die pastorale Aktion, die von apostolisch engagierten Sinti- und Roma-Gruppen, von den Schulen des Glaubens und den Schulen des Wortes, von den nationalen und diözesanen Dienststellen, von den Kaplaneien für Sinti und Roma und schließlich vom Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs vorangebracht wird. Allen Anwesenden möchte ich meinen lebhaften Dank für diese unentbehrliche Sendung aussprechen, jeden möchte ich ermutigen, mit stets wachsendem Eifer auf diesem Weg voranzuschreiten. Liebe Sinti und Roma, liebe Seelsorger, haltet euren Blick immer fest auf Christus, den Erlöser, und auf Maria, seine und unsere Mutter, gerichtet! Auch der Herr war während seines Erdendaseins gezwungen, sich von Ort zu Ort zu begeben. Er, der von sich selbst sagte, daß er keinen Ort habe, wo er sein Haupt hinlegen könne (vgl. Lk 9,58), leite euch und bringe alle eure apostolischen Anstrengungen zur Vollendung. Und Maria, die ihr als „Amari Develeskeridaj“ - „Unsere Muttergottes“ - anruft, sei allezeit der Leitstern eures Weges. Euch begleite auch mein Segen, den ich von Herzen euch allen hier Anwesenden, euren wandernden Gemeinschaften und allen Angehörigen eures Volkes erteile. Bemühen um Einheit und Grenzüberwindung Ansprache an eine Pilgergruppe aus der Diözese Görlitz und einige Mitglieder der Schönstattfrauenliga am 8. Juni Lieber Herr Bischof, liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, liebe Schwestern und Brüder aus dem Bistum Görlitz, liebe Mitglieder der Schönstattfrauenliga! Es ist mir eine besondere Freude, euch, die Gläubigen aus der jüngst errichteten Diözese Görlitz, hier im Vatikan begrüßen zu können. Euch alle heiße ich im Hause des Bischofs von Rom sehr herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt eurem Bischof Rudolf Müller und durch ihn seinem verehrten Vorgänger in der Leitung der damaligen Apostolischen Administrator, Bischof Bernhard Huhn. Darüber hinaus geht mein Willkommensgruß an euch, liebe Mitglieder der Schönstattfrauenliga, die ihr mit diesem euren Besuch in Rom den Höhepunkt der Feiern zum 75jährigen Bestehen eurer Gemeinschaft berufstätiger Frauen begeht. Ich freue mich, daß ich euch heute zusammen mit den Pilgern aus Görlitz empfangen kann. Ihr seid nach Rom gepilgert, um eure Verbundenheit mit der Weltkirche und dem Nachfolger des hl. Petrus zu bekunden. Gleichzeitig bringt ihr auf diese 992 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weise euren Dank und eure Freude über die Errichtung des Bistums Görlitz zum Ausdruck. Für viele Menschen haben sich in den vergangenen Jahren die Ereignisse regelrecht überstürzt, manchen fällt es auch heute noch schwer, sich unter den neuen Bedingungen in ihrem alltäglichen Leben zurechtzufinden. In der Tat sind nicht alle Errungenschaften, die im Namen von Freiheit und individueller Gestaltungsmöglichkeit angepriesen werden, dazu angetan, dem menschlichen Leben die Sinnerfüllung zu verleihen, derer es zutiefst bedarf Zu heftig begegnen sich mitunter bis heute zügelloser Veränderungswille von außen und die beschränkten Möglichkeiten des einzelnen, sich diesem Herausforderungsdruck zu stellen. Dazu ist die geistliche Lebenslunge, die für eine humane Gesellschaft unabdingbare Voraussetzung für eine gerechte und lebenswerte Zukunft ist, durch Jahrzehnte atheistischer Propaganda schmerzlich geschwächt worden. Ihr, liebe Schwestern und Brüder, bildet nunmehr als junge Diözesangemeinschaft ein einheitliches Ferment in eurer Region. Der große Vorteil eines überschaubaren Bistums besteht in der Möglichkeit, das geistliche Leben nah an den Sorgen und Hoffnungen des einzelnen auszurichten. Nutzt diese Chance, als geistliche Keimzelle vor der Gesellschaft Zeugnis zu geben von einem Leben, das in Gott seinen Ursprung und sein letztes Ziel hat. Nur wenn ihr mit euren Gemeinden und Gruppen ein Bild der Einheit abgebt (vgl. Joh 17,21), werdet ihr die Herausforderung einer Neuevangelisierung im Hinblick auf das anbrechende dritte christliche Jahrtausend bestehen. Verbindet euch in diesem Bemühen in Gebet und konkreten Zeichen praktischer Zusammenarbeit mit den heute noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehenden Schwestern und Brüdern. Bemüht euch, gemeinsam mit ihnen „die Anwesenheit und die Wirksamkeit“ des Heiligen Geistes zu entdecken CTertio millennio adveniente, Nr. 45). Denn „wie kann man das Evangelium von der Versöhnung verkünden, ohne sich gleichzeitig tätig für die Versöhnung der Christen einzusetzen?“ (Ut unum sint, Nr. 98). Wie ihr euch also bisher schon für eine grenzüberschreitende Verständigung mit euren polnischen Nachbarn engagiert habt, so fördert den Geist geschwisterlicher Liebe auch weiterhin, „laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes und lebt in Frieden. Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein“ (2 Kor 13,11). Mit diesen Worten des Apostels Paulus, die ich auch an den Schluß meiner jüngsten Enzyklika Ut unum sint gestellt habe, bringe ich für euch und für die Zukunft des Bistums Görlitz meine besten Wünsche zum Ausdruck. Auf die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, der Königin von Schönstatt, und der hl. Hedwig, die ihr zur Di-özesanpatronin von Görlitz erwählt habt, erteile ich euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. 993 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen zahlten den Preis der Zerstörung und des Todes Predigt bei der Messe zum Gedenken an das Kriegsende vor 50 Jahren am Dreifaltigkeitssonntag, 11. Juni 1. „Gloria Tibi, Trinitas aequalis, una Deitas; et ante omnia saecula et nunc et in perpetuum.“ Wie viele Male habe ich diese Antiphon in der Wawelkathedrale in Krakau zu Beginn der feierlichen Osterliturgie gesungen! Die Auferstehung Christi ist die Bestätigung der Offenbarungswahrheit vom lebendigen Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist in der Einheit des göttlichen Wesens. Gott existiert von ewig her, vor der Welt und vor allen Jahrhunderten, er ist auch Herr aller künftigen Zeiten: „et nunc et in perpetuum“ (,jetzt und alle Zeit“). Gott umfaßt alles; in Ihm „leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Er ist die Allmacht, die sich im Tod und der Auferstehung Christi als Liebe offenbart hat (vgl. Joh 4,8.16). Daraus inspiriert sich dieser Hymnus zur Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit, der Hymnus, welcher die Herrlichkeit von „Ihm, der ist und der war und der kommt (Offb 1,4), verkündet. Er erklingt mit besonderer Ausdruckskraft am Ostertag und kennzeichnet den Beginn der Osterzeit, während der die Kirche wieder das Geheimnis der Auferstehung und Himmelfahrt Christi und der Ausgießung des Heiligen Geistes lebt. Heute, am ersten Sonntag nach Pfingsten, dem Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit, singt die Kirche diesen trinitarischen Hymnus mit neuer Begeisterung. Das Leben der Kirche und des Christen ist umfangen und durchdrungen von der Präsenz der Heiligsten Dreifaltigkeit und von ihrem Heilswirken. Das bringt jedes Kreuzzeichen zum Ausdruck, das wir am Anfang und Ende des Tages, zu Beginn des Gebets oder der Arbeit und bei vielen anderen Gelegenheiten machen. Das unterstreicht die Doxologie, mit der jeder Psalm im Stundengebet schließt: ,Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit.“ Und wenn wir uns mit einem Bittgebet an Gott wenden, schließen wir mit den Worten: „Durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.“ Die Heiligste Dreifaltigkeit ist also unaufhörlich im Mund und im Herzen der Christen. Und heute beten wir sie in besonderer Weise an: „Gloria Tibi, Trinitas qualis, una Deü,tasü et ante omnia aecula üt nu c et in perüetuum.“ 2. Dieses Jahr gedenken wir am Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges und stellen dieses Ereignis in Bezug zu Gott, dem Herrn der Geschichte, in religiösem Hören auf sein Wort, den Blick auf das Geheimnis der göttlichen Weisheit gerichtet. Dabei helfen uns die Worte aus dem Buch der Sprichwörter, in denen die Weisheit Gottes als Meisterwerk des Schöpfers auftritt. Den Menschen sich vorstellend, sagt sie von sich: „In frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde“ (Spr 8,23). Die Erde und jedes Werk Gottes wurden im Licht dieser ewigen Weisheit geschaf- 994 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fen. Der AntwortpsaLm konzentriert sich hingegen auf das herausragende Werk der Weisheit Gottes, den Menschen: „Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt“ (Ps 8,5-7). Das ist der Mensch! Abbild Gottes, ihm ähnlich. Abglanz seiner Herrlichkeit. Er allein kann im großen Buch des Kosmos das ewige Geheimnis der göttlichen Weisheit lesen. Die Welt ist ihm anvertraut worden, damit er in ihr lebt und sich entfaltet, indem er rechten Gebrauch von den Geschöpfen macht und den Bund bewahrt, den Gott mit der gesamten Schöpfung geschlossen hat. Es ist ein Bund des Friedens! Einem solchen Bund des Friedens läuft jeder Krieg zuwider, weil der Krieg dem Haß und der Gewalt entspringt. Mit dem Krieg verwandelt der Mensch die geschaffene Welt in einen Ort des Todes und der Zerstörung. Indem er das tut, beraubt er sie ihres tiefen Sinnes, entkleidet er sie der Herrlichkeit Gottes, die in ihr sich widerspiegelt, und unterwirft sie zum Großteil kurzsichtigen Interessen, für die jedes Geschöpf, und vor allem der Mensch selbst, den Preis der Zerstörung und des Todes zahlt. Ist der Zweite Weltkrieg, der vor fünfzig Jahren zu Ende ging, nicht die augenfälligste Bestätigung dieser schmerzlichen Wahrheit? Alle Überlebenden wissen das aus Erfahrung. Diejenigen, die ein Opfer des Krieges wurden, verdienen heute ein besonderes Gedenken vor Gott. Ihnen gilt unsere Fürbitte in dieser hl. Messe, bei der einige Mitbrüder im Bischofs oder Priesteramt als Konzelebranten anwesend sind, die während des letzten Weltkriegs verletzt wurden oder in Gefangenschaft gerieten oder in Konzentrationslager deportiert wurden oder die Hirten in Städten sind, die damals auf dramatische Weise vom Krieg heimgesucht wurden, wie Hiroshima und Nagasaki. Herzlich grüße ich sie und alle, die an dieser feierlichen Liturgie haben teilnehmen wollen: an erster Stelle den Präsidenten der Italienischen Republik, dann die Mitglieder des Diplomatischen Korps in Vertretung der verschiedenen Länder, die zivile und militärische Prominenz, die Vereinigung der ehemaligen Frontkämpfer und alle, die durch den Krieg gelitten haben. An unserer Seite fühlen wir die endlose Schar der Opfer des Krieges. Wenn das Gedächtnis der Menschen auch von kurzer Dauer ist, so sind die unzähligen Seelen der gefallenen Zivilisten und Soldaten, der in den Vernichtungslagern zu Tode Gefolterten doch in der Hand des lebendigen Gottes (vgl. Weish 3,1). In seinen Tod und seine Auferstehung hat Christus, der Sohn des ewigen Vaters, sie alle eingeschlossen und durch die Kraft des Heiligen Geistes auch dieses große Blutbad der Geschichte in sein Erlösungsopfer aufgenommen. Denn über der Welt, die vergeht, über dem Menschen, der stirbt, ist der Vater, der Sohn und der Heilige Geist; ist jene Fülle des Lebens, die alles umfaßt und alles trägt durch die Liebe im Glanz der ewigen Herrlichkeit. 3. Der hl. Paulus schreibt im Römerbrief: „Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (5,1). Der Friede ist 995 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herrlichkeit Gottes im Himmel, wie die Engel in der Weihnacht verkünden, und auf Erden Erbe der Menschen guten Willens (vgl. Lk 2,14). Was ist zu tun, damit der gute Wille erhalten bleibt und sich festigt, der für die Menschheit unerläßlich ist, um in Frieden zu leben? Wie soll man es machen, daß die Völker Europas und der ganzen Welt am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts in Frieden leben und zu den Jahrhunderten und Generationen des dritten Jahrtausends eine Brücke des Friedens schlagen? Was ist zu tun, um die Kriegsherde zum Verlöschen zu bringen, die auf dem Balkan, im Kaukasus, in Ruanda und in anderen Gegenden der Erde leider vorhanden sind? Christus antwortet mit den Worten des heutigen Evangeliums nach Johannes: Am Tag vor seinem Leiden kündet er den Aposteln im Abendmahlssaal das Kommen des Heiligen Geistes an: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird“ (16,13). Die Kirche hört auf diese Worte des Erlösers in der Überzeugung, daß nur der Geist der Wahrheit das kostbare Gut des Friedens im Menschen und unter den Menschen festigen kann. Denn wenn der Friede Werk der Gerechtigkeit ist - „opus iustitiae pax“ -, ist hinwiederum die Wahrheit Bedingung für die Gerechtigkeit: jede Wahrheit, und besonders die Wahrheit über den Menschen. War dies nicht der Grund, warum man am Ende des Zweiten Weltkriegs die Notwendigkeit verspürte, vor allem zu der Wahrheit über den Menschen zurückzukehren? Das ist die Bedeutung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, zu der die Enzyklika Pacem in terris meines verehrten Vorgängers Johannes XXIII. einen Kommentar von großem Gewicht aus dem Licht des Glaubens bietet. Wie aktuell sind die Worte jener Artikel! Wie tragisch sind sie leider manchmal aktuell! Und wie unerläßlich ist es, daß diese Erklärung zu einer konstanten Richtschnur für das Verhalten der Staaten und der internationalen Gemeinschaft wird! Wie wichtig ist es, daß das erste und grundlegende Recht des Menschen, nämlich das Recht auf Leben vom ersten Augenblick des Daseins im Mutterschoß bis zu seinem natürlichen Ende, überall geachtet wird! Der hl. Irenäus lehrt: „Die Verherrlichung Gottes ist der lebendige Mensch.“ Seine Worte sind ein Widerhall des Gebetes Christi, der im Abendmahlssaal in bezug auf den Heiligen Geist ankündigt: „Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; dämm habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden“ (Joh 16,14-15). Diese Worte betreffen alle Menschen, weil sie die volle Wahrheit über das Leben ausdrücken, zu dem jedes Menschenwesen gemfen ist. Denn wenn die Verherrlichung Gottes der lebendige Mensch ist, so ist „das Leben des Menschen - wie Irenäus sogleich ergänzt - die Schau Gottes; das heißt die Teilhabe am dreifältigen Leben Gottes. Hier liegt die endgültige Berufung des Menschen in Jesus Christus. Während wir unsere Zustimmung des Glaubens zu einer solch wunderbaren Berufung erneuern, treten wir an den Altar heran, das Geheimnis des Todes und der 996 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auferstehung Christi betrachtend, und stimmen mit der ganzen Kirche den Hymnus zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit an, Ursprung und Ziel jedes Wesens und jedes Lebens. Wir tun es an dem Tag, an dem die Kirche mit allen Völkern Europas und der Welt das Gedächtnis des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges begeht und vor Gott der Gefallenen und aller Opfer gedenkt: Gloria Tibi, Trinitas! Gloria Tibi, Trinitas! Gloria Tibi, Trinitas aequalis, una Deitas nunc et in perpetuum! Amen! Mission ist Gabe und Aufgabe — Forderung und Förderung Botschaft zum Weltmissionstag [am 22. Oktober] vom 11. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Kirche hat das Evangelium als Verkündigung und Quelle von Freude und Erlösung empfangen. Sie erhielt es als Geschenk von Jesus, der vom Vater gesandt wurde, „damit Er den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4,18). Sie hat es durch die Apostel empfangen, die von ihm in die ganze Welt ausgesandt wurden (vgl. Mk 16,15; Mt 28,19-20). Geboren aus dieser Verkündigung des Evangeliums vernimmt die Kirche selbst jeden Tag das mahnende Wort des Apostels: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde (1 Kor 9,16)“ (Evangelium vitae, Nr. 78). Als Geschenk des Vaters an die Menschheit und Fortsetzung der Sendung des Gottessohnes weiß die Kirche, daß sie besteht, um die Frohe Botschaft des Evangeliums „bis an die Grenzen der Erde“ zu verkünden, bis zum Ende der Welt“ (vgl. Mt 28,19-20). Der missionarische Auftrag ist daher stets gültig und aktuell; er verpflichtet die Christen, freudig die Frohe Botschaft den Nahen und Femen zu verkünden und dabei ihre Kräfte, Mittel und sogar ihr Leben einzusetzen. Die Mission führt über das Kreuz und unsere selbstlose Hingabe: Wie der Auferstandene, so ist auch der Beauftragte bemfen, den Brüdern die Zeichen der Liebe zu zeigen, um ihre Zweifel und ihre Ängste zu besiegen. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Wenn er die Aufforderung, an der Heilssendung mitzuwirken, freudig annimmt, weiß jeder Christ, daß er auf die Gegenwart Jesu und die Kraft des Heiligen Geistes zählen kann. Diese Gewißheit gibt ihm Kraft zu seinem Dienst am Evangelium und drängt ihn, trotz Schwierigkeiten, Gefahren, Gleichgültigkeit und Niederlagen, wagemutig und voll Hoffnung zu sein. Der Weltmissionstag ist eine willkommene Gelegenheit, den Herrn um eine immer größere Leidenschaft für die Evangelisierung zu bitten: das ist der erste und größte Dienst, den die Christen den Männern und Frauen unserer von Haß, Gewalttätigkeit, Ungerechtigkeit und vor allem von großer Verwirrung über den wahren Lebenssinn gezeichneten Zeit erweisen können. In der Tat kann es keine größere 997 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stütze geben in diesem Konflikt zwischen Tod und Leben, in den wir tief verstrickt sind, als den Glauben an den Sohn Gottes, der Fleisch geworden und unter die Menschen gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10): Es ist der Glaube an den Auferstandenen, der den Tod besiegt hat; der Glaube an das Blut Christi, das mit machtvollerer Stimme spricht als das Blut Abels, das Hoffnung verleiht und der Menschheit ihr wahres Gesicht wiedergibt. 2. Seid zuversichtlich und habt keine Angst; verkündet, daß Jesus der Herr ist: „Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12)! Möge der alljährliche Weltmissionstag in der gesamten Kirche die Bereitschaft finden, die Wahrheit und die Liebe Gottes insbesondere den Männern und Frauen zu verkünden, die die Frohbotschaft Christi noch nicht erreicht hat! Mit großer Zuneigung und Dankbarkeit wende ich mich vor allem an euch, liebe Missionare und Missionarinnen, und ganz besonders an diejenigen, die um des Namens Jesu willen leiden. Sagt allen, daß „sich der Liebe Christi öffnen, wahre Befreiung bedeutet. In ihm, und in ihm allein, werden wir befreit von jeder Entfremdung und Verirrung, von der Sklaverei, die uns der Macht der Sünde und des Todes unterwirft“ (vgl. Redemptoris missio, Nr. 11). Er ist der Weg, die Wahrheit, die Auferstehung und das Leben (vgl. Joh 14,6; 11,25), er ist das „Wort des Lebens“ (vgl. Joh 1,1)1 Verkündet Christus durch das Wort, durch konkrete Taten der Solidarität, macht seine Liebe zum Menschen sichtbar, indem ihr mit und in der Kirche „an diesen Fronten der Nächstenliebe immer in vorderster Linie steht, wo „viele ihrer Töchter und Söhne, besonders Ordensleute, in alten und immer neuen Formen ihr Leben Gott weihten und auch heute noch weihen, indem sie es aus Liebe zum schwächsten und bedürftigsten Nächsten hin-geben“(vgl. Evangelium vitae, Nr. 27). Eure besondere Berufung „ad gentes“ und „ad vitam“ behält ihre volle Gültigkeit: sie verkörpert das Beispiel des missionarischen Einsatzes der gesamten Kirche, die immer auf die radikale und ganzheitliche Hingabe, auf neue und mutige Impulse angewiesen ist. Ihr habt Gott euer Leben geweiht, um Zeugen des Auferstandenen unter den Völkern zu sein: laßt euch nicht durch Zweifel, Schwierigkeiten, Zurückweisung und Verfolgung ein-schüchtem. Belebt die Gnade eures besonderen Charismas neu und setzt ohne Zögern den Weg fort, den ihr mit festem Glauben und großer Selbstlosigkeit eingeschlagen habt (vgl. Redemptoris missio, Nr. 66). 3. Den gleichen Aufruf richte ich an die alten und neuen Kirchen, an ihre Hirten, „die nicht nur für eine bestimmte Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen haben“(vgl. Ad gentes, Nr. 38), und die oft unter dem Mangel an Berufungen und Mitteln leiden. Insbesondere wende ich mich an jene christlichen Gemeinschaften, die in ihrem Bereich eine Minderheit bilden. Wenn ihr die Worte des Meisters hört: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben“ (Lk 12,32), so laßt die Freude des Glaubens an den einzigen Erlöser aufscheinen, gebt Rechenschaft von der Hoff- 998 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nung, die euch beseelt, und bezeugt jene Liebe, die euch in Jesus Christus im Innersten erneuert hat. Um „Handwerker“ der Neuevangelisierung zu sein, muß sich jede christliche Gemeinde die Logik des Gebens und der Hingabe zu eigen machen, die in der Mission ad gentes nicht nur die Möglichkeit hat, denjenigen zu unterstützen, der spirituelle und materielle Hilfe braucht, sondern vor allem die außerordentliche Gelegenheit, zur Reife des Glaubens heranzuwachsen. 4. Die mutige Verkündigung des Evangeliums ist ganz besonders euch jungen Menschen anvertraut. In Manila habe ich euch daran erinnert, daß der Herr „vieles von euch verlangen wird; er wird von euch den höchsten Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums und den Dienst an seinem Volk fordern. Aber habt keine Angst, denn das Maß seiner Forderungen entspricht gleichsam seiner Liebe zu jedem einzelnen von euch“ (vgl. O.R. 14.1.95). Laßt euch nicht verarmen und verkümmern indem ihr euch in euch selbst verschließt; öffnet euren Geist und euer Herz den grenzenlosen Horizonten der Mission. Fürchtet euch nicht! Folgt bereitwillig seiner Aufforderung, wenn der Herr euch ruft, eure Heimat zu verlassen und euch anderen Völkern, anderen Kulturen, anderen kirchlichen Gemeinschaften zuzuwenden. Und ich möchte noch einmal wiederholen: „Kommt mit mir in das dritte Jahrtausend, um die Welt zu retten“ (vgl. ebd.). Habt stets den Mut, Jesus, den Herrn, den Familien, den Priestern, den Ordensleuten und allen Christgläubigen zu verkünden. Ich wiederhole es: Habt stets den Mut, Jesus, den Herrn zu verkünden. Jeder Gläubige ist berufen, sich für die Verbreitung des Evangeliums einzusetzen und den Geist und das Wirken der Mission durch seine selbstlose Hingabe an die Brüder zu leben. Wie ich bereits in der Enzyklika Evangelium vitae betonte, sind wir ein Volk von Gesandten, und wir wissen, daß „uns das Gesetz der Liebe auf unserem Weg führt und trägt: Es ist die Liebe, deren Quelle und Vorbild der menschgewordene Gottessohn ist, der durch seinen Tod der Welt das Leben geschenkt hat“ (vgl. Nr. 79). 5. Liebe Brüder und Schwestern! Möge der Weltmissionstag für alle Christen eine treffende Gelegenheit sein, ihre Liebe zu Christus und zum Nächsten zu überprüfen. Möge dieser Anlaß uns ferner bewußt machen, daß niemand das Gebet, das Opfer und die konkrete Hilfe den Missionen, den Vorposten der Kultur der Liebe, vorenthalten darf. Der Geist Gottes beseelt jedes Missionsprojekt und führt es zur Vollendung. Während ich all denjenigen meinen Segen spende, die sich aktiv der Missionsarbeit widmen, denke ich vor allem an die Verantwortlichen des Päpstlichen Werkes für die Glaubensverbreitung, das mit der Gestaltung dieses Tages betraut ist, und an diejenigen, die in den anderen Päpstlichen Missionswerken tätig sind, diesen unverzichtbaren Bildungsorganisationen für die missionarische Zusammenarbeit und wertvollen Einrichtungen zur angemessenen und aufmerksamen Unterstützung aller Missionare. Möge Maria, Königin der Evangelisierung, die wertvolle Tätigkeit der Arbeiter des Evangeliums unterstützen und lenken und die Christen stets mit neuer Freude und Begeisterung erfüllen, damit sie Jesus Chri- 999 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stus durch Wort und Leben verkünden können. Allen spende ich zur Ermutigung für ihre jeweiligen Aufgaben im Dienst des Evangeliums meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 11. Juni 1995, Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit, im 17. Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Gemeinsam eine neue Kultur des Lebens aufbauen Ansprache an den deutschen Botschafter beim Hl. Stuhl, Dr. Philipp Jenninger, am 12. Juni Herr Botschafter! 1. Mit großer Freude nehme ich aus Ihren Händen das Schreiben entgegen, mit dem Sie der Präsident der Bundesrepublik Deutschland als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter Ihres Landes beim Heiligen Stuhl beglaubigt werden. Zugleich darf ich Sie bitten, dem Herrn Bundespräsidenten und dem Herrn Bundeskanzler meine herzlichen Grüße übermitteln zu wollen. Zu Ihrem Amtsantritt heiße ich Sie herzlich willkommen und erbitte Ihnen für Ihre ehren- und verantwortungsvolle Aufgabe Gottes Segen. 2. Während der letzten Wochen haben wir des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa vor 50 Jahren gedacht. Dies war ein Einschnitt nicht nur in die Geschichte Deutschlands, sondern in die Weltgeschichte überhaupt. Das Kriegsende traf Täter und Opfer, Schuldige und Unschuldige in gleicher Weise. Viele Menschen konnten sich eine neue Existenz aufbauen, andere aber gerieten östlich der Elbe erneut in die Fänge eines anderen totalitären Systems, von dem sich erst ihre Kinder befreien konnten. Denn „das Ende des Krieges hat leider nicht zum Verschwinden der Politik und der Ideologien geführt, die den Boden für ihn bereitet bzw. ihm Vorschub geleistet hatten. Anders ausgedrückt, totalitäre Regime bestanden fort und breiteten sich, vor allem in Osteuropa, sogar noch weiter aus“ (Botschaft anläßlich des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa, Nr. 7). Für die Mehrheit Ihrer Landsleute ist die Erinnerung an den 8. Mai 1945 ein Rückblick auf ein nur historisches Datum vor der eigentlichen Gründung Ihres Staatswesens. Und dennoch war es ein Tag der Trauer um die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Es war auch ein Tag des Dankes für die Möglichkeit, den Frieden in Freiheit zu gestalten. Es war aber ebenso Anlaß, sich neu der Verantwortung und der Verpflichtung zu Wachsamkeit gegenüber der Achtung der Würde des Menschen bewußt zu werden. Gerade weil die Erfahrungen des Krieges und all der Schreckenserlebnisse, die damit verbunden waren, nicht beim Jahre 1000 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1945 stehen blieben, Krieg und Gewalt vielmehr für unser Jahrhundert bis heute kennzeichnend sind, das als Jahrhundert der Kriege in die Geschichte eingehen wird, müssen wir je neu gegen den Geist der Unmenschlichkeit ankämpfen. Der offene und unmißverständliche Einsatz für die Menschenrechte ist unser aller Verpflichtung. 3. Die Bundesrepublik Deutschland ist heute ein weltweit angesehener und gesuchter Partner. Ihre Regierung spielt eine entscheidende Rolle im europäischen Einigungsprozeß. Sie ist in der Lage, diese Rolle überzeugend auszuüben, da die demokratischen Institutionen Ihres Landes stabil sind und die Bürger sich in ihrer überwältigenden Mehrheit zu ihnen bekennen. Auch weil Deutschland sich seiner eigenen Geschichte bewußt ist, ist es sensibel gegenüber Unrecht und Mißachtung der Menschenwürde. In der Tat scheint es ein zunehmendes Symptom in allen modernen Demokratien zu sein, daß eine spontane Neigung zu Gewaltbereitschaft mit politisch gewollter und organisierter Gewalt Zusammentritt und zu einer Gefahr für den inneren Frieden werden kann. Es reicht sicherlich nicht aus, allgemeine Appelle zu erlassen und zum Lernen aus der Geschichte aufzufordem. Gefordert ist vielmehr konkrete Versöhnungsarbeit, die der eigenen Person gegenüber und den anderen nicht einfach das Vergangene aufrechnet, sondern hilft, gegenseitige Vorurteile abzubauen und an einer gemeinsamen europäischen Zukunft mitzuwirken. 4. Diese Zukunft aber braucht ein geistiges und ideelles Fundament, dessen Wiedergewinnung sich in vielen Gesellschaften als schwierig erweist, da sich dort fast alle Tabus aufgelöst haben, wo fast alles gleichgültig geworden ist und wo manche Jugendliche den Eindruck haben, sie könnten dadurch am wirksamsten auf sich aufmerksam machen, wenn sie alle Hemmschwellen überschreiten und Brutalität um ihrer selbst willen üben. Wie soll darüber hinaus eine Gesellschaft ein geistiges Fundament erlangen, wenn ihr innerer Friede weitgehend nur auf materiellem Wohlstand beruht? Die Zunahme spontaner Gewaltbereitschaft in vielen Gesellschaften zeigt, daß die Sozialisation vieler heranwachsender junger Menschen sich schwierig gestaltet. Die individuellen Ansprüche sind oft darauf ausgerichtet, alles möglichst sofort und alles darüber hinaus zusammen zu wollen. Von einem solchen Standpunkt aus ist jener Schritt nicht groß, sich das Gewünschte notfalls auch mit Gewalt zu holen und lästig erscheinende Hindernisse zu beseitigen, selbst dann, wenn es sich dabei um Menschen handelt. Ferner ist festzuhalten, daß Konflikte im eigenen Land zunehmend auf fremdes Territorium übertragen werden. Terroranschläge im fremden Land dienen oft nur dem Versuch der Durchsetzung von Zielen im eigenen. Deshalb ist es die Aufgabe aller Demokraten, den freiheitlichen Rechtsstaat mit allen zur Verfügung stehenden legalen Mitteln zu verteidigen und jedem Verfall der Grundwerte entgegenzuwirken beziehungsweise alles zu ihrer Wiederherstellung und Stabilisierung zu unternehmen. Ohne die Anerkennung und Praktizierung dieser Grundwerte würden die Freiheit und die Men- 1001 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schenwürde verlorengehen. Die Christen haben beim Aufbau und beim Erhalt einer auf Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit basierenden Grundordnung eine herausragende Rolle. 5. Wesentliche Aufgabe der Christen ist es, eine Kultur des Lebens und der Liebe aufzubauen. Denn „im heutigen gesellschaftlichen Kontext, der von einem dramatischen Kampf zwischen der ,Kultur des Lebens’ und der ,Kultur des Todes’ gekennzeichnet ist, muß man einen starken kritischen Geist zum Reifen bringen, der die wahren Werte und die echten Erfordernisse zu erkennen in der Lage ist.“ Ja, „wir müssen alle zusammen eine neue Kultur des Lebens aufbauen: neu, weil sie in der Lage sein muß, die heute neu anstehenden Probleme in bezug auf das Leben des Menschen aufzugreifen und zu lösen; neu, weil sie eben mit stärkerer und tätiger Überzeugung von seiten aller Christen aufgebaut werden muß“ (Evangelium vitae, Nr. 95). Dieser letzte Aspekt eines gemeinsam von allen Christen getragenen Lebenszeugnisses gegenüber einer Welt, die dem dritten christlichen Jahrtausend entgegengeht, liegt mir in besonderer Weise am Herzen. Denn vor den Augen der Welt muß „die Zusammenarbeit unter den Christen die Dimension des gemeinsamen christlichen Zeugnisses“ annehmen {Ut unum sint, Nr. 40). Diese Welt darf sich nicht weiter belügen und deformieren. Die Wahrheit darf dabei nie aus dem Blick verloren werden; sie ist letztlich von Gott selbst geoffenbart. Das Leben des Menschen und die Wahrheit über das Leben werden allzu stark bedroht vom Säkularismus, dem Indifferentismus, dem Individualismus, dem hedonistischen Konsumdenken und dem praktischen Materialismus. Leben geht zwar zunächst auf den einzelnen, auf die eigene Suche nach Sinn, aber es ist zugleich eine Aufgabe der Gesamtkultur, den Blick für einen allumfassenden Daseinssinn offenzuhalten. Der Mensch kann nie eine rätselhafte Fehlkonstruktion sein, und vom Sinnlosen wird sich letztlich niemand nähren können. Während in den ehemals kommunistischen Ländern der verordnete Sinnhorizont des Kollektivs weggebrochen ist, laufen die Menschen im Westen Gefahr, Opfer eines Individualismus mit sich überschlagender Freiheit zu werden. In einer solchen Situation ist es notwendig, die Werte wiederzugewinnen, die sich aus einem unverfügbaren Sinn erhellen, die uns nicht nur auf uns selbst oder in das Nichts wenden, sondern auf das Gute und den Guten als unzerstörbare Mächtigkeit, auf das in sich aufgerichtete und aufrichtige Leben. Dies impliziert, daß menschliches Leben in jeder Phase geachtet wird: das kindliche, das alte, das erwünschte und das vielleicht unerwünschte. Es ist letztlich das Menschenbild, das die Art des alltäglichen und politischen Handelns charakterisiert. 6. Ein Wertebewußtsein ist durchaus vorhanden in den Gesellschaften, auch in derjenigen der Bundesrepublik, wenn ich an die große Bereitschaft zur Solidarität und solidarischem Handeln Menschen gegenüber denke, die in Not sind und Hilfe brauchen. Nicht nur kirchliche Organisationen gehen hier mit gutem Beispiel voran, auch Ihre Regierung, sehr geehrter Herr Botschafter, setzt durch umfang- 1002 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN reiche Hilfsmaßnahmen in den letzten Jahrzehnten positive Zeichen. Besonders darf ich hier den Einsatz der Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf internationaler und bilateraler Ebene zur Überwindung der Verschuldungsprobleme der ärmsten Entwicklungsländer erwähnen. Vor allem auch dank Ihrer Regierung konnte eine substantielle Verbesserung der Umschuldungskonditionen erreicht werden. Die soziale Bereitschaft und Verpflichtung Ihrer Regierung nach innen und nach außen ist stark getragen vom Subsidiaritätsprinzip, einem zentralen, auch europapolitischen Anliegen Ihrer Regierung, wie sich aus der ausdrücklichen Verankerung des Prinzips in den Maastrichter Verträgen ersehen läßt. 7. Abschließend darf ich meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, daß die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Heiligen Stuhl, die Sie in Ihrer Ansprache zu Recht betont haben, sich weiter harmonisch entwickeln. Die fmchtbare Beziehung zwischen Staat und Kirche, die in großer Verantwortung von beiden Seiten wahrgenommen wird, stellt hierfür eine zuverlässige Voraussetzung dar. Ihnen, Herr Botschafter, Ihren geschätzten Mitarbeitern in der Botschaft und nicht zuletzt Ihrer werten Familie erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Ordensleute sind Sauerteig des Volkes Gottes Ansprache an das Generalkapitel der Franziskaner-Konventualen am 12. Juni Liebe Minderbrüder! 1. Mit großer Freude empfange ich euch zum Abschluß eures Generalkapitels, das euch Gelegenheit zum gemeinsamen Gebet und zum Nachdenken über die Erwartungen und apostolischen Initiativen gegeben hat, die eure Fanziskanerfamilie im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend aktiv zu fördern beabsichtigt. Das Kapitel hatte ferner die Aufgabe, den neuen Generalminister und den Rat zu ernennen, der ihn während seiner nun beginnenden sechsjährigen Amtszeit bei der Leitung des Instituts unterstützen soll. Ich grüße P. Agostino Gardin, der mit diesem schwierigen Amt des Ministers beauftragt worden ist. Er stammt aus Padua, und somit ist es naheliegend, für ihn die Erleuchtung und den Schutz des hl. Antonius zu erbitten, dessen achthundertjähriges Geburtsjubiläum wir nun feiert. Mein Gruß gilt auch P. Janfranco Serrini, der den Orden zwölf Jahre lang geleitet hat: ihm möchte ich meine Hochachtung aussprechen für den Eifer, mit dem er die Entwicklung der Missionstätigkeit gefördert und zur Festigung der Präsenz des Franziskanerordens in Osteuropa intensiv beigetragen hat. Einen herzlichen Gruß richte ich an jeden einzelnen von euch und durch euch an eure gesamte Ordensfamilie: Möge der Herr euch gewähren, in stets stärkerem Maße den Geist des „Poverello“ von Assisi und seines würdigen Anhängers, des hl. Antonius, zu vertiefen. 1003 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Ein Kapitel, liebe Brüder, ist stets eine Einladung, zur Quelle, zu Christus, zurückzukehren, von dem jedes Ordensmitglied jene tägliche Nahrung empfängt, die ihm ermöglicht, seine Existenz als geweihte Seele voll zu leben. Die Wirkungskraft des Ordenszeugnisses besteht gerade darin, Sauerteig des Gottesreiches und Aufruf zu den immerwährenden Werten des Evangeliums zu sein. Das ist es, was die Kirche von euch erwartet; was vielleicht, ohne es zu wissen, auch die Welt von euch erwartet. Um diese schwierige Aufgabe zu erfüllen, braucht ihr jene ständige Inspiration, die nur einer engen und tiefen Verbindung mit dem Herrn im Gebet und in der treuen Befolgung seines Willens, entspringen kann. Das hatte der hl. Franziskus klar erkannt, und das ist auch die Aufgabe, die er euch, seinen geistlichen Söhnen, hinterlassen hat, die ihr seinem kontemplativen Geist nacheifert und in ihm denjenigen erkennt, der „vollends zum Gebet geworden“ ist. 3. Wenn vom „Poverello“ die Rede ist, denken wir fast unwillkürlich an den Frieden, jene stark ersehnte, aber auch stark bedrohte Wirklichkeit. Ich hatte die Ehre, gleich viermal in Assisi am Grab des hl. Franziskus zu weilen. Ihm habe ich die Gegenwart und die Zukunft Italiens anvertraut, dessen Schutzpatron er ist. Ihm, dem in Liebe entbrannten Bruder Seraphicus, habe ich mehrmals den Frieden in Europa und insbesondere auf dem Balkan ans Herz gelegt. Möge Franziskus das Geschenk des wahren Friedens für die vom Krieg zerrütteten Völker erlangen! Es ist bereits zu viel Blut geflossen! Als treuer Bote Christi lehrt Franziskus uns, daß es nur durch die Verbreitung und Übung des Evangeliums des Friedens und der Liebe möglich ist, das Gesicht der Welt zu verändern und es dem Plan Gottes anzupassen. Möge sich der „Geist von Assisi“, der seit dem 27. Oktober 1986 weiterhin den Gläubigen und vielen Menschen guten Willens Hoffnung gibt, durch seine Fürsprache zunehmend festigen. 4. Während eures Kapitels habt ihr über einen anderen Wert nachgedacht, der in eurem Vater Seraphicus leuchtet und der auch im Leben des hl. Antonius besonders hervortritt: die Liebe zum Evangelium, dem Wort des lebendigen Gottes. Diese Liebe, der die Berufung des hl. Franziskus entspringt, spiegelt sich gleichsam im Predigen des Antonius wider, den die Kirche als „Lehrer des Evangeliums“ verehrt. Unweigerlich denken wir hier an das Heiligtum von Padua, das insbesondere in diesem Jahr Tausende von Pilgern anzieht. Euer neuer Generalmini-ster, der lange Zeit in Padua gelebt hat, kennt diese tröstende Wirklichkeit der Volksfrömmigkeit nur zu gut. Gewiß wird er sich mit Eifer dafür einsetzen, damit die Treue zum Evangelium, in der typischen, von Antonius zum Ausdruck gebrachten Form sowohl in denjenigen - Ordensleuten und Laien -, die die große Franziskanerfamilie bilden, als auch in den Gläubigen, die der pastoralen Sorge der Konventualminoriten anvertraut sind, neue Kraft finden möge. 5. Euer Gründer und dessen heilige Söhne verleihen eurem Orden die charismatische Kontinuität der franziskanischen Tradition, die ihr in den sich ständig wandelnden Situationen unserer heutigen Zeit verwirklicht. Unter diesen Heiligen 1004 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchte ich an den hl. Maximilian Maria Kolbe erinnern, den „Schutzpatron unseres schwierigen Jahrhunderts“. Sein Andenken ist dieses Jahr ganz besonders aktuell, da wir den fünfzigsten Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs begehen. Er schließt sich der Schar der franziskanischen Zeugen an und fordert euch auf, unterstützt von der schützenden Fürsorge der unbefleckten Jungfrau, euer missionarisches Zeugnis mit neuem Eifer fortzusetzen. Wie ihr während eures Generalkapitels hervorgehoben habt, zählen zu den neuen Zielsetzungen eures Apostolats der Einsatz für die Einheit der Christen - ein Anliegen, das ich unlängst als dringendes Erfordernis der apostolischen Tätigkeit der Kirche im Hinblick auf das dritte Jahrtausend dargestellt habe -, die Bewahrung der Schöpfung, die mutige Antwort auf die Anforderungen der neuen Evangelisation und die missionarische Präsenz in jenen Ländern, die unlängst Opfer fortwährender religiöser Verfolgungen geworden sind. Im Hinblick auf diesen letzten Aspekt ist mir bekannt, daß ihr euch für jene Brüder einsetzt, die all das wieder aufbauen müssen, was während oft langer und schwerer Zeiten der Unterdrückung zerstört wurde. Die Stimme, die zu Franziskus sprach, sagt heute auch zu euch: „Geht, und stellt mein verfallenes Haus wieder her.“ Und, eingedenk der Worte des Herrn, antwortet ihr voller Eifer: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Zweifelt nicht daran, daß der Herr all eure Bemühungen segnen wird! Liebe Brüder, während ich dem Herrn für den Dienst danke, den eure Ordensgemeinschaft der Kirche und auch dem Apostolischen Stuhl erweist, vertraue ich ihm die Vorsätze dieses Generalkapitels an, damit sie reiche Früchte tragen werden. Insbesondere erflehe ich für alle die Fürsprache des hl. Antonius am Vortag seines Namensfestes und widme den Mitbrüdem eurer gesamten Ordensfamilie wie auch denjenigen, denen euer pastoraler Dienst zuteil wird, ein besonderes Gebet. In diesem Sinne segne ich euch von ganzen Herzen. Sportler als Boten des Friedens und der Hoffnung Grußwort an die Teilnehmer einer italienischen Friedensstaffette am Abend des 14. Juni Liebe Freunde, Teilnehmer an der .Friedensstaffette“, seid willkommen! Herzlich grüße ich euch alle. Euer Weg hat im Heiligtum von Pompei begonnen und führt zum „Heiligen Haus“ in Loreto, dessen Siebenhundertjahrfeier wir in diesem Jahr begehen. So wolltet ihr die beiden heiligen Stätten miteinander verbinden, die in bedeutsamer Weise den Glauben und die christliche Kultur des italienischen Volkes zum Ausdruck bringen, und wolltet in besonderer Weise die heilige Jungfrau, die Königin des Friedens, in dieser unserer leider noch von nicht wenigen Kriegsherden gezeichneten Zeit anrufen. Zahlreiche Kinder, Jugendliche, führende Sportler und behinderte Sportler begleiten euch. Ihr wollt gemeinsam euren Willen kundtun, die Jungfrau Maria durch eine an religiösen, kulturellen und sportlichen 1005 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Motiven reiche Veranstaltung zu ehren: Motivationen, die alle die Entfaltung der menschlichen Person nach dem Plan der Liebe Gottes, des Schöpfers, zum Ziel haben. Eure Staffette trägt den Namen des Friedens. Sie will ein Zeichen der Brüderlichkeit sein und zugleich eine Einladung zur Brüderlichkeit, zur Einheit und zur Solidarität zwischen den einzelnen und den Völkern. Ihr seid Zeugen des Friedens, Boten der Hoffnung und Erbauer der Zivilisation der Liebe. Möge diese eure Aufgabe immer von inständigem Gebet begleitet sein, zu dem ich auch mein eigenes Gebet hinzufüge. Mögt ihr würdige Sendboten des Friedens in der weiten Welt des Sportes sein, damit der Sport immer mehr zu einer Zeit und einem Ort der Brüderlichkeit, des Festes und des Friedens werde! Euch allen meinen Segen! Eucharistie — Grundelement christlichen Lebensvollzugs Homilie beim feierlichen Fronleichnamsgottesdienst am 15. Juni 1. „Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (7 Kor 11,26). Heute wollen wir, die wir hier vor der Lateranbasilika, der Kathedralkirche des Bischofs von Rom, versammelt sind, in ganz besonderer Weise den Tod Christi verkünden. In eben dieser Kirche feiern wir alljährlich die Liturgie des Gründonnerstages. So ist die heutige Feier im gewissen Sinne die Ergänzung der Gründonnerstagsliturgie, wie ja auch das Herz-Jesu-Fest, das nächsten Freitag feierlich begangen wird, eine bedeutungsvolle Erfüllung der Karfreitagsliturgie darstellt. Der Gründonnerstag erinnert uns an das Abendmahl des Herrn und die Einsetzung der Eucharistie im Kontext der Karwoche, jener heiligen Woche der Leiden des Herrn. Solch ein Zusammenhang erlaubt uns nicht, das bis in die letzte Tiefe auszudrücken, was die Eucharistie für uns bedeutet. Am Ende der Gründonnerstagsliturgie, d. h. nach der Missa in Coena Domini, wird das Allerheiligste in eine dafür vorgesehene Seitenkapelle übertragen. Es handelt sich dabei um eine eucharistische Prozession, die einen ganz besonderen Charakter hat: Wir halten neben Christus zu Beginn seiner Passion inne. In der Tat wissen wir, daß das Letzte Abendmahl vom Gebet in Getsemani, von der Festnahme und der Verurteilung zuerst vor Hannas, dann vor Kaiphas, dem zur Zeit amtierenden Hohenpriester, gefolgt war. So begleiten wir also am Gründonnerstag Jesus auf seinem Weg, der ihn zu den furchtbaren Stunden seiner Leiden hinführt, wenige Stunden vor der Verurteilung zum Tode und der Kreuzigung. Gemäß polnischer Tradition heißt der Ort, an den das Allerheiligste nach der Liturgie des Abendmahlsamtes übertragen wird, „Kapelle des Dunkels“; weil die Volksfrömmigkeit damit die Erinnerung an jenes Gefängnis verbindet, in dem unser Herr Jesus die Nacht von Donnerstag auf Freitag verbrachte. Sicherlich keine Nacht des Ausruhens, sondern vielmehr eine weitere Station physischen und seelischen Leidens. 1006 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Durchaus davon verschieden, ist wohl die Stimmung, die das Fest des Allerheiligsten Leibes und Blutes Christi umgibt. Es wurde relativ spät eingesetzt, und zwar im Mittelalter, und entspricht dem tiefen Bedürfnis, all das auf eine andere und vollkommenere Weise zu verdeutlichen, was die Eucharistie für die Kirche bedeutet. „Pange lingua gloriosi corporis mysterium, sanguinisque pretiosi ..." In den Worten des berühmten Hymnus hat der hl. Thomas von Aquin in beredter Weise ein solches Bedürfnis des Gottesvolkes ausgedrückt. „Pange lingua!“ Die Zunge der Menschen soll das Mysterium der Eucharistie besingen! Sie soll es nicht nur als ein „mysterium passionis“ besingen, sondern auch als ein „mysterium gloriae“. Dies ist der Ursprung eucharistischer Prozessionstraditionen, besonders der Fronleichnamsprozession, die einen einzigartigen Ausdruck jener Ergriffenheit darstellt, die der Gläubige angesichts des „Mysteriums“ des Leibes und Blutes unseres Herrn empfindet, von dem die Kirche täglich lebt. Auch der Prozession des heutigen Abends, die von der Lateranbasilika durch die Straßen der Ewigen Stadt zu der Basilika Santa Maria Maggiore auf dem Esquilin führt, kommt eine ähnliche Bedeutung zu. Ich erinnere mich an viele solche Prozessionen, an denen ich als Kind teilgenommen hatte. Später habe ich sie dann selbst als Priester und als Bischof geleitet. Die Fronleichnamsprozession stellte immer ein großes Ereignis für die Gemeinden dar, zu denen ich gehörte. Und so ist es auch in Rom, d. h. hier viel mehr als anderswo, da hier einer der direkten Zeugen des Letzten Abendmahles sein Zeugnis ablegte: der Apostel Petrus. Indem wir das Allerheiligste Altarsakrament durch die Straßen der Stadt tragen, übernehmen wir in der im zweiten Jahrtausend kennzeichnenden Weise das Glaubensgut, das auch das seine war. Die heutige Lesung aus dem Brief des hl. Paulus an die Korinther erhellt diesen Glauben. Es handelt sich wahrscheinlich um den ältesten schriftlichen Bericht über die Einsetzung der Eucharistie. Der Apostel schreibt: , Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (7 Kor 11,23-26) Es ist, als ob die Kirche die Worte dem Mund des Völkerapostels entnähme und sie zu den ihren machte, um sie vor der Welt wieder zu sprechen, indem sie in jeder heiligen Messe wiederholt: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ 3. Die Liturgie des Fronleichnamsfestes erinnert uns an das Priestertum Christi. Davon spricht sowohl der Antwortpsalm als auch die erste Lesung, die vom Buch Genesis handelt: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedeks“ (Ps 109,4). Melchisedek, der zur Zeit Abrahams lebte, war König von Salem, jener Stadt, die später den Namen Jerusalem annehmen sollte; und er opferte Gott Brot und Wein. Abraham erwies diesem außergewöhnlichen Priesterkönig seine Ehre, 1007 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN da er, in dessen Person, gleichsam die zukünftige Berufung jenes Gottesvolkes vorraussah, von dem er eines Tages Vater im Glauben werden sollte: eine Berufung also, die nicht nur auf den Alten Bund beschränkt blieb, sondern sich auf den Neuen und Ewigen Bund ausweitete. Der Psalm, der vom Priestertum nach dem Vorbild jenes des Melchisedek spricht, ist wahrlich ein außergewöhnlicher, da er hervorhebt, daß es sich um ein ewiges Priestertum handelt: „Du bist Priester auf ewig“! Im Lichte des österlichen Glaubens geht klar hervor, daß dieser Priester des Neuen und Ewigen Bundes der mit dem Vater wesenseine Sohn ist. Laßt uns ein wenig verweilen, um über folgende Worte nachzudenken: „So spricht der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter die Füße. Vom Zion strecke der Herr das Zepter deiner Macht aus: ,Herrsche inmitten deiner Feinde!’“ (Ps 109/110,1 f.); und weiter: „... ich habe dich gezeugt noch vor dem Morgenstern, wie den Tau in der Frühe“ (Ps 109/110,3). Was könnte wohl diese, dichterische Metapher bedeuten? Gelesen im Lichte der vollen Offenbarung des Neuen Testamentes, spricht sie von der Zeugung des Wortes, des Sohnes des Ewigen Vaters. Dieser Sohn wurde durch sein eigenes Opfer „Priester auf ewig“; und zwar kraft der göttlichen Verheißung selbst. Er brachte das Opfer als Priester dar, nämlich das Opfer seines Leibes und Blutes. Und gleichzeitig hinterließ er seiner Kirche das einzige und unwiederholbare Opfer unter den Gestalten von Brot und Wein; d. h. dieselben Speisen, die Melchisedek zur Zeit Abrahams als Opfer darbrachte. Auf solche Weise wird das Opfer Christi wie auch die Eucharistie zum Mahl - zum Mahl des Lammes. Und die Kirche lädt uns zu diesem Mahl ein, indem sie uns auffordert, an der Eucharistie teilzunehmen. Dies tut sie jeden Tag, aber in besonderer Weise heute. Außerdem besitzt sie das durch den Glauben grundgelegte Bewußtsein, daß diese Speise und dieser Trank, welche die Eucharistie sind, sich niemals erschöpfen und niemals ausbleiben werden. Sie sind für alle bestimmt, wie die heutige Perikope des Lukasevangeliums aufzeigt: „Und alle aßen und wurden satt“ (Lk 9,17). Am Fronleichnamstag wollen wir also diesen einzigartigen Überfluß der eucharistischen Gabe verehren, aus der das Gottesvolk auf der ganzen Erde ununterbrochen schöpft. 4. Ja, auf der ganzen Erde! Heute, am Tage des Corpus Domini, fühlen wir uns, indem wir die Liturgie feiern und vor allem die eucharistische Prozession begehen, vereint mit allen in den verschiedensten Teilen dieser Erde, „vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang“, die dasselbe tun. Dies ist die Eucharistie Roms, aber gleichzeitig die Eucharistie Italiens und der Inseln des Mittelmeeres; die Eucharistie so vieler Kirchen auf dem europäischen Kontinent; die Eucharistie Nord-, Mittel- und Südamerikas; die Eucharistie Afrikas und der unzähligen Kommunitäten, die auf diesem Kontinent die Botschaft des Evangeliums angenommen haben; die Eucharistie der Inseln im Atlantischen Ozean, im Indischen und im Pazifischen; die Eucharistie der Kirchen Asiens und Australiens. Begeben wir uns nun also zur eucharistischen Prozession, die durch die Straßen Roms zieht, und gleich- 1008 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zeitig wollen wir mit Ergriffenheit dieses einzige Wort aussprechen: Eucharistie, Eucharistie, Eucharistie. Vor dem Auge der Seele werden die auf dem ganzen Erdball zerstreuten Kirchen sichtbar, von Ost bis West, von Süd bis Nord. Gemeinsam mit uns bekennen, feiern und empfangen sie dieselbe Eucharistie. Mit uns wiederholen sie die Worte des Apostels: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Dies ist eine Erwartung, die nicht enttäuscht werden wird. Amen! Vergebung der Sünden erfordert Reue und Umkehr Ansprache bei der Eucharistiefeier in der Lourdesgrotte der Vatikanischen Gärten am 18. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir haben uns heute an diesem eindrucksvollen Ort um die Muttergottes von Lourdes versammelt, um das eucharistische Opfer zu feiern. Ich grüße euch alle herzlich, ihr lieben Studenten des Spanischen Kollegs; ich grüße euch Ordensschwestern und euch alle, die ihr hier anwesend seid, um Maria, die Mutter der göttlichen Barmherzigkeit, zu ehren. Die Liturgie des elften Sonntags im Jahreskreis fordert uns auf, unsere Aufmerksamkeit gerade auf die Wirklichkeit der Sünde und auf die unermeßliche Barmherzigkeit Gottes zu lenken. „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ {Gal 2,19-20). So schrieb der hl. Paulus an die Galater, wie wir es in der zweiten Lesung gehört haben, und so wiederholt er es auch uns gegenüber, um uns im Licht des österlichen Geheimnisses über den wahren Sinn des Lebens aufzuklären. Wir müssen unser irdisches Leben im Glauben an Christus leben, das göttliche Wort, das Fleisch geworden ist, um die rettende Wahrheit zu offenbaren und um die Menschheit zu erlösen. 2. Die erste Lesung, die über die traurige Geschichte von König David mit der Frau des Urija berichtet, und die ergreifende Passage aus dem Lukasevangelium, die von der reuevollen Sünderin erzählt, die um Vergebung bittet, während sie dem göttlichen Meister ihre Ehrfurcht bezeigt, ruft uns die Wirklichkeit der Sünde, die eine Beleidigung Gottes und der Brüder darstellt, in unser Denken. Wie ist es möglich, die Sünde zu leugnen? Die Kirche lehrt fortwährend, daß es die „persönliche Sünde“ gibt, und der hl. Paulus schrieb den Korinthern, sich auf die Lehre Christi beziehend: Täuscht euch nicht! Jene, die auf vielerlei Weise den Gesetzen 1009 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Moral zuwiderhandeln und in ihrer Sünde verharren, „werden das Reich Gottes (nicht) erben“ (7 Kor 6,9-10). Im Lichte der Offenbarung wissen wir jedoch mit tröstlicher Gewißheit, daß Gott die menschliche Schwachheit versteht und daß er bereit ist, zu verzeihen. Er ist der Vater, reich an Liebe und Barmherzigkeit. Dies bezeugt auf beredte Art und Weise die Erzählung über die „Sünderin“, die reue- und vertrauensvoll Jesus im Hause Simons, des Pharisäers, Ehre erweist. Mit Bezug auf die Sünderin sagt Jesus zu Simon: „Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie soviel Liebe gezeigt hat.“ Zu der Frau sagt er: „Dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden!“ Jesus bestätigt also die Vergebung der Sünden mit göttlicher Autorität. Gleichzeitig verlangt er Reue und Umkehr. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Halten wir das Gefühl des Vertrauens auf die Güte und Barmherzigkeit Gottes in uns immer lebendig. Es gibt keine Sünde, die Gott nicht vergibt, wenn man reuig und entschlossen ist, nicht mehr zu sündigen. Magdalenas Reue und die Parabel, die Jesus Simon erzählt, sind diesbezüglich sehr bedeutsam. Die Verurteilung des Bösen muß entschieden sein, das ist gewiß, aber es ist auch Verständnis und Geduld erforderlich gegenüber demjenigen, der sündigt. Die Liturgie fordert uns also auf, Boten der Wahrheit und der Barmherzigkeit, der Vergebung und der Freude zu sein. Wir befinden uns bei der Grotte der hl. Jungfrau, die an die Lourdesgrotte erinnert, und denken daran, wie die hl. Bernadette die Sünde definierte: „Ein Sünder ist, wer die Sünde liebt!“ Als sie aufgefordert wurde, sich zur Grotte von Massabielle zu begeben, um von der Muttergottes die Heilung von ihrer Krankheit zu erbitten und vielleicht auch zu erhalten, antwortete Bernadette: „Lourdes ist nicht für mich! Lourdes ist für die armen Sünder!“ Wir rufen die hl. Jungfrau Maria zur Rettung der Sünder an; wir beten, daß das Vertrauen auf den Herrn, der seine Kinder mit Liebe und unendlicher Barmherzigkeit erwartet, bei den Gläubigen nie abnehmen möge. „Wohl dem, dessen Frevel vergeben und dessen Sünde bedeckt ist“ (Ps 32,1). 1010 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Liebe den Geist der Diakonie leben Ansprache an die Mitglieder der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen [Riunione delle Opera per l’Aiuto alle Chiese Orientali, R.O.A.C.O.] am 22. Juni Herr Kardinal! Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt! Liebe Mitglieder und Freunde der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen! 1. Ich entbiete euch meinen herzlichen Willkommensgruß. Vor allem danke ich Kardinal Achille Silvestrini, Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, für seine Worte, die er in euer aller Namen gesprochen hat. Eure halbjährliche Versammlung, die in den letzten Tagen stattgefunden hat, und unser heutiges Treffen sind für mich sehr tröstlich. Sie vergewissern mich des wachsenden Eifers, mit dem im christlichen Bereich die Bruderliebe gelebt wird. Die Solidarität, das Herz und die Seele eurer so sehr verdienstvollen Vereinigung, die ihr jetzt seit mehr als 25 Jahren pflegt, bekundet die wirkliche Aufmerksamkeit der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften, die ihr vertretet, gegenüber Kirchen, die der Ermutigung und Unterstützung bedürfen, nachdem sie eine Zeit verschiedener, manchmal auch sehr schmerzlicher Prüfungen durchgemacht haben. Es sind Kirchen, die in der Teilnahme an den Leiden Christi alle notwendige Hilfe verdienen, da sie ihrem Namen als christliche Gemeinschaften durch das Zeugnis eines lebendigen Glaubens und einer im Geist des Evangeliums gelebten Armut Ehre machen. Ich danke darum euch allen für die Werke, die ihr in einem so wertvollen Dienst leistet, der schon zur Linderung so vieler Leiden beigetragen hat und gewiß auch noch weiterhin viele andere erleichtern will durch kluges Vorbeugen und durch Beseitigung der Ursachen, die das Elend der Armut und Ausgrenzung auslösen. Ich weiß, daß immer häufiger gerade die Schwächsten betroffen werden, nämlich die Kinder und die alten Menschen, und darum ist euer Einsatz um so verdienstlicher. Ich vergesse auch nicht, wieviel ihr tut, um kulturelle und Unterrichtsstrukturen zu fördern, die geeignet sind, dem Herzen und dem Geist vieler Nahrung zu bieten, die sich im Kampf gegen Unwissenheit und Analphabetentum abmühen. 2. Der beharrliche und hochherzige Einsatz der Organisationen, die ihr vertretet, hat sich übrigens mit den Bemühungen des Hl. Stuhls verbunden, die besonders in der intensiven Tätigkeit der Kongregation für die Orientalischen Kirchen zum Ausdruck kommen. Gern nehme ich die Gelegenheit wahr, um meiner Freude und Dankbarkeit dem gesamten Personal des Dikasteriums, das so eifrig unter der Leitung des Kardinalpräfekten und der anderen Verantwortlichen arbeitet, zum Ausdruck zu bringen. 1011 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und ich freue mich sehr, festzustellen, wie euer Handeln den Richtlinien entspricht, die in dem jüngst erschienenen Apostolischen Schreiben Orientale lumen niedergelegt sind, mit dem ich darauf aufmerksam machen wollte, daß es nunmehr hundert Jahre sind, seitdem das Schreiben Orientalium dignitas von Papst Leo XIII. veröffentlicht wurde. Die reiche Tradition der Orientalischen Kirchen muß immer besser bewahrt, aufgenommen und als wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil des umfassenden Erbes der Kirche Christi erkannt werden. Und auf was sonst zielt euer Wirken hin, wenn nicht darauf, dank der großzügigen Hilfsmittel, die von euch zusammengebracht werden, die einzigartige Überlieferung dieser Kirchen heute lebendig zu erhalten, aus deren kulturellen, geistlichen und theologischen Schätzen zu schöpfen der Universalkirche weiterhin vergönnt sein soll? Darum lädt uns das von Jerusalem, der Mutterkirche aller Kirchen, her aufleuchtende Lumen orientale ein, daß jeder, seinen eigenen Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Diensten entsprechend, die Bemühungen verstärke, um jene Fülle von Harmonie und Gemeinschaft zu verwirklichen, die im Bild der Heiligsten Dreifaltigkeit ihre grundlegende und ursprüngliche Identität hat. Ich danke euch also für die Unterstützung, die ihr dem Papst leistet, dem ihr es ermöglicht, seinen Dienst, in der „universalen Liebe“ den Vorsitz zu führen, in wirksamer Weise auszuüben. Das Herz der Kirche bittet auch heute noch, daß ihr eure Hände zu großmütigen Werkzeugen der Zusammenarbeit macht für den Aufbau jener Gemeinschaft unter den Kirchen, die sich bereits konkret in der brüderlichen Solidarität gezeigt hat, die ihr nun schon seit Jahren unermüdlich und hochherzig angeregt habt. Die universale Sorge der Brüder im Glauben gegenüber denen, die leiden, findet hier in Rom ihr dynamisches Zentrum, den Ort, an dem die Stimme derer, die keine Stimme haben, sich in den Ruf um geschwisterliche Hilfe verwandelt, der dank von Organisationen wie der euren eine würdige Antwort finden kann. 3. Der Dienst, der im Geist der Liebe, in voller Respektierung der Freiheit des anderen, allen offensteht, bildet einen starken Antrieb zur vollen Einheit. Deshalb fügt sich euer Dienst auch gut in den größeren Dienst der Begegnung zwischen denen ein, die verschiedenen christlichen Kirchen angehören. So habe ich in der Enzyklika Ut unum sint geschrieben: „Eine solche auf dem gemeinsamen Glauben begründete Zusammenarbeit ist nicht nur von brüderlicher Gemeinschaft erfüllt, sondern stellt eine Epiphanie Christi selbst dar“ (Nr. 40). Liebe Brüder und Schwestern! Ich wünsche eurer Organisation, die sich an der Geste Christi inspiriert, der sich gürtet, um den Aposteln die Füße zu waschen, daß sie immer mit dem Elan der Liebe den Geist der wahren Diakonie lebt (vgl. Joh 13,1-20). Das Gute, das ihr tut, möge in allen den Wunsch und den Einsatz der gegenseitigen Verfügbarkeit wieder aufleben lassen im Blick auf den Aufbau jener neuen Menschheit, für die Christus gestorben und auferstanden ist. 1012 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser eurer edlen Sendung unterstütze euch immer die heilige Jungfrau Maria, und alle Heiligen mögen euch mit ihrer Fürsprache beistehen. Gern erteile ich euch einen besonderen Apostolischen Segen. Förderung der Berufungspastoral in allen Bereichen Ansprache an die Teilnehmer der 4. Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika am 23. Juni Eminenzen! Verehrte Brüder im Bischofsamt! Liebe Priester, Ordensangehörige und Laien! 1. Mit großer Freude empfange ich heute morgen die Teilnehmer der 4. Vollversammlung und Generalsitzung der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, eines Organs der römischen Kurie, welches die „Förderung und Belebung der Neuevangelisierung in dem eben genannten Kontinent“ zum Hauptziel hat (vgl. Ansprache zur 1. Vollversammlung vom 7. Dezember 1989, Nr. 5). Die Päpstliche Kommission dient aber auch zur Einheit zwischen den Kirchen jener Nationen des Kontinentes der Hoffnung und dem Stuhl Petri. Ganz herzlich danke ich Bemadin Kardinal Gantin für seine freundlichen Worte, die er so liebenswürdig im Namen aller an mich gerichtet hat. 2. Ich habe mich sehr darüber gefreut, zu erfahren, daß ihr eure Aufgaben mit einer theologisch-biblischen Reflexion über den Evangelisator Jesus Christus begonnen habt. „Er ist der erste und größte Evangelisator“ (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 7), „Evangelium des Vaters“ und lebendiger Evangelisator in seiner Kirche“ (Dokument von Santo Domingo, I und II). Er leitet den Gang der universalen Kirche und folgüch den der kirchlichen Gemeinschaften in Lateinamerika auf das dritte christliche Jahrtausend zu. Als vor 500 Jahren der Name Jesu zum ersten mal in der Neuen Welt ausgesprochen wurde, begann das „Mysterium Christi, des Retters der Menschheit,“ sich unter jenen „Völkern des amerikanischen Kontinents“ zu verbreiten: es waren Männer und Frauen, „die von Ewigkeit her von Gott gekannt wurden, und die er immer schon mit seiner Vaterschaft umarmt hatte, die der Sohn ,in der Fülle der Zeit’ (■Gal 4,4) geoffenbart hat“ (Homilie, 1. Januar 1992, Nr. 4). 3. Fünf Jahrhunderte Evangelisierung, mit all ihren Wechselseitigkeiten, Licht und Schatten - „mehr Licht als Schatten“ - (vgl. Apostolisches Schreiben Los caminos del Evangelio, 8) haben allmählich einen Katholizismus entstehen lassen, was im letzten Jahrhundert nicht ohne leidvolle und harte Prüfungen dazu geführt hat, daß eben dieses Jahrhundert auch das „Jahrhundert der Kirche“ auf diesem Kontinent war. Die lateinamerikanische Vollversammlung, die von meinem Vorgänger, Leo 1013 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN XTTT- einberufen und hier in Rom, im Jahre 1899 abgehalten wurde, sowie auch die vier Generalversammlungen des lateinamerikanischen Episkopates in Rio de Janeiro, Medellin, Puebla und Santo Domingo haben allmählich die Wegzeichen für die Neuevangelisierung dieser Länder verdeutlicht. Dazu hat auch in ganz hervorragender Weise der CELAM beigetragen, der demnächst sein vierzigjähriges Bestehen feiern kann (vgl. Botschaft an CELAM, Ostern 1995); und dazu wird auch in wirksamer und einschneidender Weise die Amerikanische Synode beitragen, deren Vorbereitung schon begonnen hat. 4. Wie ich in der Eröffnungsansprache der Konferenz in Santo Domingo hervorhob, „ist es eine unerläßliche Bedingung für die Neuevangelisierung, mit zahlreichen und qualifizierten ,Evangelisierem’ rechnen zu können“ (Nr. 26; vgl. Pasto-res dabo vobis, Nr. 82). Deshalb ist das von euch für eure Versammlung gewählte Thema wirklich angebracht. Angesichts des nahen dritten Jahrtausends habt ihr ja das Problem der in der Evangelisierung aktiv Tätigen - der Bischöfe, Priester, Ordensangehörigen und Laien - überprüft und euch immer die Wichtigkeit der Solidarität und Kooperation im Hinblick eines Gabenaustausches unter den Kirchen vor Augen gehalten. Den Bischöfen mit den Priestern, ihren unmittelbaren Mitarbeitern, obliegt kraft göttlichen Gesetzes und aufgrund der hierarchischen Natur der Kirche eine herausragende Aufgabe in der Evangelisierung. In der Tat ragt aus ihren Hauptfunktionen die der Verkündigung des Evangeliums hervor (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). Daher ist auch die engagierte, aktive, wachende und aufrüttelnde Präsenz der Hirten unter ihren Mitarbeitern und ihren eigenen Gläubigen das notwendige Gebot der Stunde. Die Ordensmänner und -frauen haben aufgrund ihrer Berufung und ihres Engagements auch eine besondere Funktion in der Aufgabe der Evangelisierung. Wohlbekannt ist deren große missionarische Anstrengung, die sie in so großzügiger und wirkungsvoller Weise unternommen haben und immer noch unternehmen (vgl. Apostolisches Schreiben: Los caminos del Evangelio, Nm. 2-3). Die Kirche ist sich außerdem bewußt, daß sie, um dieses Werk durchzuführen, der aktiven Mitarbeit der Laien bedarf - ganz besonders der Mitarbeit der jungen Laien, die dazu berufen sind, Boten des Evangeliums für ihre Altersgenossen zu sein. In dieser Aufgabe hat die Familie eine grundlegende Funktion, da sie der heilige Hort ist, wo das christliche Leben und die Berufung zum Apostolat zu keimen beginnt und sich konsolidiert. 5. Dehalb bitte ich die katholischen Familien Lateinamerikas, daß sie in großherziger Weise ihren Kindern ermöglichen, dem Ruf zum Priestertum oder zum gottgeweihten Leben zu folgen (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 82), so daß eine Blüte der Berufungen die Verbreitung und Konsolidierung des Christentums sowie auch die apostolische und missionarische Tätigkeit auf diesem geliebten Kontinent gewährleisten möge. 1014 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Jugend rufe ich dazu auf, ihre Bereitschaft zur Hingabe an Christus und an den Dienst in der Kirche zu mehren (vgl. ebd.). Sie wissen wohl, daß wenn man dem Herrn nicht alles gibt, man ihm eigentlich gar nichts gegeben hat. Deshalb möchte ich in Erinnerung rufen, „daß ich großes Vertrauen in die Fähigkeit der Jugend habe, glaubwürdige Vermittler des Evangeliums zu sein“ (Botschaft vom 8. Mai 1995, Nr. 15). Sie werden die Urheber der Evangelisierung im dritten Jahrtausend sein, und von ihnen hängt es ab, ob Lateinamerika, ein 500 Jahre lang evan-gelisierter Kontinent, im dritten Jahrtausend dazu übergeht, ein evangelisierender Kontinent zu sein, der auf Europa herüberschaut oder auf Afrika und die Völker Asiens, wie es z. B. bei den philippinischen Inseln der Fall war, die von Spanien aus über Mexiko evangelisiert wurden. In portugiesischer Sprache fuhr der Papst fort: 6. Jesus Christus und nur Jesus Christus, „die Mitte des Kosmos und der Geschichte“ muß auch die Mitte Lateinamerikas sein. „Die einzige Ausrichtung des Geistes, die einzige Zielsetzung des Intellektes, des Willens und des Herzens ist für uns dieses: hin zu Christus, dem Erlöser des Menschen, zu Christus, dem Erlöser der Welt. Auf ihn wollen wir schauen, denn nur in ihm, dem Sohne Gottes, ist Heil...“ (vgl. Redemptor hominis, Nr. 1.7). 7. Auf Jesus Christus, den Träger des Evangeliums schauend, werden wir lernen, wahre Künder des Evangeliums zu werden. Wie er müssen auch wir in permanenter und totaler Weise der „missio evangelizandi“ leben. Deshalb sollen wir uns immer vergegenwärtigen: „Evangelisieren ist niemals das individuelle und isolierte Tun eines einzelnen, es ist vielmehr ein zutiefst kirchliches Tun“. Tatsächlich ist es auch so, daß, „Wenn jeder das Evangelium im Namen der Kirche verkündet, die es ihrerseits im Auftrag des Herrn tut, dann ist kein Verkünder des Evangeliums absoluter Herr seiner Glaubensverkündigung, so daß er darüber selbst nach seinen persönlichen Maßstäben und Ansichten entscheiden könnte. Er muß es vielmehr tun in Gemeinschaft mit der Kirche und ihren Hirten.“ „Es besteht daher eine enge Verbindung zwischen Christus, der Kirche und der Evangelisierung. Während dieser ,Zeit der Kirche’ hat die Kirche die Aufgabe, die Botschaft Christi zu verkünden.“ „Evangelisieren ist in der Tat die Gnade und die eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität. Sie ist da, um zu evangelisieren“, und „es gibt keine wirkliche Evangelisation, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheißungen, das Reich und das Geheimnis Jesu von Na-zaret, des Sohnes Gottes, verkündet werden“ (Evangelii nuntiandi, Nm. 60. 16. 14. 22). 8. „Unxit me evangelizare pauperibus“, verkündet Jesus (Lk 4,18). Diejenigen, die sich der Tätigkeit der Evangelisierung widmen, müssen den Armen besondere Aufmerksamkeit widmen. Arme sind in gewisser Weise auch die, die das grundlegende Gut der Gesundheit entbehren: eine wohl organisierte Gesundheitspastoral 1015 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gehört in gleicher Weise zur Evangelisierungsaufgabe. Außerdem sind in Lateinamerika die Ärmsten der Armen vor allem die eingeborene Bevölkerung und die Afroamerikaner (vgl. Puebla, 2605). Ihnen muß die christliche Gemeinschaft ihre großzügigste Hilfe zuteil werden lassen. Um die Armen zu evangelisieren ist es notwendig, daß eben diese Kirche in ihren Strukturen und in ihrem Organisationsapparat ein armes und einfaches Antlitz widerspiegelt, indem sie ihr Vertrauen nicht so sehr auf die Wirksamkeit der materiellen Mittel setzt, auf die man nie in genügender Weise wird zählen können, sondern vielmehr auf die Aussagekraft der Botschaft, welche die Botschaft Jesu ist. Mit diesen Orientierungen und mit dem Wunsch nach reicher Frucht in euren Aufgaben der Evangelisierung, rufe ich auf euch alle den besonderen Schutz der Jungfrau Maria herab - sie ist der Stern der Neuevangelisierung - und erteile euch gleichzeitig von Herzen den Apostolischen Segen. Haltet das franziskanische Charisma lebendig Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Schulschwestem des Dritten Ordens des hl Franziskus am 24. Juni Liebe Schulschwestem vom Dritten Orden des hl. Franziskus! I. Ich freue mich, euch während eures Generalkapitels zu empfangen. Ich begrüße euch alle herzlich. Besonders danke ich der Generaloberin, Schwester M. Luceta Macik, für die an mich gerichteten Worte. Eure Ordensfamilie ist in zwei einander folgenden Zeitabschnitten in der Mitte und am Ende des vorigen Jahrhunderts entstanden. Sie ist einer der vielen Zweige an dem reich entwickelten franziskanischen Baum, einem der fruchtbarsten der Kirche, aus dem der Heilige Geist zahlreiche Blüten des gottgeweihten Lebens hervorsprießen und Früchte der Heiligkeit reifen ließ. Antonia Lampel und die Schwestern Zahalka gehören zu dieser Blüte; ihnen hat die göttliche Vorsehung eine besondere Aufgabe anvertraut, den franziskanischen Geist mit dem Erziehungsauftrag zu verbinden. Liebe Schwestern! Zur Hundertjahrfeier der Kongregation habt ihr eine lange Forschungsarbeit über die Gründungsjahre zu Ende geführt, um nach der Weisung des II. Vatikanischen Konzils dem ursprüglichen Charisma treu sein zu können. Die Arbeit war sehr wichtig und kann sich nur als fruchtbar erweisen, denn nur dann, wenn der Baum seine Wurzeln tiefer einsenkt, kann er sicher und fest in die Höhe wachsen. So könnt auch ihr, in festen Grundlagen verankert, einen Aufschwung zum nahen dritten Jahrtausend nehmen. In diese Richtung gehen die Überlegungen dieses augenblicklichen Generalkapitels. Sein Thema ist ein Echo des Auftrags, den euch Antonia Lampel anvertraut 1016 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat: „Haltet das Charisma im 21. Jahrhundert lebendig!“ In diesen Tagen seid ihr im Blick auf das dritte Jahrtausend um eine aufmerksame geistliche Entscheidungsfindung über euer Charisma bemüht, im Licht des Wortes Gottes, im Licht eurer Geschichte und im Licht der sozialen Entwicklung. 2. Die Regel des Dritten Ordens des hl. Franziskus gibt eurem persönlichen Leben und dem eurer Gemeinschaft eben das charakteristische Gepräge der Buße, der Armut und der Geschwisterlichkeit als Ausdruck der Bekehrung des Herzens. In der Nachfolge von Antonia Lampel bemüht ihr euch, den täglichen apostolischen Dienst, vor allem die Erziehung und die Förderung der Menschen in jeder Hinsicht, in inniger Gottesverbundenheit zu leben. Liebe Schwestern, wie aktuell ist diese Berufung und Sendung! Während die Konsumgesellschaft, die Gesellschaft der Massenmedien ihre eigenen Mängel auf dem Gebiet der Erziehung erkennt und die Familien merken, daß sie für ihre erstrangige Aufgabe, Werte zu übermitteln, konkrete Hilfen dringend nötig haben, ist die kirchliche Gemeinschaft mehr denn je berufen, mit neuem Elan denen zu dienen, die klein und arm sind, nicht nur hinsichtlich ihres Alters und ihrer materiellen Bedürftigkeit, sondern auch deshalb, weil es ihnen an einer die menschliche Entwicklung fördernden Umwelt und an gültigen Vorbildern fehlt, auf die sie sich beziehen können. Ihr wißt, wie sehr ich auf der Rolle bestehe, zu der die Frau in diesem entscheidenden ,Dienst am menschlichen Leben“ berufen ist. Ich bin überzeugt, daß eure Kongregation, die den großen Bildungswert der franziskanischen Spiritualität besitzt, der heutigen Gesellschaft weiterhin einen sehr wertvollen Dienst erweisen kann. Das Charisma des Franziskus von Assisi zeigt sich nämlich als eines der am meisten geeigneten, um in den neuen Generationen das Gefallen am Wahren, am Guten und am Schönen zu wecken, so daß es den Sinn hinlenkt zu jener Fülle des Lebens, die nur Christus und sein Evangelium schenken können. Liebe Schwestern! Geht also, reich an diesem Charisma, dem kommenden Jahrhundert mit froher Hingabe entgegen. Seid selbst durch euer persönliches und euer Gemeinschaftsleben ein Zeichen für die Werte, die ihr lehrt. Und seid darum auch Frauen eines tiefen und beständigen Gebetslebens, einfache und kluge Frauen. Die Heilige Jungfrau möge euch immer beschützen. Und auch mein Segen begleite euch, den ich von Herzen euch und all euren Mitschwestem erteile. 1017 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaube an Christus - „Logik“ seiner Nachfolge Predigt am 25. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es freut mich, diese Eucharistie zusammen mit euch feiern zu können, und ich grüße euch herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Schwestern vom Orden des hl. Basilius, die in diesen Tagen ihr Generalkapitel halten. Den folgenden Gruß sagte der Papst in slawischer Sprache: Liebe Basilianerinnen, ich danke dem Herrn, daß ich heute mit euch die Eucharistie feiern darf. Vor allem freue ich mich über die Teilnahme der Schwestern, die die Gemeinschaften aus Rumänien, der Ukraine, der Slowakei und aus dem ehemaligen Jugoslawien vertreten. Mehr als alle haben sie Verfolgung erlitten. Gerade die Eucharistie, Gedächtnis des Pascha Christi, birgt den Sinn der härtesten Prüfungen in sich und die Kraft, ihnen zu begegnen. Zur italienischen Sprache zurückkommend fuhr der Papst fort: 2. In der Liturgie des heutigen Sonntags lädt uns der Abschnitt aus dem Evangelium ein, über die Person und die Sendung Jesu nachzudenken, .für wen halten mich die Leute?“, fragt Jesus die Apostel. Und sie antworten: „Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden“ (Lk 9,18-19). Aus ihrer Antwort erkennt man, daß die Leute Jesus achteten und verehrten und ihn mit ganz berühmten Persönlichkeiten aus dem Volk Israel verglichen, daß sie aber von seiner wahren und wirklichen messianischen Identität noch nicht vollkommen überzeugt waren. Da wendet sich Jesus unvermittelt an die Apostel: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Und Petrus anwortet im Namen aller mit Entschiedenheit: „Für den Messias Gottes“ (Lk 9,20) - das heißt: Du bist der „Gesandte Gottes“ nach der Verheißung und dem Bund, der von Gott mit dem Volk Israel geschlossen wurde. Dem Glaubensbekenntnis des Petrus läßt Jesus die grundlegende Erklärung über seine Sendung als Messias folgen: „Der Menschensohn muß vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen“ {Lk 9,22). 3. Die gleiche Frage wird noch heute jedem von uns gestellt: „Wer ist Jesus für die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts? Wer ist Jesus für jeden von uns?“ Liebe Brüder und Schwestern! Die Antwort des Petrus möge auch die unsere sein: Mit Freude wollen wir bekennen, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist, das Göttliche Wort, das Mensch geworden ist, um die ganze Menschheit zu erlösen. Die Welt braucht Christus. Der Mensch unserer Zeit spürt nicht selten eine Leere 1018 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und lebt in Unruhe. Er sucht Sicherheiten und dürstet nach angemessenen Antworten auf die tiefen Fragen seines Daseins. In Christus, nur in Ihm, vermag er den Frieden zu finden und kann seine innerste Sehnsucht ganz erfüllt werden. Christus kennt das Herz des Menschen. 4. Jesus sagt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Der Glaube an Christus schließt folgerichtig ein, daß man ihm nachstrebt. Jeder ist berufen, ihm zu folgen, indem er sein eigenes Kreuz trägt: das intellektuelle Kreuz, das den Verstand sich demütig vor den Geheimnissen Gottes beugen läßt; das Kreuz des Sittengesetzes mit seiner Forderung, alle Gebote zu halten; Kreuze der Pflichterfüllung, der gegebenen Umstände, der Leiden und Prüfungen, die Geduld und Vertrauen auf die Vorsehung erfordern. Nie darf man vergessen, daß, wer sein Leben um Christi willen verliert, es retten wird (vgl. Lk 9,24). Nur Jesus hat „Worte des ewigen Lebens“ (.Joh 6,68). Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen uns ihm anvertrauen und mit dem Psal-misten sprechen (vgl. Antwortpsalm, Ps 62/63): „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir.“ Dieser Durst, den wir auch heute morgen zum Altar tragen, wird von Ihm im „reichen Gastmahl“ der Eucharistie gestillt. Darum , jubeln wir im Schatten seiner Flügel“ (vgl. Ps 63,8), und mit frohem und vertrauensvollem Herzen nehmen wir den Weg unseres Zeugnisses wieder auf mitten in einer Welt, die allzu oft wie „dürres, lechzendes Land ohne Wasser“ erscheint {Ps 63,2). Drogenabhängigkeit - Zeichen für Werteverlust und Sinnsuche Ansprache während der Audienz für den italienischen Verband der Therapeutischen Gemeinschaften am 26. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Euch allen, den Verantwortlichen und den Mitarbeitern der verschiedenen Vereinigungen, die zum Italienischen Verband der Therapeutischen Gemeinschaften gehören, gilt mein herzlichster Willkommensgruß. Gern empfange ich euch an dem von den Vereinten Nationen anberaumten Welttag der Drogenbekämpfung. Ich danke eurer Präsidentin für die freundlichen Worte, die sie im Namen aller an mich gerichtet hat, und begrüße jeden der Anwesenden herzlich, vor allem die jungen ehemaligen Drogenabhängigen und ihre Angehörigen. Ein besonderes Gedenken dem lieben Don Mario Picchi, Gründer des Italienischen Solidaritätszentrums und unermüdlicher Animator eurer verdienstvollen Organisation. Der von euch geleistete Dienst gilt einer der Erscheinungen, die als charakteristisch für die derzeitige Kultur angesehen werden können: Drogenkonsum und 1019 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Drogenabhängigkeit. Die Droge ist in Wirklichkeit - diese Erfahrung macht ihr jeden Tag - Symptom einer tieferliegenden Schwäche und eines tiefen Unbehagens, wovon insbesondere die jüngeren, den Gefahren einer an echten Werten armen Kultur ausgesetzten Generationen betroffen sind. In einer Zeit wie der unseren, in der es dem Menschen gelingt, selbst die Naturgesetze seinem Willen zu unterwerfen, stellt die Drogenabhängigkeit mit ihrer Fähigkeit, die Willenskraft des Menschen zu schwächen, ein Hemmnis dar, das die innere Anfälligkeit des Menschen offenkundig macht und erkennen läßt, wie sehr er der Hilfe durch seine Umgebung bedarf, oder, gründlicher, der Hilfe dessen, der allein in der Tiefe der in Schwierigkeiten geratenen Psyche zu wirken vermag. Das Verhältnis zu Gott, in echter Glaubenshaltung gelebt, bildet eine außerordentlich wirksame Unterstützung auf dem Ausweg aus menschlich verzweifelten Lagen: Wer diese Erfahrung gemacht hat, weiß es gut und kann es bezeugen. 2. Entscheidend bleibt auf jeden Fall die Wiederherstellung des inneren Gleichgewichtes der Person. Ganz zu Recht stellt ihr also in die Mitte der Programme und der Tätigkeiten eurer Vereinigungen den Menschen mit der ihm eigenen unantastbaren Würde, auch dann, wenn seine Schönheit vom Leiden und vom Bösen überschattet ist. Ja, liebe Brüder und Schwestern, wenn die Züge dessen, der an eure Tür klopft, von tragischen Erfahrungen gezeichnet sind, gerade dann müßt ihr den Funken göttlichen Lichtes wahrzunehmen wissen, der, wenn auch unter den Trümmern trauriger Vorkommnisse versteckt, in ihm verblieben ist. Diese unauslöschliche Würde der menschlichen Person ist die Grundlage für seine Wiederherstellung und das Zeichen für sein ununterdrückbares Bedürfnis nach der Begegnung mit Gott. Wißt auf die Bitte um Hilfe, die von diesen Brüdern und Schwestern an euch gerichtet wird, mit Achtung und Geduld zu antworten, und sucht die wirklichen Bedürfnisse eines jeden zu erkennen, um ihnen mit angemessenen erzieherischen und therapeutischen Programmen zu entsprechen und dabei die jeweiligen Verhältnisse, unter denen eure Vereinigungen wirken, zu berücksichtigen. 3. Wenn sich eure Vereinigungen auch durch Programme und konkrete Initiativen unterscheiden, so inspiriert sich ihre Tätigkeit doch an einem Schatz von gemeinsamen Werten, die ihren Mittelpunkt im Menschen und in seiner Würde haben. Darum wollt ihr in jeder Phase der Therapiepläne das, was bei den jungen Drogenabhängigen noch an Selbstbestimmungs- und persönlicher Verantwortungsfähigkeit vorhanden ist, auswerten. Im übrigen sucht ihr alle positiven Hilfsmittel einzusetzen, die sich aus der Gruppenarbeit und aus erneuerten Beziehungen sowohl zu der Familie ergeben, aus der die Jugendlichen stammen, wie auch zu ihrem sozialen Umfeld. Darauf zielt auch die Abstufung eurer Hilfe ab, die darauf bedacht ist, die Teilstrecken und die Zeitpunkte auf dem Weg der Befreiung aus der Abhängigkeit zu beachten und gefährliche Abkürzungen zu vermeiden. 1020 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist auch kennzeichnend für das soziale Elend der Welt, in der ihr arbeitet, daß ihr täglich mit dem Mangel an Werten konfrontiert seid, mit dem mühevollen Suchen nach dem tiefen Sinn des Lebens und mit dem Fehlen von Idealen und Geist, womit die Gesellschaft, in der wir leben, oft zu ringen hat. Es sind scharfe Problemstellungen, in die die Jugendlichen sehr oft stürzen. Die Flucht in die Droge wird dann für sie eine Art von Betäubungsmittel in den belastenden Mühseligkeiten des Lebens. Mit dem Dienst und dem Zeugnis des freiwilligen Dienstes, den ihr anbietet, stellt ihr euch nicht nur an die Seite des verwundeten Menschen und gießt ihm, wie der gute Samariter (vgl. Lk 10,30-37), das Öl der Hoffnung und den Wein der geschwisterlichen Solidarität in die Wunden, sondern auch ihr selbst seid zuerst als Person aufgefordert, in eurem Leben die Motivationen und die Werte zu suchen, die in die tiefe Bedeutung des Menschenlebens Licht bringen. 4. Liebe Brüder und Schwestern, ich weiß gut, wie schwierig eure Mission ist, und darum möchte ich euch ermutigen, sie hochherzig fortzusetzen, ohne je mutlos zu werden angesichts der Schwierigkeiten. Erhaltet in euch immer die Fähigkeit wach, über das Geheimnis der Erlösung des Menschen zu staunen, arbeitet beharrlich und demütig weiter im Dienst eines jeden leidenden Menschen, und seid euch dabei der Risiken und eurer Grenzen bewußt, aber auch der großen Möglichkeiten, die Gott in eure Hände gelegt hat. Seid auch angesichts der größten Schwierigkeiten in jedem Fall Verkünder der Hoffnung, jener Hoffnung, die nicht enttäuscht. Ich rufe auf euch und auf euren wichtigen Dienst den beständigen Schutz der Heiligen Jungfrau, Mutter des Erlösers und unsere Mutter, herab. Auch der Apostolische Segen begleite euch, den ich von Herzen euch hier Anwesenden, den Mitarbeitern und Volontären eurer Vereinigungen und allen erteile, denen ihr in eurem täglichen Dienst begegnet. Den Weg zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 gemeinsam beginnen Grußwort an Seine Heiligkeit Bartholomaios I. und sein Gefolge am 27. Juni „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn“ (Ps 117/118,26). Eure Heiligkeit, geliebte Brüder, die Sie den Ökumenischen Patriarchen bei seinem Besuch der Kirche Roms begleiten! Mit Empfindungen persönlicher und tiefer Dankbarkeit gegenüber dem Herrn freue ich mich, Ihnen meinen herzlichsten brüderlichen Willkommensgruß zu entbieten. 1021 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich bin Ihnen besonders dankbar, weil Ihr erwünschter und geschätzter Besuch das Hochfest der hll. Petrus und Paulus, das Patronatsfest der Kirche Christi in Rom, noch reicher an Freude macht. „Seht doch, wie gut und schön es ist, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen!“ (Ps 133,1). Die Begegnung der Brüder in gegenseitiger Liebe muß - das kann nicht anders sein - in einem jeden einen tiefen geistlichen Widerhall wecken. Die Brüder spüren ja die Gnade der gemeinsamen Gaben und nehmen die geheimnisvolle Gegenwart des Herrn wahr: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). In Ihrer Person, Heiligkeit, und in denen, die Sie begleiten, möchte ich den Heiligen Synod des ökumenischen Patriarchats und alle Orthodoxen der Welt grüßen. Ihre Anwesenheit ist in meinen Augen der Ausdruck des überaus reichen geistlichen Erbes und der Vielfalt an Gaben der orthodoxen Kirchen. In unserer Zeit und nach den großen Umbrüchen der letzten Jahre widmen sich die orthodoxen Kirchen mit Eifer der Neugestaltung ihres pastoralen Lebens und ihres Evangelisierungswerkes. Sie können unseres Wohlwollens und unserer Bereitschaft zur Mitarbeit im Dienst der Verkündigung des einen Evangeliums sicher sein. Gemeinsam gehen wir dem Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend entgegen, das wir in größerer Nähe zueinander so feiern möchten, daß wir der Welt unseren gemeinsamen Glauben verkünden, in Sehnsucht einer immer festeren und volleren Gemeinschaft zwischen uns entgegenblickend. Auch aus diesem Grund, Heiligkeit, betrachte ich diese unsere Zusammenkunft als von Gott gesegnet. Und ich bete zu Gott, daß er Katholiken und Orthodoxen ein vielsagendes Zeichen der Hoffnung gewähre, die uns beseelt. Er mache diese unsere Begegnung, lieber Bruder, zu einer wertvollen Gelegenheit, um gemeinsam im Gebet, im Dialog und in der Zusammenarbeit auf dem Weg zur sichtbaren Einheit voranzuschreiten. Ich danke Ihnen von Herzen für die Ehre, die Sie mir mit diesem Ihrem Besuch beim Sitz von Rom erwiesen haben, und für die Freude, die Ihr Besuch bei uns hervorruft. Ich wiederhole meinen herzlichsten Willkommensgruß und möchte Ihnen versichern, daß die ganze katholische Kirche und besonders diese Diözese Rom Sie mit jener Liebe empfängt, die man zu Brüdern hegt, und mit jener Verehrung, die den Nachfolgern der Apostel gebührt. „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn.“ 1022 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euch, Frauen der ganzen Welt, gilt mein herzlicher Gruß! Brief an die Frauen vom 29. Juni 1 .An jede von euch richte ich als Zeichen der Teilnahme und Dankbarkeit diesen Brief, während die IV. Weltfrauenkonferenz näherrückt, die im September dieses Jahres in Peking abgehalten wird. Ich möchte vor allem der Organisation der Vereinten Nationen gegenüber meine Hochachtung dafür zum Ausdruck bringen, daß sie eine Initiative von so großer Bedeutung angeregt hat. Auch die Kirche will ihren Beitrag zur Verteidigung der Würde, der Rolle und der Rechte der Frauen anbieten, und das nicht allein durch die besondere Mitwirkung der offiziellen Delegation des Heiligen Stuhls an den Arbeiten in Peking, sondern auch dadurch, daß sie Herz und Verstand aller Frauen direkt anspricht. Als mir die Generalsekretärin der Konferenz, Frau Gertrude Mongella, angesichts dieses wichtigen Treffens unlängst einen Besuch abstattete, habe ich ihr eine Botschaft überreicht, in der einige grundlegende Punkte der diesbezüglichen Lehre der Kirche zusammengestellt sind. Es ist eine Botschaft, die sich über den besonderen Anlaß hinaus, der die Anregung dazu gab, einem allgemeineren Ausblick auf die tatsächliche Lage und die Probleme der Frauen in ihrer Gesamtheit öffnet und sich in den Dienst ihrer Sache in der Kirche und in der Welt von heute stellt. Ich habe daher veranlaßt, daß sie allen Bischofskonferenzen zugeleitet werde, um ihre größtmögliche Verbreitung sicherzustellen. Indem ich auf das zurückgreife, was ich in jenem Dokument schrieb, möchte ich mich nun direkt an jede Frau wenden, um mit ihr über die Probleme und Aussichten der Situation der Frau in unserer Zeit nachzudenken, wobei ich im besonderen bei dem wesentlichen Thema Würde und Rechte der Frauen im Lichte des Wortes Gottes verweilen will. Ausgangspunkt für diesen gedanklichen Dialog muß der Dank sein. Die Kirche -so schrieb ich in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem - ,/nächte der Heiligsten Dreifaltigkeit Dank sagen für das ,Geheimnis der Frau’ und für jede Frau, für das, was das ewige Maß ihrer weiblichen Würde ausmacht, für ,Gottes grobe Taten’, die im Verlauf der Generationen von Menschen in ihr und durch sie geschehen sind“ (Nr. 31). 2. Der Dank an den Herrn für seinen Plan bezüglich der Berufung und Sendung der Frau in der Welt wird auch zu einem konkreten und unmittelbaren Dank an die Frauen, an jede Frau, für das, was sie im Leben der Menschheit darstellt. Dank sei dir, Frau als Mutter, die du dich in der Freude und im Schmerz einer einzigartigen Erfahrung zum Mutterschoß des Menschen machst, die du für das Kind, das zur Welt kommt, zum Lächeln Gottes wirst, die du seine ersten Schritte lenkst, es bei seinem Heranwachsen betreust und zum Bezugspunkt auf seinem weiteren Lebensweg wirst. 1023 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dank sei dir, Frau als Braut, die du dein Schicksal unwiderruflich an das eines Mannes bindest, in einer Beziehung gegenseitiger Hingabe im Dienst an der Gemeinsamkeit und am Leben. Dank sei dir, Frau als Tochter und Frau als Schwester, die du in die engere Familie und dann in das gesamte Leben der Gesellschaft den Reichtum deiner Sensibilität, deiner intuitiven Wahrnehmung, deiner Selbstlosigkeit und deiner Beständigkeit einbringst. Dank sei dir, berufstätige Frau, die du dich in allen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, künstlerischen und politischen Lebens engagierst, für deinen unverzichtbaren Beitrag zum Aufbau einer Kultur, die Vernunft und Gefühl zu verbinden vermag, zu einem Verständnis vom Leben, das stets offen ist für den Sinn des „Geheimnisses“, zur Errichtung wirtschaftlicher und politischer Strukturen, die mehr Menschlichkeit aufweisen. Dank sei dir, Frau im Ordensstand, die du dich nach dem Vorbild der größten aller Frauen, der Mutter Christi, des fleischgewordenen Wortes, in Fügsamkeit und Treue der Gottesliebe öffnest und so der Kirche und der ganzen Menschheit hilfst, Gott gegenüber eine „bräutliche“ Antwort zu leben, die auf wunderbare Weise Ausdruck der Gemeinschaft ist, die er zu seinem Geschöpf hersteilen will. Dank sei dir, Frau, dafür, daß du Frau bist! Durch die deinem Wesen als Frau eigene Wahrnehmungsfähigkeit bereicherst du das Verständnis der Welt und trägst zur vollen Wahrheit der menschlichen Beziehungen bei. 3. Aber mit dem Dank ist es nicht getan, das weiß ich. Wir sind leider Erben einer Geschichte enormer Konditionierungen, die zu allen Zeiten und an jedem Ort den Weg der Frau erschwert haben, die in ihrer Würde verkannt, in ihren Vorzügen entstellt, oft ausgegrenzt und sogar versklavt wurde. Das hat sie daran gehindert, wirklich sie selbst zu sein, und hat die ganze Menschheit um echte geistige Reichtümer gebracht. Es wäre sicher nicht leicht, klare Schuldzuweisungen vorzunehmen, wenn man an die Macht der kulturellen Ablagerungen denkt, die im Laufe der Jahrhunderte Denkweisen und Institutionen geformt haben. Aber wenn es dabei, besonders im Rahmen bestimmter geschichtlicher Kontexte, auch bei zahlreichen Söhnen der Kirche zu Fällen objektiver Schuld gekommen ist, bedauere ich das aufrichtig. Dieses Bedauern übertrage sich auf die ganze Kirche in einem Bemühen um erneuerte Treue zu der Inspiration aus dem Evangelium, das gerade zu dem Thema von der Befreiung der Frauen von jeder Form von Mißbrauch und Vorherrschaft eine Botschaft von unvergänglicher Aktualität bereithält, die der Haltung Christi selbst entspringt. Indem er sich über die in der Kultur seiner Zeit geltenden Vorschriften hinwegsetzte, nahm er den Frauen gegenüber eine Haltung der Öffnung, der Achtung, der Annahme und der Zuneigung an. Auf diese Weise ehrte er in der Frau die Würde, die sie seit jeher im Plan und in der Liebe Gottes besitzt. Wenn wir am Ende dieses zweiten Jahrtausends auf ihn blik-ken, stellt sich uns unwillkürlich die Frage: Wieviel von seiner Botschaft ist angenommen und verwirklicht worden? 1024 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jawohl, es ist Zeit, mit dem Mut zur Erinnerung und mit dem offenen Eingeständnis der Verantwortung auf die lange Geschichte der Menschheit zu blicken, zu der die Frauen, und zumeist unter viel ungünstigeren Bedingungen, einen Beitrag geleistet haben, der dem der Männer nicht nachsteht. Ich denke im besonderen an die Frauen, die die Kultur und die Kunst geliebt und sich ihnen gewidmet haben, obwohl sie von der Ausgangslage her benachteiligt, oft von einer gleichwertigen Erziehung ausgeschlossen, der Unterbewertung, Verkennung und sogar Aberkennung ihres intellektuellen Beitrags ausgesetzt waren. Von dem vielfältigen Wirken der Frauen in der Geschichte hat sich leider mit den Mitteln der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung sehr wenig feststellen lassen. Zum Glück kann man allerdings, auch wenn die Zeit die belegbaren Spuren dieses Wirkens zugedeckt hat, seines heilsamen Einfließens in den Lebenssaft gewahr werden, der das Sein der einander ablösenden Generationen bis herauf zu uns ausmacht. Hinsichtlich dieser groben, ungeheuren „Überlieferung“ durch die Frauen hat die Menschheit eine unermeßliche Schuld. Wie viele Frauen wurden und werden noch immer mehr nach dem physischen Aussehen bewertet als nach ihrer Sachkenntnis, ihrer beruflichen Leistung, nach den Werken ihrer Intelligenz, nach dem Reichtum ihrer Sensibilität und schließlich nach der ihrem Sein und Wesen eigenen Würde! 4. Und was soll man zu den Hindernissen sagen, die in vielen Teilen der Welt den Frauen noch immer die volle Einbeziehung in das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben verwehren? Man denke nur daran, wie das Geschenk der Mutterschaft, dem doch die Menschheit ihr eigenes Überleben verdankt, oft eher bestraft als belohnt wird. Es ist sicher noch viel zu tun, damit das Dasein als Frau und Mutter keine Diskriminierung beinhaltet. Es ist dringend geboten, überall die tatsächliche Gleichheit der Rechte der menschlichen Person zu erreichen, und das heißt gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Schutz der berufstätigen Mutter, gerechtes Vorankommen in der Berufslaufbahn, Gleichheit der Eheleute im Familienrecht und die Anerkennung von allem, was mit den Rechten und Pflichten des Staatsbürgers in einer Demokratie zusammenhängt. Es handelt sich um einen Akt der Gerechtigkeit, aber auch um eine Notwendigkeit. Die anstehenden, sehr ernsten Probleme werden in der Politik der Zukunft in immer stärkerem Maß die Miteinbeziehung der Frau erleben: Freizeit, Lebensqualität, Wanderbewegungen, soziale Dienste, Euthanasie, Drogen, Gesundheitswesen und Fürsorge, Ökologie usw. Für alle diese Bereiche wird sich eine stärkere soziale Präsenz der Frau als wertvoll erweisen, denn sie wird dazu beitragen, die Widersprüche einer Gesellschaft herauszustellen, die auf bloßen Kriterien der Leistung und Produktivität aufgebaut ist, und sie wird auf eine Neufassung der Systeme dringen zum groben Vorteil der Humanisierungsprozesse, in denen sich der Rahmen für die „Zivilisation der Liebe“ abzeichnet. 5. Wie könnten wir, wenn wir sodann auf einen der heikelsten Aspekte der Situation der Frau in der Welt bücken, die lange und erniedrigende - häufig freilich 1025 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „untergründige“ - Geschichte der im Bereich der Sexualität gegenüber Frauen verübten Gewalttätigkeiten unerwähnt lassen? An der Schwelle zum dritten Jahrtausend können wir diesem Phänomen gegenüber nicht gleichgültig bleiben und resignieren. Es ist an der Zeit, die Formen sexueller Gewalt, deren Objekt nicht selten die Frauen sind, nachdrücklich zu verurteilen und geeignete gesetzliche Mittel zur Verteidigung hervorzubringen. Im Namen der Achtung der menschlichen Person müssen wir außerdem Anklage erheben gegen die verbreitete, von Genußsucht und Geschäftsgeist bestimmte Kultur, die die systematische Ausbeutung der Sexualität fördert, indem sie auch Mädchen im jungen Alter dazu anhält, in die Fänge der Korruption zu geraten und sich für die Vermarktung ihres Körpers herzugeben. Wieviel Hochachtung verdienen angesichts solcher Entartungen hingegen die Frauen, die mit heroischer Liebe zu ihrem Kind eine Schwangerschaft austragen, die durch das Unrecht ihnen gewaltsam aufgezwungener sexueller Beziehungen zustande gekommen ist; was nicht nur im Rahmen der Greueltaten vorkommt, die sich leider im Zusammenhang mit den auf der Welt noch immer so häufigen Kriegen ereignen, sondern auch in Situationen des Wohlstandes und des Friedens, die oft durch eine Kultur eines hedonistischen Permissivismus verdorben sind, in dem nur allzu leicht auch Tendenzen eines aggressiven Männertums gedeihen. Unter solchen Umständen ist die Entscheidung zur Abtreibung, die freilich immer eine schwere Sünde bleibt, eher ein Verbrechen, das dem Mann und der Mitwirkung des Umfeldes anzulasten ist, als eine den Frauen aufzuerlegende Schuld. 6. Mein Dank an die Frauen wird daher zum eindringlichen Appell, von seiten aller und besonders seitens der Staaten und der internationalen Institutionen alles Notwendige zu tun, um den Frauen die volle Achtung ihrer Würde und ihrer Rolle wiederzugeben. In diesem Zusammenhang kann ich nicht umhin, meine Bewunderung für die Frauen guten Willens zu bekunden, die sich der Verteidigung der Würde des Standes der Frau durch die Erringung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Grundrechte gewidmet und diese mutige Initiative zu einer Zeit ergriffen haben, in der dieser ihr Einsatz als eine Übertretung, als Zeichen mangelnder Fraulichkeit, als großtuerisches Gehabe, ja als Sünde angesehen wurde! Wie ich in der Botschaft zum Weltfriedenstag dieses Jahres mit Blick auf diesen großartigen Befreiungsprozeß der Frau schrieb, kann man sagen, „es war ein schwieriger und komplizierter Weg, nicht immer frei von Irrtümem, aber im wesentlichen ein positiver Weg, auch wenn er noch unvollendet ist auf Grund der vielen Hindernisse, die in verschiedenen Teilen der Welt im Wege stehen, daß die Frau in ihrer besonderen Würde anerkannt, geachtet und aufgewertet wird“ (Nr. 4). Es gilt, auf diesem Weg weiterzugehen! Ich bin jedoch überzeugt, daß das Geheimnis, um rasch den Weg zur vollen Achtung der Identität der Frau zu Ende zu gehen, nicht nur über die, wenn auch notwendige, Anprangerung von Verbrechen 1026 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Ungerechtigkeiten führt, sondern auch und vor allem über einen ebenso wirksamen wie wohldurchdachten Förderungsplan, der alle Bereiche des Lebens der Frau betrifft, angefangen bei einer erneuerten und universalen Bewußtmachung der Würde der Frau. Auf die Anerkennung dieser Würde bringt uns trotz der vielfältigen historischen Konditionierungen die Vernunft selbst, die das jedem Menschen ins Herz geschriebene Gesetz Gottes erfaßt. Aber vor allem das Wort Gottes erlaubt uns, mit aller Klarheit das grundlegende anthropologische Fundament der Würde der Frau zu erkennen, das wir in Gottes Plan für die Menschheit ausmachen können. 7. Laßt mich daher, liebe Schwestern, zusammen mit euch noch einmal über den wunderbaren Bibelabschnitt meditieren, der die Erschaffung des Menschen schildert und soviel über eure Würde und eure Sendung in der Welt aussagt. Das Buch Genesis spricht von der Schöpfung in zusammenfassender Form und in poetischer und symbolischer, aber zutiefst wahrer Sprache: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Der Schöpfungsakt Gottes erfolgt nach einem genauen Plan. Zunächst wird gesagt, daß der Mensch geschaffen wird „als Abbild Gottes, ihm ähnlich“ (vgl. Gen 1,26), eine Formulierung, die sogleich die Besonderheit des Menschen im gesamten Schöpfungswerk klarstellt. Dann heißt es, daß er schon am Anfang als „Mann und Frau“ (Gen 1,27) geschaffen wurde. Die Heilige Schrift liefert selber die Auslegung dieser Angabe: der Mensch, wenngleich umgeben von den zahllosen Geschöpfen der sichtbaren Welt, wird sich bewußt, daß er allein ist (vgl. Gen 2,20). Gott greift ein, um ihm aus dieser Lage der Einsamkeit herauszuhelfen: ,Es ist nicht gut, daß der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht“ (Gen 2,18). Der Erschaffung der Frau ist also von Anfang an das Prinzip der Hilfe zugeordnet nicht -man beachte - einseitige Hilfe, sondern gegenseitige. Die Frau ist die Ergänzung des Mannes, wie der Mann die Ergänzung der Frau ist: Frau und Mann ergänzen sich gegenseitig. Die Weiblichkeit verwirklicht das „Menschliche“ ebenso wie die Männlichkeit, aber mit einer andersgearteten und ergänzenden Ausgestaltung. Wenn die Genesis von „Hilfe“ spricht, bezieht sie sich nicht nur auf den Bereich des Tuns, sondern auch auf den des Seins. Weiblichkeit und Männlichkeit ergänzen einander nicht nur unter physischem und psychischem, sondern unter ontologischem Gesichtspunkt. Nur dank der Dualität von „männlich“ und „weiblich“ verwirklicht sich das „Menschliche“ voll. 8. Nachdem er den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat, sagt Gott zu beiden: ,J3evölkert die Erde, unterwerft sie euch“ (Gen 1,28). Er verleiht ihnen nicht nur die Fähigkeit zur Fortpflanzung, damit das Menschengeschlecht in der Zeit fortbesteht, sondern er vertraut ihnen auch die Erde als Aufgabe an, indem er sie verpflichtet, deren Ressourcen verantwortungsvoll zu verwalten. Der Mensch ist als vernunftbegabtes und freies Wesen aufgerufen, das Gesicht der Erde zu verän- 1027 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem. Für diese Aufgabe, die im wesentlichen Kulturarbeit ist, tragen von Anfang an sowohl der Mann wie die Frau gleiche Verantwortung. In ihrer bräutlichen und fruchtbaren Gegenseitigkeit, in ihrer gemeinsamen Aufgabe, die Erde zu beherrschen und zu unterwerfen, spiegeln die Frau und der Mann nicht eine statische und nivellierende Gleichheit, aber auch nicht einen abgrundtiefen Unterschied und unerbittlichen Konflikt wider: ihre natürlichste, dem Plan Gottes entsprechende Beziehung ist die ,.Feinheit der zwei“, das heißt eine auf Beziehung angelegte „Einheit in der Zweiheit“, die einen jeden die wechselseitige Beziehung zwischen den Personen als ein bereicherndes und sie mit Verantwortung ausstattendes Geschenk empfinden läßt. Dieser „Einheit der zwei “ wurde von Gott nicht nur das Werk der Fortpflanzung und das Leben der Familie anvertraut, sondern der eigentliche Aufbau der Geschichte. Wenn während des internationalen Jahres der Familie, das 1994 abgehalten wurde, die Aufmerksamkeit der Frau als Mutter galt, so läßt es der Anlaß der Pekinger Konferenz angebracht erscheinen, erneut den vielfältigen Beitrag bewußt zu machen, den die Frau für das Leben ganzer Gesellschaften und Nationen leistet. Es ist ein Beitrag vor allem geistig-kultureller, aber auch gesellschaftlich-politischer und ökonomischer Natur. Wirklich viel zu verdanken haben dem Beitrag der Frau die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft, die Staaten, die nationalen Kulturen und, alles in allem, der Fortschritt der ganzen Menschheit! 9. Normalerweise wird der Fortschritt nach wissenschaftlichen und technischen Kategorien bewertet, und auch unter diesem Gesichtspunkt fehlt der Beitrag der Frau nicht. Doch das ist nicht die einzige, ja nicht einmal die wichtigste Dimension des Fortschritts. Wichtiger erscheint die ethisch-soziale Dimension, die die menschlichen Beziehungen und die Werte des Geistes betrifft: was diese Dimension betrifft, die sich, angefangen von den Alltagsbeziehungen zwischen den Personen, besonders innerhalb der Familie, oft ohne alles Aufsehen, entfaltet, ist die Gesellschaft dem „Genius der Frau “ gegenüber in weiten Teilen Schuldnerin. In diesem Zusammenhang möchte ich den Frauen einen besonderen Dank aussprechen, die über die Familie hinaus in den verschiedenen Bereichen der Erziehungsarbeit tätig sind: in Kindergärten, Schulen, Universitäten, Fürsorgeeinrichtungen, Pfarreien, Vereinen und Bewegungen. Überall, wo das Erfordernis einer Bildungsund Erziehungsarbeit besteht, kann man die enorme Bereitschaft der Frauen feststellen, sich in den menschlichen Beziehungen zu verausgaben, besonders für die Schwächsten und Schutzlosesten. Bei dieser Arbeit verwirklichen sie so etwas wie eine gefühlsmäßige, kulturelle und geistige Mutterschaft, die wegen ihrer Wirkung auf die Entwicklung der Person und die Zukunft der Gesellschaft von wahrhaft unschätzbarem Wert ist. Und wie könnte man hier das Zeugnis so vieler katholischer Frauen und so vieler weiblicher Ordensgemeinschaften unerwähnt lassen, die in den verschiedenen Kontinenten insbesondere die Erziehung der Kinder, Mädchen und Jungen, zu ihrem hauptsächlichen Dienst gemacht haben? Muß man nicht mit dankbarem Herzen auf all die Frauen blicken, die an der Front des Gesundheits- 1028 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dienstes gearbeitet haben und weiter arbeiten, und das nicht nur im Rahmen oft gut organisierter Gesundheitseinrichtungen, sondern oft unter sehr mißlichen Umständen, in den ärmsten Ländern der Welt, und damit ein Zeugnis von Verfügbarkeit geben, das nicht selten an das Martyrium grenzt? 10. Daher, liebe Schwestern, ist es mein Wunsch, daß mit besonderer Aufmerksamkeit über das Thema „Genius der Frau“ nachgedacht werde, nicht nur um darin die Züge eines genauen Planes Gottes zu erkennen, der angenommen und eingehalten werden muß, sondern auch, um ihm im gesamten Leben der Gesellschaft, auch dem kirchlichen, mehr Raum zu geben. Auf dieses Thema, das ich allerdings schon anläßlich des Marianischen Jahres aufgegriffen hatte, konnte ich in dem schon erwähnten, 1988 veröffentlichten Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem ausführlich eingehen. In diesem Jahr wollte ich dann in dem Brief, den ich gewohnterweise zum Gründonnerstag an die Priester sende, eine gedankliche Verbindung zu Mulieris dignitatem hersteilen, als ich sie einlud, über die wichtige Rolle nachzudenken, die in ihrem Leben die Frau als Mutter, als Schwester und als Mitarbeiterin in der Apostolatsarbeit spielt. Das ist eine andere Dimension - verschieden von der ehelichen, aber gleichfalls wichtig - jener „Hilfe“, die nach der Genesis die Frau dem Mann leisten soll. Die Kirche sieht in Maria den erhabensten Ausdruck des „Genius der Frau“ und findet in ihr eine Quelle nicht versiegender Inspiration. Maria hat sich als „Magd des Herrn“ bezeichnet (Lk 1,38). Aus Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes hat sie ihre bevorzugte, aber alles andere als leichte Berufung einer Braut und Mutter der Familie von Nazaret angenommen. Dadurch, daß sie sich in den Dienst Gottes stellte, stellte sie sich auch in den Dienst der Menschen: ein Liebesdienst. Dieser Dienst hat es ihr ermöglicht, in ihrem Leben die Erfahrung einer geheimnisvollen, aber echten „Herrschaft“ zu verwirklichen. Nicht zufällig wird sie als „Königin des Himmels und der Erde“ angerufen. So ruft sie die ganze Gemeinschaft der Gläubigen an, viele Nationen und Völker rufen sie als „Königin“ an. Ihre „Herrschaft“ ist Dienst! Ihr Dienst ist „Herrschaft“! So sollte die Autorität sowohl in der Familie wie in der Gesellschaft und in der Kirche verstanden werden. Das „Herrschen“ offenbart die wesentliche Berufung des Menschen, der geschaffen ist nach dem „Bild“ dessen, der Herr des Himmels und der Erde ist, und dazu berufen, in Christus Gottes Adoptivkind zu sein. Der Mensch ist auf Erden die einzige „von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur“, wie das II. Vatikanische Konzil lehrt, das bezeichnenderweise hinzufügt, daß der Mensch „sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann“ (Gaudium et spes, Nr. 24). Darin besteht die mütterliche „Herrschaft“ Mariens. Da sie mit ihrem ganzen Sein Hingabe für den Sohn gewesen war, wird sie auch zur Hingabe für die Söhne und Töchter des ganzen Menschengeschlechts, indem sie das tiefe Vertrauen dessen weckt, der sich an sie wendet, um sich auf den schwierigen Pfaden des Lebens zu seiner endgültigen, transzendenten Bestimmung geleiten zu lassen. Dieses Endziel 1029 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erreicht ein jeder über die Etappen seiner Berufung, ein Ziel, das dem zeitlich-irdischen Einsatz sowohl des Mannes wie der Frau die Richtung weist. 11. Vor diesem Horizont des „Dienstes“ - der, wenn er in Freiheit, Gegenseitigkeit und Liebe erbracht wird, das wahre „Königtum“ des Menschen zum Ausdruck bringt — ist es möglich, ohne nachteilige Folgen für die Frau auch einen gewissen Rollenunterschied anzunehmen, insofern dieser Unterschied nicht das Ergebnis willkürlicher Auflagen ist, sondern sich aus der besonderen Eigenart des Mann-und Frauseins ergibt. Es handelt sich hier um eine Thematik mit einer spezifischen Anwendung auch auf den innerkirchlichen Bereich. Wenn Christus - in freier und souveräner Entscheidung, die im Evangelium und in der ständigen kirchlichen Überlieferung gut bezeugt ist - nur den Männern die Aufgabe übertragen hat, durch die Ausübung des Amtspriestertums „Ikone“ seines Wesens als „Hirt“ und als „Bräutigam“ der Kirche zu sein, so tut das der Rolle der Frauen keinen Abbruch, wie übrigens auch nicht jener der anderen Mitglieder der Kirche, die nicht das Priesteramt innehaben, sind doch alle in gleicher Weise mit der Würde des „gemeinsamen Priestertums“ ausgestattet, das in der Taufe seine Wurzeln hat. Diese Rollenunterscheidungen dürfen nämlich nicht im Lichte der funktionellen Regelungen der menschlichen Gesellschaften ausgelegt werden, sondern mit den spezifischen Kriterien der sakramentalen Ordnung, das heißt jener Ordnung von „Zeichen“, die von Gott frei gewählt wurden, um sein Gegenwärtigsein unter den Menschen sichtbar zu machen. Im übrigen kommt gerade im Rahmen dieser Ordnung von Zeichen, wenn auch außerhalb des sakramentalen Bereiches, dem nach dem erhabenen Vorbild Mariens gelebten „Frausein“ keine geringe Bedeutung zu. Denn im „Frausein“ der gläubigen und ganz besonders der „gottgeweihten“ Frau gibt es eine Art immanentes „Prophetentum“ (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 29), einen sehr beschwörenden Symbolismus, man könnte sagen, eine bedeutungsträchtige „Abbildhaftigkeit“, die sich in Maria voll verwirklicht und mit der Absolutheit eines „jungfräulichen“ Herzens, um „Braut“ Christi und ,Mutter“ der Gläubigen zu sein, das Wesen der Kirche als heilige Gemeinschaft treffend zum Ausdruck bringt. In dieser Sicht „abbildhafter“ gegenseitiger Ergänzung der Rollen des Mannes und der Frau werden zwei unumgängliche Dimensionen der Kirche besser herausgestellt: das „ma-rianische“ und das „apostolisch-petrinische“ Prinzip (vgl. ebd., Nr. 27). Andererseits ist - daran erinnerte ich die Priester in dem erwähnten Gründonnerstagsbrief dieses Jahres - das Amtspriestertum im Plan Christi,glicht Ausdruck von Herrschaft, sondern von Dienst“ (Nr. 7). Es ist die dringende Aufgabe der Kirche bei ihrer täglichen Erneuerung im Lichte des Wortes Gottes, dies immer klarer zu machen, sei es bei der Entwicklung des Gemeinschaftsgeistes und bei der sorgfältigen Förderung aller typisch kirchlichen Mittel der Teilnahme, sei es durch die Achtung und Aufwertung der unzähligen persönlichen und gemeinschaftlichen Charismen, die der Geist Gottes zum Aufbau der christlichen Gemeinschaft und zum Dienst an den Menschen weckt. 1030 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem weiten Raum des Dienstes hat die Geschichte der Kirche in diesen zweitausend Jahren trotz vieler Konditionierungen wahrhaftig den „Genius der Frau“ kennengelemt, wenn sie aus ihrer Mitte Frauen von erstrangiger Größe hervorgehen sah, die in der Zeit ihre tiefe und heilsame Prägung hinterlassen haben. Ich denke an die lange Reihe von Märtyrerinnen, von Heiligen, von außergewöhnlichen Mystikerinnnen. Ich denke in besonderer Weise an die heilige Katharina von Siena und die heilige Theresia von Avila, der Papst Paul VI. seligen Angedenkens den Titel einer Kirchenlehrerin zugesprochen hat. Und wie wäre hier sodann nicht an zahlreiche Frauen zu erinnern, die auf Antrieb ihres Glaubens Initiativen ins Werk gesetzt haben von außerordentlicher sozialer Bedeutung im Dienst vor allem der Ärmsten? Die Zukunft der Kirche im dritten Jahrtausend wird es gewiß nicht versäumen, neue und wunderbare Äußerungen des „Genius der Frau“ festzustellen. 12. Ihr seht also, liebe Schwestern, wie viele Beweggründe die Kirche für ihren Wunsch hat, daß auf der bevorstehenden, von den Vereinten Nationen in Peking ausgerichteten Konferenz die volle Wahrheit über die Frau zutage treten möge. Man möge wirklich den „Genius der Frau“ gebührend hervorheben, indem nicht nur die groben und berühmten Frauen der Vergangenheit oder unserer Zeit berücksichtigt werden, sondern auch jene einfachen Frauen, die ihr Talent als Frau in der Nomalität des Alltags im Dienst an den anderen zum Ausdruck bringen. Denn besonders in ihrer Hingabe an die anderen im tagtäglichen Leben begreift die Frau die tiefe Berufung ihres Lebens, sie, die vielleicht noch mehr als der Mann den Menschen sieht, weil sie ihn mit dem Herzen sieht. Sie sieht ihn unabhängig von den verschiedenen ideologischen oder politischen Systemen. Sie sieht ihn in seiner Größe und in seinen Grenzen und versucht, ihm entgegenzukommen und ihm eine Hilfe zu sein. Auf diese Weise verwirklicht sich in der Geschichte der Menschheit der grundlegende Plan des Schöpfers und tritt in der Vielfalt der Berufe und Berufungen unaufhörlich die - nicht nur physische, sondern vor allem geistige -Schönheit zutage, mit der Gott von Anfang an die menschliche Kreatur und im besonderen die Frau beschenkt hat. Während ich dem Herrn im Gebet den guten Ausgang der wichtigen Tagung von Peking anvertraue, lade ich die Gemeinschaft der Kirche ein, das laufende Jahr zum Anlaß zu nehmen für eine aufrichtige Danksagung an den Schöpfer und Erlöser der Welt für das Geschenk eines so großen Gutes, wie es das Frausein ist: es gehört in seinen vielfältigen Ausdrucksformen zum grundlegenden Erbe der Menschheit und der Kirche. Maria, Königin der Liebe, wache über die Frauen und über ihre Sendung im Dienst an der Menschheit, am Frieden und an der Ausbreitung des Reiches Gottes! Mit meinem Segen. Aus dem Vatikan, am 29. Juni 1995, dem Hochfest der Apostel Petrus und Paulus. 1031 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsame Sendung und gemeinsames Zeugnis Predigt am Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus, 29. Juni 1. „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16). Heute kehrt die Kirche zu diesem Bekenntnis zurück, das von Petrus in der Nähe von Cäsarea Philippi ausgesprochen wurde. Dies ist der Glaube des Apostelkollegiums, in dessen Namen Petrus spricht. Dies ist der Glaube des Paulus. Beide, Petrus und Paulus, legten dafür ihr Zeugnis ab bis zum Vergießen des eigenen Blutes. Dies geschah, nach der Überlieferung, hier in Rom zu Neros Zeiten, und zwar um das Jahr 67 nach Christi Geburt. Auf ganz besondere Weise wollen wir heute Andreas’, des Bruders Petri gedenken: er war der Protökletos, der Erstberufene, der Simon zu Christus führte. Tief bewegt machen wir heute auf seine Person aufmerksam, da an diesem Festtag die Kirche Roms den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholo-maios I., zu Gast hat. Er steht eben jener Kirche vor, die auf besondere Weise mit dem Martyrium des Apostels Andreas verbunden ist. Jedes Jahr am 30. November, am Fest des hl. Andreas, verbindet sich die Kirche Roms mit ihrer Schwesterkirche, indem sie deren Patron die Ehre erweist. Heute ist es für uns eine große Freude, am Tage des rühmenden Gedenkens des Simon Petrus, des Bruders des Andreas, den Ökumenischen Patriarchen, Seine Heiligkeit Bartholomaios I. von Konstantinopel, das den ersten Sitz in der Hierarchie der orthodoxen Kirchen in der Welt inne hat, in Rom zu Gast haben zu können. Zusammen mit Andreas spricht Petrus heute diese Worte aus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). 2. Dieses Bekenntnis eröffnet uns das Mysterium Gottes des Vaters. In der Tat sagte Christus, indem er auf die Worte Petri antwortete: „Selig bist du, Simon Bar-jona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Der Vater offenbart den Sohn, denn nur der Vater kennt den Sohn, wie auch nur der Sohn den Vater kennt (vgl. Lk 10,22). Die Kirche bekennt diesen Glauben mit den Worten des Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube an den Einen Gott, den Vater, den Allmächtigen ... „ Dies ist ein Text, der feierlich das ausdrückt, was wir gemeinsam als verbindlichen und unwiderruflichen Ausdruck des einzigen Glaubens der Kirche anerkennen. Es gibt kein irgendeiner besonderen liturgischen Tradition zugeordnetes Glaubensbekenntnis, das diesem fundamentalen trinitarischen Ausdruck des Glaubens, der zu allen Zeiten von der Kirche gelehrt und bekannt wurde, entgegentreten könnte. 3. Darum ist es wohl zweckdienlich, ein Mißverständnis auszuräumen, das immer noch seine Schatten auf die Beziehungen zwischen katholischer und orthodoxer Kirche wirft. Und zu eben diesem Zweck ist eine gemischte Kommission eingesetzt worden, die die Aufgabe hat, im Lichte des gemeinsamen Glaubens die legitime Bedeutung und den legitimen Rang von verschiedenen traditionellen Glau- 1032 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN benssätzen zu erklären, die den ewigen Ursprung des Heiligen Geistes innerhalb der Dreifaltigkeit betreffen; es sind dies Glaubenssätze, die zu unserem gegenseitigen lehrinhaltlichen und liturgischen Glaubensgut gehören. Von katholischer Seite besteht der feste Wille, die traditionelle Lehre des Filioque zu klären, die in der liturgischen Version des lateinischen Credo vorhanden ist, und zwar so, daß die volle Harmonie mit dem zum Vorschein tritt, was das Ökumenische Konzil in seinem Symbolon bekennt: der Vater ist die Quelle der ganzen Trinität, einiger Ursprung sowohl des Sohnes als auch des Heiligen Geistes. Der Sohn, wesenseins mit dem Vater, ist das ewige Wort, von dem der Apostel Johannes im Prolog des vierten Evangeliums schreibt und den Logos bekennt, „der Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (Joh 1,14). Gemäß der Tradition hat Johannes das Evangelium in Ephesus geschrieben und genießt so im ganzen christlichen Orient besondere Wertschätzung. Sein Evangelium ist Licht, das die Kirche auf dem ganzen Erdkreis erleuchtet. Auch wir, die Nachfolger des Petrus und Andreas, die wir uns heute in Verehrung der hll. Apostel Petrus und Paulus hier versammelt haben, wollen gerne unsere Begegnung mit dem Licht des Johannesevangeliums erhellen, damit allen klar werde, daß wir dieselbe Wahrheit über den Vater und den Sohn bekennen und gemeinsam verkünden. 4. „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). So bekennt Petrus und mit ihm die ganze Kirche, die auf dem Fundament der Apostel errichtet wurde. Indem die Kirche Jesus von Nazaret als den Christus bekennt, verkündet sie indirekt auch die Wahrheit über den Heiligen Geist. Der Name „Christus“, der eine Übersetzung des hebräischen Wortes „Messias“ ist, bedeutet ja in der Tat der mit dem Geist Gottes Gesalbte. Diese Wahrheit hat der Prophet Jesaia viele Jahrhunderte vor Christus schon in die Worte gekleidet, die Jesus zu Beginn seiner messianischen Tätigkeit verkündete und zur Vollendung brachte: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4,18). Der Heilige Geist, den der Vater im Namen des Sohnes sendet (vgl. Joh 14,26), ist die Lebensquelle der Kirche vom Pfingstage an, dem Versprechen des Erlösers gemäß: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Der Geist, der die Kirche leitet und unterweist, der die Bischöfe zu Nachfolgern der Apostel weiht, dieser Geist ist heute auf besondere Weise mit uns, wie er es auch mit Petras und Paulus am Tage ihres Martyriums war, als diese endgültiges Zeugnis für Christus ablegten und ihre Sendung mit Blut besiegelten und so ihr Erbe nicht nur an Rom, sondern auch an viele andere Orte der antiken Welt Weitergaben. Wie viele solche Orte gibt es doch gerade in Griechenland! Man braucht ja nur die Gemeinden aufzuzählen, an die der hl. Paulus seine Briefe richtete: Aus dem „Corpus paulinum“ erwächst fast eine der Kirche gemeinsame Tradition in Orient und 1033 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Okzident. Die Gesamtheit der apostolischen Briefe des Neuen Testamentes bezeugt weiterhin die Sorgsamkeit für alle von Gott den Aposteln und ihren Nachfolgern bis an das Ende der Zeiten anvertrauten Kirchen. 5. „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,18-19). Dies sind erschütternde Worte. Die Autorität, die Christus den Aposteln übermittelt - und zwar die der Schlüssel des Himmelreiches und die Binde- und Lösegewalt - ist diesen in der Person des Petras und in Einheit mit ihm gegeben worden. Ein unergründbares Geheimnis! Das heutige Fest des Martyriums der hll. Apostel offenbart den wahren Sinn dieser Autorität: sie bedeutet Dienst. Petras, Paulus und Andreas dienten bis zum Blutvergießen, wie es ja zuerst Christus selbst getan hatte. „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (.Mk 10,45). Die Apostel sind dazu berufen, am Dienst ihres Herrn teilzunehmen: ein Dienst, durch welchen sie das höchste Zeugnis abgelegt haben; Dienst ist ihre wahre Kraft, ihr Ruhm in Christus, der gestorben und auferstanden ist. Heute wollen wir alle die ehren, die im Laufe der 2000 Jahre der neuen Zeit Zeugnis für Christus ablegten und weiterhin ablegen in jedem Winkel dieser Erde, in Ost und West, in Nord und Süd. Besonders aber wollen wir jene ehren, die bis zur Blutvergießung Zeugnis ablegten. Auf die heutige Begegnung haben wir uns vorbereitet, indem wir über den Verlauf dieses Zeugnisgebens nachdachten; wir haben jener gedacht, denen das Los des römischen Kolosseums und vieler anderer, auf der Welt verstreuter „Kolosseen“ zuteil wurde. Bei einer solchen Reflexion war uns der letztjährige Kreuzweg eine Hilfe, für den ja die Texte von unserem Bruder Bartholomaios I. vorbereitet wurden. 6. Die heutige, so feierliche Liturgie wird durch einen weiteren bedeutungsvollen Ritus bereichert: die Verleihung der Pallien. Die Pallien, die der Bischof von Rom heute den neuen Metropoliten um die Schultern legt, sind Ausdruck einer besonderen geistigen Verbindung mit dem Bekenntnis und Zeugnis des hl. Petras in Rom und mit dem Amt seines Nachfolgers. Herzlich umarme ich euch, liebe Brüder im Bischofsamt, und freue mich darüber, daß ihr, die ihr gesandt seid, Metropolitankirchen in verschiedenen Teilen der Welt vorzustehen, da Pallium in Anwesenheit unseres Gastes, des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, empfangt. 7. Das Hochfest der hll. Petras und Paulus lädt dazu ein, über den Weg nachzudenken, den Petras und Paulus in der Nachfolge Christi vom Tage ihrer Berufung an bis zu dem ihres Martyriums hier in Rom gegangen sind. Die erste Lesung aus 1034 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Apostelgeschichte hat uns Petrus gezeigt, der noch in Jerusalem weilte, und zwar in der Anfangsphase des langen Pilgerweges der Kirche. Hören wir gemeinsam die Worte dieses Passus, der in gewissem Sinne unsere Geschichte erzählt, verehrter Bruder Bartholomaios. Bewegt und in tiefer Verehrung hören wir es, während der 2000. Jahrestag der Geburt Christi schon nahe ist. Dies stellt eine große Herausforderung für die gesamte Menschheit, aber ganz besonders für alle Christen dar. Wenn ich an diesen Markstein der Geschichte denke, so kommt mir in den Sinn, was das Lukasevangelium bezüglich der Aussendung der Jünger sagt: „... und er sandte sie zu zweit voraus ...“ (Lk 10,1). Wir müssen die Bedeutung solcher Worte meditieren. Sagen sie nicht vielleicht aus, daß Christus auch uns zu zweit als Verkünder seines Evangeliums in Orient und Okzident voraussendet? Christus sendet uns gemeinsam aus, auf daß wir gemeinsam von Ihm Zeugnis ab-legen. Wir können deshalb nicht getrennt bleiben! Wir müssen den Weg gemeinsam gehen, denn dies ist der Wille unseres Herrn. Die Welt muß am Ende dieses zweiten und zu Beginn des dritten Jahrtausends den Glauben wiederfinden! Daher müssen wir die Kräfte vervielfachen; wir müssen uns aktiv dafür einsetzen, um wirklich alle eins zu werden, wie er, Christus, eins ist mit dem Vater (vgl. Joh 177,22). Am Altar der „confessio“, über dem Petrusgrab wollen wir gemeinsam fir dieses Ziel beten. Zusammen mit uns betet die ganze Kirche in Ost und West, die Kirche, die Christus uns anvertraut hat, so, wie er sie einst Petrus und Andreas anvertraute, als er sie auf dem Fundament der Apostel stiftete, als ewigen Heilsweg für alle Völker und Nationen bis zum Ende der Welt. Grundsätze der Mission: Arbeit - Gebet - Lembereitschaft Ansprache an die Mitglieder der Generalversammlung des Mailänder Missionsinstituts PIME (Pontificio Istituto Missioni Estere) am 8. Juli Liebe Missionare des Mailänder Missionsinstituts! 1. Ich freue mich, anläßlich der Generalversammlung eures Instituts mit euch zusammenzutreffen. Herzlich begrüße ich jeden der Teilnehmer an dieser wichtigen Versammlung und richte einen besonderen Gruß an euren Generalsuperior Franco Cagnasso. Dieser mein herzlicher Gruß soll auch allen Missionaren, Priestern und Laien des Mailänder Missionsinstituts gelten. Eure intensive Arbeit in diesen Tagen erstreckt sich sowohl auf die Wahl der neuen Obern eurer Gemeinschaft apostolischen Lebens als auch auf eine vertiefte Reflexion über einige grundlegende Themen, die den Weg eures Instituts und seinen Missionsauftrag „ad gentes“ betreffen. 1035 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Ein erster Bereich, der besondere Aufmerksamkeit erfordert, um auf die Herausforderungen unserer Zeit in entsprechender Weise einzugehen, ist die ständige Weiterbildung. Ihr Zweck ist die Festigung der Berufung eines jeden, um ihn fähig zu machen, immer besser den neuen Erfordernissen der Mission der Kirche zu entsprechen, wie ich es in der Enzyklika Redemptoris missio und in einigen kürzlich diesem Thema gewidmeten Katechesen dargelegt habe. Darum fordere ich euch auf, meine Lieben, ein Programm für die ständige Weiterbildung zu entwerfen, das den einzelnen hilft, ihre Aufgaben und Entscheidungen zweckentsprechend zu überprüfen in bezug auf ein immer eindeutigeres Zeugnis für euer besonderes Charisma, das in der Mission „ad gentes“ besteht. Ein solches Programm wird euch auch helfen, besser die Bedeutung und die Art und Weise eurer Mission in Gebieten zu klären, die durch besondere Schwierigkeiten gekennzeichnet sind, sei es im Hinblick auf die Erzielung von Bekehrungen oder auf Hindernisse, die von seiten örtlicher Regierungen der öffentlichen Bezeugung des Glaubens in den Weg gestellt werden. Gerade in solch schwierigen Lagen zeigt sich mit größerer Klarheit, daß Gottes Wege geheimnisvoll und für rein menschliche Betrachtungsweise nicht unmittelbar begreiflich sind. Möge der Herr euch unter derartigen Umständen immer gewähren, daß ihr euren missionarischen Dienst gewissermaßen mit einem Überschuß an Hochherzigkeit leistet, im Vertrauen auf die Gnade des Herrn, der allein die Zeit und die Stunde kennt, wo der mit vollen Händen ausgestreute Same seine Frucht bringen wird. 3. Ein zweiter Bereich, der gründliche Überlegung erfordert, ist die Aufgabe, eurem Institut immer mehr den Charakter der Intemationalität zu geben. Diese besteht nicht darin, national autonome Gebiete zu bilden, deren jedes einzelne nach eigenen Kriterien seine Missionstätigkeit ausübt; vielmehr drückt sie sich auf eine tiefere Weiese in der Fähigkeit aus, das Zusammenleben mit Menschen verschiedener kultureller Herkunft anzunehmen und zu schätzen. In dieser Hinsicht ist das zur Zeit in eurem Instimt stattfindende Bemühen von Bedeutung, in jeder Ortskirche, vor allem in den in jüngerer Zeit evangelisierten, die Öffnung auf die Mission „ad gentes“ hin zu fördern als Ausdruck des eigenen Wachstums in der kirchlichen Identität. Der für das Mailänder Missionsinstitut charakteristische Zug der Intemationalität, der auch Priester und Laien aus den Kirchen des sogenannten „Südens der Welt“ auf die Mission „ad gentes“ hin ausrichtet, erfordert von allen eine große Fähigkeit zu innerer Erneuerung, um die Grenzen der eigenen Mentalität und der heimatlichen Kultur überschreiten und sich für die Reichtümer der anderen wirklich öffnen zu können und jene „Samenkörner des göttlichen Wortes“ zu schätzen, die der Herr in jeder Kultur verborgen hat. In dieser Hinsicht wird euch die bewährte Tradition der Zusammenarbeit mit den anderen missionarischen Kräften von großem Nutzen sein. Dank ihrer wußte euer Institut stets einen bereichernden Austausch von menschlichen Energien und geistlichen Reichtümem zustandezubringen. 1036 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Den dritten Bereich, der besonders mit den Herausforderungen unserer Zeit verbunden ist, bildet die zunehmende Nachfrage nach geschultem Personal für die Ausbildung und den Einsatz in den sozialen Kommunikationsmitteln. Das Institut sollte angemessenerweise nicht die Erwartungen derer enttäuschen, die in bezug auf eine solide und zeitnahe Ausbildung des Nachwuchses mit seiner Hilfe rechnen. Ein gewisser Rückgang der Berufungen, der in manchen Gegenden festzustellen ist, sollte durchaus kein Grund zur Entmutigung sein, sondern gleichsam als Aufforderung angenommen werden, eure Identität und eure Aufgabe noch deutlicher auf den eigentlich missionarischen Sinn „ad gentes“ einzustellen. Was die Frage einer ausgeprägteren Präsenz auf dem Gebiet der sozialen Kommunikation angeht, so kann ich nur wiederholen, was ich in der Enzyklika Redempto-ris missio (vgl. Nr. 37) gesagt habe: Nicht nur der angemessene Gebrauch dieser Mittel zu missionarischen Zwecken ist wichtig, sondern es ist dringend notwendig, sich dafür einzusetzen, daß die Welt dieser Mittel selbst evangelisiert wird, so daß sie von innen her zu echten Wegen der Evangelisierung werden. Euer Institut darf sich auf diesem Gebiet schon einer gefestigten Tradition rühmen. Versteht es, auf diesem Weg weiterzugehen, gebt jedoch acht, daß ihr euch nicht von den grundlegenden Aufgaben des direkten Kontakts mit den Menschen und der Einfachheit im Gebrauch der wirtschaftlichen Güter abbringen laßt. 5. Ich wünsche euch, meine Lieben, daß das gründliche Nachdenken über die wichtigen Themen, denen ihr euch in diesen Tagen widmet, euch für den Weg eures Instituts in den nächsten Jahren Licht schenke und daß es euch helfe, immer neu und besser das reiche Erbe der Spiritualität und der Missionstätigkeit des Mailänder Missionsinstituts zu entdecken, um in der hochherzigen Mitarbeit für die Mission der Kirche fortzuschreiten. Ansporn und Ermutigung dazu möge euch das Beispiel so vieler Mitbrüder sein, die ihr Leben der Sache des Evangeliums geweiht haben und die auch zu dem Heroismus des Blutzeugnisses bereit waren, wie es z. B. bei P. Salvatore Carzedda der Fall war, der vor zwei Jahren auf den Philippinen getötet wurde, wo er sich für den interreligiösen Dialog mit den Muslimen einsetzte. Auf euch und alle Mitglieder des Päpstlichen Instituts für die auswärtigen Missionen rufe ich den himmlischen Schutz Mariens, der Mutter der Kirche und der Missionare herab, und euch und euren Mitbrüdem erteile ich von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen, der auch den christlichen Gemeinschaften, wo ihr arbeitet, gelten soll, sowie allen, denen ihr in eurer täglichen Arbeit im Dienst des Evangeliums begegnet. 1037 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Missionare sind Zeugen des Kreuzes Predigt bei der Sonntagsmesse mit Ordensschwestern vor der Lourdesgrotte im Vatikan am 9. Juli 1. „Freut euch mit Jerusalem!“ {Jes 66,10). Die Worte des Propheten rufen dazu auf, sich mit der Heiligen Stadt zu freuen. Dieser Aufruf erreicht uns heute, vorgetragen bei der Liturgie des 14. Sonntags im Jahreskreis, und er kommt zur heilsamen Stunde! Während unser Erdenweg von Trübsal und Angst gekennzeichnet ist, die der menschliche Egoismus ausstreut, ruft uns Gott zur Freude über den Trost auf, den er selbst, der Herr, über alle ausgießt, die ihn fürchten. Jerusalem ist unsere Heimat, unsere Mutter. Es ist die Gestalt der Kirche, in der die an Christus Glaubenden Trost empfangen, nachdem sie an seiner Trauer teilhatten. Die Kirche hat an den Leiden Christi teil, sie hat aber auch an seinem Trost teil (vgl. 2 Kor 1,5). 2. Die Kirche schenkt ihren Kindern das Leben in Fülle, sie nährt sie mit dem Wort Gottes und den Sakramenten, indem sie diese als Gnadenstrom in alle Teile der Erde gelangen läßt. Im Evangelium wurde über die Mission der Jünger berichtet, die Jesus in die Städte und Dörfer ausgesandt hat. Sie verkünden das Reich Gottes in Worten und Werken, wie es Christus selbst tat. Sie bringen Segen und verkünden Frieden, den Frieden, den nur Christus geben kann. In die Schar der Apostel wird sich eines Tages auch Paulus einreihen und ein beispielhafter Jünger werden. Er ist der Missionar, den sich der Herr selbst erwählt hat, indem er ihn nach seinem Plan bekehrt, durch seine Gnade geformt und zu einer „neuen Schöpfung“ (Gal 6,15) gemacht hat. So ist Paulus der große Apostel des Kreuzes Christi geworden: Das Kreuz ist sein einziger Ruhm, denn er hat erkannt, daß in ihm, und in ihm allein, für den Menschen Leben und Hoffnung ist. Paulus hat am eigenen Leib die Kraft des Kreuzes erfahren, und er trägt die konkreten Zeichen davon. Der Jünger, der von Christus gesandt wurde, das Reich Gottes zu verkünden, kann das Evangelium nicht wirksam säen, wenn er davon nicht persönlich und im Innersten gezeichnet ist; wenn das Evangelium an seiner Person nicht das Prägemal der göttlichen Liebe hinterlassen hat. Der Missionar ist immer und vor allem Zeuge, ein Zeuge des Kreuzes, das die Quelle des Lebens und der Hoffnung ist. 3. Es ist mir eine Freude, heute mit einigen Gruppen von Ordensfrauen die Eucharistie feiern zu können, die in Rom zum Generalkapitel ihrer jeweiligen Kongregationen zusammengekommen sind: die Piaristinnen, die Augstiner-Missionarin-nen, die Töchter der Liebe vom Kostbaren Blut und die Oblaten-Salesianerinnen vom Heiligsten Herzen. 1038 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit Liebe grüße ich euch alle und jede einzelne, liebe Schwestern in Christus, und ich bete in dieser Messe ganz besonders für euch, damit ihr in den Versammlungen der Generalkapitel weise unterscheiden und mutig das anordnen könnt, was der Heilige Geist euren Ordensfamilien eingibt. Eure Fürsprecherin sei Maria, die seligste Jungfrau der Jungfrauen, auf deren Gegenwart diese Grotte hinweist, die den Hintergrund unserer Feier bildet. 4. Während wir unseren geistigen Blick auf die seligste Jungfrau richten, sehen wir, wie sich in ihr, dem Urbild der Kirche und der vollkommenen Jüngerin Christi, die biblischen Lesungen vereinigen, die uns die Liturgie am heutigen Sonntag vorgelegt hat. Maria ist die Tochter Sion, die erwählt wurde, um die Mutter des Messias zu werden: Aus ihrem Schoß ist die unerschöpfliche Heilsquelle für alle Menschen entsprungen. Sie ist die erste Missionarin, die im Geist frohlockt, weil ihr Name im Himmel aufgezeichnet ist. Sie ist die neue Schöpfung, voll der Gnade und unbefleckt durch die Verdienste des gekreuzigten Christus. Maria, lehre uns, mit dir in Gott, unserem Heiland, zu frohlocken, und Zeugen seines Reiches in der Welt zu sein! Amen. Das Begonnene in Castel Gandolfo fortsetzen Grußworte bei der Ankunft in Castel Gandolfo am 22. Juli Herzlich grüße ich Gastei Gandolfo nach meiner Rückkehr aus dem Aostatal, und ich grüße alle Bürger. Ebenso grüße ich die Obrigkeiten, den Herrn Bürgermeister und den Gemeinderat. Zugleich grüße ich die Diözese Albano und die den Salesianern anvertraute Pfarrei. Ich werde versuchen, ein ehrenhafter Bürger und ein recht pünktliches Pfarr-kind zu sein. Pünktlich, aber nicht zu eifrig. Das Aostatal und die Alpen sehe ich einmal im Jahr. Diese Berge in der Umgebung von Rom sehe ich hingegen jeden Tag. Ich schaue immer, ob sie noch da sind, und Gott sei Dank, sie sind es. Nachts sieht man die Lichter, und auch dadurch bestehen ständig Kontakte mit Castel Gandolfo. Ich empfehle mich dem Gebet der Gemeinde Castel Gandolfo, der Pfarrei, der Bürger und Gäste. Ich grüße den Bischof von Albano mit seinem Weihbischof. Wir werden versuchen, das im Aostatal Begonnene nun in Castel Gandolfo gut fortzusetzen, und wir hoffen, daß die Bürger mithelfen durch ihr Gebet und christliches Verhalten, das diese Stadt, dieses Umfeld, in der Nähe von Rom, diesen suburbikarischen Sitz, dieses Haus kennzeichnet, wo so viele meiner Vorgänger im Sommer Erholung gefunden haben. 1039 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hiroshima nicht vergessen! Worte beim Rosenkranzgebet in Castel Gandolfo am 5. August Vor nunmehr fünfzig Jahren, gerade in diesen Tagen, ereigneten sich die schrecklichen Explosionen der Atombombe über Hiroshima und Nagasaki. Es war ein erschütterndes Geschehen, das für jene unglücklichen Bevölkerungen Tod und Vernichtung mit dramatischen Folgen bedeutete. Die Erinnerung an so traurige Tatsachen muß uns drängen, den Herrn um Frieden zu bitten und mit ganzem Einsatz dafür zu wirken, daß in der Welt Friede werde und der Friede sich festige. Wir dürfen es nicht vergessen! Gerade unter diesem Gesichtspunkt wurde heute in der Vatikanischen Basilika eine feierliche hl. Messe gehalten, und in der Aula „Paul VI.“ findet eine Gedächtnis Veranstaltung statt, an der ich, da ich nicht persönlich dort sein kann, durch eine besondere Botschaft teilnehmen wollte. Sich an Hiroshima erinnern heißt, sich für den Frieden einsetzen, hatte ich 1981 im „Peace Memorial Park“ jener Stadt gesagt. Den Frieden aufbauen! Das ist eine Aufforderung, die sich auch heute aufdrängt angesichts der verschiedenen Konfliktsituationen, die Zerstörung und Vernichtung in nicht wenigen Teilen der Welt verursachen. Wie sollten wir insbesondere nicht an den Balkan denken, wo die Gefahr der Ausweitung des Krieges leider immer drohender und schreckenerregender wird? Wir wollen Maria, die Königin des Friedens, anrufen, daß sie die Herzen der Verantwortlichen zu Entscheidungen der Versöhnung und des Friedens bewege. Möge die Heilige Jungfrau uns allen das Geschenk eines erneuerten und versöhnten Herzens erlangen, das überall und unter allen Umständen die unerläßliche Voraussetzung für echte Friedensbestrebungen ist. Mit „neuen Herzen“ eine Zukunft des Friedens hauen Botschaft aus Anlaß des am 5. August in der Aula Paul VI. aufgeführten Gedenkkonzertes 50 Jahre nach der Tragödie von Hiroshima und Nagasaki, verlesen von Roger Kardinal Etchegaray, vom 5. August „Sich an Hiroshima erinnern heißt, sich dem Frieden verpflichten“ (Ansprache in Hiroshima, AAS73[1981]417; in: O.R.dt. 6.3.1981). Diese Worte, die ich 1981 im „Peace Memorial Park“ in Hiroshima sprach, möchte ich heute anläßlich des Konzertes zum Gedenken des tragischen Ereignisses der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki vor fünfzig Jahren wiederholen. Die Erinnerung an die schrecklichen Atomexplosionen, die im August 1945 erfolgten, möge der Menschheit unauslöschlich im Gedächtnis bleiben! Die ungeheuren menschlichen Verluste, die sie verursacht haben, dürfen nicht vergessen werden. Jene todbringenden Detonationen sind zum Symbol für alle Beiden und 1040 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zerstörungen geworden, die der Zweite Weltkrieg den Familien, den Nationen und der Schöpfung in so vielen Teilen der Welt gebracht hat. Die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki ist die Demonstration des unglaublichen Zerstörungspotentials, das der Mensch und die moderne Wissenschaft hervorzubringen imstande sind. Die Erinnerung daran ist wie ein Alptraum im Bewußtsein der Menschheit verblieben, die jetzt weiß, was ein Nuklearkrieg für unsere Zivilisation bedeuten würde. Dieses äußerst traurige Ereignis ist so für die Verantwortlichen der Völker zu einer ernsten Mahnung geworden, sich dem Druck zum Wettrüsten zu widersetzen und sich tatkräftig für die Gewährleistung eines friedlichen Zusammenlebens unter den Nationen einzusetzen. Wenn wir heute dieser Tragödie gedenken, so tun wir es vor allem deshalb, um „unsem Glauben zu erneuern“ und „ein Unglück zu neuem Anfang werden zu lassen“ (ebd.). Der Ausgangspunkt des Krieges wie auch der Versöhnung liegt in den Herzen der Menschen. Der Aufbau einer Zukunft des Friedens geht von einem „neuen Herzen“ aus, einem Herzen, das fähig ist, in jedem Menschen einen Bruder oder eine Schwester zu erkennen, deren gleiche Würde es zu achten, deren Grundrechte es zu fördern und deren berechtigte Erwartungen es zu erfüllen gilt. Das neue Herz schaut auf den anderen Menschen oder das andere Volk als lebendige Wirklichkeit, die anzunehmen, zu bejahen, zu lieben ist. Indem ich alle herzlich grüße, die heute angemessenerweise über Radio und Fernsehen an diesem Gedenkakt haben teilnehmen wollen, rufe ich die Barmherzigkeit des Herrn auf die Opfer aller Gewalt und jedes kriegerischen Konfliktes herab. Unter diesem Gesichtspunkt ist die heutige Veranstaltung eine Einladung zu einem Augenblick des Schweigens vor dem Schrei derer, die vor fünfzig Jahren in Hiroshima und Nagasaki gelitten haben, und derer, die heute noch leiden. Sie ist auch ein Appell im Namen dessen, was die ganze Menschheit zutiefst verbindet, an das Gewissen derjenigen, die noch Kriegspläne verfolgen und ins Werk setzen. „Auf der Zerstörung, Unterdrückung und Diskriminierung der menschlichen Person läßt sich keine ihrer würdige Gesellschaft aufbauen. Diese Lektion des Zweiten Weltkrieges ist noch nicht vollkommen und überall zur Kenntnis genommen worden. Und doch bleibt sie - und muß bleiben - als Mahnung für das nächste Jahrtausend“ (Botschaft anläßlich des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa, Nr. 7; in: O.R.,dt. 19.5.1995). Erflehen wir für alle vom Gott des Friedens das Geschenk der Bekehrung des Herzens, die unerläßliche Voraussetzung für jede aufrichtige Versöhnung und für die Festigung eines ehrenhaften und stabilen Friedens. Mit diesen Wünschen übermittle ich meinen Gruß an die Veranstalter und die Künstler und an alle, die dem Konzert beiwohnen, und erteile allen von Herzen meinen Segen. Aus Castel Gandolfo, 5. August 1995 Joannes Paulus PP. II 1041 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Paul VI. - Zeuge der Verklärung Predigt in Castel Gandolfo am 6. August „Auf seinem Antlitz leuchtet die Herrlichkeit des Vaters“ (Antwortpsalm). 1. Die eben vorgelesene Stelle aus dem zweiten Petrusbrief legt uns das Zeugnis des Apostels über das Ereignis der Verklärung vor: Petrus, der - wie das Evangelium ausführlicher berichtet - von Jakobus und Johannes begleitet war, sah mit eigenen Augen, wie das Antlitz Christi sein Aussehen veränderte und wie sein Gewand leuchtend weiß wurde (vgl. Lk 9,29); er hörte mit eigenen Ohren die Stimme des Vaters sagen: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (2 Petr 1,17). Liebe Brüder und Schwestern, wie in vergangener Zeit die ersten Christen, an die sich Petrus unmittelbar wandte, so sind heute wir die Empfänger dieses Zeugnisses, das offenbar wurde, um unseren Glauben, unsere Freude und unsere Gemeinschaft zu nähren und zu stärken. Während wir am Tag des Herrn dieses faszinierende Geheimnis des Lebens Christi feiern, gedenken wir der unvergeßlichen Gestalt meines verehrten Vorgängers Papst Paul VI., der gerade an diesem Tag vor siebzehn Jahren aus dieser Welt in die Ewigkeit hinüberging. Er war auf seine Weise ein Zeuge der Verklärung. Was bei Petrus sichtbare und geschichtliche Erfahrung war, das war beim Diener Gottes Paul VI. Erfahrung des im Glauben erlebten Geheimnisses. Eines Geheimnisses, das durch die Kraft des Heiligen Geistes in der sakramentalen Vermittlung der Kirche lebendig und gegenwärtig bleibt. 2. Paul VI. war ein Zeuge der Verklärung vor allem als Mann des Gebetes. Der Evangelist Lukas, der dieser geistlichen Dimension besondere Aufmerksamkeit widmete, unterstreicht, daß Jesus „auf einen Berg stieg, um zu beten“ {Lk 9,28), und daß er verklärt wurde, „während er betete“ {Lk 9,29). Das Gebet Christi ist ein Abgrund der Wahrheit und der Liebe, der sich unserem Blick entzieht; doch das Geheimnis, das wir heute feiern, gestattet uns, sozusagen dessen Koordinaten zu erfassen. Diese sind der Gehorsam Christi gegenüber dem Vater und seine Opferhingabe für uns Sünder. Weil Jesus sich mit seinem ganzen Menschsein in den Liebes willen des Vater hineinbegibt, dem er folgt bis zur Hingabe des Lebens am Kreuz, wird er verklärt und offenbart die Dimension der Herrlichkeit, die ihm als Sohn Gottes eigen ist. Die leuchtende Erscheinung ist die sichtbare Äußerung der unsichtbaren und unsagbaren Einheit der Menschheit Christi mit Gott im Heiligen Geist. Wieder auf die Gestalt Pauls VI. zurückkommend, können wir mit Freude und Dank bestätigen, daß der Herr ihm die Gabe geschenkt hat, das Gebet Christi nachzuahmen und sich seine wesentlichen Dimensionen zu eigen zu machen. Die erhabene Spiritualität, die ihn auszeichnete, brachte ihn nie dazu, sich der Geschichte und ihren dramatischen Ereignissen zu entziehen, sie drängte ihn viel- 1042 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mehr dazu, sie als etwas ihm Eigenes auf sich zu nehmen und durch den Glauben und die Liebe in Elemente des göttlichen Heilsplanes zu „verklären“. 3. Papst Paul VI. war auch insofern Zeuge der Verklärung, als er Verkünder der Herrschaft Christi über die Geschichte war. Die erste Lesung des heutigen Hochfestes aus dem Buch Daniel hat uns die geheimnisvolle Gestalt des „Menschensohns“ gezeigt - wir wissen, daß Jesus diese Bezeichnung auf sich selbst anwendet -, dem der „Hochbetagte“ - worin der Vater deutlich wird - „Herrschaft, Würde und Königtum“ übergibt. Der Prophet bemerkt dazu: „Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter“ {Dan 7,14). Paul VI. war ein unerschrockener Zeuge der Königsherrschaft Christi. Zu einer Zeit, wo breite Schichten der Gesellschaft die Früchte eines jahrhundertelangen rationalistischen und positivistischen Irrweges ernteten und bei den Widersprüchen eines absoluten Relativismus landeten, zögerte er nicht, den Dialog mit der zeitgenössischen Kultur aufzunehmen, um mit Nachdruck das christliche Absolute neu zu bekräftigen, nämlich die heilbringende Wahrheit von Christus, dem Herrn. Im „Menschensohn“ wußte er wie Daniel und wie die Apostel das Antlitz Gottes, des Herrn der Zeiten, zu betrachten. Und er wußte der in unserer Zeit so starken Versuchung zu widerstehen, Gott nach Menschenmaß zu messen; vielmehr war er während seines ganzen Pontifikates darauf bedacht, den Menschen nach dem Maß Gottes in Christus Jesus zu messen und so den wahren christlichen Humanismus zu fördern. 4. Zeuge der Verklärung sein, hat für den verstorbenen Papst überdies bedeutet, leidenschaftlich die wahre Schönheit zu pflegen, jene Schönheit, die ihr Urbild in Christus hat, sich aber auch im Menschen und in der Natur offenbart und in der künstlerischen Interpretation zu einer Art Verklärung gelangt. Paul VI. war ein Mensch mit bemerkenswertem ästhetischen Empfinden, von jener Ästhetik, die ein bekannter zeitgenössischer Theologe als „theologisch“ definiert hätte. In der Literatur, in der bildenden Kunst und in der Musik wußte er nach den Spuren jener Herrlichkeit zu suchen, die sich vollkommen und einzigartig im menschgewordenen Wort enthüllt und die im Ostergeheimnis, dem „Drama der Liebe“, ihre höchste, paradoxe und vollendete Offenbarung gefunden hat. 5. „Auf seinem Antlitz leuchtet die Herrlichkeit des Vaters“. Der Antwortpsalm spricht von Christus, dem Herrn. Auf seinem verklärten Antlitz leuchtet die göttliche Herrlichkeit. Möge der verehrte Diener Gottes Papst Paul VI., so beten wir, das glorreiche Antlitz jenes Christus schauen, an den er während seiner irdischen Pilgerschaft mit leidenschaftlicher Treue geglaubt hat. Möge ihm der Glanz der verherrlichten Menschheit des Erlösers ewige Seligkeit im Frieden des Himmels bescheiden. Amen. 1043 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Frieden nicht auf Unterdrückung und Gewalt aufbauen Appell für Versöhnung in Europa nach dem Konzert der Akademie „Ottorino Respighi“ im Hof der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo, am Abend des 13. August Am Ende dieses schönen Konzertes möchte ich alle Anwesenden herzlich grüßen und denen, die eine so herrliche Aufführung ermöglicht haben, lebhaften Dank aussprechen. Einen besonderen Gruß richte ich an Maestro Albert Lysy, Leiter der International Menuhin Music Academy in Gstaad; an den Präsidenten und an den „Direttore arti-stico“ der Accademia Musicale Ottorino Respighi sowie an die jungen Künstler des Kammerorchesters Camerata Lysy der Schule von Gstaad. Ich grüße auch die Persönlichkeiten aus der Welt der Kultur und der Musik, die aus Argentinien gekommen sind, sowie alle, die an dieser künstlerischen Veranstaltung teilgenommen haben. Das Konzert dieses Abends, das zu den Initiativen der von der Accademia Musicale Ottorino Respighi unter der Schirmherrschaft des Päpstlichen Rats für die Kultur veranstalteten 17. Festa Musica Pro Mundo Uno gehört, wurde dank der tatkräftigen und qualifizierten Zusammenarbeit von Personen unterschiedlicher Kompetenz, Erfahrung, Herkunft und Altersklasse realisiert: anerkannte Künstler und junge Talente, Preisträger internationaler Wettbewerbe aus West- und aus Osteuropa und aus anderen Kontinenten, geeint durch die Liebe zur Musik und durch den Willen, ihre Fähigkeiten zu vereinen, um Botschaften der Schönheit und der Harmonie darzubieten. Die aufgeführten Musikstücke haben uns mit einer Kunst in Berührung gebracht, die - sich auf einen vom christlichen Glauben zutiefst gezeichneten Kontext berufend - dazu einlädt, auf den großen menschlichen und evangelischen Werten die Zukunft Europas und der Menschheit zu bauen. Während in verschiedenen Regionen der Welt leider der Krieg wütet und auch -nicht fern von uns - die Illusion genährt wird, Frieden auf der Überwältigung und Unterdrückung nationaler und personaler Identitäten aufbauen zu können, erinnert uns dieses Konzert, Frucht der einmütigen und motivierten Aktion von so verschiedenen Personen und Instrumenten, hingegen daran, daß der Friede nur dann möglich ist, wenn jeder - indem er die Reichtümer der anderen annimmt - sich einsetzt, sein Bestes zu geben und seiner Berufung nachzukommen in einer Haltung geduldigen und entschlossenen Dialogs. Ich wünsche von Herzen, daß die Musikfeste pro Mundo Uno und die Accademia Musicale Ottorino Respighi weiterhin viele junge Europäer durch die Musik zu den Idealen des Friedens und der Solidarität erziehen, damit sie auch mit ihrem künstlerischen Beitrag eine freiere und brüderlichere Welt aufbauen können. 1044 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesen Gefühlen erbitte ich vom Herrn reiche Gaben des Wohlstands und des Friedens, empfehle alle Anwesenden dem mütterlichen Schutz Marias, der Allheiligen, an und erteile jedem und seinen Angehörigen einen besonderen Apostolischen Segen. Marias Aufnahme in den Himmel — Teilnahme am Ostergeheimnis Predigt in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 1. „Eine Frau, mit der Sonne bekleidet“ (Offb 12,1). Am heutigen Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel bezieht die Kirche diese Worte aus der Offenbarung des hl. Johannes auf Maria. Sie erzählen uns in gewissem Sinn den abschließenden Teil der Geschichte der „Frau, mit der Sonne bekleidet“: Sie sprechen uns von Maria, die in den Himmel aufgenommen ist. Passend verknüpft die Liturgie diese Worte daher mit einer Begebenheit am Anfang der Geschichte Marias: Mit dem Geheimnis ihres Besuches im Haus der hl. Elisabet. Dieser Besuch fand kurz nach der Verkündigung statt, wie wir im Lukasevangelium lesen: „Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa“ (Lk 1,39). Nach einer Überheferung handelt es sich um die Stadt Ain-Karim. Maria trat in das Haus des Zacharias und grüßte Elisabet. Wollte sie ihr wohl erzählen, was ihr geschehen war, wie sie auf das Wort des Engels Gabriel ihre Zustimmung gegeben hatte und so durch den Heiligen Geist Mutter des Sohnes Gottes geworden war? Elisabet jedoch kam ihr zuvor, und unter dem Wirken des Heiligen Geistes setzte sie mit ihren Worten den Gruß des Engels fort. Gabriel hatte gesagt: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mir dir“ (Lk 1,28); Elisabet tritt nun gewissermaßen an seine Stelle und fügt hinzu: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42). So also entsteht zwischen der Verkündigung und der Heimsuchung das am meisten verbreitete Mariengebet: das Gegrüßt seist du, Maria. Liebe Brüder und Schwestern! Heute, am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, kehrt die Kirche in Gedanken nach Nazaret, dem Ort der Verkündigung, zurück, und sie begibt sich im Geist zum Haus des Zacharias in Ain-Karim und grüßt an der Türschwelle die Muttergottes mit den Worten: „Gegrüßt seist du, Maria!“ Und mit Elisabet ruft sie aus: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Maria hat geglaubt mit dem Glauben der Verkündigung, mit dem Glauben der Heimsuchung, mit dem Glauben der Nacht von Betlehem und des Weihnachtsereignisses. Heute glaubt sie mit dem Glauben der Aufnahme in den Himmel, oder besser: Jetzt, in der Herrlichkeit des Himmels, 1045 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaut sie von Angesicht zu Angesicht das Geheimnis, von dem ihr irdisches Leben durchdrungen war. 2. An der Schwelle des Hauses des Zacharias entstand auch der marianische Hymnus des Magnificat. Die Kirche wiederholt ihn in der Liturgie des heutigen Tages, denn sicherlich hatte Maria ihn auch - und mit noch größerem Grund - bei ihrer Aufnahme in den Himmel auf den Lippen: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,46-49). Maria preist Gott, und von ihm wird sie gepriesen. Es ist ein Lobpreis, der sich weit herum in der ganzen Welt verbreitet hat. Ja, wie viele Marienheiligtümer sind in jeder Region der Erde dem Geheimnis der Aufnahme Marias in den Himmel geweiht! Es wäre tatsächlich schwierig, sie alle aufzuzählen. „Maria wurde aufgenommen in den Himmel; es frohlocken die Scharen der Engel“, verkündet die heutige Liturgie im Gesang zum Evangelium. Aber es frohlocken auch die Scharen der Menschen in allen Teilen der Welt. Und zahlreich sind die Nationen, die die Muttergottes als ihre Mutter und Königin betrachten. Denn das Geheimnis der Aufnahme Marias in den Himmel ist verbunden mit dem ihrer Krönung zur Königin des Himmels und der Erde. „Die Königstochter ist herrlich geschmückt“ - verkündet der Antwortpsalm der heutigen Liturgie (Ps 45,14) -, weil sie zur Rechten ihres Sohnes erhoben ist: „Die Königin erstrahlt, Herr, zu deiner Rechten“ (Antwortvers zum Psalm). 3. Die Aufnahme Marias in den Himmel stellt eine einzigartige Teilnahme an der Auferstehung Christi dar. In der heutigen Liturgie hebt der hl. Paulus diese Wahrheit hervor und verkündet die Freude über den Sieg, den Christus in seiner Auferstehung über den Tod davongetragen hat. „Denn er muß herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod“ (7 Kor 15,25-26). Der Sieg über den Tod, der am Tag der Auferstehung Christi offenkundig geworden ist, betrifft heute in besonderer Weise seine Mutter. Wenn der Tod keine Macht über ihn -über ihren Sohn - hat, dann hat er auch keine Macht über die Mutter, das heißt über die, die ihm das irdische Leben gegeben hat. Im ersten Brief an die Korinther gibt Paulus sozusagen einen vertiefenden Kommentar zum Geheimnis der Aufnahme Marias in den Himmel. Er schreibt: „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören“ (7 Kor 15,20-23). Maria ist die Erste unter denen, „die zu ihm gehö- 1046 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ren“. Im Geheimnis der Aufnahme in den Himmel ist Maria die Erste, der die Himmelsherrlichkeit zuteil wird. Die Aufnahme in den Himmel ist gewissermaßen die Krönung des Ostergeheimnisses. Christus ist auferstanden und hat den Tod, die Folge der Ursünde, besiegt; und er nimmt in seinen Sieg alle hinein, die sich im Glauben zu seiner Auferstehung bekennen: an erster Stelle seine Mutter, die durch den Erlösungstod ihres Sohnes am Kreuz vom Erbe der Ursünde befreit ist. Heute umarmt Christus Maria, die vom Augenblick ihrer Empfängnis an Unbefleckte. Er nimmt sie im verherrlichten Leib in den Himmel auf - für sie gewissermaßen eine Vorverlegung des Tages seiner glorreichen Wiederkunft auf die Erde, des Tages der von der Menschheit erwarteten allgemeinen Auferstehung. Die Aufnahme Marias in den Himmel ist so etwas wie eine großartige Vorwegnahme der endgültigen Vollendung aller Dinge in Gott, dem entsprechend, was der Apostel schreibt: „Danach kommt das Ende, wenn er [Christus] ... seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt ... damit Gott herrscht über alles und in allem“ (7 Kor 15,24.28). Herrscht Gott nicht ganz in ihr, der unbefleckten Mutter des Erlösers? Ich grüße dich, Tochter Gottes, des Vaters! Ich grüße dich, Mutter des Sohnes Gottes! Ich grüße dich, mystische Braut des Heiligen Geistes! Ich grüße dich, Tempel der Allerheiligsten Dreifaltigkeit! 4. „Der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und in seinem Tempel wurde die Lade seines Bundes sichtbar ... Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Ojfb 11,19-12,1). Diese Vision aus der Offenbarung des Johannes wird in gewissem Sinn als das letzte Wort der Ma-riologie betrachtet. Die Aufnahme in den Himmel aber, die hier großartig ausgedrückt wird, hat gleichzeitig einen ekklesiologischen Sinn. Sie betrachtet Maria nicht nur als Königin alles Geschaffenen, sondern als Mutter der Kirche. Und als Mutter der Kirche hört Maria, in den Himmel aufgenommen und im Himmel gekrönt, nicht auf, in die Geschichte der Kirche, die Geschichte des Kampfes zwischen dem Guten und dem Bösen, „mit einbezogen“ zu sein. Der hl. Johannes schreibt: „Ein anderes Zeichen erschien am Himmel: ein Drache, groß und feuerrot“ (Offb 12,3). In diesem Drachen erkennt die Heilige Schrift von den ersten Kapiteln des Buches Genesis an den Feind der Frau (vgl. Gen 3,14). In der Offenbarung des Johannes stellt sich dieser Drache vor die Frau, die gebären soll, entschlossen, ihr Kind zu verschlingen, sobald es geboren ist (vgl. Offb 12,4). Man denkt spontan an die Nacht von Betlehem und an die Bedrohung, die der schändliche Erlaß des Herodes gegen das Leben des neugeborenen Jesus richtete mit dem Befehl, „in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren [zu] töten“ (Mt 2,16). Aus dem, was das Zweite Vatikanische Konzil geschrieben hat, wird in einzigartiger Weise das Bild der Gottesmutter sichtbar, deutlich eingefügt in das Geheimnis Christi und der Kirche. Maria, die Mutter des Sohnes Gottes, ist zugleich die Mutter aller Menschen, die in ihrem Sohn Adoptivkinder des himmli- 1047 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Vaters geworden sind. Gerade hier zeigt sich der unaufhörliche Kampf der Kirche. Wie eine Mutter, Maria ähnlich, gebiert die Kirche Kinder zum göttlichen Leben; und ihre Kinder, Söhne und Töchter im eingeborenen Sohn Gottes, sind ständig vom Haß des „roten Drachen“, nämlich des Satans, bedroht. Der Verfasser der Offenbarung zeigt das Realistische dieses Kampfes, der sich in der Geschichte fortsetzt, hebt aber auch die Aussicht auf den endgültigen Sieg durch die Frau hervor, den Sieg Marias, die unsere Fürsprecherin und die mächtige Verbündete aller Nationen der Erde ist. Der Verfasser der Offenbarung sagt von diesem Sieg: „Da hörte ich eine laute Stimme im Himmel rufen: Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten“ (12,10). Das Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel stellt uns die Herrschaft unseres Gottes und die Macht Christi über die gesamte Schöpfung vor Augen. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Ich möchte nun einen herzlichen Gruß an euch alle richten, die ihr hier anwesend seid, Pfarrangehörige meines Castel Gandolfo, Pfarrangehörige dieser Pfarrei, der während der Ferien auch ich angehöre. Ich grüße von Herzen Kardinal Angelo Sodano, meinen engsten Mitarbeiter, Ti-tularbischof der suburbikarischen Diözese Albano. Ich grüße den Hirten dieser Diözesangemeinschaft, den lieben Msgr. Dante Bemini, der in diesen Tagen den fünfzigsten Jahrestag - das goldene Jubiläum - seiner Priesterweihe feiert. Mit Freuden entbiete ich ihm meine herzlichsten Segenswünsche und danke ihm für seinen Eifer und seine Hochherzigkeit im bischöflichen Dienst. Sodann grüße ich den Pfarrer und danke ihm für die Worte, die er zu Beginn der Feier an mich richtete. Ich grüße die Obern und die Priester der Salesianer und die Gläubigen der Pfarrei Castel Gandolfo, die mir so nahesteht. Zusammen loben wir die Mutter Christi und der Kirche, verbunden mit allen, die sie in jedem Winkel der Erde verehren. Wie sehr wünsche ich, daß überall und in jeder Sprache die Freude über die Aufnahme Marias in den Himmel zum Ausdruck komme! Wie sehr wünschte ich, daß aus diesem Geheimnis ein lebendiges Licht über der Kirche und über der Menschheit aufstrahlen möge! Jeder Mann, jede Frau mögen sich bewußt werden, daß sie berufen sind, auf verschiedenen Wegen an der himmlischen Herrlichkeit ihrer wahren Mutter und Königin Anteil zu haben. Jeder Mann und jede Frau sind berufen, Anteil zu haben an der Herrlichkeit, wie der hl. Irenäus sagt: „Gloria Dei vi-vens homo, vita autem hominis visio Dei - die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch, das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes.“ Das sind Worte, die unsere persönliche Berufung in der Welt und in der Kirche in sich schließen. Gelobt sei Jesus Christus! 1048 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einladung zur Jugendwallfahrt nach Loreto Worte an die Pilger in Castel Gandolfo am 16. August Liebe Brüder und Schwestern, danke für euren Besuch. An diesem Tag, der in einem gewissen Sinn die Erfahrung des Festes der Aufnahme der Jungfrau Maria in den Himmel verlängert, freut es mich, euch zu empfangen, und ich richte an alle einen herzlichen Gruß. Das Bild der in der Himmel Aufgenommenen, die im österlichen Licht Christi erstrahlt, läßt uns die Menschenperson in ihrer authentischen Wahrheit und Schönheit nach dem ursprünglichen Plan Gottes betrachten. Blicken wir auf Maria, meine Lieben! Die Mutter Christi, bereits auferstanden und in Ihm am ewigen Leben teilhabend, beschützt ihre Kinder von oben herab. In Maria, aufgenommen in den Himmel, sehen wir die Wirklichkeit unseres gegenwärtigen Lebens und das uns im Plan des göttlichen Heils beschiedene Los. Mögen diese Tage, die für viele der Entspannung und der notwendigen Erholung gelten, uns helfen, diese Wahrheiten zu vertiefen, die unserem täglichen Dasein einen authentischen Sinn geben. Wir haben es in der Tat sehr nötig, dem Leben Gelegenheit zur Besinnung und zum Gebet zu bieten. Und dies ist gewiß eine sehr günstige Zeit, dem Geist solche Nahrung zu geben. Liebe Brüder und Schwestern, an Maria zu denken und unter euch viele Jugendlichen zu sehen bringt mich im Geist nach Loreto. In weniger als einem Monat wird beim Heiligen Haus eine große Wallfahrt der Jugendlichen Europas stattfinden, die eine wichtige Etappe auf dem Weg der Vorbereitung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 sein wird. Wir werden Zusammensein und ideell die Atmosphäre der Weltjugendtage verlängern. Ich lade insbesondere die Jugendlichen ein, sich innerlich auf die Feiern am Samstag und Sonntag, 9. und 10. September, vorzubereiten, und hoffe, daß wirklich viele die Möglichkeit haben werden, an einem so bedeutungsvollen Anlaß teilzunehmen. Allen einen besonderen Segen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Für euren Besuch in Castel Gandolfo danke ich euch und grüße euch sehr herzlich. Das gestrige Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel lenkt unseren Blick auf die Gottesmutter, an der Gottes Heilsplan, wie er für uns alle vorgesehen ist, bereits verwirklicht wurde. In weniger als einem Monat pilgern viele junge Menschen aus Europa nach Loreto. Dies wird eine wichtige Etappe auf dem Weg der Vorbereitung zum großen Jubeljahr 2000 darstellen. Euch und euren Lieben zu Hause erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1049 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Religion - oft ein Vorwand für Fundamentalismus Ansprache an die internationale Kommission des Franziskanerordens für die Beziehungen zu den Muslimen am 26. August Liebe Brüder aus dem Franziskanerorden, liebe Freunde! 1. Mit Freude empfange ich euch, die ihr an dem von der internationalen Kommission des Franziskanerordens für die Beziehungen zu den Muslimen veranstalteten Kongreß teilnehmt. Eure Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, die Präsenz der Franziskaner unter den Muslimen zu fördern und auf die Fragen der Christen, die unter ihnen leben und arbeiten, eine Antwort zu geben. Die Organisatoren aus eurem Orden haben nützlicherweise Mitglieder anderer Ordensgemeinschaften eingeladen, an den Arbeiten teilzunehmen, um durch ihre Kompetenz eure Reflexionen zu bereichern. Ihr seid aus 28 Ländern Afrikas, des Mittleren Ostens, Asiens und Europas gekommen und könnt eine reiche Erfahrung miteinander teilen mit der Hilfe herausragender Experten in den Fragen, die ihr studiert. Ich danke euch, daß ihr dem Nachfolger Petri habt begegnen wollen, um ihn an euren Sorgen Anteil nehmen zu lassen. 2. Das Engagement der Franziskaner im Dialog mit den Muslimen ist nicht neu: Es geht in der Tat auf den hl. Franz von Assisi zurück, welcher persönlich den muslimischen Sultan Al-Kamel in Ägypten aufsuchte. Der hl. Franz hat seinen Söhnen Weisungen hinterlassen, wie sie ihre Beziehungen zu den Muslimen aufbauen sollten. So seid ihr, wenn ihr heute den interreligiösen Dialog, insbesondere mit den Anhängern des Islam, fortsetzt, einem Charisma eures Ordens treu. Es freut mich, zu sehen, wie das Engagement der Franziskanerfamilie in diesem interreligiösen Dialog, der Teil des Evangelisierungsauftrags der Kirche ist (vgl. Enzyklika Redemptoris missio, Nm. 55-57), seit einigen Jahren eine Erneuerung erfährt. 3. Ihr habt für euren Austausch ein heikles Thema gewählt: Integralismen im Islam und im Christentum. Tatsächlich begegnet man solchen Haltungen in verschiedenen Milieus; dieses festzustellen gestattet euch, eine objektive Analyse des Phänomens im Islam vorzunehmen. In den Gebieten, wo ihr euer Amt verseht, habt ihr die direkte Erfahrung der Auswirkungen des muslimischen Fundamentalismus, der sich besonders seid einigen Jahren zeigt. Ihr müßt Distanz und ein klares Urteil bewahren, um eurer Sendung in einem solchen Kontext nachkommen zu können. Das Phänomen des Integralismus muß in all seinen Motivationen und Manifestationen studiert werden. Die Analyse der politischen sozialen und wirtschaftlichen Situationen zeigt, daß das Phänomen nicht nur religiös ist, sondern daß in vielen Fällen die Religion zu politischen Zwecken, oder um Schwierigkeiten sozialer und wirtschaftlicher Natur zu 1050 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kompensieren, mißbraucht wird. Es kann keine wirklich dauerhafte Antwort auf das Phänomen des Integralismus geben, solange die Probleme, die ihn hervorrufen oder nähren, nicht gelöst sind. Wenn man die vom Integralismus ausgelöste Intoleranz und Gewalt verurteilen muß, so ist es letztlich wichtig, einen Blick des Glaubens und der Liebe auf die Menschen zu richten, die solche Haltungen einnehmen und die häufig darunter leiden. 4. Eure Präsenz und das Zeugnis, das ihr in muslimischen Ländern für Christus ablegt, sind für die Kirche wertvoll. Ich weiß, daß das nicht immer ohne Schwierigkeiten für euch geht; doch ermutige ich euch, fortzufahren, die Gute Nachricht der Liebe Christi, des Retters für alle Menschen, zu bringen. Hat er doch zu seinen Jüngern gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Von Herzen erteile ich euch den Apostolischen Segen auch für die Gläubigen, unter denen ihr eure Sendung verseht. Ganzer Einsatz der Kirche flir die Frauen Ansprache an die Delegation des Hl. Stuhls bei der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking (4.-15. September) am 29. August Liebe Frau Glendon, liebe Mitglieder der Delegation des Hl. Stuhls bei der 4. Weltfrauenkonferenz! Während Sie sich auf Ihre Abreise nach Peking vorbereiten, ist es mir eine große Freude, mit Ihnen, der Leiterin der Delegation des Hl. Stuhls bei der 4. Weltfrauenkonferenz und den anderen Mitgliedern der Abordnung, zusammenzutreffen. Durch Sie übermittle ich dem Generalsekretär der Konferenz, den teilnehmenden Nationen und Organisationen wie auch der Obrigkeit des Gastgeberlandes, der Volksrepublik China, meine besten Wünsche und die Zusicherung meines Gebets. Ich hoffe auf einen erfolgreichen Ausgang dieser Konferenz und die Verwirklichung ihres Ziels, allen Frauen in der Welt „Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden“ durch volle Achtung vor ihrer gleichen Würde und ihrer unveräußerlichen Menschenrechte zu sichern, damit sie ihren vollwertigen Beitrag für das Wohl der Gesellschaft leisten können. In den vergangenen Monaten habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten auf die Standpunkte des Hl. Stuhls und die Lehre der katholischen Kirche im Hinblick auf die Würde, die Rechte und die Verantwortungen der Frauen in der heutigen Gesellschaft hingewiesen: in der Familie, am Arbeitsplatz und im öffentlichen Leben. Ich habe mich am Leben und Zeugnis jener großen Frauen in der Kirche inspiriert, die im Laufe der Jahrhunderte als Mütter, Arbeiterinnen, als Verantwortliche auf 1051 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sozialem und politischem Gebiet, im Bereich der Fürsorge, als Denkerinnen und geistige Führerinnen bahnbrechende Arbeit in der Gesellschaft geleistet haben. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat die Teilnehmerstaaten der Konferenz in Peking aufgefordert, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Stellung der Frau anzukündigen. In Anbetracht der verschiedenen Bedürfnisse der Frauen in der heutigen Welt möchte der Hl. Stuhl eine spezielle Option im Zusammenhang mit solchen Maßnahmen Vorbringen: eine Option zugunsten von Mädchen und jungen Frauen. Daher rufe ich alle katholischen Sozial- und Bildungseinrichtungen zu einer gemeinsamen und vordringlichen Strategie auf, die sich in den kommenden Jahren mit den Problemen junger Frauen und Mädchen, insbesondere den ärmsten unter ihnen, befassen soll. Es ist beunruhigend festzustellen, daß in unserer heutigen Welt die simple Tatsache eine Frau - und nicht ein Mann - zu sein die Aussicht einschränkt, überhaupt geboren zu werden oder die Kindheit zu überleben; ebenso kann diese Tatsache unzulängliche Ernährung und Gesundheitsfürsorge bedeuten; es besteht in stärkerem Maße die Möglichkeit des Analphabetentums, und oft haben Frauen nur geringen oder gar keinen Zugang selbst zur einfachen Grundschulausbildung. Das Engagement für die Betreuung und Ausbildung von Mädchen - als gleichwertiges Recht - ist von grundlegender Bedeutung für die Förderung der Frau. Aus diesem Grund appelliere ich heute: - an alle mit der katholischen Kirche verbundenen Bildungseinrichtungen, gleiche Eintrittsbedingungen für Mädchen zu gewährleisten, die Erziehung von Jungen so zu gestalten, daß sie lernen, die Würde und den Wert der Frauen zu achten, benachteiligten Mädchen zusätzliche Möglichkeiten zu bieten und jene Beweggründe zu erkennen und zu beseitigen, die Mädchen vorzeitig zum Abbruch ihrer Ausbildung veranlassen. - Ich rufe die für das Gesundheitswesen verantwortlichen Institutionen auf, insbesondere diejenigen, die sich der primären Gesundheitsfürsorge annehmen, ihren Dienst durch ein verbessertes grundlegendes Gesundheits- und Bildungswesen für Mädchen zu prägen. - Ich appelliere an die Wohltätigkeits- und Entwicklungsorganisationen der Kirche, bei der Zuweisung von Hilfsmitteln und Personal den besonderen Bedürfnissen der Mädchen Vorrang zu geben. - Ich wende mich auch an die weiblichen Ordensgemeinschaften, damit sie, in treuer Einhaltung des von ihren Gründern vermittelten besonderen Charismas und Auftrags, jene Mädchen und junge Frauen erkennen und ihnen beistehen mögen, die ein Randdasein in der Gesellschaft führen sowohl physisch wie auch moralisch am meisten gelitten und die geringsten Chancen haben. Ihr Werk des Krankendienstes, der Fürsorge und der Erziehung, ihre Hinwendung zu den Ärmsten ist heute in allen Teilen der Welt notwendig. 1052 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - Ich rufe die katholischen Universitäten und alle höheren Bildungsanstalten auf, bei der Vorbereitung der zukünftigen Verantwortlichen der Gesellschaft darauf zu achten, sie in ganz besonderer Form für die Belange junger Frauen zu sensibilisieren. - Mögen Frauen und Frauenorganisationen in der Kirche, die auch in der Gesellschaft aktiv sind, ein Beispiel der Solidarität sein, damit ihre Führung und Lenkung Mädchen und jungen Frauen von Nutzen sein kann. Als Jünger Christi, der sich mit dem geringsten seiner Kinder identifiziert, können wir die Bedürfnisse diskriminierter Mädchen und Frauen, insbesondere deijeni-gen, die Gewalttätigkeiten zum Opfer gefallen sind und deren Würde mißachtet wird, nicht ignorieren. Im Geiste jener großen christlichen Frauen, die das Leben der Kirche jahrhundertelang erleuchtet und diese oft zu ihrem wesentlichen Auftrag und Dienst zurückgerufen haben, appelliere ich an die Frauen der heutigen Kirche, ihre Führungsrolle im Dienst neu zu gestalten, und rufe alle kirchlichen Institutionen auf, diesen Beitrag der Frauen willkommen zu heißen. Ich appelliere an alle Männer in der Kirche, dort wo es notwendig ist, einen Sinneswandel zu vollziehen und, den Forderungen ihres Glaubens folgend, eine positive Einstellung Frauen gegenüber anzunehmen. Ich fordere sie auf, sich mehr und mehr jener Diskriminierungen bewußt zu werden, denen Frauen, insbesondere Mädchen, ausgesetzt sind und zu ergründen, worauf die Haltung der Männer, ihre mangelnde Sensibilität oder ihre Verantwortungslosigkeit zurückzuführen ist. Nochmals möchte ich durch Sie meine besten Wünsche an alle weitergeben, die für die Konferenz von Peking die Verantwortung tragen, und ihnen meine Unterstützung, die des Hl. Stuhls und der Institutionen der katholischen Kirche zusi-chem für einen erneuerten Einsatz aller für das Wohl der Frauen in der Welt. Konsequenzen liturgischen Dienstes: Frieden geben — Frieden hinterlassen Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Ministrantenwallfahrt - Coetus International^ Ministrantium - am 29. August Liebe Jungen, liebe Mädchen, liebe Jugendliche! 1. Ihr seid wiederum in Rom, um am internationalen Ministrantentreffen teilzunehmen. Euch alle empfange ich mit Freude. Ihr seid - jeder für seinen Teil - die Hoffnung und die Zukunft der Kirche auf dem Weg, der uns zur Fülle des Lebens in Christus hinführt. 1053 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herzlich danke ich Bischof Pierre Raffln, eurem Präsidenten, für die Worte, die er im Namen aller soeben an mich gerichtet hat. Wie er gesagt hat, begegne ich gern jungen Menschen und ermutige ich sie gern, weil ihr Leben außergewöhnlich sein kann, wenn sie zulassen, daß Gott ihm echten Sinn gibt. Dieser Sinn, liebe Freunde, wurzelt für euch in der aktiven Teilnahme an der Liturgie. Ihr seid darum bemüht, den Altardienst während der Sonntagsmesse zu versehen. Seid dieser so kostbaren Verpflichtung weiterhin mit aller Hingabe treu! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr es die Christen eurer Pfarreien, eurer Ka-planeien und der verschiedenen Gemeinschaften, die ihr zahlreich aufsucht, freut zu sehen, daß der Altardienst mit Würde, Kompetenz und Liebe versehen wird. 2. Euer Kongreß hat dieses Jahr einen Satz aus dem Evangelium, ein Wort Jesu selbst, zum Thema: „Selig, die Frieden stiften“ (Mt 5,9). Das, liebe Freunde, ist ein wunderbares und anspruchsvolles Programm! Es ist ein Motto, das jeder von euch als Leitsatz für sein Leben nehmen kann: sowohl in der Christengemeinde als auch in der Schule, sowohl auf der Straße als auch zu Hause. Ihr kennt ja die Rolle, die der Friede in der Liturgie einnimmt. Während der Messe wiederholt der Zelebrant kurz vor der Kommunion die Worte Jesu selbst: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27). Und gleich darauf bietet sich Christus Jesus, der „unser Friede“ (Eph 2,14) ist, als Speise dar, um unser Leben mit dem seinen zu vereinen. Ihr seht also, wie wesentlich der Friede für das Leben der Kirche ist, wie sehr er vom Herrn gewünscht wird und zugleich Frucht eines Einsatzes ist. Meine Lieben, ihr seid die, „die Frieden stiften“, ausgehend von der Liturgie. Bemüht euch, den Dienst für Gott über eure persönliche Befriedigung zu stellen. Seid offen für das, was euch die anderen sagen, unnachgiebig in der Wahrheit, ohne es aber auch je an Liebe fehlen zu lassen. Der Papst hatte auf italienisch begonnen und fuhr auf deutsch fort: 3. Ihr wißt, daß unsere Zeit in besonderer Weise das begünstigt, was die Entwicklung der Kommunikationsmittel und die Aneignung der Kultur betrifft. Ein jeder kann heute in kurzer Zeit Zugang zu den Informationsquellen haben. Die wissenschaftlichen Arbeiten haben sehr stark zugenommen, insbesondere um den Reichtum der christlichen Tradition zu erschließen. Zweifellos habt ihr noch nicht das notwendige Alter, um lange Studien über die Liturgie anzustellen. Dennoch gibt es gute Veröffentlichungen, die allen den Reichtum der christlichen Symbole zugänglich machen können. Zögert also nicht, meine lieben Freunde, Zeit darauf zu verwenden, um euch in den Reichtum der Überlieferung im Bereich der Liturgie zu vertiefen. Seid nicht nur Diener am Altar, sondern Freunde des Altars, weil ihr ergriffen worden seid von dem, den er repräsentiert. In der Geschichte hat der Altar verschiedene Formen erlebt, aber er war immer das Symbol Christi, der „Altar, Priester und Opferlamm“ ist, wie die Liturgie sagt. 1054 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Papst wandte sich an die ungarischen Teilnehmer in ihrer Sprache: 4. Mit Zuneigung grüße ich die Bischöfe. Und einen herzlichen Gruß euch allen ungarischen Ministranten: den hier anwesenden und den zu Hause gebliebenen. Seid euch der Größe und der Bedeutung eures Dienstes am Altar des Herrn bewußt. In der hl. Messe feiern wir das große Geheimnis unseres Glaubens: Christus erneuert sein Kreuzesopfer und gibt denen, die an ihn glauben, seinen Leib, das Brot des ewigen Lebens. Setzt euren Dienst mit Freude und Hingabe fort. Verkündet auch im täglichen Leben den Tod Christi und bekennt gläubig seine Auferstehung, mit der er die Welt erlöst hat. Danach fuhr der Papst auf französisch fort: 5. Meine lieben Freunde, ihr sollt unablässig zu dem zurückkehren, was das Wesen unseres Glaubens ausmacht. Die Sonntagsmesse ist der herausragende Zeitpunkt, der einzigartige Moment der Woche, in dem ihr mit der ganzen Kirche am Opfer Christi teilnehmt. Jedesmal wenn der Priester die Handlungen Christi wiederholt und seine Worte nachspricht - das ist mein Leib, das ist mein Blut, tut das zu meinem Gedächtnis -, ist Christus selbst in unserer Mitte gegenwärtig. In der Mitte des Chores wird der Altar dann zum Ort der Gnade, wo Christus wirklich gegenwärtig ist und wo er sich den Gliedern seines Leibes hingibt. Und ihr, Diener dieses Geheimnisses, seid dessen erste Zeugen, bevor ihr eines Tages vielleicht, wenn der Herr euch dazu beruft, dessen erste Verwalter sein werdet. Wenn Jesus euch ruft, ihm zu folgen und ihm als Priester euer Leben zu geben, antwortet ihm! Die Feier des zentralen Geheimnisses unseres Glaubens erfordert größten Respekt. Diesbezüglich freut es mich zu sehen, daß ihr nunmehr über die Ausgabe des Ze-remoniale verfügt, die Bischof Raffin mir übergeben hat. Ihr steht also als Diener um den Altar, die bereit sind, den Herrn bei seiner Rückkehr zu empfangen, „wachend und betend und voller Freude“ (vgl. Präfation vom Advent). Ihr seht, wie bedeutend eure Aufgabe ist und mit wie großem Recht die Kirche auf euch zählt. Auf eure Begeisterung vertrauend, auf die Kraft, die der Herr euch gibt, sende ich euch erneut auf Mission. Seid Zeugen der Größe Gottes! Seid Jünger Christi! Von ganzem Herzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen, den ich ganz besonders auf eure Familien, auf eure Freunde, die nicht kommen konnten, und auf alle, die euch helfen, auf eurem Weg weiterzugehen, ausdehne. 1055 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sauerteig für Afrika Ansprache an eine Pilgergruppe aus Senegal in Castel Gandolfo am 5. September Liebe Brüder und Schwestern! Es ist mir eine große Freude, euch im Lauf eurer Pilgerfahrt, die drei dem christlichen Gedankengut besonders teuren Städten - nämlich Jerusalem, Rom und Lourdes - gilt, in der Residenz von Castel Gandolfo begrüßen zu können. Ihr kommt aus Senegal, einem Land, das ich vor drei Jahren besucht habe und das mir lebhaft in Erinnerung geblieben ist. Herzlich grüße ich den hier anwesenden Bischof Adrien Theodore Sarr von Kaolack, dem ich zu meiner Freude im Lauf meiner Reise begegnet war. Mit euch ist sozusagen die Sonne Afrikas gekommen, die nun über dem Boden Italiens erstrahlt. Wie ihr wißt, stehe ich unmittelbar vor der Abreise auf euren Kontinent, was für mich ein Gmnd zur Freude und Danksagung ist. Die Versammlung der Bischofssynode für Afrika hat daran erinnert, in welchem Maß das Evangelium in den verschiedenen Regionen des Erdteils verwurzelt ist, und hat gleichzeitig betont, daß noch sehr viel zu tun bleibt. Tag für Tag bitten wir den Herrn, er möge das, was er selbst gesät hat, wachsen lassen, damit die Zukunft der Vergangenheit würdig und die Gegenwart vielversprechend sei. Ein wenig Sauerteig genügt, um den ganzen Teig zu durchsäuem. Ihr, liebe Freunde, seid der Sauerteig des Herrn, seid der Sauerteig der Kirche, wenn ihr euch von Christus erfassen laßt, um selbst die afrikanischen Missionare Afrikas zu werden. Wie könntet ihr jedoch Missionare sein, wenn ihr nicht in der Erde verwurzelt wäret, in der sich das Evangelium zu entfalten begann? So seid ihr also in Rom, denn ihr wollt als Pilger gerade dorthin kommen, wo der erste Apostel, der hl. Petrus, für seinen Glauben Zeugnis abgelegt hat und sein Blut für denjenigen vergießen wollte, zu dem er gesagt hatte: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ {Mt 16,16). Rom bietet euch heute diese „teranca“ an, diese Gastfreundschaft, die auch mir zum Nutzen gereichte. Diese Stadt ist glücklich, das tun zu können, wird sie doch auf diese Weise ihrer tiefen Berufung als Mutter der Kirchen gerecht. Durchwandert ohne Zögern die Ewige Stadt auf der Suche nach den zahlreichen Beweisen für die Verwurzelung des Christentums. Die Basiliken werden euch zeigen, mit welch großer Verehrung unsere Väter im Glauben durch die Fürbitte der größten Heiligen Christus, den Erlöser, verehrten. Ihr werdet in St. Peter im Vatikan am Haupt der Apostel beten, werdet in der Lateranbasilika die Mutter aller Kathedralen der Christenheit verehren, die auf unsichtbare Weise mit dem kleinsten aller Heiligtümer eures Landes verbunden ist. Ihr werdet vom Apostel Paulus die Kraft erbitten, das Evangelium zu verkünden, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2), in Santa Maria Maggiore das Lob der seligsten Jungfrau singen. 1056 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr seht, es fehlt nicht an Gelegenheiten, etwas zu unternehmen! Ihr könnt nämlich auch die Katakomben besuchen, zum Gebet in die Kirchen eintreten, denen ihr längs der Straßen der Stadt begegnet, ihre zahlreichen Museen entdecken, ohne jedoch dabei auf die unerläßlichen Augenblicke der Muße zu verzichten. Je besser ihr die Stadt Rom kennt, desto größer wird euer Wunsch sein, sie noch besser zu kennen! Liebe Freunde, ich wünsche euch einen schönen Aufenthalt. Ich vertraue euch Unserer Lieben Frau von Lourdes an, und während ich durch euch all eure Brüder und Schwestern in Senegal grüße, erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Sportliche Botschaft von Freundschaft und Brüderlichkeit Ansprache an die Athleten, die an der „Ersten Militär-Olympiade“ in Rom teilnahmen, am 7. September 1. Ich freue mich sehr über unsere Begegnung, liebe junge Soldaten, die ihr hier in Rom aus der ganzen Welt zu der Ersten Militär-Olympiade zusammengekommen seid. Ein besonderer Gedanke gilt dem Militärbischof für Italien, Monsignore Giovanni Marra, und dem Verteidigungsminister der italienischen Regierung, Herrn Domenico Corcione, dem ich herzlich für die freundlichen Worte mir gegenüber danke und für die zum Ausdruck gebrachten Überlegungen von hohem moralischem Wert. Mit ihm grüße ich die Verteidigungsminister anderer Länder, die bei diesem Treffen anwesend sind. Ich möchte außerdem meine lebhafte Zustimmung dem Vorsitzenden des Internationalen Olympischen Komitees, Herrn Samaranch, ausdrücken, wie auch dem Präsidenten und den Mitgliedern des „Internationalen Militärsportrats“, Initiator dieser wichtigen Sportveranstaltung, die unter dem Motto „Freundschaft durch Sport“ stattfindet. Mein herzlicher Gruß geht schließlich an den Vorsitzenden des Organisationsausschusses, General Casale, an die sehr geehrten Mitglieder dieses selben Ausschusses und an den Bürgermeister von Rom, Herrn Rutelli. Die Teilnahme von über 4000 jungen Militärathleten aus mehr als 100 Ländern und allen Kontinenten verleiht diesem Ereignis eine Bedeutung, die den sportlichen Wettkampf selbst überschreitet und Begegnung von Völkern wird, die durch den Sport eine starke Friedensbotschaft an die Welt zu richten beabsichtigen. 2. Wir haben in diesem Jahr mit vielfachen Initiativen den fünfzigsten Jahrestag des Endes des zweiten Weltkrieges begangen und schicken uns an, der 50jährigen Tätigkeit der Organisation der Vereinten Nationen zu gedenken. Diese „Erste Militär-Olympiade“ fügt sich demnach zu Recht in die Initiativen ein, die - indem sie an solche Ereignisse erinnern - sich vornehmen, in die Zukunft der Menschheit zu blicken mit der Verpflichtung, auf der Welt die gegenseitige Anerkennung voran- 1057 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zutreiben, die Brüderlichkeit, die Freundschaft und den Frieden unter den Völkern. Der Sport hat immer die Funktion gehabt, die Menschen zu vereinen jenseits der ethnischen, religiösen und politischen Unterschiede. Diese Rolle, schon so offensichtlich in den herkömmlichen sportlichen Wettkämpfen, wird um so deutlicher anläßlich dieses großen sportlichen Ereignisses, das die Militärs auf Weltebene miteinbezieht. Bei den während dieser Spiele vorgesehenen Wettkämpfen stehen sich in der Tat Sportler aus allen Teilen der Welt gegenüber, auch Athleten und Mannschaften, die aus Ländern kommen, die von alten oder jüngeren Gegensätzen unter sich getrennt sind, wenn nicht sogar von blutigen Kriegen, die immer noch Vernichtung und Tod herbeiführen. Als Sitz dieser ersten Militär-Olympiade habt ihr sinnvollerweise Rom gewählt. Die allumfassende Berufung, die diese Stadt aus vielen Gründen kennzeichnet, paßt gut zur Botschaft von Freundschaft und Brüderlichkeit, die eure sportliche Veranstaltung übermittelt und nicht nur unter den Teilnehmern verbreitet, sondern auch unter den Völkern, die ihr hier würdig vertretet: Sie alle blicken mit euch auf die Zukunft der Welt mit Gedanken des Friedens und der universalen Brüderlichkeit. 3. Ihr Lieben, ihr seid gleichzeitig Soldaten und Sportler. Diese beiden Lebensbedingungen verlangen körperliche Qualitäten und moralische Fähigkeiten. Sie sind mit körperlicher Übung verbunden, aber auch mit Lebensregeln, Disziplin, starkem Willen, Pflichtbewußtsein, Opfergeist und der Fähigkeit zu dulden, um imstande zu sein, die immer höheren Ziele zu erreichen, die der Kampfgeist fordert. Der Sport ist Lebensschule, aber auch der Militärdienst formt und festigt den Charakter der Menschen, indem er sie vorbereitet, den Schwierigkeiten und den Prüfungen des Lebens mit mehr Sicherheit und Mut entgegenzutreten. Bei diesem willkommenen Treffen möchte ich betonen, daß die Kirche mit Bewunderung die Tatsache betrachtet, daß ihr gleichzeitig Soldaten und Sportler seid. Durch die sportlichen Wettkämpfe hebt ihr vor den Augen der Welt hervor, daß der Soldat nicht ein Mann des Krieges ist und nicht sein darf. Er soll vielmehr der sein, der - obgleich beschäftigt mit der Verteidigung seines Vaterlandes - der Mann zu sein weiß, der vor allem die Zusammenarbeit zwischen den Völkern sucht und erwirkt, damit die Freundschafts- und Friedensbeziehungen zwischen den Nationen wachsen. Eure sportliche Veranstaltung kann durch die Vereinigung von Vertretern einer großen Anzahl von Nationen wirkungsvoll beitragen, diese Identität des Militärs zu verstärken und zu verbreiten als Diener der Sicherheit und der Freiheit der Völker, immer vom Geist des Friedens bewegt. Jeder Militärdienstleistende soll sich in der Tat beim Erfüllen seiner Pflichten innerlich immer als ein Soldat des Friedens fühlen. 1058 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Dieses Jahrhundertende am Vorabend des dritten Jahrtausends hatte Hoffnung für die Zukunft einer endlich ausgesöhnten Menschheit gegeben. Leider haben sich erneut äußerst traurige Kriegsumstände sowohl im Herzen Europas als auch in Afrika ergeben. Eure einmalige sportliche Veranstaltung, die sich gut unter die anderen zahlreichen Gedenkkundgebungen zum Ende des zweiten großen Weltkrieges einfügt, wird zur Gelegenheit, um mit stärkerer und bestimmterer Stimme den allgemeinen Aufruf zum Frieden zu erneuern. In meiner der Welt übergebenen Botschaft anläßlich des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa habe ich auch euch ein besonderes Wort zugedacht. Liebe junge Soldaten, „ich habe großes Vertrauen in eure Fähigkeit -habe ich geschrieben -, glaubwürdige Vermittler des Evangeliums zu sein. Fühlt euch persönlich zum Dienst am Leben und am Frieden verpflichtet... Erklärt den stumpfsinnigen und gewalttätigen Ideologien eine eindeutige Absage; verwerft jede Form von übertriebenem Nationalismus und Intoleranz; auf diesen Wegen schleicht sich unbemerkt die Versuchung zu Gewalt und Krieg ein. Euch ist es aufgegeben, neue Wege der Brüderlichkeit zwischen den Völkern zu eröffnen, um ... eine einzige Menschheitsfamilie aufzubauen“ (Nr. 15). Und ihr, als folgtet ihr dieser Aufforderung, seid hierhergekommen, um den Willen zu bezeugen, feierlich diese Verpflichtung zu übernehmen. 5. Ihr seid mit Freude im Herzen wegen der Gelegenheit gekommen, an einer großzügigen Wettkampferfahrung teilzunehmen und so „die Freundschaft durch Sport“ zu leben. Ihr habt Schranken und politische Ideologien hinter eurem Rük-ken gelassen, die jahrzehntelang die Welt in entgegengesetzte Blöcke getrennt haben und rüstet euch für eine heitere, lebhafte und vielversprechende sportliche Begegnung. Anderswo dagegen - auch nicht weit weg von uns - sind andere Männer dabei, einzig vom Haß und von der Rache getrieben, sich zu messen: nicht auf dem Spielfeld, sondern zwischen den Ruinen ihrer zerstörten Städte. Ihre Hände heben nicht Trophäen sportlicher Siege hoch, sondern schwingen noch von Blut tropfende Waffen. Welch ein Gegensatz zwischen dem schmerzlichen Schauspiel von Gewalttätigkeit und von Tod, das uns täglich von den Medien geboten wird - Szenen, an die sich unsere entsetzten Augen nie gewöhnen werden können -, und dem tröstenden Schauspiel voll von Versprechungen, das ihr gestern anläßlich der Eröffnungsfeier der Spiele geboten habt! Seite an Seite, mit geordnetem und stolzem Schritt hinter dem jeweiligen Nationalbanner, habt ihr noch einmal die bewußte Gewißheit kundgetan, Schöpfer einer neu belebten Gesellschaft werden zu können: in einem großen Dialog zwischen Militärs verschiedener Nationen, zwischen denen die Waffen schweigen und deren Gewissen, Gedanken und Herzen durch die edle Kunst des Sports sprechen. Liebe junge Soldaten, all das ist für mich Grund zu großer Tröstung und zur Hoffnung. 1059 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Ich freue mich festzustellen, daß eure sportlichen Veranstaltungen eine neue Art des Gesprächs unter den Soldaten der ganzen Welt schaffen, fast eine Pädagogik, die eine Friedenskultur hervorbringt. Eine ganze Generation von jungen Leuten in Uniform - aus den Streitkräften, von der Polizei und von den bewaffneten Spezialeinheiten des Staates - wird so auf bewundernswerte Weise zu einer mutigen Herausforderung, die eine friedliche Welt aufbauen und das barbarische und unmenschliche Kriterium der Kriegsführung als Mittel, die Streitfragen zu lösen, überwinden will. Es ist nunmehr Zeit, mit Nachdruck zu bestätigen: „Schluß mit dem Krieg!“ Ein gerechter und gebotener Krieg ist der Krieg gegen den Krieg. Ich vertraue eurer schönen Veranstaltung und jedem von euch diese Friedensbotschaft an, damit sie in jede Ecke der Erde gelangt und alle Völker in der einzigen Familie Gottes verbrüdert, von der ihr - hier vereint als Soldaten, um Freundschaft durch den Sport zu schaffen - ein vielversprechender Beweis seid. An euch, die ihr hier anwesend seid, und an alle eure Soldatenfreunde gehe mein herzlicher Gruß und mein Segen. Brief an die Bischöfe Österreichs vom 8. September Den verehrten Mitbrüdem im Bischofsamt in Österreich Gruß und Apostolischen Segen 1. Die Nachrichten, die mich aus Euren geliebten Diözesen erreichen, erfüllen mich aufgrund so vieler ermutigender Aspekte im Leben der Kirche mit Freude, doch rufen sie in mir auch nicht geringen Schmerz hervor wegen einiger Prüfungen, denen Ihr in der Ausübung Eures pastoralen Dienstes ausgesetzt seid. In der Tat seht Ihr als Hirten, die Ihr um das Wohl eurer Gemeinden besorgt seid, diese der Versuchung des Säkularismus aufgrund der Schwächung des Glaubenslebens ausgesetzt, das im Lauf der Geschichte ein beständiges Kennzeichen der Katholiken Österreichs war. Mit der Verminderung des Glaubensgeistes wird auch die Kirche Christi von einigen nur mehr als eine irdische Vereinigung betrachtet, die dem freien Belieben ihrer Mitglieder unterworfen ist. Unter diesem Gesichtspunkt wird das, was der Mehrheit im Augenblick angenehm ist, zur Norm, die zu befolgen ist. Die Kirche wird nicht mehr als diejenige gesehen, die versuchen muß, den Willen Christi in der Geschichte zu verwirklichen, sondern als die, die den wechselnden Winden der Lehre einzelner Menschen zu folgen hat. 2. Jüngst wart Ihr auch wegen der heftigen Angriffe gegen einige von Euch einer harten Prüfung ausgesetzt. Zuerst betraf es den verehrten Erzbischof von Wien, dann waren es andere Mitbrüder, die öffentlich angeklagt wurden, ohne daß ihrer 1060 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschlichen, geschweige denn ihrer kirchlichen Würde Rechnung getragen worden wäre. Angesichts dieses Eures Leidens haben sich viele Gläubige um Euch geschart und so jene Bande der kirchlichen Gemeinschaft gestärkt, die in der Familie einer jeden Diözese bestehen müssen. In diesem Augenblick der Prüfung ist Euch auch der Nachfolger Petri aus seiner Sorge um das Wohl aller über die Welt verstreuten Teilkirchen nahe und fühlt sich verpflichtet, Euch den Ausdruck seiner Solidarität zu bekunden und Euch seines inständigen Gebetes zu versichern. 3. „Ich werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe der Herde zerstreuen“ (Mt 26,31). Mit diesen Worten hat Christus selbst die Schläge vorausgesehen, die die um ihn vereinte Kirche erleiden mußte, d. h. die Kirche in ihren frühesten Anfängen, die auf dem Fundament der Apostel erbaut war und aus dem Evangelium lebt. Gerade die frühe Kirche ist Urtyp aller Kirchen bis zum Ende der Welt. Sie ist es auch für die Kirche in Österreich. Es ist schwer zu beurteilen, inwieweit die Strategie, die Hirten zu schlagen, Erfolg hatte. Dadurch, daß Christus diese Worte angesichts seiner letzten Prüfung, die ihn in Jerusalem erwartete, ausgesprochen hat, wollte er auf diese Weise uns helfen angesichts vergleichbarer Situationen und Prüfungen heute. Aus der Erfahrung der Urkirche wissen wir, daß angesichts der gegen unseren Herrn gerichteten ungerechten Anklagen sowie dem ausgesprochenen und vollstreckten Todesurteil anfänglich eine „Zerstreuung der Schafe der Herde“ erfolgte. An diesem Punkt dürfen wir jedoch nicht stehenbleiben, da wir wissen, daß die Auferstehung Christi der Anfang einer Konsolidierung der Gemeinschaft war, die Auferstehung, der wir die Existenz der Kirche und das Wachsen des Christentums in der ganzen Welt verdanken. Im Falle der Kirche in Österreich möchte ich hoffen, daß der Versuch der Zerstörung keinen Erfolg hat, da der Großteil der österreichischen Gläubigen die von ihren Hirten versehene selbstlose Arbeit sehr wohl zu schätzen weiß und folglich nicht gestatten wird, daß der Unfrieden von Verdächtigungen, Kritiksucht und Zwietracht in Euren Ortskirchen die Oberhand gewinnt. 4. Im übrigen wißt Ihr sehr wohl, daß den Nachfolgern der Apostel nie Prüfungen erspart geblieben sind. Beim letzten Abendmahl sagte Christus zu den Zwölfen: „Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20). Das unmittelbar darauf gemachte Versprechen des Herrn möge Euch jedoch Bestärkung sein: „Wenn sie an meinem Wort festgehalten haben, werden sie auch an eurem Wort festhalten“ (ebd.). Das christliche Leben, das in so vielen Familien, in zahlreichen Pfarrgemeinden und in unzähligen kirchlichen Einrichtungen in Österreich reich erblüht, ist eine konstante Bestätigung der Aktualität der Versprechens Christi und des beständigen Wirkens seines Geistes, der die Kirche im Inneren lebendig macht. 1061 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Jedem einzelnen Bischof in Österreich gilt mein mitbrüderlicher Gruß. Es sei mir jedoch gestattet, einen besonderen Gruß den beiden Herren Kardinalen zu übermitteln, an Eminenz Franz König und an Eminenz Hans Hermann Groer. Herrn Kardinal König, der in Dankbarkeit vor Gott die Vollendung seines 90. Lebensjahres feiert, gilt mein herzlichster Glückwunsch zusammen mit meinem Dank für alles, was er im Dienst der Kirche in Österreich und dieses Apostolischen Stuhles getan hat. Herrn Kardinal Groer, der nach Erreichen der Altersgrenze die Leitung der geliebten Wiener Erzdiözese abgibt, gilt der Ausdruck meines Dankes für seinen treuen und hochherzigen kirchlichen Dienst. Seinem Nachfolger, Herrn Erzbischof-Koadjutor Christoph Schönbom, gilt der Wunsch für eine fruchtbare apostolische Tätigkeit in der bedeutenden, im Herzen Europas liegenden Erzdiözese Wien. Dem Herrn Vorsitzenden und den Mitgliedern der Österreichischen Bischofskonferenz gilt schließlich die Versicherung meines Gebetes, damit Christus, der oberste Hirte der Kirche, ihre Tätigkeit in immer engerer und einträchtigerer Zusammenarbeit segne, wie es das II. Vatikanische Konzil wünscht (vgl. Christus Dominus, Nr. 37). Österreich hat seine historische Rolle in der Geschichte der Kirche gespielt. Möge die katholische Kirche in eurem Land auch in unserer Zeit einen großen Beitrag für die Neuevangelisierung in Europa leisten, damit die christlichen Wurzeln der Zivilisation dieses Kontinentes hervorgehoben werden. Die ganze Kirche und der Bischof von Rom in besonderer Weise bitten den Heiligen Geist, damit er der Kirche in Österreich jene Kraft schenke, die unwandelbar aus dem Ostergeheimnis Christi hervorgeht. Maria, die im Heiligtum von Mariazell verehrt wird, wache zusammen mit Euch im Gebet und im Leid: Maria, die Schmerzensreiche, Maria unter dem Kreuz. Als Zeichen meiner besonderen Wertschätzung erteile ich Euch allen, Euren Priestern und Diakonen, allen Personen des geweihten Lebens sowie allen Euch anvertrauten Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 8. September 1995 Joannes Paulus PP. II Die Menschwerdung - Mitte und Ziel der Geschichte Botschaft an das Generalkapitel des Zisterzienserordens vom 8. September Liebe Brüder aus dem Zisterzienserorden! 1. Gerne wende ich mich aus Anlaß Eures Generalkapitels an Euch, Oblaten, Pri-ore und Delegierte, um Euch die Zuneigung und das Interesse zu bezeugen, mit 1062 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denen ich diesen wichtigen Augenblick des Lebens Eurer bedeutenden Ordensfamilie verfolge. Einen ehrerbietigen Gedanken richte ich an Abt Polikärp Zakar, der seine zehnjährige Amtszeit im Dienst des gesamten Ordens beendet hat, und, indem ich ihm herzliche Anerkennung für die geleistete Arbeit ausspreche, gehen die besten Glückwünsche an den neugewählten Abt, Mauro Esteva. Ich weiß, daß Ihr das Studium der besten Weise, die Nonnen, die einen beachtlichen Teil Eurer Ordensfamilie ausmachen, an der Leitungsverantwortung des Ordens zu beteiligen, als Hauptpunkt in das Programm des Generalkapitels aufge-nommen habt. Zu diesem Zweck habt Ihr gewollt, daß auch die Äbtissinnen als Beobachterinnen an dem Kapitel teilnehmen. In Euren Diskussionen zu dem Thema habt Ihr ständig auf die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils und auf meine jüngsten Schreiben an das Volk Gottes, insbesondere den Brief an die Frauen, Bezug genommen. Mein Wunsch ist, daß Eure Entschlüsse den Beitrag der Nonnen bei der Erfüllung der Sendung der Zisterzienser in der Kirche und in der Welt aufwerten mögen. 2. Das gegenwärtige Kapitel hat es sich auch zum Ziel gesetzt, zu überlegen, wie Eure Sendung im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend erneuert und ausgeweitet werden kann. Während sich die Menschheit nämlich anschickt, in ein neues Zeitalter der Geschichte einzutreten, bereitet der Zisterzienserorden die Feier seines zehnten Jahrhunderts vor. Gott ist mit der Menschwerdung seines eingeborenen Sohnes in die Geschichte getreten, der so deren Mitte und Ziel geworden ist. Tragt nach dem Beispiel Eurer Gründer und deren Schüler Sorge dafür, die Zentralität Christi in Eurem geistlichen Leben und in Eurem Dienst immer stärker zu betonen. 3. Die Zisterzienser nahmen im elften Jahrhundert die neue Observanz an mit dem Ziel, Gott intensiver zu suchen, seine Kenntnis zu vertiefen und in gewissem Maß lebendig zu erfahren. Das Geheimnis des menschgewordenen Wortes, welches „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) ist, hat ihre Kontemplation erleuchtet und sie angeleitet, in der vom Wort angenommenen Menschlichkeit den uns angebotenen Weg zu erkennen, damit durch die sichtbare Erkenntnis Gottes in uns die Liebe zu den unsichtbaren Wirklichkeiten entflammt werde (vgl. Präfation von Weihnachten 1). Der hl. Bernhard schrieb: „Ich denke, daß der Hauptgrund, der den unsichtbaren Gott veranlaßt hat, sich im Fleisch zu zeigen und unter den Menschen zu leben, jener war, alle Gefühle dieser Fleischeswesen zu sammeln, sie in der heilswirkenden Liebe zu seinem eigenen Fleisch zu bündeln und sie so nach und nach auf den Weg zu einer geistlichen Liebe zu bringen“ (Sermo XX in Cant.). Ihm pflichtete der sei. Aelredus bei: „Aus dem Schoß des Vaters ist unser Herr zu uns herabgestiegen ... Wenn wir daher, geliebte Brüder, zu dem Ort emporsteigen wollen, von dem Er herabgekommen ist, also zum Vater im Himmel, laßt uns den 1063 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufstieg beginnen, indem wir zum Sohn Marias, d. h. zur Menschlichkeit Christi, gehen. Auf diese Weise werden wir zu seiner Göttlichkeit emporsteigen. Denn Er ist der Weg, wie Er selbst von sich sagt“ (Sermo in Nativitate B.M.V.; vgl. Patrologia La-tina, Bd. 195, S. 210 ff.). 4. Solchem theologischen und spirituellen Ansatz entspringt eine tiefe und solide Verehrung der Gottesmutter. Der hl. Bernhard, ein berühmter Meister und Zeuge dieser Marienverehrung, lehrt: „Was du aber immer dem Herrn darbringen willst, das eile, Maria anzuempfehlen, damit es durch denselben Kanal zum Geber der Gnade zurückkehre, durch welchen er zu dir gekommen ist“ (Sermo in Nativ., V; in: Bernhard, Reden, übers, von M. Sautner, Regensburg 1845, Bd. 2, S. 326). In Maria findet Ihr das Ideal des monastischen Lebens und den unvergleichlichen Beistand, dessen Ihr auf dem schwierigen Weg zur Vollkommenheit der Liebe bedürft. Der hl. Bernhard suchte bei der Gottesmutter Hilfe, wenn seine Söhne in geistlichen Schwierigkeiten waren, und erbat für sie die Gnade der Frömmigkeit, indem er mit kindlichem Zutrauen zu ihr sprach: „Sie haben keinen Wein mehr“ (In dominica II Epiph., 4; in: Bernhard, Reden, übers, von M. Sautner, Regensburg 1845, Bd. 1, S. 272). Möge die heilige Jungfrau, meine Lieben, dem Zisterzienserorden immer den neuen und guten Wein der Liebe Christi verschaffen. Ihr vertraue ich alle Eure Wünsche und Vorsätze an, und, indem ich Euch meines Gebetes für einen fruchtbaren Abschluß der Arbeit des Kapitels versichere, erteile ich Euch, Euren Gemeinschaften und allen Euren Lieben von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, den 8. September 1995 Joannes Paulus PP. II Beiträge der Christlichen Soziallehre zur friedvollen Zukunft der Menschheit Ansprache an die Internationale Vereinigung für Christliche Soziallehre am 8. September Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist mir eine besondere Freude, Sie aus Anlaß der Tagung des Leitungskomitees der Internationalen Vereinigung für christliche Soziallehre hier empfangen zu können. Ich heiße Sie sehr herzlich willkommen und wünsche Ihnen einen fruchtbaren Gedankenaustausch und erfolgreiche Beratungen. 1064 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In den erst wenigen Jahren des Bestehens Ihrer Vereinigung haben Sie bereits beachtliche Aktivitäten entfaltet und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung verläßlicher gesellschaftlicher Grundstrukturen in solchen Ländern gerichtet, denen über Jahrzehnte hinweg die freie und natürliche Entfaltung der wirtschaftlichen und sozialen Kräfte und Resourcen versagt waren. Hier haben Sie sich als Fachleute der katholischen Soziallehre einer bedeutsamen Herausforderung gestellt, deren Bestehen mit darüber entscheidet, ob es gelingen wird, die Lebensverhältnisse in den verschiedenen Regionen Europas wie auch in weltumfassender Sicht so aufeinander abzustimmen, daß die Menschheit einer friedvollen und gesicherten Zukunft entgegengeht. Daher ist es notwendig, auf den verschiedenen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebenen Strukturen zu schaffen, die miteinander verzahnt sind und Gewähr für eine menschliche Gestaltung der politischen und ökonomischen Prozesse gewährleisten. In der Enzyklika Centesimus annus habe ich darauf hingewiesen, daß sich „die Völker, die ihre innere Ordnung neu gestalten“, sich eine „glaubwürdige und solide Grundlage geben“ müssen. Dabei sind vorrangig zu erwähnen: „Das Recht, in einer geeinten Familie und in einem sittlichen Milieu zu leben, das für die Entwicklung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit geeignet ist; das Recht, seinen Verstand und seine Freiheit in der Suche und Erkenntnis der Wahrheit zur Reife zu bringen; das Recht, an der Arbeit zur Erschließung der Güter der Erde teilzunehmen und daraus den Lebensunterhalt für sich und die Seinen zu gewinnen“ (Nr. 48). Mit diesen kurzen Erwägungen verbinde ich meinen aufrichtigen Dank für das engagierte Wirken der Mitglieder Ihrer Vereinigung in wissenschaftlicher Arbeit und beruflicher Praxis aus dem Geist der christlichen Soziallehre. Ihnen allen, Ihren Mitarbeitern und Ihren Familien gelten meine herzlichsten Segenswünsche. Ecclesia inAfrica Nachsynodales Apostolisches Schreiben an die Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und alle Gläubigen Laien über die Kirche in Afrika und ihren Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000 vom 14. September Einführung 1. Die Kirche in Afrika hat vier Wochen lang während der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode voll Freude und Hoffnung ihren Glauben an den auferstandenen Christus gefeiert. Die Erinnerung daran ist im Gedächtnis der gesamten Kirchengemeinschaft noch immer lebendig. In Treue zur Tradition der ersten Jahrhunderte des Christentums in Afrika haben die Bischöfe dieses Kontinents gemeinsam mit dem Nachfolger des Apostels Petrus und den Mitgliedern des Bischofskollegiums, die aus anderen Regionen der 1065 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt gekommen waren, eine Synode abgehalten, die sich als Ereignis der Hoffnung und Wiedererstehung herausstellte, gerade zu dem Zeitpunkt, als die menschlichen Geschehnisse Afrika eher in Entmutigung und Verzweiflung zu treiben schienen. Die Synodenväter haben mit der Assistenz von qualifizierten Vertretern des Klerus, der Ordensleute und der Laien die Licht- und Schattenseiten, die Herausforderungen und die Aussichten auf die Evangelisierung in Afrika mit Blick auf das herannahende dritte Jahrtausend des christlichen Glaubens einer gründlichen und realistischen Prüfung unterzögen. Die Mitglieder der Synodenversammlung haben mich gebeten, die Ergebnisse ihrer Überlegungen und ihrer Gebete, ihrer Diskussionen und ihres Gedankenaustausches der ganzen Kirche zur Kenntnis zu bringen. <369> Voll Freude und Dankbarkeit gegenüber dem Herrn bin ich dieser Bitte nachgekommen und gebe heute, genau zu dem Zeitpunkt, da ich gemeinsam mit den Bischöfen und Gläubigen der katholischen Kirche in Afrika die feierliche Phase der Sonderversammlung für Afrika eröffne, den Text dieses Nachsynodalen Apostolischen Schreibens, Frucht einer intensiven und langen kollegialen Arbeit, bekannt. <369> Vgl. Proposito 1. Bevor ich mich aber mit der Darlegung dessen befasse, was im Verlauf der Synode herangereift ist, halte ich es für angebracht, wenn auch im Eiltempo, die verschiedenen Phasen eines Ereignisses zu durchlaufen, dem so entscheidende Bedeutung für die Kirche in Afrika zukommt. Das Konzil 2. Das II. Vatikanische Konzil kann unter dem Gesichtspunkt der Heilsgeschichte sicherlich als der Eckstein dieses Jahrhunderts gelten, das unmittelbar vor seiner Einmündung ins dritte Jahrtausend steht. Im Zusammenhang mit jenem großen Ereignis konnte die Kirche Gottes in Afrika ihrerseits echte Augenblicke der Gnade erleben. In der Tat reicht die Idee zu einer, wie auch immer gearteten, Begegnung von Bischöfen Afrikas mit dem Ziel, über die Evangelisierung des Kontinents zu diskutieren, in die Zeit des Konzils zurück. Jenes historische Ereignis war in der Tat die Feuerprobe für die Kollegialität und eine besondere Ausdrucksform der affektiven und effektiven Gemeinschaft des Weltepiskopats. Die Bischöfe suchten bei dieser Gelegenheit nach geeigneten Mitteln, um ihre Sorge um alle Kirchen besser zu teilen und zur Wirkung zu bringen (vgl. 2 Kor 11,28) und begannen zu diesem Zweck die notwendigen Strukturen auf nationaler, regionaler und kontinentaler Ebene vorzuschlagen. 1066 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Symposion der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars 3. In dieser Atmosphäre beschlossen die beim Konzil anwesenden Bischöfe Afrikas und Madagaskars, ein eigenes Generalsekretariat einzurichten, dem die Aufgabe zukam, ihre Wortmeldungen zu koordinieren, um in der Konzilsaula soweit als möglich einen gemeinsamen Standpunkt zu vertreten. Diese erste Zusammenarbeit unter den Bischöfen Afrikas nahm dann mit der Schaffung des Symposions der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars (S.E.C.A.M.) in Kampala die Gestalt einer festen Einrichtung an. Das erfolgte anläßlich des Besuches Papst Pauls VI. in Uganda im Juli-August 1969, dem ersten Besuch eines Papstes der Neuzeit in Afrika. Die Einberufung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode 4. Die Generalversammlungen der Bischofssynoden, die seit 1967 in periodischen Abständen aufeinanderfolgten, boten der Kirche in Afrika wertvolle Gelegenheiten, im Rahmen der Gesamtkirche ihre Stimme zu Gehör zu bringen. So ergriffen bei der Zweiten Ordentlichen Vollversammlung (1971) die Synodenväter Afrikas mit Freude die sich ihnen bietende Gelegenheit, um eine größere Gerechtigkeit in der Welt zu fordern. Die Dritte Ordentliche Vollversammlung über die Evangelisierung in der Welt von heute (1974) bot die Möglichkeit zur besonderen Prüfung der Evangelisierungsprobleme in Afrika. Bei dieser Gelegenheit veröffentlichten die bei der Synode anwesenden Bischöfe jenes Kontinents eine wichtige Botschaft unter dem Titel Förderung der Evangelisierung in Mitverantwortung“. <370> Kurz danach, im Heiligen Jahr 1975, berief S.E.C.A.M. seine eigene Vollversammlung nach Rom ein, um das Thema Evangelisierung zu vertiefen. <370> Erklärung der bei der III. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode anwesenden Bischöfe Afrikas und Madagaskars (20. Oktober 1974): La Documentation catholique 71 (1974), 995-996. 5. In der Folge äußerten in den Jahren 1977 bis 1983 verschiedene Bischöfe, Priester, Ordensleute, Theologen und Laien den Wunsch nach einem afrikanischen Konzil oder einer afrikanischen Synode, deren Zweck es sein sollte, zu einem Überblick über die Evangelisierung in Afrika zu gelangen angesichts der großen Entscheidungen, die für die Zukunft des Kontinents zu treffen waren. Ich billigte wohlwollend und unterstützte die Idee eines „Zusammengehens des gesamten afrikanischen Episkopats in der einen oder anderen Form, um die religiösen Fragen zu prüfen, die sich für den ganzen Kontinent stellen“. <371> In der Folge war S.E.C.A.M. bemüht, Wege und Mittel zu finden, um das Vorhaben einer solchen Zusammenkunft auf kontinentaler Ebene zu einem guten Abschluß zu bringen. Nachdem eine Beratung und Befragung aller Bischofskonferenzen und jedes einzelnen Bischofs von Afrika und Madagaskar stattgefunden hatte, konnte ich eine Sonderversamm- <371> Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen aus Zaire anläßlich ihres Ad-limina-Besuches (21. April 1983), Nr. 9: AAS75(1983)634-635. 1067 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lung für Afrika der Bischofssynode einberufen. Am 6. Januar 1989 kündigte ich anläßlich des Festes der Erscheinung des Herrn - dem liturgischen Gedenktag, an dem sich die Kirche erneut die Universalität ihrer Sendung und die daraus folgende Aufgabe, nämlich allen Völkern das Licht Christi zu bringen, bewußt macht - an, diese „für die Ausbreitung des Evangeliums sehr wichtige Initiative“ ergriffen zu haben. Und ich erklärte, auf die wiederholt und seit längerer Zeit von den Bischöfen Afrikas, von Priestern, Theologen und Laienvertretem vorgebrachte Bitte, „daß ein organisches solidarisches Zusammenwirken in der Pastoral auf dem gesamten afrikanischen Territorium und den dazugehörigen Inseln gefördert werden möge“, diese Entscheidung getroffen zu haben. <372> <372> Angelus (6. Januar 1989), Nr. 2: Insegnamenti XII,1(1989)40. Ein Gnadenereignis 6. Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode war ein historischer Augenblick der Gnade: Der Herr hat sein Volk, das in Afrika lebt, heimgesucht. Dieser Kontinent erlebt heute in der Tat das, was man ein Zeichen der Zeit, einen günstigen Augenblick, einen Tag des Heils für Afrika nennen kann. Es scheint die „Stunde Afrikas“ angebrochen zu sein, eine günstige Zeit, die die Boten Christi eindringlich auffordert, hinauszufahren auf den See und die Netze auszuwerfen (vgl. Lk 5,4). Wie in der Frühzeit des Christentums der hohe Beamte der Königin Äthiopiens, Kandake, glücklich darüber, durch die Taufe den Glauben empfangen zu haben, seinen Weg fortsetzte und zum Zeugen Christi wurde (vgl. Apg 8,27-39), so muß die Kirche im heutigen Afrika voll Freude und Dankbarkeit über den empfangenen Glauben ihren Evangelisierungsauftrag fortsetzen, um die Völker des Kontinents dadurch an den Herrn heranzuführen, daß sie sie lehrt, alles zu beachten, was er geboten hat (vgl. Mt 28,20). Beginnend mit dem feierlichen Eröffnungsgottesdienst, den ich am 10.April 1994 zusammen mit fünfunddreißig Kardinälen, einem Patriarchen, neununddreißig Erzbischöfen, einhundertsechsundvierzig Bischöfen und neunzig Priestern in der vatikanischen Basilika gefeiert habe, hat sich die Kirche, die Familie Gottes, <373> das Volk der Gläubigen, um das Grab Petri versammelt. <373> Vgl. n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 6. Hier war, zusammen mit dem ganzen Volk Gottes, Afrika mit der Vielfalt seiner Riten gegenwärtig: In Tänzen äußerte es seine Freude, zum Klang der Tamtam und anderer afrikanischer Musikinstrumente brachte es seinen Glauben an das Leben zum Ausdruck. Bei diesem Anlaß spürte Afrika, daß es, nach einem Wort Pauls VI., „neue Heimat Christi“, <374> vom ewigen Vater geliebte Erde ist. <375> Darum <374> Predigt bei der Heiligsprechung der seligen Carlo Lwanga, Matthias Mulumba Kalemba und ihren 20 ugandischen Märtyrer-Gefährten (18. Oktober 1964): AAS56(1964)907-908. ^ Vgl. Johannes Paul II., Predigt beim Abschlußgottesdienst der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (8. Mai 1994), Nr. 7: L’Osservatore Romano, 9.-10. Mai 1994, S. 4. 1068 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN habe ich jene Zeit der Gnade mit den Worten des Psalmisten begrüßt: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 118/117,24). Adressaten des Schreibens 7. Mit diesem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben will ich mich gemeinsam mit der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode in erster Linie an die Hirten und an die gläubigen Laien, sodann an die Brüder und Schwestern der anderen christlichen Konfessionen, an alle, die sich zu den großen monotheistischen Religionen bekennen, insbesondere an die Anhänger der traditionellen afrikanischen Religion, und an alle Menschen guten Willens wenden, denen in der einen oder anderen Weise die geistig-geistliche und materielle Entwicklung Afrikas am Herzen liegt oder die das Schicksal dieses großen Kontinents in Händen haben. Vor allem denke ich natürlich an die Afrikaner selber und an alle, die auf dem Kontinent wohnen; ich denke besonders an die Söhne und Töchter der katholischen Kirche: Bischöfe, Priester, Diakone, Seminaristen, Mitglieder der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens, Katechisten und alle, die den Dienst an ihren Brüdern und Schwestern zu ihrem Daseinsideal machen. Ich möchte sie im Glauben stärken (vgl. Lk 22,32) und ermuntern, auszuharren in der Hoffnung, die der auferstandene Christus schenkt, und so jede Versuchung zur Mutlosigkeit zu überwinden. Aufbau des Schreibens 8. Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode hat das ihr gestellte Thema gründlich untersucht: „Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000: ,Ihr werdet meine Zeugen sein’ (vgl. Apg 1,8)“. Dieses Schreiben wird sich daher bemühen, unmittelbar diesem vorgegebenen Plan zu folgen. Ausgehen wird es von dem historischen Augenblick -einem wahren kairos - der Abhaltung der Synode und dabei deren Zielsetzungen, Vorbereitung und Verlauf untersuchen. Es wird bei der aktuellen Situation der Kirche in Afrika verweilen und die verschiedenen Phasen des missionarischen Wirkens erwähnen. Dann wird es die verschiedenen Aspekte des Evangelisierungsauftrags aufgreifen, mit dem es die Kirche zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufnehmen muß: Glaubensverkündigung, Inkulturation, Dialog, Gerechtigkeit und Frieden, soziale Kommunikationsmittel. Der Hinweis auf die Dringlichkeiten und Herausforderungen, die sich am Vorabend des Jahres 2000 der Kirche in Afrika stellen, wird es erlauben, in großen Zügen die Aufgaben des Zeugen Christi in Afrika um eines wirksameren Beitrages zum Aufbau des Reiches Gottes willen darzustellen. So wird es schließlich möglich sein, die Verpflichtungen der Kirche in Afrika als missionarische Kirche zu umschreiben: eine Missionskirche, die 1069 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN selbst missionarisch wird: „Ihr werdet meine Zeugen sein (...) bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). I. Kapitel Ein historischer kirchlicher Augenblick 9. „Diese Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode ist ein von der Vorsehung gewolltes Ereignis, für das wir dem allmächtigen und barmherzigen Vater durch seinen Sohn im Geist danken und ihn preisen müssen“. <376> Mit diesen Worten haben die Synodenväter während der ersten Generalkongregation feierlich die Diskussion über das Thema der Synode eröffnet. Ich selbst hatte schon bei einer früheren Gelegenheit eine ähnliche Überzeugung ausgesprochen, als ich anerkannte, daß „die Sonderversammlung ein kirchliches Ereignis von fundamentaler Bedeutung für Afrika ist, ein kairos, ein Augenblick der Gnade, in der Gott sein Heil offenbart. Die ganze Kirche ist eingeladen, diese Zeit der Gnade in Fülle zu leben durch die Annahme und Verbreitung der Frohbotschaft. Das Bemühen um die Vorbereitung der Synode wird nicht nur der Abhaltung der Synode selbst zum Nutzen gereichen, sondern wird sich von jetzt an zum Vorteil der pilgernden Ortskirchen in Afrika auswirken, deren Glaube und Zeugnis durch zunehmende Reife erstarken“. <377> ° Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 1: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. ^ Ansprache an die Dritte Tagung des Rates des Generalsekretariats für die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (Luanda, 9. Juni 1992), Nr. 5: AAS85(1993)523. Glaubensbekenntnis 10. Diese Zeit der Gnade nahm vor allem in einem feierlichen Glaubensbekenntnis Gestalt an. Die Synodenväter, die sich zur Eröffnung der Sonderversammlung um das Petrusgrab versammelt hatten, verkündeten ihren Glauben, den Glauben des Petrus, der auf die Frage Christi: „Wollt auch ihr Weggehen?“, antwortete: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,67-69). Die Bischöfe Afrikas, in denen die katholische Kirche in jenen Tagen am Grab des Apostels ihren besonderen Ausdruck fand, betonten ihren festen Glauben daran, daß die Allmacht und Barmherzigkeit des einen Gottes vor allem in der erlösenden Menschwerdung des Sohnes Gottes offenbar geworden sind, des Sohnes, der eines Wesens mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes ist und in dieser trinita-rischen Einheit Lobpreis und Ehre in Fülle empfängt. Das - beteuerten die Synodenväter - ist unser Glaube, es ist der Glaube der Kirche, es ist der Glaube aller 1070 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über den afrikanischen Kontinent verstreuten Ortskirchen, die sich auf dem Weg zum Haus Gottes befinden. Dieser Glaube an Jesus Christus wurde in den Wortmeldungen der Synodenväter während des Gesamthergangs der Sonderversammlung stets nachdrücklich und einmütig bekundet. Gestärkt durch diesen Glauben vertrauten die Bischöfe Afrikas ihren Kontinent Christus, dem Herrn an in der Überzeugung, daß nur er mit seinem Evangelium und mit seiner Kirche Afrika aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten zu retten und von seinen zahlreichen Übeln zu heilen vermag. <378> <378> Vgl. Relatio post disceptationem (22. April 1994), Nr. 2: L’Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. 11. Gleichzeitig verkündeten die Bischöfe Afrikas anläßlich der feierlichen Eröffnung der Sonderversammlung öffentlich ihren Glauben an „die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen“. <379> Diese Eigenschaften bezeichnen Wesenszüge der Kirche und ihrer Sendung. Sie „besitzt sie nicht von sich aus. Christus macht durch den Heiligen Geist seine Kirche zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen. Er beruft sie dazu, jede dieser Eigenschaften zu verwirklichen“. <380> <379> U. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 8. <380> Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 811. Alle, die das Privileg der Teilnahme an der Sonderversammlung für Afrika hatten, freuten sich darüber zu sehen, daß die afrikanischen Katholiken immer mehr Verantwortung in ihren Ortskirchen übernehmen und sich bemühen besser zu verstehen, was es heißt, katholisch und zugleich Afrikaner zu sein. Die Abhaltung der Sonderversammlung hat der ganzen Welt deutlich gemacht, daß die Ortskirchen Afrikas „zu Recht ihren Platz in der kirchlichen Gemeinschaft haben“, daß sie das Recht haben, „eigene Überlieferungen“ zu bewahren und zu entwickeln, „unbeschadet des Primats des Stuhles Petri, welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht, die rechtmäßigen Unterschiede schützt und zugleich darüber wacht, daß die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen“. <381> <381> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 13. Synode der Wiedererstehung, Synode der Hoffnung 12. Nach einem einzigartigen Plan der Vorsehung fand die feierliche Eröffnung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode am zweiten Ostersonntag, also am Schluß der Osteroktav statt. Die Synodenväter, die sich an jenem Tag in der Petersbasilika versammelten, waren sich dessen bewußt, daß die Freude ihrer Kirche demselben Ereignis entsprang, das die Herzen der Apostel am Ostertag mit Freude erfüllt hatte: der Auferstehung des Herrn Jesus (vgl. Lk 24,40-41). Sie waren sich zutiefst bewußt, daß unter ihnen der auferstandene Herr gegenwärtig war, der zu ihnen wie zu den Aposteln sagte: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,21.26). Sie 1071 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN waren sich seiner Verheißung bewußt, immer bei seiner Kirche zu bleiben (vgl. Mt 28,20) und somit auch während der ganzen Dauer der Synodenversammlung. Die österliche Atmosphäre, in der die Sonderversammlung mit ihren Mitgliedern, die gemeinsam ihren Glauben an den auferstandenen Christus feierten, ihre Arbeit aufnahm, rief mir unwillkürlich die Worte Jesu an den Apostel Thomas in Erinnerung: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Joh 20,29). 13. Es war in der Tat die Synode der Auferstehung und der Hoffnung, wie die Synodenväter in den Einleitungssätzen ihrer an das Volk Gottes gerichteten Botschaft voller Freude und Begeisterung erklärt haben. Es sind Worte, die ich mir gern zu eigen mache: „Wie Maria Magdalena am Morgen nach der Auferstehung, wie die Jünger von Emmaus mit brennendem Herzen und erleuchtetem Geist, so verkündet die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode: Christus, unsere Hoffnung ist auferstanden. Er ist zu uns gekommen und mit uns gegangen. Er legte uns die Schrift aus und sagte: ,Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt’ (Offb 1,17-18) (...). Und wie der heilige Johannes auf Patmos in besonders schwerer Zeit hoffnungsvolle Prophezeiungen für das Volk Gottes empfangen hat, so verkünden auch wir die Hoffnung. Zu diesem Zeitpunkt, da soviel durch politische Interessen geschürter Bruderhaß unsere Völker spaltet, in einem Augenblick, da die Last der internationalen Verschuldung oder der Geldentwertung sie erdrückt, wollen wir, die Bischöfe Afrikas, gemeinsam mit allen Teilnehmern an dieser heiligen Synode in Einheit mit dem Heiligen Vater und allen unseren Brüdern im Bischofsamt, die uns erwählt haben, dir, Familie Gottes in Afrika, dir, Familie Gottes in aller Welt, ein Wort der Zuversicht und des Trostes widmen: Christus, unsere Hoffnung, lebt, auch wir werden leben! “M 14. Ich fordere das ganze Volk Gottes in Afrika auf, die von der Synodenversammlung ihm übermittelte Botschaft der Hoffnung mit offenem Herzen anzunehmen. Die Synodenväter, die sich voll darüber im klaren waren, Träger der Erwartungen nicht nur der afrikanischen Katholiken, sondern auch aller Männer und Frauen jenes Kontinents zu sein, haben sich während ihrer Diskussionen klar und deutlich mit den vielfältigen Übeln auseinandergesetzt, die das heutige Afrika bedrücken. Sie haben den ganzen Umfang und die Reichweite dessen erkundet, was die Kirche zu tun aufgerufen ist, um den gewünschten Wandel zu unterstützen; sie haben das aber mit einer Haltung getan, die frei von Pessimismus oder Verzweiflung war. Trotz des vorwiegend negativen Gesamtbildes, das zahlreiche Regionen Afrikas heute bieten, und trotz der traurigen Erfahrungen, die viele Länder durchmachen, hat die Kirche die Pflicht, mit Nachdruck zu bekräftigen, daß sich diese Schwierigkeiten überwinden lassen. <382> <382> Nm, 1-2: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. 1072 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sie muß in allen Afrikanern wieder die Hoffnung auf eine echte Befreiung stärken. Ihre Zuversicht gründet sich im letzten auf das Wissen um die göttliche Verheißung, die uns versichert, daß unsere Geschichte nicht in sich selbst geschlossen ist, sondern offen für das Reich Gottes. Deshalb lassen sich weder die Verzweiflung noch der Pessimismus rechtfertigen, wenn man an die Zukunft sowohl Afrikas wie jedes anderen Teiles der Welt denkt. Affektive und effektive Kollegialität 15. Ehe ich auf die Behandlung der verschiedenen Themen eingehe, will ich hervorheben, daß die Bischofssynode ein überaus günstiges Instrument zur Förderung der kirchlichen Gemeinschaft darstellt. Als Papst Paul VI. gegen Ende des II. Vatikanischen Konzils die Synode einrichtete, wies er mit aller Klarheit darauf hin, daß es eine ihrer wesentlichen Zielsetzungen sein sollte, unter der Führung des Nachfolgers Petri die gegenseitige Verbundenheit der in der Welt verstreuten Bischöfe zum Ausdruck zu bringen und zu fördern. <383> Der Einrichtung der Bischofssynode liegt ein einfaches Prinzip zugrunde: Je fester die Verbundenheit der Bischöfe untereinander ist, um so reicher erweist sich die Gemeinschaft der Kirche in ihrer Gesamtheit. Die Kirche in Afrika ist Zeugin für die Wahrheit dieser Worte, weil sie die Erfahrung des begeisterten Mitmachens und der konkreten Ergebnisse gemacht hat, von denen die Vorbereitungen der ihr gewidmeten Versammlung der Bischofssynode begleitet waren. <383> Vgl. Motu proprio Apostolica sollicitudo (15. September 1965), II: A4,S'57{ 1965)776-777. 16. Anläßlich meiner ersten Begegnung mit dem Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode, der im Hinblick auf die Sondersynode für Afrika zusammengetreten war, nannte ich den Grund, warum man die Einberufung dieser Sonderversammlung für opportun gehalten hatte: die Förderung „einer organischen pastora-len Solidarität auf dem gesamten afrikanischen Territorium und den dazugehörigen Inseln“. <384> Mit dieser Formulierung wollte ich Zweck und Hauptziele erfassen, auf die sich die genannte Versammlung hin orientieren sollte. Um meine Erwartungen zu verdeutlichen, fügte ich hinzu, daß die Überlegungen zur Vorbereitung der Versammlung „allen wichtigen Aspekten des Lebens der Kirche in Afrika Rechnung tragen und insbesondere die Bereiche Evangelisierung, Inkulturation, Dialog, Seelsorge auf sozialem Gebiet und die sozialen Kommunikationsmittel umfassen sollten“. <385> <384> Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Sonderversammlung fiir Afrika der Bischofssynode (23. Juni 1989), Nr. 1: AAS82(1990)73; vgl. Angelus (6. Januar 1989), Nr. 2: Jnsegnamenti XII, 1(1989)40; bei dieser Gelegenheit erfolgte die erste offizielle Ankündigung der Einberufung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode. <385> Ebd., Nr. 5: a.a.O., 75. 1073 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 17. Während meiner Pastoralbesuche in Afrika habe ich wiederholt auf die Son-derversammlung für Afrika und auf die wichtigsten Zielsetzungen Bezug genommen, derentwegen sie einberufen worden war. Als ich zum ersten Mal auf afrikanischem Boden an einer Tagung des Synodenrates teilnahm, habe ich meine Überzeugung unterstrichen, daß sich eine Synodenversammlung nicht auf eine Beratung über praktische Fragen beschränken darf. Ihre eigentliche Existenzberechtigung liegt darin, daß die Kirche nur dadurch wachsen kann, daß sie die Verbundenheit ihrer Mitglieder untereinander, angefangen bei den Bischöfen, festigt. <386> Jede Synodenversammlung zeigt und entwickelt die Solidarität zwischen den Leitern der Teilkirchen bei der Erfüllung ihrer Sendung über die Grenzen der jeweiligen Diözesen hinaus. Wie das II. Vatikanische Konzil lehrte, „sollen sich die Bischöfe als rechtmäßige Nachfolger der Apostel und Glieder des Bischofskollegiums immer einander verbunden wissen und sich für alle Kirchen besorgt zeigen. Durch göttliche Einsetzung und Vorschrift ist ja jeder einzelne gemeinsam mit den übrigen Bischöfen mitverantwortlich für die apostolische Aufgabe der Kirche“. <387> <386> Vgl. Johannes Paul H., Ansprache an den Rat des Generalsekretariats für die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (Yamoussoukro, 10. September 1990), Nr. 3: zL4S83(1991)226. <387> Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, Nr. 6. 18. Das Thema, das ich der Sonderversammlung zugeteilt habe - „Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000. ,Ihr werdet meine Zeugen sein’ (Apg 1,8)“ -, drückt meinen Wunsch aus, daß diese Kirche die Zeit bis zum Großen Jubiläum als einen „neuen Advent“, als Zeit der Erwartung und Vorbereitung erleben möge. Ich sehe in der Tat in der Vorbereitung auf das Jahr 2000 gleichsam einen Schlüssel für die Deutung meines Pontifikats. <388> <388> Vgl. Apostol. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 23: AAS87(1995)19. Die Synodenversammlungen, die im Zeitraum von fast dreißig Jahren nacheinander abgehalten wurden - die Generalversammlungen und die Sonderversammlungen auf kontinentaler, regionaler oder nationaler Ebene -, stehen alle in dieser Perspektive der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr. Der Umstand, daß das Thema aller dieser Synodenversammlungen die Evangelisierung ist, weist darauf hin, wie lebendig heute in der Kirche das Bewußtsein der von Christus empfangenen Heilssendung ist. Dieses Sich-Bewußtwerden kommt besonders klar in den Nachsynodalen Apostolischen Schreiben zum Ausdruck, die der Evangelisierung, der Katechese, der Familie, der Buße und Versöhnung im Leben der Kirche und der ganzen Menschheit, der Berufung und Sendung der Laien sowie der Priesterausbildung gewidmet sind. In voller Gemeinschaft mit der Universalkirche 19. Vom Vorbereitungsbeginn der Sonderversammlung an war mein inständiger Wunsch, der vom Rat des Generalsekretariats voll geteilt wurde, dafür zu sorgen, 1074 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß diese Synode wirklich und unmißverständlich afrikanisch sein würde. Zugleich war von grundlegender Bedeutung, daß die Sonderversammlung in voller Gemeinschaft mit der Gesamtkirche abgehalten würde. Tatsächlich hat die Versammlung ständig die Universalkirche berücksichtigt. Im Gegenzug habe ich es nicht versäumt, als der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Lineamenta gekommen war, meine Brüder im Bischofsamt und das ganze über die Welt verstreute Volk Gottes einzuladen, im Gebet der Sonderversammlung für Afrika zu gedenken und sich in die Aktivitäten miteinbezogen zu fühlen, die im Hinblick auf dieses Ereignis vorangebracht worden sind. Wie ich wiederholt betonen konnte, kommt dieser Versammlung beachtliche Bedeutung für die Gesamtkirche zu, nicht nur wegen des Interesses, das ihre Einberufung überall hervorgerufen hat, sondern auch wegen der Natur der kirchlichen Gemeinschaft selbst, die jede zeitliche und räumliche Grenze übersteigt. Tatsächlich hat die Sonderversammlung zu vielen Gebeten und guten Werken inspiriert, mit denen die einzelnen Gläubigen und die Gemeinden der Kirche auf den anderen Kontinenten den Verlauf der Synode begleitet haben. Und wie könnte man daran zweifeln, daß ihr im Geheimnis kirchlicher Verbundenheit auch die Gebete der Heiligen im Himmel Halt gegeben haben? Als ich verfügte, daß die erste Phase der Arbeiten der Sonderversammlung in Rom stattfinden sollte, wollte ich damit noch deutlicher die Gemeinschaft unterstreichen, die die Kirche in Afrika mit der Universalkirche verbindet, ja das Engagement aller Gläubigen für Afrika herausstellen. 20. Der feierliche Eröffnungsgottesdienst der Synode, dem ich in der Petersbasilika Vorstand, hat die Universalität der Kirche auf wunderbare und ergreifende Weise herausgestellt. Diese Universalität, „die nicht Gleichförmigkeit, sondern Gemeinschaft der mit dem Evangelium zu vereinbarenden Unterschiede ist“, <389> wurde von allen Bischöfen erlebt. Alle waren sich bewußt, als Glieder des in der Nachfolge des Apostelkollegiums stehenden Episkopates nicht nur für eine Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen zu haben. <390> Ich danke Gott dem Allmächtigen für die Gelegenheit, die er uns geschenkt hat, durch die Sonderversammlung zu erfahren, was echte Katholizität bedeutet. „Kraft dieser Katholizität bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu“. <391> <389> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 7: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. <390> Vgl. n. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 38. 22 n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 13 1075 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine Botschaft, die ankommt und glaubwürdig ist 21. Die Hauptfrage, der sich die Kirche in Afrika stellen muß, besteht nach den Synodenvätem darin, mit aller nur möglichen Klarheit zu beschreiben, was diese Kirche ist und was sie in Fülle verwirklichen soll, damit ihre Botschaft ankommt und glaubwürdig sei. <392> Alle Diskussionen in der Versammlung haben auf dieses wirklich wesentliche Grunderfordemis, das eine echte Herausforderung für die Kirche in Afrika darstellt, Bezug genommen. <392> Vgl. Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 34: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 5. Gewiß stimmt es, daß „der Heilige Geist der Erstbeweger der Evangelisierung ist: Er ist es, der antreibt, das Evangelium zu verkünden, und er ist es auch, der die Heilsbotschaft in den Tiefen des Bewußtseins annehmen und verstehen läßt“. <393> Aber während die Sonderversammlung diese Wahrheit bestätigte, hat sie mit Recht hinzugefügt, daß die Evangelisierung auch eine Sendung ist, die Jesus, der Herr, seiner Kirche anvertraut hat unter der Führung und in der Kraft des Heiligen Geistes. Es bedarf unserer Mitwirkung durch inniges Gebet, intensives Nachdenken, angemessene Pläne und Mobilisieren von Hilfsmitteln“. <394> <395> Die Synodendebatte über das Thema der Botschaft der Kirche in Afrika, die ankommt und glaubwürdig ist, mußte auch eine Überlegung zur Glaubwürdigkeit der Verkünder dieser Botschaft beinhalten. Die Synodenväter sind mit großer Aufrichtigkeit und ohne jede Nachsicht direkt die Frage angegangen. Dieses Problems hatte sich bereits Papst Paul VI. angenommen, als er mit denkwürdigen Worten mahnte: „Oft wird heute gesagt, unser Jahrhundert dürste geradezu nach Authentizität (Echtheit). Vor allem von der Jugend sagt man, sie habe einen Abscheu vor allem Gekünstelten, Unechten und suche vor allem Wahrheit und Transparenz. Diese Zeichen der Zeit sollten uns wachsam finden. Schweigend oder lautstark, immer aber voller Eindringlichkeit fragt man uns: Glaubt ihr wirklich an das, was ihr verkündet? Lebt ihr, was ihr glaubt? Predigt ihr wirklich, was ihr lebt? Das Zeugnis des Lebens ist mehr denn je eine wesentliche Bedingung für die Tiefenwirkung der Verkündigung geworden. Aus diesem Grund sind wir bis zu einem gewissen Grade verantwortlich für den Erfolg des Evangeliums, das wir verkünden“. <393> Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 75: 44568(1976)66. <394> Vgl. Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 34: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 5. 22 Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 76:44568(1976)67. Ich selbst habe darum bezüglich des Evangelisierungsauftrags der Kirche im Bereich der Gerechtigkeit und des Friedens gesagt: „Die Kirche ist sich heute mehr denn je dessen bewußt, daß ihre soziale Botschaft mehr im Zeugnis der Werke als in ihrer inneren Folgerichtigkeit und Logik Glaubwürdigkeit finden wird“. <396> <396> Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nr. 57:44583(1991 )862. 1076 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 22. Sollte man hier etwa nicht daran erinnern, daß die 1987 in Lagos, Nigeria, abgehaltene achte Vollversammlung von S.E.C.A.M. bereits mit bemerkenswerter Klarheit die Frage der glaubwürdigen und treffenden Botschaft der Kirche in Afrika erwogen hatte? Jene selbe Versammlung hatte erklärt, die Glaubwürdigkeit der Kirche in Afrika hänge ab von Bischöfen und Priestern, die fähig sind, nach dem Beispiel Christi das Zeugnis eines vorbildlichen Lebens zu geben; von Ordensleuten, die durch ihre den evangelischen Räten entsprechende Lebensführung wirklich treue, glaubwürdige Zeugen sind; von einem dynamischen Laienstand, mit tiefgläubigen Eltern, ihrer Verantwortung bewußten Erziehern, von tiefem Moralgefühl beseelten politischen Führern. <397> <397> Vgl. Botschaft der VIII. Vollversammlung von S.E.C.A.M. (19. Juli 1987): La Documentation catholique 84(1987)1024-1026. Familie Gottes auf dem Weg zur Synode 23. Als ich am 23. Juni 1989 zu den Mitgliedern des Rates des Generalsekretariats sprach, bestand ich sehr stark auf der Beteiligung des ganzen Volkes Gottes auf allen Ebenen, besonders in Afrika, an der Vorbereitung der Sonderversammlung. „Wenn sie gut vorbereitet ist“ - so sagte ich - „wird die Tagung der Synode die Einbeziehung sämtlicher Bereiche der christlichen Gemeinschaft ermöglichen: einzelne, kleine Gemeinden, Pfarreien, Diözesen und lokale, nationale und internationale Einrichtungen“. <398> <398> Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (23. Juni 1989), Nr. 6: A/1S82(1990)76. Zwischen dem Beginn meines Pontifikats und der Eröffnung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode habe ich Afrika und Madagaskar zehn Pas-toralbesuche abstatten und dabei sechsunddreißig Nationen erreichen können. Bei den apostolischen Reisen nach Einberufung der Sonderversammlung nahmen in meinen Begegnungen mit dem Volk Gottes in Afrika das Thema der Synode und die Notwendigkeit für alle Gläubigen, sich auf die Synodenversammlung vorzubereiten, stets einen vorrangigen Platz ein. Ich habe auch die Ad-limina-Besuche der Bischöfe jenes Kontinents zum Anlaß genommen, um auf die Mitarbeit aller an der Vorbereitung der Sonderversammlung für Afrika zu drängen. Bei drei anderen Gelegenheiten habe ich sodann zusammen mit dem Rat des Generalsekretariats der Synode Arbeitssitzungen auf afrikanischem Boden abgehalten: in Yamoussou-kro, Elfenbeinküste (1990), in Luanda, Angola (1992) und in Kampala, Uganda (1993), immer in der Absicht, die Afrikaner zur aktiven und gemeinsamen Teilnahme an der Vorbereitung der Synodenversammlung aufzurufen. 24. Die Vorlage der Lineamenta am 25. Juli 1990 in Lome, Togo, anläßlich der neunten Vollversammlung von S.E.C.A.M. war zweifellos ein neuer und bedeutsamer Abschnitt auf dem Vorbereitungsweg zur Sonderversammlung. Man darf 1077 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wohl sagen, daß die Veröffentlichung der Lineamenta die Synodenvorbereitungen in allen Teilkirchen Afrikas entscheidend in Gang gebracht hat. Die Versammlung von S.E.C.A.M. in Lome hat ein Gebet für die Sonderversammlung angenommen und ersucht, daß es bis nach Abhaltung der Synode sowohl öffentlich wie privat in allen afrikanischen Pfarreien verrichtet werden sollte. Das war eine wirklich gelungene Initiative von S.E.C.A.M., die auch in der Universalkirche nicht unbeachtet geblieben ist. Um dann die Verbreitung der Lineamenta zu fördern, haben zahlreiche Bischofskonferenzen und Diözesen das Dokument in ihre Sprache übersetzt, wie zum Beispiel in Swahili, ins Arabische, ins Madagassische und andere Sprachen. „Von verschiedenen Bischofskonferenzen, theologischen Institituten und Priesterseminaren, Vereinigungen von Ordensinstituten, Diözesen, einigen wichtigen Tageszeitungen und Zeitschriften, von einzelnen Bischöfen und Theologen wurden über die Themen der Synode Veröffentlichungen herausgegeben und Vorträge und Symposien veranstaltet“. <399> <400> <399> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Bericht des Generalsekretärs (11. April 1994), VI: L'Osservatore Romano, 11.-12. April 1994, S. 10. <400> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8), Lineamenta, Vatikanstadt 1990; Instrumentum laboris, Vatikanstadt 1993. 25. Ich danke Gott dem Allmächtigen für die große Sorgfalt, mit der die Lineamenta und das Instrumentum laboris32 der Synode erstellt worden sind. Es war eine Aufgabe, die von afrikanischen Bischöfen und Experten, angefangen von der Vorbereitungskommission der Synode, im Januar und März 1989 übernommen und dann entfaltet worden war. Die Kommission wurde dann von dem von mir am 20. Juni 1989 errichteten Rat des Generalsekretariats der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode abgelöst. Zutiefst dankbar bin ich außerdem der Arbeitsgruppe, die für die Eucharistiefeiem zur Eröffnung und zum Abschluß der Synode so gut Sorge getragen hat. Die Gruppe, zu deren Mitgliedern Theologen, Liturgiker und Experten in afrikanischen liturgischen Gesängen und Instrumenten zählten, wollte es meinem Wunsch gemäß bewerkstelligen, daß der Eröffnungs- und der Schlußgottesdienst von einem klaren afrikanischen Charakter geprägt wären. 26. Nun muß ich noch hinzufügen, daß die Antwort der Afrikaner auf meinen Appell, sich an der Vorbereitung der Synode zu beteiligen, wahrhaft bewundernswürdig gewesen ist. Die Aufnahme, die die Lineamenta sowohl innerhalb wie außerhalb der afrikanischen Teilkirchen und Gemeinden fanden, hat jede Voraussage weit übertroffen. Viele Ortskirchen haben sich der Lineamenta bedient, um die Gläubigen in Bewegung zu bringen, und wir können schon jetzt sagen, daß die 1078 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Früchte der Synode sich in einem neuen Engagement und in einem erneuerten Bewußtwerden der Christen Afrikas zu zeigen beginnen. <401> <401> Vgl. Instrumentum laboris. Von den 34 Bischofskonferenzen in Afrika und Madagaskar haben 31 ihre Bemerkungen eingesandt, während die drei anderen wegen der schwierigen Situation, in der sie sich befanden, nicht dazu in der Lage waren. Im Laufe der verschiedenen Vorbereitungsphasen der Sonderversammlung haben sich zahlreiche Mitglieder der Kirche in Afrika - Klerus, Ordensleute, Laien - auf beispielhafte Weise auf den Synodenweg begeben, indem sie „miteinander gingen“, jeder seine Talente in den Dienst der Kirche stellte und sie miteinander inbrünstig für den Erfolg der Synode beteten. Die Synodenväter selbst haben im Verlauf der Synodenversammlung mehr als einmal darauf hingewiesen, daß durch die „sorgfältige und gewissenhafte Vorbereitung dieser Synode, im aktiven Einbezogensein der ganzen Kirche in Afrika auf allen Ebenen“ ihre Arbeit erleichtert wurde. <402> <402> Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 1: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4; vgl. Relatio post disceptationem (22. April 1994), Nr. 1: L'Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. Gott will Afrika retten 27. Der Völkerapostel sagt uns, daß Gott „will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (7 Tim 2,4-6). Da Gott alle Menschen zu ein und derselben Bestimmung beruft, die göttlich ist, „müssen wir festhalten, daß der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“. <403> Die erlösende Liebe Gottes umfaßt die ganze Menschheit, jede Rasse, jeden Stamm, jede Nation: Sie umfaßt also auch die Völker des afrikanischen Kontinents. Die göttliche Vorsehung wollte es, daß Afrika während des Leidens und Sterbens Christi zugegen war in der Person Simons von Kyrene, den römische Soldaten gezwungen hatten, dem Herrn das Kreuz tragen zu helfen (vgl. Mk 15,21). 33 n. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1260. 28. Die Liturgie des sechsten Ostersonntags 1994 während des feierlichen Gottesdienstes zum Abschluß der Sitzungsperiode der Sonderversammlung bot mir die Gelegenheit zu einer Reflexion über Gottes Heilsplan für Afrika. Eine der biblischen Lesungen, die der Apostelgeschichte entnommen war, erinnerte an ein Ereignis, das als der erste Schritt in der Sendung der Kirche zu den Heiden angesehen werden kann: der Bericht darüber, daß Petrus auf Eingebung des Heiligen Geistes das Haus eines Heiden, des Hauptmannes Cornelius, besuchte. Bis dahin war das Evangelium vor allem unter den Juden verkündet worden. Nachdem Petrus zunächst ziemlich gezögert hatte, beschloß er, vom Geist erleuchtet, sich in das 1079 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Haus eines Heiden zu begeben. Als er dort eintraf, war er freudig davon überrascht, daß der Hauptmann auf Christus und die Taufe wartete. Das Buch der Apostelgeschichte berichtet: „Die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, daß auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen“ (10,45-46). Im Hause des Cornelius wiederholte sich gewissermaßen das Pfingstwunder. Da sagte Petrus: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, daß Gott nicht auf die Person sieht, sondern daß ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist (...). Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?“ (Apg 10,34-35.47). So begann die Mission der Kirche ad gentes, deren wichtigster Bote Paulus von Tarsus werden sollte. Die ersten Missionare, die in das Innere Afrikas gelangten, haben sicher ein ähnliches Wunder erlebt, wie es die Christen der apostolischen Zeit angesichts der Ausgießung des Heiligen Geistes erfahren haben. 29. Der Plan Gottes für die Rettung Afrikas steht am Anfang der Ausbreitung der Kirche auf dem afrikanischen Kontinent. Da jedoch nach dem Willen Christi die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist, folgt daraus, daß die Kirche in Afrika aufgerufen ist, selbst eine aktive Rolle im Dienst am Heilsplan Gottes zu übernehmen. Darum habe ich oft gesagt, „die Kirche in Afrika ist missionarische Kirche und zugleich Missionskirche“. <404> <404> Ansprache bei der Generalaudienz am 21. August 1985, Nr. 3: Insegnamenti Vin,2(1985)512. Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode hatte die Aufgabe, die Mittel zu untersuchen, mit deren Hilfe die Afrikaner besser den Auftrag erfüllen können, den der auferstandene Herr seinen Jüngern erteilt hat: „Darum geht zu allen Völkern (...) und lehrt sie“ (Mt 28,19-20). II. Kapitel Die Kirche in Afrika I. Kurze Geschichte der Evangelisierung auf dem Kontinent 30. Am Eröffnungstag der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode, der ersten Versammlung dieser Art in der Geschichte, haben die Synodenväter an einige der Wunder erinnert, die im Verlauf der Evangelisierung Afrikas von Gott vollbracht worden sind. Es ist eine Geschichte, die in die Entstehungszeit der Kirche selbst zurückreicht. Die Verbreitung des Evangeliums hat sich in verschiedenen Phasen vollzogen. Die ersten Jahrhunderte des Christentums erlebten die Evangelisierung Ägyptens und Nordafrikas. Eine zweite Phase, die die südlich der Sahara gelegenen Gebiete des Kontinents betraf, erfolgte im 15. und 16. Jahrhun- 1080 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dert. Eine von außerordentlicher missionarischer Anstrengung gekennzeichnete dritte Phase hat im 19. Jahrhundert begonnen. Erste Phase 31. In einer die Förderung des materiellen und geistigen Wohlergehens des Kontinents betreffenden Botschaft an die Bischöfe und an alle Völker Afrikas erinnerte mein verehrter Vorgänger Paul VI. in Worten von historischer Bedeutung an die ruhmreiche und glanzvolle christliche Vergangenheit Afrikas: „Wir denken an die christlichen Kirchen Afrikas, deren Ursprung in die apostolische Zeit zurückreicht und der Überlieferung nach mit dem Namen und der Lehre des Evangelisten Markus verbunden ist. Wir denken an die zahllose Schar von Heiligen, Märtyrern, Be-kennem, Jungfrauen, die ihnen angehören. Tatsächlich gab es zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert in den nördlichen Regionen Afrikas ein intensives christliches Leben, das sowohl in der theologischen Forschung wie in der literarischen Ausdrucksweise führend war. Da fallen uns die Namen der großen Gelehrten und Schriftsteller ein, wie Origenes, die hll. Athanasius und Kyrillos, Leuchten der alexandrinischen Schule, und am anderen Ende der afrikanischen Mittelmeerküste Tertullian, der hl. Cyprian und vor allem der hl. Augustinus, eine der leuchtendsten Gestalten der Christenheit. Wir werden an die großen Wüstenheiligen erinnert, Paulus, Antonius, Pachomius, die ersten Begründer des Mönchtums, das sich dann nach ihrem Vorbild im Osten und im Abendland verbreitete. Und unter den vielen anderen wollen wir den Namen des hl. Frumentius, genannt Abba Salama, nicht vergessen, der, vom hl. Athanasius zum Bischof geweiht, der Apostel Äthiopiens war“. <405> Während dieser ersten Jahrhunderte der Kirche in Afrika haben auch einige Frauen Zeugnis von Christus abgelegt. Unter ihnen verdienen besondere Erwähnung die hll. Felicitas und Perpetua, die hl. Monika und die hl. Thekla. <405> Botschaft Africae terranun (29. Oktober 1967), Nr. 3: AtS59(1967)1074-1075. „Diese leuchtenden Beispiele sowie auch die Gestalten der heiligen afrikanischen Päpste Victor I., Miltiades und Gelasius I. gehören zum gemeinsamen Erbe der Kirche, und die Schriften der christlichen Autoren Afrikas sind noch heute grundlegend für eine Vertiefung der Heilsgeschichte im Lichte des Wortes Gottes. Mit der Erinnerung an die antike Glanzzeit des christlichen Afrika möchten wir unsere tiefe Achtung gegenüber den Kirchen zum Ausdruck bringen, mit denen wir nicht in voller Gemeinschaft stehen: der griechischen Kirche des Patriarchats von Alexandrien, der koptischen Kirche Ägyptens und der äthiopischen Kirche, die den Ursprung und das lehrmäßige und spirituelle Erbe der großen Kirchenväter und Heiligen nicht nur ihres Landes, sondern der ganzen alten Kirche mit der katholischen Kirche gemeinsam haben. Sie haben viel getan und gelitten, um den christlichen Namen in Afrika durch die Wechselfälle der Zeiten hindurch lebendig zu er- 1081 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN halten“. <406> <407> Diese Kirchen erbringen noch heute das Zeugnis für die christliche Lebenskraft, die sie aus ihren apostolischen Wurzeln besonders in Ägypten und in Äthiopien und, bis zum 17. Jahrhundert, in Nubien schöpfen. Auf dem übrigen Kontinent begann damals ein zweiter Abschnitt der Evangelisierung. <406> Ebd., Nm. 3-4: a.a.O„ 1075. 3® Predigt zum 500-Jahr-Jubiläum der Evangelisierung Angolas (Luanda, 7. Juni 1992), Nr. 2: AAS'850 993)511-512. Zweite Phase 32. Im 15. und 16. Jahrhundert war die Erforschung der afrikanischen Küste durch die Portugiesen schon bald von der Evangelisierung der südlich der Sahara gelegenen Gebiete Afrikas begleitet. Dieses Bemühen betraf unter anderen die Gebiete der heutigen Staaten Benin, Säo Tome, Angola, Mozambique und Madagaskar. Am Pfingstsonntag, dem 7. Juni 1992, habe ich anläßlich der 500-Jahrfeier der Evangelisierung Angolas in Luanda unter anderem gesagt: „Die Apostelgeschichte nennt mit Namen die Bewohner der verschiedenen Gegenden, die unmittelbar an der Geburt der Kirche unter dem Wirken und Wehen des Heiligen Geistes teil-nahmen. Und alle sagten: ,Wir hören sie in unserer Sprache Gottes große Taten verkünden’ (Apg 2,11). Vor fünfhundert Jahren traten in diesen Chor der Sprachen auch die Völkerschaften Angolas ein. Damals hat sich in eurer afrikanischen Heimat der Pfingsttag von Jerusalem erneuert. Eure Vorfahren hörten die Frohbotschaft, die die Sprache des Geistes ist. Ihre Herzen nahmen zum ersten Mal dieses Wort auf, und sie neigten ihr Haupt unter dem Wasser des Taufbrunnens, in dem der Mensch unter dem Wirken des Heiligen Geistes zusammen mit dem gekreuzigten Christus stirbt und zum neuen Leben in seiner Auferstehung wiedergeboren wird (...). Es war gewiß der gleiche Geist, der diese Männer des Glaubens, die ersten Missionare, angetrieben hat, die im Jahre 1491 an der Mündung des Flusses Zaire in Pinda an Land gingen und ein wirklich großartiges Missionswerk begannen. Es war der Heilige Geist, der auf seine Weise in den Herzen der Menschen wirkt, der den großen König von Kongo, Nzinga-a-Nkuwu, veranlaßte, um Missionare für die Verkündigung des Evangeliums zu bitten. Es war der Heilige Geist, der im Leben jener vier ersten Christen von Angola am Werk war, die nach der Rückkehr aus Europa den Wert des christlichen Glaubens bezeugten. Nach den ersten Missionaren kamen viele weitere aus Portugal und anderen europäischen Ländern, um das begonnene Werk weiterzuführen, auszuweiten und zu festigen“® In dieser Zeit wurde eine gewisse Anzahl von Bischofssitzen errichtet, und eine der ersten Taten dieses missionarischen Einsatzes war im Jahr 1518 in Rom die Weihe von Don Henrique, Sohn des kongolesischen Königs Alphons I., zum Ti-tularbischof von Utica durch Papst Leo X. Don Henrique wurde so der erste einheimische Bischof Schwarzafrikas. 1082 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In jener Epoche, genau im Jahr 1622, errichtete mein Vorgänger Gregor XV. als ständige Einrichtung die Kongregation De Propaganda Fide zum Zweck einer besseren Organisation und Weiterentwicklung der Missionen. Wegen verschiedenartiger Schwierigkeiten fand die zweite Phase der Evangelisierung Afrikas im 18. Jahrhundert mit der Auslöschung nahezu aller Missionen in den südlich der Sahara gelegenen Regionen ein jähes Ende. Dritte Phase 33. Die dritte Phase der systematischen Evangelisierung Afrikas begann im 19. Jahrhundert, einer Zeit, die von einem außerordentlichen, von großen Aposteln und Anregern der Afrikamission vorangetriebenen Aufschwung geprägt war. Es war eine Zeit raschen Wachstums, wie die der Synodenversammlung von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker vorgelegten Statistiken deutlich beweisen. <408> Afrika hat sehr großzügig auf den Anruf Christi geantwortet. In den letzten Jahrzehnten haben zahlreiche afrikanische Länder das Hundertjahr-Jubiläum des Beginns ihrer Evangelisierung begangen. Das Wachstum der Kirche in Afrika seit hundert Jahren stellt wahrlich ein Wunder der Gnade Gottes dar. Leuchtenden Ruhm und Glanz verleihen der Evangelisierung Afrikas in der heutigen Zeit auf wunderbare Weise die Heiligen, die das moderne Afrika der Kirche geschenkt hat. Papst Paul VT. hat dieser Wirklichkeit beredten Ausdruck verliehen, als er anläßlich des Weltmissionstages 1964 die Märtyrer Ugandas in der Petersbasilika heiligsprach: „Diese afrikanischen Märtyrer fügen der Liste der Siegreichen, die das Martyrologium ist, eine tragische und großartige Seite hinzu, die wahrhaft würdig ist, zu jenen wunderbaren Seiten des antiken Afrika hinzuzukommen (...). Getaucht in das Blut dieser Märtyrer, der ersten der Neuzeit (gebe Gott, daß es die letzten seien, so großartig und kostbar ihr Opfer auch ist!), ersteht Afrika wieder, frei und erlöst“. <409> <408> Vgl. Situation der Kirche in Afrika und Madagaskar (einige Aspekte und Bemerkungen): L'Osservatore Romano, 16. April 1994, S. 6-8; Statistisches Amt der Kirche, Kirche in Afrika: Zahlen und Statistiken: L'Osservatore Romano, 15. April 1994, S. 6. <409> Predigt bei der Heiligsprechung der seligen Carlo Lwanga, Matthias Mulumba Kalemba und ihrer 20 ugandischen Märtyrergefährten (18. Oktober 1964): A4S56(1964)905-906. 34. Die Liste der Heiligen, die Afrika der Kirche schenkt, eine Liste, die ihr höchster Ehrentitel ist, wird ständig länger. Wie könnten wir unter den jüngsten Cle-mentina Anwarite, Jungfrau und Märtyrerin aus Zaire, unerwähnt lassen, die ich 1985 auf afrikanischem Boden seliggesprochen habe, Victoria Rasoamanarivo aus Madagaskar und Josephine Bakhita aus dem Sudan, die gleichfalls während meines Pontifikats seliggesprochen wurden? Und muß man nicht an den seligen Isidor Bakanja, Märtyrer aus Zaire, erinnern, den ich während der Sonderversammlung für Afrika zur Ehre der Altäre erheben durfte? 1083 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Weitere Prozesse stehen vor dem Abschluß. Die Kirche in Afrika muß für ihr eigenes Martyrologium sorgen, indem sie zu den großartigen Gestalten der ersten Jahrhunderte (...) die Märtyrer und Heiligen der letzten Zeit hinzufügt“. <410> Für das außerordentliche Wachstum der Kirche in Afrika in den letzten hundert Jahren, für die Früchte an Heiligkeit, die erreicht worden sind, gibt es nur eine einzige mögliche Erklärung: Das alles ist Gabe Gottes, denn keine menschliche Anstrengung hätte im Laufe einer relativ so kurzen Zeit ein derartiges Werk zu vollbringen vermocht. Menschlicher Triumphalismus ist jedoch nicht angebracht. Wenn die Synodenväter an die Glanzzeit der Kirche in Afrika erinnerten, wollten sie damit lediglich die von Gott für die Befreiung und das Heil Afrikas vollbrachten Wunder preisen. <410> Johannes Paul II., Predigt anläßlich der Eucharistiefeier zum Abschluß der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (8. Mai 1994), Nr. 6: L'Osservatore Romano, 9.-10. Mai 1994, S. 5. „Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ (Ps 118/117,23). „Der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,49). Anerkennung für die Missionare 35. Das großartige Wachstum und das Werk der Kirche in Afrika sind großenteils der heroischen, selbstlosen Hingabe von Generationen von Missionaren zu verdanken. Das wird von allen zugegeben. Die gesegnete Erde Afrikas ist in der Tat übersät von Gräbern tapferer Boten des Evangeliums. Als die Bischöfe Afrikas in Rom zur Sonderversammlung zusammentraten, waren sie sich sehr wohl der Dankesschuld bewußt, die ihr Kontinent ihren Vorfahren im Glauben gegenüber hat. In seiner Ansprache an die erste Versammlung von S.E.C.A.M. am 31. Juli 1969 in Kampala nahm Papst Paul VI. Bezug auf diese Dankesschuld: ,Jhr Afrikaner seid nunmehr eure eigenen Missionare. Die Kirche Christi ist wirklich in diese gesegnete Erde eingepflanzt (vgl. Dekret Ad gentes, Nr. 6). Eine Verpflichtung müssen wir erfüllen: Wir müssen die Erinnerung an diejenigen wachhalten, die in Afrika vor euch das Evangelium verkündet haben und es noch heute mit euch verkündigen, wie uns die Heilige Schrift ermahnt: ,Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben; schaut auf das Ende ihres Lebens und ahmt ihren Glauben nach’ (Hehr 13,7). Eine Geschichte, die wir nicht vergessen dürfen; sie verleiht der Ortskirche das Kennzeichen ihrer Glaubwürdigkeit und Vortrefflichkeit; ihren ,apostolischen’ Charakter; sie ist ein Drama der Liebe, des Heroismus und des Opfers, das die afrikanische Kirche seit ihren Anfängen groß und heilig macht“. <411> <411> Ansprache beim Symposion der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars (31. Juli 1969), Nr. 1: AAS61(1969)575. 1084 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 36. Die Sonderversammlung hat auf würdige Weise diese Dankesschuld beglichen, als sie bei ihrer ersten Generalkongregation erklärte: „An dieser Stelle müssen die Missionare eine warmempfundene Würdigung erfahren, Männer und Frauen aller Orden und Säkularinstitute, und ebenso alle Länder, die sich während der etwa 2000 Jahre der Evangelisierung des afrikanischen Kontinents (...) intensiv dafür eingesetzt haben, die Fackel des christlichen Glaubens weiterzugeben (...). Darum ist es uns, den glücklichen Erben dieses wunderbaren Abenteuers, ein Anliegen, Gott bei diesem feierlichen Anlaß Dank zu sagen“. <412> Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 5: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. In der Botschaft an das Volk Gottes haben die Synodenväter noch einmal ausdrücklich die Missionare gewürdigt, aber nicht vergessen, den Söhnen und Töchtern Afrikas, die besonders als Katechisten und Übersetzer mit ihnen zusammenarbeiteten, ihre Anerkennung auszusprechen. <413> Vgl. Nr. 10: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. 37. Dank des großen Missionsepos, für das besonders in den letzten zwei Jahrhunderten der afrikanische Kontinent die Bühne abgab, konnten wir in Rom zusammentreten, um die Sonderversammlung für Afrika abzuhalten. Der in Afrika einst ausgesäte Same hat überreiche Frucht getragen. Meine Brüder im Bischofsamt, Söhne der Völker Afrikas, sind dafür beredte Zeugen. Zusammen mit ihren Priestern tragen sie nunmehr den Großteil der Evangelisierungsarbeit auf ihren Schultern. Davon zeugen auch die zahlreichen Söhne und Töchter Afrikas, die den alten Missionsorden angehören oder in die neuen, in Afrika entstandenen Institute ein-treten, indem sie mit ihren Händen die Fackel der totalen Hingabe an den Dienst Gottes und des Evangeliums ergreifen. Verwurzelung und Wachstum der Kirche 38. Der Umstand, daß innerhalb von fast zwei Jahrhunderten die Zahl der Katholiken in Afrika rasch gewachsen ist, stellt an sich in jeder Hinsicht ein bemerkenswertes Ergebnis dar. Die Konsolidierung der Kirche auf dem Kontinent wird besonders durch Faktoren bekräftigt wie die beachtliche und rasche zahlenmäßige Zunahme der Kirchenbezirke, das Ansteigen des einheimischen Klerus, der Seminaristen und der Kandidaten in den Instituten des geweihten Lebens, sowie die schrittweise Ausdehnung des Netzes der Katechisten, deren Beitrag zur Ausbreitung des Evangeliums unter den afrikanischen Völkern allen wohl bekannt ist. Schließlich verdient der hohe Prozentsatz der einheimischen Bischöfe Afrikas besonders erwähnt zu werden, die nunmehr die Hierarchie des Kontinents bilden. Die Synodenväter haben zahlreiche sehr bedeutsame Schritte zur Kenntnis genommen, die von der Kirche in Afrika auf den Gebieten der Inkulturation und des öku- 44 45 1085 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menischen Dialogs vollzogen worden sind. <414> Die beachtlichen und verdienstvollen Leistungen im Erziehungsbereich werden allgemein anerkannt. <414> Vgl. Relatiopost disceptationem (22. April 1994), Nm. 22-26: L'Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. Obwohl die Katholiken nur vierzehn Prozent der afrikanischen Bevölkerung bilden, stellen die katholischen Einrichtungen im Bereich des Gesundheitswesens siebzehn Prozent der Gesamtstrukturen des Gesundheitswesens des ganzen Kontinents dar. Die Initiativen, die von den jungen Kirchen Afrikas mutig ergriffen wurden, um das Evangelium „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) zu tragen, sind zweifellos bemerkenswert. Die in Afrika errichteten Missionsinstitute haben an Zahl zugenommen und damit begonnen, nicht nur für die Länder des Kontinents, sondern auch für andere Regionen der Erde Missionare bereitzustellen. Afrikanische Diö-zesanpriester, deren Zahl langsam wächst, stellen sich für begrenzte Zeiträume als fidei donum-Priester in anderen, personalschwachen Diözesen in ihrer Nation oder anderswo zur Verfügung. Die afrikanischen Provinzen sowohl der männlichen wie der weiblichen Ordensinstitute päpstlichen Rechts haben gleichfalls eine Zunahme ihrer Mitglieder erfahren. Auf diese Weise stellt sich die Kirche in den Dienst der afrikanischen Völker; sie akzeptiert außerdem, in den „Gabenaustausch“ mit anderen Teilkirchen im Rahmen des ganzen Gottesvolkes einbezogen zu werden. All das zeigt auf greifbare Weise, zu welcher Reife die Kirche in Afrika gelangt ist: Dies ist es denn auch, was die Abhaltung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode möglich gemacht hat. Was ist aus Afrika geworden? 39. Vor knapp dreißig Jahren erlangten nicht wenige afrikanische Länder ihre Unabhängigkeit von den Kolonialmächten. Das hat große Erwartungen geweckt hinsichtlich der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der afrikanischen Völker. Obgleich „sich in manchen Ländern die innere Lage leider noch nicht gefestigt hat und die Gewalt die Oberhand hatte und manchmal noch immer hat, darf das nicht Anlaß zu einer allgemeinen Verurteilung geben, die ein ganzes Volk oder eine ganze Nation oder, noch schlimmer, einen ganzen Kontinent einbezieht“. <415> <415> Paul VI., Botschaft Africae terrarum (29. Oktober 1967), Nr. 6: AAS59(1967)1076. 40. Aber wie sieht die tatsächliche Gesamtsituation des afrikanischen Kontinents heute aus, besonders unter dem Gesichtspunkt des Evangelisierungsauftrags der Kirche? In diesem Zusammenhang haben sich die Synodenväter vor allem eine Frage gestellt: „Inwiefern ist auf einem Kontinent, der der schlechten Nachrichten überdrüssig ist, die christliche Verkündigung eine ,gute Nachricht’ für unser Volk? Wo sind, mitten in der Verzweiflung, die alles befällt, die Hoffnung und der Optimismus, die das Evangelium mit sich bringt? Die Evangelisierung fördert 1086 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN viele der wesentlichen Werte, die unserem Kontinent so sehr fehlen: Hoffnung, Frieden, Freude, Harmonie, Liebe und Einheit“. <416> <416> Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 2: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. Nachdem sie zu Recht betont hatten, daß Afrika ein riesiger Kontinent mit ganz unterschiedlichen Gegebenheiten sei und man sich daher sowohl bei der Einschätzung von Problemen wie bei Lösungsvorschlägen vor jeder Verallgemeinerung zu hüten habe, mußte die Synodenversammlung schmerzvoll feststellen: „Eine allgemein verbreitete Situation ist ohne Zweifel die Tatsache, daß Afrika voller Probleme ist: In fast allen unseren Ländern herrscht eine schreckliche Verelendung, schlechte Verwaltung der ohnehin kargen verfügbaren Mittel, politische Instabilität und soziale Orientierungslosigkeit. Das Ergebnis haben wir vor Augen: Elend, Kriege, Verzweiflung. In einer von den reichen und mächtigen Nationen kontrollierten Welt ist Afrika praktisch zu einem unbedeutenden, oft vergessenen und von allen vernachlässigten Anhängsel geworden“. <417> <417> Ebd., Nr. 4: a.a.O. 4L Für viele Synodenväter kann das heutige Afrika mit jenem Mann verglichen werden, der von Jerusalem hinab nach Jericho ging; er fiel Räubern in die Hände, die ihn ausplünderten, ihn niederschlugen, dann weggingen und ihn halbtot liegen ließen (vgl. Lk 10,30-37). Afrika ist ein Kontinent, in dem zahllose Menschen -Männer und Frauen, Kinder und Jugendliche - gleichsam am Straßenrand liegen, krank, verwundet, ohnmächtig, an den Rand geschoben und verlassen. Sie bedürfen dringend barmherziger Samariter, die ihnen zu Hilfe kommen. Ich wünsche mir, daß die Kirche weiterhin geduldig und unermüdlich als guter Samariter tätig ist. Denn lange Zeit haben Regime, die heute verschwunden sind, die Afrikaner auf eine harte Probe gestellt und ihr Reaktionsvermögen geschwächt: Der verwundete Mensch muß alle Möglichkeiten seines Menschseins wiederentdecken. Die Söhne und Töchter Afrikas brauchen verständnisvolle Präsenz und pastorale Sorge. Es gilt, ihnen zu helfen, ihre eigenen Kräfte zu sammeln, um sie in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen. Positive Werte der afrikanischen Kultur 42. Afrika befindet sich trotz seiner reichen Naturschätze in einer Situation wirtschaftlicher Armut. Trotzdem besitzt es eine Vielfalt von kulturellen Werten und unschätzbaren menschlichen Qualitäten, die es den Kirchen und der ganzen Menschheit anbieten kann. Die Synodenväter haben einige dieser kulturellen Werte hervorgehoben, die gewiß eine willkommene Vorbereitung auf die Weitergabe des Evangeliums darstellen; es sind Werte, die eine positive Entwicklung der dramatischen Situation des Kontinents fördern und jenen Gesamtaufschwung in Gang bringen können, von dem die ersehnte Entwicklung der einzelnen Nationen abhängt. 1087 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Afrikaner haben einen tiefen Sinn für das Religiöse, einen Sinn für das Heilige, für die Existenz des Schöpfergottes und einer spirituellen Welt. Die Realität der Sünde in ihren individuellen und sozialen Formen ist dem Bewußtsein jener Völker sehr gegenwärtig, und empfunden wird auch das Bedürfnis nach Reini-gungs- und Sühneriten. 43. In der afrikanischen Kultur und Tradition gilt die Rolle der Familie allgemein als grundlegend. Da der Afrikaner offen ist für diesen Sinn für die Familie, für die Liebe und Achtung des Lebens, liebt er die Kinder, die voll Freude als ein Gottesgeschenk angenommen werden. „Die Söhne und Töchter Afrikas lieben das Leben. Gerade diese Liebe zum Leben läßt sie der Verehrung der Vorfahren so große Bedeutung beimessen. Sie glauben instinktiv, daß jene Toten weiterleben und in Gemeinschaft mit ihnen bleiben. Ist das nicht irgendwie eine Vorbereitung auf den Glauben an die Gemeinschaft der Heiligen? Die Völker Afrikas achten das Leben, das empfangen und geboren wird. Sie freuen sich über dieses Leben. Sie lehnen den Gedanken ab, es dürfe zerstört werden, auch wenn die sogenannten fortschrittlichen Zivilisationen’ sie in diese Richtung drängen möchten. Lebensfeindliche Praktiken aber werden ihnen durch Wirtschaftssysteme auferlegt, die dem Egoismus der Reichen dienen“. <418> Die Afrikaner bekunden Achtung für das Leben bis zu seinem natürlichen Ende und halten für alte Menschen und Angehörige einen Platz im Schoße der Familie bereit. <418> Johannes Paul n., Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (10. April 1994), Nr. 3: AAS87(1995)180-181. Die afrikanischen Kulturen besitzen einen scharfen Sinn für Solidarität und Gemeinschaftsleben. Ein Fest wird in Afrika nur mit der ganzen Dorfgemeinschaft vorbereitet und begangen. Das Gemeinschaftsleben in den afrikanischen Gesellschaften ist tatsächlich Ausdruck der Großfamilie. Ich bete inbrünstig darum und bitte darum zu beten, daß Afrika dieses kostbare kulturelle Erbe für immer bewahren und nie der Versuchung des Individualismus erliegen möge, der seinen besten Traditionen so fremd ist. Einige Optionen der afrikanischen Völker 44. Auch wenn die bereits angeführten tragischen Aspekte der Lage in Afrika keineswegs bagatellisiert werden dürfen, ist es der Mühe wert, hier einige positive Leistungen der Völker des Kontinents zu erwähnen, die Lob und Ermutigung verdienen. Die Synodenväter haben in ihrer Botschaft an das Volk Gottes zum Beispiel mit Freude auf die Anbahnung des Demokratisierungsprozesses in vielen afrikanischen Ländern hingewiesen und den Wunsch ausgesprochen, daß sich dieser Demokratisierungsprozeß festigen möge und alsbald durch die Zusammenarbeit 1088 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aller maßgeblich Beteiligten und ihren Sinn für das Gemeinwohl die Hindernisse und Widerstände gegen den Rechtsstaat beseitigt würden. <419> <419> Vgl. N. 36: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. Auf dem Kontinent weht vielerorts ein starker „Wind der Veränderung“, und das Volk verlangt immer eindringlicher die Anerkennung und Förderung der Rechte und Freiheiten des Menschen. In diesem Zusammenhang stelle ich mit Befriedigung fest, daß sich die Kirche in Afrika getreu ihrer Berufung entschieden auf die Seite der Unterdrückten, der Völker stellt, die keine Stimme haben und an den Rand gedrängt sind. Ich ermutige sie nachhaltig dazu, fortzufahren in diesem Zeugnis. Die Vorzugsoption flir die Armen ist „eine besondere, vorrangige Form bei der Ausübung der christlichen Liebe, eine Option, die von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt wird (...). Die aufrüttelnde Sorge für die Armen - nach einer aufschlußreichen Formulierung die ,Armen des Herrn’ - muß auf allen Ebenen in konkrete Taten einmünden, bis schließlich mit Entschlossenheit eine Reihe notwendiger Reformen erreicht ist“. <420> <420> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nm. 42-43: A4S80(1988)572-574. 45. Trotz der Armut und der geringen verfügbaren Mittel hat die Kirche in Afrika eine erstrangige Rolle, was die menschliche Gesamtentwicklung betrifft; ihre beachtlichen Leistungen auf diesem Gebiet finden häufig Anerkennung bei den Regierungen und bei den internationalen Experten. Die Sonderversammlung für Afrika hat „allen Christen und allen Menschen guten Willens, die auf dem Gebiet der Fürsorge und der Entwicklungsförderung gemeinsam mit unserer Caritas oder mit unseren Entwicklungsorganisationen tätig sind“, tiefe Anerkennung ausgesprochen. <421> Die Hilfe, die sie gleich barmherzigen Samaritern den afrikanischen Opfern von Kriegen und Katastrophen, den Flüchtlingen und Vertriebenen leisten, verdient von seiten aller Bewunderung, Anerkennung und Unterstützung. <421> Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 39: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. Ich halte es für meine Pflicht, der Kirche in Afrika lebhaften Dank für die Rolle auszusprechen, die sie im Laufe der Jahre zugunsten von Frieden und Versöhnung in zahlreichen Konfliktsituationen, politischen Umstürzen oder Bürgerkriegen gespielt hat. II. Aktuelle Probleme der Kirche in Afrika 46. Die Bischöfe Afrikas stehen vor zwei grundlegenden Fragen: Wie soll die Kirche ihren Evangelisierungsauftrag beim Näherrücken des Jahres 2000 voranbringen? Wie werden die afrikanischen Christen zu immer treueren Zeugen des Herrn Jesus werden können? Um auf diese Fragen adäquate Antworten zu bieten, haben die Bischöfe vor und während der Sonderversammlung die wichtigsten Herausfor- 1089 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN derungen untersucht, denen sich die afrikanischen Ortskirchen heute stellen müssen. Intensive Evangelisierung Al. Die erste grundlegende Feststellung der Synodenväter betrifft den Hunger der afrikanischen Völker nach Gott. Um eine entsprechende Erwartung nicht zu enttäuschen, müssen die Glieder der Kirche vor allem ihren Glauben vertiefen. <422> Denn gerade weil sie Trägerin der Evangelisierung ist, muß die Kirche „damit beginnen, sich selbst zu evangelisieren“. <423> Sie muß die Herausforderung aufgreifen, die enthalten ist „in diesem Thema von der Kirche, die sich durch eine beständige Bekehrung und Erneuerung selbst evangelisiert, um die Welt glaubwürdig zu evangelisieren“. <424> <422> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 6: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. <423> Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 15: AAS68(1976)14. <424> Ebd.,a.a.O„ 15. Die Synode hat Kenntnis genommen von der dringenden Notwendigkeit, in Afrika Millionen von Menschen, die noch nicht evangelisiert sind, die Frohe Botschaft zu verkünden. Sicher respektiert und schätzt die Kirche die nichtchristlichen Religionen, zu denen sich unzählige Menschen auf dem afrikanischen Kontinent bekennen, da sie ja lebendiger Ausdruck der Seele breiter Bevölkerungsgruppen sind. Doch „weder die Achtung und Wertschätzung gegenüber diesen Religionen noch die Vielschichtigkeit der aufgeworfenen Fragen können für die Kirche eine Aufforderung darstellen, eher zu schweigen als Jesus Christus vor den Nichtchristen zu verkünden. Im Gegenteil, die Kirche ist der Auffassung, daß diese vielen Menschen das Recht haben, den Reichtum des Geheimnisses Christi (vgl. Eph 3,8) kennenzulemen, worin, nach unserem Glauben, die Menschheit in unerschöpflicher Fülle alles das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung zu bringen sucht“. <425> <425> Ebd., Nr. 53: a.a.O., 42. 48. Die Synodenväter sagen mit Recht, daß „sich ein tiefschürfendes Interesse für eine echte und ausgewogene Inkulturation des Evangeliums als notwendig erweist, um in unserer, einer rapiden Entwicklung unterworfenen Gesellschaft Verwirrung und Entfremdung zu vermeiden“. <426> Anläßlich meines Besuches in Malawi im Jahr 1989 sagte ich: „Ich stelle euch heute vor eine Herausforderung, eine Herausforderung, die darin besteht, eine Lebensweise, die der Qualität eurer lokalen Traditionen und dem christlichen Glauben nicht entspricht, abzulehnen. Viele Menschen in Afrika schauen nach der sogenannten ,Freiheit der modernen Lebensweise’ jen- <426> Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 6: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. 1090 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seits von Afrika aus. Ich lege euch heute inständig ans Herz, in euch selber zu blicken. Blickt auf den Reichtum eurer Traditionen, blickt auf den Glauben, den wir bei dieser Zusammenkunft feiern. Da werdet ihr wahre Freiheit finden, da werdet ihr Christus finden, der euch zur Wahrheit führt“. <427> <427> Predigt zum Abschluß des sechsten Pastoralbesuchs in Afrika (Lilongwe, 6. Mai 19S9), Nr. 6: Insegnamenti XII,1(1989)1183. Überwindung der Gegensätze 49. Eine weitere Herausforderung, die von den Synodenvätem hervorgehoben wurde, betrifft die verschiedenen Formen von Uneinigkeit und Zwietracht, die es durch eine ehrliche Praxis des Dialogs zu beheben gilt. <428> Mit Recht wurde darauf hingewiesen, daß innerhalb der von den Kolonialmächten ererbten Grenzen die Koexistenz unterschiedlicher ethnischer Gruppen, Traditionen, Sprachen und auch Religionen oft auf Hindernisse stößt, die auf schwerwiegende wechselseitige Feindseligkeiten zurückgehen. „Die Stammesgegensätze bringen bisweilen, wenn auch nicht den Frieden, so zumindest die Erreichung des Gemeinwohls der Gesellschaft als ganzer in Gefahr und rufen auch Schwierigkeiten hervor für das Leben der Kirchen und für die Annahme von Bischöfen aus anderen ethnischen Gruppen“. <429> <428> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 6: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. <429> Päpstliche Kommission ,Justitia et Pax“, Dokument Rassenvorurteile. Die Kirche und der Rassismus (3. November 1988), Nr. 12: Euch. Vat., 11,918. Deshalb fühlt sich die Kirche in Afrika genau zu der Aufgabe ermahnt, solche Feindschaften abzubauen. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat die Sonderversammlung die Bedeutung des ökumenischen Dialogs mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie das Gespräch auch mit der traditionellen afrikanischen Religion und mit dem Islam hervorgehoben. Die Synodenväter haben sich zudem die Frage gestellt, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden könnte. Ehe und geistliche Berufe 50. Eine wichtige Herausforderung, die von den Bischofskonferenzen Afrikas in ihren Antworten auf die Lineamenta nahezu einstimmig unterstrichen wurde, betrifft die christliche Ehe und das Familienleben. <430> <431> Der Einsatz, der auf dem Spiel steht, ist sehr hoch: denn „die Zukunft der Welt und der Kirche führt über die Familie“. <432> <430> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Instrumentum laboris, Nr. 68; Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 17: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 5; Relatio post disceptationem (22. April 1994), Nm.6, 9, 21: L'Ossei-vatore Romano, 24. April 1994, S. 8. 62 Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 75: AAS74(1982)173. <432> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Instrumentum laboris, Nr. 68; Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 17: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 5; Relatio post disceptationem (22. April 1994), Nm.6, 9, 21: L'Ossei-vatore Romano, 24. April 1994, S. 8. 1091 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine weitere fundamentale Aufgabe, welche von der Sonderversammlung hervorgehoben wurde, stellt die Sorge um die Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben dar: es gilt, die Berufenen weise zu erkennen, sie von fähigen Ausbildern begleiten zu lassen, die Qualität der tatsächlich gebotenen Ausbildung zu überprüfen. Von der Sorge, die auf die Lösung dieses Problems verwandt wird, hängt es ab, ob sich die Hoffnung auf ein blühendes Anwachsen von afrikanischen Missionsberufen bewahrheitet, wie es von der Verkündigung des Evangeliums in allen Teilen des Kontinents und auch über seine Grenzen hinaus gefordert wird. Soziale und politische Schwierigkeiten 51. „In Afrika ist die Notwendigkeit, das Evangelium auf das konkrete Leben anzuwenden, stark zu spüren. Wie könnte man Christus auf diesem riesigen Kontinent verkünden und dabei vergessen, daß es sich um eines der ärmsten Gebiete der Welt handelt? Wie könnte man die leiderfüllte Geschichte eines Landes unberücksichtigt lassen, wo viele Nationen sich noch immer mit Hunger, Krieg, Rassenspannungen und Stammesfehden, politischer Unsicherheit und Verletzung der Menschenrechte herumschlagen? Das alles bedeutet eine Herausforderung für die Evangelisierung“. <433> <433> Johannes Paul IIAngelus (20. März 1994): L'Osservatore Romano, 21.-22. März 1994, S. 5. Sämtliche Vorbereitungsdokumente wie auch die Diskussionen im Verlauf der Versammlung haben ausführlich die Tatsache hervorgehoben, daß Tragen wie die wachsende Armut in Afrika, die Urbanisierung, die internationale Verschuldung, der Waffenhandel, das Problem der Llüchtlinge und Vertriebenen, die Bevölkerungsprobleme und Bedrohungen, die auf der Lamilie lasten, die Emanzipation der Frauen, die Ausbreitung von AIDS, das Fortbestehen der Sklaverei in einigen Gegenden, der Ethnozentrismus und die Stammesfehden zu den wesentlichen Herausforderungen gehören, die von der Synode untersucht wurden. Vordringen der Massenmedien 52. Schließlich hat sich die Sonderversammlung mit den sozialen Kommunikationsmitteln beschäftigt, einem Problem von enormer Bedeutung, da es sich zugleich um Werkzeuge im Dienst der Evangelisierung und um Mittel zur Verbreitung einer neuen Kultur handelt, die evangelisiert werden muß. <434> So wurden die Synodenväter mit der traurigen Tatsache konfrontiert, daß „die Entwicklungsländer, anstatt sich zu selbständigen Nationen zu entwickeln, die sich um ihren eigenen Weg zur gerechten Teilhabe an den für alle bestimmten Gütern und Dienstleistungen bemühen, zu Rädern eines Mechanismus, zu Teilen einer gewaltigen Ma- <434> Vgl. Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nm. 45-48: L’Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. 1092 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schinerie werden. Das geschieht oft auch auf dem Gebiet der sozialen Kommunikationsmittel: Weil diese meistens von Zentren im Norden der Welt aus geleitet werden, berücksichtigen sie nicht immer in gebührender Weise die eigenen vorrangigen Anliegen und Probleme dieser Länder, noch achten sie deren kulturelle Eigenart, sondern drängen ihnen nicht selten ein entstelltes Bild vom Leben und vom Menschen auf und entsprechen so nicht den Anforderungen einer echten Entwicklung.“ <435> <435> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 22: A4S80( i 988)539. III. Ausbildung der Träger der Evangelisierung 53. Mit welchen Ressourcen wird es der Kirche in Afrika gelingen, die eben erwähnten Herausforderungen aufzugreifen? „Die bedeutendste ist, nach der Gnade Christi, offensichtlich die des Volkes. Das Volk Gottes - verstanden im theologischen Sinn von Lumen Gentium, dieses Volk, das die Glieder des Leibes Christi in seiner Ganzheit umfaßt - hat den Auftrag erhalten, der eine Ehre und eine Pflicht zugleich ist, die Botschaft des Evangeliums zu verkündigen (...). Die ganze Gemeinschaft muß für die Evangelisierung vorbereitet, motiviert und gestärkt werden, ein jeder nach seiner spezifischen Rolle in der Kirche“. <436> Darum hat die Synode starkes Gewicht auf die Ausbildung derer gelegt, die für die Evangelisierung in Afrika tätig sind. Die Notwendigkeit einer geeigneten Ausbildung der Priesteramtskandidaten und derjenigen, die zum Ordensleben berufen sind, habe ich bereits erwähnt. Die Versammlung hat in gleicher Weise der Ausbildung der gläubigen Laien gebührende Aufmerksamkeit gewidmet, in Anerkennung ihrer unverzichtbaren Rolle bei der Evangelisierung Afrikas. Besonders Wert gelegt wurde zu Recht auf die Ausbildung der Laienkatechisten. <436> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 8: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. 54. Noch eine letzte Frage drängt sich auf: Hat die Kirche in Afrika die Laien genügend dafür ausgebildet, ihre Verantwortlichkeiten im zivilen Leben sachkundig wahrzunehmen und die gesellschaftlich-politischen Probleme im Lichte des Evangeliums und des Glaubens an Gott zu bedenken? Das ist zweifellos eine Aufgabe, die die Christen herausfordert; auf das Gesellschaftsgefüge einen Einfluß auszuüben, der nicht nur die Denkweisen, sondern die eigentlichen Strukturen der Gesellschaft so umwandeln soll, daß sich darin Gottes Pläne bezüglich der menschlichen Familie besser widerspiegeln. Gerade deshalb habe ich für die Laien eine vollständige Ausbildung gewünscht, die ihnen dazu verhilft, ein völlig kohärentes Leben zu führen. Der Glaube, die Hoffnung und die Liebe müssen für das Verhalten des echten Jüngers Christi in jeder seiner Handlungen, Situationen und Verantwortlichkeiten richtunggebend sein. Da „evangelisieren besagt, die Frohbotschaft in alle Bereiche der Menschheit zu tragen, sie durch deren Einfluß von in- 1093 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen her umzuwandeln und die Menschheit selbst zu erneuern“, <437> müssen die Christen dazu ausgebildet werden, die sozialen Auflagen des Evangeliums so zu leben, daß ihr Zeugnis zu einer prophetischen Herausforderung gegenüber allem wird, was dem wahren Wohl der Menschen Afrikas wie jedes anderen Erdteils schadet. <437> Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 18: A4S68(1976)17. III. Kapitel Evangelisierung und Inkulturation Sendung der Kirche 55. „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Das ist der Auftrag, den der auferstandene Christus, ehe er zum Vater aufstieg, den Aposteln hinterlassen hat: „Sie aber zogen aus und predigten überall“ {Mk 16,20). „Die Aufgabe, allen Menschen die Frohbotschaft zu verkündigen, ist die wesentliche Sendung der Kirche (...). Evangelisieren ist die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität. Sie ist da, um zu evangelisieren “ß <438> Entstanden aus dem evangelisierenden Wirken Jesu und der Zwölf, ist sie ihrerseits gesandt, „Hüterin der Frohbotschaft zu sein, die es zu verkündigen gilt (...) Die Kirche beginnt damit, sich selbst zu evangelisieren“. In der Folge „entsendet die Kirche selbst Glaubensboten. Sie legt ihnen das Wort in den Mund, das rettet“. <439> Wie der Völkerapostel kann die Kirche sagen: „Wenn ich das Evangelium verkünde, (...) liegt ein Zwang auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ {1 Kor 9,16). <438> Ebd., Nr. 14: a.a.O., 13. <439> Ebd., Nr. 15: a.a.O., 15. Die Kirche verkündet die Frohbotschaft nicht allein durch die Verkündigung des Wortes, das sie vom Herrn empfangen hat, sondern auch durch das Zeugnis des Lebens, durch das die Jünger Christi Rechenschaft geben über den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, die sie in sich tragen (vgl. 1 Petr 3,15). Dieses Zeugnis des Christen von Christus und vom Evangelium kann bis zum äußersten Opfer führen: dem Martyrium (vgl. Mk 8,35). Denn die Kirche und der Christ verkündigen den, der „ein Zeichen (ist), dem widersprochen wird“ (.Lk 2,34). Sie verkündigen „Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (J Kor 1,23). Wie ich oben ausführte, kann sich Afrika nicht nur berühmter Märtyrer der ersten Jahrhunderte rühmen, sondern auch seiner Märtyrer und Heiligen aus unserer Zeit. Die Evangelisierung hat zum Ziel, „die Menschheit selbst von innen her umzu-wandeln und zu erneuern“. <440> In dem einen Sohn und durch ihn sollen die Bezie- <440> Ebd., Nr. 18: a.a.O., 17. 1094 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hungen der Menschen zu Gott, zu den anderen Menschen und zur ganzen Schöpfung erneuert werden. Dadurch kann die Verkündigung des Evangeliums zur inneren Umwandlung aller Menschen guten Willens beitragen, die ein offenes Herz für das Wirken des Heiligen Geistes haben. 56. Das Evangelium durch Worte und Taten bezeugen: das ist der Auftrag, den die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode erhalten hat und den sie nun an die Kirche des Kontinents weitergibt. „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (.Apg 1,8): Das ist der Einsatz, der auf dem Spiel steht, das sollen in Afrika die Früchte der Synode in allen Bereichen des menschlichen Lebens sein. Entstanden aus der Verkündigung mutiger Bischöfe und Missionspriester mit wirksamer Unterstützung durch die Katechisten - ,Anerkennung verdient die Schar der Katechisten, die so große Verdienste um das Werk der Heidenmission haben“ <441> -, ist die Kirche in Afrika, der Erde, die zur „neuen Heimat Christi“ <442> geworden ist, nunmehr verantwortlich für die Mission auf ihrem Erdteil und in der Welt: „Afrikaner, ihr seid jetzt eure eigenen Missionare“, sagte mein Vorgänger Paul VI. in Kampala. <443> Da die große Mehrheit der Einwohner des afrikanischen Kontinents die Verkündigung der Frohbotschaft vom Heil noch nicht empfangen hat, empfiehlt die Synode, zu Missionsberufen zu ermutigen, und ersucht, die Darbringung von Gebeten, Opfern und konkreten Hilfen zugunsten der Missionsarbeit der Kirche zu fördern und aktiv zu unterstützen. <444> <441> II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 17. <442> Paul VI., Predigt bei der Heiligsprechung der seligen Charles Lwanga, Matthias Mulumba Kalemba und 20 Märtyrer-Gefährten aus Uganda (18. Oktober 1964): A4556(1964)907-908. <443> Ansprache beim Symposion der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars (31. Juli 1969), Nr. 1: AA561(1969)575; vgl. Propositio 10. <444> Vgl. Propositio 10. Verkündigung 57. „Die Synode erinnert daran, daß Evangelisieren besagt, durch das Wort und das Leben die Frohbotschaft von Jesus Christus zu verkünden, der gekreuzigt wurde, gestorben und auferstanden ist, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist“. <445> Dem von allen Seiten von aufbrechendem Haß und Gewalt, von Konflikten und Kriegen erdrückten Afrika sollen die Verkünder des Evangeliums die im Ostergeheimnis verwurzelte Hoffnung auf das Leben verkünden. Jesus hat gerade zu dem Zeitpunkt, als sein Leben menschlich gesprochen zum Scheitern verurteilt zu sein schien, die Eucharistie, das „Unterpfand der ewigen Herrlichkeit“, <446> eingesetzt, um seinen Sieg über den Tod in Zeit und Raum zu verewigen. Deshalb wollte sich die Sonderversammlung für Afrika zu diesem Zeitpunkt, da sich der <445> Propositio 3. <446> Antiphon O sacrum convivium: zweite Vesper des Fronleichnamsfestes, ad Magnificat. 1095 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN afrikanische Kontinent in verschiedener Hinsicht in einer kritischen Lage befindet, als „Synode der Wiedererstehung, Synode der Hoffnung“ vorstellen (...)■ „Christus, unsere Hoffnung, lebt, auch wir werden leben! ", <447> Afrika ist nicht dem Tod, sondern dem Leben geweiht! Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 2: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. Daher muß sich „die Neuevangelisierung auf die Begegnung mit der lebendigen Person Christi konzentrieren“. <448> „Die Erstverkündigung muß das Ziel haben, dieses erschütternde und begeisternde Erleben Christi, der uns anzieht und mitreißt, schließlich in ein Abenteuer des Glaubens zu verwandeln“. <449> Eine Aufgabe, die auf einzigartige Weise dadurch erleichtert wird, daß „der Afrikaner von seinem Leben und seiner traditionellen Religion her an Gott, den Schöpfer, glaubt. Er ist daher auch offen für die vollständige und endgültige Offenbarung Gottes in Jesus Christus, Gott-mit-uns, fleischgewordenes Wort. Jesus, die Frohe Botschaft, ist Gott, der den Afrikaner (...) aus Unterdrückung und Sklaverei rettet“. <450> Die Evangelisierung muß „den Menschen und die Gesellschaft auf allen Bereichen ihres Daseins erreichen. Sie äußert sich in verschiedenen Aktivitäten, insbesondere in den Betätigungsfeldern, die von der Synode ausdrücklich in Betracht gezogen wurden: Verkündigung, Inkulturation, Dialog, Gerechtigkeit und Frieden, soziale Kommunikationsmittel“. <451> Propositio 4. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 9: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. Propositio 4. Propositio 3. Damit diese Mission vollständig gelingt, muß „bei der Evangelisierung die eindringliche Anrufung des Heiligen Geistes erfolgen, auf daß sich ein ständiges Pfingsten ereigne, in dem, wie schon beim ersten Pfingsten, Maria ihren Platz haben wird“. <452> In der Tat führt die Kraft des Heiligen Geistes die Kirche in die ganze Wahrheit ein (vgl. Joh 16,13) und läßt sie auf die Welt zugehen, damit sie mit vertrauensvoller Gewißheit Zeugnis gibt von Christus. Propositio 4. 58. Das Wort, das aus dem Mund Gottes kommt, ist lebendig und kraftvoll und kehrt nie leer zu ihm zurück (vgl. Jes 55,11; Hebr 4,12-13). Man muß es daher unaufhörlich verkünden, bei jeder Gelegenheit „dafür eintreten, ob man es hören will oder nicht (...) in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 4,2). Das zuerst der Kirche anvertraute geschriebene Wort Gottes „darf nicht eigenmächtig ausgelegt werden“ (2 Petr 1,20); seine authentische Auslegung ist Sache der Kirche. <453> Vgl. Propositio 6. Um zu erreichen, daß das Wort Gottes bekannt, geliebt, bedacht und im Herzen der Gläubigen bewahrt werde (vgl. Lk 2,19.51), ist es notwendig, die Anstrengun- 78 79 80 81 82 83 84 1096 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen für einen erleichterten Zugang zur Heiligen Schrift zu intensivieren, speziell durch Gesamt- oder Teilübersetzungen der Bibel, die möglichst in Zusammenarbeit mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften erstellt werden und von Leseanleitungen für das Gebet und das Studium des Textes in Familie und Gemeinde begleitet sein sollen. Außerdem gilt es, für die Mitglieder des Klerus, für die Ordensleute, für die Katechisten und für die Laien im allgemeinen die Bibelausbildung zu fördern; für entsprechende Wortgottesdienste zu sorgen; das Bibelapostolat zu fördern mit Hilfe des biblischen Zentrums für Afrika und Madagaskar und anderer ähnlicher Einrichtungen, die auf allen Ebenen Unterstützung verdienen. Kurz gesagt, man wird trachten müssen, allen Gläubigen von Kindheit an die Heilige Schrift in die Hand zu geben. <454> <454> Vgl. ebd. Dringlichkeit und Notwendigkeit der Inkulturation 59. Die Synodenväter haben wiederholt die besondere Bedeutung unterstrichen, die bei der Evangelisierung der Inkulturation zukommt, also jenem Prozeß, durch den „sich die Katechese in den unterschiedlichen Kulturen ,inkarniert’ “, <455> Die Inkulturation weist eine doppelte Dimension auf: einerseits „die innere Umwandlung der authentischen kulturellen Werte durch deren Einfügung ins Christentum“ und andererseits „die Verwurzelung des Christentums in den verschiedenen Kulturen“. <456> Die Synode betrachtet die Inkulturation als eine Priorität und Dringlichkeit im Leben der Teilkirchen für eine tatsächliche Verwurzelung des Evangeliums in Afrika, <457> als „ein Erfordernis der Evangelisierung“, <458> als „einen Weg zur vollen Evangelisierung“, <459> als eine der größten Herausforderungen für die Kirche auf dem Kontinent angesichts des nahenden dritten Jahrtausends. <460> 85 Johannes Paul n., Apostol. Schreiben Catechesi tradendae (16. Oktober 1979), Nr. 53: AASJ1 (1979) 1319. <456> Johannes Paul U., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 52: /1A58311991 )229; vgl. Propositio 28. <457> Vgl. Propositio 29. <458> Propositio 30. <459> Propositio 32. 91 Vgl. Propositio 33. Theologische Grundlagen 60. „Als aber die Zeit erfüllt war“ (Gal 4,4), ist das Wort, zweite Person der Heiligen Dreifaltigkeit, Gottes eingeborener Sohn, „Fleisch geworden vom Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau, und ist Mensch geworden“. <461> Das ist das erhabene Geheimnis von der Fleischwerdung des Wortes, ein Geheimnis, das in der Ge- 9^ Nizänisch-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis, DS 150. 1097 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schichte stattgefunden hat: unter genau feststehenden zeitlichen und räumlichen Umständen, in einem Volk, das über seine eigene Kultur verfügt, das Gott auserwählt und durch die ganze Heilsgeschichte begleitet hatte, um durch alles, was er in ihm vollbrachte, zu zeigen, was er für die ganze Menschheit zu tun beabsichtigte. Als offenkundiger Beweis der Liebe Gottes zu den Menschen (vgl. Röm 5,8) hat Jesus Christus mit seinem Leben, mit der den Armen verkündeten Frohbotschaft, mit dem Leiden, dem Tod und der glorreichen Auferstehung die Vergebung unserer Sünden und unsere Wiederversöhnung mit Gott, seinem Vater und, dank ihm, unserem Vater, erwirkt. Das Wort, das die Kirche verkündet, ist eben das menschgewordene Wort Gottes, er selbst ist Subjekt und Objekt dieses Wortes. Die Frohbotschaft ist Jesus Christus. Wie „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (Joh 1,14), so muß sich die Frohe Botschaft, das den Völkern verkündete Wort Jesu Christi, in das Lebensmilieu seiner Hörer hineinlassen. Die Inkulturation ist genau diese Einverleibung der Botschaft des Evangeliums in die Kulturen. <462> Die Menschwerdung des Gottessohnes war in der Tat, eben weil sie vollständig und konkret war, <463> auch Inkarnation in einer spezifischen Kultur. <462> Vgl. Johannes Paul U., Apostol. Schreiben Catechesi tradendae (16. Oktober 1979), Nr. 53: AAS71(1979)1319. <463> Vgl. Johannes Paul U., Ansprache an der Universität von Coimbra (15. Mai 1982), Nr. 5: Insegnamenti V,2(1982)1695. 61. In Anbetracht der engen, organischen Beziehung, die zwischen Jesus Christus und dem von der Kirche verkündeten Wort besteht, kann die Inkulturation der geoffenbarten Botschaft gar nicht umhin, der dem Geheimnis der Erlösung eigenen „Logik“ zu folgen. Die Menschwerdung des Wortes stellt ja kein isoliertes Ereignis dar, sondern strebt auf „die Stunde“ Jesu und das Ostergeheimnis zu: „Wenn das Weizenkom nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). „Und ich, sagt Jesus, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Diese Selbstentäußerung, diese Kenosis, derer es für die Verherrlichung bedarf, der Weg Jesu und jedes seiner Jünger (vgl. Phil 2,6-9) ist Leuchtkraft für die Begegnung der Kulturen mit Christus und seinem Evangelium. „Jede Kultur muß von den Werten des Evangeliums im Lichte des Ostergeheimnisses umgewandelt werden“. <464> Mit dem Blick auf das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung muß man zwischen den Werten und den Unwerten der Kulturen unterscheiden. Wie das Wort Gottes in allem uns ähnlich geworden ist außer der Sünde, so übernimmt die Inkulturation der Frohen Botschaft alle authentischen menschlichen Werte, reinigt sie von der Sünde und gibt ihnen ihre volle Bedeutung zurück. <464> Propositio 28. 1098 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Inkulturation besitzt auch tiefe Bande zum Pfingstgeheimnis. Durch die Ausgießung und das Wirken des Heiligen Geistes, der Gaben und Talente vereint, erleben alle Völker der Erde, wenn sie in die Kirche eintreten, ein neues Pfingsten, bekennen in ihrer Sprache den einen Glauben an Jesus Christus und verkündigen die Wundertaten, die der Herr für sie vollbracht hat. Der Geist, der auf der natürlichen Ebene Urquelle der Weisheit der Völker ist, führt die Kirche durch eine übernatürliche Erleuchtung zur Erkenntnis der ganzen Wahrheit. Die Kirche ihrerseits wird, wenn sie die Werte der verschiedenen Kulturen aufnimmt, zur „ sponsa omata monilibus suis“, ,3raut, die ihr Geschmeide anlegt“ (Jes 61,10). Kriterien und Bereiche der Inkulturation 62. Das ist eine schwierige und heikle Aufgabe, denn sie stellt die Treue der Kirche zum Evangelium und zur apostolischen Überlieferung in der ständigen Entwicklung der Kulturen in Frage. Zu Recht haben die Synodenväter daher bemerkt: „Was die raschen kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen betrifft, so werden unsere Ortskirchen an einem immer wieder erneuerten Inkulturationsprozeß arbeiten und dabei folgende zwei Kriterien beachten müssen: die Vereinbarkeit mit der christlichen Botschaft und die Gemeinschaft mit der Universalkirche (...). Auf jeden Fall wird man dafür sorgen müssen, jeden Synkretismus zu vermeiden“. „Als Weg zu einer vollständigen Evangelisierung zielt die Inkulturation darauf ab, den Menschen in die Lage zu versetzen, angesichts der vollen Anhänglichkeit an Gottvater und eines heiligmäßigen Lebens durch die Wirkung des Heiligen Geistes Jesus Christus in die Gesamtheit des persönlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Daseins aufzunehmen“. Indem die Synode Gott für die Früchte dankte, die die Anstrengungen der Inkulturation für das Leben der Kirchen des Kontinents, besonders für die alten orientalischen Kirchen Afrikas bereits erbracht haben, empfahl sie „den Bischöfen und allen Bischofskonferenzen, dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Inkulmration sämtliche Bereiche des Lebens der Kirche und der Evangelisierung einbezieht: Theologie, Liturgie, Leben und Aufbau der Kirche. Das alles unterstreicht, daß es einer Untersuchung im Bereich der afrikanischen Kulturen in ihrer ganzen Komplexität bedarf“. Aus diesem Grund hat die Synode die Hirten aufgefordert, „sich weitestgehend die vielfältigen Möglichkeiten zunutze zu machen, die die derzeitige Disziplin der Kirche diesbezüglich bereits vorsieht“. 96 97 98 Propositio 31. Propositio 32. Ebd. 1099 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche als Familie Gottes 63. Die Synode hat nicht nur von Inkulturation gesprochen, sondern hat sie auch konkret angewandt, wenn sie als Leitgedanken für die Evangelisierung Afrikas die Idee von der Kirche als Familie Gottes99 übernahm. Darin erkannten die Synodenväter einen für Afrika besonders passenden Ausdruck für das Wesen der Kirche. Dieser bildhafte Ausdruck betont nämlich die Sorge um den anderen, die Solidarität, die Herzlichkeit der Beziehungen, die Annahme, den Dialog und das Vertrauen. <465> <466> Die Neuevangelisierung wird daher den Aufbau der Kirche als Familie anstreben, wobei jeder Ethnozentrismus und jeder übertriebene Partikularismus ausgeschlossen und statt dessen versucht werden soll, auf die Aussöhnung und eine echte Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Völkerschaften hinzuarbeiten durch Förderung der Solidarität und der Verteilung des Personals und der Mittel zwischen den Teilkirchen, ohne Ansehen der ethnischen Herkunft. <467> „Man kann nur wünschen, daß die Theologen die Theologie von der Kirche als Familie erarbeiten, mit dem ganzen Reichtum, der diesem Begriff innewohnt, und dabei die Komplementarität dieses Begriffes durch andere Kirchenbilder entwickeln“. <468> Das setzt ein gründliches Nachdenken über das biblische und das Erbe der Überlieferung voraus, wie es das II. Vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium vorgestellt hat. Der wunderbare Text legt die Lehre über die Kirche dar und greift dabei auf Bilder aus der Heiligen Schrift zurück, wie Mystischer Leib, Volk Gottes, Tempel des Geistes, Herde und Schafstall, Haus, in dem Gott mit den Menschen wohnt. Nach Aussage des Konzils ist die Kirche Braut Christi und unsere Mutter, heilige Stadt und Anfang des künftigen Reiches. Diesen eindrucksvollen Bildern wird man aufgrund der Empfehlung der Synode Rechnung tragen müssen, wenn eine auf den Begriff Kirche als Familie Gottes eingestellte Ekklesiologie entwickelt werden soll. <469> So wird man die Aussage, von der die Konzilskonstitution ausgeht, in ihrer ganzen Fülle und Dichte bewerten können: „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“. <470> 00 Vgl. H. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 6. <466> Vgl. Propositio 8. <467> Vgl. ebd. <468> Ebd. <469> Vgl. ebd. <470> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 1. Siehe die Kapitel I und n in ihrer Gesamtheit. 1100 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anwendungsgebiete 64. Ohne jegliches Vorurteil gegenüber den Traditionen, die jeder Kirche, der lateinischen bzw. der orientalischen Kirche, eigen sind, wird man in der Praxis „die Inkulturation der Liturgie vorantreiben müssen - wobei freilich dafür zu sorgen ist, daß an den wesentlichen Elementen nichts verändert wird -, damit das gläubige Volk die liturgischen Feiern besser verstehen und miterleben kann“. <471> <471> propositio 34. Die Synode hat zudem noch einmal beteuert, daß es auch dann, wenn sich trotz einer langen Periode der Evangelisierung die Lehre schwerlich assimilieren läßt, oder wenn ihre praktische Handhabung ernste pastorale Probleme, vor allem im sakramentalen Leben, mit sich bringt, geboten ist, der Lehre der Kirche treu zu bleiben und gleichzeitig die Menschen in Gerechtigkeit und mit echter pastoraler Liebe zu respektieren. Unter dieser Voraussetzung hat die Synode den Wunsch ausgesprochen, die Bischofskonferenzen mögen, was die Fragen Ehe, Ahnenverehrung und Geisterwelt betrifft, in Zusammenarbeit mit den Universitäten und den katholischen Instituten Studienkommissionen ins Leben rufen, um alle kulturellen Aspekte der Probleme gründlich zu untersuchen, die sich unter theologischem, sakramentalem, rituellem und kirchenrechtlichem Gesichtspunkt stellen. <472> <472> ygj Propositiones 35-37. Dialog 65. „Die Dialoghaltung ist die Verhaltensweise des Christen innerhalb seiner Gemeinschaft sowie gegenüber den anderen Gläubigen und Menschen guten Willens“. <473> Der Dialog muß vor allem in der Kirche als Familie gepflegt werden, und zwar auf allen Ebenen: zwischen Bischöfen, Bischofskonferenzen oder Versammlungen der Hierarchie und Apostolischem Stuhl, zwischen den Bischofskonferenzen bzw. Bischofsversammlungen der verschiedenen Nationen desselben Kontinents und jenen der anderen Kontinente und in jeder Teilkirche zwischen dem Bischof, dem Presbyterium, den Ordensleuten, den pastoralen Mitarbeitern und den gläubigen Laien; sowie auch zwischen den verschiedenen Riten innerhalb ein und derselben Kirche. S.E.C.A.M. soll für seine Ausstattung „mit Strukturen und Mitteln“ sorgen, „die die Ausübung dieses Dialogs gewährleisten“, <474> um insbesondere eine organisch gewachsene pastorale Solidarität zu fördern. <473> Propositio 38. <474> Propositio 39. „In ihrem Zeugnis in Afrika mit Christus verbunden, sind die Katholiken eingeladen, einen ökumenischen Dialog mit allen getauften Brüdern und Schwestern der anderen christlichen Konfessionen in Gang zu bringen, damit die Einheit, für die Christus gebetet hat, Wirklichkeit werde und auf diese Weise ihr Dienst an den Völkern des Kontinents das Evangelium in den Augen aller Männer und Frauen, 1101 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gott suchen, glaubwürdiger mache“. <475> Dieser Dialog kann konkrete Gestalt annehmen in Initiativen wie der ökumenischen Bibelübersetzung, der theologischen Vertiefung des einen oder anderen Aspekts des christlichen Glaubens oder auch durch das gemeinsam dargebrachte evangelische Zeugnis für die Gerechtigkeit, den Frieden und die Achtung der Menschenwürde. Man sollte sich daher um die Errichtung von Ökumenismus-Kommissionen auf nationaler und diözesaner Ebene kümmern. <476> Die Christen sind gemeinsam für das Zeugnis des Evangeliums auf dem Kontinent verantwortlich. Die Fortschritte im Ökumenismus haben auch zum Ziel, diesem Zeugnis größere Wirksamkeit zu verleihen. <475> Propositio 40. <476> Vgl. ebd. 66. „Das Bemühen um den Dialog muß auch die Muslime guten Willens einbeziehen. Die Christen dürfen nicht vergessen, daß viele Muslime willens sind, den Glauben Abrahams nachzuahmen und nach den Vorschriften der Zehn Gebote zu leben“. <477> In diesem Zusammenhang unterstreicht die Botschaft der Synode, daß der lebendige Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde und Herr der Geschichte, der Vater der großen Menschheitsfamilie ist, der wir angehören. Als solcher will er, daß wir seine Zeugen sind, indem wir die Werte und religiösen Traditionen eines jeden achten, gemeinsam für die Förderung und Entwicklung des Menschen auf allen Ebenen arbeiten. Weit davon entfernt, jemand sein zu wollen, in dessen Namen andere Menschen sich umbringen, verpflichtet er die Gläubigen dazu, sich gemeinsam in den Dienst am Leben in Gerechtigkeit und Frieden zu stellen. <478> Man wird daher besondere Aufmerksamkeit darauf legen müssen, daß der islamisch-christliche Dialog auf beiden Seiten die Ausübung der Religionsfreiheit respektiert, und zwar mit allem, was dazugehört, einschließlich der äußeren, öffentlichen Glaubenskundgebungen. <479> Christen und Muslime sind aufgerufen, sich um die Förderung eines Dialogs zu bemühen, der von den aus einer falschen Irenik oder einem militanten Fundamentalismus herrührenden Gefahren frei ist, und ihre Stimme ebenso gegen unlautere politische Maßnahmen und Praktiken zu erheben wie gegen jedes Fehlen tatsächlicher Reziprozität der Religionsfreiheit. <480> <477> Propositio 41. <478> Vgl. Nr. 23: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. <479> Vgl. Propositio 41. <480> Vgl .ebd. 67. Was die traditionelle afrikanische Religion betrifft, so wird ein offener und kluger Dialog einerseits vor negativen Einflüssen, die selbst die Lebensweise vieler Katholiken prägen, schützen können und andererseits die Übernahme positiver Werte, wie den Glauben an ein höchstes, ewiges Wesen, einen Schöpfer und vorsorglichen und gerechten Richter sicherstellen, die sich sehr wohl mit dem Inhalt des Glaubens in Einklang bringen lassen. Ja, sie können als eine Vorbereitung auf 1102 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Evangelium angesehen werden, da sie kostbare semina Verbi, Samenkörner des Wortes, enthalten, die, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, imstande sind, eine große Anzahl von Personen zu veranlassen, „sich der Fülle der Offenbarung in Jesus Christus durch die Verkündigung des Evangeliums zu öffnen“. Es gilt daher, alle Anhänger der traditionellen Religion mit großer Achtung und Wertschätzung zu behandeln und jede unpassende und respektlose Redeweise zu vermeiden. Zu diesem Zweck soll an den Priesterseminaren und Ausbildungshäu-sem der Orden der erforderliche Unterricht über die traditionelle Religion gehalten werden. <481> <481> Propositio 42. 116 Vgl. ebd. Volle menschliche Entfaltung 68. Die volle menschliche Entfaltung - die Entfaltung jedes Menschen und des ganzen Menschen, besonders des bedürftigsten und aus der Gemeinschaft ausgegrenzten - steht im Zentrum der Evangelisierung. „Zwischen Evangelisierung und menschlicher Entfaltung - Entwicklung und Befreiung - bestehen in der Tat enge Verbindungen. Verbindungen anthropologischer Natur, denn der Mensch, dem die Evangelisierung gilt, ist kein abstraktes Wesen, sondern sozialen und wirtschaftlichen Problemen unterworfen. Verbindungen theologischer Natur, da man ja den Schöpfungsplan nicht vom Erlösungsplan trennen kann, der hineinreicht bis in die konkreten Situationen des Unrechts, das es zu bekämpfen, und der Gerechtigkeit, die es wiederherzustellen gilt. Verbindungen schließlich jener ausgesprochen biblischen Ordnung, wie sie die der Liebe ist: Wie könnte man in der Tat das neue Gebot der Liebe verkünden, ohne in der Gerechtigkeit und im Frieden das wahre, echte Wachstum des Menschen zu fördern?“. <482> <482> Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelü nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 31: A4568(1976)26. So wählte der Herr Jesus, als er in der Synagoge von Nazaret sein öffentliches Wirken aufnahm, zür Erläuterung seiner Sendung den messianischen Text aus dem Buch des Jesaja: ..Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich deh Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden-das Augenlicht: damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein:Gnadenjahr des Herrn aus-rufe“ (Lk 4,18-19: vgl. Jes 61,1-2). ' Der Herr sieht sich also als den, der gesandt worden ist, um das Elend der Menschen zu lindem und jede Form von Ausgrenzung zu bekämpfen. Er ist gekommen, den Menschen zu befreien; er ist gekommen, um unsere Leiden auf sich zu nehmen und unsere Krankheiten zu tragen: „In der Tat galt der ganze Dienst Jesu der Aufmerksamkeit für alle jene in seiner Umgebung, die von einem Leiden betroffen waren: Menschen in Leid und Schmerz, Lahme, Aussätzige, Blinde, Taube, BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stumme (vgl. Mt 8,17)“. <483>„Es ist unmöglich, daß das Werk der Evangelisierung die äußerst schwierigen und heute so stark erörterten Fragen vernachlässigen kann und darf, die die Gerechtigkeit, die Befreiung, die Entwicklung und den Frieden in der Welt betreffen“: <484> <485> die Befreiung, die die Evangelisierung verkündet, „kann sich nicht einfach auf die begrenzte wirtschaftliche, politische, soziale oder kulturelle Dimension beschränken, sondern muß den ganzen Menschen in allen seinen Dimensionen sehen, einschließlich seiner Öffnung auf das Absolute hin, das Gott ist“.™ 1 Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Lineamenta, 79. <484> Paul VI., Apostol. Schreiben Evan^elii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 31: AAS68(1976)26. <485> Ebd., Nr. 33: a.a.O., 27. Zu Recht führt das II. Vatikanische Konzil aus: „In Verfolgung ihrer eigenen Heilsabsicht vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern läßt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung. So glaubt die Kirche durch ihre einzelnen Glieder und als ganze viel zu einer humaneren Gestaltung der Menschenfamilie und ihrer Geschichte beitragen zu können“. <486> Die Kirche verkündet das Reich Gottes und beginnt es nach dem Beispiel Jesu zu verwirklichen, denn „die Natur des Reiches (ist) die Gemeinschaft aller Menschen untereinander und mit Gott“. <487> So ist „das Reich Quelle der völligen Befreiung und des ganzen Heiles für die Menschen: Die Kirche lebt und geht mit ihnen in tiefer und wahrer Solidarität mit der Menschheitsgeschichte“. <488> <486> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 40. <487> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 15: AAS83(1991)263. <488> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nr. 36: AASS 1(1989)459. 69. Die Geschichte der Menschen erhält ihre wahre Sinnhaftigkeit in der Menschwerdung des Wortes Gottes, die das Fundament der wiederhergestellten menschlichen Würde ist. Durch Christus, „Ebenbild des unsichtbaren Gottes, Erstgeborener der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15), ist der Mensch erlöst worden; ja, „der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“. <489> Muß man da nicht mit dem hl. Leo dem Großen ausrufen: „Christ, werde dir deiner Würde bewußt“? <490> <489> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. <490> Sermo XXI, 3: SCh 22a, 72. Christus verkündigen heißt also dem Menschen seine unveräußerliche Würde offenbaren, die Gott durch die Menschwerdung seines eingeborenen Sohnes wiederhergestellt hat. Und das II. Vatikanische Konzil fährt fort: „Da es aber der Kirche anvertraut ist, das Geheimnis Gottes, des letzten Zieles der Menschen, offen- 1104 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kundig zu machen, erschließt sie dem Menschen gleichzeitig das Verständnis seiner eigenen Existenz, das heißt die letzte Wahrheit über den Menschen und seine Bestimmung“. <491> <491> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 41. Da der Mensch nun einmal mit dieser unvergleichlichen Würde ausgestattet ist, kann er nicht unter menschenunwürdigen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebensbedingungen leben. Das ist die theologische Grundlage des Kampfes für die Verteidigung der Personwürde, für Gerechtigkeit und sozialen Frieden, für die Förderung, Befreiung und vollständige Entfaltung des Menschen und jedes Menschen. Das auch deshalb, weil mit Rücksicht auf diese Würde die Entwicklung der Völker - innerhalb jeder Nation und in den internationalen Beziehungen - auf solidarische Weise erfolgen muß, wie mein Vorgänger Paul VI. äußerst treffend bemerkte. <492> Genau aus dieser Sicht konnte er feststellen: „Entwicklung ist der neue Name für Friede“. <493> Man kann also mit Recht sagen, daß „die volle Entwicklung und Entfaltung die Achtung der Menschenwürde voraussetzt, die sich nur in Gerechtigkeit und Frieden verwirklichen kann“. <494> <492> Vgl. Enzyklika Populorumprogressio (26. März 1967), Nr. 48: /14,S'59(1967)28!.. <493> Ebd., Nr. 87: a.a.O., 299. <494> Propositio 45. Sich zum Sprecher derer machen, die keine Stimme haben 70. Gestärkt im Glauben und in der Hoffnung auf die Heilskraft Jesu haben die Synodenväter zum Abschluß ihrer Arbeiten die Verpflichtung zur Annahme der Herausforderung erneuert, nämlich in jedem noch so unterschiedlichen Lebensbereich der afrikanischen Völker Heilswerkzeuge zu sein. „Die Kirche - so erklärten sie - muß weiter ihre prophetische Rolle ausüben und sich zur Stimme derjenigen machen, die keine Stimme haben“, <495> damit überall jeder Person die menschliche Würde zuerkannt werde und stets der Mensch im Mittelpunkt jedes Regie-rungsprogrammes stehe. Die Synode „interpelliert an das Gewissen der Staatsoberhäupter und der für das öffentliche Leben Verantwortlichen, in zunehmendem Maße die Befreiung und Entwicklung ihrer Völker zu garantieren“. <496> Nur um diesen Preis läßt sich der Friede unter den Völkern aufbauen. <495> Ebd. <496> Ebd. Die Evangelisierung muß jene Initiativen fördern, die dazu beitragen, den Menschen in seiner geistigen und materiellen Existenz zur Entfaltung zu bringen und zu adeln. Es geht um die Entwicklung und Entfaltung jedes Menschen und des ganzen Menschen, der nicht bloß für sich alleinstehend, sondern auch und beson- 1105 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ders im Rahmen einer solidarischen und harmonischen Entwicklung aller Mitglieder einer Nation und aller Völker der Erde zu verstehen ist. <497> Schließlich muß die Evangelisierung alles offenlegen und bekämpfen, was den Menschen entwürdigt und zerstört. „Die Durchführung des Verkündigungsaufira-ges im sozialen Bereich, der ein Aspekt der prophetischen Dimension der Kirche ist, umfaßt auch die Offenlegung der Übel und Ungerechtigkeiten. Doch ist die Klarstellung angebracht, daß Verkündigung wichtiger ist als Anklage, und daß diese nicht von jener absehen darf, da sie nur von dort ihre wahre Berechtigung und die Kraft einer höchsten Motivation erhält“. <498> <497> Vgl. Paul VI., Enzyklika Populomm progressio (26. März 1967), Nr. 48: AAS59(1967)281. <498> Johannes Paul U., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 41: /L4S80( 1988)572. Soziale Kommunikationsmittel 71. „Seit jeher ist Gott charakterisiert durch seinen Willen, sich mitzuteilen. Er tut dies auf verschiedenste Weise. Allen beseelten oder unbeseelten Geschöpfen schenkt er das Leben. Besonders zum Menschen knüpft er bevorzugte Beziehungen. ,Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn’ (Hebr 1,1-2)“. <499> Das Wort Gottes ist seiner Natur nach Wort, Dialog und Kommunikation. Er ist gekommen, um einerseits die Kommunikation und die Beziehungen zwischen Gott und den Menschen und andererseits die der Menschen untereinander wiederherzustellen. <499> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Instrumentum laboris, 127. Die Massenmedien haben die Aufmerksamkeit der Synode unter zwei wichtigen und sich ergänzenden Aspekten auf sich gezogen: als aufkommendes neues Kulturphänomen und als eine Gesamtheit von Mitteln im Dienst an der Kommunikation. Sie stellen von Anfang an eine neue Kultur dar, die ihre eigene Sprache und vor allem eigene spezifische Werte und Unwerte hat. Daher müssen sie, wie alle Kulturen, evangelisiert werden. <500> <500> vgl. Botschaft der Synode, (6. Mail994), Nr. 45-46: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. In unseren Tagen stellen die Massenmedien in der Tat nicht nur eine Welt, sondern eine Kultur und Zivilisation dar. Und auch in diese Welt wird die Kirche gesandt, um ihr die Frohe Botschaft vom Heil zu bringen. Die Boten des Evangeliums müssen also eintreten und sich von dieser neuen Zivilisation und Kultur durchdringen lassen, doch zu dem Zweck, sich ihrer auf passende Weise zu bedienen. „Der erste Areopag der neuen Zeit ist die Welt der Kommunikation, die die Menschheit immer mehr eint und, wie man zu sagen pflegt, zu einem ,Weltdorf macht. Die Massenmedien spielen eine derartig wichtige Rolle, daß sie für viele 1106 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind“. <501> Die Ausbildung zum Gebrauch der Massenmedien ist daher eine Notwendigkeit; das gilt nicht nur für den, der das Evangelium verkündet, und der unter anderem über den Kommunikationsstil verfügen muß, sondern auch für den Leser, den Rundfunkhörer und das Femsehpublikum, die auf Grund einer Schulung zum Verständnis der jeweiligen Kommunikationsart imstande sein sollen, deren Beiträge kritisch zu beurteilen. <501> Johannes Paullk, Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 37, c: A4S83(1991)285. In Afrika, wo die mündliche Weitergabe eines der Wesensmerkmale der Kultur darstellt, kommt einer solchen Ausbildung eine grundlegende Bedeutung zu. Eben dieser Kommunikationstyp muß die Hirten, besonders die Bischöfe und die Priester, daran erinnern, daß die Kirche gesandt ist, zu sprechen, durch Wort und Zeichen das Evangelium zu verkünden. Sie kann also nicht schweigen auf die Gefahr hin, ihren Auftrag nicht zu erfüllen; es sei denn, daß unter bestimmten Umständen gerade das Schweigen eine Form des Sprechens und Zeugnisgebens wäre. Wir müssen also immer, bei jeder Gelegenheit das Wort verkünden, ob man es hören will oder nicht (vgl. 2 Tim 4,2), um aufzubauen in Liebe und Wahrheit. IV. Kapitel Im Ausblick auf das dritte christliche Jahrtausend I. Die gegenwärtigen Herausforderungen 72. Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode wurde einberufen, um der über den Kontinent verbreiteten Kirche Gottes die Möglichkeit zu geben, über ihren Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das dritte Jahrtausend nachzudenken und, wie ich gesagt habe, „eine organische pastorale Solidarität auf dem gesamten Territorium Afrikas und den dazugehörigen Inseln“ <502> vorzubereiten. Dieser Auftrag bringt, wie bereits hervorgehoben wurde, Dringlichkeiten und Herausforderungen mit sich, die durch die tiefgreifenden und raschen Veränderungen der afrikanischen Gesellschafien und durch die Auswirkungen des Versuchs, sich als Weltzivilisation durchsetzen zu wollen, hervorgerufen werden. <502> Angelus (6. Januar 1989) Nr. 2: lnsegnamenti XU, 1(1989)40. Die Notwendigkeit der Taufe 73. An erster Stelle der Dringlichkeiten steht natürlich die Evangelisierung selber. Die Kirche muß sich einerseits die Botschaft, als deren Hüterin sie der Herr eingesetzt hat, immer besser aneignen und sie leben. Andererseits muß sie von dieser Botschaft Zeugnis geben und sie allen, die noch nichts von Jesus Christus wissen, 1107 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verkünden. Denn ihretwegen hat der Herr zu den Aposteln gesagt: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ {Mt 28,19). Wie zu Pfingsten hat die Verkündigung des kerygma als natürliches Ziel, den, der hört, zur metänoia und zur Taufe zu veranlassen: „Die Verkündigung des Wortes Gottes hat die christliche Bekehrung zum Ziel, das heißt die volle und ehrliche Zugehörigkeit zu Christus und seinem Evangelium durch den Glauben“. <503> Die Bekehrung zu Christus ist allerdings „eng mit der Taufe verbunden: Diese Verbindung besteht nicht nur wegen der Praxis der Kirche, sondern auf Grund des Willens Christi und seines Aussendungsauftrags, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen und sie zu taufen (vgl. Mt 28,19); sie besteht auch aus einem inneren Zusammenhang heraus, um die Fülle des neuen Lebens in Ihm zu erhalten: ,Amen, Amen, ich sage dir - unterweist Jesus Nikodemus -: wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen’ {Joh 3,5). Die Taufe schafft uns in der Tat neu zum Leben als Kinder Gottes. Sie verbindet uns mit Jesus Christus und salbt uns im Heiligen Geist. Die Taufe ist nicht einfach die Besiegelung der Bekehrung, gleichsam ein äußeres Zeichen der Bestätigung; sie ist vielmehr das Sakrament, das diese Neugeburt im Geist bezeichnet und bewirkt, das reale und unlösbare Bande mit der Trinität knüpft und die Getauften zu Gliedern Christi und seiner Kirche macht“. <504> Deshalb würde ein Bekehrungsweg, der nicht bis zur Taufe gelangte, auf halbem Weg stehen bleiben. <503> Johannes Paul TL, Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 46: AAS83(1991)292. <504> Ebd., Nr. 47, a.a.O., 293-294. Tatsächlich werden die Menschen guten Willens, die ohne ihre Schuld von der Verkündigung des Evangeliums nicht erreicht wurden, aber in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen nach dem Gesetz Gottes leben, von Christus und in Christus gerettet werden. An jeden Menschen ergeht in der Tat immer der Ruf Gottes, der darauf wartet, erkannt und angenommen zu werden (vgl. 1 Tim 2,4). Um dieses Erkennen und diese Annahme zu erleichtern, sind die Jünger Christi aufgefordert, solange sich nicht zufrieden zu geben, bis allen die Frohbotschaft vom Heil überbracht ist. Dringlichkeit der Evangelisierung 74. Der Name Jesu Christi ist tatsächlich der einzige, durch den gesichert ist, daß wir gerettet werden können (vgl. Apg 4,12), und da es in Afrika Millionen von Menschen gibt, die das Evangelium noch nicht erreicht hat, steht die Kirche vor der notwendigen und dringenden Aufgabe, die Frohe Botschaft allen zu verkünden und diejenigen, die auf sie hören, zur Taufe und zum christlichen Leben zu führen. „Die Dringlichkeit missionarischer Tätigkeit geht aus der von Christus gebrachten und von seinen Jüngern gelebten grundlegenden Erneuerung des Lebens hervor. Dieses neue Leben ist Gabe Gottes. Von seiten des Menschen ist erforderlich, sie 1108 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN anzunehmen und ihr zum Wachstum zu verhelfen, wenn er sich selbst entsprechend seiner ganzheitlichen Berufung nach dem Bild Christi verwirklichen will“. <505> Dieses neue Leben in der radikalen Ursprünglichkeit des Evangeliums ist für jedes Volk der Erde hinsichtlich seiner Gewohnheiten und seiner Kultur auch mit Brüchen verbunden, denn das Evangelium ist niemals ein inneres Produkt eines bestimmten Landes, sondern es kommt immer „von außerhalb“, von oben. Für die Getauften wird die große Herausforderung immer in der Konsequenz bestehen, eine den Verpflichtungen der Taufe entsprechende christliche Existenz zu führen, was den Tod der Sünde und tägliche Auferstehung zu einem neuen Leben bedeutet (vgl. Rom 6,4-5). Ohne diese konsequente Haltung werden die Jünger Christi kaum „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ {Mt 5,13.14) sein können. Wenn sich die Kirche in Afrika mit Nachdruck und ohne Zögern auf diesen Weg einläßt, wird überall auf dem Kontinent zur Rettung der Völker, die ohne Furcht dem Erlöser die Türen öffnen, das Kreuz eingepflanzt werden können. <505> Ebd., Nr. 7, a.a.O„ 255-256. Bedeutung der Ausbildung 75. In allen Bereichen des kirchlichen Lebens kommt der Ausbildung vorrangige Bedeutung zu. Denn niemand vermag die Glaubenswahrheiten zu verstehen, die er nie hat lernen können, oder Handlungen zu vollbringen, zu denen er nie angeleitet worden ist. Daher „muß die ganze Gemeinschaft für die Evangelisierung vorbereitet, motiviert und gestärkt werden, ein jeder entsprechend seiner spezifischen Rolle in der Kirche“. <506> Das gilt auch für die Bischöfe, die Priester, die Mitglieder der Ordensinstitute und der Gesellschaften apostolischen Lebens, für die Angehörigen der Säkularinstitute und für alle Laien. <506> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 8: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. Die missionarische Erziehung muß einen vorrangigen Platz einnehmen. Sie ist , Aufgabe der Ortskirche unter Mithilfe der Missionare und ihrer Institute, aber ebenso von Leuten der jungen Kirchen. Diese Arbeit darf nicht nebenbei, sondern muß ganz zentral das christliche Leben bestimmen“. <507> <507> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 83: AA583(1991)329. Das Bildungsprogramm soll in besonderer Weise die Schulung der Laien dahingehend einschließen, daß sie ihre Rolle einer christlichen Durchdringung der zeitlichen (politischen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen) Ordnung voll ausfüllen, worin ja das charakteristische Engagement der weltlichen Berufung der Laien besteht. Man wird in diesem Zusammenhang nicht versäumen dürfen, sachverständige und motivierte Laien zu ermutigen, sich im politischen Bereich zu engagie- 1109 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ren, <508> wo sie durch eine entsprechende Erfüllung öffentlicher Aufgaben „dem Gemeinwohl dienen und zugleich dem Evangelium einen Weg bahnen“ können. <509> <508> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 33: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. <509> n. Vat. Konzil, Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam actuositatem, Nr. 14. Den Glauben vertiefen 76. Die Kirche in Afrika muß, um Trägerin der Evangelisierung zu sein, „damit beginnen, sich selbst zu evangelisieren (...). Sie muß unablässig selbst vernehmen, was sie glauben muß, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist. Als Volk Gottes, das mitten in dieser Welt lebt und oft durch deren Idole versucht wird, muß die Kirche immer wieder die Verkündigung der Großtaten Gottes hören“. <510> <510> paui VI., Apostol. Schreiben Evangelii mintiandi (8. Dezember 1975), Nr. 15: -44568(1976)14. Im heutigen Afrika „ist die Glaubensbildung (...) nur allzu oft im ersten Anfangsstadium steckengeblieben, und die Sekten nützen diese Unwissenheit schonungslos aus“. <511> Es bedarf daher dringend einer ernsthaften Glaubensvertiefung, weil die rasche Entwicklung der Gesellschaft immer neue Herausforderungen mit sich bringt. Die wichtigsten Phänomene in diesem Zusammenhang sind Entwurzelung der Familien, Verstädterung und Arbeitslosigkeit, verbunden mit materiellen Versuchungen aller Art, sowie eine gewisse Säkularisierung und eine intellektuelle Erschütterung, <511> Johannes Paul II., Ansprache an die Bischofskonferenz von Kamerun (Yaounde, 13. August 1985), Nr. 4: Insegnamenti VIII/2(1985)378. die eine Lawine unkritisch hingenommener, von den Medien verbreiteter Ideen auslöst. <512> !47 Vgl. ebd., Nr. 5, a.a.O. Die Kraft des Zeugnisses 77. Ziel der Glaubensbildung muß es sein, den Christen nicht nur ein technisches Geschick zur besseren Weitergabe der Glaubensinhalte zu vermitteln, sondern auch eine tiefe persönliche Überzeugung, um von diesen Inhalten wirksam im Leben Zeugnis zu geben. Alle, die zur Verkündigung des Evangeliums berufen sind, sollen sich daher bemühen, in vollständiger Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zu handeln. Denn er ist es, der „heute wie in den Anfängen der Kirche in all jenen am Werk ist, die das Evangelium verkünden und sich von ihm ergreifen und führen lassen“. <513> „Die Methoden der Evangelisierung sind sicher nützlich, doch können auch die vollkommensten unter ihnen das verborgene Wirken des Heiligen Geistes nicht ersetzen. Ohne ihn richtet auch die geschickteste Vorbereitung des <513> Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 75: 44568(1976)65. 1110 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verkündigers nichts aus. Ohne ihn bleibt auch die überzeugendste Dialektik bei den Menschen wirkungslos. Ohne ihn erweisen sich auch die höchstentwickelten soziologischen und psychologischen Methoden als wert- und inhaltslos“. <514> In Afrika kommt es heute wesentlich auf ein wahrhaftiges Zeugnis von seiten der Gläubigen an, um den Glauben authentisch zu verkünden. Besonders ist es unerläßlich, daß sie Zeugnis geben von einer aufrichtigen wechselseitigen Liebe. ,„Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast’ (Joh 17,3). Letzter Sinn der Sendung ist es, Anteil zu geben an der Gemeinschaft, die zwischen Vater und Sohn besteht. Die Jünger sollen die Einheit untereinander leben, sie sollen im Vater und im Sohn ,bleiben’, damit die Welt erkennt und glaubt (vgl. Joh 17,21-23). Dies ist ein bezeichnender missionarischer Text, der begreifen läßt: Missionar ist man zuallererst durch das, was man ist, als Kirche, die zutiefst die Einheit in der Liebe lebt, bevor man es ist durch das, was man sagt oder tut“. <515> <514> Ebd., a.a.O., 65-66. 1511 Johannes Paul I(., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 23: AAS83(199! )269-270. Den Glauben inkulturieren 78. Aus der tiefen Überzeugung, daß „die Synthese zwischen Kultur und Glauben nicht nur eine Forderung der Kultur, sondern auch des Glaubens ist“, weil „ein Glaube, der nicht zu Kultur wird, ein Glaube ist, der nicht voll angenommen, nicht unverkürzt gedacht, nicht getreu gelebt wird“, <516> hat die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode die Inkulturation zu einer Priorität und Dringlichkeit im Leben der Teilkirchen in Afrika erklärt: nur so kann das Evangelium in den christlichen Gemeinden des Kontinents feste Wurzeln fassen. Im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils <517> erklärten die Synodenväter die Inkulturation als einen Prozeß, der die ganze Weite des christlichen Lebens umfaßt - Theologie, Liturgie, Gewohnheiten und Strukturen -, ohne natürlich das göttliche Recht und die große Ordung der Kirche anzurühren, die im Lauf der Jahrhunderte durch außerordentliche Leistungen der Tugend und des Heroismus bestätigt worden ist. <518> Die Herausforderung der Inkulturation in Afrika besteht darin, zu bewirken, daß die Jünger Christi die Botschaft des Evangeliums immer besser aufnehmen und dabei doch allen echten afrikanischen Werten treu bleiben. Den Glauben in sämtlichen Bereichen des christlichen und menschlichen Lebens zu inkulturieren stellt freilich eine schwierige Aufgabe dar, zu deren Lösung der Beistand des Geistes <516> Johannes Paul U., Ansprache an die Teilnehmer am Nationalen Kongreß der kirchlichen Bewegung fiir kulturelles Engagement (16. Januar 1982), Nr. 2: Insegnamenti, V,l(1982)131. <517> Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 22. <518> Vgl Propositio 32; U. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nm. 37-40. 1111 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Herrn notwendig ist, der die Kirche in die ganze Wahrheit einführt (vgl. Joh 16,13). Eine versöhnte Gemeinschaft 79. Die Herausforderung des Dialogs ist im Grunde genommen die Herausforderung der Umwandlung der Beziehungen zwischen den Menschen, zwischen den Nationen und zwischen den Völkern im religiösen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben. Es ist die Herausforderung der Liebe Christi zu allen Menschen, einer Liebe, die der Jünger in seinem Leben wiedergeben soll: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35). „Die Evangelisierung setzt den Dialog Gottes mit der Menschheit fort, einen Dialog, der seinen Höhepunkt in der Person Jesu Christi erreicht“. <519> Durch das Kreuz hat er in sich selbst die Feindschaft zerstört (vgl. Eph2,\6), die die Menschen voneinander trennt und entfernt. <519> Propositio 38. Freilich ist trotz der heutigen Zivilisation des „Weltdorfes“ in Afrika wie anderswo auf der Welt der Geist des Dialogs, des Friedens und der Versöhnung noch weit davon entfernt, in den Herzen aller Menschen zu wohnen. Kriege, Konflikte, rassistische und fremdenfeindliche Haltungen beherrschen noch immer allzu sehr die Welt der menschlichen Beziehungen. Die Kirche in Afrika empfindet das Bedürfnis, durch das Zeugnis ihrer Söhne und Töchter für alle zum Ort einer echten Versöhnung zu werden. Wenn sie sich gegenseitig verziehen und miteinander versöhnt haben, werden sie der Welt die Vergebung und die Versöhnung bringen können, die Christus, unser Friede (vgl. Eph 2,14), der Menschheit durch seine Kirche anbietet. Andernfalls wird die Welt immer mehr einem Schlachtfeld gleichen, wo allein egoistische Interessen zählen und wo das Gesetz der Stärke regiert, das die Menschheit unseligerweise von der erwünschten Zivilisation der Liebe entfernt. II. Die Familie Die Familie evangelisieren 80. „Die Zukunft der Welt und der Kirche führt über die Familie“. <520> In der Tat ist die Familie nicht nur die erste Zelle einer lebendigen Kirchengemeinschaft, sondern auch der Gesellschaft. Besonders in Afrika stellt die Familie einen Stützpfeiler dar, auf dem das Gebäude der Gesellschaft errichtet ist. Darum betrachtet die Synode die Evangelisierung der afrikanischen Familie als eine der wichtigsten <520> Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 75: A/\,774(1982)173. 1112 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Prioritäten, wenn man will, daß sie ihrerseits die Rolle eines aktiven Subjekts im Hinblick auf die Evangelisierung der Familien durch die Familien wahmehme. Unter pastoralem Gesichtspunkt stellt dies eine echte Herausforderung dar, wenn man die Schwierigkeiten politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Natur bedenkt, mit denen sich im Zusammenhang mit den großen Veränderungen in der modernen Gesellschaft die Kemfamilien in Afrika konfrontiert sehen. Auch wenn die afrikanische Familie die positiven Werte der heutigen Zeit annimmt, wird sie dennoch die eigenen wesentlichen Werte bewahren müssen. Die Heilige Familie als Vorbild 81. In diesem Zusammenhang ist die Heilige Familie, die nach dem Evangelium (vgl. Mt 2,14-15) eine Zeitlang in Afrika gelebt hat, „ Urbild und Beispiel jiir alle christlichen Familien“,156 „Vorbild und geistliche Quelle“ für jede christliche Familie. <521> <522> Um die Worte Papst Pauls VI., der als Pilger ins Heilige Land gekommen war, aufzugreifen: „Nazaret ist die Schule, wo man begonnen hat, das Leben Jesu zu erfassen: die Schule des Evangeliums (...). Hier, in dieser Schule, begreift man die Notwendigkeit, daß einer religiöse Belehrung erhalten muß, wenn er (...) Jünger Christi werden will“. <523> In seiner tiefgründigen Meditation über das Geheimnis von Nazaret fordert Paul VI. dazu auf, daraus eine dreifache Lehre zu ziehen: Schweigen, Familienleben und Arbeit. Im Haus zu Nazaret lebt jeder seine Sendung in vollkommener Harmonie mit den anderen Gliedern der Heiligen Familie. <521> Ebd., Nr. 86, a.a.O., 189-190. <522> vgl. Propositio 14. <523> Ansprache in der Verkündigungsbasilika in Nazaret (5. Januar 1964): .4/1756(1964)167. Würde und Rolle des Mannes und der Frau 82. Die Würde des Mannes und der Frau rührt daher, daß Gott, als er den Menschen „als Abbild Gottes schuf, sie als Mann und Frau schuf“ (Gen 1,27). Sowohl der Mann wie die Frau sind „nach dem Abbild Gottes“ geschaffen, das heißt sie sind mit Verstand und Willen und infolgedessen mit Freiheit ausgestattet. Das zeigt der entsprechende Bericht vom Sündenfall der Stammeitem (vgl. Gen 3). Der Psalmist besingt die unvergleichliche Würde des Menschen so: „Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt“ {Ps 8,6-7). Da sie beide, Mann und Frau, als Abbild Gottes erschaffen wurden, sind sie, trotz Unterschieden, unter dem Gesichtspunkt des Menschseins im wesentlichen gleich. „Beide sind von Anfang an Personen, zum Unterschied von den anderen Lebewe- 1113 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen der sie umgebenden Welt. Die Frau ist ein anderes ,Ich’ im gemeinsamen Menschsein“, <524> und jeder stellt eine Hilfe für den anderen dar (vgl. Gen 2,18-25). „Indem Gott den Menschen ,als Mann und Frau’ erschuf, schenkte er dem Mann und der Frau in gleicher Weise personale Würde und gab ihnen jene unveräußerlichen Rechte und Verantwortlichkeiten, die der menschlichen Person zukommen“. <525> Die Synode hat jene afrikanischen Bräuche und Praktiken mißbilligt, die „die Frauen ihrer Rechte und der ihnen gebührenden Achtung berauben“, <526> und hat von der Kirche auf dem Kontinent verlangt, daß sie sich bemühe, die Einhaltung dieser Rechte zu fördern. <524> Johannes Paul n., Apostol. Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), Nr. 6: AAS80(1988)1662-1664; Brief an die Frauen (29. Juni 1995), Nr. 7: L'Osservatore Romano, 10.-11. Juli 1995, S. 5. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 22: AA574(1982)107. <526> Propositio 48. Würde und Rolle der Ehe 83. Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist ist die Liebe (vgl. 1 Joh 4,8). „Die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen findet ihre endgültige Erfüllung in Jesus Christus, dem liebenden Bräutigam, der sich hingibt als Erlöser der Menschheit und sie als seinen Leib mit sich vereint. Er offenbart die Urwahrheit über die Ehe, die Wahrheit des .Anfangs’, und macht den Menschen fähig, sie vollends zu verwirklichen, indem er ihn von seiner Herzenshärte befreit. Diese Offenbarung gelangt zur endgültigen Vollendung in der Liebesgabe, die das göttliche Wort der Menschheit macht, indem es die menschliche Natur annimmt, und im Opfer, mit dem Jesus Christus sich am Kreuz für seine Braut, die Kirche, darbringt. In diesem Opfer wird der Plan vollständig enthüllt, den Gott dem Menschsein des Mannes und der Frau seit ihrer Schöpfung eingeprägt hat (vgl. Eph 5,32-33); die Ehe der Getauften wird so zum Realsymbol des neuen und ewigen Bundes, der im Blut Christi geschlossen wurde“. <527> *62 Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 13: AA574(1982)93-94. Die gegenseitige Liebe zwischen den getauften Eheleuten offenbart die Liebe Christi und der Kirche. Als Zeichen der Liebe Christi ist die Ehe ein Sakrament des Neuen Bundes: „Die Eheleute sind für die Kirche eine ständige Erinnerung an das, was am Kreuz geschehen ist. Sie sind füreinander und für die Kinder Zeugen des Heils, an dem sie durch das Sakrament teilhaben. Wie jedes andere Sakrament ist die Ehe Gedächtnis, Vollzug und Prophetie des Heilsgeschehens“. <528> Sie ist daher ein Lebensstand, ein Weg christlicher Heiligkeit, eine Berufung, die zur glorreichen Auferstehung und zu dem Reich führen soll, wo „die Menschen nicht mehr heiraten“ {Mt 22,30). Dank dieser ihrer Beständigkeit vermag sie wirk- <528> Ebd. 1114 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sam zur vollen Verwirklichung der aus der Taufe erwachsenen Berufung der Eheleute beizutragen. Die afrikanische Familie schützen 84. In zahlreichen Wortmeldungen wurde in der Synodenaula auf die Bedrohungen hingewiesen, die den afrikanischen Familien gegenwärtig bevorstehen. Die Sorgen der Synodenväter waren um so berechtigter, als das Vorbereitungsdokument einer im September 1994 in Kairo, also auf afrikanischem Boden, abgehaltenen Konferenz der Vereinten Nationen ganz offensichtlich zur Annahme von Entschließungen bereit schien, die zu vielen Werten der afrikanischen Familie im Gegensatz standen. Indem sie sich die Besorgnisse zu eigen machten, die zuvor von mir gegenüber der genannten Konferenz und gegenüber den Staatsoberhäuptern der ganzen Welt geäußert worden waren, <529> erließen sie einen eindringlichen Appell zum Schutz der Familie: „Laßt nicht zu - so riefen sie -, daß man die afrikanische Familie gerade auf ihrem eigenen Boden erniedrigt! Laßt nicht zu, daß das internationale Jahr der Familie zu einem Jahr der Zerstörung der Familie wird!“ <530> <529> Vgl. Botschaft an Frau Nafis Sadik, Generalsekretärin der internationalen Konferenz von 1994 über Bevölkerung und Entwicklung (18. März 1994): AAS87(1995)190-196. *65 Bischofssynode, Sonderversamnilung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 30: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. Die für die Gesellschaft offene Familie 85. Die Ehe geht ihrer Natur nach über das Paar hinaus, da ihre besondere Sendung darin besteht, für den Fortbestand der Menschheit zu sorgen. Desgleichen geht die Familie ihrer Natur nach über die Grenzen des häuslichen Herdes hinaus: sie ist auf die Gesellschaft hin ausgerichtet. „Die Familie ist in lebendiger, organischer Weise mit der Gesellschaft verbunden; denn durch ihren Auftrag, dem Leben zu dienen, bildet sie deren Grundlage und ständigen Nährboden. In der Familie wachsen ja die Bürger heran und dort finden sie auch ihre erste Schule für jene sozialen Tugenden, die das Leben und die Entwicklung der Gesellschaft von innen her tragen und gestalten. So ergibt sich aus der Natur und Berufung der Familie, daß sie sich auf keinen Fall in sich selbst verschließen darf, sondern sich vielmehr auf die anderen Familien und die Gesellschaft hin öffnen und so ihre gesellschaftliche Aufgabe wahmehmen muß“. <531> ^ Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 42: AA 574(1982)134. In diesem Sinne bekräftigt die Sonderversammlung für Afrika, daß es Ziel der Evangelisierung ist, die Kirche als Familie Gottes aufzubauen, als - wenn auch unvollkommene - Vorwegnahme des Reiches Gottes auf Erden. Auf diese Weise werden die christlichen Familien Afrikas zu echten „Hauskirchen“ und zum Fortschritt der Gesellschaft hin zu einem brüderlicheren Leben beitragen. Auf diese 1115 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weise soll sich die Umgestaltung der afrikanischen Gesellschaften durch das Evangelium vollziehen! V. Kapitel „Ihr werdet meine Zeugen sein “ in Afrika Zeugnis und Heiligkeit 86. Die Herausforderungen, auf die hingewiesen wurde, zeigen, wie nützlich die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode war: die Aufgabe der Kirche auf dem Kontinent ist ungeheuer; um sie zu bewältigen, braucht es die Zusammenarbeit aller. Das zentrale Element dieser Zusammenarbeit ist das Zeugnis. Christus wendet sich an seine Jünger in Afrika und erteilt ihnen den Auftrag, den er den Aposteln am Himmelfahrtstag erteilt hat: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8) in Afrika. 87. Die Verkündigung der Frohen Botschaft durch Wort und Werke öffnet das Herz der Menschen für die Sehnsucht nach Heiligkeit, nach Gleichgestaltung mit Christus. In seinem ersten Brief an die Korinther wendet sich der hl. Paulus „an die Geheiligten in Christus Jesus, berufen als Heilige mit allen, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall anrufen, bei ihnen und bei uns“ (1,2). Die Verkündigung des Evangeliums hat auch den Aufbau der Kirche Gottes im Hinblick auf den Anbruch des Reiches zum Ziel, das Christus am Ende der Zeiten dem Vater übergeben wird (vgl. 1 Kor 15,24). „Der Eintritt in das Reich Gottes verlangt einen Wandel in Gesinnung (metänoia) und Verhalten und ein Leben des Zeugnisses in Wort und Tat, das in der Kirche aus der Teilnahme an den Sakramenten, besonders an der Eucharistie, dem Heilssakrament, genährt wird“. <532> <532> Propositio 5. Einen Weg zur Heiligkeit stellt auch die Inkulturation dar, durch die der Glaube das Leben der Menschen und ihrer ursprünglichen Gemeinschaften durchdringt. Wie Christus bei der Menschwerdung die menschliche Natur mit Ausnahme der Sünde angenommen hat, so nimmt analog die christliche Botschaft durch die Inkulturation die Werte der Gesellschaft an, der sie verkündet wird, wobei sie alles verwirft, was von der Sünde gezeichnet ist. In dem Maße, in dem die Gemeinschaft der Kirche imstande ist, die positiven Werte einer bestimmten Kultur zu integrieren, wird sie zum Werkzeug dafür, daß sich diese Kulturen den Dimensionen der christlichen Heiligkeit öffnen. Eine klug durchgeführte Inkulturation reinigt und erhebt die Kulturen der verschiedenen Völker. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Liturgie berufen, eine wichtige Rolle zu spielen. Wenn sie die Heilsgeheimnisse wirksam verkündet und lebt, kann sie wirkungsvoll dazu beitragen, spezifische Ausdrucksweisen der Kultur eines be- 1116 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stimmten Volkes zu erheben und zu bereichern. Es wird deswegen Aufgabe der zuständigen Autorität sein, nach künstlerisch wertvollen Modellen für die Inkulturation jener liturgischen Elemente zu sorgen, die im Lichte der geltenden Normen verändert werden können. <533> <533> vgl. Propositio 34. I. Träger der Evangelisierung 88. Die Evangelisierung braucht Träger. Denn „wie sollen sie nun den (den Herrn) anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie aber soll jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist?“ (Röm 10,14-15). Die Verkündigung des Evangeliums kann nur durch Mitwirkung aller Gläubigen auf allen Ebenen sowohl der Weltkirche wie der Ortskirche voll erfüllt werden. Insbesondere dieser unter die Verantwortung des Bischofs gestellten Ortskirche obliegt es, das Werk der Evangelisierung dadurch zu koordinieren, daß sie die Gläubigen sammelt, sie durch das Wirken der Priester und Katechisten im Glauben festigt und ihnen bei der Erfüllung der jeweiligen Sendungen beisteht. Zu diesem Zweck wird die Diözese für die Schaffung der notwendigen Strukturen für Begegnung, Dialog und Planung sorgen. Wenn der Bischof sich dieser Strukturen bedient, wird er die Arbeit von Priestern, Ordensleuten und Laien entsprechend ausrichten, indem er Gaben und Charismen eines jeden annimmt, um sie in den Dienst einer zeitnahen und ausgeprägten Pastoral zu stellen. Sehr nützlich werden in diesem Sinn die verschiedenen, von den geltenden Normen des Kirchenrechts vorgesehenen Räte sein. Lebendige Kirchengemeinden 89. Die Synodenväter haben gleich erkannt, daß die Kirche als Familie nur dann in vollem Ausmaß Kirche sein kann, wenn sie sich in Gemeinden gliedert, die klein genug sind, um enge menschliche Beziehungen zu erlauben. Die Merkmale solcher Gemeinden wurden von der Versammlung folgendermaßen zusammengefaßt: sie sollen Räume sein, innerhalb derer man zunächst für die eigene Evangelisierung sorgt, um dann die Frohe Botschaft den anderen zu bringen; sie sollen daher Orte des Betens und Hörens des Wortes Gottes sein; des Verantwortungsbewußt-machens der Mitglieder selbst; einer Lehrzeit in kirchlichem Leben und des Nachdenkens über die verschiedenen menschlichen Probleme im Lichte des Evangeliums. Vor allem soll man sich in ihnen darum bemühen, die universale Liebe Christi zu leben, die die Schranken der natürlichen Solidaritäten der Clans, der Stämme oder anderer Interessensgruppen übersteigt. <534> <534> Vgl. Propositio 9. 1117 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Laien 90. Den Laien soll man helfen, sich der Rolle, die sie in der Kirche übernehmen sollen, immer bewußter zu werden durch Anerkennung ihrer spezifischen Sendung, die ihnen gemäß der Lehre des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Christifideles laici <535> und der Enzyklika Redemptoris missio <536> als Getauften und Gefirmten zusteht. Sie müssen infolgedessen an eigens dazu bestimmten Zentren oder Schulen eine bibelkundliche und pastorale Ausbildung erhalten. In ähnlicher Weise sollen die Christen, die verantwortungsvolle Posten bekleiden, durch eine solide Ausbildung in kirchlicher Soziallehre sorgfältig auf ihre politische, ökonomische und soziale Aufgabe vorbereitet werden, um in ihrem Tätigkeitsbereich treue Zeugen des Evangeliums zu sein. <537> 170 Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nm. 45-56: A4S81( 1989)481-506. <536> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nm. 71-74: 4A583( 199I )318-322. <537> Vgl. Proposilio 12. Katechisten 91. „Die Rolle der Katechisten war und bleibt entscheidend bei der Gründung und Ausbreitung der Kirche in Afrika. Nach Empfehlung der Synode sollen die Katechisten nicht nur eine vollkommene Grundausbildung empfangen (...), sondern auch eine ständige lehrmäßige Weiterbildung sowie moralische und geistliche Unterstützung erhalten“. <538> Sowohl den Bischöfen wie den Priestern sollen ihre Katechisten insofern ein Herzensanliegen sein, als sie dafür Sorge tragen, daß sie sichere und annehmbare Lebens- und Arbeitsbedingungen haben, um ihren Auftrag gut erfüllen zu können. Ihre Aufgabe soll innerhalb der christlichen Gemeinschaft anerkannt und geachtet werden. <538> Propositio 13. Die Familie 92. Die Synode hat einen ausdrücklichen Appell dahingehend erlassen, daß jede christliche Familie zu „einem bevorzugten Raum evangelischen Zeugnisses“, <539> zu einer echten „Hauskirche“, <540> zu einer glaubenden und verkündigenden Gemeinschaft, <541> zu einer Gemeinschaft im Dialog mit Gott <542> und großherzig offen für <539> Propositio 14. <540> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 11. <541> ygj_ Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 52: AAS74(1982)144-145. <542> Vgl. ebd., Nr. 55, a.a.O„ 147-148. 1118 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Dienst am Menschen <543> werde. „Im Schoß der Familie sollen die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein“. <544> „Hier wird das durch die Taufe erworbene Priestertum des Familienvaters, der Mutter, der Kinder, aller Glieder der Familie aufs schönste ausgeübt, im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, durch das Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe’. Die Familie ist so die erste Schule des christlichen Lebens und ,eine Art Schule reich entfalteter Humanität’“. <545> Die Eltern sollen sich um die christliche Erziehung der Kinder kümmern. Indem man sich der konkreten Hilfe gefestigter, unbeschwerter und engagierter christlicher Familien bedient, werden die Diözesen das Familienapostolat im Rahmen der Gesamtpastoral planen. Als ,Hauskirche“, die auf den festen kulturellen Grundlagen und auf den reichen Werten der afrikanischen Familientradition errichtet ist, ist die christliche Familie dazu berufen, eine wirksame Zelle christlichen Zeugnisses in der von raschen und tiefgreifenden Veränderungen gezeichneten Gesellschaft zu sein. Als besonders dringlich hat die Synode diesen Appell im Rahmen des Jahres der Familie gehalten, das die Kirche zusammen mit der gesamten internationalen Gemeinschaft damals beging. <543> Vgl. ebd., Nr. 62, a.a.O„ 155. <544> Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1656, der das II. Vat. Konzil, dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 11, zitiert. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1657, der das II. Vat. Konzil, dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 10 und Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 52, zitiert. Die Jugendlichen 93. Die Kirche in Afrika weiß sehr wohl, daß die Jugend nicht nur die Gegenwart, sondern vor allem die Zukunft der Menschheit ist. Es gilt daher, den jungen Menschen bei der Überwindung der Hindernisse zu helfen, die ihre Entwicklung bremsen: der Analphabetismus, das Nichtstun, der Hunger und die Drogen. <546> Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wird man die jungen Leute dazu heranziehen müssen, sich in ihren Kreisen als Boten des Evangeliums zu betätigen. Keiner kann das nämlich besser als sie. Es ist notwendig, daß in der Gesamtpastoral der Diözesen und der Pfarreien die Jugendseelsorge ausdrücklich vertreten ist, um den Jugendlichen Gelegenheit zu geben, sehr bald den Wert der Selbsthingabe als wesentlichen Weg zur Entwicklung der Persönlichkeit zu entdecken. <547> In diesem Zusammenhang stellt die Feier des Weltjugendtages ein bevorzugtes Mittel der Jugendpastoral dar, der die Formung der Jugendlichen durch Gebet, Studium und Reflexion fördert. <546> Vgl. Propositio 15. <547> Vgl. ebd. 1119 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ordensleute 94. „In einer Kirche als Familie Gottes fällt dem Ordensleben nicht nur darum eine besondere Rolle zu, um alle auf den Aufruf zur Heiligkeit hinzuweisen, sondern auch, um Zeugnis zu geben vom brüderlichen Leben in der Gemeinschaft. Die Ordensleute sind daher eingeladen, im Geist der Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den jeweiligen Bischöfen, mit dem Klerus und mit den Laien ihrer Berufung zu entsprechen“. <548> <548> Propositio 16, die sich ausdrücklich auf das n. Vat. Konzil, dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nm. 43-47, bezieht. In der derzeitigen Lage der Mission in Afrika ist die Förderung der Ordensberufe zum beschaulichen und tätigen Leben dringend geboten; dabei gilt es vor allem, eine umsichtige Auswahl zu treffen und dann für die Vermittlung einer soliden menschlichen, geistlichen und lehrmäßigen, apostolischen und missionarischen, biblischen und theologischen Ausbildung zu sorgen. Diese Ausbildung muß im Laufe der Jahre in steter Regelmäßigkeit erneuert werden. Was die Gründung neuer Ordensinstitute betrifft, muß man mit großer Vorsicht und erleuchtetem Unterscheidungsvermögen vorgehen, indem man sich an die vom II. Vatikanischen Konzil angegebenen Kriterien und an die geltenden kirchenrechtlichen Normen hält. <549> Sobald die Institute einmal gegründet sind, muß man ihnen helfen, die Rechtspersönlichkeit zu erwerben und die Autonomie sowohl bei der Durchführung ihrer Arbeit als auch bei der Handhabung der Finanzangelegenheiten zu erlangen. <549> Ygj Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 18 und Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 19. Nachdem die Synodenversammlung mahnend darauf hingewiesen hat, daß „die Ordensinstitute, die keine Häuser in Afrika haben, sich nicht als authorisiert betrachten dürfen, ohne Vorgespräch mit dem Ortsbischof dort nach neuen Berufen zu suchen“, <550> forderte sie dann die Verantwortlichen der Ortskirchen sowie auch der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens auf, den Dialog untereinander zu fördern, um im Geiste der Kirche als Familie gemischte Studiengruppen ins Leben zu rufen als Zeugnis der Brüderlichkeit und Zeichen der Einheit im Dienst der gemeinsamen Sendung. <551> <552> Im Hinblick darauf habe ich auch die Einladung der Synodenväter angenommen, wenn nötig, einige Punkte des Dokuments Mutuae rel.ationes]?n für eine bessere Definition der Rolle des Ordenslebens in der Ortskirche zu überprüfen. <553> <550> pr0p0siji0 16. <551> Vgl. Propositio 22. <552> Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe, Grundsätze und Richtlinien für die Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche Mutuae relationes (14. Mai 1978): AAS70( 1978)473-506. <553> Vgl. Propositio 22. 1120 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Künftige Priester 95. „Mehr denn je - so versicherten die Synodenväter - wird man heute dafür Sorge tragen müssen, die künftigen Priester zu den echten kulturellen Werten der jeweiligen Länder zu erziehen, zum Sinn für Ehrlichkeit, Verantwortung und Treue zum gegebenen Wort. Sie sollen dahingehend ausgebildet werden, daß sie die Eigenschaften von Repräsentanten Christi, von echten Dienern und Animatoren christlicher Gemeinden aufweisen (...), daß sie geistlich gefestigte Priester sind, verfügbar, der Sache des Evangeliums ergeben, fähig, das Vermögen der Kirche transparent zu verwalten und ein einfaches, ihrer Umgebung entsprechendes Leben zu führen“. <554> Bei aller Achtung vor den eigenen Traditionen der orientalischen Kirchen sollen die Seminaristen so ausgebildet werden, „daß sie eine echte affektive Reife erwerben, klare Vorstellungen haben und zutiefst davon überzeugt sind, daß Zölibat und Keuschheit des Priesters untrennbar zusammengehören“. <555> Außerdem „sollen sie eine entsprechende Ausbildung darüber erhalten, welchen Sinn und Platz die Weihe an Christus im Priestertum hat“. <556> <554> Propositio 18. <555> Ebd. <556> Ebd. Diakone 96. Dort, wo auf Grund der pastoralen Situation Wertschätzung und Verständnis für dieses alte Amt in der Kirche gegeben sind, sollen die Bischofskonferenzen und -Versammlungen die zweckmäßigsten Mittel erwägen, um den ständigen Diakonat „als Dienstamt und auch als Mittel der Evangelisierung“ <557> zu fördern und zu ermutigen. Und dort, wo es bereits Diakone gibt, muß man sich bemühen, ihnen eine organische und vollständige Fortbildung zu bieten. <557> Propositio 17. Priester 97. Mit großer Dankbarkeit an alle Priester - Welt- und Ordenspriester - für die von ihnen geleistete apostolische Arbeit und im Wissen um die Erfordernisse, die von der Evangelisierung der Völker Afrikas und Madagaskars gestellt sind, hat die Synodenversammlung sie ermahnt, „in totaler Selbsthingabe an die Sendung und in voller Gemeinschaft mit ihrem Bischof die Treue zu ihrer Berufung“ zu leben. <558> Aufgabe der Bischöfe wird es sein, sich der ständigen Weiterbildung der Priester, vor allem in deren ersten Amtsjahren, anzunehmen <559> <560> und ihnen insbe- <558> Propositio 20. <559> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), Nm. 70-77: A4S84(1992)778-796; Propositio 20. 1121 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sondere zu helfen, den Sinn des heiligen Zölibats zu vertiefen und in seiner treuen Befolgung auszuhalten „in der Erkenntnis der hohen Gnadengabe, die ihnen vom Vater gegeben wurde und die der Herr so offenkundig gepriesen hat. Sie sollen dabei immer jene Geheimnisse vor Augen haben, die durch sie bezeichnet werden und ihre Erfüllung finden“. <561> Aufmerksamkeit muß bei diesem Ausbildungsgang auch den gesunden Werten des Lebensumfeldes der Priester gelten. Darüber hinaus ist es gut daran zu erinnern, daß das II. Vatikanische Konzil unter den Priestern zu „einem gemeinsamen Leben“ ermuntert hat, d. h. einer Art der Lebensgemeinschaft in den verschiedenen, durch die konkreten persönlichen und pastoralen Bedürfnisse bedingten Formen. Dies soll dazu beitragen, das geistliche und intellektuelle Leben, die apostolische und pastorale Arbeit, die Wohltätigkeit und die Sorge füreinander, besonders den alten, kranken und in Schwierigkeiten befindlichen Priestern gegenüber zu fördern. <562> A4S84(1992)778-796; Propositio 20. <562> II. Vat. Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyteorum ordinis, Nr. 16. 196 Ebd., Nr. 8. Bischöfe 98. Die Bischöfe selbst werden in Erfüllung der Aufgabe, die ihnen vom Heiligen Geist übertragen ist, als Hirten für die Kirche sorgen, die Gott sich durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat (vgl. Apg 20,28). In dem Bemühen, sich entsprechend der Konzilsempfehlung „ihrer apostolischen Aufgabe als Zeugen Christi vor allen Menschen zuzuwenden“, <563> sollen sie persönlich in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Priestern und mit den anderen in der Seelsorge tätigen Personen den unersetzlichen Dienst der Einheit in der Liebe ausüben, indem sie sorgsam die Aufgaben der Lehre, der Heiligung und der pastoralen Führung wahrnehmen. Außerdem sollen sie nicht versäumen, für die Vertiefung ihrer theologischen Bildung und für die Stärkung ihres geistlichen Lebens zu sorgen, indem sie nach Möglichkeit an den von den Bischofskonferenzen oder vom Apostolischen Stuhl veranstalteten Fortbildungstagungen teilnehmen. <564> Sie sollen insbesondere nie die Mahnung des hl. Gregor des Großen vergessen, wonach der Hirte vor allem durch ein vorbildliches und von Heiligkeit geprägtes sittliches Verhalten ein Licht für seine Gläubigen ist. <565> <563> II. Vat. Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus, Nr. 11. <564> Vgl. Propositio 21. <565> Vgl. Epistolarum Uber, VIII, 33: PL 11, 935. II. Strukturen der Evangelisierung 99. Es ist Anlaß zu Freude und Trost festzustellen, daß „die gläubigen Laien mehr und mehr an der Sendung der Kirche in Afrika und Madagaskar teilnehmen“; das 1122 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beruht besonders „auf der Dynamik der Bewegungen der Katholischen Aktion, der Apostolatsvereinigungen und der neuen Bewegungen für Spiritualität“. Die Synodenväter haben den inständigen Wunsch ausgesprochen, daß „dieser Schwung anhalten und sich bei den Laien auf allen Ebenen entfalten möge, bei den Erwachsenen, bei den Jugendlichen und selbst bei den Kindern“. <566> <566> Propositio 23; vgl. Relatio ante disceptationem (11. April 1994), Nr. 11: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. Pfarreien 100. Die Pfarrei ist ihrer Natur nach der übliche Lebens- und Kultraum der Gläubigen. Dort können sie die Initiativen zum Ausdruck bringen und verwirklichen, die der christliche Glaube und die christliche Liebe der Gemeinschaft der Gläubigen nahelegen. Die Pfarrei ist der Ort, wo das Miteinander der verschiedenen Gruppen und Bewegungen in Erscheinung tritt, die hier geistlichen Beistand und materielle Hilfe finden. Priester und Laien müssen alle Mühe darauf verwenden, daß das Leben der Pfarrei harmonisch ist, in einer Kirche als Familie, in der alle „an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42) festhalten. Bewegungen und Vereinigungen 101. Der brüderliche Zusammenschluß um eines lebendigen Zeugnisses des Evangeliums willen soll auch die Zielsetzung der apostolischen Bewegungen und der Vereinigungen religiösen Charakters sein. In der Tat finden die gläubigen Laien dort eine vorzügliche Gelegenheit, um Sauerteig sein zu können (vgl. Mt 13,33), besonders was die gottgemäße Verwaltung der zeitlichen Angelegenheiten und den Kampf zur Förderung von Menschenwürde, Gerechtigkeit und Frieden betrifft. Schulen 102. „Die katholischen Schulen sind zu-Oeich Orte der Evangelisierung, der ganzheitlichen Erziehung, der Inkulturation und des Erlemens eines wichtigen Dialogs zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Religionen und sozialer Schichten“. <567> Die Kirche in Afrika und in Madagaskar soll deswegen im Rahmen der katholischen Schule ihren Beitrag zur Förderung der „Schule für alle“ <568> anbieten, ohne aber dabei „die christliche Erziehung der Schüler der nicht-katholischen Schulen zu vernachlässigen. Was die Universitätsstudenten betrifft, so soll ihnen ein religiöses Bildungsprogramm angeboten werden, das ihrem Studienniveau ent- <567> Propositio 24. <568> Ebd. 1123 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN spricht“. <569> Das alles setzt natürlich die menschliche, kulturelle und religiöse Vorbereitung der Erzieher selber voraus. <569> Ebd. Universitäten und Hochschulen 103. „Die katholischen Universitäten und Hochschulen in Afrika spielen eine wichtige Rolle bei der Verkündigung des heilbringenden Gotteswortes. Sie sind ein Zeichen für das Wachstum der Kirche, weil sie in ihre Forschungen die Wahrheiten und Erfahrungen des Glaubens einbeziehen und sie zu verinnerlichen helfen. Diese Studienzentren dienen somit der Kirche, indem sie sie mit gut ausgebildetem Personal versorgen; wichtige theologische und soziale Fragen erforschen; die afrikanische Theologie entwickeln; die Inkulturationsarbeit besonders in der liturgischen Feier fördern; Bücher publizieren und das katholische Gedankengut verbreiten; die ihnen von den Bischöfen aufgetragenen Untersuchungen vornehmen und zu einer wissenschaftlichen Erforschung der Kulturen beitragen“. <570> <570> Propositio 25. In dieser Zeit allgemeiner gesellschaftlicher Umwälzungen auf dem ganzen Kontinent vermag der christliche Glaube die afrikanische Gesellschaft wirksam zu erleuchten. „Die katholischen Kulturzentren bieten der Kirche einzigartige Möglichkeiten für ihre Präsenz und Wirksamkeit auf dem Gebiet der kulturellen Veränderungen. Sie stellen in der Tat öffentliche Foren dar, die durch den kreativen Dialog die weitreichende Verbreitung der christlichen Anschauungen über den Menschen, die Familie, die Arbeit, die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Politik, über das internationale Leben und über die Umwelt ermöglichen“. <571> Sie sind so Stätten des Anhörens, der Achtung und der Toleranz. <571> pr0pOSitio 26. Materielle Mittel 104. Gerade in dieser Hinsicht haben die Synodenväter es als notwendig hervorgehoben, daß jede christliche Gemeinde in die Lage versetzt werde, soweit als möglich allein für ihre Bedürfnisse zu sorgen. <572> Die Evangelisierung erfordert außer qualifiziertem Personal beachtliche materielle und finanzielle Mittel, und die Diözesen verfügen sehr oft keineswegs in ausreichendem Maße über solche Mittel. Es ist also dringend geboten, daß sich die Teilkirchen Afrikas zum Ziel setzen, sobald als möglich selbst für ihre Bedürfnisse aufzukommen und auf diese Weise ihre Unabhängigkeit sicherzustellen. Ich fordere daher die Bischofskonferenzen, die Diözesen und alle christlichen Gemeinden der Kirchen des Kontinents dringend auf, sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit darum zu bemühen, daß diese Unabhän- <572> Vgl. n. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 15. 1124 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gigkeit immer mehr Wirklichkeit werde. Gleichzeitig appelliere ich an die Schwesterkirchen der Welt, die Päpstlichen Missionswerke großzügiger zu unterstützen, so daß sie durch ihre Hilfseinrichtungen den bedürftigen Diözesen wirtschaftliche Hilfe gewähren können, die für Investitionsvorhaben bestimmt sind und Möglichkeiten für eine fortschreitende Eigenfinanzierung schaffen können. <573> Man darf allerdings nicht vergessen, daß eine Kirche nur dann zur materiellen und finanziellen Unabhängigkeit gelangen kann, wenn das ihr anvertraute Volk nicht unter äußersten Armutsbedingungen zu leiden hat. <573> Vgl. Propositio 27. VI. Kapitel Das Reich Gottes aufbauen Das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens 105. Der Auftrag, den Jesus den Jüngern unmittelbar vor seiner Himmelfahrt erteilt hat, ist an die Kirche Gottes aller Zeiten und an allen Orten gerichtet. Die Kirche als Familie Gottes in Afrika muß auch durch die Förderung von Gerechtigkeit und Frieden auf dem Kontinent und in der ganzen Welt Zeugnis geben von Christus. „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,9-10), sagt der Herr. Das Zeugnis der Kirche muß von dem entschlossenen Einsatz jedes Gliedes des Volkes Gottes für Gerechtigkeit und Solidarität begleitet sein. Das gilt ganz besonders für die Laien, die öffentliche Ämter bekleiden, weil dieses Zeugnis eine stetige geistliche Haltung und einen Lebensstil erfordert, der im Einklang mit dem christlichen Glauben steht. Die kirchliche Dimension des Zeugnisses 106. Unter Betonung der kirchlichen Dimension dieses Zeugnisses erklärten die Synodenväter feierlich: „Die Kirche wird weiterhin ihre prophetische Rolle erfüllen und die Stimme derer sein, die keine Stimme haben“. <574> <574> Propositio 45. Um das aber wirksam in die Tat umzusetzen, muß die Kirche als Glaubensgemeinschaft auch in ihren eigenen Strukturen und in den Beziehungen ihrer Mitglieder untereinander ein unbeugsamer Zeuge der Gerechtigkeit und des Friedens sein. Die Botschaft der Synode erklärt mutig: „Die afrikanischen Kirchen haben auch zugegeben, daß in ihrem Bereich gegenüber denen, die in ihrem Dienst stehen, nicht immer die Gerechtigkeit geachtet wird. Die Kirche muß Zeuge der Gerechtigkeit sein und anerkennt deshalb, daß jeder, der es wagt, zu den Menschen von Gerechtigkeit zu sprechen, sich selbst bemühen muß, in deren Augen gerecht zu 1125 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sein. Daher müssen die Vorgehensweisen, die Güter und der Lebensstil der Kirche sorgfältig überprüft werden“. <575> <575> Nr. 43: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. Was die Förderung der Gerechtigkeit und insbesondere die Verteidigung der menschlichen Grundrechte betrifft, darf das Apostolat der Kirche nicht der Improvisation überlassen bleiben. Angesichts der Tatsache, daß in zahlreichen Ländern Afrikas offenkundige Verletzungen der Würde und der Rechte des Menschen begangen werden, ersuche ich die Bischofskonferenzen, überall dort, wo es noch keine gibt, Kommissionen für „Gerechtigkeit und Frieden“ einzurichten, und zwar auf den verschiedenen Ebenen. Sie sollen die Christengemeinden empfänglich machen für die ihnen aus dem Evangelium erwachsenden Verantwortlichkeiten bezüglich der Verteidigung der Menschenrechte. <576> <576> Vgl. Propositio 46. 107. Wenn die Verkündigung der Gerechtigkeit und des Friedens wesentlicher Bestandteil der Evangelisierungsaufgabe ist, folgt daraus, daß die Förderung dieser Werte gleichfalls zum Pastoralprogramm jeder christlichen Gemeinde gehören muß. Deshalb bestehe ich auf der Notwendigkeit, alle in der Seelsorge tätigen Personen für dieses Apostolat entsprechend auszubilden: „Die Ausbildung, die dem Klerus, den Ordensleuten und den Laien in den jeweiligen Bereichen ihres Apostolats zuteil wird, muß besonderes Gewicht auf die Soziallehre der Kirche legen. Jeder muß sich, seinem Lebensstand entsprechend, seiner Rechte und seiner Pflichten bewußt werden, den Sinn und den Dienst für das Gemeinwohl sowie die Kriterien einer anständigen Verwaltung der öffentlichen Güter und einer einwandfreien Präsenz im politischen Leben erlernen, um so angesichts der sozialen Ungerechtigkeiten glaubwürdig eingreifen zu können“. <577> <577> Propositio 47. Als organisierter Körper innerhalb der Gemeinde und der Nation hat die Kirche das Recht und die Pflicht, sich am Aufbau einer gerechten und friedlichen Gesellschaft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln voll zu beteiligen. Zu erwähnen ist hier ihr Apostolat in den Bereichen der Erziehung, des Gesundheitswesens, der sozialen Sensibilisierung und anderer Hilfsprogramme. In dem Maße, in dem die Kirche mit diesen ihren Aktivitäten zum Abbau der Unwissenheit, zur Verbesserung der öffentlichen Wohlfahrt und Gesundheit und zur Förderung einer stärkeren Beteiligung aller an den Problemen der Gesellschaft im Geiste der Freiheit und Mitverantwortung beiträgt, schafft sie die Bedingungen für den Fortschritt von Gerechtigkeit und Frieden. Das Salz der Erde 108. In der pluralistischen Gesellschaft unserer Tage ist es vor allem dem Engagement der Katholiken im öffentlichen Leben zu verdanken, daß die Kirche einen 1126 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirksamen Einfluß auszuüben vermag. Von den Katholiken - ob es sich um freiberuflich tätige Akademiker oder Lehrer, Geschäftsleute oder Angestellte, Polizeibeamte oder Politiker handelt - erwartet man sich, daß sie in ihrer alltäglichen Arbeit ein Zeugnis von Güte, Wahrheit, Gerechtigkeit und Gotteshebe ablegen. „Rolle des gläubigen Laien ist es (...), im alltäglichen Leben Salz der Erde und Licht der Welt zu sein (...), besonders überall dort, wo nur er eingreifen kann“. <578> <578> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 57: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 6. Mit den Andersgläubigen Zusammenarbeiten 109. Die Verpflichtung, sich für die Entwicklung der Völker einzusetzen, ist keine rein individuelle und noch weniger eine individualistische Pflicht, als ob es möglich wäre, sie mit den isolierten Anstrengungen eines jeden zu erfüllen. Es ist eine Pflicht für jeden Mann und jede Frau sowie für die Gesellschaften und die Nationen; im besonderen ist sie ein Imperativ für die katholische Kirche und für die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, mit denen die Katholiken zur Zusammenarbeit auf diesem Gebiet bereit sind. <579> Wie die Katholiken die christlichen Brüder und Schwestern einladen, sich an ihren Initiativen zu beteiligen, so nehmen sie die an sie gerichteten Einladungen an und erklären sich in diesem Sinne bereit, an deren Vorhaben mitzuarbeiten. Um die ganzheitliche Entwicklung des Menschen zu fördern, können die Katholiken vieles auch zusammen mit den Gläubigen der anderen Religionen vollbringen, wie sie dies übrigens bereits an verschiedenen Orten tun. <580> <579> ygi Johannes Paul IL, Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995), Nr. 40: L'Osservatore Romano, 31. Mai 1995, S.4. <580> Vgl. Johannes Paul n., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 32: AA5'80(1988)556. Eine gute Führung und Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten 110. Die Synodenväter erkannten übereinstimmend an, daß die größte Herausforderung, um die Gerechtigkeit und den Frieden in Afrika zu verwirklichen, darin besteht, die öffentlichen Angelegenheiten in den beiden miteinander verquickten Bereichen, der Politik und der Wirtschaft, gut zu führen und zu verwalten. Manche Probleme haben ihren Ursprung außerhalb des Kontinents und unterstehen deshalb nicht zur Gänze der Kontrolle der nationalen Regierungen und Führer. Die Synode hat aber zugegeben, daß viele Problematiken des Kontinents die Folge eines häufig von Korruption durchsetzten Regierungsstils sind. Ein kräftiges Aufrütteln der Gewissen, verbunden mit einem starken Willensentschluß, ist notwendig, um jene Lösungen zu verwirklichen, für die nunmehr kein Aufschub mehr möglich ist. 1127 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Nation aufbauen 111. Im politischen Bereich stößt der schwierige Prozeß des Aufbaus nationaler Einheiten auf dem afrikanischen Kontinent auf besondere Hindernisse, da es sich beim Großteil der Staaten um relativ junge politische Gebilde handelt. Tiefgreifende Unterschiede in Einklang zu bringen, alte ethnisch bedingte Feindschaften zu überwinden und sich in eine Weltordnung zu integrieren erfordert große Geschicklichkeit in der Kunst des Regierens. Darum hat die Synodenversammlung ein inständiges Gebet an den Herrn gerichtet, daß in Afrika heiligmäßige Politiker - Männer und Frauen - erstehen mögen; daß es heilige Staatsoberhäupter geben möge, die das eigene Volk bis zum äußersten lieben und lieber dienen wollen als sich zu bedienen“. <581> <581> Vgl. Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 35: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. Der Weg des Rechtes 112. Die Fundamente einer guten Regierung müssen auf der soliden Basis der Gesetze stehen, die die Rechte schützen und die Pflichten der Bürger definieren. <582> Ich muß mit großer Trauer feststellen, daß nicht wenige afrikanische Nationen noch immer unter autoritären und Gewaltregimen zu leiden haben, die ihren Staatsbürgern die persönliche Freiheit und die menschlichen Grundrechte verweigern, im besonderen die Freiheit zu Vereinsbildung und zu politischer Äußerung und das Recht, durch freie und reguläre Wahlen ihre Regierenden zu wählen. Solche politischen Ungerechtigkeiten rufen Spannungen hervor, die häufig in bewaffnete Konflikte und in Kriege im Innern ausarten und schwere Konsequenzen nach sich ziehen wie Hungersnöte, Ausbrüche von Seuchen, Zerstörungen, ganz zu schweigen von Vernichtungen und vom Skandal und der Tragödie der Flüchtlinge. Aus diesem Grund hat die Synode zu Recht versichert, daß eine authentische Demokratie unter Achtung des Pluralismus „einer der wichtigsten Wege (ist), den Kirche und Volk gemeinsam gehen (...). Der in den demokratischen Auseinandersetzungen im Geist des Evangeliums engagierte christliche Faie ist das Zeichen einer Kirche, die dazu dasein will und dazu da ist, um in ganz Afrika einen Rechtsstaat aufzubauen“. <583> <582> Vgl. Propositio 56. <583> Vgl. Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 34: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. Das gemeinsame Vermögen verwalten 113. Außerdem appelliert die Synode an die afrikanischen Regierungen, eine geeignete Politik zu betreiben, um das Wirtschaftswachstum und die Investionen im Hinblick auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu fördern. <584> Das beinhaltet die <584> Vgl. Propositio 54. 1128 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pflicht, eine gesunde Wirtschaftspolitik zu verfolgen und einwandfreie Prioritäten für die Ausnutzung und Verteilung der bisweilen spärlichen Mittel zu setzen und anzuwenden, um für die Grundbedürfnisse der Menschen zu sorgen sowie eine ehrliche und gerechte Verteilung der Vergünstigungen und der Lasten sicherzustellen. Die Regierungen haben insbesondere die unabdingbare Pflicht, das gemeinsame Vermögen gegen jede Form von Verschwendung und widerrechtlicher Aneignung durch Staatsbürger ohne jeden Gemeinsinn oder durch skrupellose Ausländer zu schützen. Den Regierungen obliegt es auch, geeignete Initiativen zu ergreifen, um die internationalen Handelsbedingungen zu verbessern. Verschärft wurden die wirtschaftlichen Probleme Afrikas durch die Unredlichkeit mancher korrupter Regierender, die in stillem Einverständnis mit lokalen oder ausländischen Privatinteressen die nationalen Ressourcen zu ihrem Vorteil stornieren, indem sie öffentliche Gelder auf Privatkonten bei ausländischen Banken transferieren. Hier handelt es sich wirklich um Diebstahl im eigentlichen Sinn, welche gesetzliche Deckung auch immer gegeben sein mag. Ich wünsche mir sehr, daß die internationalen Organismen und integre Personen afrikanischer und anderer Länder der Welt geeignete Rechtsmittel bereitstellen mögen, um das unrechtmäßig unterschlagene Kapital wieder zurückfließen zu lassen. Auch bei der Gewährung von Krediten ist es wichtig, sich bezüglich Verantwortlichkeit und Transparenz der Empfänger zu vergewissern. <585> <585> Vgl. ebd. Die internationale Dimension 114. Als Bischofsversammlung der Universalkirche unter dem Vorsitz des Nachfolgers Petri war die Synode eine willkommene Gelegenheit, um den Platz und die Rolle Afrikas im Rahmen der Gesamtkirche und der Weltgemeinschaft positiv zu bewerten. Dadurch, daß wir in der die Welt, in der wir leben, immer mehr voneinander abhängen, sind das Schicksal und die Probleme der verschiedenen Regionen miteinander verbunden. Die Kirche als Familie Gottes auf Erden muß lebendiges Zeichen und wirksames Werkzeug der weltweiten Solidarität im Hinblick auf den Aufbau einer Gemeinschaft der Gerechtigkeit und des Friedens von planetarischen Dimensionen sein. Eine bessere Welt wird nur dann erstehen, wenn sie auf den festen Fundamenten gesunder ethischer und geistlicher Grundsätze errichtet wird. In der gegenwärtigen Weltlage gehören die afrikanischen zu den am meisten benachteiligten Nationen. Die reichen Länder müssen sich ganz klar ihrer Verpflichtung zur Unterstützung der Anstrengungen der Länder bewußt werden, die darum kämpfen, aus Armut und Elend herauszufinden. Im übrigen liegt es im eigenen Interesse der reichen Nationen, sich für den Weg der Solidarität zu entscheiden, denn nur auf diese Weise können der Menschheit dauerhaft Friede und Eintracht gewährleistet werden. Sodann darf die Kirche in den entwickelten Ländern nicht 1129 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die zusätzliche Verantwortung übersehen, die ihr aus der christlichen Aufgabe für Gerechtigkeit und Nächstenliebe erwächst: weil alle, Männer und Frauen, das Abbild Gottes in sich tragen und berufen sind, zu derselben durch Christi Blut erlösten Familie zu gehören, muß für jeden ein gerechter Zugang zu den Ressourcen der Erde verbürgt sein, die Gott allen zur Verfügung gestellt hat. <586> Die zahlreichen praktischen Implikationen, die eine solche Aufgabe mit sich bringt, lassen sich unschwer erahnen. Es gilt zunächst, sich dadurch für bessere soziale und politische Beziehungen zwischen den Nationen einzusetzen, daß für diejenigen unter ihnen, die nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit erst vor kurzer Zeit in die internationale Gemeinschaft eingetreten sind, gerechtere und würdigere Verhältnisse sichergestellt werden. Sodann muß mit innerer Anteilnahme dem Angstschrei der armen Nationen Gehör geschenkt werden, die auf besonders wichtigen Gebieten um Hilfe bitten: die Unterernährung, die allgemeine Verschlechterung der Lebensqualität, unzureichende Mittel für die Ausbildung der jungen Menschen, das Fehlen der elementaren Dienste bei der medizinischen und sozialen Versorgung mit der Konsequenz des Anhaltens endemischer Krankheiten, die Ausbreitung der entsetzlichen Geißel AIDS, die drückende und bisweilen untragbare Last der internationalen Verschuldung, der Schrecken der von einem skrupellosen Waffenhandel genährten Bruderkriege, das beschämende und beklagenswerte Drama der Flüchtlinge und Vertriebenen. Das sind einige Bereiche, bei denen sofortiges Eingreifen notwendig ist, das opportun bleibt, auch wenn es aus der Gesamtsicht der Probleme unzulänglich zu sein scheint. <586> Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967): A4.S'59( 1967)257-299; Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987): AAS80(1988)513-586, Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991): AAS83(1991)793-867; Propositio 52. I. Bereiche, die zu Besorgnis Anlaß geben Der Jugend die Hoffnung wiedergeben 115. Die Situation wirtschaftlicher Armut hat eine besonders negative Auswirkung auf die jungen Menschen. Auf Grund einer von zahlreichen Frustrationen gezeichneten Gegenwart treten sie mit wenig Enthusiasmus in das Erwachsenenleben ein und blicken mit noch geringerer Hoffnung in die Zukunft, die ihnen traurig und düster erscheint. Deshalb trachten sie, aus den vernachlässigten ländlichen Gebieten zu fliehen und scharen sich in den Städten zusammen, die ihnen im Grund nicht viel Besseres zu bieten haben. Viele von ihnen gehen ins Ausland gleichsam wie ins Exil, wo sie ein prekäres Dasein als Wirtschaftsflüchtlinge führen. Ich halte es für meine Pflicht, das Anliegen dieser jungen Menschen zu vertreten: es ist notwendig und dringend geboten, eine Lösung für ihr ungeduldiges Verlangen zu finden, am Leben der Nation und der Kirche teilzunehmen. <587> <587> Vgi Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 63: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 6. 1130 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gleichzeitig jedoch möchte ich zusammen mit den Synodenvätem auch an die Jugendlichen selbst einen Aufruf richten: Liebe junge Menschen: die Synode trägt euch auf, euch für die Entwicklung eurer Nationen einzusetzen, die Kultur eures Volkes zu lieben und euch für ihre Revitalisierung zu verwenden in Treue zu eurem kulturellen Erbe, durch die Schärfung des wissenschaftlichen und technischen Geistes und vor allem durch das Zeugnis des christlichen Glaubens. <588> <588> Vgl. ebd. Die Geißel AIDS 116. Vor diesem Hintergrund allgemeiner Armut und unzulänglicher Gesundheitsdienste befaßte sich die Synode mit AIDS, jener tragischen Geißel, die in zahlreichen Zonen Afrikas Schmerz und Tod sät. Die Synode stellte fest, welche Rolle unverantwortliches sexuelles Verhalten bei der Verbreitung jener Krankheit spielt, und formulierte folgende entschlossene Empfehlung: „Das Gefühl, die Freude, das Glück und der Friede, wie sie die christliche Ehe und die Treue erzeugen, sowie die von der Keuschheit gewährte Sicherheit müssen den Gläubigen, vor allem den Jugendlichen, ständig vor Augen geführt werden“. <589> <589> Propositio 51. Der Kampf gegen AIDS muß von allen aufgenommen werden. Ich stimme den Synodenvätem bei und ersuche gleichfalls alle in der Seelsorge tätigen Personen, den von AIDS befallenen Brüdern und Schwestern jede nur mögliche materielle Unterstützung und jeden moralischen und geistlichen Trost zu spenden. Die Wissenschaftler und die verantwortlichen Politiker in aller Welt bitte ich sehr eindringlich, aus der jeder menschlichen Person geschuldeten Liebe und Achtung nicht mit den Mitteln zu sparen, die imstande sind, dieser Geißel ein Ende zu setzen. „Schmiedet Pflugscharen aus den Schwertern!“ (vgl. Jes 2,4): nie wieder Krieg! 117. Die Tragödie der Kriege, die Afrika zerfleischen, wurde von den Synodenvätem mit scharfen Worten beschrieben: „Seit mehreren Jahrzehnten ist Afrika Schauplatz von Bruderkriegen, die die Bevölkerung dezimieren und ihre Natur-und Kulturschätze zerstören“. <590> Das so schmerzliche Phänomen hat neben Ursachen außerhalb Afrikas auch interne Ursachen, wie „Tribalismus, Nepotismus, Rassismus, religiöse Intoleranz, der Machthunger, der sich in den die Rechte und die Würde des Menschen straflos verhöhnenden totalitären Regimen bis zum Äußersten steigert. Die mißachtete und zum Schweigen gebrachte Bevölkemng er- <590> Propositio 45. 1131 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN duldet als unschuldige und sich ergebende Opfer alle diese Unrechtssituationen“. <591> <591> Ebd. Ich kann nicht anders, als mich mit meiner Stimme jenen Mitgliedern der Synodenversammlung anzuschließen und die Zustände unsagbaren Leides zu beklagen, die von den vielen bereits im Gang befindlichen oder potentiellen Konflikten hervorgerufen werden, sowie alle, die die Möglichkeit dazu haben, zu bitten, sich mit allen Kräften für die Beendigung solcher Tragödien einzusetzen. Darüber hinaus fordere ich zusammen mit den Synodenvätem zu aktivem Einsatz auf, daß auf dem Kontinent Verhältnisse von größerer sozialer Gerechtigkeit und gerechterer Machtausübung gefördert werden, um so den Boden für den Frieden zu bereiten. „Wenn du den Frieden willst, arbeite für die Gerechtigkeit“. <592> Es ist besser - und auch leichter -, den Kriegen eher zuvorzukommen als zu versuchen, sie anzuhalten, wenn sie einmal ausgebrochen sind. Es ist an der Zeit, daß die Völker ihre Schwerter zerbrechen, um aus ihnen Pflugscharen zu schmieden, und ihre Lanzen, um aus ihnen Winzermesser zu machen (vgl. Jes 2,4). <592> paüi VT., Ansprache an die „Sladt der Kinder“ anläßlich des V. Weltfriedenstages (1. Januar 1972): A4S64(1972)44. 118. Bei der Suche nach Verhandlungslösungen für die in zahlreichen Zonen des Erdteils aus gebrochenen bewaffneten Konflikte hat die Kirche in Afrika - besonders durch einige ihrer Verantwortlichen - in vorderster Linie gestanden. Diese Befriedungsmission muß weitergehen und sich von der Verheißung des Herrn in den Seligpreisungen ermutigen lassen: „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ {Mt 5,9). Diejenigen, die durch den Waffenhandel die Kriege in Afrika anfachen, sind Komplizen abscheulicher Verbrechen gegen die Menschheit. In diesem Zusammenhang mache ich mir die Empfehlungen der Synode zu eigen, die, nachdem sie erklärt hatte: „Der Waffenhandel, der Tod sät, ist ein Skandal“, an alle Länder, die Waffen an Afrika verkaufen, mit der flehentlichen Bitte appellierte, „diesen Handel einzustellen“, und die afrikanischen Regierungen ersuchte, „auf die übermäßigen Militärausgaben zu verzichten, um mehr Mittel für die Erziehung, das Gesundheitswesen und den Wohlstand ihrer Völker aufzuwenden“. <593> Afrika muß weiter nach friedlichen und wirksamen Mitteln suchen, damit die Militärregime die Macht an Zivilregierungen übergeben. Ebenso stimmt es freilich, daß die Militärs zu ihrer besonderen Rolle im Land berufen sind. Deshalb lobt die Synode „unsere Brüder, die Soldaten, für den Dienst, den sie im Namen unserer Nationen verrichten“, <594> um sie aber sofort ausdrücklich daran zu erinnern, daß <593> Propositio 49. <594> Botschaft der Synode (6. Mai 1994), Nr. 35: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. 1132 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „sie jede Gewalttat gegen unschuldige Menschenleben unmittelbar vor Gott werden verantworten müssen“. <595> <595> Ebd. Flüchtlinge und Vertriebene 119. Eine der bittersten Folgen der Kriege und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist das traurige Phänomen der Flüchtlinge und Vertriebenen, eine Erscheinung, die, wie die Synode ausführt, tragische Dimensionen erreicht hat. Die ideale Fö-sung besteht in der Wiederherstellung eines gerechten Friedens, in der Versöhnung und in der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist daher dringend notwendig, daß die nationalen, regionalen und internationalen Organisationen die Probleme der Flüchtlinge und Vertriebenen auf gerechte und dauerhafte Weise lösen. <596> Da der Kontinent jedoch weiter unter der Massenwanderung von Flüchtlingen leidet, erlasse ich unterdessen einen dringenden Appell, damit diesen Menschen überall, wo sie sich befinden, in Afrika oder auf anderen Kontinenten, materielle Hilfe gewährt und pastoraler Beistand geleistet werde. <596> Propositio 53. Die Last der internationalen Verschuldung 120. Die Frage der Verschuldung der armen Nationen gegenüber den reichen bereitet der Kirche große Sorgen, wie sich aus zahlreichen offiziellen Dokumenten und vielen Interventionen des Heiligen Stuhls bei verschiedenen Anlässen ergibt <597> 233 Vgl. H. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 86; Paul VI., Enzyklika Popidormn progressio (26. März 1967), Nr. 54: ^4559(1967)283-284; Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 19: AAS80(1988)534-536; Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), Nm. 836-838; Apost. Schreiben Tertio millenio adveniente (10. November 1994) Nr. 51: AAS87(1995)36, in dem „eine erhebliche Reduzierung, wenn nicht überhaupt der totale Erlaß der internationalen Schulden, die auf dem Schicksal vieler Nationen lasten“, als angemessene Initiative im Hinblick auf das große Jubiläumsjahr 2000 vorgeschlagen wird; Päpstliche Kommission Justitia et Pax“, Dokument Im Dienste der menschlichen Gemeinschaft: ein ethischer Ansatz zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise (27. Dezember 1986), Vatikanstadt 1986. Wenn ich jetzt die Worte der Synodenväter aufgreife, halte ich es zuallererst für meine Pflicht, „die Staatsoberhäupter und ihre Regierungen in Afrika“ zu ermahnen, „das Volk nicht mit inneren und äußeren Schulden zu erdrücken“. <598> Sodann richte ich einen dringenden Appell „an den Internationalen Währungsfonds, an die Weltbank sowie an alle Gläubiger, sie mögen die die afrikanischen Nationen erdrückende Schuldenlast erleichtern“. <599> Schließlich ersuche ich eindringlich „die Bischofskonferenzen der Industrieländer, sich bei ihren Regierungen und anderen <598> Propositio 49. <599> Ebd. 1133 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN interessierten Stellen zu Anwälten für diese Sache zu machen“. <600> Die Lage zahlreicher afrikanischer Länder ist so dramatisch, daß Verhaltensweisen der Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit nicht möglich sind. <600> Ebd. Würde der afrikanischen Frau 121. Eines der typischen Merkmale unserer Zeit ist das wachsende Bewußtsein für die Würde der Frau und ihre spezifische Rolle in der Kirche und in der Gesellschaft im allgemeinen. „Gott schuf den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Ich habe selbst wiederholt die fundamentale Gleichheit und die bereichernde gegenseitige Ergänzung angeführt, die zwischen Mann und Frau besteht. <601> Die Synode hat diese Prinzipien auf die Lage der Frauen in Afrika angewandt. Ihre Rechte und Pflichten in bezug auf den Aufbau der Familie und die volle Beteiligung an der Entwicklung der Kirche und der Gesellschaft wurden nachdrücklich unterstrichen. Was speziell die Kirche angeht, so ist es opportun, daß die in adäquater Weise ausgebildeten Frauen auf den geeigneten Ebenen an der apostolischen Tätigkeit der Kirche beteiligt werden. <601> Vgl. Apostol. Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), Nm. 6-9: AAS'SOf 1988) 1662-1670; Brief an die Frauen (29. Juni 1995), Nr. 7: L'Osservatore Romano, 10.-11. Juli 1995, S. 5. Die Kirche beklagt und verurteilt, sofern sie in verschiedenen afrikanischen Gesellschaften noch vorhanden sind, alle „Gepflogenheiten und Praktiken, die die Frauen ihrer Rechte und der ihnen gebührenden Achtung berauben“. <602> Es ist überaus wünschenswert, daß die Bischofskonferenzen Sonderkommissionen ins Leben rufen, um, wo es möglich ist, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Re-gierungsbehören die Probleme der Frau gründlicher zu studieren. <603> 236 Propositio 48. <603> Vgl .ebd. II. Die Frohbotschaft bekannt machen Christus folgen, dem Verkünder im wahrsten Sinne des Wortes 122. Zum Thema soziale Kommunikation im Bereich der Evangelisierung Afrikas hatte die Synode viel zu sagen, wobei sie klar die gegenwärtigen Verhältnisse vor Augen hatte. Der theologische Ausgangspunkt ist Christus, der Verkünder im wahrsten Sinne des Wortes, der denen, die an ihn glauben, die Wahrheit, das Leben und die Liebe mitteilt, die er mit dem himmlischen Vater und dem Heiligen Geist innehat. Deshalb „ist sich die Kirche der Pflicht bewußt, die soziale Kommunikation ad intra und ad extra zu fördern. Durch eine verbesserte Informationsverbreitung unter ihren Mitgliedern trachtet sie die Kommunikation innerhalb 1134 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche zu fördern“. <604> Das soll ihr von Nutzen dabei sein, wenn sie der Welt die Frohe Botschaft von der in Jesus Christus geoffenbarten Liebe Gottes mitteilt. <604> Propositio 57. Herkömmliche Formen der Kommunikation 123. Die herkömmlichen Formen der sozialen Kommunikation dürfen auf keinen Fall unterschätzt werden. Sie erweisen sich in zahlreichen Bereichen der afrikanischen Welt noch immer als sehr nützlich und wirksam. Außerdem sind sie „nicht so kostspielig und leichter zugänglich“. <605> Sie erfassen die Gesänge und die Musik, die Mimik und das Theater, die Sprichwörter und die Erzählungen. Als Träger der Volksweisheit und des Volksgeistes stellen sie eine wertvolle Quelle von Inhalten und Inspiration für die modernen Medien dar. <605> Ebd. Evangelisierung der Welt der Kommunikationsmittel 124. Die modernen Massenmedien stellen nicht nur Kommunikationsmittel dar; sie sind auch eine Welt, die es zu evangelisieren gilt. Was die von ihnen übermittelten Botschaften betrifft, muß man sich vergewissern, daß dabei das Gute, das Wahre und das Schöne dargestellt werden. Indem ich mich der Sorge der Synodenväter anschließe, äußere ich meine Besorgnis hinsichtlich des moralischen Gehalts sehr vieler Programme, die die Kommunikationsmittel auf dem afrikanischen Kontinent verbreiten; insbesondere warne ich vor Pornographie und Gewalt, mit denen man die armen Nationen zu überfluten trachtet. Andererseits hat die Synode zu Recht „das sehr negative Bild“ beklagt, „das die Massenmedien vom Afrikaner bieten, und fordert, daß dies sofort abgestellt werde“. <606> <606> Propositio 61. Jeder Christ soll sich darum kümmern, daß die sozialen Kommunikationsmittel Träger der Evangelisierung sind. Doch der auf diesem Gebiet beruflich tätige Christ hat hier eine besondere Rolle zu übernehmen. Seine Pflicht ist es nämlich, darauf hinzuwirken, daß die christlichen Grundsätze die praktische Berufsausübung, den technischen und administrativen Sektor eingeschlossen, beeinflussen. Um ihm zu ermöglichen, diese Rolle in geeigneter Weise wahrzunehmen, muß ihm eine gesunde menschliche, religiöse und geistliche Bildung geboten werden. Anwendung der sozialen Kommunikationsmittel 125. Die Kirche unserer Tage kann über eine Vielfalt von sozialen Kommunikationsmitteln verfügen, sowohl herkömmlicher wie moderner Art. Ihre Pflicht ist es, den besten Gebrauch davon zu machen, um die Botschaft vom Heil zu verbreiten. Was die Kirche in Afrika betrifft, wird der Zugang zu diesen Medien durch zahl- 1135 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN reiche Hindernisse, nicht zuletzt ihre hohen Kosten, erschwert. An vielen Orten bestehen zudem Regierungsverordnungen, die diesbezüglich eine ungebührliche Kontrolle auferlegen. Es gilt, jede Anstrengung zur Beseitigung solcher Hindernisse zu unternehmen: Die Kommunikationsmittel, ob privat oder öffentlich, müssen ausnahmslos im Dienst der Menschen stehen. Ich lade daher die Teilkirchen Afrikas ein, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dieses Ziel zu erreichen. <32> <32> Vgl. l'roposilio 58. Zusammenarbeit und Koordinierung der Massenmedien 126. Die Kommunikationsmittel, vor allem in ihren modernsten Formen, üben einen alle Grenzen überschreitenden Einfluß aus; in diesem Bereich ist daher eine strenge Koordinierung notwendig, die eine wirksamere Zusammenarbeit auf allen Ebenen erlaubt: auf diözesaner, nationaler, kontinentaler und Weltebene. In Afrika bedarf die Kirche dringend der Solidarität der Schwesterkirchen der reicheren und in technologischer Hinsicht fortschrittlicheren Länder. In Afrika selbst sollten einige bereits eingerichtete Programme für kontinentale Zusammenarbeit, wie das „Pan-afrikanische bischöfliche Komitee für soziale Kommunikationsmittel“, ermutigt und wiederbelebt werden. Und wie die Synode nahelegte, wird es eine engere Zusammenarbeit auf anderen Gebieten geben müssen, wie der beruflichen Ausbildung, der Produktionsstrukturen von Rundfunk und Fernsehen und der Stationen, deren Sendebereich den ganzen Kontinent umfaßt. <33> <33> Vgl. Propositio 60. VII. Kapitel „Ihr werdet meine Zeugen sein bis an die Grenzen der Erde “ 127. Die Synodenväter haben während der Sonderversammlung die Situation in Afrika in ihrer Gesamtheit gründlich untersucht, um zu einem immer konkreteren und glaubwürdigeren Zeugnis von Christus in jeder Ortskirche, in jeder Nation, in jeder Region und auf dem ganzen afrikanischen Kontinent anzuspomen. Alle Überlegungen und Empfehlungen, die von der Sonderversammlung angestellt wurden, lassen den vorherrschenden Wunsch durchscheinen: von Christus Zeugnis zu geben. Darin erkannte ich den Geist der Worte wieder, die ich an eine Gruppe von Bischöfen in Afrika gerichtet habe: „Wenn ihr die eigentlichen Werte und die Reichtümer des kulturellen Erbes eures Volkes respektiert, bewahrt und fördert, werdet ihr in der Lage sein, es zu einem besseren Verständnis des Geheimnisses Christi hinzuführen, das in den vortrefflichen, konkreten täglichen Erfahrungen des afrikanischen Lebens erlebt und gelebt werden muß. Es geht nicht darum, das Wort Gottes zu verfälschen oder das Kreuz um seine Kraft zu bringen (vgl. 1 Kor 1,17), sondern vielmehr darum, Christus dem Herzen des afrikanischen Le- 1136 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bens nahezubringen und das afrikanische Leben als ganzes zu erhöhen bis hin zu Christus. So erweist sich nicht nur das Christentum für Afrika geeignet, sondern Christus selbst ist in den Gliedern seines Leibes Afrikaner“. <34> <34> Ansprache an die Bischöfe von Kenya (Nairobi, 7. Mai 1980), Nr. 6: AAS72(1980)497. Offen für die Mission 128. Die Kirche in Afrika ist nicht aufgerufen, nur auf ihrem Erdteil Christus zu bezeugen; denn das Wort des auferstandenen Herrn: „Ihr werdet meine Zeugen sein (...) bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) ist auch an sie gerichtet. Eben darum haben die Synodenväter im Verlauf der Diskussionen über das Thema der Synode jede Tendenz zur Isolierung der Kirche in Afrika sorgfältig vermieden. Die Sonderversammlung ist zu jedem Zeitpunkt bei der Perspektive des Missionsauftrags geblieben, den die Kirche von Christus empfangen hat, nämlich ihn in der ganzen Welt zu bezeugen. <35> Die Synodenväter haben den Aufruf erkannt, den Gott an Afrika richtet, daß es auf Weltebene seine Rolle im Heilsplan des Menschengeschlechtes vollgültig erfülle (vgl. 1 Tim 2,4). <35> ygi pau| vi., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 50:4.4558(! 976)40. 129. Bezüglich dieses Einsatzes für die Katholizität der Kirche erklärten schon die Lineamenta der Sonderversammlung für Afrika: „Keine Teilkirche, auch nicht die ärmste, soll von der Verpflichtung dispensiert werden können, ihre spirituellen, zeitlichen und menschlichen Güter mit anderen Ortskirchen und mit der Universalkirche zu teilen (vgl. Apg 2,44-45)“. <36> Die Sonderversammlung ihrerseits hat die Verantwortung Afrikas für die Mission „bis an die Grenzen der Erde“ mit folgenden Worten nachdrücklich unterstrichen: „Der prophetische Satz Pauls VI. - ,Ihr Afrikaner seid aufgerufen, eure eigenen Missionare zu sein’ - muß so verstanden werden: ,Ihr seid Missionare für die ganze Welt’ (...). An die Teilkirchen Afrikas wurde ein Aufruf erlassen für die Mission über die Grenzen ihrer eigenen Diözesen hinaus“. <37> <36> Nr. 42. <37> Relatiopost disceptationem (22. April 1994), Nr. 11: L'Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. 130. Während ich diese Erklärung der Sonderversammlung voll Freude und Anerkennung gutheiße, möchte ich für alle meine Mitbrüder im Bischofsamt in Afrika wiederholen, was ich vor einigen Jahren sagte: ,Die Verpflichtung der Kirche in Afrika, missionarisch im eigenen Bereich zu sein und den Kontinent zu evangeli-sieren, schüeßt die Zusammenarbeit zwischen Teilkirchen innerhalb jedes afrikanischen Landes ein sowie innerhalb der verschiedenen Nationen des Kontinents und auch mit Teilkirchen anderer Kontinente. Auf diese Weise integriert sich Afrika voll in die Missionstätigkeit“. <38> In einem früheren Appell an alle Teilkirchen, <38> Ansprache an die Bischofskonferenz von Senegal, Mauritanien, Kap Verde und Guinea Bissau (Poponguine, 21. Februar 1992), Nr. 3: AA585(1993)150. 1137 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die jungen und die alten, sagte ich: „Die Welt findet immer mehr zusammen, der Geist des Evangeliums muß zur Überwindung von kulturellen und nationalistischen Barrieren führen und jedes Sich-Verschließen zu vermeiden suchen“. <607> Die von der Sonderversammlung an den Tag gelegte mutige Entschlossenheit, die jungen Kirchen Afrikas in der Mission „bis an die Grenzen der Erde“ einzusetzen, spiegelt das Verlangen wider, eine der wichtigsten Weisungen des II. Vatikanischen Konzils möglichst großzügig zu befolgen: „Damit dieser missionarische Eifer bei den eigenen Landsleuten blühe, ist es sehr nützlich, daß die jungen Kirchen sobald wie möglich an dem gesamten Missionswerk der Kirche aktiven Anteil nehmen, indem sie selbst Missionare ausschicken, die überall in der Welt das Evangelium verkünden sollen, auch wenn sie selbst an Priestermangel leiden; denn die Gemeinschaft mit der Gesamtkirche findet gleichsam ihre Krönung, wenn sie selbst an der Missionsarbeit bei anderen Völkern tätig teilnehmen“. <608> <607> Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 39: A4S83(1991)287. <608> Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 20. Organische pastorale Solidarität 131. Zu Beginn des vorliegenden Apostolischen Schreibens habe ich daraufhingewiesen, daß ich bei der Bekanntgabe der Einberufung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode als Ziel die Förderung „eines organischen solidarischen Zusammenwirkens in der Pastoral auf dem gesamten afrikanischen Kontinent und den dazugehörigen Inseln“ <609> im Blickfeld hatte. Zu meiner Freude kann ich feststellen, daß die Versammlung mutig dieses Ziel verfolgt hat. Die Diskussionen auf der Synode haben das eifrige und hochherzige Engagement der Bischöfe für diese pastorale Solidarität und für das Teilen ihrer Mittel mit anderen offenkundig gemacht, auch wenn sie selber Missionare nötig hatten. <609> Angelus (6. Januar 1989), Nr. 2: Insegnamenti XU,1(1989)40. 132. Gerade an meine Mitbrüder im Bischofsamt, die „mit mir unmittelbar für die Evangelisierung der Welt verantwortlich sind, sei es als Mitglieder des Bischofskollegiums, sei es als Hirten ihrer Ortskirchen“ <610>, will ich in diesem Zusammenhang ein besonderes Wort richten. Bei der täglichen Hingabe an die ihnen anvertraute Herde dürfen sie niemals die Bedürfnisse der Kirche als ganze aus den Augen verlieren. Als katholische Bischöfe müssen sie die Sorge für alle Gemeinden (vgl. 2 Kor 11,28) wahmehmen, die dem Apostel im Herzen brannte. Sie müssen sie vor allem dann wahmehmen, wenn sie miteinander überlegen und entscheiden als Mitglieder der entsprechenden Bischofskonferenzen, die durch die Verbindungsorgane auf regionaler und kontinentaler Ebene in der Lage sind, die in anderen Teilen der Welt anstehenden pastoralen Dringlichkeiten besser festzustellen und einzuschätzen. Einen hervorragenden Ausdruck apostolischer Solidarität ver- <610> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 63: A4S83(1991)311. 1138 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirklichen die Bischöfe dann in der Synode: Sie wird „unter den Obliegenheiten von allgemeiner Bedeutung der missionarischen Tätigkeit als der wichtigsten und heiligsten Aufgabe der Kirche besondere Aufmerksamkeit zuwenden“ müssen. <611> <611> U. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 29. 133. Die Sonderversammlung hat außerdem mit Recht darauf hingewiesen, daß zur Vorbereitung einer pastoralen Gesamtsolidarität in Afrika die Erneuerung der Ausbildung der Priester gefördert werden muß. Man wird gar nie genug die Worte des II. Vatikanischen Konzils bedenken können, wo festgestellt wird, daß „die Geistesgabe, die den Priestern in ihrer Weihe verliehen wurde, sie nicht für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung rüstet, sondern für die alles umfassende und universale Heilssendung ,bis an die Grenzen der Erde’ {Apg 1,8)“. <612> Aus diesem Grund habe ich selbst die Priester aufgefordert, „sich dem Heiligen Geist und dem Bischof ganz konkret zur Verfügung zu stellen, um zur Verkündigung des Evangeliums jenseits der Grenzen ihres Landes ausgesandt zu werden. Das erfordert von ihnen nicht bloß eine ausgereifte Berufung, sondern auch eine ungewöhnliche Fähigkeit, sich vom eigenen Vaterland, dem eigenen Volk und der eigenen Familie loszulösen, sowie eine besondere Eignung, sich mit Klugheit und Ehrfurcht in die Kulturen einzuleben“. <613> <612> Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterarum ordinis, Nr. 10. <613> Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 67: A4S83(1991)316. Ich bin Gott zutiefst dankbar, wenn ich erfahre, daß in zunehmender Zahl afrikanische Priester auf den Aufruf geantwortet haben, Zeugen „bis an die Grenzen der Erde“ zu sein. Ich hoffe inständig, daß diese Tendenz in allen Ortskirchen Afrikas Ansporn und Festigung finden möge. 134. Es ist auch Anlaß großen Trostes zu wissen, daß die schon lange in Afrika anwesenden Missionsinstitute „heute in steigender Zahl Kandidaten aus den jungen Kirchen aufnehmen, die sie selber gegründet haben“, <614> und es so eben diesen Kirchen ermöglichen, sich an der Missionstätigkeit der Gesamtkirche zu beteiligen. Desgleichen bringe ich dankbare Genugtuung gegenüber den jungen afrikanischen Missionsinstituten zum Ausdruck, die auf dem Kontinent entstanden sind und heute ihre Mitglieder ad gentes aussenden. Das ist eine willkommene und wunderbare Entwicklung, die die Reife und die Dynamik der Kirche in Afrika erweist. <614> Ebd., Nr. 66, a.a.O., 314. 135. Ich möchte mir in besonderer Weise die ausdrückliche Empfehlung der Synodenväter zu eigen machen, daß sich die vier Päpstlichen Missionswerke in jeder Teilkirche und in jedem Land niederlassen mögen, um mit ihrer Hilfe eine organisch gewachsene pastorale Solidarität zugunsten der Mission „bis an die Grenzen der Erde“ zu verwirklichen. Als Werke des Papstes und des Bischofskollegiums nehmen sie mit Recht den ersten Platz ein, „da sie Mittel darstellen, die Ka- 1139 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen und zur tatkräftigen Sammlung von Hilfsmitteln zum Wohl aller Missionen gemäß den jeweiligen Bedürfnissen anzueifem“ <615> Ein bedeutsames Ergebnis ihres Wirkens „ist die Weckung von Missionsberufen auf Lebenszeit, sowohl in den alten als auch in den jungen Kirchen. Ich empfehle wärmstens, daß sie ihren Dienst der Animation immer mehr auf dieses Ziel hin ausrichten“ <616> 25® II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 38. <616> Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 84: AAS'83( 1991 )331. Heiligkeit und Mission 136. Die Synode hat erneut beteuert, daß alle Söhne und Töchter Afrikas zur Heiligkeit und dazu berufen sind, überall in der Welt Zeugen Christi zu sein. „Die Geschichte bestätigt, daß durch das Wirken des Heiligen Geistes Evangelisierung vor allem durch das Zeugnis der Liebe, das Zeugnis der Heiligkeit, erfolgt“. <617> Darum will ich für alle Christen Afrikas die Worte wiederholen, die ich vor einigen Jahren geschrieben habe: „Jeder Missionar ist nur dann ein echter Missionar, wenn er sich auf den Weg der Heiligkeit einläßt (...). Jeder Gläubige ist zur Heiligkeit und zur Mission berufen (...). Der erneuerte Drang zur Mission unter den Völkern -ad gentes - erfordert heiligmäßige Missionare. Es genügt weder, die pastoralen Methoden zu erneuern noch die kirchlichen Kräfte besser zu organisieren bzw. zu koordinieren oder etwa die biblischen und theologischen Glaubensgrundlagen mit größerer Klugheit zu erforschen: Es gilt, ein neues ,glühendes Verlangen nach Heiligkeit’ unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken“. <618> <617> Johannes Paul II., Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen Nigerias anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs (21. Januar 1982), Nr. 4: AAS74(1982)435-436. <618> Enzyklika Redemploris missio (7. Dezember 1990), Nr. 90: AAS83( 199 i )336-337. Wie damals so wende ich mich auch jetzt an die Christen der jungen Kirchen, um sie vor ihre Verantwortung zu stellen: „Ihr seid heute die Hoffnung dieser unserer zweitausend Jahre alten Kirche: Da ihr jung im Glauben seid, müßt ihr wie die ersten Christen sein und Enthusiasmus und Mut ausstrahlen in selbstloser Hingabe an Gott und an die Brüder: Mit einem Wort, ihr sollt euch auf den Weg der Heiligkeit einlassen. Nur so könnt ihr Zeichen Gottes in der Welt sein und in euren Ländern die missionarischen Großtaten der Urkirche neu beleben. Und ihr werdet auch Sauerteig für die älteren Kirchen sein“ <619> <619> Ebd., Nr. 91, a.a.O., 337-338. 137. Die Kirche in Afrika teilt mit der Universalkirche „die hohe Berufung, zuallererst bei sich selber jenseits ethnischer, kultureller, nationaler, sozialer und anderer Unterschiede die Einheit des Menschengeschlechts zu verwirklichen, um eben die Vergänglichkeit dieser durch das Kreuz Christi aufgehobenen Unterschiede 1140 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aufzuzeigen“. <620> Dadurch, daß sie der Berufung entspricht, in der Welt das erlöste und versöhnte Volk zu sein, trägt die Kirche zu einer brüderlichen Koexistenz zwischen den Völkern bei und überwindet damit die durch Rasse und Nationalität bedingten Unterschiede. <620> Päpstliche Kommission .Justitia et Pax“, Dokument Rassische Vorurteile. Die Kirche und der Rassismus (3. November 1988), Nr. 22: Euch. Var., 11, 929. Mit Rücksicht auf die besondere Berufung, die der Kirche von ihrem göttlichen Stifter aufgetragen wurde, bitte ich die Gemeinschaft der Katholiken in Afrika eindringlich, vor der ganzen Menschheit ein glaubwürdiges Zeugnis des christlichen Universalismus abzugeben, der Gottes Väterlichkeit entspringt. „Ahe in Gott erschaffenen Menschen haben denselben Ursprung; wie groß ihre geographische Zersplitterung oder die Heraushebung ihrer Unterschiede im Laufe der Geschichte auch immer gewesen sein mag, sie sind dazu bestimmt, entsprechend dem ,im Anfang’ gefaßten Plan Gottes eine einzige Familie zu bilden“. <621> Die Kirche in Afrika ist aufgerufen, aus Liebe auf jeden Menschen zuzugehen, in dem festen Glauben, daß „sich der Sohn Gottes in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat“. <622> <621> Ebd., Nr. 20, a.a.O., 925. <622> H. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22 Afrika muß insbesondere seinen Beitrag zur ökumenischen Bewegung leisten, deren Dringlichkeit im Hinblick auf das dritte Jahrtausend ich in der Enzyklika Ut unum sint erst kürzlich hervorgehoben habe. <623> Afrika kann sicherlich auch im Dialog zwischen den Religionen eine wichtige Rolle spielen, vor allem bei der Pflege intensiver Beziehungen zu den Moslems und bei der Fördemng einer respektvollen Achtung gegenüber den Werten der traditionellen afrikanischen Religion. <623> Nm. 77-79: L'Osservatore Romano, 31. Mai 1995, S. 6. Solidarität üben 138. Wenn die Kirche in Afrika „bis an die Grenzen der Erde“ Zeugnis von Christus gibt, wird sie dabei sicher durch die Überzeugung von dem „positiven und moralischen Wert“ unterstützt, den „das wachsende Bewußtsein der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Menschen und den Nationen hat. Daß Männer und Frauen in verschiedenen Teilen der Welt Ungerechtigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte, begangen in fernen Ländern, die sie vielleicht niemals besuchen werden, als ihnen selbst zugefügt empfinden, ist ein weiteres Zeichen einer Wirklichkeit, die sich zum Gewissen verinnerlicht hat und so eine moralische Quaütät erhält“. <624> <624> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 38: AAS80(1988)565. 1141 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich wünsche mir, daß sich die Christen in Afrika immer mehr dieser gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den einzelnen Menschen und den Nationen bewußt werden und bereit sein mögen, ihr durch Übung der Tugend der Solidarität zu entsprechen. Die Frucht der Solidarität ist der Friede, ein so kostbares Gut für die Völker und die Nationen in allen Teilen der Welt. In der Tat, gerade durch Mittel, die die Solidarität zu fördern und zu stärken vermögen, kann die Kirche einen spezifischen und entscheidenden Beitrag zu einer wahren Kultur des Friedens leisten. 139. Indem die Kirche ohne Diskriminierung in Verbindung mit den Völkern der Welt tritt, bringt sie im Dialog mit den verschiedenen Kulturen diese einander näher und hilft jedem von ihnen, die echten Werte der anderen im Glauben anzunehmen. Die Kirche in Afrika, die zur Zusammenarbeit mit jedem Menschen guten Willens und mit der internationalen Gemeinschaft bereit ist, sucht keine Vorteile für sich selbst. Die Solidarität, die sie zum Ausdruck bringt, „strebt danach, sich selbst zu übersteigen, um die spezifisch christlichen Dimensionen des völligen Ungeschuldetseins, der Vergebung und der Versöhnung anzunehmen“. <625> Die Kirche versucht, zur Umkehr der Menschheit dadurch beizutragen, daß sie sie veranlaßt, sich dem Heilsplan Gottes durch das evangelische Zeugnis zu öffnen, ein Zeugnis, das begleitet ist vom karitativen Wirken im Dienst der Armen und Geringsten. Und dabei verliert sie nie den Vorrang des Transzendenten und jener geistlichen Wirklichkeiten aus den Augen, die die Anfänge des ewigen Heils des Menschen darstellen. <625> Ebd., Nr. 40, a.a.O., 568. Während der Debatten über die Solidarität der Kirche gegenüber den Völkern und Nationen waren sich die Synodenväter zu jedem Zeitpunkt bewußt, daß „der irdische Fortschritt eindeutig vom Wachstum des Reiches Christi zu unterscheiden ist“ und daß „er doch große Bedeutung für das Reich Christi (hat), insofern er zu einer besseren Ordnung der menschlichen Gesellschaft beitragen kann“. <626> Gerade deswegen ist die Kirche in Afrika - und die Arbeit der Sonderversammlung hat dies deutlich gezeigt - überzeugt, daß die Erwartung der endgültigen Wiederkunft Christi „niemals eine Entschuldigung dafür sein kann, sich nicht für die Menschen in ihrer konkreten persönlichen Lage und ihrem gesellschaftlichen Leben zu interessieren, und dies auf nationaler wie auf internationaler Ebene“, <627> denn die irdischen Bedingtheiten beeinflussen den Pilgerweg des Menschen zur Ewigkeit. <626> H. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 39. <627> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 48: /\A,S80(1988)583. 1142 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schluß Auf dem Weg ins neue christliche Jahrtausend 140. Gleichsam zu einem Neuen Pfingsten um die Jungfrau Maria versammelt, haben die Mitgüeder der Sonderversammlung für Afrika den Evangelisierungsauftrag der Kirche in Afrika an der Schwelle des dritten Jahrtausends eingehend untersucht. Zum Abschluß dieses Nachsynodalen Apostolischen Schreibens, in dem ich der Kirche in Afrika, in Madagaskar und auf den dazugehörigen Inseln sowie der ganzen katholischen Kirche die Früchte dieser Versammlung vorlege, danke ich Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, der uns das Privileg gewährt hat, diesen echten „Augenblick der Gnade“, der die Synode gewesen ist, zu erleben. Ich bin dem Volk Gottes in Afrika zutiefst dankbar für alles, was es für die Sonderversammlung getan hat. Diese Synode ist mit Eifer und Enthusiasmus vorbereitet worden, wie die dem Vorbereitungsdokument (Lineamenta) beigefügten Antworten auf den Fragebogen und die im ,Arbeitsdokument“ (Instrumentum laboris) gesammelten Überlegungen beweisen. Die christlichen Gemeinden Afrikas haben inbrünstig für das Gelingen der Arbeiten der Sonderversammlung gebetet, die vom Herrn reich gesegnet war. 141. Da die Synode einberufen wurde, um der Kirche in Afrika zu ermöglichen, ihren Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend auf möglichst wirksame Weise wahrzunehmen, lade ich mit diesem Schreiben das Volk Gottes in Afrika - Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien - ein, sich entschlossen dem Großen Jubiläum zuzuwenden, das in einigen Jahren begangen werden wird. Die beste Vorbereitung auf das neue Jahrtausend kann für alle Völker Afrikas nur in dem entschlossenen Engagement bestehen, die Entscheidungen und Richtlinien, die ich mit der apostolischen Autorität des Nachfolgers des hl. Petrus in diesem Schreiben vorlege, mit großer Treue in die Tat umzusetzen. Es sind Entscheidungen und Richtlinien, die auf der unverfälschten Linie der Lehre und Anweisungen der Kirche und besonders des Il.Vatikanischen Konzils liegen, das die wichtigste Inspirationsquelle der Sonderversammlung für Afrika gewesen ist. 142. Meine Einladung an das Volk Gottes in Afrika, sich auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorzubereiten, will auch ein leidenschaftlicher Aufruf zur christlichen Freude sein. „Die große Freude, die der Engel in der Heiligen Nacht verkündet, ist tatsächlich dem ganzen Volke zugedacht (vgl. Lk 2,10) (...). Als erste hatte die Jungfrau Maria vom Erzengel Gabriel davon Kunde erhalten, und ihr Magnifi-kat war bereits das Freudenlied aller Demütigen. Die freudenreichen Geheimnisse stellen uns daher jedesmal, wenn wir den Rosenkranz beten, neu vor das unaus- 1143 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sprachliche Ereignis, das Zentrum und Höhepunkt der Geschichte ist: das Kommen des Emanuel, Gott mit uns, auf diese Erde“. <39> <39> pauj VI., Apostol. Schreiben Gaudete in Domino (9. Mai 1975), UI: AA5'67(1975)297. Wir bereiten uns darauf vor, mit dem kommenden Großen Jubeljahr den zweitausendsten Jahrestag dieses freudenreichen Ereignisses feierlich zu begehen. Afrika, das „in gewissem Sinn die ,zweite Heimat’ des Jesus von Nazaret ist, (der) als kleines Kind eben in Afrika Zuflucht gefunden hat vor der Verfolgung des Hero-des“, <40> wird also zur Freude aufgerufen. Gleichzeitig „wird alles das vorrangige Ziel des Jubeljahres anstreben müssen, nämlich die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen“. <41> 27^ Johannes Paul II., Predigt beim Eröffmmgsgottesdienst der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (10. April 1994), Nr. 1: A4S87(1995)179. 27 ^ Johannes Paul H., Apostol. Schreiben Tertia millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 42: AAS87(1995)32. 143. Wegen der zahllosen Schwierigkeiten, Krisen und Konflikte, die soviel Elend und Leid über den Erdteil bringen, gibt es Afrikaner, die manchmal versucht sind zu glauben, der Herr habe sie verlassen, er habe sie vergessen (vgl. Jes 49,14)! „Und Gott antwortet mit den Worten des großen Propheten: ,Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände’ (Jes 49,15-16). Ja, in die Hände Christi, von den Nägeln der Kreuzigung durchbohrt! Der Name eines jeden von euch (Afrikanern) ist in diese Hände eingezeichnet. Deshalb rufen wir voll Vertrauen: ,Der Herr ist meine Kraft und mein Schild, mein Herz vertraut Ihm. Mir wurde geholfen. Da jubelte mein Herz’ (Ps 28/27,7)“. <42> <42> Johannes Paul II., Predigt bei der Messe in Khartum (10. Februar 1993), Nr. 8: A/1.S'85( 1993)964. Gebet zu Maria, Mutter der Kirche 144. Voller Dankbarkeit für die Gnade dieser Synode wende ich mich an Maria, den Stern der Evangelisierung, und während das dritte Jahrtausend näherrückt, vertraue ich ihr Afrika und seinen Evangelisierungsauftrag an. Ich wende mich an sie mit den im Gebet ausgedrückten Gedanken und Gefühlen, das meine Mitbrüder im Bischofsamt zum Abschluß der Arbeitssitzung der Synode in Rom verfaßt haben: O Maria, Mutter Gottes und Mutter der Kirche, Dank Dir hat sich am Tag der Verkündigung, am Morgen der neuen Zeit, das ganze Menschengeschlecht mit seinen Kulturen voller Freude als bereit erkannt für die Aufnahme des Evangeliums. 1144 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Am Vorabend eines neuen Pfingsten für die Kirche in Afrika, Madagaskar und auf den dazugehörigen Inseln flehen das Volk Gottes und seine Hirten zusammen mit Dir: die Ausgießung des Heiligen Geistes möge aus den afrikanischen Kulturen Stätten der Gemeinschaft in der Verschiedenheit und die Bewohner dieses großen Kontinents zu großherzigen Söhnen und Töchtern der Kirche machen, die Familie des Vaters ist, Bruderliebe des Sohnes, Ebenbild der Dreifaltigkeit, Ursprung und Anfang auf Erden jenes ewigen Reiches, das seine Fülle haben wird in der Stadt, deren Baumeister Gott ist: der Stadt der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. Gegeben zu Yaounde, in Kamerun, am 14. September, dem Fest der Kreuzerhöhung, des Jahres 1995, dem siebzehnten meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Nicht schuldig werden an der Tötung unschuldiger Kinder Brief an die deutschen Bischöfe zur Frage der Mitwirkung kirchlicher Beratungsstellen im System der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung vom 21. September Den verehrten Mitbrüdem im Bischofsamt in Deutschland Gruß und Apostolischen Segen l.Das Inkrafttreten des neuen Abtreibungsgesetzes veranlaßt mich, Euch zu schreiben und meiner Besorgnis über die neuen Bestimmungen Ausdruck zu verleihen. In der Enzyklika Evangelium vitae habe ich darauf hingewiesen, „daß wir einer ungeheueren und dramatischen Auseinandersetzung zwischen Bösem und Gutem, Tod und Leben, der ,Kultur des Todes’ und der ,Kultur des Lebens’ gegenüberstehen. Wir stehen diesem Konflikt nicht nur gegenüber’, sondern befinden uns notgedrungen ,mitten drin’: Wir sind alle durch die unausweichliche Ver- 1145 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN antwortlichkeit in die bedingungslose Entscheidung für das Leben involviert und daran beteiligt“ (Nr. 28). 2. Diese Aussage gilt derzeit in besonderer Weise für die Kirche und die Gesellschaft in Eurem geliebten Land. Die Zweideutigkeit des neuen Abtreibungsgesetzes kann man in der Tat kaum übersehen. Dieses Gesetz steht trotz guter Absichten und der in ihm enthaltenen positiven Elemente in einigen wesentlichen Punkten in offenem Gegensatz zum Evangelium des Lebens, das die Kirche immer verkündet hat und immer verkünden wird. Da Ihr bei der kommenden Vollversammlung der Bischofskonferenz die mit dem Gesetz verbundene Problematik erörtern werdet, wende ich mich an Euch, liebe Mitbrüder im Bischofsamt. Ich schätze Euren kontinuierlichen Einsatz im Dienst am Leben während der vergangenen Jahre. Ich weiß, daß Ihr die besten Wege einschlagen wollt, um das Leben der ungeborenen Kinder auch in Zukunft entschieden zu verteidigen. Ich habe die Fragen, die es zu beantworten gilt, aufmerksam geprüft und fühle mich im Gewissen verpflichtet, Euch an einige Grundsätze zu erinnern, die mir sehr wichtig zu sein scheinen. 3. Ich möchte hier nicht auf die besonders für einen gläubigen Christen unannehmbaren Bestimmungen zur sogenannten „medizinischen Indikation“ eingehen, in die die von Euch vorher zu Recht kritisierte „embryopathische Indikation“ Eingang gefunden hat. Ich beschränke mich auf die Bestimmungen über die Beratung von Frauen in Konfliktsituationen, die für das Zusammenwirken von Kirche und Staat von großer Bedeutung sind. Es ist anzuerkennen, daß der Gesetzgeber mit der rechtlich festgelegten Beratungspflicht dem Schutz menschlichen Lebens dienen und dazu beitragen will, das in Eurer Verfassung verankerte Recht auf Leben praktisch zur Geltung zu bringen. So ist klar gesagt, daß das Ziel der Beratung der Schutz des Lebens sein muß. Leider wird aber diese positive Definition durch die Bestimmung abgeschwächt, daß die Beratung ergebnisoffen zu führen sei. Das subjektive Bewußtsein der Frau, das vielen Einflüssen ausgesetzt ist und nicht selten durch Druck von dritter Seite mitbestimmt wird, scheint nun doch wieder dem unabdingbaren Lebensrecht des Kindes übergeordnet zu sein. 4. Demgegenüber muß die Beratung, die die kirchlichen Einrichtungen den Frauen anbieten, unmißverständlich klarstellen, daß Gott allein Herr über Leben und Tod ist und daß die Tötung des Kindes niemals eine „Lösung“ sein kann. Die kirchlichen Berater, deren Einsatz im Dienst am Leben ich sehr wohl zu schätzen weiß, müssen sich der Not der Ratsuchenden annehmen und ihnen eine persönliche Hilfe anbieten, die dazu beiträgt, die Probleme vom eigentlichen Ursprung des Konflikts her zu überwinden. Selbstverständlich haben sie sich dabei an die Lehre der Kirche zu halten. 5. Gravierender als die Zweideutigkeit der Bestimmung über das Beratungsziel ist der veränderte Stellenwert, den das neue Gesetz der Beratungsbescheinigung zu- 1146 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weist. Sie bestätigt, daß eine Beratung stattgefunden hat, ist aber zugleich ein notwendiges Dokument für die straffreie Abtreibung in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft. Während in der vorhergehenden Gesetzeslage die ärztliche Indikationsfeststellung die wesentliche Voraussetzung für die straffreie Abtreibung bildete und der Nachweis der Beratung eher von zweitrangiger Bedeutung war, wie Ihr auch wiederholt betont habt, ist die Beratungsbescheinigung nun „de facto“ die alleinige Voraussetzung für eine straffreie Abtreibung. 6. Ihr habt in den vergangenen Jahren zu den verschiedenen Gesetzesentwürfen immer wieder Stellung genommen und habt Euch stets für den Lebensschutz von der Empfängnis an eingesetzt und an die Voraussetzungen der kirchlichen Beratung erinnert. In diesem Zusammenhang weise ich auf eine Erklärung von Herrn Bischof DDr. Karl Lehmann, dem Vorsitzenden Eurer Bischofskonferenz, hin, die am 10. luni 1992 veröffentlicht wurde. Dort heißt es u. a.: „Die Beratungsstellen können sich nicht in ein Verfahren einbinden lassen, das die Ausstellung einer Beratungsbescheinigung zu einer wesentlichen Voraussetzung für die straffreie Tötung eines ungeborenen Menschen macht.“ 7. Aufgrund der neuen Gesetzeslage zur Abtreibung in Eurem Land ist es deshalb Eure Hirtenpflicht, noch größere Anstrengungen zu unternehmen, um das Leben der ungeborenen Kinder zu verteidigen. Deshalb ersuche ich Euch, die Beratungstätigkeit im Sinne der unbedingten Achtung vor dem Leben zu intensivieren und alles zu unternehmen, um den Frauen in schweren Notsituationen zu helfen. Ich bitte Euch, alle Grundprinzipien im Hinblick auf die Neudefinition der kirchlichen Beratungstätigkeit zu beachten. Eure bisherige klare Position wird dazu beitragen, den richtigen Weg zu finden. Die kirchliche Beratung muß auf jeden Fall so erfolgen, daß die Kirche nicht mitschuldig wird an der Tötung unschuldiger Kinder. In vielen Bereichen ist die Zusammenarbeit mit dem Staat von großem Belang; die Freiheit der Kirche darf aber dabei nicht beeinträchtigt werden. 8. In diesem Zusammenhang erinnere ich an einige Worte aus meiner Enzyklika Evangelium vitae: „Es bedarf dringend einer allgemeinen Mobilisierung der Gewissen und einer gemeinsamen sittlichen Anstrengung, um eine große Strategie zugunsten des Lebens in die Tat umzusetzen. Wir müssen alle zusammen eine neue Kultur des Lebens aufbauen: neu, weil sie in der Lage sein muß, die heute neu anstehenden Probleme in bezug auf das Leben des Menschen aufzugreifen und zu lösen; neu, weil sie eben mit stärkerer und tätiger Überzeugung von seiten aller Christen aufgebaut werden muß; neu, weil sie in der Lage sein muß, zu einer ernsthaften und mutigen kulturellen Gegenüberstellung mit allen anzuregen“ (Nr. 95). 9. Die Kirche ist das „Volk des Lebens“ und das „Volk für das Leben“. Als Hirten der Kirche sind wir aufgerufen, der Welt das klare Zeugnis einer „Kultur des Lebens“ anzubieten. Gemeinsam müssen wir in dieser Stunde mutige Zeugen des 1147 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Evangeliums vom Leben sein. In diesem Sinn vertraue ich Eure Beratungen während der kommenden Vollversammlung der Bischofskonferenz Maria, der Mutter der Lebendigen, an und bitte den Heiligen Geist, Euch mit seinen Gaben der Weisheit, des Rates und der Stärke zu erfüllen. Dazu erteile ich Euch allen von Herzen den Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, am 21. September 1995 Joannes Paulus PP. II Apostolat und Spiritualität als Wegbereiter für das dritte Jahrtausend Ansprache an das Generalkapitel der Karmeliten am 23. September Liebe Brüder Karmeliten! 1. Gern wende ich mich an euch anläßlich eures Generalkapitels, das euren alten und berühmten Orden dem nun schon recht nahen neuen christlichen Jahrtausend entgegenblicken läßt. Mein liebevolles Gedenken gilt vor allem P. John Malley, dem Generalprior, der sein Amt beendet. Ich bringe ihm meine Wertschätzung für den kostbaren Dienst zum Ausdruck, den er eurer Ordensfamilie geleistet hat. Herzlich begrüße ich den neuen Generalprior P. Joseph Chalmers und die anderen neuerwählten Mitglieder der Generalleitung, denen ich eine fruchtbare und nutzbringende Arbeit zum geistlichen und materiellen Wohl ihrer Mitbrüder wünsche. Als Thema eurer gemeinsamen Überlegungen bei dieser wichtigen Versammlung habt ihr gewählt: „Der Karmel: ein Ort und ein Weg im dritten Jahrtausend.“ Darin wolltet ihr die Bedeutung eurer Sendung heute zusammenfassen, die darin besteht, Zeugen der Spiritualität des Evangeliums zu sein, die fähig sind, auch auf die Menschen unserer Zeit einzuwirken. Ich möchte euch sagen, daß ich über die Wahl dieses Themas erfreut bin, denn der Karmel ist berufen, eine Oase der Kontemplation und der Spiritualität zu sein, aus der auch der Mensch des Jahres 2000 die echten Werte des Geistes schöpfen kann. Gleichzeitig bildet er einen Weg und eine Führung für das innere Wachsen zu einer immer tieferen Gottverbundenheit. 2. Der Karmel kann sich einer langen Geschichte rühmen, verwurzelt in der biblischen Tradition und Spiritualität. Er knüpft ja an den Berg an, auf dem in alter Zeit die „Söhne der Propheten“ den anziehenden und inspirierenden Mittelpunkt für jenen Teil des jüdischen Volkes errichteten, der dem Gott Israels und seiner Offenbarung treu bleiben wollte. In diesen Absichten wurden die Israeliten angespomt und unterstützt durch das Beispiel und die Predigt des Propheten Elija, den ihr als euren Vorläufer betrachtet. Aus seinem Leben als natürlicher und geistlicher Mensch und aus der kontem- 1148 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN plativen Erfahrung dieses großen Mannes Gottes zieht ihr noch heute Licht und Kraft, um nach so vielen Jahrhunderten geistliche Führer für die Brüder und Schwestern auf ihrem Weg zu Gott zu sein. So erhält eure „Nachfolge Christi“ als gottgeweihte Menschen biblische und geschichtliche Kennzeichen, die sie besonders lebendig und aktuell machen. Ich wünsche euch, meine Lieben, daß die intensiven Arbeiten des Kapitels in diesen Tagen helfen mögen, gründlich darüber nachzudenken, wie ihr euer besonderes Charisma an der Schwelle des dritten Jahrtausends in die Tat umsetzen könnt. Das wird euch dazu führen, mit neuem Eifer das Zeugnis der Spiritualität fortzusetzen. Ihr bietet sie im Kontext der heutigen Zeit an, die so sehr Gottes bedarf, aber allzuoft auf den schwierigen Wegen der Geschichte sich verliert. 3. Im Weiterführen und Entfalten der prophetischen Tradition des Alten Bundes, die immer darauf ausgerichtet war, im Volke Gottes die Erwartung der messiani-schen Zeit wachzuhalten, bringt der Prophet Elija euch noch heute dem Werk und der Predigt Johannes des Täufers nahe, des „Vorläufers“, der dem Messias vorausgehen sollte (vgl. Mal 3,23; Mt 17,12-13). Das Wort und die prophetische Sendung des Elija führen euch in besonderer Weise zur Mutter des Messias, der heiligen Jungfrau Maria, die eure geistlichen Lehrer als „Königin des Karmels“, „Blume des Karmels“ und „Mutter der Gnade“ besungen haben, jene, die hilft, daß der Weg, der bis zur Begegnung mit Gott zurückzulegen ist, durch die Kraft des Lebensbrotes in Freude gegangen werden kann (vgl. 1 Kön 19,5-8; Joh 6,35). So macht sich der Orden der Brüder der Jungfrau Maria vom Berge Karmel bereit, stark und emsig seiner Berufung zur Brüderlichkeit, zur Kontemplation und zum Prophetentum zu entsprechen. Das läßt euch immer besser eure besondere Spiritualität verwirklichen in der Treue zu Gott, der euch ruft, in der Verfügbarkeit für die Kirche, die euch sendet, und im Dienst des Evangeliums für die Menschheit, die euch als kontemplative und prophetische Brüder braucht. 4. Liebe Karmeliten der Alten Observanz! In dieser wichtigen Sendung an der Schwelle des dritten Jahrtausends stehen eurem Orden, der augenblicklich mehr als zweitausend Ordensmänner zählt, 72 Klöster beschaulicher Karmelitinnen, 13 Kongregationen apostolischen Lebens, ein Säkularinstitut, eine missionarische Familie von Laien, viele Gruppen des Dritten Ordens in der Welt und Skapulier-bruderschaften zur Seite. Es ist eine außerordentliche „acies ordinata“, die sich nach dem Beispiel des Propheten Elija dafür einsetzt, den Glauben an den einen und wahren Gott mitten unter den Menschen unserer Zeit wachzuhalten, die allzuoft versucht sind, den „neuen Göttern“ des Konsumverhaltens, des Hedonismus und der egoistischen Selbstbestätigung zu dienen und vielfach als Opfer einer Kultur des Todes enden, die sich sogar anmaßt, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen. Versteht es, diesem nach Wahrheit und Echtheit dürstenden Volk die 1149 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werte des Geistes zu bringen, indem ihr durch euer Wort und euer Dasein bezeugt, daß das Menschenleben nach dem Absoluten verlangt. 5. In diesem Eifer für Spiritualität und Apostolat mögen euch das Beispiel und die Fürsprache von Pater Titus Brandsma unterstützen, den seligzusprechen ich vor gerade 10 Jahren die Freude hatte. Er besiegelte im Konzentrationslager Dachau mit dem heroischen Opfer des Lebens ein Dasein, das ganz der Liebe zu Gott und dem Dienst an den Brüdern und Schwestern geweiht war. In der Predigt bei der Seligsprechung sagte ich: „Was im Leben von Pater Brandsma vor allem erstaunt, ist eben dieses sich immer offenkundigere Entfalten der Gnade Christi. Hier liegt das Geheimnis der gewaltigen Ausstrahlung seiner Tätigkeit, hier ist die Quelle des stets frischen Stromes seiner Liebe“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II, 1985, 2, S. 1180; in: O.R.,dt. 15. 11. 1985, S. 9). In dem geistigen Kampf, den ihr, durch die Arbeiten im Kapitel neu gestärkt und neu gefestigt, fortzusetzen gerufen seid, möge Maria euch Führerin sein, die Tochter Sions, die durch die Menschwerdung des Wortes in ihrem heiligen Schoß zum Tempel immerwährender Kontemplation und zur Quelle der Brüderlichkeit wurde, die uns in Christus eint. Mit diesen Wünschen rufe ich zugleich auf einen jeden den mütterlichen Schutz der heiligen Jungfrau Maria vom Berge Karmel herab und erteile in Liebe allen den Apostolischen Segen. Sozialpolitik im Geist des Evangeliums hat den Menschen im Blick Ansprache an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Rat Justitia et Pax veranstalteten ersten Treffens der Verantwortlichen der Sozialwochen am 23. September Liebe Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Gerne heiße ich Sie anläßlich des ersten Treffens der Verantwortlichen der Sozialwochen willkommen, das vom Päpstlichen Rat „Iustitia et Pax“ ausgerichtet wird, um über Probleme nachzudenken und Erfahrungen auszutauschen. Ich möchte gleich für die liebenswürdigen Worte danken, die der Vizepräsident, Erzbischof Francois Xavier Nguyen Van Thuän, im Namen aller an mich gerichtet hat. Mit Freude stelle ich fest, daß die Bildungs- und Kulturtradition der Sozialwochen in den Nationen, wo diese seit einigen Jahren abgehalten werden, eine Neubelebung erfährt und diese Initiative von anderen Ländern übernommen wird, die bereits vielversprechende Ergebnisse für die Zukunft erkennen lassen. Angesichts der komplexen und schwierigen Probleme, mit denen die Gesellschaft heute zu 1150 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kämpfen hat, spüren die christlichen Gemeinden die Notwendigkeit, neue kulturelle Angebote zu erarbeiten und zu verbreiten. Dafür begegnen sie bei den Sozialwochen manchen vorzüglichen Gegebenheiten, um eine auf die Soziallehre der Kirche gegründete, authentische Sozialkultur zu vertiefen und anzubieten. Tatsächlich ist es der Zusammenhang zwischen den Sozialwochen und dem reichen Erbe der Soziallehre der Kirche, der entscheidend und wesentlich die Originalität und Besonderheit des angebotenen Kulturbeitrags kennzeichnet. 2. Die Anthropologie und das Gesellschaftsbild müssen in die Praxis umgesetzt werden können, um auf diese Weise die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. So gesehen hat die soziale Praxis der letzten Jahrzehnte die geradezu dramatischen Grenzen der vorliegenden Anthropologien aufgezeigt. Die Verletzung der anthropologischen und ethischen Voraussetzungen des christlichen Humanismus hat sich schließlich gegen den Menschen selbst gewandt. Damit ist bewiesen, daß die philosophischen und theologischen Kategorien des Christentums weiterhin für eine zutreffende Interpretation des Sinnes der Geschichte tauglich sind. „Die theologische Dimension erweist sich sowohl für die Interpretation wie für die Lösung der heutigen Probleme des menschlichen Zusammenlebens als unabdingbar“ (Centesimus annus, Nr. 55). In diesem Sinne nähert sich die Soziallehre der Kirche der menschlichen Geschichte mit Kategorien, die sich zwar an der Theologie inspirieren, aber deshalb keineswegs ihre Fähigkeit verlieren, die Wirklichkeit zu begreifen. Das heißt nicht, daß wissenschaftliche Forschungen und Analysen als überflüssig angesehen werden, sondern daß man für die theologische Interpretation eben deren volle Fähigkeit geltend machen will, in der Geschichte zu forschen und die konkreten Probleme des Menschen einheitlich und umfassend aufzudecken. 3. Die Sicht der Wirklichkeit aus theologischer Perspektive wird es den Sozialwochen erlauben, darauf hinzuarbeiten, daß das beunruhigende Vakuum im Bereich der Sozialethik aufgefüllt werde. Die verschiedenen Gesellschaften entdecken mit wachsendem Erstaunen, ja Befremden, daß es eigentlich gar keine unserer Zeit angemessene Sozialethik gibt, die imstande wäre, dem persönlichen Leben, der sozialen und politischen Gemeinschaft sowie der Welt der Wirtschaft echten Sinn zu geben. Ohne eine solche Ethik laufen die Gesellschaften Gefahr, in Egoismus, in ständige Konfliktanfälligkeit, in Rassismus, in die Ausgrenzung der Ärmsten und Schwächsten zu verfallen. Die Macht von Wissenschaft und Technik wirft für den Menschen tiefgreifende ethische Fragen auf und überträgt ihm neue Verantwortlichkeiten. Deshalb ist mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz und der Biotechnik eine Reihe anthropologischer und moralischer Probleme verbunden. Die Radikalisierung kultureller und politischer Richtungen, die dazu neigen, aus der sozialen Wirklichkeit und den Institutionen, besonders in so wichtigen Bereichen wie der Familie, dem Schutz des Lebens und der Erziehung, jeden Bezug auf die christliche Sozialethik zu verdrängen, haben zu Optionen geführt, die der 1151 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Würde und Unantastbarkeit der Person und den tatsächlichen Interessen der Gesellschaften entgegengesetzt sind. Die Verwirklichung eines klar umrissenen und vorausschauenden BildungsVorhabens für eine echte Sozialethik seitens der Sozialwochen ist daher ein sehr dringendes, unaufschiebbares Ziel. 4. Angesichts des allgemeinen Werteverlustes in unseren Gesellschaften sind die Sozialwochen vor allem dazu aufgerufen, die Christen und alle Menschen guten Willens von neuem auf den Mittelpunkt der Soziallehre der Kirche und das Grundprinzip sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenlebens hinzuweisen: die menschliche Person und ihre Würde. In den Wechselfällen der Geschichte waren es die Bewegungen zur Verteidigung des Menschen und zum Schutz seiner Würde, die eben dadurch „zum Aufbau einer gerechteren Gesellschaft beigetragen und dem Unrecht eine Grenze gesetzt“ haben {ebd., Nr. 3). Die Wahrheit über den Menschen ist der Grundstein und Schlüssel für ein richtiges Erfassen der Probleme des einzelnen und der Gesellschaft. Sie alle, einschließlich der Probleme der Frau, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung der kürzlich abgehaltenen Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen unsere Aufmerksamkeit so sehr beansprucht haben und denen das päpstliche Lehramt zahlreiche Interventionen gewidmet hat, werden sich nur dann lösen lassen, wenn alle die volle und unverkürzte Wahrheit über den Menschen anerkennen. Diese Anerkennung ist nicht möglich, wenn man vom „religiösen Gewissen der Menschen und Völker“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 39) absieht. Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme mit ihren bescheidenen Möglichkeiten „sind nicht in der Lage, jedem Menschen die Sicherheit zu geben, daß er als ein einzigartiges und einmaliges Wesen entstehen, leben und wirken kann“ (Weihnachtsbotschaft, 1978, Nr. 1). Damit der Mensch nicht einfach als Nummer, als Glied einer Kette oder als Rad in einem System behandelt wird, gibt ihm Gott die Sicherheit, etwas Einziges und Nichtwiederholbares zu sein (vgl. ebd.). Der Glaube ist also der gültige Wegweiser, um einen tiefen Sinn zu finden und sich im sozialen Leben zu orientieren und auf diese Weise die Lösung der ernstesten Probleme in der Geschichte zu verwirklichen. 5. Es liegt auf der Hand, daß hier als erste die Christen angesprochen sind. Sie können nicht in der sozialen Wirklichkeit tätig werden, wenn sie nicht imstande sind, im Lichte des Evangeliums eine christliche Interpretation eben dieser Wirklichkeit und der Vielfalt und Komplexität ihrer Probleme zu geben. Die Sozialwochen müssen immer mehr dazu in der Lage sein, diesem dringenden pastoralen Anliegen zu entsprechen, indem sie sich als ein Instrument und ein qualifizierter Weg christlicher Bildung und Orientierung erweisen. Als ein kirchliches und kulturelles Instrument, das in der Soziallehre der Kirche die Kraft finden wird, sich den in der Gesellschaft anstehenden Diskussionsthemen und Auseinan- 1152 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dersetzungen zu stellen, ja, sie möglicherweise vorwegzunehmen, um die öffentliche Meinung positiv zu beeinflussen. Mit Ausblick auf das Jubeljahr 2000, das ich auch zum Zweck einer Wiederbegegnung mit den Wegen der Gerechtigkeit und des Friedens ausgerufen habe, sollen die Sozialwochen Ausdruck des Dienstes der Kirche für die Gesellschaft sein. Ein kultureller Dienst, der mit einem tiefen Gespür für den Dialog bei voller Achtung der christlichen Wahrheit und Liebe vollbracht werden muß. Mit diesen herzlichen Wünschen erbitte ich für Sie, für Ihre Länder und für die verdienstvolle Arbeit der Sozialwochen die ständige Hilfe des Herrn und erteile Ihnen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Augustinische Spiritualität in der heutigen Welt Ansprache an das Generalkapitel der Augustiner am 23. September Liebe Brüder Augustiner! 1. Mit Freude empfange ich euch aus Anlaß des Generalkapitels eures bedeutenden Ordens, der im vergangenen Jahr siebeneinhalb Jahrhunderte seines Bestehens feierte und seine Wurzeln in der monastischen Erfahrung des hl. Augustinus von Hippo hat. An euch alle richte ich meinen herzlichen Gruß. Ein besonderes Gedenken gilt P. Miguel Angel Orcasitas Gomez, der von eurer Versammlung für die nächsten sechs Dienstjahre als Generalprior erneut bestätigt wurde. Meine herzlichsten Wünsche für eine weise und erleuchtete Führung, die den Orden angemessen auf den Eintritt ins dritte Jahrtausend vorbereiten möge. Schon im Generalkapitel des Jahres 1989 hat eure geistliche Planung sich auf dieses historische Ziel hin ausgerichtet und als Thema gewählt: „Die Augustiner auf das Jahr 2000 hin.“ Die jetzige Versammlung, die diese Perspektive wieder aufgreift und vertieft, hat vor, die Physiognomie der ,Augustiner für die neuen Zeiten“ zu entwerfen. Auch darin seid ihr treue Nachfolger eures Stifters und Führers, des hl. Augustinus: Seine geistliche Gestalt, seine Lehre und sein pädagogischer Stil haben in der Tat jedem Zeitabschnitt etwas zu sagen und erweisen sich auch in unseren Tagen als erstaunlich aktuell. Das kommt in Wirklichkeit aus dem Evangelium, das alt und immer neu ist und das Augustinus voll höchster Weisheit erklärt und lichtvoll bezeugt hat. Auf den Spuren des großen Kirchenlehrers seid ihr bemüht, euer persönliches Leben und euer Gemeinschaftsleben stets nach dem Licht der Lehre und des Beispiels Christi auszurichten. 2. Die Nachfolge Christi, die Grundregel der christlichen Existenz, hat nämlich vom Beginn eures Ordens an nicht nur den Weg zur Vollkommenheit für die einzelnen gebildet, sondern auch den Daseinsgrund und das Ziel für eure Bruderschaft, die nicht in erster Linie danach strebt, eine apostolische Tätigkeit auszu- 1153 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN üben, sondern gemeinsam Gott dienen will, indem sie Christus und seinem Evangelium folgt. Die apostolischen Tätigkeiten sind eine Folge und eine Bezeugung eures Lebens in Brüderlichkeit und können je nach den Bedürfnissen der Kirche und der Zeiten verschieden sein. Die Lebens- und Gütergemeinschaft, ohne die die Gemeinschaft nicht besteht, wird auf diese Weise für euch ein Ruf zum Teilen des Glaubens, des Gebetes und der Arbeit mit denen, die die Vorsehung mit euch in Berührung bringt, damit auch sie das Leben haben, und es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10). 3. Das edle und anfordemde Ziel, das das Generalkapitel sich steckt - nämlich: Vorbereitungen zu treffen, damit es für die neuen Zeiten neue und echte Augustiner gibt -, bringt auch die Herausforderungen mit sich, die mit einer angemessenen Ausbildung für dieses Ziel und mit der notwendigen Suche und Auswahl der Kandidaten verbunden sind. Die Präsenz des Augustinerordens in der ganzen Welt gibt ihm Gelegenheit, sein Charisma auch in erst vor kurzer Zeit evangelisierten Ländern zu verbreiten und in ihnen eine vielversprechende Ernte einzubringen. Im übrigen habt ihr ein Netz von Ausbildungszentren entwickelt, die die kulturelle und spirituelle Vorbereitung der Kandidaten nach der bereits bewährten Tradition augustinischer Ausbildung gewährleisten. Ich möchte euch dazu ermutigen, auf dieser Linie zu bleiben. Ich kann nicht umhin zu wünschen, daß sich die höheren Studien noch weiter verstärken mögen, besonders die patristischen, die für euren Orden charakteristisch geworden sind und einen kostbaren Dienst für die ganze Kirche darstellen. 4. Ein gemeinsames Problem für euren und für andere Orden, die viele Jahrhunderte Geschichte hinter sich haben, ist das der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organen innerhalb des Instituts. Die alte und ehrwürdige rechtliche Struktur ist nicht immer in allem für die Beweglichkeit und die anderen Kennzeichen der neuen Zeit geeignet. Darum bleiben manchmal negative Folgen für die apostolische Wirksamkeit und selbst für die Lebendigkeit des religiösen Einsatzes nicht aus. Ich bin sicher, daß das Wohl der Kirche und des Ordens für euch immer das Hauptkriterium des Unterscheidungsprozesses ist, wenn es auch - um das apostolische Wirken ausgeprägter zu gestalten oder um Strukturen und Aktivitäten zu übernehmen, die bisher von der üblichen Praxis nicht vorgesehen waren - mit einem Opfer oder mit dem Verzicht auf ein erworbenes Recht verbunden sein sollte. 5. Liebe Brüder, ihr seid nicht allein bei der Aufgabe, das augustinische Charisma und die augustinische Spiritualität weiterzuführen. Neben euch gibt es die zahlreiche Schar der Ordensinstitute, die alle zusammen die große augustinische Familie bilden. In erster Linie denke ich an die 82 in aller Welt verstreuten Frauenklöster in 14 Nationen und an die 96 Ordenskongregationen, die eure Spiritualität teilen. Ihr habt auch eine vielversprechende Zusammenarbeit mit den Laien begonnen, die mit erneutem Interesse darum bitten, an der Spiritualität und der Sendung der Ordensinstitute Anteil zu haben. Sie finden auf dem Weg des Glaubens und der 1154 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heiligkeit des großen Bischofs von Hippo sichere und überreiche Orientierung gegenüber dem weitverbreiteten Mangel an religiöser und geistlicher Bildung, der heute in vielen Bereichen und bei vielen Menschen, selbst solchen guten Willens, anzutreffen ist. Wenn ich an diese große Familie denke, von der ihr ein Teil seid, dann möchte ich sie mit allen, die dazu gehören, dem mütterlichen Schutz Mariens anvertrauen, und ich rufe die himmlische Fürsprache des hl. Augustinus an und erteile von Herzen dieser großen Familie und jedem von euch einen besonderen Apostolischen Segen. Botschaft zum Welttag der Migranten 1995 am 24. September 1995 vom 10. August 1994 Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das internationale Jahr der Frau, das für 1995 von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde und dem die Kirche von Herzen zustimmt, veranlaßt mich, die von der Migration betroffene Frau zum Thema der Botschaft für den kommenden Welttag des Migranten zu machen. Der zunehmende Raum, den die Frau in der Welt der Arbeit erobert hat, hat zur Konsequenz, daß die Frau immer stärker beteiligt ist an den Problemen, die mit der Migration verbunden sind. Das Ausmaß dieser Beteiligung ist innerhalb der verschiedenen Länder ganz unterschiedlich, doch der Anteil der Frauen in der Migration tendiert heute dahin, den der Männer zu erreichen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Welt der Frau. Man denke vor allem an jene Frauen, die den Riß erleben müssen in den emotionalen Bindungen, weil sie ihre Familie im Ursprungsland zurückgelassen haben. Oft ist dies die unmittelbare Folge von Gesetzen, die die Anerkennung des Rechtes auf Familienzusammenführung verzögern, wenn sie es nicht gar ablehnen. Wenn man Verständnis haben kann für ein vorübergehendes Aufschieben der Zusammenführung der Familie, um sie danach um so besser aufzunehmen, so ist doch eine Haltung abzulehnen, die das verweigert, als ob es sich um einen Anspruch ohne jedes juridische Fundament handle. In diesem Punkt ist die Lehre des II. Vatikanischen Konzils sehr deutlich: „In der Organisation des Aus- und Einwanderungswesens soll das Zusammenleben der Familie in jeder Weise sichergestellt sein.“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 11). Wie soll man ferner darüber hinwegsehen, daß bei der Migration die Last der Familie häufig großenteils auf die Frau zurückfällt. Die entwickelteren Gesellschaften, welche vor allem den Migrantenstrom anziehen, schaffen bereits für ihre eigenen Glieder eine Lage, in der die Ehegatten sich oft gezwungen sehen, beide eine Arbeit zu übernehmen. Und diesem Schicksal unterliegen zum größten Teil auch jene, die sich als Migranten in sie einfügen: Sie müssen sich aufreibenden 1155 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Arbeitsrhythmen unterwerfen, sei es um den täglichen Lebensunterhalt der Familie zu beschaffen, sei es, damit sie die Ziele erreichen können, deretwegen sie ihr Heimatland verlassen haben. Eine solche Situation schiebt im allgemeinen der Frau die schwersten Aufgaben zu, und sie ist tatsächlich gezwungen, eine doppelte Arbeit zu verrichten, was um so schwerer wiegt, wenn sie zugleich Kinder zu versorgen hat. 2. Besondere pastorale Betreuung muß der nicht verheirateten Frauen gelten, die im Phänomen der Migration immer zahlreicher werden. Ihre Lage fordert von den Verantwortlichen nicht nur Solidarität und Aufnahmebereitschaft, sondern auch Förderung und Schutz vor Mißbrauch und Ausbeutung. Die Kirche erkennt jedem das Recht zu, „seine Heimat aus verschiedenen Gründen zu verlassen ... und in einem anderen Land bessere Lebensbedingungen zu suchen“ (Laborem exercens, Nr. 23). Während sie aber feststellt, daß „die wohlhabenderen Nationen verpflichtet sind, soweit es ihnen irgend möglich ist, Ausländer aufzunehmen, die auf der Suche nach Sicherheit und Lebensmöglichkeiten sind, die sie in ihrem Herkunftsland nicht finden können“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2241), verweigert sie den staatlichen Stellen nicht das Recht, die Ströme der Migranten zu kontrollieren und einzuschränken, wenn schwerwiegende objektive Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die das Interesse der Auswanderer berühren. Die Behörden dürfen freilich nicht die vielfältigen und oft schwerwiegenden Motive vergessen, die zahlreiche Frauen drängen, ihr Heimatland zu verlassen. Ihrer Entscheidung liegt nicht nur das Bedürfnis nach mehr Gelegenheiten zum Fortkommen zugrunde; nicht selten drängt sie die Notwendigkeit, kulturellen, sozialen oder religiösen Konflikten zu entfliehen, althergebrachten Traditionen der Ausbeutung und ungerechten oder diskriminierenden gesetzlichen Bestimmungen zu entgehen, um nur einige Beispiele zu nennen. 3. Es ist leider wohlbekannt, daß die reguläre Migration schon immer auch von der irregulären wie von einem Schatten begleitet wird. Dieses Phänomen breitet sich derzeit aus, mit negativen Aspekten, die sich besonders deutlich auf die Frauen auswirken. In die Nischen heimlicher Einwanderung sickern nicht selten Elemente der Entartung ein wie der Drogenhandel und die Plage der Prostitution. Hier muß auch in den Herkunftsländern eine entsprechende Überwachung ausgeübt werden, denn nicht vertrauenswürdige Organisationen nutzen die Verminderung der Kanäle legaler Auswanderung dazu aus, junge Frauen auf den Weg der heimlichen Auswanderung zu drängen. Sie locken sie mit der Aussicht auf Erfolg an, aber nicht ohne sie vorher der unter Opfern zusammengebrachten Ersparnisse zu berauben. Das Schicksal, dem viele von ihnen entgegengehen, ist bekannt und traurig: an der Grenze zurückgewiesen, finden sie sich oft gegen ihren Willen in die Schande der Prostitution getrieben. 1156 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier müssen die betreffenden Regierungen gemeinsam vorgehen, um die Verantwortlichen für solche Verletzungen der Menschenwürde festzustellen und zu bestrafen. 4. Das neuartige Phänomen, daß Frauen zahlreicher an der Migration beteiligt sind, erfordert daher eine veränderte Perspektive bei der Gestaltung der entsprechenden Politik, und es wird dringlich, auch den Frauen Gleichberechtigung hinsichtlich des Lohnes wie der Arbeits- und Sicherheitsbedingungen zu garantieren. Dann läßt sich leichter die Gefahr vermeiden, daß die Diskriminierung, die sich gegen die Migranten im allgemeinen richtet, tendenziell mit besonderer Schärfe die Frau trifft. Es müssen ferner Methoden entwickelt werden, die geeignet sind, die Eingliederung sowie die kulturelle und berufliche Bildung der Frau und ihre Beteiligung an den Leistungen der sozialen Fürsorge zu erleichtern, wie zum Beispiel die Zuweisung einer Wohnung, schulische Hilfe für die Kinder und entsprechende Steuererleichterungen. 5. Ich richte nun einen dringenden Aufruf an die christlichen Gemeinden, an die sich die Migranten wenden. Wenn sie diese herzlich und brüderlich aufnehmen, zeigen sie in der Tat, noch bevor sie ein Wort sprechen: „Die Familien derer, die auswärts leben ... müssen überall in der Kirche eine Heimat finden. Hier liegt eine wesensgemäße Aufgabe der Kirche, da sie Zeichen der Einheit in der Verschiedenheit ist“ (Familiaris consortio, Nr. 77). Meine besten Wünsche gelten vor allem euch Frauen, die ihr euch mutig der Lage der Auswanderer stellt. Ich denke an euch Mütter, die ihr mit den täglichen Schwierigkeiten ringt, getragen von der Liebe zu denen, die euch teuer sind. Ich denke an euch junge Frauen, die ihr euch auf den Weg in ein neues Land macht in dem Wunsch, eure Lebensverhältnisse und die eurer Familien zu verbessern und sie aus den wirtschaftlichen Nöten zu befreien. Euch trägt das Vertrauen, euer Leben in einer Umgebung führen zu können, wo die größeren materiellen, geistigen und kulturellen Mittel euch gestatten, freier und verantwortlicher eure Lebensentscheidungen in die Tat umzusetzen. Mein von ständigem Gebet begleiteter Wunsch geht dahin, daß ihr in der Erfüllung der schwierigen und heiklen Rolle, die euch zukommt, die berechtigten Ziele erreichen könnt, die ihr euch stellt. Die Kirche steht an eurer Seite mit ihrer Sorge und Unterstützung, die ihr nötig habt. Ich denke an euch, christliche Frauen, die ihr in der Emigration dem Werk der Evangelisierung einen großen Dienst leisten könnt. Folgt mutig und vertrauensvoll dem, was Liebe und Verantwortungssinn euch eingeben, um ein immer deutlicheres Bewußtsein von eurer Berufung als Gattinnen und Mütter zu gewinnen. Wenn euch die Aufgabe anvertraut ist, die Kinder der Familien zu betreuen, bei denen ihr in Stellung seid, so versucht ohne Zwang und in voller Übereinstimmung mit den Absichten der Eltern, die große euch gebotene Gelegenheit zu nut- 1157 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zen, für die religiöse Heranbildung dieser Kinder zu sorgen. Das allgemeine Priestertum, das in der Taufe wurzelt, kommt bei euch in den besonders den Frauen geschenkten Gaben zum Ausdruck, zum Beispiel in der Fähigkeit, mit tiefem Engagement bedingungslos dem Leben zu dienen und vor allem euch von der Liebe leiten zu lassen. 6. Die Heilsgeschichte erinnert uns daran, wie die göttliche Vorsehung im unvorhersehbaren und geheimnisvollen Zusammenwirken von unterschiedlichen Völkern, Religionen, Kulturen und Rassen gehandelt hat. Unter den zahlreichen Beispielen, welche die Bibel bietet, möchte ich besonders an eines erinnern, in deren Mittelpunkt die Gestalt einer Frau steht: die Geschichte der Moabiterin Rut, Frau eines Hebräers, der in das Land Moab ausgewandert war wegen der Hungersnot, die Israel bedrückte. Witwe geworden, entschied sie sich, nach Betlehem zu gehen und dort in der Ursprungsstadt des Gatten zu leben. Ihrer Schwiegermutter Noomi, die sie aufforderte, bei ihrer Mutter im Land Moab zu bleiben, antwortete sie: „Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein“ (Rut 1,16-17). So folgte Rut der Noomi nach Betlehem, wo sie die Frau des Boas wurde, aus dessen Nachkommenschaft erst David und dann Jesus hervorging- In dieser Perspektive werden die Worte höchst aktuell, die der Herr durch den Mund des Propheten Jeremia an sein Volk im Exil von Babylon richtete: „Baut Häuser und wohnt darin, pflanzt Gärten und eßt ihre Früchte! Nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, damit sie Söhne und Töchter gebären. Ihr sollt euch dort vermehren und nicht vermindern. Bemüht euch um das Wohl der Stadt, in die ich euch weggeführt habe und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt euer Wohl“ (Jer 29,5-7). Diese Aufforderung richtet sich an Menschen, die Heimweh nach ihrem Heimatland erfüllte, mit dem sie die Erinnerung an vertraute Personen und Familienereignisse verband. Maria, die, vom Glauben an die Erfüllung der Verheißungen des Herrn getragen, immer dafür aufmerksam war, in den Ereignissen die Zeichen zu erkennen, wie das Wort des Herrn sich verwirklichte, sie begleite und erhelle euren Weg als Frauen, Mütter und Gattinnen in der Emigration. Sie, die auf dem Pilgerweg des Glaubens auch die Erfahrung des Exils gemacht hat, stärke in euch das Verlangen nach dem Guten, lasse euch feststehen in der Hoffnung und festige euch in der Liebe. Ich vertraue der Mutter Gottes, der Jungfrau auf dem Weg, euer Tun und eure Hoffnungen an und segne euch von Herzen gemeinsam mit eueren Familien und mit allen, die, wo auch immer, sich dafür ein-setzen, daß ihr mit Achtung und brüderlich aufgenommen werdet. 1158 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aus dem Vatikan, am 10. August des Jahres 1994, des sechzehnten meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Weitergabe des Glaubens in der Familie Botschaft an die 12. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie vom 29. September Sehr geehrte Kardinale, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine Freude, mich anläßlich der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie an euch zu wenden. An alle geht mein herzlicher Gruß, beginnend mit Herrn Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, dem Präsidenten dieses Rats, und Bischof Elio Sgreccia, dessen Sekretär. Dieses Treffen findet zu einem Zeitpunkt statt, da die große Erfahrung des Jahres der Familie - Erfahrung des Gebets, der Reflexion und des Austausches - in uns noch lebendig ist. Ich möchte euch meine Anerkennung und Dankbarkeit für den Beitrag aussprechen, den ihr dazu geleistet habt, vor allem für den Einsatz, mit dem ihr den Brief an die Familien bekannt gemacht habt und weiterhin verbreitet. Das Thema dieses Treffens - „Die Weitergabe des Glaubens in der Familie“ -zieht als bedeutsames und drängendes Problem die Aufmerksamkeit der kirchlichen Gemeinschaft auf sich. In der Tat sieht sich die Kirche heute immer mehr säkularisierten und komplexen Gesellschaften gegenüber, die nicht mehr auf religiösen Werten aufgebaut sind, sondern vor allem in einigen Ländern von einer ausgesprochenen Gleichgültigkeit der Religion gegenüber geprägt sind. Das ist gewiß einem wirksamen Angebot des Glaubens an die neuen Generationen nicht förderlich, sondern hindert sie sogar daran, einen authentischen Sinn des Lebens zu gewinnen. So geschieht es, daß auch in den Familien, wo die Eltern den christlichen Glauben bekennen und leben, die Jugendlichen sich von der Umwelt, von der Schule, von den Medien zu Lebensperspektiven gedrängt fühlen, die sich von den in der Familie vorgeschlagenen unterscheiden. Das erschwert die Weitergabe des Glaubens und selbst den Dialog zwischen den Generationen, auch wenn die Jugendlichen aus Mangel an Arbeit gezwungen sind, ihre Abhängigkeit von den Eltern zu verlängern. 2. Die Familien sehen sich andererseits in ihrem Erziehungsvermögen auf die Probe gestellt. Wo die Familiengemeinschaft das Trauma der Trennung und der Scheidung erleidet, verliert das Konzept der Ehe und der Familie den wesentlichen 1159 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschlichen und geistlichen Bedeutungsgehalt einer unauflöslichen Gemeinschaft von Personen. Zudem bringen es die Arbeitsbedingungen mit sich, daß die erzieherische Begegnung der Eltern mit den Kindern oft auf die Abendstunden beschränkt ist oder gänzlich wegfällt. Folglich wird die religiöse Erziehung nicht selten an die Pfarrei und die Vereine delegiert. Dennoch fehlt es nicht an Familien, die in Achtung vor den persönlichen Charakteristiken eines jeden geeint im Glauben voranschreiten und so eine Erfahrung gemeinsamen Wachsens im christlichen Leben verwirklichen. Ich möchte auch nicht die verlassenen Ehepartner vergessen, die sich mit nicht geringen Opfern darum bemühen, den Kindern ungeachtet der schwierigen Situation, die eingetreten ist, eine wirklich christliche Erziehung zu bieten. Ihnen gilt ein besonderes Wort der Ermutigung. Den Akzent auf die Weitergabe des Glaubens in den Familien setzen heißt, eine solide religiöse Erfahrung in ihnen fördern und so Eltern, Kinder und Großeltern vor der Gefahr der Gleichgültigkeit und der Zersplitterung zu bewahren. Das ist die Voraussetzung für die Weitergabe eines echten und starken Glaubens, genährt vom Wort Gottes, gefeiert in den Sakramenten und gelebt im Zeugnis. In genau dieser Perpektive habe ich in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio hervorgehoben: „Zu den grundlegenden Aufgaben der christlichen Familie gehört ihr kirchlicher Auftrag: Sie ist zum Dienst am Aufbau des Reiches Gottes in der Geschichte berufen, indem sie am Leben und an der Sendung der Kirche teilnimmt“ (Nr. 49). Wenn es also stimmt, daß es „zunächst die Mutter Kirche (ist), welche der christlichen Familie das Leben schenkt, sie erzieht und wachsen läßt“, so stimmt ebenfalls, daß „die christliche Familie ihrerseits dem Geheimnis der Kirche so tief eingefügt ist, daß sie auf ihre Art an deren Heilssendung teilnimmt“ (ebd.). 3. Liebe Brüder und Schwestern! Euer Nachdenken dieser Tage setzt sich zum Ziel, die eigene und besondere Weise zu bestimmen, auf die die Familie gerufen ist, aktiv und verantwortlich an der Sendung der Kirche bei der Weitergabe des Glaubens teilzunehmen. Diese Sendung ist an sich eine, teilt sich jedoch in besondere Aufgaben und Modalitäten je nach den verschiedenen Berufungen auf. Sie betrifft in spezieller Weise die Hirten, die erwählt sind, die Herde des Herrn als Diener und Verwalter der Geheimnisse Gottes (vgl. 1 Kor 4,1) zu weiden und in Gemeinschaft untereinander und mit dem Nachfolger Petri deren Hüter und Bürgen zu sein. Auch die christliche Familie hat in dieser Hinsicht einen spezifischen Auftrag. Kraft ihrer besonderen Berufung und Sendung ist sie gerufen, den Glauben auf eine eigene und besondere Weise, die die der Hirten ergänzt, weiterzugeben. Wo diese der Familie eigene Funktion ausfällt, geht der Evangelisierungssendung der Kirche selbst ein unersetzlicher Bestandteil verloren. Die „innige Liebes- und Lebensgemeinschaft“ (Familiaris consortio, Nr. 50), welche der der Familie eigene Kontext ist, wurzelt in der heiligmachenden Gegenwart Christi, die, im Gebet und den Sakramenten erkannt, empfangen und gefeiert, zur geistlichen Nahrung, 1160 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zum Band der Einheit und zur Verkündung der Wahrheit wird. Auf diese Weise wird der Glaube in gemeinschaftlicher Form gelebt und weitergegeben: „Durch die Teilnahme am Leben und an der Sendung der Kirche ... lebt die christliche Familie ihren prophetischen Auftrag, indem auch sie das Wort Gottes aufnimmt und weitergibt. So wird sie von Tag zu Tag mehr zu einer gläubigen und verkündenden Gemeinschaft“ (ebd., Nr. 51). 4. Die Weitergabe des Glaubens in der Familie setzt bei deren Mitgliedern ein intensives christliches Leben voraus, das sich in tägliches Zeugnis umsetzt, bestehend in konkreten und gewöhnlichen Haltungen der Aufmerksamkeit für den anderen und die häusliche Gemeinschaft als ganze. Daher muß das geistliche Leben der Familie mit spezifischen Mitteln und mit besonderen Maßnahmen unterstützt werden: zuallererst durch den ständigen Kontakt mit der christlichen Gemeinschaft, mit der Pfarrei und den Gelegenheiten, die sie für die Nahrung des Glaubens bietet. Hervorzuheben ist insbesondere die Wichtigkeit der Heiligung des Sonntags: An diesem Tag können die Mitglieder der Familie sich gemeinsam an den Quellen des Wortes und der Sakramente erneuern. Tatsächlich ist die Familie, wenngleich sie Kirche ist, nicht selbstgenügend, was die Mittel des Heils betrifft. „Die Eucharistie - so habe ich in dem Brief an die Familien geschrieben - ist ein wahrhaft wunderbares Sakrament ... Sie ist für euch, liebe Eheleute, Eltern und Familien!“ (Nr. 18). Die verschiedenen Formen der Katechese in der Pfarrei oder der Teilnahme an geistlichen Bewegungen sind sodann nicht nur für Kinder und Jugendliche notwendig, sondern vor allem für die Ehegatten. Es ist darüber hinaus wichtig, daß auch in den häuslichen Wänden bedeutsame Momente des Glaubens gelebt werden. „Der Bräutigam - Christus - ist bei euch“ {ebd.), schrieb ich in demselben Brief an die Eheleute. Von dieser Gewißheit ausgehend, ist die christliche Familie in der Lage, einfache, aber intensive Momente des Glaubens zu schaffen: gemeinsam über einen Text aus der Heiligen Schrift meditieren, einen Psalm lesen, den Rosenkranz in der Betrachtung der Geheimnisse des Herrn und der Heiligen Familie beten. Die Heiligung der Arbeit im Haus und außer Haus findet inneren Halt in diesen kostbaren Momenten der Besinnung, die im geistlichen Opfer der Sonntagsmesse gipfeln. 5. Es gibt auch besondere Anlässe, die den Glauben der Familie verpflichten: die Geburt eines Kindes, die Taufe und die anderen Sakramente der christlichen Initiation, die bei der Vorbereitung die Eltern miteinbeziehen. Und was soll man von den Augenblicken der Prüfung, der Versuchung, des Leidens sagen? Schwierige Situationen auf sich zu nehmen stärkt den Glauben der Familien, wenn diese dem Licht des Wortes Gottes und der Solidarität der Brüder begegnen. Viele Umstände können das christliche Leben der Familie bereichern: einen Armen aufnehmen, einem Nachbarn helfen, einen Pilger beherbergen. Die Praxis der Werke der Barmherzigkeit findet in der Familie das ideale Milieu: So hat das 1161 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Evangelium vom Leben“ seinen ersten Raum der Verkündigung, der Feier und des Dienstes. Man muß den Familien helfen, ihren Glauben reifen zu lassen und ins Leben umzusetzen. Zu ermutigen ist die Initiative einiger Bischofskonferenzen, geeignete Hilfen für das Gebet und die Betrachtung des Wortes Gottes mit geistlichen Anregungen für die verschiedenen familiären Anlässe bereitzustellen. 6. Es soll auch nicht versäumt werden, die Gewissen zur Übernahme von Richtlinien des Glaubens angesichts der kulturellen und sozialen Herausforderungen zu formen. Das ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen notwendig, die bei der Eingliederung in die Gesellschaft und dem Gebrauch der Medien auch mit Denk-und Verhaltensmodellen in Berührung kommen, die von den im christlichen Glauben fußenden abweichen. Gerade im Jugendalter erfährt die Weitergabe des Glaubens oft einen Unterbrach. Nicht selten geschieht das in Situationen, in denen der Dialog mit den Eltern und die Auseinandersetzung mit dem Glauben der Erwachsenen fehlt. Das Entstehen des kritischen Bewußtseins und des Persönlichkeitssinnes in den Jugendlichen wird diese, wenn sie von wahren Zeugnissen des Glaubens umgeben sind, nicht in die Irre gehen lassen, sondern im Gegenteil sie zur Erarbeitung eines passenden Lebensplanes führen. Im Licht dieser Überlegungen stellt sich klar das Bedürfnis heraus, durch wirksame Wege der Ehevorbereitung für Verlobte wahrhaft christliche Familien zu formen. Ich weiß, das der Päpstliche Rat die Aufmerksamkeit der Bischofskonferenzen auf dieses Problem gelenkt hat. Ich wünsche mir, daß diese Wege den neuen Familien helfen können, die Verantwortung, Leben weiterzugeben, mit Freude und Zuversicht zu übernehmen, um dazu beizutragen, daß die Flamme des Glaubens und der Hoffnung in der Welt nie erlischt. Abschließend, meine Lieben, möchte ich die Gedanken auf die neue Generation von Familien richten, die die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends überschreiten wird. Indem ich der Gottesmutter die Arbeit anvertraue, die dieser Päpstliche Rat zu ihrem Wohl vollbringt, erteile ich jedem von euch und allen, die einen so kostbaren kirchlichen Dienst mit euch teilen, mit lebhafter Zuneigung einen besonderen Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, den 29. September 1995 1162 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brüderliches Teilen ist ein Gebot gelebten Glaubens Botschaft an Roger Kardinal Etchegaray, Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum, anläßlich des ersten Treffens der Verantwortlichen für Advents- und Fastenaktionen, Aktionen der Solidarität, der Brüderlichkeit und der Nächstenliebe in Europa und Nordamerika vom 25. September An Herrn Kardinal Roger Etchegaray, Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum\ 1. Mit Freude richte ich beim ersten Treffen, das die Verantwortlichen der Advents- und Fastenaktion, der Aktionen der Solidarität, der Brüderlichkeit und der Nächstenliebe in Europa und Nordamerika in Rom zusammenführt, diese Botschaft an Sie. Ich danke Ihnen wie auch dem Sekretär des Päpstlichen Rates Cor Unum, Msgr. Ivan Marin, daß Sie dieses brüderliche Arbeitstreffen in die Wege geleitet haben. 2. In der heutigen Welt, in der mehr und mehr Menschen unter Armut leiden, ist Ihr Dienst, der darin besteht, die verschiedenen Aktionen zur Linderung der Not unserer Brüder und Schwestern und zur Förderung ihrer Entwicklung zu organisieren, von erstrangiger Bedeutung. Er ist ein Teil der gesamten Sendung der Kirche seit der Zeit der ersten christlichen Gemeinden. Wie der hl. Paulus sagt, sind ja nach dem Beispiel Christi, der „reich war“, und unseretwegen „arm wurde“, um uns „durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9), alle Christen berufen, sich an der Güterteilung zu beteiligen. Das ist im wahren Sinne des Wortes der Ausdruck des rechten Ausgleichs, der Gerechtigkeit, der Solidarität und mehr noch der Nächstenliebe, die über alles das ganze Leben der Jünger des Herrn kennzeichnet. Der hl. Matthäus berichtet uns seinerseits von den dringenden Aufforderungen Christi, von der Notwendigkeit, Almosen zu geben und im verborgenen zu beten und zu fasten (vgl. Mt 6,1-18). In den besonders intensiven Zeiten des geistlichen Lebens, wie im Advent und in der Fastenzeit oder zu irgendeiner anderen mit den Hirten vereinbarten Zeit, ist es wichtig, die Gläubigen zu Liebestaten Gott und gegenüber den Brüdern anzuregen, um der Bekehrung und der Buße, für die sie sich einsetzen wollen, verstärkt Ausdruck zu geben. Denn „wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht hebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“ (1 Joh 4,20). Die barmherzige Liebe ist ein echter, zur Ehre Gottes vollzogener Gottesdienst und eine Art und Weise, ihn immer mehr zu lieben (vgl. Phil 4,18; Hebr 13,16). Sie ist,Diebe zur Armut, das Mitempfinden und Mitleiden mit dem Nächsten als die größte Liebe. Durch gar nichts wird ja Gott so sehr geehrt wie durch Mitleid“ (hl. Gregor v. Nazianz, Über die Liebe zu den Armen, 5, in: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 59, München 1928, S. 276). „Den Bruder darfst Du nicht verachten, an ihm nicht vorübergehen“ (ebd., 21, in: a.a.O., S. 296)! Unsere Herzen können nicht wirklich im Frieden sein, solange wir wissen, daß es Menschen am Mi- 1163 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nimum des Lebensnotwendigen fehlt und sie nicht die materiellen Gmndlagen haben, die zu einem würdigen und anständigen Leben unbedingt notwendig sind. 3. Eure Mission ist ein wesentlicher Aspekt in der Pastoral eurer Diözesen und der Bischofskonferenzen eurer betreffenden Länder in Verbindung mit dem Päpstlichen Rat Cor Unum. Ich meinerseits schätze die Aufmerksamkeit, die ihr der Botschaft zur Fastenzeit entgegenbringt, die ich jedes Jahr an alle christlichen Gemeinschaften richte, und ich danke euch sehr für die große Mühe, die ihr euch gebt, um sie den Gläubigen bekanntzumachen - besonders auch dank des Einsatzes der sozialen Kommunikationsmittel. Ich fordere euch also auf, das auch weiterhin zu tun und eure Tätigkeiten noch zu verstärken, besonders indem ihr das Gewissen der Christen weckt und bildet in dem Sinn, daß sie ihren notleidenden Brüdern und Schwestern zu Hilfe kommen, „denn die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). 4. Ich freue mich, daß ihr bei den Aktionen, die ihr organisiert, die Gläubigen beharrlich immer wieder daran erinnert, daß es sich beim Teilen der Güter nicht einfach darum handelt, in dringenden Notfällen bestimmte Hilfen zu leisten, sondern daß es darum geht, ihren Glauben zu festigen und ihr geistliches Leben zum Wachsen zu bringen. Damit bietet ihr auch ein konkretes und erstrangiges Mittel zur Evangelisierung an. Denn unsere Zeitgenossen können ja durch unsere Werke das erbarmungsreiche Antlitz Gottes erkennen. Zeugnis geben durch die Verkündigung der Frohen Botschaft und zugleich durch das ganze Leben: das ist also eine wesentliche Forderung im christlichen Leben. 5. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte man nicht die besondere Rolle der Eltern und der Familie außer acht lassen. Dort ist es ja, wo man Aufmerksamkeit gegenüber den andern und miteinander Teilen lernt. Die Frauen, denen zumeist die tägliche Erziehung der Kinder obliegt, sind ganz besonders darum bemüht, Herz und Geist der jungen Menschen für die Not der Menschen um sie her zu öffnen. Durch die Aktionen, die ihr unternehmt, seid ihr darauf bedacht, im häuslichen Leben diese pädagogische Dimension des Familien- und des sozialen Lebens neu zu beleben und aufrechtzuhalten. Von euch unterstützt, werden die jungen Leute zugunsten anderer Mädchen und Jungen, die unter Armut und Unsicherheit leiden, mobil gemacht. So entdecken sie die Freude, die darin hegt, zu geben, ohne zu berechnen, und sich für die Bedürftigsten einzusetzen. Mögen sie einander diese tiefe Freude des echten Schenkens vermitteln, eine Freude, die mehr ist als bloßes Gefühl, denn sie kommt aus der Liebe Christi und aus der Gewißheit, als Nächster eines jeden seiner Brüder und Schwestern den guten Kampf zur Ehre Christi zu kämpfen! 6. Das Programm eurer Studientage weist insbesondere darauf hin, daß ihr über die Themen und die Organisation der karitativen Aktionen am Ende unseres Jahrtausends nachzudenken habt. Um dem Aufruf zur Bekehrung, zur Buße und zur 1164 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bekundung des Zeugnisses, wozu ich alle Katholiken zum Großen Jubiläum aufgefordert habe (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 42), mehr Nachdruck zu geben, möchte ich die karitativen Bewegungen insgesamt auffordem, allen christlichen Gemeinschaften einen Vorschlag zu gemeinsamem Vorgehen zu unterbreiten durch die Annahme eines einzigen Themas für das Unternehmen. Das wird ein besonders bedeutsames Mittel sein, um der Welt zu zeigen, daß Christus, der Ursprung unserer Einheit, auch der Ursprung und die Quelle unserer Liebe ist. Ich habe den Wunsch, diese Woche in Rom möge für euch eine Gelegenheit sein, euren Glauben und eure Sendung als engagierte Christen in der Welt und in der Kirche neu zu bestärken. Ich vertraue euch der Fürsprache des hl. Vinzenz von Paul an, des Patrons der karitativen Vereinigungen, dessen wir in diesen Tagen gedenken, und ich erteile euch wie auch allen, die hochherzig und oft als Freiwillige mit euch Zusammenarbeiten, von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt Ansprache an das Generalkapitel der Schwestern der Kongregation des hl. Paulus von Chartres am 30. September 1. Da seid ihr nun in Rom, um hier euer Generalkapitel zu halten, und in dieser bedeutenden Periode im Leben eurer Kongregation habt ihr die Bitte um eine Begegnung mit mir gestellt, um eure Treue zum Nachfolger des Petrus zu bekunden. Mit großer Freude empfange ich euch! In den Kapitularinnen erblicke ich die viertausend Schwestern vom heiligen Paulus von Chartres. Es ist ein wenig so, als ob mit euch die fünf Kontinente zusammen auf einen Schlag da wären. In jedem von ihnen haben ja eure hochgemuten Schwestern der früheren Generationen Häuser gegründet, um all den Aufforderungen nachzukommen, die seit drei Jahrhunderten an sie gerichtet wurden. Das nämlich ist das Jahresgedächtnis, das ihr begeht: Dreihundert Jahre sind verflossen, seit dem Tag, an dem Marie-Anne de Tilly und Abbe Louis Chauvet, vom Heiligen Geist angeregt und betroffen von dem Elend, auf das sie jeden Tag in den Dörfern der Ile-de-France stießen, den Entschluß faßten, all ihre Kräfte dem Dienst an den Ärmsten zu weihen. 2. Wie sollte man nicht dem Herrn danken für sein wunderbares Wirken? Er gibt das Dasein und das Wachsen. Wir sind immer in seiner Hand. Wenn wir handeln, so ist er es, der uns leitet, um uns seinem Reich entgegenzuführen. Wie es in der Präfation von den Heiligen heißt, krönt er in der Krönung ihrer Verdienste das Werk seiner Gnade. Wie sollte man, wenn man das Werk eurer Gründer betrachtet, nicht staunen über die Großmut, die sie entfaltet, das kraftvolle Wirken, das sie gezeigt und die Ausdauer, die sie bewiesen haben? Doch wie sollte man nicht 1165 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch sehen, daß Gott es war, der sie so handeln ließ und der sich ihrer bedienen wollte „zu seiner Ehre und zum Heil der Welt“? 3., Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“ {Phil 4,13). Es ist gut, dieses Wort eures heiligen Patrons in Erinnerung zu rufen, wenn man an das bis heute vollbrachte Werk denkt. Ja, seit dreihundert Jahren haben eure Schwestern, die nach und nach auf allen fünf Kontinenten Wurzel gefaßt hatten, über die Worte Christi beim letzten Abendmahl zu meditieren und sie in die Praxis umzusetzen gewußt: „... getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ {Joh 15,5). Ohne den, dem ihr euer Leben übergeben habt, wäre euer Zeugnis leer, euer Einsatz wertlos, euer Leben ohne Bedeutung. Aber dank eures Entschlusses, dank eurer treuen Beobachtung der drei evangelischen Räte der Armut, der ehelosen Keuschheit und des Gehorsams seid ihr Schwestern Jesu Christi geworden, ungeteilt hingegeben an den, von dem ihr einst mit Freude den Ruf vernommen habt: „Komm, ich werde die Wünsche deines Herzens erfüllen.“ 4. Setzt unermüdlich euer Bemühen um die Evangelisierung an den verschiedenen Orten, wo ihr schon begonnen habt, fort. Bei der unmittelbaren Verkündigung der Frohen Botschaft durch die Katechese bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen darf nichts versäumt werden, um den Geschmack am Gotteswort zu wecken. Der heilige Paulus war vielleicht der größte Katechet aller Zeiten. Er wird euch die Kraft geben, seine echten Zeuginnen zu sein, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2). Ihr kennt und meditiert die flammenden Worte, die in seinen Briefen glühen: „... ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen, außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten“ {1 Kor 2,2), oder auch: „... für mich ist Christus das Leben“ {Phil 1,21). Liebe Schwestern, der gekreuzigte und auferstandene Christus, der Herr Herrlichkeit selbst wird euch begleiten und führen und euch zu Aposteln der neuen Zeit machen für alle, die auf euren Weg gestellt werden. 5. Vom Glauben gedrängt zur Verkündigung des Glaubens, werdet ihr auch von der Liebe des Herrn angetrieben, die Liebe euren Schwestern und Brüdern gegenüber zu üben. Hier möchte ich auch all den karitativen Werken die Ehre geben, denen ihr euch mit ebenso großer Hochherzigkeit wie Zuständigkeit und Tüchtigkeit widmet. Eure Gründer hatten lange über das Wort Christi nachgedacht, das den Schlüssel des christlichen Handelns bildet: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). Gern komme ich bei diesem Generalkapitel vor euch auf diese Worte zurück. Gebt zuerst in jedem eurer Häuser und dann rings um euch her der geschwisterlichen Liebe den ersten Platz, den, der die Jünger Christi erkennen läßt. Schulen, Krankenhäuser, Dispensarien, Kliniken, Aufnahmezentren für Obdachlose - es gibt keinen Ort, an dem sich nicht die Liebe entfalten könnte, wo nicht das Gesicht des Bruders und der Schwester die Erinnerung an das Antlitz des Herrn wachrufen könnte. Dreihundert Jahre Praxis der Nächstenliebe geben euch eine unerhörte Kraft, um weiterhin in 1166 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Demut und der Freude des geschenkten Lebens jene Apostel der Liebe zu sein, deren unsere Welt so sehr bedarf. 6. Chartres, Cayenne, Guadaloupe und Martinique, Hongkong, Madagaskar, Borneo, Korea, Vietnam, die Liste der Länder und der Städte, in denen ihr Fuß gefaßt habt, um Gründungen zu machen, ist lang. Vor euch, meine lieben Schwestern, öffnet sich ein ausgedehntes Tätigkeitsfeld. Die ganze Welt ist, wie ich eingangs sagte, ein einziges Missionsland. Und ihr seid darin die Dienerinnen des göttlichen Sämanns, die Freundinnen des Bräutigams, die der Meister bei seiner Rückkehr wachend finden wird. Ich danke euch für das Zeugnis, das ihr bisher gegeben habt, und ich möchte euch ermutigen, unermüdlich damit fortzufahren im Vertrauen auf Christus, den Erlöser, der täglich zu jedem Christen sagt: „... habt Mut: Ich habe die Welt besiegt!“ (Joh 16,33). Der heilige Paulus sei euer Waffengefährte, er, der Athlet Christi, der bis ans Ende „den guten Kampf kämpfte“ (vgl. 2 Tim 4,7)! Maria, die Mutter des Erlösers, führe euch zu den Ärmsten, den Bedürftigsten, zu all denen, die euch erwarten und nicht wagen, den Kopf zu erheben! Seid sicher, daß der Papst mit euch rechnet, und daß er euch in eurer edlen Sendung im Dienst Christi und der Kirche begleitet! Damit der Herr euch in eurem Ordensleben und in eurem Wirken unterstütze, gebe ich euch von ganzem Herzen meinen apostolischen Segen, und ich weite ihn aus auf alle eure Schwestern, auf eure Familien und auf alle, die euch anvertraut sind. Neue Selige — Reichtum an Gnade und Heiligkeit für die ganze Kirche Predigt zu den Seügsprechungen am 1. Oktober 1. „Lobe den Herrn, meine Seele“ (Ps 145/146,1). So lädt die Kirche mit den Psalmworten gerade heute, am Tag der Seligsprechung der Märtyrer ein, die in der Französischen Revolution und zur Zeit des Bürgerkrieges in Spanien das Blutzeugnis ihrer Treue zu Christus abgelegt haben. Das Martyrium ist eine besondere Gabe des Heiligen Geistes: ein Geschenk für die ganze Kirche. Es findet seine Krönung in der heutigen Liturgie der Seligsprechung, bei der wir in besonderer Weise die Gott Ehre geben: „Dich lobt der Märtyrer leuchtendes Heer.“ Gott, der durch einen feierlichen Akt der Kirche - die Seligsprechung - ihre Verdienste krönt, offenbart gleichzeitig die Gnadengabe, die er ihnen verliehen hat: „In der Krönung ihrer Verdienste krönst du das Werk deiner Gnade“ (Missale Romanum, 1. Präfation von den Heiligen). 2. In diesen neuen Seligen offenbart sich in besonderer Weise Christus: der Reichtum seines Ostergeheimnisses von Kreuz und Auferstehung. , Jesus Christus ... Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). 1167 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das sind die Namen der Märtyrer, die die Kirche heute zur Ehre der Altäre erhebt und als reife Frucht des österlichen Erlösungsgeheimnisses den Gläubigen zur Verehrung vorstellt: Anselmo, Felipe, Pedro Ruiz, Jean Baptiste, Dionisio, Pietro, Carlos, Fidel, Jesus, Schwester Angeles, Vicente und die ganze Schar der Gefährten und Gefährtinnen im Martyrium. Im folgenden wechselte der Papst über auf die spanische Sprache: 3. „Du aber, ein Mann Gottes ... Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“ (1 Tim 6,11 f.). Diese Worte des Apostels Paulus haben sich in den neuen Seligen Anselmo Polanco, Bischof von Teruel, und Felipe Ripoll, seinem Generalvikar, erfüllt. Anselmo Polanco, Augustiner, wählte als Leitspruch für sein Bischofswappen: „Ich aber will sehr gern alles aufwenden und mich für euch aufreiben“ (2 Kor 12,15). Am Tag der Einführung in seine Diözese stellte er sich mit folgenden Worten vor: „Ich bin gekommen, um das Leben für meine Schafe hinzugeben.“ Darum wollte er zusammen mit Felipe Ripoll inmitten der Gefahren bei seiner Herde bleiben, und nur mit Gewalt wurde er von ihr getrennt. Vor die Alternative gestellt, den Glauben aufzugeben oder für ihn zu sterben, legten sie, gestärkt durch die Gnade Gottes, ihr Los in Gottes Hände. Die Märtyrer verzichteten darauf, sich zu verteidigen, nicht, weil sie das Leben geringschätzten, sondern wegen ihrer allumfassenden Liebe zu Jesus Christus. Heute freuen sich die Gläubigen von Teruel und Palencia und die Augustiner mit der ganzen Kirche über diese Seligsprechung. 4. „Du aber, ein Mann Gottes, ... Strebe unermüdlich nach ... Frömmigkeit“ (1 Tim 6,11). Die neun Mitglieder der Priesterbruderschaft vom Herzen Jesu, die, mit Pedro Ruiz de los Panos y Angel an der Spitze, heute seliggesprochen werden, wurden gemartert, nachdem sie ihrem Charisma entsprechend in der Ausbildung der zukünftigen Priester in verschiedenen Seminaren Spaniens und Mexikos gearbeitet hatten. Ihr Leben, in der Weiterführung des apostolischen Eifers des Seligen Manuel Domingo y Sol von tiefer priesterlicher Spiritualität zur Förderung der Berufungen geprägt und mit der Palme des Martyriums vollendet, erinnert uns an die Dringlichkeit dieses Apostolates. Pedro Ruiz de los Panos bereicherte die Kirche ferner durch die Gründung der „Discipulas de Jesus“, die sich dem Berufungsapostolat widmen. Meine Freude über diese Ordensfrauen verbindet sich mit der Freude der Kirche in Kastilien und Katalonien und der Gemeinschaft in Valencia, den Heimatgebieten der neuen Seligen. 5. „Du aber, ein Mann Gottes, ... Strebe unermüdlich nach ... Standhaftigkeit“ C1 Tim 6,11). Der Schulorden der „regulierten Kleriker der frommen Schule“ (Pia-risten) schaut heute auf vierzehn seiner Mitglieder in der himmlischen Herrlich- 1168 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keit: Pater Pietro Casani, erster Gefährte des heiligen Joseph von Calasanza, und dreizehn Märtyrer aus der Religionsverfolgung in Spanien im Jahre 1936. Petrus Casani, geboren in Lucca, schloß sich 1614 Joseph von Calasanza an, um die römischen Rinder „in der Frömmigkeit und im Lesen und Schreiben zu unterrichten“. Aufgeschlossen für die Nächstenliebe und voll Eifer für die Erziehung der armen Kinder, wiederholte er vor seinem Tod: „Die Geduld und das Gebet bringen viel fertig“ (Brief v. 22.09.1646). Dionisio Pamplona und seine Martyrergefährten sind nicht Helden eines menschlichen Krieges, sondern Jugenderzieher, die als Ordensleute und Lehrer ihrem tragischen Los als echte Glaubenszeugen gegenübertraten und mit ihrem Martyrium die letzte Lektion ihres Lebens erteilten. Mögen ihr Beispiel und ihre Fürbitte der ganzen calasanzischen Familie zugute kommen! 6. „Du aber, ein Mann Gottes, ... Strebe unermüdlich nach ... Sanftmut“ (1 Tim 6,11). Die Märtyrer der „Gesellschaft Mariens“ (Maristen), Carlos Erana, Fidel Fuido und Jesus Hita folgten Christus durch ihren Glauben und ihren Einsatz für die christliche Erziehung der Kinder und Jugendlichen, bis zur Opferhingabe ihrer selbst. Als Maristen waren sie in großer Liebe der heiligen Jungfrau zugetan, und im Lauf ihres Lebens erfuhren sie Mariens besonderen Schutz. Mit Sanftmut gingen sie dem Martyrium, der Besiegelung ihrer vollkommenen Hingabe an Jesus und Maria entgegen. Wie andere, die ihnen vorangegangen sind, erwiesen sie im Sterben Vergebung, überzeugt, daß sie damit Christus selbst nachfolgten. Mögen die kirchlichen Gemeinschaften in den Gebieten von Vasco und La Rioja, aus denen die neuen Seligen stammen, und in dem von Ciudad Real, der Erde, die sie mit ihrem Blut tränkten, fest bleiben im Glauben, den die Märtyrer lebten, lehrten und mit ihrem Blut bezeugten. 7. „Strebe unermüdlich nach ... Liebe!“ (1 Tim 6,11). Dieser Aufforderung des hl. Paulus kamen bis zur letzten Erfüllung im Martyrium Mutter Angeles de San Jose Lloret Marti und sechzehn Schwestern von der Christlichen Lehre nach. Als die einzelnen Gemeinschaften der Kongregation in die Zerstreuung gehen mußten, versammelte Mutter Angeles de San Jose diejenigen, die keine Familienangehörigen oder Freunde hatten, die sie aufnehmen konnten, in einer Wohnung. Dort entdeckten sie, in Liebe schwesterlich zusammenlebend, wie Verfolgung, Armut und Leiden auch Wege sind, die zu Gott führen. Diese Schwestern praktizierten das, was sie so oft im Katechismusunterricht gelehrt hatten. Sie verbrachten ihre letzten Monate mit Näharbeiten für diejenigen, die ihrem Leben ein Ende machten. Ihr Tod, den sie damals erlitten, und die Herrlichkeit, deren sie sich jetzt erfreuen, verkünden die Macht des Auferstandenen und die Notwendigkeit, sich der Aufgabe der Evangelisierung zu widmen. Mit ihnen wird das Martyrologium der Gemeinden von Valencia und Katalonien um neue Namen bereichert. 1169 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. „Du aber, ein Mann Gottes, ... Strebe unermüdlich nach Gerechtigkeit“ (1 Tim 6,11). Bereichert wird das Martyrologium von Valencia ferner, da zu ihm auch Manises, die Geburtsstadt des Seligen Vicente Vilar David gehört. Bei ihm bildete das Martyrium den krönenden Abschluß eines Lebens, das in totaler Hingabe ganz Gott, dem Nächsten und der Förderung der Gerechtigkeit in der Welt der Arbeit, in besonderer Weise in der Keramikschule und in der Arbeitgeberschaft der Sozialen Aktion, gewidmet war. Das Gebet und seine große Verehrung der Eucharistie waren die stete Nahrung für sein Leben, und so war auch seine Arbeit von der Gegenwart Gottes geprägt. Der Ehestand, die Berufsarbeit und die den Menschen in der Welt eigenen Tätigkeiten sind Wege, die zur Heiligkeit führen, wenn sie mit der Aufrichtigkeit und Hingabe gelebt werden, wie sie dem Evangelium entsprechen und die Taufe sie fordert. Auf französisch fuhr der Papst fort: 9. Heute morgenliebe Brüder und Schwestern, kehren unsere Gedanken zurück zu vierundsechzig französischen Priestern, die mit hunderten anderen Menschen auf den „Pontons von Rochefort“ starben. Wie der hl. Paulus dem Timotheus zuredete, so haben sie „den guten Kampf des Glaubens gekämpft“ (vgl. 1 Tim 6,12). Sie hatten einen langen Kreuzweg zu gehen, auf dem sie ihrem Glauben und der Kirche treu blieben. Wenn sie starben, so deshalb, weil sie bis zum Ende dabei blieben, ihre enge Verbundenheit mit Papst Pius VI. zu bekräftigen. In tiefer moralischer Einsamkeit lag es ihnen am Herzen, den Geist des Gebetes aufrechtzuerhalten. „Unter qualvollen Schmerzen“ (vgl. Lk 16,23) von Hunger und Durst, hatten sie kein Wort des Hasses gegen ihre Peiniger. Langsam ließen sie sich dem Opfer Christi gleichgestalten, das sie kraft ihrer Priesterweihe feierten. Nun sehen wir sie vor unseren Blicken hingeopfert als lebendiges Zeichen der Macht Christi, der in der menschlichen Schwachheit handelt. Am Grund ihres Elends haben sie den Geist des Verzeihens bewahrt. Die Einheit des Glaubens und die Einheit ihres Vaterlandes erschienen ihnen wichtiger als alles. Wir können nun mit Freude die Worte der Heiligen Schrift aufgreifen: Die Seelen dieser Gerechten sind in Gottes Hand. „... ihr Heimgang gilt als Unglück, ihr Scheiden von uns als Vernichtung; sie aber sind in Frieden“ (Weish 3,2 f.). Abschließend kam der Papst auf die italienische Sprache zurück: 10. „Du aber, ein Mann Gottes, flieh vor all dem. Strebe unermüdlich nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist und für das du vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis abgelegt hast“ (7 Tim 6,11 f.). Das Bekenntnis des Glaubens, das diese neuen Seligen mit der Hingabe ihres Lebens abgelegt haben, führt, wie der Apostel bekräftigt, zur besonderen Bindung 1170 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eines jeden Zeugen (Märtyrers) an Christus, der der erste Zeuge (Martyr) „vor Pontius Pilatus“ (1 Tim 6,13) war. 11. Christus selbst, der einzige Herr des ganzen Universums, der König der Könige und der Herr der Herren (vgl. Offb 17,14), ist der Ruhm der Märtyrer. Er ist es, „der allein die Unsterblichkeit besitzt, der in unzugänglichem Licht wohnt“ (1 Tim 6,16). „Ihm gebührt Ehre und ewige Macht“ (ebd). Ihm, der für uns arm geworden ist, um uns reich zu machen durch seine Armut, sei Herrlichkeit und Ehre in den neuen Seligen Märtyrern, die heute einen neuen Reichtum an Gnade und Heiligkeit für die ganze Kirche bilden. Lebensschutz ist logische Konsequenz der Menschenwürde Ansprache an die Teilnehmer am Weltkongreß der Bewegungen für das Leben am 3. Oktober Meine Herren Kardinale, liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Mit großer Freude heiße ich euch willkommen anläßlich dieses Weltkongresses. Dieses Treffen ist eine der ersten einhelligen Antworten auf das Erscheinen der Enzyklika Evangelium vitae, des Dokuments, durch das ich mich nicht nur an die Gläubigen der Kirche wenden wollte, sondern an das ganze „Volk des Lebens“ (vgl. Nr. 101). Einen besonderen Willkommensgruß möchte ich an Kardinal Alfonso Lopez Trujillo richten, den Präsidenten des Päpstlichen Rats für die Familie, und ich danke ihm für die Worte, die er an mich gerichtet hat. Ebenfalls grüße ich Kardinal Fio-renzo Angelini, Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, Msgr. Elio Sgreccia, Vizepräsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, die nationalen und internationalen Verantwortlichen der Bewegungen für das Leben und euch alle, die ihr eure Arbeit so großzügig in den Dienst dieser Bewegungen stellt. Herzlich möchte ich außerdem die Vertreter der „pro life“-Organisationen begrüßen, die auf der ganzen Welt tätig sind. Ich freue mich, daß der Päpstliche Rat für die Familie diese große Versammlung einberufen hat. Eure Anwesenheit ist ein bedeutungsvolles Zeugnis der Dinge, für die alle Bewegungen für das Leben auf der ganzen Welt stehen: über hundert Organisationen, von denen manche auch auf internationalem Niveau tätig sind, mit einer Tradition des Engagements und der Werke, die ein starkes Bollwerk zum Schutz des Lebens darstellen. Die Initiative des Päpstlichen Rats für die Familie, euch zu diesem Kongreß einzuladen, um über die Enzyklika Evangelium vitae nachzudenken, bestätigt die Über- 1171 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einstimmung, die zwischen der Lehre der katholischen Kirche und den Zielsetzungen eurer Bewegungen besteht. Aus diesem Treffen wird diese Einhelligkeit bestärkt hervorgehen, und sie wird auf der ganze Erde eine größere Wirksamkeit entfalten, vor allem was die Strategien und die Einigkeit der Absichten betrifft. 2. Die Veröffentlichung der Enzyklika Evangelium vitae war sicherlich ein historischer Einschnitt im Einsatz für das Leben, vor allem im Rahmen der Pastoraltätig-keit der Kirche. Das Evangelium für das Leben fordert unmißverständlich, daß die Lehre über den unantastbaren Wert des menschlichen Lebens in all seinen Phasen und Zuständen immer mehr zu einem wesentlichen Teil der Evangelisierung werde. Die örtlichen Gemeinschaften, die Diözesen, die Gemeinden, Verbände und Bewegungen müssen sich intensiv für die Förderung und Verteidigung des menschlichen Lebens einsetzen. Wie im vierten Artikel der Enzyklika (vgl. Nm. 87-91) vermerkt ist, ist es zu wünschen, daß innerhalb der pastoralen Einrichtungen Stellen und Gruppen entstehen, die sich speziell mit diesem Ziel befassen. Das Leben zu verkünden, es zu feiern und ihm zu dienen, ist die Aufgabe der Kirche in ihrer gewöhnlichen und ständigen pastoralen Tätigkeit. Als Mitglieder der Bewegungen für das Leben seid ihr aufgrund eurer besonderen Autonomie als Laien und Bürger auch auf ziviler und politischer Ebene tätig. Diese eure Arbeit entbindet keine der kirchlichen Gemeinschaften von ihrer Pflicht, ihrer pastoralen Rolle zugunsten des Lebens gerecht zu werden. Es handelt sich um zwei sich ergänzende Unternehmen, die harmonisch Zusammenarbeiten müssen, denn dies wird für die Kirche selbst und die ganze Gesellschaft nur von Vorteil sein. Dieses aufeinander abgestimmte Handeln der pastoralen Einrichtungen und der Bewegungen für das Leben wird durch die Tatsache gerechtfertigt, daß das Leben, das einen grundlegenden Wert in jeder Gesellschaft darstellt, nur im Licht des Glaubens seine volle Bedeutung offenbart. 3. Der jetzt beginnende Zeitabschnitt wird deshalb eine neue und reichere Phase voller Arbeit und Einsatz sein, weil die Kirche aus der ihr eigenen Warte sich noch stärker für die Verkündung, die Heiligung und den täglichen Dienst an der Familie und am Leben einsetzen wird. Es ist allen klar, daß die Verteidung des Lebens nicht nur die private Moral eines jeden angeht, sondern daß es sich auch um eine soziale und politische Frage handelt; mehr noch, dieses Problem stellt sogar die Daseinsberechtigung der politischen Gesellschaft auf die Probe. Daraus folgt, daß der Einsatz zur Verteidigung des Lebens sich in friedfertigem, überzeugtem und gemeinsamem Handeln auch auf der Ebene der Sitten, der Kultur und der Gesetzgebung widerspiegeln muß. Der Sieg der Wahrheit und des Lebens gehört schon zur Heilsgeschichte: Es obliegt allen Kräften, die sich an der Achtung der Menschenwürde orientieren, sie in die Geschichte der Menschheit einzuschreiben. 1172 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Dieser vermehrte und ausgedehnte Einsatz ist vor allem für jene neuen Probleme nötig, die sich aus dem Fortschritt der medizinischen Wissenschaften und aus der Anwendung von bevölkerungspolitischen Maßnahmen ergeben. Heute zieht nämlich eine ganze Reihe von charakteristischen Themen der Bioethik, die für die ganze Geschichte der Menschheit von enormer Wichtigkeit sind, unsere Aufmerksamkeit auf sich. Das ethische Engagement zugunsten des Lebens in all seinen Phasen dehnt sich heute darauf aus, das genetische Erbe des Menschen vor jeder Änderung oder Auslese zu schützen, das Wesen der ehelichen Liebe und der Fortpflanzung zu erhalten, nach Gerechtigkeit und Billigkeit bei der Verwendung von Mitteln für das Gesundheitswesen zu suchen und, nicht zuletzt, das Gleichgewicht in unserer Umwelt zu schützen. Es handelt sich um die Verpflichtung für das Leben und die Gesundheit, für die Organisation des öffentlichen Gesundheitswesens, vor allem in den Entwicklungsländern, und es handelt sich auch um das Überleben der Menschheit angesichts der Drohungen, die von Atomwaffen, chemischen Waffen und von den Möglichkeiten genetischer Mutation ausgehen. Im Hinblick auf eine solche Vielfalt von alten und neuen Aktionsfeldern, auf denen sich mitunter „wissenschaftlich und systematisch geplante Bedrohungen“ abzeichnen können (Evangelium vitae, Nr. 17), ist es notwendig, die Kräfte zu sammeln, die zur Verfügung stehende Intelligenz zu bündeln und gemeinsame, harmonische und wirksame Strategien zu erarbeiten. 5. Der Horizont, den eure Sendung ins Auge faßt, ist wirklich sehr breit: Er erstreckt sich auch darauf, den unersetzlichen Wert der Erziehung der Jugendlichen und der Familien zur wirklichen, treuen und keuschen Liebe ins Bewußtsein zu rufen. Es ist unrealistisch, glauben zu wollen, daß sich eine Kultur des Lebens durchsetzen kann ohne eine ernsthafte Erziehung des Gewissens, besonders wenn die Menschen sich gefühlsmäßig nicht wirklich an den Werten der Familie orientieren. Dies sind nämlich Grundvoraussetzungen, die sich in einer echten Strategie zum Schutz des Lebens als immer wichtiger heraussteilen. In diesem Kontext sind die beiden Begriffe „Familie“ und „Leben“ untrennbar miteinander verknüpft; in gleicher Weise erweist sich die treue und keusche Liebe als erste Ebene und unerläßliche Bedingung für die Kultur des Lebens. 6. Diese Verpflichtungen, die die Ziele eurer Strategie sind, verlangen eine gute Vorbereitung hinsichtlich medizinischer, ethischer, rechtlicher und sozialer Themen. Der Kampf zur Verteidigung des Lebens kann nur gewonnen werden, wenn der Enthusiasmus und der Mut derer, die sich dafür stark machen, mit einer spezifischen Ausbildung in den obengenannten Bereichen gepaart sind. Es wird vor allem eine gute Bildung auf dem wichtigen Gebiet der Bioethik verlangt; dies betrifft in erster Linie die ärztlichen und pflegerischen Berufe, aber auch jeden einzelnen Bürger. 1173 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die dafür zuständigen kirchlichen Einrichtungen sind vor kurzem um die Päpstliche Akademie für das Leben erweitert worden, die entstanden ist, um im Einklang mit dem Päpstlichen Rat für die Familie und dem Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst tätig zu werden. Der Beitrag all dieser Institutionen kann seinerseits eine unverzichtbare Stütze für das gemeinsame Handeln zum Schutz des Lebens darstellen. Innerhalb eurer Bewegung wird die Arbeit der Intellektuellen, der Juristen und der Mediziner einzigartig kostbar sein. Gleichermaßen unentbehrlich ist auch der Beitrag der Erzieher von Jugendlichen sowie der Verantwortlichen für erzieherische Bewegungen, wenn sie sich selbst als erste mit den unabdingbaren Erfordernissen der Moral zur Verteidigung des Lebens ausreichend auseinandergesetzt haben. Ich fordere euch auf, vor allem die Heranwachsenden und die Jugendlichen an den Schulen mit besonderer Aufmerksamkeit zu begleiten, damit sie eine angemessene Darstellung der moralischen, bürgerlichen und religiösen Werte erhalten, die mit der Würde der menschlichen Person und mit dem Schutz und der Förderung des Lebens verbunden sind. Genauso dringend notwendig ist die Aufmerksamkeit auf die Arbeit der Parlamente. Dort tauchen nämlich gesetzgeberische Orientierungen im Bereich des bioethischen Rechts und des Schutzes der Körperlichkeit des Menschen und der Familie auf, die durchaus Sorge bereiten. Alle diejenigen, denen die Menschenwürde und das zukünftige Schicksal der Menschheit am Herzen liegen, dürfen in ihrer Kontrolle und aktiven Wachsamkeit nicht nachlassen. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Die Solidarität der Kirche und aller Menschen guten Willens unterstützt euch in eurer äußerst wichtigen Aufgabe der Erziehung, Förderung und Verteidigung des Lebens. Eure Kraft steckt in der Wahrheit, die ihr bezeugt, aber die Auswirkungen eurer Tätigkeit hängen zum großen Teil von der einstimmigen Harmonie eurer Bestrebungen ab. Ich spreche euch und allen, die in den von euch vertretenen Bewegungen arbeiten, meine herzlichsten Glückwünsche aus und rufe auf alle den Segen des Herrn des Lebens herab. Erzieherische Arbeit für ein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens Botschaft an die Mitglieder des Kapitels der Römischen Vereinigung des Ordens der Heiligen Ursula vom 12. Oktober Liebe Ursulinenschwestem, 1. Mit Freude empfange ich euch anläßlich eures Generalkapitels. Ich richte an jede von euch einen herzlichen Gruß, vor allem an eure Generaläbtissin, Schwester Colette Lignon. Meine Gedanken gehen in diesem Augenblick an alle zahlrei- 1174 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen Gemeinschaften eures Ordens, der in den fünf Kontinenten vertreten ist. Ich danke dem Herrn für eure Gegenwart in der Kirche und bitte ihm, euch zu helfen, eure Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, nämlich als „Töchter der Heiligen Angela, angesichts der Herausforderungen der Welt, auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert“ wie das Thema eurer Kapitelversammlung besagt. Seid also treue Töchter der hl. Angela Merici, so daß ihr im Charisma eurer Gründerin eine erneuerte Inspiration finden könnt. Ihre geistige und kirchliche Erfahrung spielte sich in Italien in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ab, aber ihre grundlegenden Einstellungen sind auch heute für euch immer noch wesentlich. Christus war für Angela das Zentrum von allem: Sie hatte sich ihm mit ganzem Herzen und ohne jeden Vorbehalt geweiht. Sie hatte verstanden, daß Christus selbst der Weg war, auf dem man die Heranwachsenden begleiten mußte, um sie zur Reifung zu bringen, so wie es ihr in ihrer Jugend die Vision von der Himmelsleiter des Patriarchen Jakobus eingegeben hatte: Sie hatte gesehen, wie eine große Zahl junger Mädchen mit den Engeln zum Himmel hinaufstieg. Ihr Werk kam einem Bedürfnis entgegen, das in der damaligen Zeit besonders spürbar war und auch heute noch aktuell ist: In der Tat breitete sich im Laufe der Renaissance wie in der heutigen Zeit eine Art von Neuheidentum aus; in der heutigen Zeit wird diese Tendenz durch den Einfluß der Medien noch verstärkt. Es ist darum umso wichtiger, eine ernsthafte erzieherische Arbeit voranzubringen, vor allem zugunsten der jungen Frauen, die aufgerufen sind, in der Gesellschaft eine entscheidende Rolle zu spielen, beginnend mit ihrer Funktion in der Familie, die die Zelle des Lebens ist und bleibt. 2. Dies führt uns zum zweiten Aspekt Eures Themas: Ursuline zu sein heißt, wie Angela und in ihrer Nachfolge, „in Mission zu sein, angesichts der Herausforderungen der Welt“. Was sind die Herausforderungen der heutigen Welt? Das Zweite Vatikanische Konzil hat sie in seiner Konstitution Gaudium et spes, deren dreißigsten Jahrestag wir nächstes Jahr feiern werden, gut hervorgehoben. Das päpstliche Lehramt hat in den vergangenen Jahren nie aufgehört, die darin enthaltenen Grundsätze immer wieder aufzugreifen und näher zu bestimmen, mit dem Ziel, die Sendung der Kirche auf ihrem Weg durch die schnellen Änderungen unserer Epoche klarzustellen. Liebe Schwestern, ich möchte Euch gegenüber die dringenden Herausforderungen wiederholen, die sich in genau den Bereichen stellen, in denen Ihr zur Tätigkeit aufgerufen seid. Ich denke an die Gleichgültigkeit gegenüber der religiösen Erfahrung, eine Gleichgültigkeit, die nichts natürliches hat, sondern die von kulturellen Einflüssen und Zwängen verursacht wird. Ich denke an die Verwirrung hinsichtlich moralischer Werte, was dazu führen kann, daß die Fähigkeit, objektiv das Gute vom Bösen zu unterscheiden, immer mehr abnimmt. Ich denke an die Krise der Familie und an die Widersprüche, die man auf dem Gebiet des Schutzes und der Förderung des menschlichen Lebens feststellen kann. 1175 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr wißt wohl, daß sich die Kirche an all diesen Fronten stark engagiert. Ich selbst habe des öfteren und besonders in diesem Jahr wiederholt, daß die Frauen bei der Annahme dieser Herausforderungen eine wesentliche Rolle spielen. Es ist deshalb offensichtlich, daß in dieser sozialen, kulturellen und kirchlichen Situation das Zeugnis der hl. Angela Merici und ihrer geistigen Töchter ihren ganzen Wert beibehält. Die Entwicklung eures Ordens auf der ganzen Welt ruft euch auf, diese Probleme auf konkrete Art und Weise zu untersuchen und euch dafür einzusetzen, daß in euren verschiedenen Arbeitslagen die Antworten zu diesen Problemen gefunden werden. Es besteht allerdings kein Zweifel, daß diese großen Herausforderungen sich inzwischen auf die ganze Welt ausgedehnt haben. Für die Förderung der jungen Generationen auf der Grundlage eines ganzheitlichen christlichen Konzepts tätig zu sein, bedeutet deshalb gleichzeitig, für das Wohl jedes menschlichen Wesens und der ganzen Menschheit zu wirken. 3. Das Thema eures Generalkapitels beinhaltet auch einen dritten Aspekt: eure Verantwortung der Generation gegenüber, die die Schwelle zum nunmehr bevorstehenden 21. Jahrhundert überschreiten wird. Liebe Schwestern, ich fordere Euch auf, diesem wichtigen Moment unserer Geschichte im Glauben und in christlicher Hoffnung entgegenzutreten und darin einen Aufruf der göttlichen Vorsehung zu erkennen, eine Einladung, mit erneuertem Eifer im Weinberg des Herrn zu arbeiten, für sein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. In diesem Kontext möchte ich euch dazu ermutigen, eure erzieherische Aufgabe mit Enthusiasmus weiterzuführen. Angesichts der Herausforderungen der Welt auf der Schwelle zum Jahr 2000 hätte Angela Merici sicherlich mit euch dieselbe Wahl getroffen wie sie es in der Mitte des zweiten Jahrtausends getan hatte: nämlich zu beschließen, sich Christus zu weihen und in seinem Namen auch den jungen Generationen, sodaß die Männer und Frauen des 21. Jahrhunderts fest im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe sein mögen und daß sie, von den Tugenden des Evangeliums geprägt, ihren Platz in ihren Familien und ihrem beruflichen Leben richtig ausfüllen mögen. Abschließend möchte ich ein besonderes Gebet an den Herrn richten, durch die Fürsprache der Heiligen Jungfrau Maria, der hl. Ursula und der hl. Angela Merici: Der Heilige Geist möge euch in euren Entscheidungen erleuchten, er möge euch die Kraft geben, sie zur Ehre Gottes in die Tat umzusetzen, und er möge euch daran erinnern, daß Gott dank dem Ostergeheimnis Christi im lebendigen Menschen verherrlicht ist. Damit die Gnade des Herrn euch auf eurem Weg begleitet und unterstützt, spende ich euch von Herzen den Apostolischen Segen, euch allen und allen Gemeinschaften der Römischen Vereinigung des Ordens der hl. Ursula. Aus dem Vatikan, am 12. Oktober 1995 Joannes Paulus PP. II 1176 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kulturgüter als Ausdruck des Glaubens und Beitrag zum Dialog der Kirche mit der Menschheit Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer der Ersten Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche am 12. Oktober Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht“ (Phil 4,8). Mit diesen Worten des Apostels Paulus grüße ich euch alle ganz herzlich, liebe Mitglieder der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche, die ihr hier zum erstenmal zur Vollversammlung zusammengekommen seid: sechs Jahre nach Abfassung der Apostolischen Konstitution Pastor bonus, jener Konstitution, die euer junges Dikasterium ins Leben gerufen hat, und drei Jahre nach der Aufwertung, die dieses durch das Motu proprio Inde a Pontificatus Nostri initio erfahren hat. Besonders grüßen möchte ich euren Präsidenten, Erzbischof Francesco Marchi-sano, und ihm für die Worte danken, mit denen er soeben ein knappes, aber doch wirkungsvolles und klares Bild der in diesen Jahren bereits erbrachten Aktivitäten entworfen hat. 2. Diese Begegnung bietet mir die willkommene Gelegenheit, die Bedeutung der Kulturgüter im Ausdruck und in der Inkulturation des Glaubens wie auch im Dialog der Kirche mit der Menschheit hervorzuheben. In meinem Amt als Bischof von Rom habe ich stets ein offenes und vertrauensvolles Verhältnis mit der Kultur- und Kunstwelt unterhalten und habe auch immer versucht, diese Einstellung während meiner Pastoralbesuche den verschiedenen, auf dem Erdkreis verbreiteten Kirchen nahezubringen. Kultur und Kunst sind einander zugeordnet und offenbaren sich gegenseitig. Es gibt ja keinen Augenblick in der Geschichte, der wohl reich an Kultur ist, aber nicht von blühender künstlerischer Produktion gekennzeichnet wäre; und ebensowenig gibt es künstlerisch fruchtbare Zeiten, die nicht einen umfassenden kulturellen Reichtum zur Grundlage hätten. Aber auch zwischen Religion und Kunst, zwischen Religion und Kultur sind die Bande eng geknüpft. Unzählbar sind die Geisteswerke und die Kostbarkeiten der Kunst, die Inspiration aus den religiösen Werten beziehen. Und allen ist der Beitrag bekannt, den der religiöse Sinn aus den künstlerischen und kulturellen Schöpfungen erfährt, die der Glaube der christlichen Generationen im Lauf der Jahrhunderte nach und nach errichtet hat. Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang auch die Worte aus Gaudium et spes, die ich im Motu proprio Inde a Pontificatus Nostri initio zitiert habe: „Auf ihre Weise sind auch Literatur und Kunst für das Leben der Kirche von großer Bedeutung ... Durch angestrengtes Bemühen soll erreicht werden, daß die Künstler das 1177 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bewußtsein haben können, in ihrem Schaffen von der Kirche anerkannt zu sein, und daß sie im Besitz der ihnen zustehenden Freiheit leichter zum Kontakt mit der christlichen Gemeinde kommen“ (Gaudium et spes, Nr. 62). 3. In diesen ersten Jahren des Bestehens eurer Päpstlichen Kommission hat es mir nicht an Gelegenheiten gefehlt, deren wichtigste Initiativen zu verfolgen und ihrer Entwicklung eine Richtung zu geben. Und eine Entwicklung gab es durchaus. Ziemlich bald hat sich das im früheren Namen eurer Kommission vorkommende Wort „conservatio“ (Erhaltung) deutlich als ungeeignet herausgestellt, da es einschränkend und statisch wirkt: Will man die Kulturgüter der Kirche in die Dynamik der Evangelisierung einbeziehen, so darf man sich nicht darauf beschränken, sie unversehrt und geschützt zu erhalten; es ist auch notwendig, sie auf organische und umsichtige Weise zu fördern, um sie in die vitalen Kreisläufe der kulturellen und pastoralen Aktion der Kirche zu integrieren. Die jetzt verwendete Diktion „für die Kulturgüter der Kirche“ bringt die Zielsetzungen eurer Einrichtung besser zum Ausdruck. Liest man die verschiedenen Dokumente, die in diesen Jahren veröffentlicht wurden, so entdeckt man ein wirklich eigentümliches Glossar, das geschaffen wurde, um die Aktionen oder Dimensionen der Sorge der Kirche für die Kultur- und Kunstgüter aufzuzeigen. Es sind Begriffe von inhaltsreicher Bedeutung und Künder des Engagements für alle, denen die Werte der humanen und religiösen Kultur am Herzen liegen. In diesem Kontext wollte man dem Begriff „Kulturgut“ selbst eine präzise Bedeutung und einen unmittelbar verständlichen Inhalt geben, indem man darin vor allem das künstlerische Erbe der Malerei, der Bildhauerei, der Architektur, der Mosaikkunst und der Musik, in den Dienst der Sendung der Kirche gestellt, erfaßte. Diesen sind sodann die in den kirchlichen Bibliotheken enthaltenen Buchbestände und die historischen Dokumente, die in den Archiven der kirchlichen Gemeinschaften aufbewahrt werden, hinzuzufügen. In diesen Bereich gehören schließlich die Werke der Literatur, des Theaters und des Films, die von den Massenmedien produziert werden. 4. Die Päpstliche Kommission hat auch versucht, die wichtigsten Aktivitäten bezüglich dieser Güter herauszuarbeiten, und hat diese in der Restaurierung, der Bewahrung, der Katalogisierung und dem Schutz erkannt. Gleichzeitig wurde auch die Wichtigkeit einer Aufwertung dieser Güter unterstrichen, wodurch eine bessere Kenntnis und ein angemessener Gebrauch derselben sowohl in der Katechese als auch in der Liturgie gefördert werden soll. Natürlich wurde auch nicht versäumt, über die Förderung neuer Kulturgüter nachzudenken, um so die Künstler mit entsprechenden anregenden Inhalten theologischer, liturgischer sowie ikono-graphischer Natur auszustatten; auch wurden sie mit neuen und würdigen Aufgaben motiviert, und es wurde ein Bund zwischen Künstlern und Kirche erneuert und vertieft, wie es ja schon das Konzil wünschte und der unvergeßliche Papst Paul VI. leidenschaftlich verfocht und verwirklichte. 1178 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Päpstliche Kommission hat weiterhin auch versucht, die Hauptakteure des kirchlichen Dienstes in diesem Bereich auszumachen, indem sie von denen ausging, die institutionell dazugehören, wie zum Beispiel die Bischofskonferenzen, die Hirten der Diözesen, die römischen Kongregationen für das Katholische Bildungswesen und für den Gottesdienst und der Päpstliche Rat für die Kultur. Auf harmonische Weise führen dann die nationalen Bischofskommissionen, die verschiedenen Verantwortlichen der Kommissionen für sakrale Kunst und für die kirchlichen Kulturgüter zusammen mit diesen Hauptakteuren eine wertvolle Aufbauarbeit bei der Bewußtseinsbildung und in der künstlerischen Anregung durch; und all dies im Verein mit den Bibliothekaren und Archivaren, mit den Vereinigungen katholischer Künstler, mit den Direktoren der kirchlichen Museen, mit den Dozenten kirchlicher bzw. katholischer Universitäten, mit denen, die in den für die kirchlichen Kulturgüter spezialisierten Schulen tätig sind - Schulen, die ihrem bereits in der Päpstlichen Universität Gregoriana wirkenden Vorbild gemäß im Entstehen begriffen sind -, aber auch zusammen mit den Ordensangehörigen, die auf schwierigen Arbeitsgebieten mit Engagement tätig sind, oder aber mit all denen, die in den jeweiligen Gemeinschaften mit der Pflege und Erhaltung des künstlerischen und historischen Gutes der Kirche betraut sind, nämlich jene, die in aufwendiger Handarbeit sich der Restaurierung dieser Zeitdokumente und Kunstschätze annehmen. Die einträchtige Hingabe einer ähnlichen „Übung“ seitens der Ausführenden wird es nicht versäumen, eine Renaissance der Kunstkultur hervorzurufen, und sie wird in Kirche und Welt eine erneuerte Begeisterung der Gedanken und Taten ausstrahlen zur Veranschaulichung der Werte des Schönen und Wahren. 5. Überdies hat die Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche versucht, die eigene Arbeitsmethode zu vervollkommnen, die durch die Apostolische Konstitution Pastor bonus mit den Worten „agere una cum“ (vgl. Art. 102) definiert wird. Angesichts dieser Tatsache freue ich mich, feststellen zu können, daß zu den päpstlichen Vertretern, zu den Bischofskonferenzen und einzelnen Bischöfen wie auch zu den Kommissionen für die Kulturgüter und zu den einzelnen vor Ort Tätigen ein gutes Verhältnis besteht. Auf diese Weise wird die Päpstliche Kommission immer mehr zu einem Antriebsorgan und zu einem allseits angenommenen Bezugspunkt, denn sie ist diskret, offen und richtungweisend. Wie könnte ich mich dann etwa nicht über den intensiven und respektvollen Dialog freuen, der mit den internationalen Organisationen dieses Arbeitsfeldes wieder aufgenommen wurde, die seinerzeit die Geburtsstunde der Päpstlichen Kommission als eine durchaus positive Tatsache begrüßt hatten, wie sie dies auch als eine günstige Möglichkeit zur Kenntnis genommen hatten, die ihnen geboten wurde, um sich mit einem einheitlichen und zentralen Organ der Katholischen Kirche über diese anspruchsvolle Materie auszutauschen. Ich möchte, indem ich meine persönliche Zufriedenheit über die treue und dynamische Verwirklichung der Richtlinien der Apostolischen Konstitution Pastor bo- 1179 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nus zum Ausdruck bringe, einem jeden von euch danken, meine Lieben, für all das, was ihr bereits in diesen Jahren geleistet habt, und für die Projekte, die ihr für die Zukunft in Vorbereitung habt. 6. Ich möchte euch dazu ermutigen, mit Enthusiasmus in eurer wertvollen Arbeit auszuharren. Wirkt so, daß die Kunst weiterhin die Glaubenswahrheiten in ihren Werken widerspiegelt, um das liturgische Mysterium zu bereichern und um der christlichen Botschaft Ausdruck und Form zu verleihen, indem sie die unsichtbare Welt fühlbar macht (vgl. Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils an die Künstler). Was für eine edle Aufgabe! Spart nicht an Energien bei der Förderung der Sakralkunst. Es ist ja bekannt, daß die Besonderheit der Sakralkunst nicht einfach darin besteht, eine Dekoration zu sein, die der Wirklichkeit gerade nur so übergestülpt ist, die dann eben auf andere Weise bedeutungslos erscheinen würde. In einem solchen Fall würde die Kunst auf bloße ästhetische Verschönerung einer unterlegenen gestaltlosen Wesenheit reduziert. In Gott, und das wissen wir sehr wohl, ist das Schöne kein abgeleitetes Attribut, sondern ist mit seiner Wirklichkeit selbst eins: Und diese Wirklichkeit ist seine Herrlichkeit, wie es in der Schrift heißt: „Dein, Herr, sind Größe und Kraft, Ruhm und Glanz und Hoheit“ (1 Chr 29,11). Wenn die Kirche die Kunst ruft, um ihr bei ihrer eigenen Sendung zur Seite zu stehen, so ist dies nicht nur aus Gründen der Ästhetik, sondern um der „Logik“ der Offenbarung und Menschwerdung selbst willen. Es geht nicht darum, mit anregenden Bildern den rauhen Weg des Menschen etwas zu versüßen, sondern dämm, ihm die Möglichkeit zu bieten, von nun an wenigstens irgend eine Gotteserfahrung zu machen, in der er in sich all das aufnimmt, was gut, schön und wahr ist. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Als ich eure Päpstliche Kommission errichtete, war es meine Absicht, den Anforderungen einer bewußteren und wachsameren Aufmerksamkeit der Kirche den Kulturgütern gegenüber - sowohl den kirchlichen als auch den nichtkirchlichen - Genüge zu leisten: Ich danke euch dafür, daß ihr dieses Anliegen zu dem euren gemacht habt, und auch für die Großzügigkeit, mit der ihr bestrebt seid, die erhaltenen Orientierungslinien in wirkungsvolle Taten umzusetzen. An euch alle und diejenigen, die eure qualifizierte Arbeit unterstützen, ergeht mein Wunsch, daß sich der Enthusiasmus in der Hingabe für eine solch edle Sache immer wieder erneuere. Ich versichere euch meiner besonderen Fürsprache beim Herrn für euch selbst und euer Tun und segne euch mit euren Mitarbeitern und allen euren Lieben von ganzem Herzen. 1180 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die jungen Kirchen sind anregendes Beispiel jur Christen in aller Welt Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer des Seminars für Bischöfe aus Mis-sionsländem, organisiert von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, am 12. Oktober Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich möchte Ihnen, Eminenz, für die herzlichen Begrüßungsworte danken, die Sie im Namen der Bischöfe an mich gerichtet haben, die an diesem von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker organisierten Seminarprogramm teilgenommen haben. Ich bin zutiefst dankbar für den Geist brüderlicher Gemeinschaft und die innige Zuneigung der Hirten der jungen Kirchen, die soeben ein Studienseminar hier in Rom beendet haben. Es ist mir eine ganz besondere Freude, euch heute morgen persönlich meine tiefe Bewunderung und brüderliche Verbundenheit auszusprechen. Da euch die Liebe zu Christus veranlaßt, das Evangelium in all seiner Kraft zu verkünden, habt ihr bereitwillig akzeptiert, euch einer dreiwöchigen systematischen theologischen Reflexion über die Bedeutung und die Sendung des bischöflichen Amtes zu widmen. Mit Freude danke ich der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, die dieses aktuelle Programm pastoraler Erneuerung gestaltet hat. Es ist mein Wunsch, daß auch in Zukunft diese Initiative fortgesetzt wird, damit die Bischöfe anderer Sprachgruppen Gelegenheit haben, eine ähnliche Erfahrung zu teilen. 2. Die Bischöfe sind berufen, „als Zeugen Christi vor allen Menschen“ (Christus Dominus, Nr. 11) in Heiligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit den Leib Christi aufzubauen. Als „Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums“ (Lumen Gentium, Nr. 26) habt ihr die Aufgabe, die eurer Sorge anvertraute Herde zu heiligen. Die Heiligkeit des Lebens ist Wesensmerkmal für den Dienst und die Sendung der Kirche. Die Forderung des Evangeliums zur Berufung zur Heiligkeit ist vor allem heute von besonderer Dringlichkeit, da wir uns auf das Große Jubiläum zur Feier der erlösenden Menschwerdung Christi vorbereiten. Das ist es, was der Geist den Gemeinden sagt (Offb 2,7): „Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden. Denn es heißt in der Schrift: ,Seid heilig, denn ich bin heilig’“ (i Petr 1,15-16). Die Bischöfe sind ausersehen, Vermittler jener Heiligkeit zu sein, die der Heilige Geist in die Herzen der Menschen ausgießt (vgl. Rom 5,5). Durch die Wirksamkeit ihres Predigens, die eifrige Feier der Sakramente und die Klugheit ihrer pastoralen Führung bringen sie Männer und Frauen Christus nahe. Ist nicht er - er allein -, der einzige Erlöser, der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (vgl. 1181 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1 Tim 2,5)? Ich bitte den Herrn, daß ihr alle - Familien, Jugendliche, Priester und Ordensleute - bestärken möget, immer begeisterter in ihrem Auftrag für das Evangelium zu sein. 3. Da die Menschen mehr durch das lebendige Zeugnis als durch die Kraft der Worte angeregt werden, dürfen wir nicht vergessen, daß sie das Recht haben, in ihren Hirten Männer zu sehen, deren gesamtes Leben auf Jesus Christus ausgerichtet ist. Sie erwarten, daß auch wir, wie die ersten Apostel, die ersten Zeugen von Christi Leben, Tod und Auferstehung, das übermitteln werden, „was wir mit unseren Augen gesehen haben, was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben“ (1 Joh 1,1). Daher fällt den Nachfolgern der Apostel die Aufgabe zu, das weiterzugeben, was sie empfangen haben. Durch das Verkünden des Wortes Gottes im Licht der maßgebenden kirchlichen Lehre und durch die Feier der Sakramente, die die Gnade der Erlösung vermitteln, bauen sie die Ortsgemeinde der Gläubigen auf. 4. Hier darf ich nicht versäumen, auf die Bedeutung der schwierigen und einfühlsamen Aufgabe der Inkulturation hinzuweisen, ein notwendiges Ziel, damit das Evangelium überall dort Wurzeln treiben kann, wo ihr euer Dienstamt ausübt. Diese dringliche Priorität ist eine große Herausforderung für die Evangelisierung: die Umwandlung von Kulturen durch ihre Reinwaschung im Licht des Ostergeheimnisses (vgl. Ecclesia in Africa, Nm. 59-62). Wenn es sich um echte Inkulturation handeln soll, dann muß sie stets die Fülle des gegebenen Glaubensguts achten und gemeinsam mit allen Kirchen realisiert werden, insbesondere diesem Stuhl Petri, der „der universalen Gemeinschaft der Liebe vorsteht“ (Ignatius, Ad Rom., Vorwort). 5. Liebe Bischöfe der jungen Kirchen: Ihr seid euch zweifellos der gewichtigen Verantwortungen bewußt, die der Heilige Geist euch anvertraut hat (vgl. Apg 20,28). Aber fürchtet euch nicht! Der Herr sagt uns, daß sein Joch nicht drückt und seine Last leicht ist (vgl. Mt 11,30). Der Ewige Hirte wird euren Auftrag begleiten, und der Heilige Geist ist durch euer Dienstamt stets wirksam. Heute morgen möchte ich vor allem an die Güte und die Gnade des Herrn erinnern. Er, der Mächtige, hat Großes an euch getan (vgl. Lk 1,49). Dafür müssen wir Gott danken und preisen! Die Kirchen, denen ihr vorsteht, sind voller Leben und jugendlicher Frische, und eure Begeisterung für das Evangelium ist ein anregendes Beispiel für die Christen in aller Welt. Als Hirte der Universalkirche bin ich euch und euren Völkern zutiefst dankbar für das Zeugnis eurer Hingabe an Christus, euren Mut in Situationen der Not und den Eifer, mit dem ihr die Frohbotschaft lebt. Indem ich euch der Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche, anvertraue, erflehe ich die Ausgießung des Heiligen Geistes über euch und all eure Priester, Ordensleute und engagierten Laien in den jeweiligen Teilkirchen, und von Herzen spende ich meinen Apostolischen Segen. 1182 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Religion als Gottsuche steht im Mittelpunkt jeder Kultur Botschaft an den Generaldirektor der UNESCO, Dr. Federico Mayor Zaragoza, zum 50. Jahrestag der Gründung dieser Organisation vom 14. Oktober Herrn Federico Mayor Zaragoza, Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur Anläßlich des 50. Jahrestags der Verabschiedung der Konvention zur Einrichtung der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur möchte ich die Unterstützung des Apostolischen Stuhls zur Erreichung der hervorragenden Zielsetzungen, die in jenem Dokument festgeschrieben sind, bekräftigen. Es ist mir ein Anliegen, zu wiederholen, daß es Absicht des Hl. Stuhls ist, seine Mitarbeit bei der Erfüllung der Aufgaben der UNESCO fortzuführen und diese Organisation zu ermutigen, sich dank der reichen Erfahrung, die sie im Laufe der ersten fünfzig Jahre ihres Bestehens sammeln konnte, den neuen Herausforderungen zu stellen, die auf der Schwelle zum Jahr 2000 sichtbar werden. Mit Bewunderung und Dankbarkeit denke ich zuerst an die Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Kulturbereichen, die seit fünfzig Jahren den besten Teil ihrer moralischen und intellektuellen Fähigkeiten der Durchführung zahlreicher Projekte gewidmet haben, darunter, um nur ein paar Beispiele zu nennen, die Ausarbeitung von internationalen Rechtsinstrumenten und Urkunden, der Schutz vieler Kunstwerke, die zum Erbe der ganzen Menschheit gehören, die Förderung einer angemessenen Grunderziehung für alle oder auch die Erschließung der Wasservorräte der Erde. Die enge Verbundenheit dieser Tätigkeiten gründet auf der Überzeugung: „Da Kriege ihren Ursprung im Geist der Menschen haben, muß auch die Verteidigung des Friedens im Geist der Menschen aufgebaut werden“ (Präambel der Konvention). Die in der Gründungsurkunde dargelegten Prinzipien und Zielsetzungen sind heute noch genauso aktuell; sie verdienen es, von allen Staaten solidarisch unterstützt zu werden. Der beeindruckende Fortschritt der Wissenschaften, vor allem der Naturwissenschaften, eröffnet der Menschheit bisher ungeahnte Möglichkeiten zur Beherrschung der Natur. Das Prinzip, wonach die Erfahrung und das Wissen im Dienst des demokratischen Ideals der Gleichheit und der Achtung des Menschen stehen, bleibt auch heute wesentlich: Unaufhörlich muß man sich daran erinnern, daß der Fortschritt der Wissenschaft begleitet sein muß von einem größeren Bewußtsein der Bedürfnisse, die sich aus der Würde eines jeden Menschen ergeben, damit die Früchte der menschlichen Intelligenz wahrhaft allen zugute kommen. Es ist nur gerecht, daß man alle Menschen an den Entdeckungen und am Wissen teilhaben läßt, denn auf den Gebieten der Verbreitung der Kultur und der 1183 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erziehung „haben alle Nationen heilige Pflichten und Aufgaben, die sie in einem Geist gegenseitiger Hilfeleistung erfüllen müssen“ (ebd.). Man kann sogar sagen, daß sich auf der Grundlage der im Jahr 1945 anerkannten Prinzipien für die kommenden Jahre neue Perspektiven eröffnen. Die Zielsetzungen bestehen darin, „der Volkserziehung und der Verbreitung der Kultur einen starken Antrieb“ zu geben und „das Ideal der Chancengleichheit hinsichtlich der Erziehung für alle ohne Unterschied stufenweise zu verwirklichen“ (Konvention, Art. 1). Dies erinnert alle an die moralische Pflicht, die Erziehung jedes Menschen zu gewährleisten, denn dies ist eine wesentliche Voraussetzung; dafür, daß ein Mensch aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnimmt und zur Entwicklung seiner eigenen Gesellschaft beitragen kann. In der Tat kann die menschliche Person nicht nur in ihrer individuellen Existenz berücksichtigt werden; sie hat auch eine soziale Dimension. Die volle Entfaltung einer Persönlichkeit findet zu einem großen Teil gerade innerhalb der Gemeinschaften statt. Daraus ergeben sich gefährliche Konflikte, wenn die Mitglieder einer Gruppe sich gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe unterdrückt oder bedroht fühlen. Um dem Frieden zum Erfolg zu verhelfen, ist es nötig, die Rechte der Nationen anzuerkennen, denn diese Gemeinschaften werden durch verschiedene Bande zusammengehalten, vor allem aber durch die Bande der Kultur. Die Gebiete, auf denen Ihre Organisation tätig ist, sind äußerst wichtig, um die Rechte der Nationen zu sichern, vor allem das Recht, die eigene Sprache und Kultur beizubehalten, oder das Recht, die Zukunft aufzubauen, indem das eigene kulturelle Erbe den jungen Generationen durch eine angemessene Erziehung weitergegeben wird. Es handelt sich in diesem Falle um Menschenrechte, die im Maßstab ganzer Völker betrachtet werden. Um eine Kultur des Friedens zu gründen, wird es immer wichtiger, die Rechte einer jeden Nation aufzuwerten und zu sichern - auch wenn diese Nation nicht die Vorrechte eines Staates genießt - nämlich das Recht auf eine Existenz gemäß den eigenen Traditionen und unter Berücksichtigung der Menschenrechte aller. Es ist ebenfalls schätzenswert, daß die UNESCO in ihrer Untersuchung über die Kultur des Friedens auch den Beitrag der Religionen in Betracht zieht. Wenn nämlich jede Kultur eine Bemühung darstellt, über das Geheimnis der Welt (und des Menschen im besonderen) nachzudenken, wenn man also durch die Kultur einen Weg findet, die transzendente Dimension des menschlichen Lebens auszudrücken, dann steht die Religion, das heißt die Annäherung an das Geheimnis Gottes, im Mittelpunkt einer jeden Kultur. Wir können sogar sagen, daß die Religion mit ihrer tiefgehenden Auffassung vom Menschen die letzte Grundlage der Kultur ist. Außerdem setzen der Glaube und die Religion die absolut freie Zustimmung voraus, die jede Person in ihrem Gewissen gibt, in diesem Heiligtum, wo der Mensch allein ist mit Gott (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, Nr. 16): Ihrer Natur nach sind der Glaube und die Religion, deren vollkommene Freiheit gewährleistet werden muß, zwei Wirklichkeiten, die über jede Kultur und über jede menschliche Tradition hinausgehen. Die Unterstützung der Gläubigen wird 1184 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deshalb zu Recht erwartet zugunsten des Friedens, der den edelsten und großherzigsten Bestrebungen des Menschen entspricht. An dieser wichtigen Etappe ihrer Tätigkeit beglückwünscht der Hl. Stuhl die UNESCO zu ihrem bisherigen Werk. Der Apostolische Stuhl wünscht weiterhin, daß alle Mitgliedsstaaten zur Zusammenarbeit entschlossen sind, um „den vollen und gleichen Zugang zur Erziehung für alle zu sichern sowie die freiheitliche Suche nach der objektiven Wahrheit und den freien Austausch der Gedanken und des Wissens“ (Präambel der Konvention). Von ganzem Herzen erbitte ich die Unterstützung der Gnade Gottes für Sie, Herr Generaldirektor, und für alle Personen, die die Sendung der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur im Dienst der ganzen Menschheit erfüllen. Aus dem Vatikan, am 14. Oktober 1995 Joannes Paulus PP. II Neue Zeugen für das Evangelium des Lebens gewinnen Botschaft an das Generalkapitel der Missionare von der Heiligen Familie vom 14. Oktober Liebe Missionare von der Heiligen Familie! 1. Mit besonderer Freude richte ich an Euch, liebe Mitglieder des Generalkapitels der Missionare von der Heiligen Familie, herzliche Segensgrüße. Als Vertreter aller Provinzen und Länder, in denen Eure Kongregation tätig ist, seid Ihr zu Eurem 10. Generalkapitel nach Rom gekommen, um aus dem Geist Eures Gründers, des Dieners Gottes P. Jean Berthier, heraus, der Eure Gemeinschaft vor einhundert Jahren ins Leben gerufen hat, die Grundlinien Eures zukünftigen missionarischen Wirkens zu beraten. Meine besten Segenswünsche gelten Ihnen, lieber P. Wilhelmus van der Weiden, der Sie für die kommenden sechs Jahre zum Generaloberen bestellt worden sind, sowie den anderen Mitgliedern der neuen Generalleitung. Gleichzeitig möchte ich die Gelegenheit wahmehmen, dem bisherigen Generaloberen und seinen Mitarbeitern für den engagierten Dienst in der Leitung Eurer Gemeinschaft meine Anerkennung zu bezeugen. Durch Euch geht mein herzlicher Gruß an die Mitglieder Eurer Kongregation in aller Welt, mit dem ich meinen aufrichtigen Dank verbinde für das vielfältige und überaus segensreiche Wirken, durch das Ihr zum Aufbau und Wachstum der Kirche beigetragen habt. 2. „Familie - unser Leben, unsere Sendung“: unter diesem Leitthema standen die Beratungen Eures Generalkapitels. Ihr habt Euch einem Fragenkomplex zugewandt, der für Kirche und Welt von erstrangiger Bedeutung ist, ist doch die Fami- 1185 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lie ebenso Grandbaustein der menschlichen Gesellschaft wie auch Keimzelle des kirchlichen Lebens. Durch das Vorbild der heiligen Familie von Nazaret steht Euch dieser Tatbestand seit Eurer Gründung beispielhaft vor Augen. Leider ist diese Urzelle menschlichen und geistlichen Lebens heute außerordentlichen Bedrohungen ausgesetzt, die eine Rückbesinnung auf ihre ursprüngliche Heiligkeit und Unantastbarkeit verlangen. Deswegen weiß ich mich Euch in der festen Überzeugung verbunden, daß an der Basis einer friedlichen Zukunft der Menschheitsfamilie angesichts des herannahenden dritten christlichen Jahrtausends eine Rückbesinnung auf die verläßlichen Grundlagen der natürlichen und spirituellen Werte stehen muß, wie sie dem Menschen schöpfungsgemäß innewohnen. Daher möchte ich an Euch „eindringlich appellieren, bei aller grundsätzlichen Beachtung des eigenen und besonderen Charismas das Familienapostolat als eine der vorrangigen Aufgaben anzusehen, die durch die heutigen Verhältnisse besonders dringend geworden sind“ (Familiaris consortio, Nr. 74). 3. Neben der Sorge um die Familie in den vielfältigen Bezügen ihres konkreten Alltagslebens in Kirche und Welt gilt Euer besonderes Augenmerk auch der Bera-fungspastoral, also der Familie als Keimzelle geistlichen Lebens. Wo sich die Familie in ihrem geistlichen Reichtum voll entfalten kann, vermag sie selbst „gleichsam das erste Seminar“ (Optatam totius, Nr. 2) zu sein. Doch kann gerade auch das Wirken von Ordensleuten in ihrer Weihe an Gott im Bereich der Familien-pastoral den Blick weiten auf den „Ehebund der Kirche mit Christus, ihrem einzigen Bräutigam“ (Perfectae caritatis, Nr. 12), wodurch sie zu Zeugen jener umfassenden Liebe werden, „die in ihnen durch die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen eine immer größere Bereitschaft weckt, sich hochherzig dem Dienst vor Gott und den Werken des Apostolates zu widmen“ (Familiaris consortio, Nr. 74). So können aus der Begegnung mit Euch und Eurem.Lebenszeugnis neue Zeugen für das Evangelium des Lebens gewonnen werden, so vermag Eure Mission neuen Missionaren das Herz zu öffnen, um an der Sendung der Kirche mitzuwirken und das Heilswerk des Herrn fortzusetzen (vgl. Redemptoris missio, Nr. 61): „... ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). 4. So sehr Ihr, liebe Missionare von der Heiligen Familie, in den nahen und fernen Zentren, an den Straßen und Wegkreuzungen der Welt arbeitet, wirkt Ihr gleichermaßen aus dem innersten Geheimnis der Kirche heraus, aus der Kraft des menschgewordenen Wortes Gottes, das seine Sendung in einer menschlichen Familie begonnen hat. Ihr selbst fühlt Euch im wahrsten Sinn des Wortes „bewegt“, wenn Ihr, wie der Herr selbst, die vielen Menschen seht, die müde und erschöpft sind wie Schafe, die keinen Hirten haben (vgl. Mt 9,36). Schenkt diesen Menschen, zu denen Ihr Euch gesandt wißt, Raum, in dem sie sich menschlich entfalten und geistlich erheben können. Werdet selbst immer mehr das, was ihr als Grundlage allen Lebens in den Mittelpunkt Eurer Spiritualität gestellt habt: eine 1186 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geistliche Familie, die in Gottverbundenheit, Einfachheit und Bescheidenheit ihre Sendung lebt und in ihrem Leben den bezeugt, der Euch gesandt hat. Laßt die Schönheit und Strahlkraft Eurer missionarischen Berufung nicht verdunkeln. Baut auf die Erfahrung der älteren Mitbrüder und vertraut auf das Engagement und den Ideenreichtum der jüngeren: In ihnen liegt die Zukunft Eurer Gemeinschaft, auf sie und auf alle jungen Menschen setze ich in tiefem Vertrauen meine besondere Hoffnung für die ganze Kirche. Sie werden es sein, die die Fackel des Glaubens weit in das kommende Jahrtausend hineintragen werden. Euch allen, liebe Brüder, gelten für die Zukunft der Kongregation der Missionare von der Heiligen Familie meine aufrichtigen Wünsche. Ich empfehle Euch, Eure Sorgen und Anliegen, Eure Vorhaben und Hoffnungen der Gottesmutter an, unter deren Schutz Euer Gründer auf dem Berg von La Salette, wo sie als „Mutter der Versöhnung“ verehrt wird, sein Werk gestellt hat. Dazu erteile ich Euch und allen Mitgliedern Eurer Kongregation von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 14. Oktober 1995 Rückbesinnung auf das ursprüngliche Charisma Ansprache anläßlich der Audienz für die Mitglieder des Generalkapitels der Missionarinnen vom hl. Petrus Claver am 14. Oktober Liebe Missionarinnen vom hl. Petrus Claver! 1. Ich freue mich darüber, daß die Feier eures Generalkapitels in diesen Tagen in Rom mir die Gelegenheit gibt, mit eurem Institut zusammenzutreffen; dieses Treffen war, anläßlich des hundertjährigen Gründungsjubiläums eurer von der hl. Maria Teresa Ledochowska ins Leben gerufenen Kongregation, bereits für das vergangene Jahr vorgesehen. Jede einzelne von euch grüße ich herzlich und mein Gruß gilt auch allen Mit-schwestem, die in den verschiedenen Teilen der Welt für die missionarische Animation im Einsatz sind. An die neu gewählte Generaloberin Schwester Elisabeth Adamiak wende ich mit einem Glückwunsch und Worten des Zuspruchs im Hinblick auf den Dienst, der sie erwartet. Liebe Schwestern, während der gegenwärtigen Versammlung wolltet ihr, nach eurem wichtigen hundertjährigen Jubiläum, vor allem neuen Ansporn aus den Wurzeln eures Werkes schöpfen. Die fortwährende Rückkehr zum ursprünglichen Charisma ist in der Tat die unbedingte Voraussetzung für neue und reichhaltige apostolische und missionarische Früchte. Eure Wurzeln gründen im Charisma der hl. Maria Teresa Ledochowska, die im Jahre 1894 die Gesellschaft vom hl. Petrus 1187 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Claver für die Afrikamissionen gründete, die heute den Namen der Kongregation der Missionarinnen vom hl. Petrus Claver trägt. 2. Für eure Gründerin war der hl. Petrus Claver der heldenhafte Inspirator einer hochherzigen und intelligenten Hingabe für die Missionen, insbesondere in Afrika. Wie könnte man unerwähnt lassen, daß eben im Jahr des hundertjährigen Jubiläums eurer Kongregation die Sondersynode der Afrikanischen Bischöfe stattgefunden hat? Ich kann mir vorstellen mit welcher Aufmerksamkeit dieses außerordentliche kirchliche Ereignis von euch verfolgt wurde und ich bin mir sicher, daß ihr mit eurem unterstützenden Gebet meine kürzliche Apostolische Reise in den afrikanischen Kontinent begleitet habt. Dies alles trage dazu bei, daß euer besonderer Einsatz für den afrikanischen Kontinent, der euch kennzeichnet und der von der Synode vor der ganzen Kirche besonders hervorgehoben wurde, immer lebendig bleibe. Auf der anderen Seite spornt euch eure Treue zu dem ursprünglichen Charisma und zu der Lehre der Kirche auch dazu an, eurer missionarischen Animation einen weltweiten Horizont zu geben. Dies wird eure Aufmerksamkeit auch auf das Schicksal der Söhne Afrikas lenken, die fern von ihrem Heimatland leben. Ich denke vor allem an Europa, wo zahlreiche Einwanderer, zum großen Teil Afrikaner, unter oft schwierigen Umständen, dieses „Glück“ suchen, das sie in ihrer Heimat nicht finden können. Ihr wißt wohl welchen Enttäuschungen eine solche Hoffnung oft ausgesetzt ist! Aber ihr wißt ebenso gut, daß die Hilfe für den Fremden eine Pflicht des Gläubigen ist und der notwendige Beitrag für eine erneuerte Evangelisierung der westlichen christlichen Welt. 3. Bei den Arbeiten eurer Versammlung habt ihr mit Sicherheit diese und andere Herausforderungen berücksichtigt und sie unter dem Licht der kirchlichen Lehre und insbesondere meiner Enzyklika Redemptoris missio betrachtet. Ich möchte euch zur besonderen Meditation dieses Dokumentes aufrufen. Es kann einen reichhaltigen Beitrag zu den Vorbereitungen des Großen Jubiläums des Jahres 2000 bieten. Was insbesondere die missionarische Animation anbelangt, habe ich in dieser Enzyklika die Gründe aufgeführt, die den Einsatz für die Mission ad gentes rechtfertigen, und ihren ganzen Wert hervorgehoben, sowohl was die verschiedenen „territorialen Gebiete“ angeht, als auch ihre Rolle in den „neuen sozialen Welten und Phänomenen“ sowie in den „modernen Kulturkreisen und Aeropagen“. Das Vorbild der Maria Teresa Ledöchowska, die der Diener des Herrn, Paul VI., während seiner Homilie bei der Heiligsprechung als „Pionierin des modernen Einsatzes für die Alphabetisierung“ bezeichnet hat, ist für euch ein fortwährender Ansporn zur Hingabe an alle Formen der apostolischen Animation, die zur Verbreitung des Evangeliums in unserer Zeit beitragen. Euch, liebe Schwestern, wiederhole ich, was ich in der Enzyklika mit bezug auf die Missionsschwestem geschrieben habe, „deren jungfräuliches Leben für das 1188 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reich Gottes vielfältige Früchte einer geistlichen Mutterschaft trägt. Gerade die Sendung ad gentes bietet ihnen ein überaus weites Feld, ,sich aus Liebe voll und ungeteilt hinzugeben ... Ich wünsche mir, daß viele junge, christliche Frauen es anziehend finden, sich Christus großzügig anzubieten und daß sie aus ihrer Weibe die Kraft und die Freude schöpfen, ihn unter jenen Völkern zu bezeugen, die ihn noch nicht kennen.“ (Redemptoris missio, Nr. 70) Euer geistiger Vater, der hl. Petrus Claver, war vor allem ein wunderbarer Zeuge: indem sie ihn sahen, seine Art mit und für die Menschen schwarzer Hautfarbe zu leben, als Sklave unter den Sklaven, konnten alle die Präsenz Christi und der Liebe des Herrn erkennen. Auch ihr dürft nie vergessen, daß das Zeugnis des einzelnen und der Gemeinschaft die wichtigste Form der Evangelisierung ist, und der fortwährenden Unterstützung durch das Gebet bedarf. Darum muß die „missionarische Spiritualität“, deren wesentliches Merkmal die „innere Gemeinschaft mit Christus“ ist, immer mehr verinnerlicht werden. Aus ihr entspringt die „apostolische Nächstenhebe“, die keine Grenzen kennt. Es geht im wesentlichen darum, heilig zu werden: „Jeder Missionar ist nur dann ein echter Missionar, wenn er sich auf den Weg der Heiligkeit einläßt“ (Redemptoris missio, Nr. 90). Deshalb empfehle ich euch, die ihr hier anwesend seid und alle eure Mitschwe-stem der Obhut der Jungfrau Maria, erste und vollkommene Jüngerin Christi, Dienerin des Herrn nach dem Beispiel des Sohnes, der für uns wie ein Sklave wurde (vgl. Phil 2,7). Sie mache, euch dem Vorbild des hl. Petrus Claver und der hl. Maria Teresa Ledöchowska immer ähnlicher und versichere euch deren täglichem spirituellem Beistand. Bei eurem missionarischen Einsatz begleite euch auch der Apostolische Segen, den ich von Herzen euch und der ganzen Familie der Missio-narinnen des hl. Petrus Claver erteile. Friedvolles Zusammenleben fordert Vergebung und fördert Versöhnung Ansprache an die Diözesanbischöfe und Päpstlichen Vertreter von Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Jugoslawien, Makedonien und Slowenien am 17. Oktober Meine Herren Kardinale, liebe Brüder im Bischofsamt! Diese Begegnung habe ich gewünscht, um euch allen meine Nähe bezeigen zu können, euch und den Priestern, euren Mitarbeitern im Apostolat, sowie allen Gläubigen eurer Teilkirchen. Ich weiß, daß eure Diözesen, vor allem die von Bosnien-Herzegowina, einen langen „Karfreitag“ durchgemacht haben. Für einige von ihnen ist die Zeit der Prüfung noch nicht zu Ende. Es tut sich jedoch vor euch schon ein ungeheures Arbeitsfeld auf. Aber auch in anderen Ländern sind die nach dem Zusammenbruch 1189 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Kommunismus zu bewältigenden Herausfordemngen gewaltig: Letzten Endes geht es dämm, die Seelen neu zu formen! Unser Treffen hat einen höchst pastoralen Charakter. Wir sind hier als Hirten, die um das Los der Herde besorgt sind, und um zu überlegen, was getan werden kann, um im Licht und mit der Kraft des Evangeliums allen Menschen guten Willens helfen zu können, einen Weg der Brüderlichkeit zum geistlichen und materiellen Wiederaufbau der Balkanvölker abzustecken, damit die jungen Generationen mit vollem Vertrauen in die Zukunft blicken können. Ich werde mich freuen, bei diesem Treffen von euch einige Antworten über die geistlichen Prioritäten zu hören, die zur Stunde in Angriff genommen werden müssen. Sodann wird jeder Bischof als guter Samariter auf dem Weg der Welt auch planen müssen, wie er mitarbeiten kann, um den dringendsten Bedürfnissen der einzelnen Bevölkerungen entgegenzukommen. Und dann müssen wir uns fragen, wie man diesen ausgedehnten Teil Europas in Zusammenarbeit mit den anderen Christen und mit allen gläubigen Menschen geistlich und materiell wieder aufbauen kann. Diese unsere Begegnung muß ein „Zeichen“ sein, das allen zeigt, daß ein „Morgen“ noch möglich ist, daß Gewalt und Unterdrückung nicht das letzte Wort haben können. Dieses Treffen will auch daran erinnern, daß die Katholiken durch wirkliche Vergebung und Versöhnung ihren besonderen Teil zum Frieden beitragen wollen. Unser Glaube sagt uns, daß die einen nicht ohne die anderen glücklich sein können, und erst recht nicht die einen gegen die anderen! Verehrte Brüder im Bischofsamt, in diesen langen vier Jahren, die euren Völkern so viel Plagen und Tränen gebracht haben, war ich euch immer sehr nahe, habe gebetet und mich dafür eingesetzt, daß der Stern des Friedens wieder über euren Ländern leuchten möge. Auch meine Mitarbeiter in der Römischen Kurie waren euch sehr nahe, jeder in seinem besonderen Zuständigkeitsbereich. Heute hat uns die Vorsehung gewährt, wieder alle zusammen zu sein, um uns in unserer Hirtenaufgabe zum Dienst für die Kirche und die Welt zu erneuern. Zusammen mit euch möchte ich einen herzlichen Gruß an die richten, die nicht zu diesem Treffen kommen konnten. Insbesondere möchte ich mich an unseren lieben Bruder, den Bischof von Banja Luka, Msgr. Franjo Komarica, wenden, der seine gepeinigte, noch von so großer Bedrängnis heimgesuchte Stadt nicht verlassen konnte. Zusammen mit ihm grüße ich die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die in dieser langen Zeit der Prüfung bei ihren Gläubigen bleiben wollten. Sie sollen wissen, daß die ganze Kirche ihnen nahe ist und besonders der Papst. Meine Herren Kardinäle, liebe Erzbischöfe und Bischöfe, ich danke euch, daß ihr meine Einladung angenommen habt und, auch um den Preis großer Opfer, zum heutigen Treffen gekommen seid. Auf unsere Arbeiten rufe ich die besondere Fürbitte Mariens, der Mutter der Kirche und Königin des Friedens, herab! 1190 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ordensleben - Zeichen für das Reich Gottes Schreiben anläßlich des 400. Jahrestages der Geburt von Jeanne Chezard de Matel, Gründerin der „Frauen vom Menschgewordenen Wort“ vom 18. Oktober An die Ehrwürdige Mutter Leticia Ramirez Godoy, Generaloberin der „Frauen vom Menschgewordenen Wort“ Der 400. Jahrestag der Geburt von Jeanne Chezard de Matel“, Gründerin der „Frauen vom Menschgewordenen Wort“, gibt der Diözese Lyon, in der sie geboren ist, und Ihrer Kongregation Gelegenheit, dieser großen französischen Persönlichkeit des 17. Jahrhunderts zu gedenken. In einer besonders unruhigen Epoche der Geschichte hat Jeanne Chezard de Matel“ es verstanden, sich ganz Christus zuzuwenden und in vollkommener Gemeinschaft mit ihm zu leben. In der Tat nahm das Gebet, durch das Gott zu ihrem Herzen sprach, den ersten Platz in ihrem täglichen Leben ein. Sie schöpfte aus der Betrachtung des Passionsgeheimnisses, in dem Christus uns seine Liebe zur Welt enthüllt, die Kraft, das Evangelium zu verkünden. Deswegen widmete sie sich auch unermüdlich der Meditation über die Hl. Schrift, die die oberste Regel des Glaubens der Kirche und die Seele allen apostolischen Lebens und allen theologischen Studiums ist (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dei Verbum, Nm. 21.24). Jeanne Chezard de Matel“ lebte in einer gewissen Weise das Ideal des Christen vor, das seinerzeit vom hl. Franz von Sales dargelegt worden war: „Und wir, die wir durch die Meditation dem Erlöser nahe sind und seine Worte, seine Taten und seine Neigungen wahmehmen, werden durch seine Gnade lernen, so zu sprechen, zu tun und zu wollen wie er“ (Introduction ä la Vie devote, 2,1). Sie machte die Erfahrung, daß die Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes weder unsere menschliche Freiheit noch unsere Tätigkeit behindert, sondern ganz im Gegenteil uns eine Orientierung gibt, damit unsere Tätigkeit reiche Frucht trägt. Mögen die Schwestern vom Menschgewordenen Wort nie davor Angst haben, sich von Christus leiten zu lassen! Er wird ihnen den Weg zum Glück zeigen. In diesem Geist sollen die Schwestern dieses Ordens, und generell alle Jünger des Herrn, sich einsetzen. Die heutigen Verhältnisse sind sicher anders als die, die Jeanne Chezard de Matel erlebte, aber die Anforderungen des geistigen Lebens und der Hingabe des eigenen Ichs, um das Leben des Erlösers der ganzen Welt mitzuteilen, bleiben dieselben. Das Ordensleben ist mehr denn je wesentlich für die Menschen unserer Zeit Es zeigt, daß die Liebe zu Christus und seinen Brüdern, wenn sie in der Radikalität der evangelischen Räte gelebt wird, das Leben erfüllen und es gegenüber den Hinterhalten der heutigen Welt frei machen kann. Es erinnert uns daran, daß wir nicht nur die irdische Stadt aufbauen müssen, sondern unseren Blick auch auf das kommende Reich richten sollen, wo die stärksten Bestrebungen, die wir in uns tragen, verwirklicht werden. 1191 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die besondere Liebe der „Frauen vom Menschgewordenen Wort“ zu den Geheimnissen der Menschwerdung und des Leidens des Erlösers ist für sie eine Vorbereitung auf vielerlei Sendungen in der Kirche. Sie läßt sie vor allem den Ärmsten der Armen nahe sein, die die Lieblinge Gottes und die Brüder Christi sind (vgl. hl. Gregor von Nyssa, Von der Liebe zu den Armen), sowie all denjenigen, die körperlich zu leiden haben, besonders während der letzten Jahre ihres Daseins. Die Vertrautheit mit dem Wort Gottes macht die Schwestern vom Menschgewordenen Wort auch besonders bereit, sich den Jugendlichen zuzuwenden, die heute danach dürsten, Den zu entdecken, der allein dem Leben einen Sinn verleiht und der eine Tür für die Hoffnung öffnet. Den geistigen Töchtern von Jeanne Chezard de Matel“ liegt es am Herzen, die Frohe Botschaft zu verkünden, vorrangig an die Jugendlichen, durch das Zeugnis eines Lebens, das den göttlichen Geheimnissen entspricht, und durch alle Mittel, die ihnen heute zur Verfügung stehen: Katechese, Bibelkreise, Jugendgruppen, liturgische Animation und Alphabetisierung. Die Männer und Frauen, die jeden Tag treu beten, besonders aber die Ordensmänner und Ordensfrauen, haben darüber hinaus die Aufgabe, unsere Zeitgenossen beten zu lehren und ihnen zu helfen, ihr geistiges Leben zu entfalten, um ihrer Taufberufung zu entsprechen. In der Tat, „wenn ein Christ betet, setzt er das Gebet Jesu Christi auf der Erde fort und bringt es zur Vollendung“ (hl. Jean Eudes, Leben und Reich Jesu, 2,2) und er empfängt den Heiligen Geist, um zum Apostel zu werden. Mögen die „Frauen vom Menschgewordenen Wort“ bei den verschiedenen Aufgaben, die sie zu erfüllen haben, wie Gefäße in den Händen des Töpfers sein (vgl. Jer 18,1-6)! Wenn sie sich so vom Heiligen Geist leiten lassen, werden sie immer verfügbar sein, um auf die dringenden Aufrufe zu antworten, die die Kirche an sie richtet, damit Christus besser erkannt und geliebt werde. In der Freude dieses 400. Jahrestages rufe ich den Heiligen Geist auf alle Schwestern vom Menschgewordenen Wort herab: Er möge ihnen die Gelegenheit zu einer wahrhaften, inneren Erneuerung geben und einen neuen missionarischen Antrieb, um immer mehr gemäß den Gründungscharismen des Ordens zu leben. Ich spreche ihnen das Vertrauen und die Dankbarkeit der Kirche für die von ihnen geleisteten Dienste aus, vor allem hinsichtlich der Evangelisierung. Ich erbitte für sie die Fürsprache der Mutter Gottes und vertraue sie Christus an, dem wahren Gott und wahren Menschen, und spende ihnen und all jenen, denen ihre Dienste zugute kommen, meinen Apostolischen Segen, ebenso denen, die an den Feierlichkeiten dieses Jahrestags teilnehmen. Aus dem Vatikan, am 18. Oktober 1995 Joannes Paulus PP. II 1192 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Verkündigung des Evangeliums in der militärischen Welt bedeutet die Schaffung einer Kultur des Friedens Ansprache an die Teilnehmer der VI. Seelsorgerischen Fortbildungswoche für die Militärseelsorger Italiens in Fiuggi am 19. Oktober 1. Ich bin sehr froh, Sie heute Morgen zu empfangen, meine lieben italienischen Militärseelsorger, die in Fiuggi ihre seelsorgerische Fortbildungswoche durchführen. Sie wollten in den Mittelpunkt Ihrer Arbeit gern das Treffen mit dem Papst stellen: eine Geste, die mich mit Freude und Genugtuung erfüllt. Ich danke dem italienischen Militärbischof, Monsignor Giovanni Marra, für die Worte, mit denen er die Gefühle aller hier Anwesenden ausgedrückt hat. Ich möchte auch meinen achtungsvollen Gruß entrichten an den Herrn Verteidigungsminister, General Domenico Corcione, an die Stabschefs und an die anderen Vertreter der höchsten Militärbehörden, die an diesem Treffen teilnehmen wollten. 2. Ihnen gegenüber, hebe Militärseelsorger, möchte ich vor allem meine Befriedigung über die regelmäßigen Initiativen zur theologischen Vertiefung, zur seelsorgerischen Weiterbildung und zur Teilnahme an gemeinsamen Momenten, mit denen Sie Ihre geistliche Arbeit unterstützen, die Sie ganz richtig als „ministerium pacis inter arma“ [Dienst für den Frieden unter Waffen] bezeichnen. Ich möchte besonders unterstreichen, wie wichtig und aktuell das Motto ist, unter dem Ihre Veranstaltung steht: „Das Evangelium der Familie in der militärischen Welt: seelsorgerische und moralische Probleme. “ Es handelt sich um ein Thema, das zu Meinungsäußerungen, Konferenzen und Debatten geführt hat, die jedem von Ihnen die Gelegenheit gegeben haben, die Werte der Familie im Licht der Verkündigung des Evangeliums eingehend zu untersuchen. Die Erinnerung an das Jahr der Familie hegt noch nicht weit zurück, mit seinen zahlreichen Veranstaltungen, die in der großen Feier vor fast genau einem Jahr auf dem Petersplatz gipfelten, an der auch viele Ihrer Soldaten mit Ihren Familien teilgenommen haben. 3. Ihre FortbildungsVeranstaltung stellt sich fast als eine Wiederaufnahme dieses großen Wegs des Glaubens dar, die Werte des Christentums, geprägt von neuer Dringlichkeit denen zu übermitteln, die in der militärischen Welt leben. Der Verlust von Werten, der die säkularisierte Gesellschaft von heute kennzeichnet, trifft besonders die Institution der Familie und würdigt die Aufgaben herab, die gerade die Familie als Hort der Liebe und des Lebens, als erster Mittelpunkt der Erziehung und Keimzelle der Gesellschaft zu erfüllen hat. Das gilt auch für die Familien, die in der militärischen Welt leben, wo sich zu den allgemeinen Schwierigkeiten noch die Probleme gesellen, die sich aus den speziellen Lebensumständen ergeben. Die Entwurzelung von der Heimat, die ständigen Versetzungen, die langen Zeiträume, die mit potenziell gefährlichen Tätigkeiten oder militärischen Einsätzen verbunden sind und in denen die einzelnen 1193 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitglieder der Familie weit voneinander entfernt leben, werden oft zu Hindernissen für die tägliche Aufgabe eines vereinten, harmonischen Lebens in der Familie. 4. In diesem Umfeld entwickelt sich Ihr seelsorgerischer Dienst und gewinnt Substanz und Inhalt, meine lieben Militärseelsorger. In diesem Zusammenhang erinnere ich gern daran, daß ich in der Apostolischen Konstitution Spirituali Militum Curae den Teil des Gottesvolkes würdigte, der dem militärischen Stand angehört, und - damit verbunden - diese besondere Gestalt der Kirche. Nun gut, die Präsenz der Familien in den christlichen Gemeinden der verschiedenen militärischen Stellen läßt die Angleichung des Militärordinariats an die Diözesen noch deutlicher werden, wie sie in der eben genannten Konstitution verankert ist. All das verpflichtet zu einer komplexen und besonderen Seelsorge, in der die Betreuung der Familien mit ihren zahlreichen Aspekten einen besonders wichtigen Platz einnimmt. Indem Sie in Ihrer Veranstaltung besonders auf die seelsorgerischen und moralischen Probleme der Familie eingehen, zeigen Sie, daß Sie den gleichen großen Weg gehen, den jede Diözese abgesteckt hat, um die Verpflichtungen zu erfüllen, das Evangelium erneut zu verkünden, das die Welt so nötig braucht. Auch die militärische Welt benötigt wie jeder andere Bereich der Gesellschaft, in dem die Tätigkeiten der Menschen organisiert und ausgedrückt werden, eine neue Verkündigung des Evangeliums. Diese Aufgabe ist Ihnen anvertraut, liebe Militärseelsorger, und den christlichen Gemeinden, die sich um Sie herum gebildet haben. 5. Die Verkündigung des Evangeliums in der militärischen Welt bedeutet auch die Schaffung einer Kultur der Solidarität und des Friedens. Heute mehr als je zuvor, fünfzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach dem Fall der Berliner Mauer müssen die Streitkräfte ihre Berufsethik in den Werten der Verteidigung von Freiheit und Sicherheit des eigenen Volkes, in der Zusammenarbeit für das Gemeinwohl der Nation, im Auftrag zur Aufrechterhaltung des Friedens und in der menschlichen Solidarität gegenüber den anderen Völkern begründen. Diese Kultur des Friedens setzt unermüdlich auf den Dialog als Mittel zur Lösung von Streitigkeiten in bestimmten Situationen, kann aber die Anwendung von Gewalt als „Ultima Ratio“ nicht ausschließen, wenn dies zur Verteidigung der legitimen Rechte eines Volkes verlangt wird oder auf Grund der Notwendigkeit, den Frieden zwischen den Parteien zu bewahren, um Massaker an der unschuldigen Bevölkerung zu verhindern. In solchen Fällen würde es sich um eine rechtmäßige und gebotene Einmischung aus humanitären Gründen handeln, die darauf abzielt, Menschenleben zu retten, Schwache und Wehrlose zu schützen und letztendlich Solidarität und Frieden unter der Ägide der internationalen Gemeinschaft herbeizuführen. Dieses Bild der Streitkräfte, die mit den ihnen eigenen Mitteln Solidarität und Frieden schaffen, ist reich an Werten und Würde. Der Militärseelsorger ist aufge- 1194 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rufen, es mit allen geistlichen, moralischen und religiösen Begründungen zu unterstützen, die seinem Auftrag innewohnen. 6. Daher ist Ihre Arbeit, liebe Militärseelsorger, äußerst wichtig. Die Kirche zählt auf Sie. Im Rahmen Ihrer Veranstaltung haben Sie sich zu Recht gefragt, was heute Ihre besondere Identität ist, Ihre geistliche Motivation, und welches die wichtigsten Aspekte Ihrer seelsorgerischen Tätigkeit sind. Und Sie sind sich erneut der Tatsache bewußt geworden, daß der Militärseelsorger, der innerhalb der militärischen Strukturen lebt und die Soldaten in ihrem Leben begleitet, ob in der Heimat oder im Ausland, stets und überall Priester sein und sich als Priester sehen muß. Als solcher findet er seine Identität in Christus, dem Herrn und Hirten, arbeitet er im Namen von Christus und der Kirche und bezeugt er seine Geistlichkeit und Glaubensverkündung durch jene seelsorgerische Liebe, die die totale Hingabe seiner selbst im Dienst Gottes und seiner Brüdern darstellt. 7. Die Mobilität der Personen, an die Sie sich mit Ihrer Tätigkeit richten, und Ihre unterschiedliche sozio-kulturelle und regionale Herkunft machen die Aufgabe einer geordneten und nachhaltigen Seelsorge nicht gerade einfach. Sie muß sich daher vor allem auf die persönliche Nähe gründen, Ergebnis einer ständigen Präsenz und Beachtung der psychologischen, moralischen und geistlichen Situation des Einzelnen sein, und zwar im Sinne einer echten „seelsorgerischen Begleitung“. Für nicht wenige junge Leute wird der Wehrdienst so eine Gelegenheit, den Weg zum Glauben wieder aufzunehmen, der sie zu einer Wiederentdeckung der christlichen Werte und zur persönlichen Erfahrung der erlösenden Begegnung mit dem Heiland führt. Ich ermutige Sie deswegen, Ihre seelsorgerische Aufgabe weiterzuführen, Rückhalt im Gebet zu suchen, in der Vertiefung von Gottes Wort, im Studium der Dokumente der Lehre und in der engen Zusammenarbeit untereinander mit dem örtlichen Klerus. Die Jungrau Maria, Mutter Gottes und der Kirche, möge Ihnen in jedem Moment Ihres Lebens beistehen. Auch ich begleite Sie mit meinen Gebeten und mit einem besonderen Segen, den ich Ihnen und Ihren militärischen Gemeinden gern erteile. 1195 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche als Anwalt der Menschlichkeit Grußworte bei der Sonderaudienz an den „Kardinal-Höffner-Kreis“ vom 20. Oktober Liebe Mitglieder des Kardinal-Höffner-Kreises! Es ist mir eine besondere Freude, Sie anläßlich Ihres Informationsbesuches in Rom hier im Vatikan begrüßen zu können. Ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen. Sie haben Ihren Kreis nach dem unvergessenen Kardinal Joseph Höffner benannt und damit bekunden wollen, daß Sie in seinem Geist in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eigene Akzente setzen möchten, die sich aus unserem Glauben und aus der katholischen Soziallehre ergeben. Kardinal Höffner war ein Mann des Glaubens und der Wissenschaft. Er hat uns ein beredtes Beispiel treuer und konsequenter Christusnachfolge und hingebenden Dienstes zum Wohl der Menschen in Kirche und Gesellschaft gegeben. Als Christ wußte der Kardinal, daß unser Leben nicht uns selbst gehört, sondern dem, dessen Namen wir tragen. Er wußte, daß wir unser Leben nur empfangen, indem wir es geben. Und er hat vor allem darum gerungen, daß Europa christlich bleibe und es wieder mehr werde. Dieses geistige Vermächtnis möge Ihnen Weisung und Auftrag sein bei Ihrer verantwortlichen Tätigkeit für Staat und Gesellschaft. Dies gilt vor allem in einer Zeit, in der versucht wird, in der Frage der Verhältnisbestimmung zwischen positiver und negativer Religionsfreiheit das Recht auf negative Religionsfreiheit gleichsam zum Obergrundrecht zu erklären. In Wirklichkeit geht es vielmehr darum, zu einer praktischen Konkordanz der beiden Aspekte der Religionsfreiheit zu gelangen, wie sie vom geltenden Recht und der Verfassungstradition Ihres Landes her angestrebt werden sollte. Ihre Verfassungstradition von 1919 und deren Interpretation in der Entwicklung nach den Zweiten Weltkrieg spricht gegen ein Verständnis von religiös-weltan-schaulicher Neutralität im Sinne einer negativen Distanzierung des Staates vom Religiösen beziehungsweise von den Religionsgemeinschaften. Der Staat kann kein indifferentes Neutrum sein, da er von einer bestimmten geschichtlichen Tradition herkommt und in einem konkreten kulturellen Kontext steht. Ihre geltende Verfassungslage wird berücksichtigen müssen, daß das Christentum maßgebender Faktor der Kultur Ihres Landes und damit auch ein grundlegender Bestandteil von Bildung und Erziehung ist. Ihre Aufgabe wird es sein, das Grundrecht auf Religionsfreiheit als Element des demokratischen Rechtsstaates zu verteidigen sowie an den christlichen Wurzeln der politischen und sozialen Ordnung Europas festzuhalten. Im Sinne Kardinal Höffners gilt es, der Kirche den Öffentlichkeitsanspruch sowie ihre Anwaltschaft für das Humanum zu erhalten. 1196 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Zusammenbruch totalitärer Systeme in Europa erfordert eine gründliche Erneuerung der politischen Handlungsweisen. Ihnen kommt es in Ihrer Stellung zu mitzuhelfen, daß Europa seine Wurzeln wiederfindet und nach dem Maßstab seiner Ideale und seines Edelmuts seine Zukunft aufbaut. Die Kraft des Evangeliums ist fähig, durch ihr Ferment der Gerechtigkeit und der Liebe in der Wahrheit und der Solidarität die Kulturen unserer Zeit umzugestalten. Der Glaube, der zur Kultur wird, ist Grund zur Hoffnung. Gestärkt in dieser Hoffnung und glücklich, Sie in diesem Sinne engagiert zu sehen, erteile ich Ihnen und Ihren Angehörigen gerne den Apostolischen Segen. Der Mensch — Mittelpunkt allen Lehrens und Lernens in der Verkündigung Predigt bei der Meßfeier zur Eröffnung des Akademischen Jahres der römischen päpstlichen Universitäten am 20. Oktober 1. Im Evangelium der heutigen Liturgie haben wir gehört, daß eine Menschenmenge zu Jesus strömte (vgl. Lk 12,1): Seine Gegenwart, seine besondere Autorität zogen die Menschen an, die zu ihm kamen und so eine große Gemeinschaft bildeten. Heute haben sich die Professoren, die Studenten und jene, die in den päpstlichen Universitäten und Kollegien arbeiten, in der Peterskirche um Jesus versammelt zur alljährlichen Eröffnungsfeier des neuen akademischen Jahres. Christus ist der Lehrer und wir die Jünger. Alle: Professoren und Studenten. Auch der Bischof von Rom. Wir alle sind seine Schüler. Wir haben uns hier eingefunden, damit er, Christus, zu Beginn des akademischen Jahres als erster zu uns spricht. Das erste Wort gehört nämlich ihm, der das ewige Wort des Vaters ist, das fleischgewordene Wort. Er ist „der Erste und der Letzte“ {Offb 2,8), „Er war, und er ist, und er kommt“ (Offb 4,8). 2. Was sagt uns Christus heute? Was will er uns durch die Lesungen dieser liturgischen Feier mitteilen? „Fürchtet euch nicht! Ihr seid mehr wert...“ {Lk 12,7). Er spricht zu uns über den Menschen, der, wenn er die Welt um sich herum betrachtet, erkennen kann, daß ihm unter allen anderen Geschöpfen der seinsmäßige Vorrang gebührt: Sein Sein als Person stellt ihn über alle anderen Lebewesen. Wenn er sagt ,Jhr seid mehr wert“, bestätigt Christus diese Hierarchie des Seins und der Werte. Aber nicht nur das. Die Anthropologie, die dem heutigen Abschnitt aus dem Evangelium zugrunde liegt, hat nicht nur eine ontologische Dimension. Christus spricht über den Menschen auch unter dem Gesichtspunkt der göttlichen Vorsehung und der Heilsökonomie und sagt uns, daß Gott allen Geschöpfen gegenüber aufmerksam ist, besonders aber gegenüber dem Menschen. 1197 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese einzigartige Fürsorge entspricht der ursprünglichen, geoffenbarten Wahrheit, nach der der Mensch als Abbild Gottes selbst geschaffen worden ist (vgl. Gen 1,27). Die Sorgsamkeit Gottes für den Menschen betrifft also nicht nur die seinsmäßige, sondern auch die ethische Ordnung. Gerade deshalb kann Christus sagen: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, euch aber sonst nichts tun können ... Fürchtet euch vor dem, der nicht nur töten kann, sondern die Macht hat, euch auch noch in die Hölle zu werfen“ (Lk 12,4-5). Handelt es sich vielleicht in erster Linie um eine Sanktion? Oder nicht vielmehr um das, was der Sanktion zugrunde liegt? Es handelt sich um das moralisch Gute und Böse. Die Fürsorge, die Gott dem Menschen zuteil werden läßt, ist mit der ethischen Ordnung verknüpft, die besagt, daß der Mensch „mehr wert ist“ als jedes andere Lebewesen um ihn herum. 3. Liebe Dozenten, liebe Studenten! Wie wichtig ist es, daß eure Umgebung, die Umgebung der Studien und der wissenschaftlichen Forschung, besonders die der römischen päpstlichen Universitäten, dazu beiträgt, dieses theologische und ethische Bewußtsein zu schärfen! Dies muß auf verschiedenen Ebenen und unter verschiedenen Gesichtspunkten geschehen. Es ist nötig, daß die „Wichtigkeit“, die Gott selbst dem Menschen zuerkannt hat, im Mittelpunkt eurer Aufmerksamkeit und eurer akademischen Tätigkeit steht. Was könnte dieses Interesse Gottes für den Menschen besser hervorheben als die Tatsache, daß er selbst durch seinen Sohn am Werk seiner Rechtfertigung teilnimmt? Dies hat uns die erste Lesung von heute aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer (4,1-8) ins Gedächtnis zurückgerufen. Christus bietet uns sein Zeugnis, damit der Mensch sich dem himmlischen Vater hingibt, der reich an Barmherzigkeit ist, der die Rettung seiner Kinder will und das Wohl des Menschen wünscht. Er ist immer bereit, die Sünden zu vergeben und die Bemühungen der Menschen auf ihrem Weg hin zum Guten zu unterstützen. Dies wird durch den Antwortpsalm bekräftigt, der soeben in unserer Mitte erklungen ist (Ps 31,1-2.5). 4. Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte an euch alle, die ihr an dieser Feier teilnehmt, einen herzlichen Gruß richten, zusammen mit meinen guten Wünschen für ein frohes und gewinnbringendes Studienjahr. Ich danke Kardinal Pio Laghi für die Worte, die er an mich gerichtet hat im Namen der großen Gemeinschaft der höheren Studien in den römischen kirchlichen Studieneinrichtungen. Ein anerkennungsvoller Gruß geht außerdem an die Großkanzler und an die Rektoren der Päpstlichen Universitäten für den Einsatz, mit dem sie eine glänzende Leitung dieser Schulen des Denkens und Lebens sicherstellen, sowie ein ausgezeichnetes kulturelles Niveau und einen spürbaren kirchlichen Geist. Den Dozenten wünsche ich, daß sie die leidenschaftliche Suche nach der Wahrheit und die Tüchtigkeit, deren Inhalte auf anschauliche Weise weiterzugeben, immer lebendig erhalten mögen; den Studenten aus allen Kontinenten wünsche ich, daß 1198 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie diese wertvolle Zeit, die der Herr ihnen geschenkt hat, voll und ganz aufwerten können, mit großem Verantwortungsbewußtsein sowie demütigem und geduldigem Einsatz. Allen sage ich: Nehmt das Wort auf, das der Herr heute, zu Beginn eines neuen Lehr- und Studienzyklus, an euch gerichtet hat. Mit wenigen, aber markanten Zügen spielt dieses Wort auf die allerhöchste Berufung des Menschen an. Nehmt die Botschaft des eucharistischen Opfers auf. Spricht diese Botschaft allein nicht noch beredter darüber, wie sehr Gott den Menschen geliebt hat, jeden Menschen, einen jeden von uns? Drückt es etwa nicht aus, wie weit diese seine Liebe uns auf den Wegen unseres Daseins begleitet? Möge der Opfertod Christi, an dem ihr teilnehmt, die Aufgaben und die Bemühungen, die euch erwarten und die ihr auf euch nehmt, inspirieren, orientieren und euch unterstützen, als erstes und hauptsächliches „Wort“. Möge ein jeder von euch diesem „Wort“ Tag für Tag mit großzügigem Einsatz entsprechen! Im treuen Festhalten an diesem Wort liegt das Geheimnis für ein frohes und fruchtbares Jahr. Kampf gegen Hunger in der Welt erfordert nicht Mitleid, sondern Gerechtigkeit Ansprache zum 50. Jahrestag der Gründung der FAO am 23. Oktober Herr Präsident, Herr Generaldirektor, meine Damen und Herren! 1. Mit Freuden heiße ich die verehrten Teilnehmer der 28. Konferenz der Emäh-rungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen willkommen, die hier zu ihrem nunmehr traditionellen Besuch beim Hl. Stuhl versammelt sind. Da wir in diesem Jahr das fünfzigjährige Bestehen der FAO feiern, freut es mich ganz besonders, daß Sie trotz Ihrer zahlreichen Verpflichtungen diese Verabredung -ein Brauch, der seit der Gründung der FAO in Rom 1951 anläßlich aller Konferenzen beibehalten wurde - nicht versäumen wollten. Durch Sie, Herr Präsident, vermittle ich allen Delegierten und Vertretern der Mitgliedstaaten von Herzen meine besten Wünsche, und richte einen ganz besonderen Willkommensgruß an die neuen Mitglieder Ihrer Organisation, die mehr denn je eine Welt widerspiegelt, die, trotz vieler oft schmerzlicher Spaltungen, in zunehmendem Maße das Bedürfnis hat, vereint gemeinsame Ziele zu verfolgen. Ich danke Ihnen, Herr Generaldirektor, und bekräftige erneut meine Hochachtung für Ihren großherzigen Einsatz während dieser ersten Phase Ihres Mandats, das unter anderem die schwierige aber notwendige Aufgabe der Umstrukturierung der Organisation einschließt. 1199 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Es ist kein Zufall, daß die Gründung der FAO mit der Entstehung jener größeren Organisation, der Vereinten Nationen, zusammenfiel, deren Ideale die FAO inspirierten und mit deren Aktivität sie verbunden ist. Mit der Einrichtung der FAO sollte also die Komplementarität der in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Prinzipien betont werden: Wahrer Frieden und wirkungsvolle internationale Sicherheit können nicht nur durch das Verhüten von Kriegen und Konflikten verwirklicht werden, sondern auch durch Entwicklungsförderung und durch das Schaffen jener Bedingungen, die die volle Achtung der grundlegenden Menschenrechte gewährleisten. 3. Das fünfzigjährige Jubiläum der FAO ist eine passende Gelegenheit, um über die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für ein fundamentales Gut und dessen Verwirklichung nachzudenken: die Befreiung der Menschen von Unterernährung und drohender Hungersnot. Wie Sie bereits unlängst in der „Quebec Erklärung“ betont haben, darf nicht vergessen werden, daß für die Entstehung der FAO nicht nur der Wunsch ausschlaggebend war, die wirkungsvolle Zusammenarbeit der Staaten auf einem wesentlichen Sektor wie dem der Landwirtschaft zu intensivieren, sondern auch die Absicht, auf einem rationalen Wege durch Teilung der Früchte der Erde ausreichende Nahrungsversorgung für die ganze Welt zu gewährleisten. Die Welt hoffte, durch die Gründung der FAO am 16. Oktober 1945 der Plage des Hungers und der Not ein Ende zu setzen. Die übergroßen Schwierigkeiten, die noch immer mit dieser Aufgabe verbunden sind, dürfen es nicht zulassen, die Entschlossenheit Ihres Engagements zu schwächen. Auch heute haben wir tragische Situationen vor Augen: Menschen verhungern, weil Frieden und Sicherheit nicht gewährleistet werden konnten. Die soziale und wirtschaftliche Lage unserer heutigen Welt macht uns allen bewußt, in welchem Ausmaß Hunger und Unterernährung vieler Millionen Menschen die Folge übler Mechanismen innerhalb unserer Wirtschaftsstrukturen sind oder auch die Konsequenz einer ungerechten Verteilung von Ressourcen und Erzeugnissen, von politischen Strategien zum Schutz spezieller Interessengruppen oder verschiedener Formen von Protektionismus. Außerdem hat die prekäre Situation ganzer Völker zu einer Mobilität von solch alarmierenden Ausmaßen geführt, daß es nicht möglich ist, dem Phänomen allein mit traditionellen humanitären Hilfsaktionen entgegenzuwirken. Das Flüchtlings- und Vertriebenenproblem hat dramatische Auswirkungen auf die Agrarproduktion und die Nahrungssicherung, da es die Emährungsversorgung von Millionen von Menschen beeinträchtigt. In den letzten Jahren haben die Initiativen der FAO gezeigt, daß Soforthilfe für Flüchtlinge nicht ausreicht; diese Art von Versorgung bringt keine befriedigende Lösung, so lange Situationen extremer Armut weiter bestehen und sich sogar noch vertiefen können, Situationen, die durch Unterernährung und Hunger zu höheren Sterberaten führen. Wir müssen uns vielmehr mit den für diese Zustände verantwortlichen Ursachen befassen. 1200 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Meine Damen und Herrn: Das fünfzigste Jubiläum gibt uns Gelegenheit zu fragen, warum internationale Initiativen trotz der Existenz der FAO nicht fähig sind, diese Situation zu ändern. Die Welt ist durchaus in der Lage, genügend Nahrungsmittel zu erzeugen, um den Bedarf eines jeden zu decken. Wie kommt es also, daß so viele Menschen vom Hungertod bedroht sind? Wie Sie wissen, gibt es viele Gründe für diese paradoxe Situation der Koexistenz von Überfluß und Knappheit, einschließlich jener politischen Strategien, die die Agrarproduktion zwangsweise drosseln, weitverbreiteter Korruption im öffentlichen Leben und massiver Investitionen in hochentwickelte Waffensysteme auf Kosten grundlegender Bedürfnisse der Menschen. Diese und andere Gründe tragen zur Entstehung dessen bei, was Sie „Strukturen des Hungers“ nennen. Hier sprechen wir von jenen Mechanismen des internationalen Handels, die die benachteiligten Länder, diejenigen, die den größten Bedarf an Nahrungsmitteln haben, auf dem einen oder anderen Wege vom Markt ausschließen und so eine gerechte und wirksame Verteilung der Agrarproduktion verhindern. Doch ein weiterer Gmnd liegt auch darin, daß gewisse Formen von Entwicklungshilfe für die ärmeren Länder von der Durchführung einer Politik struktureller Anpassung abhängig gemacht werden; einer Politik, die die Fähigkeit dieser Länder, notwendige Nahrungsmittel zu erwerben, auf drastische Weise einschränkt. Auch kann eine ernsthafte Analyse der Ursachen des Hungerproblems nicht die den höherentwik-kelten Ländern eigene Haltung übersehen, wo eine konsumorientierte Kultur darauf abzielt, künstliche Bedürfnisse über tatsächliche zu erheben. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die weltwirtschaftlichen Strukturen, insbesondere für die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelerzeugung. Diese Vielzahl von Gründen haben ihren Ursprung nicht nur in einer irrigen Auffassung von Werten, die internationale Beziehungen aufrechterhalten sollten, sondern auch in jener weitverbreiteten Einstellung, die Haben nachdrücklicher hervorhebt als Sein. Das Resultat ist die tatsächliche Unfähigkeit vieler, sich der Bedürfnisse der Armen und Hungerleidenden bewußt zu werden, ja in der Tat die Armen selbst und ihre unveräußerliche menschliche Würde zu achten. Eine wirksame Strategie zur Bekämpfung des Hungers erfordert somit mehr als lediglich Hinweise auf eine korrekte Regelung der Marktmechanismen oder auf die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion. Es ist vor allen Dingen notwendig, den Sinn des Menschen wieder in seiner Persönlichkeit zu verstehen. In meiner Ansprache an die Generalversammlung der Vereinten Nationen am vergangenen 5. Oktober wies ich auf die Notwendigkeit hin, die Beziehungen zwischen den Völkern auf der Basis eines konstanten „Austauschs der Gaben“ aufzubauen, einer wahren „Kultur des Schenkens“, die jedes Land für die Bedürfnisse der Benachteiligten vorbereiten sollte (Nr. 14). 5. In dieser Hinsicht spielen die FAO und andere Organisationen eine wesentliche Rolle für die Förderung einer neuen Bereitschaft zu internationaler Zusammenarbeit. Während der letzten fünfzig Jahre hat die FAO sich dafür verwendet, den 1201 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen Land zugänglich zu machen, indem sie als Voraussetzung für eine Steigerung der Produktivität die Landarbeiter unterstützte und ihre Rechte förderte. Nahrungsmittelhilfe, die oft als politisches Druckmittel ausgenutzt wurde, ist durch ein neues Konzept ersetzt worden: Emährungssicherung, die die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln nicht nur in Verbindung mit dem Bedarf der Bevölkerung eines Landes sieht, sondern auch im Zusammenhang mit der Produktionskapazität angrenzender Gebiete im Hinblick auf den schnellen Transport und Austausch von Nahrungsmitteln. Außerdem spiegelt sich die Besorgnis der internationalen Gemeinschaft für Umweltprobleme im Interesse der FAO für Initiativen zur Einschränkung der Zerstörung unseres Ökosystems und die Bekämpfung von Phänomenen wie Desertifikation und Erosion zum Schutz der Nahrungsmittelerzeugung wider. Die Förderung effektiver sozialer Gerechtigkeit in den Beziehungen zwischen den Völkern führt zu dem Bewußtsein, daß die Güter der Schöpfung für alle Menschen bestimmt sind und daß das Wirtschaftsleben der internationalen Gemeinschaft auf das Teilen, den Gebrauch und die Nutzung dieser Güter ausgerichtet sein sollte. Mehr denn je ist es heute notwendig, daß sich die internationale Gemeinschaft um die Erfüllung jenes wichtigen Vorsatzes bemüht, der zur Gründung der FAO geführt hat. Das tägliche Brot für alle auf Erden - jenes „Fiat panis“, auf das sich die FAO in ihrem Motto bezieht - ist eine wesentliche Bedingung für Frieden und Sicherheit in der Welt. Es müssen mutige Entscheidungen getroffen werden, Entscheidungen im Licht einer korrekten ethischen Einstellung in Politik und Wirtschaft. Änderungen und Reformen des internationalen Systems, und insbesondere der FAO, müssen in einer ethischen Solidarität und einer Kultur des Teilens verankert sein. Das Hinarbeiten auf dieses Ziel kann ein ausgesprochen erfolgreicher Weg zur Vorbereitung auf das wichtige Weltgipfeltreffen über Emährungsfragen sein, das die FAO für den November des kommenden Jahres geplant hat. 6. Die katholische Kirche steht Ihnen bei all Ihren Bemühungen zur Seite, was jene Aufmerksamkeit bestätigt, mit der der Hl. Stuhl die Initiativen der FAO seit 1948 verfolgt hat. Indem er mit Ihnen dieses fünfzigjährige Jubiläum feiert, möchte der Hl. Stuhl seine konstante Unterstützung für Ihre Bestrebungen zum Ausdruck bringen. Ein Symbol dieser Unterstützung und Ermutigung ist die Glocke, die, in Erinnerung an die Gründung der Familie der Vereinten Nationen vor fünfzig Jahren, im Hauptsitz der FAO ihren Platz haben wird. Glocken sind ein Symbol der Freude; sie verkünden ein Ereignis. Glocken rufen aber auch zu Taten auf. Bei diesem Anlaß und im Zusammenhang mit den Initiativen der FAO will diese Glocke jeden - Länder, verschiedene internationale Organisationen, alle Männer und Frauen guten Willens - zu stets größerem Einsatz auffordem, um die Welt von Hunger und Unterernährung zu befreien. Die auf dem Sockel der Glocke eingravierten Worte erinnern an die eigentliche Bestimmung der Vereinten Nationen: „Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg“ (Jes 2,4). Das sind die Worte des 1202 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Propheten Jesaja, der den Anbruch des Friedens in aller Welt verkündete. Aber, so sagt der Prophet weiter, dieser Frieden wird nur dann kommen - und das ist von großer Wichtigkeit für die FAO -, wenn „sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen schmieden“ (vgl. ebd.). Erst dann, wenn die Menschheit den Kampf gegen den Hunger als Priorität betrachtet und bereit ist, jedem die notwendigen Mittel zur Beschaffung seines täglichen Brotes zu geben, anstatt Waffen zu horten, werden Konflikte und Kriege ein Ende nehmen und die Menschen fähig sein, einem dauerhaften Frieden entgegenzugehen. Das ist die große Aufgabe, zu der Sie, die Vertreter der Nationen und die Verantwortlichen der FAO, berufen sind. Für Ihre Arbeit und die der FAO bitte ich den allzeit barmherzigen und allmächtigen Gott um seinen reichen Segen. Kulturförderung in Ost und West Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der „Stiftung Johannes Paul II.“ am 26. Oktober 1. Ich heiße alle Anwesenden zu unserem heutigen Treffen herzlich willkommen. Ich grüße den Erzbischof von Detroit, Kardinal Adam J. Maida, den Apostolischen Nuntius von Polen, Erzbischof Jözef Kowalczyk, die Mitglieder des Verwaltungsrats der Stiftung und ihren Präsidenten, Erzbischof Szczepan Wesoly, dem ich gleichzeitig für seine an mich gerichteten Einleitungsworte danke. Insbesondere begrüße ich euch, liebe Brüder und Schwestern, die Wohltäter und Freunde der nach mir benannten Stiftung, und durch euch grüße ich all diejenigen, die auf so großzügige Weise dieses wichtige Werk im Dienst der Kirche und der polnischen Kultur unterstützen. Jede unserer Begegnungen ist in erster Linie eine Gelegenheit, um Gott für das Geschenk dieser Stiftung und für all das Gute zu danken, das durch sie bereits getan werden konnte und auch weiterhin geschehen wird. Außerdem ist dies ein willkommener Anlaß, um den Männern zu danken, die durch ihre großzügige Zuwendung einst ihre Gründung ermöglicht haben und heute ihre weitere Entwicklung gewährleisten. Euch allen, liebe Freunde und Förderer der Stiftung - den hier anwesenden wie auch denen, die heute nicht hier sein können und fast überall in der Welt verstreut sind -, möchte ich meine ganz persönliche Dankbarkeit mit unserem alten: „Vergelt’s Gott!“ ausdrücken. 2. Die durch euch vertretene Stiftung wurde vor vierzehn Jahren, am 16. Oktober 1981, ins Leben gerufen. Rückblickend erkennen wir heute von welch providen-tieller Bedeutung diese Initiative war. Sie wurde aus einer zweifachen Liebe geboren: aus der Liebe für die Kirche und der Liebe für das Heimatland. Kirche und Heimatland, zwei Realitäten, die sogar auf organische Weise in unserer Geschichte 1203 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vereint sind. Diese Verbindung wurde für unsere Nation die Quelle einer ganz besonderen geistlichen Kraft; sie erlaubte ihr, Zeiten harter Prüfungen zu überstehen und gleichzeitig eines der entscheidenden Elemente unserer polnischen Identität zu werden. Diese Stiftung ist eine kirchliche Einrichtung und als solche in erster Linie ein Mittel der Evangelisierung im weitesten Sinne dieses Wortes, worin ihre grundlegende Eigenart hegt. Sie ist ein konkreter Ausdruck der kirchhchen Sorge für den Menschen, entsprechend dem Grundsatz, daß der Mensch „der erste und grundlegende Weg der Kirche ist, ein Weg, der von Christus selbst vorgezeichnet ist“ (vgl. Redemptor hominis, Nr. 14). Sie ist auch Ausdruck jenes Dienstes, den die Kirche der Nation und ihrer tief in der christlichen Tradition verwurzelten Kultur erweist. In diesem Geist verrichtet die Einrichtung ihre wertvolle Arbeit auf religiösem, kulturellem, wissenschaftlichem, pastoralem und karitativem Gebiet. Die Stiftung hat ihren Sitz im Vatikan. Auch das ist vielsagend. Es handelt sich hier nicht um eine rein zufällige Entscheidung. Diese vatikanische und römische Sicht erlaubt gewissermaßen, die Bedürfnisse der Kirche nicht nur in Polen, sondern auch in anderen Ländern in ihrer ganzen Vielschichtigkeit besser zu beurteilen; sie unterstützt den .Austausch der Gaben“ zwischen der polnischen Kirche und den Kirchen anderer Länder, insbesondere denjenigen, die dem gleichen Volksstamm angehören; ferner betont sie die aktive Präsenz des polnischen Geistes und der christlichen Kultur in Rom, der Wiege der europäischen Kultur; sie fördert den Dialog mit den christlichen Kulturzentren anderer Nationen und unterstreicht schließlich jene traditionellen Bande, die Polen mit dem Apostolischen Stuhl verbinden - Bande, die in unserer Geschichte viele heilige Früchte hervorgebracht haben. 3. Die Aktivität der Stiftung ordnet sich zwischen Polen und der weltweiten polnischen Emigration ein. In dieser Dimension finden wir die wesentlichen Prinzipien ihres Arbeitsprogramms gewissermaßen bereits in den „Ksiegi narodu i pielgrzymstwa polskiego“ (,3ücher der polnischen Nation und Pilger“) von Adam Mickiewicz und in ,Anhelli“ von Juliusz Slowacki. In diesem Programm wird „das Pilgern zum Vaterland“ wiedergegeben. Mickiewicz schreibt: „Die Seele der polnischen Nation ist die polnische Wanderschaft. Und kein Pole auf Wanderschaft wird als Umherirrender bezeichnet, denn ein Umherirrender ist ein Mensch, der ohne Ziel einhergeht“ („Bücher der polnischen Nation und Pilger“.) Pilger sind mehr als einfache Emigranten. Pilger sein bedeutet, ein Ziel vor Augen haben, einen wesentlichen Anhaltspunkt wie das Heimatland. Polen hat zwei - nennen wir sie einmal - „Flügel“ im Ausland: einen östlichen und einen westlichen. Es ist wichtig, diese beiden Strömungen der „polnischen Pilgerschaft“ zu untersuchen. Bisher ist dem östlichen Kapitel entschieden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, und es lohnt sich, die Spuren unserer Landsleute, beispielsweise im asiatischen Teil Rußlands und in den Gebieten jen- 1204 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seits des Kaukasus, zu verfolgen und zu dokumentieren. Den eingehenden Informationen gemäß soll dort noch immer jene katholische Tradition überleben, die die polnischen Zwangsarbeiter im vergangenen Jahrhundert mitbrachten. Auch der von der ersten Republik in den östlichen Gebieten hinterlassene religiöse und kulturelle Reichtum verdient Beachtung. Das sind die weitgefaßten Studien- und Forschungsbereiche, denen sich die Stiftung widmet, zumal der Umbruch in Mittel- und Osteuropa nach 1989 heute die Kontaktaufnahme zu jenen Gebieten eher möglich macht. Der Bedarf ist außerordentlich groß, denn das totalitäre marxistische System hat sowohl in materieller als auch in spiritueller Hinsicht tiefe Zerstörung hinterlassen. Mit großer Freude möchte ich hier betonen, daß im Hinblick auf die Unterstützung der mittel- und osteuropäischen Kirche die bedeutsamen Erfolge und Verdienste der Stiftung anerkannt werden müssen. Ich nutze diese Gelegenheit, um meine persönliche Dankbarkeit dafür zum Ausdruck zu bringen. 4. „Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor“ {Mt 1,11). Die Stiftung, von der wir hier sprechen, ist mit Sicherheit ein solch „guter Baum“. Er wächst und festigt sich und läßt „gute Früchte“ reifen, die Jahr für Jahr zahlreicher werden. Es lohnt sich, sie aus der Nähe zu betrachten. So kommt das „Polnische Haus“ mit großer Hingabe den Bedürfnissen der polnischen Pilger entgegen, indem es ihnen einen Anhaltspunkt bietet und ihnen hilft, die Begegnung mit der Hauptstadt des Christentums auf spirituelle Weise zu leben. Das Dokumentationszentrum dieses Pontifikats, in dem wertvolle Materialien und Publikationen zusammengetragen werden, entwickelt sich gut. Das Polnische Institut für Christliche Kultur in Rom leistet zusammen mit seiner Filiale in Lublin durch Veröffentlichungen, Symposien und die Gewährung von Stipendien einen bedeutenden Beitrag für die stets bessere Kenntnis und Verbreitung der christlichen Dimension der polnischen Kultur. Ein äußerst wichtiges Arbeitsfeld des Instituts ist die „Sommeruniversität der Polnischen Kultur“, die sich nunmehr seit einigen Jahren an die ortsansässigen und oft schon nicht mehr in ihrem Heimatland geborenen Polen wendet, die anhand von Vorlesungen und Seminaren Polen näherkommen und besser kennenlemen wollen. Doch auch das vor kurzem in Lublin eröffnete „Haus des Studenten“ der Stiftung verdient besondere Beachtung; es beherbergt 96 Studenten aus 13 Ländern: aus Estland und Lettland bis nach Kasachstan. Insgesamt haben etwa 150 Studenten Anrecht auf ein Stipendium in Lublin. Durch diese Initiative leistet die Stiftung einen wesentlichen Beitrag für das Wiederaufblühen der katholischen Intelligenz in Ost- und Mitteleuropa. Ebenso dürfen wir eine die Vereinigten Staaten betreffende Initiative der Stiftung nicht vergessen. Ich denke hier an das Projekt für den Aufbau eines großen Kulturzentrums in Washington. Ich weiß, wie sehr dieses Vorhaben Kardinal Adam J. Maida am Herzen hegt und wieviel Kraft und Energie er für dessen Verwirklichung aufbringt. 1205 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Diese kurze Aufzählung der verschiedenen Tätigkeiten der Stiftung beweist, wie sich in diesem Fall die Worte des Evangeliums bewahrheiten: ,Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor“ {Mt 7,17). Wir wissen aber, daß diese „guten Früchte“ nur aufgrund großzügiger Spenden vieler Personen reifen konnten, die individuell oder auch gemeinschaftlich in den zahlreichen in vielen Ländern vertretenen Förderkreisen der Stiftung nicht an Mitteln gespart haben, um dieses wichtige Werk zu unterstützen. Angesichts dieser Früchte ist deutlich zu erkennen, daß die überwiesenen Spenden der Sache der Kirche und des Heimatlands zugute kommen. Daher möchte ich euch, die ihr hier versammelt seid, und durch euch allen in vielen Ländern und fast allen Kontinenten verstreuten Freunden und Wohltätern der Stiftung nochmals mit dem alten polnischen: „Vergelt’s Gott!“ danken. Ich danke euch für eure Bemühungen zur Weiterentwicklung dieser wertvollen Einrichtung, die ich auch für die Zukunft eurer Großzügigkeit anvertraue. Voller Freude über diese heutige Begegnung, spende ich der Stiftung, all ihren Wohltätern und Freunden, den hier Anwesenden und ihren Familien von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen: im Namen des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Herzlichst grüße ich die Freunde und Wohltäter der Stiftung aus den Vereinigten Staaten in Begleitung von Kardinal Adam J. Maida. Ich habe noch immer die Bilder meines letzten Pastoralbesuchs in eurem Land vor Augen. Die amerikanischen Katholiken haben ein klares und für die ganze Welt sichtbares Zeugnis ihres Glaubens an Christus gegeben und ihre starke Einheit mit der Kirche und dem Nachfolger Petri bewiesen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nochmals meine tiefe Dankbarkeit für den herzlichen Empfang zum Ausdruck zu bringen, den Amerika mir bereitet hat. Brüder und Schwestern, hier in Rom nehmt ihr an einem Treffen der Freunde und Förderer der Stiftung teil, die meinen Namen trägt. Die Einrichtung hat einen ausgesprochen kirchlichen Charakter, der sie vor allem zu einem Werkzeug der Evangelisierung im Dienst der Kirche macht. Die Stiftung richtet ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf die osteuropäische Kirche, die nach Jahrzehnten der Verfolgung durch das totalitäre kommunistische System nun eine Zeit intensiver Erneuerung erlebt. Sie braucht vielerlei Unterstützung, unter anderem auf dem Gebiet des religiösen Verlagswesens wie auch für die Formung einer jungen katholischen Intelligenz. Die Stiftung versucht, im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten diesen dringenden Bedürfnissen entgegenzukommen. Liebe Freunde, mit großer Freude nehme ich diese Gelegenheit wahr, um persönlich meine Anerkennung für eure großzügige Unterstützung der Ziele der Stiftung zum Ausdruck zu bringen. Wir haben es euch zu verdanken, daß diese Organisation existiert, ihre Arbeit ausüben und sich sogar weiterentwickeln kann. Es freut mich, daß die Anzahl der Freunde der Stiftung ständig zunimmt. Ich sehe darin ein gutes Zeichen für die Zukunft. 1206 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit aufrichtiger Dankbarkeit für dieses Treffen erteile ich allen amerikanischen Freunden und Wohltätern der Stiftung wie auch ihren Familien von Herzen meinen Apostolischen Segen. Neue Handlungsansätze zur Bekämpfung der Armut erarbeiten Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates Cor Unum am 27. Oktober Meine Herren Kardinäle, hebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Seid alle willkommen, die ihr jene Liebe Christi ausdrückt und in die Tat umsetzt, die uns dazu drängt, den Armen zu dienen, so wie es im Thema eurer Versammlung gesagt ist: „Caritas Christi urget nos [Die Liebe Christi drängt uns] (2 Kor 5,14). Unser Einsatz zugunsten der Armen.“ Ich danke Herrn Kardinal Etchegaray für seine Vorstellung eurer Arbeiten in diesen Tagen. Einen sehr herzlichen Gruß möchte ich dann an die neuen Mitglieder des Päpstlichen Rats Cor Unum richten. Außerdem möchte ich stellvertretend für die ganze Kirche ihre Dankbarkeit für das Werk dieses Rates ausdrücken, dessen fünfundzwanzigjähriges Bestehen wir nächstes Jahr feiern werden. Damals wurde dieser Rat von meinem Vorgänger Papst Paul VI. ins Leben gerufen. Diese Erkenntlichkeit ist ebenfalls an all jene Wohltätigkeitsorganisationen gerichtet, die ihr vertretet: Ihre Tätigkeit bleibt unersetzlich, nicht nur aufgrund ihrer großzügigen und kompetenten Hilfe für die Ärmsten der Armen, sondern auch wegen ihrer Rolle als Animatoren innerhalb der ganzen kirchlichen Gemeinschaft. In vielen Punkten orientiert sich eure Arbeit an der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, einem der wichtigsten Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, dessen Erlaß vor dreißig Jahren uns demnächst ein Grund des Gedenkens sein wird. Bei dieser Gelegenheit ist es mir ein Anliegen, dem Herrn zu danken, da die Fruchtbarkeit dieser Konzilsurkunde hinsichtlich des Dienstes am Menschen sehr groß gewesen ist. Dieser Dienst ist die Berufung der Kirche und speziell eure Aufgabe. 2. Die Wahl eures Diskussionsthemas entspricht genau dem Vorsatz, dem man bei der Schaffung von Cor Unum gefolgt ist, denn dieses Thema drückt etwas aus, das für die Jünger Christi wesentlich ist. Wie ich einmal sagte, „war das ganze Leben Christi ein beständiges Lehren; ... seine Liebe zum Menschen, seine Vorliebe für die Kleinen und Armen ...: Dies alles macht sein Wort wirklich und wahr und vollendet seine Offenbarung“ (Catechesi tradendae, Nr. 9). Ja, die Liebe, im Wort 1207 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und im Leben des Erlösers offenbart, ist das Wichtigste im Leben eines jeden Christen. Wir werden über die Liebe gerichtet werden. Man muß den Mut haben, über die ernsten Worte des hl. Johannes zu meditieren: „Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht ...Wer aber seinen Bruder haßt, ist in der Finsternis. Er geht in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht“ (7 Joh 2,10-11). Um sich für die Armen einzusetzen, muß man also zuerst seinen Nächsten lieben, ohne jeden Unterschied. Wollen wir eine Zivilisation der Liebe, die die ganze Menschheit betrifft, oder eine Zivilisation, in der sich jeder in sich selbst verschließt, wo die Liebe fehlt und die unweigerlich zu einer Welt führt, die „nicht weiß, wohin sie geht“? 3. Mit Recht nehmt ihr euch vor zu untersuchen, was nach Möglichkeit getan werden könnte, damit der Rat Cor Unum dank seiner wertvollen Erfahrung auf gesamtkirchlicher Ebene sich in organischer Weise an den Verfahren beteiligen kann, bei denen die wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut ausgearbeitet werden. Es handelt sich dabei hauptsächlich um die Verwirklichung der beim Weltgipfel der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung in Kopenhagen in aller Form übernommenen Verpflichtungen hinsichtlich „der dringenden Notwendigkeit, die schwerwiegendsten sozialen Probleme anzugehen, besonders die Armut, die Arbeitslosigkeit und die soziale Ausgrenzung“ (Erklärung von Kopenhagen - vorläufige Fassung, Nr. 2). Angesichts der Wichtigkeit eines gemeinsamen Zeugnisses und einer aufeinander abgestimmten Aktion in dieser Richtung, in einer Perspektive der Erneuerung der internationalen Zusammenarbeit, die von vielen erwartet wird, stellt sich der Päpstliche Rat Cor Unum zur Verfügung, um bei der Anregung und Koordinierung der katholischen Einrichtungen mitzuhelfen, die für die Förderung der Solidarität zuständig sind. Für die Kirche ist es klar, daß, wie es die Enzyklika Sollicitudo rei socialis hervorhebt, die „vorrangige Liebe für die Armen ... ein besonderer Vorrang in der Weise (ist), wie die christliche Liebe ausgeübt wird ... sie gilt aber gleichermaßen für unsere sozialen Verpflichtungen ... In gleicher Weise dürfen die Verantwortlichen der Nationen und internationalen Einrichtungen, die ja verpflichtet sind, die wahre menschliche Dimension immer an die erste Stelle ihrer Programme zu setzen, nicht vergessen, dem Phänomen der wachsenden Armut Vorrang zu geben“ (Nr. 42). Die Bekämpfung der Armut ist eine der Anforderungen der Nächstenliebe, deren Ausmaße die des sozialen Lebens auf der ganzen Welt sind, das heißt die der Beziehungen zwischen den Völkern. Dies entspricht einem Vorhaben, das Papst Paul VI. anläßlich der Gründung des Päpstlichen Rats Cor Unum ausdrückte, als er schrieb: „Es ist Teil unserer Aufgabe, alle Nationen daran zu erinnern, daß sie zueinander dieselbe Verpflichtung zur Solidarität haben wie die, die zwischen den Einzelpersonen besteht“ (Schreiben Amoris officio, 15. Juli 1971). Es ist also wichtig, den Kampf gegen die Armut auf allen Ebenen zu führen: auf der Ebene der gegenseitigen Hilfe von Mensch zu Mensch, auf der Ebene der sozialen Ver- 1208 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN antwortung, die dem Kollektiv einer Nation zukommt, und auf der Ebene der internationalen Solidarität, ohne die man nie den dauerhaften Fortschritt erreichen wird, den besonders eine Milliarde Armer auf der ganzen Welt herbeisehnen. 4. Der Hl. Stuhl würdigt die Übereinkunft des Gipfels von Kopenhagen, der die Pflicht bekräftigt hat, daß „den materiellen und geistigen Bedürfnissen der Einzelpersonen, ihrer Familien und der Gesellschaften, in denen sie leben, besser entsprochen werden muß“ (Erklärung - vorläufige Fassung, Nr. 3). Diese Versammlung hatte überdies den Mut, eine breit angelegte Untersuchung des Phänomens der Armut durchzuführen (vgl. Aktionsprogramm - vorläufige Fassung, Kap. II). Deshalb müssen alle, die die Schicksalhaftigkeit der Armut ablehnen, üblicherweise mit den Verantwortlichen ihrer Fänder Zusammenarbeiten, um eine großzügige Politik auszuarbeiten und in die Tat umzusetzen und um dazu beizutragen, alle sozialen und wirtschaftlichen Stellen darin einzuschalten. Man darf es nicht hinnehmen, daß der Menschenwürde so vieler Brüder und Schwestern Hohn gesprochen wird, nämlich derer, die derzeit ohne Lebensunterhalt und Arbeit sind, denen es an Gesundheit und Ausbildung fehlt oder denen die verantwortliche Teilnahme am öffentlichen Leben versagt ist. Die Kirche möchte selbstverständlich nicht die öffentlichen Einrichtungen ersetzen. Doch kann, wie immer öfter zugegeben wird, ein so umfassendes Problem wie die Armut nicht ohne die Initiativen der Nicht-Regierungsorganisationen gelöst werden. In dieser Perspektive finden wir es notwendig, daß kirchliche Einrichtungen und Verbände unbehinderte Handlungsfreiheit in der Gesellschaft haben, vor allem in den ärmeren Ländern, wo eine enge Partnerschaft zwischen öffentlichen und privaten Unternehmungen unentbehrlich bleibt. Und wenn es sich darum handelt, die Kranken zu heilen, die Kinder zu erziehen, sich der Waisen anzunehmen oder die Fremden aufzunehmen, suchen wir natürlich die gegenseitige Ergänzung der vom Staat gewährleisteten Dienste und jener, die von der Kirche, von anderen Christen oder Anhängern anderer geistlichen Traditionen organisiert werden. Man muß hier auch das Problem ansprechen, das die notwendige Unterstützung für die vom Krieg leidgeprüften Bevölkerungen betrifft, denn leider zerfleischen Kriege immer noch allzu viele Gegenden der Welt. Ich danke denen, die Notstandsituationen rasch und mutig angehen, aber ich beschwöre alle, die sich für die Solidarität einsetzen, daß sie auch weiterhin diese Völker unterstützen, bis diese in der Lage sind, das Zerstörte wiederaufzubauen und ihren gesamten menschlichen Fortschritt zu sichern, denn dies ist eine unentbehrliche Voraussetzung für die Festigung des Friedens. 5. Besonders möchte ich einen Aspekt hervorheben, der uns immer mehr bewußt wird: Die Ausrottung der Armut kann nur dann ernsthaft verwirklicht werden, wenn die Armen selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen können, wenn sie direkt an der Konzeption und an der Umsetzung der sie betreffenden Programme betei- 1209 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ligt werden. Nur um diesen Preis werden sie ihre Würde wiederfinden. Die brüderliche Partnerschaft ihrer bessergestellten Landsleute ist sicherlich notwendig, aber wenn sie nicht selbst tätig werden, wird es ihnen nie gelingen, all ihre Fähigkeiten zu entwickeln, um Zugang zum materiellen Wohlstand und zur geistigen Entwicklung zu erlangen. 6. Caritas Christi urget nos: Die Vorbereitung auf das Große Jubeljahr der Erlösung bringt es mit sich, daß man den Akzent auf die göttliche Tugend der Nächstenliebe setzt. Es liegt in eurer Berufung, zur Anregung und Koordinierung der großen Bewegung beizutragen, die die Christen dazu führen muß, ihre Treue zum Evangelium des Lebens immer mehr zu zeigen. Ihr tut dies das ganze Jahr lang, vor allem aber in den Aktionen der Fastenzeit; besonders werdet ihr an der Vorbereitung zum Jahr 1999 teilnehmen müssen, in Zusammenarbeit mit dem Zentral -komittee für das Heilige Jahr, um die Früchte einer zweitausendjährigen Erfahrung der Nächstenliebe zu ernten und um jene neuen Handlungsweisen vorzuschlagen, die unser Zeitalter verlangt. Zum Schluß dieser Begegnung möchte ich mit euch zum barmherzigen Gott beten, er möge uns den Armen immer näher und für jede Art von Elend immer aufgeschlossener sein lassen, er möge unsere Hände hilfsbereit und die ganze Menschheit zu einer Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern in der wahren Liebe machen, die er durch den Heiligen Geist in unseren Herzen ausgegossen hat. In dieser Hoffnung spende ich euch den Apostolischen Segen. Wachsende ökonomische Ungleichheit in vielen Bereichen erfordert den ganzen Einsatz der Kirche Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs am 27. Oktober Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude empfange ich euch und grüße euch alle herzlich zum Schluß der Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs. Ich danke besonders dem Präsidenten dieses Päpstlichen Rates, Erzbischof Mons. Giovanni Cheli, für die treffenden Worte, mit denen er die Gefühle aller ausgedrückt hat. In diesen Tagen habt ihr vor allem über die Probleme „der Personen, die sich in der menschlichen Mobilität in einer prekären Lage befinden“, sowie über die „seelsorgerischen Verwicklungen“, die daraus entstehen, nachgedacht. Ihr habt deshalb diese dramatische und sich immer weiter ausdehnende Situation näher untersucht, denn sie betrifft: arbeitslose Migranten, die sich um die Zukunft ihrer 1210 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Familien Sorgen machen; Migranten in ... rechtlosen Lebenslagen, die sich verloren und ausgestoßen fühlen und sich recht und schlecht durchschlagen müssen ohne die Unterstützung einer zuverlässigen Autorität, an die sie sich wenden könnten; Flüchtlinge, die in ihrem eigenen Land verfolgt werden und nur mit Mühe den notwendigen Schutz erhalten, der in internationalen Abkommen festgeschrieben ist; Seeleute, die gezwungen sind, viele Überstunden zu machen, um mit ihren kleinen Gehältern habsüchtige und skrupellose „Arbeitsbeschaffer“ bezahlen zu können; Frauen, die von zweifelhaften Auswanderungsagenturen mit großartigen Erfolgsaussichten angelockt und dann Opfer schändlicher Ausbeutung werden; Kinder, deren gesundheitliche und schulische Fürsorge absolut unzureichend und unsicher ist; und nochmals Kinder, die zum Objekt verabscheuungswürdigen Handels von seiten derer werden, die in exotischen Ländern der Abenteuerlust nachgehen, um die Langeweile eines vom Laster leergefegten Lebens zu unterbrechen; alte Leute, die allein geblieben und dazu verurteilt sind, ihre letzten Tage in vollkommener Isolierung und in ganz unangemessenen Wohnverhältnissen zu verbringen; Nomaden, die immer am Rande der Gesellschaft stehen, da ihre Gegenwart in der Stadt in krassem Gegensatz steht zu dem Schweigen, mit dem man oft versucht, ihre beschwerliche Lage zu vertuschen. Und wie könnte man die Kinder, Frauen und alten Leute vergessen, die in den Flüchtlingslagern schmachten und darauf warten, ihre Odyssee zu beenden, damit sie in ihre Ursprungsländer zurückkehren können, um dort ein normales Leben mit Aussicht auf Sicherheit und Frieden zu führen? 2. Heutzutage erfährt der ohnehin schwierige Weg der Migranten leider eine weitere Verzögerung, die ihre Ausgrenzung und Ausschließung noch weiter verschärft. Dieselbe zunehmende wirtschaftliche Ungleichheit, die zwischen den Entwicklungs- und den Industrienationen besteht, neigt dazu, sich auch innerhalb der einzelnen Länder zu wiederholen. Die Völkerwanderungen, die einst als ein Faktor zugunsten der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung des Gastlandes angesehen wurden, werden heute immer mehr als Last, Störung und Problem betrachtet. Objektive Schwierigkeiten führen teilweise zu einem Klima des Mißtrauens, des Verdachts und der Feindseligkeit gegenüber den Migranten. Sicherlich haben die Bürger eines jeden Staates das Recht auf ein Leben in Ruhe, in gegenseitiger Achtung und in Frieden. Es liegt vor allem im Interesse der Migranten selbst, daß sie die Regeln beachten, denen das Leben der Gesellschaften, die sie aufnehmen, unterworfen ist. Es kommt manchmal zu Situationen der Intoleranz, wobei man nicht umhin kann, zu bemerken, daß auch die Migranten selbst dafür verantwortlich sind, wenn sie sich nämlich eines illegalen Verhaltens schuldig machen. Es ist richtig, daß der Staat in diesen Fällen eingreift, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen und zu schützen. Trotzdem muß die Erkenntnis der schwierigen Lage und der Armut, in der viele dieser Leute leben, den Christen dazu bewegen, sich dieser Menschenwesen anzunehmen, die keine Arbeit, kein 1211 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heim und keinen Schutz haben und die von denen, die besser gestellt sind, Verständnis und Hilfe erwarten. Man kann sich nicht darauf beschränken, die von ihrer Anwesenheit aufgeworfenen Probleme hervorzuheben, oder einfach verlangen, daß sie sich dem Leben der Gesellschaft ihres Gastlandes anpassen, ohne gleichzeitig ihre Rechte zu achten. Der Kampf gegen den Rassismus hat nur dann einen Sinn und Aussicht auf Erfolg, wenn man das Prinzip der Gleichberechtigung auf alle Bereiche ausdehnt in dem Bewußtsein, daß die Frage der Integration die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit angeht. Es handelt sich nämlich um einen gemeinsamen Prozeß, der sowohl die Migranten als auch die seßhafte Bevölkerung betrifft und der um so rascher und leichter sein wird, je positiver das Bild ist, das die Ausländer von sich selbst abgeben werden. Es ist klar, daß in diesem Zusammenhang die Medien eine wichtige Rolle spielen und große Verantwortung tragen. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Mit großer menschlicher und seelsorgerischer Einfühlsamkeit haben viele Diözesangemeinschaften, mit dem Beitrag kirchlicher Einrichtungen wie der Caritas, der „Azione Cattolica“ und vieler Verbände der katholischen Freiwilligenhilfsdienste, entschieden den Weg der Solidarität und der Versöhnung verschiedener ethnischer Gruppen eingeschlagen. Sie haben Aufnahmestätten geschaffen und sich für die Schwachen eingesetzt, um deren Würde und deren Rechte zu verteidigen. Es ist der Geist, der zu den Kirchen spricht, indem er Initiativen anregt dank derer man den immer neuen Bedürfnissen gerecht werden kann, die durch eine stete Veränderung der aktuellen Situation entstehen. Auch viele Gemeinden haben in ihrem Einsatz zugunsten der Enterbten einen Weg für wahrhafte Erneuerung gefunden. Auf den Straßen der menschlichen Mobilität, auf denen oft Formen der Ungerechtigkeit und der Gewalt zu finden sind, gehen viele am „andern vorbei“, da sie sich in ihre eigenen Interessen vertiefen und von ihren persönlichen Aufgaben ganz in Anspruch genommen sind, so wie der Priester und der Levit im Gleichnis. Die Kirche weiß, daß sie immer mehr die Rolle des Samariters übernehmen muß, in dem sie sich zum „Nächsten“ aller Ausgeschlossenen macht (vgl. Lk 10,30-37). Der humanitäre Sinn für Menschen in Not findet heute sicherlich breitere und organisiertere Ausdrucksformen als in der Vergangenheit, und die kirchliche Gemeinschaft nimmt gerne die Zusammenarbeit mit denen auf, die von einer wahrhaft altruistischen Gesinnung geleitet werden. Aber der Christ muß neben diesen Einsatz auch das ihn charakterisierende, spezifische Element stellen: das Zeugnis und die Leidenschaft für die unveräußerliche Würde des Menschen, der von Christus erlöst ist. Auf diese Weise bezeugen die Gläubigen durch ihre Taten, daß die frohe Botschaft sich nicht in der Verkündung abstrakter Wahrheiten erschöpft, sondern Wirklichkeit wird in der Nächstenliebe, die auch die Form des Engagements gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt annehmen kann. Dies ist eine Aufgabe, die sich nicht 1212 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf einen Auftrag reduziert, der den verdienstvollen Hilfsorganisationen übertragen wird, sondern die das Kennzeichen des persönlichen Beitrags derer trägt, die sich wahrhaftig christlich nennen und dies auch sein wollen. Das ist der Sinn der christlichen Besonderheit des Einsatzes für die Armen: das Erleben des „Mitleidens“ im Sinne des Evangeliums (vgl. Lk 10,33) gegenüber den Menschen in Not, ohne auf ihre Staatsangehörigkeit, ihre Religion und ihren sozialen Stand zu schauen. 4. Vor kurzem habe ich in meiner Botschaft zum Weltmigrantentag daran erinnert, daß „niemand in der Kirche fremd (ist) und die Kirche niemandem und nirgendwo fremd (ist)“ (Osservatore Romano dt., Nr. 38, 22. September 1995, S. 12). Diesem Prinzip getreu, wird die Kirche nie aufhören, die Ausgrenzung und Ausschließung zu bekämpfen. Sie setzt sich besonders ein für die Wahrung des Grundsatzes der Gleichberechtigung und gegen jede Art von Diskriminierung und Entfremdung. Meine Lieben, ich danke euch für das, was ihr in diesem Sinne schon heute tut. Führt diesen euren Dienst mit erneuertem Einsatz fort auf einem Gebiet, das zu den bedeutsamsten und verheißungsvollsten für die soziale und seelsorgliche Tätigkeit der Kirche zählt. Der Herr möge eure Arbeit segnen und mit seiner Gnade die in diesen Tagen ausgearbeiteten Vorhaben fruchtbar machen. Jedem von euch sowie allen Seelsorgern, die sich für die Menschen unterwegs aufopfem, spende ich gerne den Apostolischen Segen als Vorzeichen einer immer großzügigeren Bemühung für die Evangelisierung und die Förderung des Menschen. Priester heute - von den Menschen genommen und für die Menschen bestellt Ansprache an die Teilnehmer des von der Kongregation für den Klerus einberufe-nen Internationalen Symposions zum 30. Jahrestag des Konzilsdekrets Presbyte-rorum ordinis am 27. Oktober 1. „Die größere Liebe“ ist der Titel dieses interessanten Recitals, in dessen Verlauf wir Gelegenheit gehabt haben, dreißig Jahre nach der Promulgation des Dekrets Presbyterorum ordinis des Zweiten Vatikanischen Konzils über Dienst und Leben der Priester unterschiedlichen Erfahrungen über das Priestertum zu begegnen. Danken möchte ich denen, die es mit Sorgfalt und Sachverstand vorbereitet haben: insbesondere dem Präfekten und dem Sekretär der Kongregation für den Klerus, Jose Kardinal Sanchez und Erzbischof Crescenzio Sepe, die im Rahmen des internationalen Symposions dieser Tage auch diese bedeutsame, ganz der priesterlichen Spiritualität gewidmete, künstlerische Veranstaltung haben organisieren wollen. Ich danke den Interpreten, den Technikern der Femseh-Direktübertragung wie auch den Teilnehmern sowohl in der Aula „Paul VI.“ als auch an den Übertra- 1213 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gungsorten in Jerusalem, Fatima, Ars und Wadowice. Ich danke der RAI, die in Zusammenarbeit mit dem Vatikanischen Fernsehzentrum und mit Telepace dessen Ausstrahlung in viele Länder der Welt ermöglicht hat. Einen verehrungsvollen Gruß richte ich sodann an die Brüder der anderen christlichen Konfessionen, die an unserem Treffen haben teilnehmen wollen. 2. Ich möchte meinem Nachfolger, dem Metropoliten der Kirche von Krakau, Kardinal Macharski, danken und all denen, die Anteil an meinem priesterlichen Werdegang genommen haben. Ich möchte nun auch meinerseits meine Erfahrung als Priester seit fast fünfzig Jahren dazu anbieten. Doch zuvor möchte ich mit Zuneigung euch alle grüßen, meine lieben Brüder im Priesteramt. Einen jeden umarme ich mit herzlicher Dankbarkeit: die Diözesanpriester und die Ordenspriester, besonders diejenigen, die alt, krank oder müde sind. Danke für euer oft stilles und nicht leichtes Zeugnis; danke für eure Treue zum Evangelium und zur Kirche. Ich kenne die Freuden und Sorgen eurer täglichen Mühen im Apostolat. Ich bin euch nahe mit meinem Gebet und meiner Zuneigung. Zeichen dieser geistlichen Nähe, liebe Priester, ist auch der Brief, den ich jedes Jahr am Gründonnerstag an euch schreibe und schicke. Es ist schön, daß wir heute miteinander an das Geschenk des Priestertums denken, das uns alle im Band des Weihesakraments verbindet. Das Priestertum ist eine Berufung. Niemand verleiht sich diese Würde selbst, sondern er wird von Gott bemfen. Das stellt der Autor des Hebräerbriefs gut heraus, wenn er sagt, daß die göttliche Berufung zum Priestertum nicht nur die Priester des Alten Testaments betrifft, sondern vor allem Christus selbst, den Sohn, gleichen Wesens mit dem Vater, eingesetzt als Priester nach der Ordnung Melchise-deks, einziger Priester „auf immer“ des neuen und ewigen Bundes. In dieser Berufung des Sohnes zum Priestertum kommt eine Dimension des trinitarischen Mysteriums zum Ausdruck. Zugleich ist das Priestertum Christi eine Folge der Menschwerdung Gottes. Indem er von Maria geboren wird, tritt der ewig eingeborene Sohn Gottes in die Ordnung der Schöpfung ein. Er wird Priester, der einzige Priester, und daher haben diejenigen, die in der Kirche des Neuen Bundes das sakramentale Priestertum empfangen haben, an seinem einmaligen Priestertum teil. Das Priestertum ist ein Geschenk. Die Bibel sagt: „Und keiner nimmt sich eigenmächtig diese Würde, sondern er wird von Gott berufen“ (Hebr 5,4). Das Priestertum ist der neuralgische Punkt des gesamten Lebens und der gesamten Sendung der Kirche. Das Priestertum ist ein Geheimnis, das den Menschen übersteigt. Angesichts dieser Tatsache muß man mit Paulus sagen: „Unergründlich sind die Entscheidungen Gottes und unerforschlich seine Wege“ (vgl. Rom 11,33). 1214 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Am kommenden 1. November trete ich in das 50. Jahr meines Priestertums ein. Wenn ich an die Geschichte meiner Berufung denke, muß ich bekennen, daß es eine „Spätberufung“ war, wenngleich sie sich in gewissem Sinn schon in der Jugend ankündigte. Nach dem Abitur am Gymnasium von Wadowice begann ich 1938 an der Jagiellonischen Universität in Krakau polnische Philologie zu studieren, was meinen damaligen Interessen und Vorlieben entsprach. Doch diese Studien wurden im September 1939 vom Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Vom September 1940 an begann ich zu arbeiten: zuerst in einem Steinbruch und dann in der Solvay-Fabrik. Die Priesterberufung ist gerade in dieser schwierigen Situation in mir gereift. Sie reifte unter den Leiden meiner Nation, sie reifte bei der körperlichen Arbeit, unter den Arbeitern, sie reifte auch dank der geistlichen Führung verschiedener Priester, speziell meines Beichtvaters. Im Oktober 1942 bewarb ich mich am Krakauer Priesterseminar und wurde zugelassen. Von diesem Augenblick an wurde ich - wobei ich weiterhin als Arbeiter in der Solvay-Fabrik arbeitete - geheimer Student der Theologischen Fakultät an der Jagiellonischen Universität und Alumne des Krakauer Priesterseminars. Ich empfing die Priesterweihe am 1. November 1946 aus den Händen von Kardinal Adam Stefan Sapieha in dessen Privatkapelle. 4. Der Priester ist Mann der Eucharistie. In den fast fünfzig Jahren meines Priesteramts ist und bleibt die Feier der Eucharistie der wichtigste und heiligste Augenblick für mich. Das Bewußtsein, daß ich am Altar „in persona Christi“ zelebriere, ist dominant in mir. Nie habe ich in all diesen Jahren die Feier des hochheiligen Opfers unterlassen. Wenn es geschah, so war es einzig aus nicht von meinem Willen abhängigen Gründen. Die hl. Messe ist in absoluter Weise das Zentrum meines Lebens und eines jeden meiner Tage. Sie liegt in der Mitte der Theologie des Priestertums, einer Theologie, die ich mir nicht nur aus Büchern, sondern vielmehr nach den Vorbildern heiliger Priester angeeignet habe. Vor allem des hl. Pfarrers von Ars, Johannes-Maria Vianney. Noch heute erinnere ich mich an die von P. Trochu geschriebene Biographie, die mich buchstäblich aufgerüttelt hat. Ich nenne den Pfarrer von Ars, doch ist er nicht der einzige vorbildhafte Priester, der mich beeindruckt hat. Es gab andere heiligmäßige Priester, die ich bewundert habe, sei es, daß ich sie von ihrer ,Hagiographie“ her, sei es, daß ich sie als Zeitgenossen persönlich kannte. Ich habe auf sie geschaut, und von ihnen habe ich gelernt, was das Priestertum ist sowohl als Berufung als auch als Dienst. 5. Der Priester ist Mann des Gebets. „Ich nähre euch mit dem, wovon ich selbst lebe“, sagte der hl. Anselm. Die verkündeten Wahrheiten müssen in der Intimität des Gebets und der Meditation entdeckt und angeeignet werden. Unser Dienst des Wortes besteht darin, kundzutun, was zuvor im Gebet vorbereitet worden ist. Allerdings ist das nicht die einzige Dimension des priesterlichen Gebets. Da der Priester Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, wenden sich viele Menschen an ihn und bitten um Gebete. 1215 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Gebet „macht“ also in gewissem Sinn den Priester, besonders als Seelsorger. Und zugleich „macht“ jeder Priester durch das Gebet ständig sich selbst. Ich denke an das herrliche Gebet des Breviers - „Officium divinum“ worin die ganze Kirche durch die Lippen ihrer Amtsträger zusammen mit Christus betet; ich denke an die große Zahl von Bitten, von Gebetsanliegen, die uns ständig von verschiedenen Personen zugetragen werden. Ich notiere mir die Gebetsanliegen, die mir von Menschen aus der ganzen Welt mitgeteilt werden, und bewahre sie in meiner Kapelle auf der Kniebank auf, damit sie in jedem Augenblick in meinem Bewußtsein präsent sind, auch wenn sie nicht jeden Tag wörtlich wiederholt werden können. Sie bleiben dort liegen; und man kann sagen, daß Jesus, der Herr, sie kennt, weil sie sich unter den Notizen auf der Kniebank und auch in meinem Herzen befinden. 6. Heute Priester sein. Das Thema der priesterlichen Identität ist immer aktuell, weil es sich um unser „wir selbst sein“ handelt. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils und sofort danach hat man viel darüber gesprochen. Dieses Problem hatte vermutlich in einer gewissen Krise der Seelsorge angesichts der Laikalisie-rung und der Abkehr von der religösen Praxis seinen Ursprung. Die Priester begannen sich die Frage zu stellen: Braucht es uns noch? Und bei nicht wenigen Priestern erschienen Symptome eines gewissen Verlustes der eigenen Identität. Von Anbeginn an ist der Priester, wie der Autor des Hebräerbriefes schreibt, „aus den Menschen ausgewählt und für das Wohl der Menschen eingesetzt in den Dingen, die Gott betreffen“ (vgl. 5,1). Das ist die beste Definition der Identität des Priesters. Jeder Priester kann entsprechend den Gaben, die ihm der Schöpfer verliehen hat, in verschiedenen Weisen Gott dienen und mit seinem priesterlichen Dienst verschiedene Gebiete des menschlichen Lebens erreichen und sie so Gott näherbringen. Er bleibt jedoch, und muß es bleiben, ein unter den anderen ausgewählter Mensch, „eingesetzt für das Wohl der Menschen in den Dingen, die Gott betreffen“. Die priesterliche Identität ist wichtig für den Priester; sie ist wichtig für sein Zeugnis vor den Menschen, die in ihm nichts anderes als den Priester suchen: einen wahren „homo Dei“, der die Kirche als seine Braut liebt, der für die Gläubigen Zeuge der Absolutheit Gottes und der unsichtbaren Wirklichkeiten ist, der ein Mann des Gebets ist und deswegen ein wahrer Lehrer, ein Führer und ein Freund. Vor einem solchen Priester ist es für die Gläubigen leichter niederzuknien und die eigenen Sünden zu bekennen, ist es für sie leichter, wenn sie an der hl. Messe teilnehmen, sich der Salbung des Heiligen Geistes bewußt zu sein, die den Händen und dem Herzen des Priesters durch das Weihesakrament zuteil wird. Die priesterliche Identität ist eine Frage der Treue zu Christus und zum Volk Gottes, zu dem wir gesandt sind. Sie ist nicht nur etwas Inneres, das das Selbstbewußtsein des Priesters betrifft. Sie ist eine Realität, die von den Menschen ständig kontrolliert und geprüft wird, weil der Priester, „aus den Menschen ausgewählt, für das Wohl der Menschen eingesetzt wird in den Dingen, die Gott betreffen“. 1216 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Wie kann ein Priester diese seine Berufung völlig verwirklichen? Das Geheimnis, liebe Priester, kennt ihr wohl: auf die Hilfe Gottes vertrauen und ständig nach der Heiligkeit streben. Ich möchte heute abend jedem von euch die Gnade wünschen, ,jeden Tag das durch die Auflegung der Hände (vgl. 2 Tim 1,6) von Gott empfangene Geschenk zu erneuern; die Tröstung der tiefen Freundschaft, die euch an Jesus bindet und miteinander vereint, zu empfinden; die Freude über das Wachsen der Herde Gottes auf eine immer größere Liebe zu ihm und zu jedem Menschen hin zu erfahren; die ermutigende Überzeugung zu pflegen, daß der, der dieses gute Werk in euch begonnen hat, es auch zur Vollendung bringen wird bis zum Tag Jesu Christi“ (vgl. Phil 1,6) (Pastores dabo vobis, Nr. 82). Euch stehe mit ihrem Vorbild und mit ihrer Fürsprache die hl. Maria, Maria, Mutter der Priester, bei. Aus dem eigenen Dasein einen Weg der Liebe gestalten -das Vorbild der neuen Seligen Predigt bei der Seligsprechung der Schweizerinnen Maria Theresia Scherer, Maria Bemarda Bütler und Marguerite Bays am 29. Oktober 1. „Ich will den Herrn allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund“ (Ps 34,2). Die Liturgie vom heutigen Sonntag macht sich diese Psalmworte zu eigen, die gut mit der Freude der ganzen Christengemeinschaft übereinstimmen, die heute drei neue Selige verehrt: Maria Theresia, Maria Bemarda und Marguerite. Es freut sich vor allem die Schweiz, die drei Töchter ihres Landes zur Ehre der Altäre erhoben sieht. Sehr herzlich grüße ich die große Wallfahrt der Schweizer Eidgenossenschaft, die diese Basilika füllt: Einen besonderen Gruß richte ich an die Bischöfe, die Priester, die Ordensleute und die zahlreichen Laien. Gott gefällt das Lob- und Danklied, das heute von den neuen Seligen zusammen mit dem der Kirche zu ihm aufsteigt. Und Gott hört sie, wenn sie für uns Pilger auf Erden um Hilfe bitten (vgl. Ps 33,18) und uns durch ihre liebevolle Fürsprache unterstützen. In diesen Sehgen zeigt sich die Versöhnung, durch die der Ewige Vater in Christus die Welt mit sich versöhnt hat (vgl. 2 Kor 5,19). Daran erinnert die Liturgie im Antwortgesang zum Evangelium. Diese Seligen tragen im Herzen „das Wort von der Versöhnung“ (vgl. ebd.), dessen Fülle Christus ist. In ihrem Leben haben sie die Frauen des Evangeliums nachgeahmt, die Christus nachfolgten und dienten und später die Apostel begleiteten. Das zeigt deutlich, daß die Frauen von Anfang an dazu beigetragen haben, die Geschichte der Kirche in ihrer besonderen Ausdrucksweise zu schreiben: in der Spra- 1217 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN che des Herzens, der Einfühlsamkeit und der Hingabe. Im Laufe dieses Jahres wurde mehrmals darauf hingewiesen, und auch die heutige Seligsprechung gibt davon ein weiteres Zeugnis. Der Papst hatte seine Predigt in italienisch begonnen und setzte sie dann in deutsch fort: 2. Maria Theresia Scherer hat den guten Kampf gekämpft. Durch ihr Leben und ihr Wirken ruft sie uns die wesentliche Stellung des Geheimnisses des Kreuzes in Erinnerung, durch das Gott seine Liebe kundtut und der Welt das Heil schenkt. Durch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe hat der Mensch in seiner ganzen Existenz Anteil am Geheimnis des Kreuzes des Erlösers und gewinnt so Anteil am Geheimnis der Auferstehung. Das Kreuz hat ebenso eine kosmische Weite; es erhebt das ganze Universum zu Christus, dem Herrn der Geschichte. Seit ihren frühesten Jahren zeigte Maria Theresia eine innere Verfügungsbereitschaft für die Gnade, die sie bisweilen zu schweren Entscheidungen verpflichtet hat, um dem Aufruf zu antworten, den der Herr ihr durch seine Kirche übermittelt hat. Die Dynamik ihrer Persönlichkeit und ihre Lebendigkeit sind indessen kein Gegensatz zu ihrem tiefen Glauben und zu den moralischen Erfordernissen, die ihrem Handeln zugrundelagen; ganz im Gegenteil setzte sie alle ihre Talente ein, um sie vollkommen zu entwickeln und sie fruchtbar werden zu lassen in ihrem persönlichen Leben sowie für die Sendung, die sie für ihre Schwestern und Brüder zu erfüllen berufen war. So entdecken wir das Geheimnis der Verbindung zwischen dem einzelnen Menschen und seinem Gott: die Antwort auf Christi Ruf, ihm zu folgen, macht in erstaunlichem Maße frei, um die Talente in überreicher Fülle zu entfalten. Nachdem sie die Leiden und das Schicksal der Kranken wahrgenommen hatte, entschloß sie sich, ihr Leben dem Herrn zu weihen durch das Ordensleben in der Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz von Ingenbohl, die sie gegründet hat, zunächst für den Dienst an der Jugend, um sich dann für den Dienst an den Ärmsten und den Entrechteten zu entscheiden, so daß sie schließlich „Mutter der Armen“ genannt wurde. Sie stimmte zu, die Lehrtätigkeit, die ihr so sehr Freude bereitete, zu verlassen, um sich dem Willen Gottes zu fügen. Maria Theresia erkannte, daß der Gehorsam „der schnellste Weg ist, um zum Gipfel der Vollkommenheit zu gelangen“ (Theresia von Avila, Die Gründungen, Nr. 5). Darin fand sie das wahre Glück, daß sie aus ihrem Leben ein Liebesge-schenk machte für den Herrn und für die von ihm bevorzugten Armen. Besondere Zuneigung und Fürsorge entwickelte sie für die Taubstummen. Maria Theresia bleibt für uns ein Beispiel. Ihre innere Kraft erwuchs ihr aus ihrem geistlichen Leben: Sie verbrachte viele Stunden vor dem Allerheiligsten, wo der Herr seine Liebe allen mitteilt, die in enger Verbundenheit mit ihm leben. Doch wohnt die Liebe nicht im Herzen eines Menschen, ohne daß nicht auch alle Tugenden sich darin entfalten. Je mehr ihr inneres Leben wuchs, um so sensibler wurde Maria Theresia für die Erfordernisse der Welt ihrer Zeit. In den schwierigen 1218 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeitverhältnissen, die das Europa des 19. Jahrhunderts durchlebte, kam sie den Völkern Mitteleuropas durch ihre zahlreichen Gründungen zu Hilfe. Inmitten ihres unermüdlichen Wirkens zögerte sie nicht zu sagen, daß man „die Hand bei der Arbeit und das Herz bei Gott“ haben solle. Besondere Sorge verwandte sie darauf, ihren Verpflichtungen aus der Taufe und den Ordensgelübden treu zu sein. Das Engagement für die Nachfolge Christi ist der Sieg der Liebe Gottes, der sich eines Menschen bemächtigt und verlangt, alle Anstrengungen im Dienst an dieser Liebe zu unternehmen im Wissen um die menschliche Schwäche. Maria Theresia war sich darüber klar, daß die Garantie für ihre Treue darin bestand, sich der Begrenztheit ihrer Kräfte bewußt zu sein und sich ohne Unterlaß dem kontemplativen Gebet und dem sakramentalen Leben hinzugeben. Der Papst sagte in spanisch: 3. In derselben Zeit vernimmt eine andere Ordensfrau, Maria Bemarda Bütler, einen ähnlichen Ruf, den Armen zu dienen, und tritt in das Kloster der Franziska-nermissionarinnen Maria Hilf von Altstätten ein. Als vollkommene Tochter des hl. Franz von Assisi möchte sie Gott dienen, indem sie seinen Brüdern und Schwestern dient. Ihre Hochherzigkeit ist bewundernswert. Mit aller Entschlossenheit löst sie sich von allem und wagt ihr Leben für Christus, denn ihr größter Wunsch ist es, den Herrn bis an die Enden der Erde zu verkünden. Sie verläßt für immer die Schweiz, um sich in den Dienst der Kirche zu stellen, zuerst in Ekuador und dann in Kolumbien, wo sie die Leiden der Bevölkerung, insbesondere der Armen, der Kranken und der Ausgegrenzten, zu lindem versucht. In dem letztgenannten Land gründet sie die Kongregation der Franziskanermissionarinnen von Maria Hilf, denen sie die wesentliche Aufgabe hinterläßt, sich für die Rettung der Menschen und für die Anerkennung ihrer Würde als Gotteskinder einzusetzen. Seinen Ursprung hatte ihr Apostolat immer im Gebet und insbesondere in der heiligen Messe, der Stütze ihres geistlichen Lebens, in der Vergegenwärtigung des Opfertodes Christi, durch den Gott sich mit dem Dasein jedes Menschen vereint und sein Menschsein umwandelt. Die Teilnahme an der Eucharistie verwirklicht die Gemeinschaft mit Gott und die neue Brüderlichkeit in Christus. Im Mittelpunkt von Maria Bemardas Leben steht die Liebe. Sie war davon überzeugt, daß die Liebe die Haupttugend ist, die Seele aller übrigen Tugenden (vgl. Vinzenz von Paul, Weisungen und Grundregeln, Nr. 46): die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen, die sie antrieb, immer zu verzeihen; in der Tat, wer den Leib Christi empfängt, kann seinen Bruder nicht verachten. Auch unter der Verfolgung bewies sie, daß die Liebe der Weg ist, der alles überwindet. Sie pflegte auch das lebendige Bewußtsein, Tochter der Kirche zu sein, „unserer heiligen Mutter Kirche“, wie sie gern wiederholte, weil sich das ganze christliche Leben im Schoß der Kirche entfaltet, deren Haupt Christus ist. Sie ehrte besonders diejenigen, die das Priesteramt empfangen hatten, da sie die heiligende Vollmacht 1219 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Herrn vermitteln, und betete darum, daß sie ihren Dienst dem Willen Gottes entsprechend ausübten. Für die Kirche und in der Kirche empfängt jeder die Fülle der Gnaden des Erlösers. Wir sehen nun, daß Maria Bemarda Bütler eine glänzende Perle der Krone der Herrlichkeit des Herrn und seiner Kirche ist. Die neue Selige lädt uns zu derselben Liebe zu Gott und seinem heiligen Volk ein, damit wir immer Bauleute der kirchlichen Gemeinschaft sind, denn „wo die Kirche ist, da ist auch der Geist Gottes; und wo der Geist Gottes, dort ist die Kirche und alle Gnade“ (hl. Irenäus, Adversus haereses, 3,24,1; in: Bibliothek der Kirchenväter, München 1912, S. 317). Der Papst setzte seine Predigt in französisch fort: 4. Eine andere Schweizer Katholikin hat auch den guten Kampf des Glaubens gekämpft. Marguerite Bays war eine einfache Laienchristin, deren Leben mit Christus verborgen in Gott war (vgl. Kol 3,3). Es handelt sich um eine ganz einfache Frau mit einem gewöhnlichen Lebensweg, in dem sich jeder von uns wiedererkennen kann. Sie hat keine außergewöhnlichen Werke geschaffen, und doch war ihr Leben ein langer, stiller Weg zur Heiligkeit. Christus in der Eucharistie, der „Höhepunkt ihres Tages“, war ihre Nahrung und ihre Stärke. Durch die Betrachtung der Geheimnisse des Erlösers, besonders des Leidensgeheimnisses, gelangte sie zur umwandelnden Vereinigung mit Gott. Gewisse Leute unter ihren Zeitgenossen hielten ihre langen Gebetszeiten für verlorene Zeit. Aber je inniger das Gebet war, um so näher kam sie Gott, und um so hingebungsvoller diente sie den Brüdern und Schwestern. Denn nur wer betet, kennt Gott wirklich, und indem er den Herzschlag Gottes hört, ist er auch dem Herzen der Welt nahe. So entdecken wir die wichtige Rolle des Gebets im Leben des christlichen Laien. Es entfernt uns nicht von der Welt, ganz im Gegenteil, es weitet das innere Wesen, leitet zur Vergebung und zum brüderlichen Leben an. Die von Marguerite Bays gelebte Sendung ist die Sendung, die jedem Christen zukommt. Marguerite lehrte die Kinder ihres Dorfes die Botschaft des Evangeliums in einer Weise, die die Jugendlichen verstehen konnten. Sie sorgte unermüdlich für die Armen und Kranken. Sie hatte nie ihr Land verlassen, öffnete aber dennoch das Herz für die Dimensionen der universalen Kirche und der Welt. In dem für sie charakteristischen Missionsgeist gründete sie in ihrer Pfarrei das Werk der Glaubensverbreitung und der Heiligen Kindheit. In Marguerite Bays erkennen wir, was Gott getan hat, um sie zur Heiligkeit zu führen: Sie ging ihren Weg einfach mit Gott, indem sie alles Tun ihres Alltagslebens in Liebe vollzog. Marguerite Bays ermutigt uns, aus unserem Dasein einen Weg der Liebe zu machen. Sie erinnert uns auch an unsere Sendung in der Welt: zu allen Zeiten und unter allen Umständen das Evangelium zu verkünden, insbesondere den Jugendlichen. Sie lädt uns ein, ihnen zu helfen, die Größe der Sakramente der Kirche zu entdecken. Wie können sonst die Jugendlichen von heute auf ihrem Lebensweg 1220 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Erlöser erkennen, wenn sie nicht in die christlichen Geheimnisse eingeführt werden? Wie können sie die heilige Eucharistie und das Sakrament der Buße empfangen, wenn sie niemand deren Reichtum zu finden gelehrt hat, wie es Margue-rite Bays gelungen ist? 5. Maria Theresia Scherer, Maria Bemarda Bütler und Marguerite Bays wurden heute die älteren Schwestern für das geistliche Leben und für das missionarische Leben unserer Zeitgenossen, besonders für die Ordensfamilien, denen sie angehören, und für die Schweizer Katholiken. Bei dieser Gelegenheit möchte ich die offizielle Delegation der Schweizerischen Eidgenossenschaft begrüßen, die die Landesregierung vertritt, der ich lebhaft danke. Ich freue mich ganz besonders über die große Teilnehmerzahl von Schweizer Gläubigen, die anläßlich der Seligsprechung mit der vollzähligen Bischofskonferenz hierher gewallfahrtet sind. An die Bischöfe und an die Gläubigen der Schweiz richte ich meine herzlichen Wünsche und meine Ermutigung. Ich hoffe, daß der heutige Festtag für sie eine neue Aufforderung zur persönlichen Heiligkeit und zur kirchlichen Gemeinschaft zur Ehre Gottes, zum Aufbau des Leibes Christi, der die Kirche ist, und zum Heil der Welt ist. Das christliche Leben ist keineswegs unzugänglich; es steht allen offen; es ist Quelle der Gnade und Freude. 6. Die heutige Seligsprechung hat als Hintergrund eines der eindrucksvollsten Gleichnisse des Evangeliums: das vom Pharisäer und vom Zöllner. Der Pharisäer, der in den Tempel gekommen ist, um vor dem Herrn die eigene Gerechtigkeit zu bekunden, geht nicht als Gerechter nach Hause. Der Zöllner hingegen, der ganz hinten stehen bleibt und nicht einmal wagt, seine Augen zum Himmel zu erheben, aber seine Schuld bekennt, kehrt mit der Vergebung Gottes nach Hause zurück. Er verkörpert den Geist des Bundes: Seine Seele „rühmt sich des Herrn“ (vgl. Ps 33,3) und nicht der eigenen Verdienste. 7. Liebe, ehrwürdige Schwestern Maria Theresia, Maria Bemarda und Marguerite, am Tag eurer Seligsprechung frohlockt die Kirche in der Freude des Zöllners des Lukasevangeliums (vgl. Lk 18,9-14), indem sie Gott Ehre erweist, dem ihr hier auf Erden in dem Geist gedient habt, den er im Evangelium gepriesen hat. Euer einfaches und verborgenes Dasein hat eine Fülle an Früchten der Heiligkeit getragen. In euch scheint die Herrlichkeit der Sehgen auf, die den Spuren Christi gefolgt sind: „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 18,14). Ist das vielleicht nicht die von Maria im Magnificat verkündete Wahrheit? „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan ... Er erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,49-52). Magnificat anima mea Dominum! Und ihr, Dienerinnen des Herrn, die ihr in der Gemeinschaft der Heiligen teilhabt an der Herrlichkeit Gottes, bittet für uns! 1221 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sie folgten Christus in Demut und Gehorsam Ansprache an die zur Seligsprechung gekommenen Schweizer Pilger am 30. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt, Brüder und Schwestern! Ich freue mich, euch zum Anlaß der Seligsprechung von Maria Theresia Scherer, Maria Bemarda Bütler und Marguerite Bays empfangen zu können, die - jede auf ihre eigene Art - das wahre Charisma des hl. Franz von Assisi gelebt haben. Zuallererst richte ich einen herzlichen Gruß an eure Priester, die euch während der Tage eurer Wallfahrt geführt haben. Ich danke euch, daß auch ihr so zahlreich gekommen seit. Es ist mein Wunsch, daß diese Tage im Herzen der Kirche in euch Früchte der Gnade und der Heiligkeit bilden. Auf spanisch fuhr der Papst fort: Mit Freude grüße ich die Ordensfrauen, die den Einrichtungen von Maria Theresia und Maria Bemarda angehören. Ich wünsche mir sehr, daß die Feierlichkeiten in Rom euch Kraft geben für eure Ordensweihe, eine Hilfe sind, um eine Lebendigkeit des Gebets zu erreichen wie sie und erneuten Antrieb in den zahlreichen Dienstbereichen für die Kirche und die Menschheit auf der ganzen Welt. Ich freue mich besonders über alle Bemühungen, den Personen, die sich in schwierigen Situationen von Armut und Krankheit befinden, beizustehen, weil sie ein Anrecht auf unsere ganze Fürsorge haben. Wenn ihr bereit seid, sie zu unterstützen, weist ihr auf ausdrückliche Weise auf das Angesicht Gottes, der das Rufen seines Volkes hört und der die ganze Liebe des endlos gütigen Vaters zu erkennen gibt. Eure Hingabe an die Kinder und Jugendlichen ist besonders wichtig. Die menschliche und christliche Bildung muß eure besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sowohl im schulischen Umfeld wie in der religiösen Weiterbildung. Auch allen Gläubigen aus der Schweiz bekunde ich meine ganze Sympathie, indem ich sie einlade, sich die neuen Seligen ihres Landes zum Vorbild zu nehmen. Wie eure Bischöfe in einem jüngst anläßlich dieser Seligsprechung veröffentlichten Hirtenbrief in Erinnerung gemfen haben, ist das Leben auf dem Weg der Heiligkeit ein täglicher Aufstieg von Bedeutung für alle, dank des Gebetes, der Teilnahme an den Sakramenten und der geschwisterlichen Liebe. Insbesondere ermuntere ich die Familien, das geistliche Leben eines jeden ihrer Glieder zu entfalten im gegenseitigen Eintreten füreinander, im Bereich der Pfarreien und der Bewegungen. Familien der Schweiz, Christus will sich den jungen Menschen durch euch offenbaren, wie er sich vermittels der drei Seligen mitgeteilt hat! Nehmt sie als Begleiter an auf eurem manchmal schwankenden Weg auf Christus hin, damit ihr eurer Berufung aus der Taufe in eurem Leben als Laien, Ordensleute oder Priester entsprecht! Die Erwachsenen lade ich ein, sich vor allem 1222 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dafür einzusetzen, daß den Kindern Christus bekannt gemacht wird durch das Zeugnis, durch das Leben des Gebetes und durch die Katechese. Die Kirche zählt auf euch, damit ihr der Jugend das pastorale Leben nahe bringt. In der Tat, wie kann ein Kind, das nicht die Möglichkeit hat, Christus zu begegnen, ihm später begegnen und sein Leben auf Dem aufbauen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist? Auf italienisch sagte der Papst: Während wir über die geistliche Botschaft, die uns die neuen Sehgen vermitteln, nachdenken, richte ich gern einen herzlichen Gruß an die bei dieser Begegnung anwesenden Pilger italienischer Sprache. Liebe Brüder und Schwestern, nehmt die Einladung an, Christus auf dem Weg der Demut und des Gehorsams zu folgen. Einem Weg, den Maria Theresa, Maria Bemarda und Marguerite mutig beschritten und daraus Begeisterung und Kraft geschöpft haben, auch in verschiedensten Situationen, nach dem Vorbild der Spiritualität des hl. Franz von Assisi. Ihr menschliches und geistliches Handeln bezeugt, welch wunderbare Taten der Herr in einfachen und fügsamen Herzen seiner Gnade bewirkt. Auf französisch sagte der Papst weiter: Die drei neuen Seligen verspürten auch eine innige Liebe zur Kirche und zu denjenigen, die in ihrem Innern einen bischöflichen, priesterlichen oder diakonalen Dienst übernommen haben. Euer aller Aufgabe ist, den Amtsträgem zu helfen und sie zu unterstützen, befleißiget euch, alles zu tun in der Eintracht Gottes, da der Bischof den Vorsitz führt (...)“ (Ignatius von Antiochien, Brief an die Magnesier, 6,1). Indem ihr unaufhörlich einen kostbaren geistlichen Kranz um diese Amtsträger bildet, zeigt ihr die Gemeinschaft der ganzen Kirche um den Nachfolger der Apostel und tragt dazu bei, den Leib Christi aufzubauen. Zum Abschluß dieser Audienz erbitte ich für euch alle die Fürsprache der neuen Seligen, und mit den hier anwesenden Bischöfen erteile ich euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Der Verstorbenen in Hoffnung gedenken Meditation beim Gebet für die Verstorbenen in den Vatikanischen Gärten am 1. November 1. „Urbi et Orbi“ ... Der feierliche Segen, den der Bischof von Rom „der Stadt und dem Erdkreis“ bei besonderen Anlässen, z. B. zu Weihnachten und an Ostern, erteilt, hat eine lange Tradition. „An die Stadt und den Erdkreis“ denke ich heute, am Fest Allerheiligen. Vor 49 Jahren wurde ich zum Priester geweiht, und ich ver- 1223 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN binde diese persönliche Erinnerung mit dem Gedächtnis der Verstorbenen „der Stadt und des Erdkreises“. Der heutige und der morgige Tag sprechen vom Geheimnis der Kirche, das die Zeit übersteigt. Das Fest Allerheiligen gibt uns einen Vorgeschmack von der endgültigen Gemeinschaft, die das Erbe der Erlösten im Reich des Vaters bildet. Das Gedächtnis der Verstorbenen läßt uns auf die blicken, die sich noch reinigen, damit sie würdig werden, Gott von Angesicht zu Angesicht zu schauen. So bilden also das Fest Allerheiligen und das Gedächtnis der Verstorbenen einen einzigen Aufruf zum Gebet: zum Gebet der Verherrlichung und des Lobpreises, zum himmlischen Te Deum, zum Fürbittgebet für alle, die vor Gott auf unser Gedenken warten. Es warten die sterblichen Hüllen so vieler Päpste, die an diesem Ort, am Vatikanhügel, auf dem Gelände des alten römischen Friedhofes neben dem Petrusgrab ruhen; es warten alle, die auf den Friedhöfen von Rom und der ganzen Welt begraben sind: „Urbis et Orbis“ ... 2. Ich verweile deshalb im Gebet an den Gräbern meiner Vorgänger, besonders derer, die im 20. Jahrhundert gelebt haben: Johannes Paul I., Paul VI., Johannes XXin., Pius XII., Pius XI., Benedikt XV., der hl. Pius X. und Leo XIII. Indem ich ihrer im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen gedenke, möchte ich in das Gedächtnis den Dienst einschließen, den sie der Kirche im Laufe dieses nunmehr ausgehenden Jahrhunderts geleistet haben. Für sie erbitten wir, liebe Brüder und Schwestern, das ewige Licht und die Ruhe in Gott: „Guter Jesus, unser Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen dort, wo alle Heiligen sind.“ Diese einfachen Worte eines polnischen Kirchenliedes bringen gut die Wahrheit des heutigen Festes und des Gedächtnisses der Verstorbenen zum Ausdruck. „Gedenke, o Herr, Deiner Gemeinde, daß Du sie erlösest von allem Übel und sie vollkommen machest in deiner Liebe, und führe sie zusammen von den vier Winden, die Geheiligte, in Dein Reich, das Du ihr bereitet hast“ (Didache, 10, in: Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München 1918, S. 12j. Die Kirche, Pilgerin in der Zeit, die ihr Zentrum auf dem Vatikanischen Hügel hat, ist zugleich die Kirche von Rom und der Welt: „Urbis et Orbis.“ Während wir also all derer gedenken, deren sterbliche Hüllen in dieser Basilika und auf dem nahen Camposanto Teutonico ruhen, pilgern wir gleichzeitig zu den Friedhöfen Roms: zum Campo Verano und zu dem von Prima Porta, indem wir wiederholen: „Guter Jesus, unser Herr, gib ihnen die ewige Ruhe.“ 3. Von Rom dehnt sich das Gedenken der Verstorbenen auf die ganze Welt aus. Vor allem auf Italien, das durch das Martyrium der „Säulen“ Petrus und Paulus in Rom zur Heimat der Kirche wurde; und dann auf die Länder Europas, Afrikas, Asiens, des Femen Ostens, Nord-, Mittel- und Südamerikas, Australiens und aller übrigen Teile der Welt: Wo immer unsere Brüder und Schwestern heute und mor- 1224 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen beten wie wir für die, die uns beim Übergang zum ewigen Leben vorausgegangen sind. Insbesondere möchte ich an die Friedhöfe erinnern, auf denen die Gefallenen der Weltkriege ruhen, an die Gefangenen der Konzentrationslager und der Gulag, die dort begraben wurden, wo es ihnen widerfuhr, daß sie ihr Erdenleben oft fern der Heimat beendeten. Mit besonderer Anteilnahme denke ich an die Gräber, die in diesen Jahren in den Balkanländem für die Opfer eines Bruderkrieges ausgehoben wurden. Wir wollen niemanden vergessen: Wir sind all denen nahe, die sich heute erinnern, die weinen und beten. 4. Am Ende dieser Wallfahrt durch die Friedhöfe Roms und der Welt sei es mir gestattet, an den Orten zu verweilen, von denen ich herkomme, wo ich geboren bin und wo meine Lieben ruhen: meine Eltern, mein Bruder, die Verwandten, meine Lehrer, Erzieher und Wohltäter, die Seelenhirten, die Freunde der einzelnen Lebensabschnitte, denen ich so viel verdanke. Mit Verlaub möchte ich noch an einen in der Geschichte meiner Nation so bedeutsamen Ort erinnern: an die Kathedrale auf dem Wawel in Krakau, in der die polnischen Könige, die großen Führer und Dichter der Nation ruhen. Jeder von uns weiß, wieviel er den Eltern, den Erziehern, den Kulturschaffenden zu verdanken hat, und deshalb sind uns die Orte, wo die sterblichen Hüllen dieser Personen ruhen, besonders teuer. Ich besuche sie in Gedanken und im Herzen als Bischof von Rom. Ich gedenke nicht nur meiner Vorgänger auf dem Stuhl Petri, sondern auch meiner Vorgänger in Krakau, der Bischöfe und der Kardinäle: ihres geistlichen Erbes, aus dem ich so viele Jahre Nutzen ziehen konnte. Und während ich mich erinnere, kommen mir die Lieder vom Allerseelentag in den Sinn, die heute und morgen und den ganzen Novembermonat über auf die Lippen drängen: „Leidender Jesus in Getsemani, du vergießt blutigen Schweiß; die Armen Seelen im Fegefeuer schmachten und sehnen sich nach deinem Trost, o Jesus!“ Und auch: „Gegrüßet seist du, Königin, Mutter der Barmherzigkeit. Ge-grüßet seist du, unsere Hoffnung in Leid und Schmerz ... Jesus, gib, daß wir dich nach dem Tod sehen. O Maria, hilf uns, das zu erlangen.“ 5. Heute abend und morgen ist auf den Friedhöfen Roms und der Welt ein besonderer Lichtschein zu sehen. Die brennenden Lichter an den Gräbern der Verstorbenen erhellen die Nacht: Sie setzen ein Zeichen, geben uns Gläubigen gleichsam einen Vorgeschmack von dem ewigen Licht, das wir erhoffen und voll Vertrauen für unsere Lieben und uns selbst erbitten in Erwartung des Tages, an dem Gott, der Herr, uns in sein Reich rufen wird. Amen. 1225 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geistliche Dimension des Ordenslebens bedenken Ansprache an die Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul aus Kroatien am 6. November Liebe Schwestern in Christus! 1. Mit Freude begrüße ich euch anläßlich der Feierlichkeiten zu den 150 Jahren Anwesenheit eurer Kongregation in der kroatischen Hauptstadt, von der aus ihr recht bald euer Wirken in ganz Kroatien sowie in Bosnien und Herzegowina wie auch in anderen europäischen Ländern und auf dem amerikanischen Kontinent entwickeln konntet und dabei reichliche Früchte für die Kirche und die Gesellschaft gebracht habt. Gott hat euch berufen, seine Liebe zu beweisen und seine barmherzige Vorsehung gegenüber jedem Menschen, der als sein Abbild, ihm ähnlich, erschaffen ist (vgl. Gen 1,26). Und daß diese Liebe keine Grenzen kennt, zeigt gerade das Kreuz seines Sohnes, des Erlösers der Menschen. 2. Euer Name „Schwestern der Barmherzigkeit“ spiegelt sowohl das Programm eurer Tätigkeiten, als auch euer besonderes Charisma in der Kirche und für die Kirche, zu Gunsten des Mannes und der Frau wider. Das weite Feld eures vielfältigen Wirkens - das sich der Pflege von Kranken, Alten, Armen und sozialen Randgruppen, der Bildung der jungen Generationen, dem Engagement im kulturellen Bereich und der seelsorgerischen und apostolischen Tätigkeit widmet - erfordert von euch, gestern wie heute, die Treue zum ursprünglichen Charisma. Die Kirche hat die Gültigkeit eurer Konstitutionen bestätigt, die ein sicherer Weg sind, die evangeliumsgemäße Vollkommenheit zu verwirklichen, von der Jesus spricht. Vorbilder mögen euch die bedeutsamen Beispiele des hl. Vinzenz von Paul und der hl. Luise von Marillac sein, die im Jahr 1633 die große Familie der Töchter der Christlichen Barmherzigkeit ins Leben gerufen haben, zu der auch eure Kongregation gehört. Fahrt fort, den guten Samen der christlichen Barmherzigkeit zu säen. Die Erfahrungen der Vergangenheit und die neuen Horizonte, die vor der Kirche und der heutigen Gesellschaft an der Schwelle zum Jahr 2000 sichtbar werden - in einem Klima der wiederhergestellten Freiheit der Personen und der ganzen Gesellschaft -, erfordern von euch die Weisheit und den Mut zu den Entscheidungen, die ihr nach den Impulsen des Heiligen Geistes getroffen habt. Ferner wird von euch in diesem Zusammenhang weiteres Bemühen in Kroatien sowie in Bosnien und Herzegowina erwartet, um die vielfachen Leiden der einzelnen und der Familien zu mildem, die von den schwierigen Jahrzehnten der totalitären und atheistischen Zeit und von dem schrecklichen Krieg vemrsacht worden sind. 3. Die Erfüllung der für euer Institut typischen Aufgaben lenke euch jedoch nicht von der geistlichen Dimension des Ordenslebens ab. Widmet dem Gebet und der Kontemplation immer genügend Raum sowohl auf gemeinschaftlicher als auch auf 1226 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN persönlicher Ebene, indem ihr die Teilnahme an der heiligen Messe und das gemeinsame Gebet der Stundenliturgie in den Mittelpunkt eures geistlichen Lebens stellt. Um euren Brüdern und Schwestern wirklich nahe sein zu können, müßt ihr euch immer mehr Gott nähern. Die heutige Welt braucht Menschen, die die karitative Täügkeit mit dem Gebet zu vereinen wissen. In der Tat seid ihr berufen, durch die Befolgung der evangelischen Räte und die Treue zu eurem Charisma die bleibenden Werte und die überirdische Dimension des Menschen mit eurem Leben und Werk zu bezeugen. Auf besondere Weise wird von euch die für die weibliche Natur typische barmherzige Liebe erwartet. 4. Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch auch meinen Dank ausdrücken für das, was eure Gemeinschaft tut, damit die päpstlichen Vertretungen in Zagreb und in Belgrad ihre Tätigkeit zu Gunsten der örtlichen Kirchen in diesen beiden Ländern entfalten können. Während ich euch der Heiligen Jungfrau anvertraue, der ersten Jüngerin ihres göttlichen Sohnes, spende ich euch und eurer ganzen Kongregation sehr gerne einen besonderen Apostolischen Segen. Jesus und Maria seien gepriesen! Grußworte an den Vorstand der Kolumbusritter am 6. November Liebe Freunde, mit großer Freude begrüße ich Sie, Hochmeister (Oberster Ritter) Virgil Dechant, zusammen mit dem Vorstand der Kolumbusritter und heiße Sie im Vatikan willkommen. In einem gewissen Sinn erneuert unsere heutige Begegnung die Freude der Meßfeier in Brooklyn, die nur wenige Wochen zurückliegt. Die Anwesenheit so vieler Ritter aus allen Teilen der Vereinigten Staaten war ein beredtes Zeichen eurer langjährigen Treue zum Nachfolger Petri und eurer festen Verpflichtung, ihn in seinem Amt für die universale Kirche zu unterstützen. In den letzten Jahren hat diese Verpflichtung im Vicarius Christi Fonds ihren besonderen Ausdruck gefunden: Ich danke euch sehr herzlich für dieses konkrete Zeichen eures Wunsches, meine pastorale Fürsorge für die Bedürfnisse des Gottesvolkes auf der ganzen Welt zu teilen. Die Mannigfaltigkeit der guten Werke, die von den Kolumbusrittem im Dienst an Christus und seiner Kirche getan werden, bezeugt die geistige Vitalität eures Ordens, der bestrebt ist, die Vision seines Gründers, Pater Michael McGivney, fortzuführen. Es ist meine Hoffnung, daß die Ritter immer in vorderster Linie stehen werden hinsichtlich der Bemühungen der Kirche, sich auf das kommende dritte christliche Jahrtausend vorzubereiten, indem sie das Licht des Glaubens austragen, 1227 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN damit es die dringenden sozialen Fragen und Probleme unserer Zeit erhelle. Ob in kleinen Dörfern oder großen Städten, die Ritter haben eine wichtige Rolle zu spielen beim Aufbau einer neuen und „pulsierenden Kultur des Lebens“ (Predigt in Brooklyn, 6. Oktober 1995, Nr. 8), in der jede Person als Kind Gottes in Ehren gehalten wird und aufgefordert ist, voll am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Liebe Freunde, ich ermutige euch, eure guten Werke mit einem ständigen Gebet für den Fortschritt des Reiches Christi in unserer Welt zu verbinden. Ich rufe die Freude und den Frieden Christi, unseres Erlösers, auf euch herab und spende euch von Herzen meinen Apostolischen Segen, den ich gerne auf alle Ritter mitsamt ihren Familien ausdehne. Fortschritt in Wissenschaft und Technik ist nicht der Inbegriff einer Erhöhung von Lebensqualität Ansprache zum 30. Jahrestag der Verkündigung der Apostolischen Konstitution Gaudium et spes am 8. November Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, sehr geehrte Missionschefs des Diplomatischen Korps, meine Damen und Herren! 1. Mit großer ,Freude und Hoffnung“ richte ich meinen Gruß an euch, die ihr euch heute abend versammelt habt, um den nunmehr bevorstehenden dreißigsten Jahrestag der Pastoralkonstitution Gaudium et spes zu feiern. So leitet ihr in dieser Aula nahezu den Internationalen Kongreß ein, der in den nächsten Tagen in Loreto auf Initiative des Päpstlichen Rates für die Laien und des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden durchgeführt wird unter Mitwirkung der Apostolischen Verwaltung des Heiligen Hauses von Loreto, hier vertreten durch den hochgeschätzten Erzbischof Pasquale Macchi, Päpstlicher Delegat für das Lauretanische Heiligtum. Mein herzlicher Dank geht an die Kardinäle Eduardo Pironio und Roger Etchega-ray für die anregenden Betrachtungen, mit denen sie dieses festliche Gedächtnis vorgestellt und dabei im besonderen die Bedeutung hervorgehoben haben, die Gaudium et spes im Laufe dieser dreißig Jahre bei der Förderung der Anteilnahme der katholischen Laien am kirchlichen Leben und an der Belebung im Geiste des Evangeliums für die Gegebenheiten gehabt hat. 2. Ich möchte nun meinerseits bei einigen Themen von Gaudium et spes verweilen, um ihren geschichtlichen Wert zu betonen und gleichzeitig die Wichtigkeit zu unterstreichen, die dieses Dokument weiterhin für die Zukunft der Menschheit hat. Tatsächlich muß ich gestehen, daß mir Gaudium et spes besonders lieb ist, und nicht nur wegen der von ihr behandelten Themen, sondern auch auf Grund der di- 1228 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rekten Beteiligung, die mir an ihrer Erarbeitung zugefallen war. Als junger Bischof von Krakau war ich nämlich Mitglied der Unterkommission, die das Studium der „Zeitzeichen“ verantwortlich übernahm, und ab November 1964 Mitarbeiter der zentralen Unterkommission, die mit der Abfassung des Textes beauftragt war. Gerade die tiefere Kenntnis der Entstehungsgeschichte von Gaudium et spes hat es mir ermöglicht, ihren prophetischen Wert voll einzuschätzen und ihre Inhalte voll und ganz in meine Lehre seit der ersten Enzyklika Redemptor hominis aufzunehmen. Ich wollte, das Erbe der Konzilskonstitution zusammenfassend, in ihr betonen, daß die Natur und das Schicksal der Menschheit und der Welt nicht endgültig offenbart werden können, wenn nicht im Licht des Gekreuzigten und Auferstandenen. 3. Das ist letzten Endes die große Botschaft, die Gaudium et spes als Vorankündigung von Leben und Hoffnung „an alle Menschen schlechthin“ (Gaudium et spes, Nr. 2) gesandt hat. Es ist die Botschaft, die die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute - das letzte der vom II. Vatikanischen Konzil verabschiedeten Dokumente und von allen das umfangreichste - auf gewisse Weise zum Gipfel des Konzilsweges macht. Die Bischöfe der ganzen Welt, um den Nachfolger Petri versammelt, beabsichtigten mit diesem Dokument die liebevolle Solidarität der Kirche gegenüber den Männern und Frauen dieses Jahrhunderts kundzutun, das von zwei ungeheuren Konflikten gezeichnet ist und zerteilt durch eine tiefe Krise der aus der Tradition überkommenen geistlichen und moralischen Werte. Noch nie war es in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche vorgekommen, daß ein ökumenisches Konzil seine pastorale Sorge mit so tiefem Engagement auf die irdischen Wirklichkeiten der Menschheit richtete. Gerade von daher rührt das besondere Interesse, das diese Konstitution seit Beginn ihres Erscheinens geweckt hat. Andererseits sind die Konzilsväter, weit davon entfernt, sich auf geschichtliche und soziologische Betrachtungen zu beschränken, aus einer theologischen Sichtweise heraus ausführlich auf die Grundfragen eingegangen, die schon immer das Menschenherz bewegt haben: „Was ist der Mensch? Was ist der Sinn des Schmerzes, des Bösen, des Todes - alles Dinge, die trotz solchen Fortschritts noch immer weiterbestehen?“ (Gaudium et spes, Nr. 10). Indem sie das „Geheimnis der menschlichen Geschichte“ also im Licht des göttlichen Wortes ergründeten, verpflichteten sie auch die christliche Gemeinschaft eindringlich, einen spezifischen Beitrag zu leisten, um die ganze Menschenfamilie „humaner zu gestalten“ (Gaudium et spes, Nr. 40). 4. Wir lesen heute diese Seiten auf einem entschieden veränderten Weltschauplatz wieder. Wie viele Wandlungen politischer, gesellschaftlicher und kultureller Art haben seit jenem 7. Dezember 1965 stattgefunden! Der Kalte Krieg ist zu Ende; Wissenschaft und Technik haben unerhörte Fortschritte gemacht: von den Weltraumflügen zur Mondlandung, von den Herztransplantationen zur Gentechnik, von 1229 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kybernetik zu den Robotern, vom Femmeldewesen zu den modernsten tele-mathischen Technologien. Zu den Faktoren des Wandels, die mit der Verstädterung und der Industrialisierung verbunden sind, ist der ungeheure Anstieg der Massenmedien hinzugekommen, die immer stärker das tägliche Leben der Menschen in jedem Winkel der Erde beeinflussen. Angesichts so vieler neuer Elemente - verglichen mit der Situation der sechziger Jahre - könnte man sich fragen, wieviel von der von Gaudium et spes entwickelten historischen Perspektive übrigbleibt. Tatsächlich bleibt, wenn man zum Kern der Probleme vordringt, die damals von der Konstitution gestellte wesentliche Frage in ihrer Schärfe bestehen und gewinnt sogar noch an Aktualität: Sind die Veränderungen, die sich in unserer heutigen Zeit vollzogen haben, wirklich alle zum Nutzen der Menschheit? (vgl. Gaudium et spes, Nr. 6). Im besonderen, kann es „eine vollkommenere Ordnung im irdischen Bereich (geben), ohne daß aber das geistliche Wachstum damit gleichen Schritt hält“? (Gaudium et spes, Nr. 4). Es ist daher legitim, an der Schwelle nunmehr zum dritten Jahrtausend wieder über die von Gaudium et spes gegebenen Analysen und Hinweise nachzudenken, um ihren Wert zu bestätigen und ihre Weisheit zu erfassen. Es sei mir erlaubt, an einige der bezeichnendsten Themen des Dokuments zu erinnern. 5. Gaudium et spes hat zunächst die ständige Suche des Menschen nach dem Sinn ins Licht gerückt: Unsere Herkunft, das Ziel des Lebens, die Gegenwart von Sünde und Leid, die Unausweichlichkeit des Todes, das Geheimnis der Existenz jenseits dieses Erdenziels sind alles Fragen, denen man sich nicht entziehen kann (vgl. Gaudium et spes, Nm. 4,10,21,41). Zu jeder Zeit und an jedem Ort bewegen diese Fragen das Menschenherz und regen es dazu an, eine volle und endgültige Antwort zu suchen. Gaudium et spes unterstreicht mit Macht, daß man diese Antwort nur in Jesus Christus findet, der „der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte“ ist (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10). Mit dem Sinnproblem verknüpft ist auch die Aufmerksamkeit, die das Konzilsdokument der Herausforderung des zeitgenössischen Atheismus widmet (Gaudium et spes, Nm. 19-21). Das Konzil geht sie mit seinem ihm eigenen Dialogstil an, wobei es versucht, die verschiedenen Ausdrucksformen dieses komplexen Phänomens zu unterscheiden, sich jedoch vor allem bemüht, die Motive zu erfassen, die ihm zugrunde liegen. Es tut dies mit dem Mut zur Wahrheit beim Aufzeigen des Irrtums, gleichzeitig aber mit einsichtiger Haltung den Irrenden gegenüber und zögert nicht, die Schuld anzuerkennen, die diesbezüglich nicht selten die Gläubigen selbst haben, wenn sie aus lehrmäßiger Unzulänglichkeit und überwiegend aus praktischer Inkonsequenz am Ende „das wahre Antlitz Gottes und der Religion eher verhüllen als offenbaren“ (Gaudium et spes, Nr. 19). Auf der Grandlage dieser verbindlichen Position von Gaudium et spes hat Papst Paul VI. im Jahr 1965 ein „Sekretariat für die Nichtglaubenden“ geschaffen, dann „Päpstlicher Rat für den Dialog mit den Nichtglaubenden“ genannt und später in 1230 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den „Päpstlichen Rat für die Kultur“ eingegliedert. Ich selbst habe es in diesen Jahren für meine Pflicht gehalten, in die Fußstapfen von Gaudium et spes tretend, bei verschiedenen Anlässen zu verdeutlichen, daß Wissenschaft und Glaube trotz der nicht gutzuheißenden Konflikte der Vergangenheit keinen wirklichen Grund zur Gegnerschaft haben, sondern daß sie vielmehr gegenseitigen Vorteil aus der Begegnung und der Zusammenarbeit ziehen sollen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 36). 6. Ich kann hier nicht ausschweifen und die wirklich äußerst wichtigen Themen aufzählen, die die Konstitution besonders in ihrem ersten Teil behandelt: die Würde der menschlichen Person, die Gemeinschaft der Menschen, die menschliche Tätigkeit im Weltall. Es genügt zu betonen, daß das Konzil all dies in das Licht stellt, das aus der Offenbarung kommt und Christus als Sinn und Erfüllung jedes Geschöpfes angibt, das Alpha und das Omega der Welt. Und im Rahmen dieser Gesamtsicht erläutert das Konzil eindrucksvoll die Sendung der Kirche, wobei es die Hilfeleistung hervorhebt, die sie anbietet, jedoch nicht ohne das anzuerkennen, was sie von der zeitgenössischen Welt empfängt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 44). Aber Gaudium et spes beschränkt sich nicht auf die letzten Fragen. Im Wunsch, dem Menschen unserer Zeit konkreter nützlich zu sein, begibt sie sich auch auf den Boden der unmittelbaren Probleme, die ihn bedrücken. Unter ihnen ist sicherlich von besonderer Bedeutung die Notwendigkeit, die Würde und Heiligkeit der Ehe und des Familienlebens zu fördern. In den auf das Konzil folgenden Jahren hat die weitere Entwicklung der Sitten gezeigt, wie richtig die Kirche gesehen hatte, als sie mit Deutlichkeit die Aufmerksamkeit der christlichen Gemeinschaft und der ganzen Menschheit auf diese dringliche Notwendigkeit gelenkt hat. Die Familie wird heute nicht nur von äußeren Faktoren, wie der gesellschaftlichen Mobilität und den neuen Merkmalen der Arbeitsorganisation, aufs Spiel gesetzt, sondern auch und vor allem von einer individualistischen Kultur ohne feste ethische Verankerung, die den eigentlichen Sinn der Liebe zwischen den Eheleuten verkennt und, indem sie ihr wesenseigenes Bedürfnis nach Beständigkeit bestreitet, den Zusammenhalt der Kemfamilien in Gemeinsamkeit und Frieden gefährdet. Bei vielen Gelegenheiten hat das kirchliche Lehramt in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die Planung Gottes von Ehe und Familie zu unterstreichen und zu erklären. Wie könnte man sich nicht erinnern an die nachsynodale Ermutigung Familiaris consortio und an die Initiativen, die das jüngste „Jahr der Familie“ gekennzeichnet haben? Es ist ein Weg des Nachdenkens und des Zeugnisgebens, der gerade in Gaudium et spes eine stetige und unerschöpfliche Inspirationsquelle gefunden hat. 7. Es ist außerdem angesichts der riesigen gesellschaftlichen Probleme, die insbesondere im Süden des Planeten immer noch die Welt bedrängen, nicht möglich, die Überlegung stillschweigend zu übergehen, die Gaudium et spes dem wirtschaftlich-sozialen Leben gewidmet hat. Von der einleitenden Erklärung an lenkt sie die 1231 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufmerksamkeit auf den großen Skandal unseres Jahrhunderts: „Noch niemals verfügte die Menschheit über soviel Reichtum, Möglichkeiten und wirtschaftliche Macht, und doch leidet noch ein ungeheurer Teil der Bewohner unserer Erde Hunger und Not, gibt es noch unzählige Analphabeten“ (Gaudium et spes, Nr. 4). Es war zu hoffen, daß diese bittere Feststellung von vor nunmehr dreißig Jahren von der folgenden Entwicklung überholt werden würde, besonders nachdem der Sturz des Kommunismus und das Ende des Kalten Kriegs die Menschheit in die Lage versetzt haben, an das Problem der Armut mit neuer Energie und einvernehmlichem Engagement heranzugehen. Wir sind dagegen aber gezwungen, noch heute sinnlose Mißverhältnisse zu beklagen, die von Kriegen unter Armen verschlimmert werden, denen die Welt des Reichtums oft nicht wirkungsvolle und solidarische Hilfe leistet, sondern das vernichtende Potential mörderischer Waffen liefert. 8. Das Problem der Armut und ihrer Überwindung durch eine gesunde Wirtschaft, die den vorrangigen Wert der Person respektiert, verweist also auf eine sehr breit angelegte Erörterung einer politischen Ethik. Gaudium et spes widmet deshalb nach Berücksichtigung des wirtschaftlichen Bereichs zu Recht vielsagende Seiten der Grundnotwendigkeit, in und zwischen den Nationen ein politisches Leben zu fördern, das von unverzichtbaren moralischen Werten getragen ist (vgl. Gaudium et spes, Nr. 73-90). Der Aufruf des Konzils, die zerstörerische Rache des Krieges zu verwerfen und den Frieden zu fördern, ist immer noch höchst lebendig. Allen sind die traurigen Seiten gut bekannt, mit denen die Konstitution die Menschen ermahnt, im „Geiste der Familie, der den Kindern Gottes eigen ist“ ... ,jede Zwietracht zwischen Nationen und Rassen“ (Gaudium et spes, Nr. 42) beizulegen und eine wirkliche „Universalgemeinschaft“ (Gaudium et spes, Nr. 9) zu entwickeln. Leider fährt der von Stammes- und nationalen Erinnerungen wiederentzündete ethnische und religiöse Haß fort, Konflikte, Völkermord und Blutbäder zu schüren mit all den schrecklichen Folgen, die so schmerzliche Ereignisse mit sich bringen: Hunger, Epidemien und Millionen von Flüchtlingen. Es ist Zeit, daß der Appell des Konzils Gehör findet. Die Glaubenden haben dafür eine besondere Verantwortung, wie ich mehrmals hervorgehoben habe, auch dadurch, daß ich die Vertreter der verschiedenen Religionen zu Stellungnahmen aufgerufen habe. Wie kann man diesbezüglich den „Weltgebetstag für den Frieden“ vergessen, der am 27. Oktober 1986 in Assisi die Führungsspitzen der Weltreligionen vereint gesehen hat? Wir waren sicher auf der Wellenlänge von Gaudium et spes, als wir in der Stadt des hl. Franziskus gebetet und gefastet haben in der Zuversicht, auf diese Weise dazu beizutragen, das Zusammenleben der Menschen menschlicher zu gestalten, das noch von tödlichen Gegensätzen zerrissen ist. 9. Diese kurzen Andeutungen genügen, um den äußerst weiten Horizont zu unterstreichen, vor dem sich Gaudium et spes bewegt. Mit ihr wollte die Kirche wirk- 1232 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lieh die Welt umfassen. Dadurch, daß sie die Menschen im Lichte Christi sieht, hat sie es verstanden, deren tiefe Sehnsüchte und konkrete Bedürfnisse zu erfassen. Es ist daraus eine Art „Magna Charta“ der Menschenwürde hervorgegangen, die verteidigt und gefördert werden muß. Das Konzil hat sich in diese Perspektive begeben und Themen und Bedürfnisse genau bestimmen können, damit sie immer deutlicher ins Bewußtsein der Menschheit rücken. Man denke beispielsweise an die ganz besondere Verteidigung der Rechte und der Würde der Frau, die Gaudium et spes übernimmt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 29). Vom Konzil bis heute ist in diesem Zusammenhang viel geschehen, aber viel bleibt noch in der internationalen Gemeinschaft und in den einzelnen Nationen zu tun. Die Kirche ihrerseits fühlt sich stark verpflichtet - wie ich in vielfachen Beiträgen, namentlich im päpstlichen Schreiben Mulieris digni-tatem und im Brief an die Frauen, betont habe -, den Orientierungshilfen des Konzils treu zu folgen und zu Gunsten des wahren Wohlergehens der Frauen der ganzen Welt tätig zu sein. 10. Man sieht gut - auch nur bei dieser eiligen Verlaufsfolge -, wie die Konzilskonstitution nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Man könnte sich allenfalls angesichts der schweren Probleme, die uns immer noch mit Sorgen belasten, fragen, ob nicht manche Äußerung übertrieben optimistisch sei. In Wirklichkeit wird man sich, wenn man den Text gut liest, bewußt, daß sich das Konzil den Problemen durchaus nicht entzogen hat, sie jedoch mit der Haltung angehen wollte, die die Synode des Jahres 1985 den „Realismus der Hoffnung“ nennen wird (Schlußbericht, D 2). Es ist der Realismus, der sich weder unterdrücken läßt noch dem lähmenden Zynismus Raum schafft, weil er weiß, daß die Welt trotz allem von der österlichen Gnade durchzogen ist, die sie hält und erlöst. Diese Gnade braucht rege Zeugen, damit sie für die Brüder das Antlitz der Hoffnung sind: alle Kinder der Kirche sind berufen, es zu sein. Im besonderen richtete Gaudium et spes ihre dringende Bitte an das persönliche Zeugnis und die strahlende Initiative der Laien, Männer und Frauen, damit sie sich verpflichten, eine größere Rolle im Leben der Kirche und der Welt zu übernehmen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 43). Diese Wahl bleibt noch eine der großen Notwendigkeiten und gleichzeitig eine der größten Hoffnungen der Kirche unserer Zeit. Diesbezüglich möchte ich betonen, wie eben die Beteiligung von qualifizierten Laienpersönlichkeiten aus allen Teilen der Welt am gegenwärtigen Kongreß eine sehr geeignete Art ist, um den Jahrestag eines Dokuments zu feiern, das eine so große Bedeutung im Leben der Kirche während der vergangenen dreißig Jahre gehabt hat. 11. Liebe Brüder und Schwestern, ich wollte an einige der in Gaudium et spes vorhandenen Themen erinnern, gleichsam um die gründliche Analyse einzuleiten, die in den nächsten Tagen während des Kongresses durchgeführt werden wird. Wenn 1233 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ich einen Wunsch äußern darf, ist es der, daß der Jahrestag ein erneuertes Interesse für das Dokument anregen möge und die Gläubigen dazu bringe, es in seiner Gesamtheit wiederzuentdecken und seine tiefe und stets gültige Botschaft zu erfassen. In der Tat muß, wer auch immer das Dokument mit aufmerksamem und ausgeschlossenen Sinn liest, folgern, daß seine höchste Botschaft Christus selbst ist, der Erlöser des Menschen. Er ist es, den das Konzil angibt als „das Ziel der menschlichen Geschichte, der Punkt, auf den hin alle Bestrebungen der Geschichte und der Kultur konvergieren, der Mittelpunkt der Menschheit, die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte“ (Gaudium et spes, Nr. 45). Jesus Christus ist nicht nur für die Christen gegenwärtig als „Licht der Welt, das das Geheimnis des Menschen erleuchtet“, sondern auch für die ganze Menschheitsfamilie; er offenbart den Menschen sich selbst; er ruft alle zu einer eigenen Bestimmung und „bietet“ durch den Heiligen Geist „allen die Möglichkeit an“, mit seinem endgültigen Sieg über den Tod „verbunden zu sein“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Die Hoffnungen auf eine menschlichere Welt, die von Gaudium et spes geäußert worden sind, werden nicht ohne Christus verwirklicht werden können ohne den Empfang seiner Gnade, die auf unsichtbare Weise im Herzen jedes Menschen wirkt, der guten Willens ist (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Diese Überzeugung leitet und unterstützt den Weg der Kirche, besonders in unseren Tagen, die ja von Schatten und Unsicherheiten gezeichnet sind, aber auch von einem verbreiteten Wiedererwachen des Glaubens und vom Wunsch, eine mehr und mehr brüderliche und solidarische Welt aufzubauen. Die Jungfrau Maria, bei deren Heiligtum der Kongreß stattfinden wird, der der Vertiefung der Themen von Gaudium et spes gewidmet ist, stärke die Bemühungen derer, die sich im Einklang mit ihrer Botschaft verpflichten, das Evangelium der Liebe und des Friedens in der Welt zu bezeugen. Für alle mein Segen! Malteser-Wallfahrt: Freude und Frucht für Betreuer und Betreute Grußworte an die Kranken und Mitglieder des Malteser-Hilfsdienstes am 9. November Liebe Schwestern und Brüder! Zu unserer Begegnung heiße ich Euch alle herzlich willkommen und verleihe meiner tiefen Dankbarkeit Ausdruck über das Geschenk Eurer Anwesenheit. Sie ist für die Kirche, die dazu berufen ist, das Heilswerk inmitten der Welt fortzusetzen, so 1234 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wertvoll, denn Ihr verleiht ihr eine besondere Kraft bei ihrem heilbringenden Wirken. Mein besonderer Gruß gilt allen Schwestern und Brüdern im Rollstuhl sowie allen, die von einem Leiden befallen sind. Von Herzen begrüße ich auch alle, die Euch Hilfe leisten: alle Verantwortlichen, die Ärzte, Pfleger und alle freiwilligen Mitarbeiter und Helfer des Malteser-Hilfsdienstes. Ihr belebt durch Euer leuchtendes Beispiel die uralte Tradition des Malteserordens: „tuitio fidei et obsequium paupe-rum.“ Der Malteser-Hilfsdienst, der aus einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit des Malteserordens mit dem Deutschen Caritasverband entstanden ist, zeichnet sich aus durch sein hochherziges und edles Engagement, das von den vielen jungen freiwilligen Mitarbeitern und Helfern getragen wird, die ihren Urlaub und ihre Freizeit opfern und außerdem selbst für die Reisespesen aufkommen. Ihr gebt eine konkrete Antwort auf die Frage aus dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter: „Wer ist mein Nächster?“ Dieses Gleichnis „gehört zum Evangelium vom Leiden. Es zeigt in der Tat, wie die Beziehung eines jeden von uns zu seinem leidenden Nächsten sein sollte. Es ist uns nicht erlaubt, gleichgültig ,weiterzuheben’, sondern wir müssen bei ihm ,stehenbleiben’. Ein barmherziger Samariter ist jeder Mensch, der vor dem Leiden eines Mitmenschen, was auch immer es sein mag, innehält. Dieses Innehalten bedeutet nicht Neugier, sondern Bereitschaft“ (Salvificis doloris, Nr. 28). Der barmherzige Samariter „bleibt nicht bei Mitgefühl und Mitleid stehen. Sie werden für ihn Ansporn zu einem Handeln“, zu „wirksamer Hilfe, soweit es möglich ist. Dafür setzt er sein Herz ein; doch er spart auch nicht mit materiellen Mitteln. Man kann sagen, er gibt sich selbst, sein eigenes ,Ich’, indem er dieses ,Ich’ dem anderen öffnet“ (ebd.). Der Kranke und Behinderte steht im Mittelpunkt Eures Dienstes, der geprägt ist von Güte und Kompetenz. Ihr leistet ohne viel Worte einen praktischen Dienst; und gerade dies ist es, was vor allem auf junge Menschen ausstrahlend wirkt. Zu Euch allen sage ich: „Gnade sei mit Euch und Friede in Fülle“ (1 Petr 1,2), und ich wünsche Euch, daß diese Begegnung zu einer fruchtbaren Besinnung werde, damit Ihr immer besser die Bedeutung der erlesenen Mission an der Seite der kranken und leidenden Schwestern und Brüder begreift. Krankheit und Leid sind kein unnütziges Mißgeschick; sie sind nicht etwas, was niederdrückt, ohne etwas Positives zu hinterlassen. Im Gegenteil, wenn sie in Gemeinschaft mit Christus getragen werden, werden sie zur Quelle der Hoffnung, des Heils und der Auferstehung für Euch und für die ganze Menschheit. Aus diesem Glauben heraus erteile ich Euch allen sowie Euren lieben Angehörigen zu Hause von Herzen den Apostolischen Segen. 1235 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostolisches Schreiben zur Vierhundertjahrfeier der Union von Brest vom 12. November Liebe Brüder und Schwestern! l.Der Tag rückt näher, an welchem die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine den 400. Jahrestag des Abschlusses der Union zwischen den Bischöfen der Metropolie der Kiewer Rus’ und dem Apostolischen Stuhl feiern wird. Die Union wurde am 23. Dezember 1595 bei der Begegnung der Vertreter der Metropolie Kiew mit dem Papst geschlossen und am 16. Oktober 1596 in Brest-Litowsk am Bug feierlich verkündet. Papst Clemens VIII. machte sie mit der Apostolischen Konstitution Magnus Dominus et laudabilis nimis1 der Gesamtkirche bekannt und wandte sich mit dem Apostolischen Schreiben Benedictus sit Pastor <628> <629> an die Bischöfe der Metropolie, um ihnen das Zustandekommen der Union mitzuteilen. 3 Vgl. Bullarium Romanum V/2 (1594-1602), 87-92. <629> Vgl. A. Welykyj, Documenta Pontificum Romanorum Historiam Ucrainae illustrantia, 1.1, S. 257-259. Die Päpste verfolgten mit liebevoller Fürsorge den oft dramatischen und leidvollen Weg dieser Kirche. In besonderer Weise möchte ich hier an die Enzyklika Orientales omnes Papst Pius’ XII. erinnern, der im Dezember 1945 mit unvergeßlichen Worten an den 350. Jahrestag der Wiederherstellung der vollen Einheit mit dem Römischen Stuhl erinnerte <630>. <630> Vgl. A4S38(1946)33-63. Die Union von Brest öffnete eine neue Seite in der Geschichte jener Kirche <631>. Heute möchte sie voll Freude demjenigen den Dank- und Lobhymnus singen, der sie vom Tod ins Leben zurückgeführt hat, und mit frischem Schwung erneut aufbrechen, um den vom II. Vatikanischen Konzil vorgezeichneten Weg einzuschlagen. Den Gläubigen der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine schließen sich in Danksagung und Bitte die griechisch-katholischen Kirchen der Emigration an, die sich auf die Union von Brest berufen, zusammen mit den anderen katholischen Ostkirchen und mit der Gesamtkirche. Den Katholiken byzantinischer Tradition jener Länder will auch ich, Bischof von Rom, mich anschließen, habe ich doch zur Zeit meines pastoralen Wirkens in Polen viele Jahre lang außer der geistlichen auch die physische Nähe zu jener damals so hart geprüften Kirche gespürt und nach meiner Wahl auf den Stuhl Petri in Kontinuität mit meinen Vorgängern die dringende Verpflichtung wahrgenommen, das Recht dieser Kirche auf Existenz und freies Bekenntnis des Glaubens mit meiner Stimme zu verteidigen, wenn ihr beides verweigert wurde. 4 Vgl. Johannes Paul II., Schreiben an Kardinal Myroslav I. Lubachivsky, Großerzbischof von Lviv der Ukrainer (25. März 1995), 3: L’Osservatore Romano, 5. Mai 1995, S. 6. 1236 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nun wird mir die besondere Ehre zuteil, gemeinsam mit ihr tiefbewegt die Tage der wiedererlangten Freiheit zu feiern. Auf der Suche nach Einheit 2. Die Jubiläumsfeierlichkeiten für die Union von Brest fügen sich ein in den Rahmen der Jahrtausendfeier der Taufe der Rus’. Vor sieben Jahren, 1988, wurde jenes Ereignis mit großer Feierlichkeit begangen. Ich habe aus diesem Anlaß zwei Dokumente veröffentlicht: das für die ganze Kirche bestimmte Apostolische Schreiben Euntes in mundum vom 25. Januar 1988 <632> und die Botschaft Magnum Baptismi donum vom 14. Februar desselben Jahres <633>, die an die ukrainischen Katholiken gerichtet war. Es ging in der Tat darum, ein für die christliche und kulturelle Identität jener Völker grundlegendes Ereignis zu feiern, dem aus der Tatsache, daß die Kirchen byzantinischer Tradition und die Kirche von Rom noch in voller Gemeinschaft lebten, eine ganz besondere Bedeutung zukam. Vgl. A4S80(1988)95-956. Vgl. ebd., 988-99. Seitdem die Spaltung die Einheit zwischen Abendland und byzantinischem Osten verletzt hat, gab es immer wieder intensive Bemühungen um die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft. An zwei besonders herausragende Ereignisse will ich hier erinnern: an das Konzil von Lyon im Jahr 1274 und vor allem an das Konzil von Florenz von 1439, wo die Unionsprotokolle mit den orientalischen Kirchen unterzeichnet wurden. Leider verhinderten verschiedene Ursachen, daß die in diesen Übereinkommen enthaltenen Möglichkeiten die erhofften Früchte erbringen konnten. Die Bischöfe der Metropolie Kiew bezogen sich bei der Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Rom ausdrücklich auf die Beschlüsse des Konzils von Florenz, also auf ein Konzil, an dem unter anderen Vertreter des Patriarchats Konstantinopel direkt teilgenommen hatten. Herausragend erscheint in diesem Zusammenhang die Gestalt des Metropoliten Isidor von Kiew, der als zuverlässiger Interpret und Verkünder der Beschlüsse jenes Konzils wegen seiner Überzeugungen das Exil auf sich nehmen mußte. Bei den Bischöfen, welche die Einheit förderten, und in ihrer Kirche war nicht nur das Wissen um die ursprüngliche enge Verbundenheit mit ihren orthodoxen Brüdern sehr lebendig, sondern auch das volle Bewußtsein der orientalischen Identität ihrer Metropolie, die es auch nach der Vereinigung zu bewahren galt. In der Geschichte der katholischen Kirche kommt dem Umstand große Bedeutung zu, daß dieses berechtigte Verlangen respektiert wurde und der Unionsakt nicht den Übergang zur lateinischen Tradition bedeutete, wie es freilich nach Meinung mancher hätte geschehen sollen: Ihre Kirche sah ihr Recht anerkannt, von einer eigenen 5 6 1237 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hierarchie mit einer besonderen Kirchenordnung geleitet zu werden und das orientalische liturgische und spirituelle Erbe beizubehalten. Zwischen Verfolgung und Blüte 3. Nach vollzogener Union erlebte die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine eine Blütezeit der kirchlichen Strukturen mit heilsamen Auswirkungen auf das Ordensleben, die Ausbildung des Klerus und das geistliche Engagement der Gläubigen. Mit beachtlichem Weitblick wurde der Erziehung große Bedeutung beigemessen. Durch den wertvollen Beitrag des Basilianerordens und anderer Ordenskongregationen erfuhr das Studium der kirchlichen Disziplinen und der heimatlichen Kultur einen großartigen Aufschwung. Eine außerordentlich eindrucksvolle Gestalt sowohl in dieser Hinsicht wie durch sein Zeugnis des um Christi willen erduldeten Leidens war in unserem Jahrhundert Metropolit Andreas Szep-tyckyi, der mit seiner geistigen Ausrüstung und der persönlichen geistlichen Vornehmheit eine hervorragende organisatorische Begabung verband, Schulen und Akademien gründete, die theologischen Studien und die Humanwissenschaften ebenso förderte wie das Pressewesen, die kirchliche Kunst, die Bewahrung und Pflege der Erinnerungen. Doch starke kirchliche Vitalität wurde immer wieder von dramatischem Unverständnis und Widerstand durchkreuzt. Ein berühmtes Opfer solcher Ablehnung war der Erzbischof von Polock und Vitebsk, Josaphat Kuncevyc, dessen Martyrium mit der unvergänglichen Krone ewiger Seligkeit gekrönt wurde. Sein Leib ruht nun in der vatikanischen Basilika, wo ihm beständig bewegte und dankbare Verehrung seitens der ganzen katholischen Welt zuteil wird. Die Schwierigkeiten und Nöte gingen ohne Unterlaß weiter. Pius XU. erwähnte sie in der Enzyklika Orientales omnes, wo er nach dem Hinweis auf frühere Verfolgungen bereits jenes dramatische Geschehen unter dem atheistischen Regime vorausahnte <634>. <634> Vgl. A4S38(1946)54-57. Jene Befürchtungen sollten sich einige Jahre später auf beängstigende Weise bestätigen, wie derselbe Papst in der Enzyklika Orientales Ecclesias (15. Dezember 1952) umgehend feststellte: A4S45(1953)7-10. Unter den heroischen Zeugen nicht nur für die Rechte des Glaubens, sondern auch für das menschliche Gewissen, die sich in jenen schweren Jahren auszeichneten, ragt die Gestalt des damaligen Metropoliten Josyf Slipyi hervor: Der Mut, mit dem er achtzehn Jahre lang Verbannung und Gefängnis ertrug, und das unbeugsame Vertrauen in das Wiedererstehen seiner Kirche machen ihn zu einer der überzeugendsten Bekennergestalten des Glaubens in unserer Zeit. Nicht zu vergessen seine zahlreichen Leidensgefährten, besonders die Bischöfe Gregoryi Chomyszyn und Josaphat Kocylowskyi. Diese stürmischen Ereignisse rissen die Kirche im Mutterland nieder. Doch die göttliche Vorsehung hatte längst geplant, daß zahlreiche Söhne jener Kirche einen 1238 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ausweg für sich und ihr Volk finden konnten: Schon seit dem 19. Jahrhundert begannen sie sich nämlich in gewaltigen Auswanderungswellen, die sie vor allem nach Kanada, in die Vereinigten Staaten von Amerika, nach Brasilien, Argentinien und Australien führten, in großer Zahl in Übersee niederzulassen. Der Hl. Stuhl wollte ihnen nahe sein, indem er sie unterstützte und für sie an den neuen Aufenthaltsorten pastorale Strukturen schuf, bis hin zur Errichtung regelrechter Eparchien. So konnte sich zur Zeit der Prüfung, während der atheistischen Verfolgung im Ursprungsland, die Stimme dieser Gläubigen in voller Freiheit kraftvoll und mutig erheben. Ihr Aufschrei machte auf internationaler Ebene für die verfolgten Brüder das Recht auf Religionsfreiheit geltend und verstärkte auf diese Weise den vom II. Vatikanischen Konzil erlassenen Aufruf zum Schutz der Religionsfreiheit <635> und die vom Hl. Stuhl in diesem Sinne entfaltete Tätigkeit. Vgl. Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae. 4. Den Opfern so großer Leiden gilt das mitfühlende Gedenken der gesamten katholischen Gemeinschaft: die Märtyrer und die Bekenner des Glaubens der Kirche in der Ukraine erteilen uns eine großartige Lektion in Treue um den Preis des Lebens. Und wir, begünstigte Zeugen ihres Opfers, sind uns dessen bewußt, daß sie dazu beigetragen haben, eine Welt, die, so schien es, von barbarischer Unmenschlichkeit niedergewalzt worden war, in Würde zu erhalten. Sie haben die Wahrheit erkannt, und die Wahrheit hat sie frei gemacht. Die Christen Europas und der Welt, die an der Schwelle der ehemaligen Konzentrationslager und Gefängnisse im Gebet ihr Haupt senken, müssen ihnen für jenes Licht dankbar sein; es war das Licht Christi, das sie in der Finsternis zum Leuchten gebracht haben. In den Augen der Welt schien zwar lange Jahre hindurch die Finsternis siegreich zu sein, doch hat sie jenes Licht, das Gottes Licht und das Licht des verletzten, aber nicht bezwungenen Menschen war, nicht auszulöschen vermocht. Diese Hinterlassenschaft von Leid und Glanz befindet sich heute an einer historischen Wende: Die Ketten der Gefangenschaft sind gefallen, die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine atmet wieder die Luft der Freiheit und hat ihre aktive Rolle in Kirche und Geschichte voll wiedererlangt. Diese heikle und von der Vorsehung gewollte Aufgabe erfordert heute besondere Überlegung, damit sie mit Weisheit und Weitblick erfüllt werden kann. Im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils 5. Das Jubiläum der Union von Brest muß im Lichte der Lehren des II. Vatikanischen Konzils begangen und interpretiert werden. Das ist vielleicht der wichtigste Aspekt zum Verständnis der Bedeutung dieses Ereignisses. Das n. Vatikanische Konzil hat bekanntüch eingehend über das Geheimnis der Kirche nachgedacht, ja, eines der wichtigsten von ihm erarbeiteten Dokumente ist die dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium. Gerade auf Grund 1239 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser gründlichen Untersuchung erhält das Konzil eine besondere ökumenische Bedeutung. Ein Beweis dafür ist das Dekret Unitatis redintegratio, das einen sehr klaren Plan darüber ausarbeitet, wie im Hinblick auf die Einheit der Christen vorgegangen werden soll. Dreißig Jahre nach dem Ende des Konzils schien es mir angebracht, mit der Enzyklika Ut unum sint, die am 25. Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde, auf eben diesen Plan zurückzukommen <636>. Sie zeichnet die ökumenischen Schritte nach, die seit dem H. Vatikanischen Konzil unternommen worden sind, und versucht gleichzeitig, im Ausblick auf das dritte Jahrtausend der Christenheit neue Möglichkeiten für die Zukunft zu eröffnen. <636> Vgl. L’Osservatore Romano, 31. Mai 1995, S. 1-8. Wenn ich die Feierlichkeiten des nächsten Jahres in den Gesamtzusammenhang der vom Konzil angeregten Reflexion über die Kirche stelle, will ich damit vor allem dazu anregen, die besondere Rolle, zu deren Übernahme innerhalb der ökumenischen Bewegung die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine heute aufgerufen ist, gründlich zu prüfen und zu vertiefen. 6. Manche sehen in der Existenz der katholischen Ostkirchen eine Schwierigkeit für den Fortgang des Ökumenismus. Das II. Vatikanische Konzil hat es nicht unterlassen, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen, wobei es sowohl im Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio wie in dem eigens den katholischen Ostkirchen gewidmeten Dekret Orientalium ecclesiarum Gesichtspunkte für eine Lösung nennt. Beide Dokumente stellen sich auf den Standpunkt des ökumenischen Dialogs mit den orientalischen Kirchen, die sich nicht in voller Gemeinschaft mit dem Römischen Stuhl befinden, so daß der Reichtum, den die anderen Kirchen mit der katholischen Kirche gemeinsam haben, erschlossen werde und sich die Suche nach einer immer vollkommeneren und tieferen Gemeinschaft auf diesen gemeinsamen Reichtum stütze. Denn „das Bestreben des Ökumenismus ist es eben, die zwischen den Christen bestehende teilweise Gemeinschaft bis zur vollen Gemeinschaft in der Wahrheit und in der Liebe wachsen zu lassen“ <637> <638> <639>. <637> Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995), 14, a.a.O., S. 2. <638> Vgl. Nm. 18-19: L’Osservatore Romano, 2./3. Mai 1995, S. 4. <639> Vgl. Nm. 12-14, a.a.O., S. 2. Zur Förderung des Dialogs mit der byzantinischen Orthodoxie wurde nach dem II. Vatikanischen Konzil eigens eine gemischte Kommission eingerichtet, die auch Vertreter der katholischen Ostkirchen unter ihre Mitglieder aufgenommen hat. In einer Reihe von Dokumenten wurde versucht, das Bemühen um ein größeres Verständnis zwischen orthodoxen Kirchen und katholischen Ostkirchen zu vertiefen, und das mit durchaus positiven Ergebnissen. In dem Apostolischen Schreiben Orientale lumen11 und in der Enzyklika Ut unum sint12 habe ich bereits Elemente der Heiligung und der Wahrheit <640>, die der Orient und das christliche Abendland <640> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, 3. 1240 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gemeinsam haben, und die Methode dargelegt, nach welcher bei der Suche nach voller Gemeinschaft zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen im Lichte der vom II. Vatikanischen Konzil durchgeführten ekklesiologi-schen Vertiefung vorgegangen werden sollte: „Heute wissen wir, daß die Einheit nur dann von der Liebe Gottes verwirklicht werden kann, wenn die Kirchen dies bei voller Achtung der einzelnen Traditionen und der notwendigen Autonomie gemeinsam wollen. Wir wissen, daß sich das nur von der Liebe von Kirchen her erfüllen kann, die sich aufgerufen fühlen, immer stärker die nur aus einer Taufe und aus einer Eucharistie hervorgegangene eine Kirche Christi zu bezeugen, und die Schwestern sein wollen“ <641>. Die vom Konzil und nach dem Konzil bewirkte Vertiefung in der Kenntnis der Lehre über die Kirche hat einen Weg vorgezeichnet, den man als neuen Weg zur Einheit definieren kann: den Weg des Dialogs der Wahrheit, der genährt und getragen wird vom Dialog der Liebe (vgl. Eph 4,15). <641> Johannes Paul n., Apostol. Schreiben Orientale lumen (2. Mai 1995), 20: L’Osservatore Romano, 2./3. Mai 1995, S. 4. 7. Das Heraustreten aus der Verborgenheit hat eine radikale Veränderung in der Situation der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine mit sich gebracht: Sie sah sich plötzlich den gewaltigen Problemen der Wiederherstellung der Strukturen gegenüber, deren sie vollständig beraubt worden war, und mußte, allgemeiner gesprochen, alles daransetzen, sich selber nicht nur im eigenen Haus, sondern auch in Beziehung zu den anderen Kirchen vollkommen wiederzuentdecken. Dem Herrn sei Dank dafür, daß Er ihr gewährt hat, dieses Jubiläum im Zustand der wiedergewonnenen Religionsfreiheit zu feiern. Dank sei Ihm auch für das Wachsen des Dialogs der Liebe, durch den bedeutende Schritte auf dem Weg zur ersehnten Versöhnung mit den orthodoxen Kirchen vollzogen worden sind. Abwanderungen und mehrfache Deportationen haben die religiöse Landkarte jener Länder neu gezeichnet; die vielen Jahre des staatlich verordneten Atheismus haben im Bewußtsein der Menschen tiefe Spuren hinterlassen; der Klerus reicht zahlenmäßig noch nicht aus, um den immensen Anforderungen des religiösen und moralischen Wiederaufbaus nachzukommen: das sind einige der dramatischesten Herausforderungen, mit denen sich alle Kirchen konfrontiert sehen. Angesichts dieser Schwierigkeiten braucht es ein gemeinsames Zeugnis der Liebe, damit die Verkündigung des Evangeliums nicht behindert wird. Wie ich in dem Apostolischen Schreiben Orientale lumen gesagt habe, „können wir heute an der Verkündigung des Reiches Gottes mitwirken oder aber zu Förderern neuer Spaltungen werden“ <642>. Möge der Herr unsere Schritte auf dem Weg des Friedens lenken. <642> Nr. 19, a.a.O., S. 4. 1241 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Blut der Märtyrer 8. Nach der Wiedererlangung der Freiheit können und dürfen wir nicht die Verfolgung und das Martyrium vergessen, das die Kirchen jener Region, katholische und orthodoxe, leibhaftig durchgemacht haben. Es handelt sich dabei um eine für die Kirche aller Zeiten wichtige Dimension, wie ich in dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente dargelegt habe <643>. Es handelt sich um ein Erbgut, das für die Kirchen Europas, die tief davon geprägt sind, besondere Bedeutung besitzt: über dieses Erbe wird man im Lichte des Wortes Gottes nachdenken müssen. Wesentlicher Bestandteil dieses unseres religiösen Gedenkens ist daher die Pflicht, die Bedeutung des Martyriums ins Gedächtnis zurückzurufen, um auf die Verehrung aller konkreten Gestalten jener Glaubenszeugen in dem Bewußtsein hinzuweisen, daß auch heute der Ausspruch Tertullians seine volle Gültigkeit bewahrt: „Sanguis martyrum, semen christianorum“, „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christenheit“ <644>. Wir Christen haben bereits ein gemeinsames Martyrologium, in dem Gott unter den Getauften die Gemeinschaft unter dem höchsten Anspruch des mit dem Opfer des Lebens bezeugten Glaubens aufrechterhält und Wirklichkeit werden läßt. Die zwar unvollkommene, aber in ihrem kirchlichen Leben bereits real gegebene Gemeinschaft zwischen Katholiken und Orthodoxen erreicht ihre Vollkommenheit in allem, „was wir als den Gipfel des Gnadenlebens betrachten, den Märtyrertod, die intensive Gemeinschaft, die es mit Christus geben kann, der sein Blut vergießt und durch dieses Opfer jene, die einst in der Feme waren, in die Nähe kommen läßt (vgl. Eph 2,13)“ <645>. <643> Vgl. 44587(1995)29-30; Enzyklika Ut unum sint, 84, a.a.O., S. 7. <644> Apol., 50, 13: CCLI, 171. <645> Johannes Paul n„ Enzyklika Ut unum sint, 84, a.a.O., S. 7. Die Erinnerung an die Märtyrer darf nicht aus dem Gedächtnis der Kirche und der Menschheit getilgt werden: Ob sie zu Opfern östlicher oder westlicher Ideologien geworden sind, verbunden und vereint sind sie alle durch die Gewalt, die aus Haß auf den Glauben der Würde des von Gott „nach seinem Abbild und Gleichnis“ geschaffenen Menschen zugefügt wurde. Die Kirche Christi ist nur eine 9. „Credo unam, sanctam, catholicam et apostolicam Ecclesiam“ („Ich glaube an die eine heilige, katholische und apostolische Kirche“). Dieses im nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis enthaltene Bekenntnis ist den katholischen wie den orthodoxen Christen gemeinsam: damit wird herausgestellt, daß sie nicht nur an die Einheit der Kirche glauben, sondern in der einen und untrennbaren Kirche, wie sie von Jesus Christus gegründet worden ist, leben und leben wollen. 1242 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Unterschiede, die im Laufe der Geschichte zwischen dem orientalischen und dem abendländischen Christentum aufgebrochen sind und sich fortentwickelt haben, haben ihren Ursprung großenteils in den durch Kultur und Traditionen bedingten Unterschieden. In diesem Sinne darf man sagen, „daß die legitime Verschiedenartigkeit in keiner Weise der Einheit der Kirche entgegensteht, sondern vielmehr ihre Zierde und Schönheit vermehrt und zur Erfüllung ihrer Sendung in nicht geringem Maße beiträgt“ <646>. <646> Ebd., 50, a.a.O., S. 5. Papst Johannes XXIII. sagte oft: „Was uns verbindet, ist viel stärker als das, was uns trennt.“ Ich bin überzeugt, daß dieser Geist für alle Kirchen von großem Nutzen sein kann. Mehr als dreißig Jahre ist es her, daß der Papst diese Worte gesprochen hat. Viele Anzeichen veranlassen uns zu der Meinung, daß in diesem Zeitraum die Christen auf diesem Weg vorangekommen sind. Beredte Zeichen dafür sind die brüderlichen Begegnungen zwischen Papst Paul VI. und dem ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. und jene, die ich selber mit den ökumenischen Patriarchen Dimitrios und, kürzlich, Bartholomäus und mit anderen ehrwürdigen Patriarchen der Ostkirchen hatte. Das alles zusammen mit den zahlreichen Initiativen zu Begegnung und Dialog, die überall in der Kirche gefördert werden, ermutigt uns zu der Hoffnung: der Heilige Geist, der Geist der Einheit, hört nicht auf, unter den noch voneinander getrennten Christen zu wirken. Doch die menschliche Schwachheit und die Sünde widersetzen sich nach wie vor dem Geist der Einheit. Mitunter hat man geradezu den Eindruck, daß es hier Kräfte gibt, die zu allem bereit sind, nur um den Einigungsprozeß zwischen den Christen zu bremsen und sogar zunichte zu machen. Aber wir dürfen nicht aufgeben: Wir müssen jeden Tag den Mut und die Kraft, zugleich Gabe des Geistes und Frucht der menschlichen Anstrengung, finden, um auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen. 10. Wenn wir wieder auf die Union von Brest zurückkommen, so fragen wir uns, worin heute die Bedeutung dieses Ereignisses liegt. Es handelte sich um eine Union, die zwar nur ein bestimmtes geographisches Gebiet betraf, aber dennoch für den ökumenischen Gesamtrahmen von beachtlicher Bedeutung ist. Die katholischen Ostkirchen können einen sehr wichtigen Beitrag zum Ökumenismus leisten. Daran erinnert das Konzilsdekret Orientalium ecclesiarum: „Den mit dem Römischen Apostolischen Stuhl in Gemeinschaft stehenden Ostkirchen obliegt die besondere Aufgabe, gemäß den Grundsätzen des von diesem Heiligen Konzil erlassenen Dekretes über den Ökumenismus die Einheit aller Christen, besonders der ostkirchlichen, zu fördern. Dieser Aufgabe dienen vor allem ihre Gebete, das Beispiel ihres Lebens, die ehrfürchtige Treue gegenüber den alten ostkirchlichen Überlieferungen, eine bessere gegenseitige Kenntnis und Zusammenarbeit sowie 1243 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN brüderliche Wertschätzung des äußeren und inneren Lebens der anderen“ <647>. Daraus erwächst ihnen eine Verpflichtung, alles hier Beschriebene intensiv zu leben. Es wird von ihnen ein demütiges und dankbares Bekenntnis gegenüber dem Heiligen Geist verlangt, der die Kirche zu dem Ziel führt, das ihr vom Erlöser der Welt zugedacht ist. <647> Nr. 24. Zeit des Gebets 11. Das wesentliche Element, das die Feier dieses Jubiläums kennzeichnen soll, wird daher das Gebet sein. Es ist vor allem Danksagung für alles, was im Laufe der Jahrhunderte im Bemühen um die Einheit der Kirche erreicht worden ist, und insbesondere für den Impuls, den dieses Bemühen vom II. Vatikanischen Konzil erhalten hat. Es ist Danksagung an den Herrn, der den Lauf der Geschichte lenkt, für das Klima der wiedergefundenen Religionsfreiheit, in dem dieses Jubiläum begangen wird. Es ist auch flehentliches Bitten an den Geist, den Beistand, damit er alles wachsen lasse, was der Einheit förderlich ist, und allen Mut und Kraft schenke, die sich gemäß den Weisungen des Konzilsdekretes Unitatis redintegratio um dieses von Gott gesegnete Werk bemühen. Es ist inständiges Bitten darum, die brüderliche Liebe, die Vergebung für die im Laufe der Geschichte erlittenen Verletzungen und Ungerechtigkeiten zu erlangen. Es ist Bitten darum, daß die Macht des lebendigen Gottes selbst aus jenem von der Bosheit der Menschen verursachten, so grausamen und mannigfachen Bösen das Gute hervorbringen möge. Das Gebet ist auch Hoffnung für die Zukunft des ökumenischen Fortschritts: Die Macht Gottes ist größer als alle alten und neuen menschlichen Schwächen. Wenn dieses Jubiläum der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine an der Schwelle des dritten Jahrtausends einen Fortschritt hin zur vollen Einheit der Christen anzeigt, dann wird das vor allem das Werk des Heiligen Geistes sein. Zeit der Reflexion 12. Die Jubiläumsfeierlichkeiten sollen darüber hinaus eine Zeit der Reflexion sein. Die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine wird sich vor allem die Frage stellen, welche Bedeutung die volle Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl für sie gehabt hat und welche sie in Zukunft haben wird. Sie wird mit demütiger Dankbarkeit Gott die Ehre zuerkennen für ihre heroische Treue zum Nachfolger Petri und wird unter der Wirkung des Heiligen Geistes begreifen, daß eben jene Treue sie heute dazu bringt, sich für die Einheit aller Kirchen einzusetzen. 1244 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Treue hat ihr in der Vergangenheit Leiden und Martyrium abverlangt: ein Gott dargebrachtes Opfer, um die ersehnte Einheit zu erflehen. Die Treue zu den alten orientalischen Traditionen ist eines der Mittel, die den katholischen Ostkirchen für die Förderung der Einheit der Christen zur Verfügung stehen <648>. Das Konzilsdekret Unitatis redintegratio spricht es mit aller Klarheit aus: „Wir sollen alle um die große Bedeutung wissen, die der Kenntnis, Verehrung, Erhaltung und Pflege des überreichen liturgischen und geistlichen Erbes der Orientalen zukommt, damit die Fülle der christlichen Tradition in Treue gewahrt und die völlige Wiederversöhnung der orientalischen und der abendländischen Christen herbeigeführt werde.“ <649> <648> Vgl. ebd. <649> Nr. 15. Ein Gedenken, das Maria anvertraut wird 13. Wir hören nicht auf, die Sehnsucht nach der vollen Einheit der Christen der Mutter Christi anzuvertrauen, die im Wirken des Herrn und seiner Kirche stets gegenwärtig ist. Das VIII. Kapitel der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium beschreibt Maria als diejenige, die uns auf dem irdischen Glaubensweg vorangeht, liebevoll gegenwärtig in der Kirche, die sich am Ende des zweiten Jahrtausends darum bemüht, unter allen, die an Christus glauben, jene vom Herrn für sie gewollte Einheit wiederherzustellen. Sie ist die Mutter der Einheit, weil sie die Mutter des einzigen Christus ist. Wenn Maria mit Hilfe des Heiligen Geistes den Sohn Gottes zur Welt gebracht hat, der von ihr den menschlichen Leib empfangen hat, dann wünscht sie sehnlich auch die sichtbare Einheit aller Gläubigen, die den Mystischen Leib Christi bilden. Die Verehrung Mariens, die Orient und Abendland so stark miteinander verbindet, wird sich, dessen sind wir sicher, zu Gunsten der Einheit auswirken. Die Heilige Jungfrau, die bereits überall, in vielen Gotteshäusern ebenso wie im Glaubensleben vieler Familien, mitten unter uns gegenwärtig ist, spricht unablässig von Einheit, für die sie fortwährend Fürbitte einlegt. Wenn wir heute im Gedenken an die Union von Brest daran erinnern, welch wundervolle Schätze der Verehrung das christliche Volk der Ukraine der Gottesmutter darzubringen wußte, können wir nicht umhin, aus dieser Bewunderung für die Geschichte, die Spiritualität und das Gebet jener Völker die Konsequenzen für die Einheit zu ziehen, die so eng mit diesen Schätzen verknüpft sind. Maria, die in der Zeit der Prüfung Väter und Mütter, Jugendliche, Kranke und Alte inspiriert hat; Maria, Feuersäule, die so vielen Märtyrern für den Glauben den Weg zu weisen vermochte, ist mit Sicherheit am Werke, um die ersehnte Einheit aller Christen vorzubereiten: im Hinblick auf diese Einheit kommt der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine zweifellos eine eigene Rolle zu. 1245 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche dankt Maria und bittet sie, uns teilhaben zu lassen an ihrer Sorge für die Einheit: überlassen wir uns ihr in kindlichem Vertrauen, um ihr dort zu begegnen, wo Gott alles in allen sein wird. Euch, liebe Brüder und Schwestern, erteile ich meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 12. November, dem Gedächtnis des hl. Josaphat, des Jahres 1995, dem achtzehnten Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Kirche ist Ereignis und Ort der Begegnung im Geist und in der Wahrheit Predigt bei der Eucharistiefeier mit der niederländischen Gemeinde in Rom und der Altarweihe in der Kirche Santi Michele e Magno am 12. November 1. „Die wahren Beter (werden) den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit“ (.Joh 4,23). Die Worte aus dem Johannesevangelium, die wir heute in dem prächtigen Rahmen dieser Kirche gehört haben - in der früheren „Kirche der Friesen“, die von der niederländischen Gemeinde in Rom besucht wird -, bilden den Höhepunkt der herrlichen Theologie des Altars und des Tempels, die uns im heutigen Wortgottesdienst vorgelegt wird. Die erste Lesung, dem Buch Genesis entnommen, führt uns in gewisser Weise zum Verständnis der feierlichen Weiheliturgie, die wir begehen. Die zweite Lesung, der Apostelgeschichte entnommen, weist auf die Bedeutung hin, die der Tempel für die erste Christengeneration hatte. 2. Beginnen wir mit dem Buch Genesis. Jakob, Sohn Isaaks, Enkel Abrahams, sieht in einem Traum eine wunderbare Leiter, die auf der Erde steht, aber bis zum Himmel reicht. Der heilige Stammvater sieht die Engel Gottes auf der Leiter auf-und niedersteigen und hört im Traum die Worte, mit denen der Gott seiner Väter Abraham und Isaak den Bund erneuert und bekräftigt, den er mit dem Stammvater des auserwählten Volkes geschlossen hatte: „Durch dich und deine Nachkommen“ (Gen 28,14). Mit diesen Worten erneuert Gott das Geschenk des Landes, das Jakob und seinen Nachkommen verheißen war, und kündigt an, daß sie so zahlreich wie der Staub auf der Erde sein werden und daß durch sie alle Völker den Segen Gottes erlangen werden. 3. Der Morgen kommt, und Jakob erwacht aus seinem Traum; er ist sich des Geschehenen bewußt: „Wirklich, der Herr ist an diesem Ort, und ich wußte es nicht“ (Gen 28,16); Furcht überkommt ihn, und er sagt: „Wie ehrfuchtgebietend ist doch dieser Ort! Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels“ 1246 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (Gen 28,17). Zur Erinnerung an die empfangene Offenbarung stellt Jakob den Stein, den er in der Nacht unter seinen Kopf gelegt hatte, als Steinmal auf und gießt Öl darauf. Liebe Brüder und Schwestern, man kann sagen, daß er auf diese Weise einen Altarstein geweiht hat, wie heute der Bischof von Rom den Altar eurer Kirche weiht. Die Salbung weist auf die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes hin: In dieser liturgischen Handlung vollzieht sich der „wunderbare Austausch“ zwischen Himmel und Erde. Derselbe Austausch, der in Jakobs Traum von den Engeln Gottes dargestellt wird, die auf- und niedersteigen auf der Treppe, die zwischen Himmel und Erde steht. Admirabile commercium, „wunderbarer Austausch“: Austausch des Gebets, der Erwartung, der Verheißung und der Erfüllung. Diese Erfüllung ist Christus. Denn in ihm verwirklicht sich voll und ganz dieser „admirabile commercium“, der von der Antiphon des Stundengebets am ersten Tag des Jahres angekündigt wird: „O admirabile commercium, Creator generis humani, animatum corpus sumens, ex Virgine nasci dignatus est.“ Jakobs Traum ist prophetisch, denn er sieht dort die Erfüllung der Verheißung Gottes an Abraham; und Mittelpunkt dieser Verheißung ist Christus, Hoherpriester und Opfer. Durch ihn beten die wahren Anbeter Gottes den Vater an „im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4,23). Hat Jesus nicht von sich selbst als einem Tempel gesprochen? Hatte er nicht gesagt: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“? {Joh 2,19). So ist der gekreuzigte und auferstandene Christus die endgültige Erfüllung der Verheißung an Jakob. Er ist nicht nur Priester und Opfer; er ist zugleich Tempel und Altar. Mögen alle, die das heilige Opfer auf dem Altar dieser schönen Kirche feiern, ein tiefes Bewußtsein von der Gegenwart Christi haben. 4. Auch das Gespräch zwischen Christus und der samaritischen Frau, das im heutigen Evangelium beschrieben wird, weist uns hin auf dieses lebendige Glaubensbewußtsein. Nachdem die Frau aus Jesu Mund die Wahrheit über ihr eigenes Leben gehört hat, sagt sie: „Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist.“ Und sie fügt hinzu: „Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muß.“ Jesus gibt ihr zur Antwort: „Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet ... Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten“ {Joh 4,19-24). Diese an die Samariterin gerichteten Worte Jesu sind eine weitere Offenbarung in bezug auf die Theologie des Tempels. Das Geheimnis des Tempels und des Altars vollendet sich in Christus, jenseits des Gottesdienstes des Alten Bundes, weil Christus „Tempel des Geistes und der Wahrheit“ ist, der Tempel, den er selbst 1247 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch die Menschwerdung, das Ostergeheimnis und das Geschenk des Heiligen Geistes erbaut hat. In diesem Sinn ist sozusagen jeder Getaufte dieser Tempel. Der hl. Paulus ist sich dieser grundlegenden Wahrheit bewußt und schreibt deshalb: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16). In Christus ist nunmehr die ganze Erde Tempel geworden. Denn der Geist weht, wo er will, und läßt von der ganzen Schöpfung einen unaufhörlichen Lobpreis zu Gott, dem Schöpfer und Vater, aufsteigen. 5. Die ersten Christen hatten dieses Glaubensbewußtsein, wie aus dem heute verlesenen Text der Apostelgeschichte hervorgeht. Die erste apostolische Gemeinschaft blieb in der Nähe des prächtigen Jerusalemer Tempels, obwohl sie sich von ihm im Hinblick auf die Eucharistie trennte, denn der Tempel des Alten Bundes war kein geeigneter Ort mehr für die Feier eines so großen Geheimnisses. Die Jünger Christi begannen sich in ihren Häusern zu versammeln, und diese bildeten den Anfang der Gotteshäuser und christlichen Kirchen, die sich allmählich in der ganzen Welt verbreiteten als geeignete Orte der eucharistischen Versammlung. Auch dieses euer Gotteshaus ist aus der ursprünglichen Jerusalemer Tradition erwachsen. Die ältesten römischen Tempel erinnern an die Hauskirchen, wo sich die Gläubigen versammelten, um Eucharistie zu feiern und an der Lehre der Apostel festzuhalten. Heute gibt es überall solche Stätten. Neben herrlichen Basiliken, Kathedralen und Kollegiatskirchen entstehen weiterhin neue Stätten des Gebets. Die gemeinsame Benennung all dieser Orte ist die „Anbetung im Geist und in der Wahrheit“, deren Eckstein der gekreuzigte und auferstandene Christus ist. Bei meinem heutigen Besuch in der schönen und berühmten „Kirche der Friesen“, die eng verbunden ist mit der Vatikanischen Basilika und ihr gehört, wünsche ich eurer niederländischen Gemeinde, daß dieser restaurierte Altar für die kommenden Generationen der Niederländer hier in Rom ein bevorzugter Ort sein möge, wo man Gott im Geist und in der Wahrheit anbetet. 6. Und in diesem geistlichen Kontext freut es mich besonders, diese heilige Messe mit vielen Mitbrüdem im Bischofsamt feiern zu dürfen, die ich alle herzlich grüße. Besonders grüße ich die Kardinäle und Bischöfe niederländischer und flämischer Herkunft: Kardinal Willebrands und Kardinal Simonis, dem ich für die Grußworte danke, die er zu Beginn des Gottesdienstes an mich gerichtet hat, sowie Kardinal Schotte. Ebenfalls danke ich den Kardinälen Noe, Ruini und Cassidy für ihre Anwesenheit. Außerdem grüße ich den neuen Rektor des Päpstlichen Niederländischen Kollegs in Rom und die anwesenden Obrigkeiten, den Außenminister des Königreichs Niederlande, den Botschafter beim Hl. Stuhl, den Bürgermeister von Maastricht, der Stadt des hl. Servatius, den Bürgermeister von Den Haag und die anderen verehrten Persönlichkeiten aus den Niederlanden, die Mitglieder des Hilfskomitees 1248 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Freunde der Kirche der Friesen“ wie auch den Aufsichtsrat des Willibrord-Zentrums. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Bitten wir den Herrn, daß sich an diesem Ort das erfülle, was wir in dem Antwortpsalm verkündet haben: „Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Herrscharen! ... Wohl denen, die wohnen in deinem Haus, die dich allezeit loben ... Denn ein einziger Tag in den Vorhöfen deines Heiligtums ist besser als tausend andere“ (Ps 84,2.5.11). Denn du, Herr, schaust auf das Antlitz deines Gesalbten. Hier hörst du die Seele, die nach Gott verlangt, das Herz und das Leben, die im Glauben den lebendigen Gott anrufen (vgl. Ps 84,10.3). Eine Kirche ist immer gleichsam eine „geistliche Wohnung“, wo die jungen Generationen der Kinder Gottes geboren werden. Sie ist die Pforte des Hauses Gottes selbst, in dem der Mensch in alle Ewigkeit wohnen will. „Denn ein einziger Tag in den Vorhöfen deines Heiligtums ist besser als tausend andere“ (Ps 83,11). So sei es für alle, die in dieser Kirche und an diesem Altar im Gebet verweilen wollen! Amen. Freiheit und Wahrheit in Erziehung und Bildung Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für das Katholische Bildungswesen am 14. November 1. Gerne richte ich an euch alle meinen herzlichen Gruß und drücke euch meine Freude über eure Anwesenheit aus, die in einzigartiger Weise die Gemeinschaft deutlich macht, die den Apostolischen Stuhl mit der Kirche in den verschiedenen Kontinenten verbindet. Ich danke insbesondere Kardinal Pio Laghi, dem Präfekten der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, für die Worte, die er mit solcher Herzlichkeit an mich gerichtet hat. Dieses Treffen gibt mir die Gelegenheit, euch allen Mitgliedern und Beamten der Kongregation meine Wertschätzung und Dankbarkeit für eure oft schwierige und verborgene Arbeit zu bezeigen, mit der ihr die universale Sorge des Hl. Stuhls für die Förderung des katholischen Bildungswesens zum Ausdruck bringt. 2. Erziehung und Bildung sind gewiß ein vorrangiges Einsatzgebiet der Kirche an diesem Jahrtausend-Ende, das von schmerzhaften Wunden gezeichnet, aber auch für außerordentliche Möglichkeiten offen ist. Es ist eine Zeit der Gnade, in der der Elan der Evangelisierung große Chancen hat, in entchristlichte oder noch nicht christliche Bereiche vorzudringen. Grundlegende Voraussetzung für dieses Werk ist der Bildungseinsatz auf allen Ebenen, und insbesondere auf der Ebene der Seminare und der katholischen Schulen und Universitäten. Denn die Präsenz von gut ausgebildeten Priestern, Ordensleuten und Laien ist ein wesentliches Instrument für die Verkündigung, die Aufnahme und die Einwurzelung des Evangeliums. 1249 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Hinweis auf diese Priorität der Bildung ist eine Konstante, die in den letzten Jahren viele Male bei verschiedenen wichtigen Bischofsversammlungen immer wieder angeklungen ist. Bei der Synode 1990 zum Beispiel haben die Väter, auf die Weisungen von Optatam totius sowie der Ersten Generalversammlung der Bischofssynode von 1967 zurückgreifend, auf die Dringlichkeit einer „besonderen Vorbereitung für die Ausbilder (in den Seminarien)“ hingewiesen, „die wahrhaft technisch, pädagogisch, geistlich, menschlich und theologisch sein soll“ (Proposi-tio 29). In geeigneter Weise hat die Kongregation für das Katholische Bildungswesen dann dieses Erfordernis zu ihrem Anliegen gemacht und Richtlinien für die Vorbereitung der Erzieher in den Seminarien herausgegeben, um „eine mehr dynamische, aktive und für die Realitäten des Lebens offenere Pädagogik aufzubauen, die auch Entwicklungvorgänge der Person, die immer differenzierter und komplizierter werden, berücksichtigt“ (Nr. 10). In Santo Domingo wurde 1992 die zentrale Rolle des Bildungswesens im Prozeß der Neu-Evangelisierung bekräftigt. Ferner hat die jüngste Versammlung der Bischofssynode über das gottgeweihte Leben in der Überzeugung, daß die Bildungsarbeit ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Förderung und der Evangelisierung ist, die Ordensinstitute aufgefordert, den Einsatz in den Schulen nicht aufzugeben. Die Dreißig-Jahr-Feiern der Erklärung Gravissimum educationis und des Dekrets Optatam totius sind schließlich ein weiterer Aufruf zu entschlossenem Einsatz in der Bildung, der nicht ungehört verhallen soll. Damit ein solcher Einsatz fruchtbar sein kann, ist es jedoch vonnöten, daß die Erzieher sich ihrer Identität und Sendung bewußt sind und sich von Jesus schulen lassen. 3. „Ihr (werdet) die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32). Dieser Ausspruch Jesu, der uns vom Johannesevangelium überliefert wird, stellt einen entscheidenden Bezugspunkt dar, um einige Perspektiven des Geheimnisses der Erziehung zu skizzieren. In dem eben erwähnten Vers setzt Jesus die beiden Komponenten Wahrheit und Freiheit in Beziehung zueinander, die der Mensch oft schwer in Einklang zu bringen vermag. Während man in der Tat beobachten kann, daß in der Vergangenheit manchmal eine Form von Wahrheit weit entfernt von der Freiheit vorherrschte, ist heute häufig ein Gebrauch von Freiheit getrennt von der Wahrheit festzustellen. Ein Mensch ist hingegen nur dann frei, sagt Jesus, wenn er die Wahrheit über sich selbst erkennt. Das bringt natürlich einen langsam, geduldig und liebevoll zu gehenden Weg mit sich, auf dem es möglich ist, stufenweise das eigene wahre Sein, die eigene authentische Anschauung zu entdecken. Gerade auf diesem Weg tritt die Gestalt des Erziehers als derjenige in Erscheinung, der mit väterlichen und mütterlichen Zügen hilft, die Wahrheit über sich selbst zu erkennen. Er wirkt so mit beim Erwerb der Freiheit, „erhabenes Kennzeichen des Bildes Gottes im Menschen“ (Gaudium et spes, Nr. 17). In dieser Perspektive ist es einerseits Aufgabe des Erziehers, Zeugnis zu geben, daß die Wahr- 1250 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit über einen selbst sich nicht auf eine Projektion eigener Ideen und Bilder reduziert, anderseits, den Schüler in die großartige und stets überraschende Entdek-kung der Wahrheit einzuführen, die ihm vorausgeht und über die er keine Macht hat. Die Wahrheit über uns ist aber eng verbunden mit der Liebe zu uns. Nur der uns Liebende besitzt und bewahrt das Geheimnis unseres wahren Bildes, auch wenn es unseren Händen entglitten ist. Nur der Liebende erzieht, denn nur wer liebt, versteht die Wahrheit zu sagen, die Liebe ist. Gott ist der wahre Erzieher, denn „Gott ist die Liebe“. Das ist also der Kern, die brennende Mitte jeder Erziehungstätigkeit: mitzuwirken bei der Entdeckung des wahren Bildes, das die Liebe Gottes in jedem Menschen unauslöschlich geprägt hat und das im Geheimnis seiner Liebe selbst bewahrt wird. Erziehen bedeutet, in jedem Menschen die Wahrheit, welche Jesus ist, zu erkennen, und diese Wahrheit über jeden Menschen auszusprechen, damit jeder Mensch frei werden kann: frei von den Versklavungen, die ihm auferlegt wurden, frei von den - noch engeren und schlimmeren - Versklavungen, die er sich selbst auferlegt. Das Geheimnis der Erziehung erscheint so eng verbunden mit dem Geheimnis der Berufung, mit dem Geheimnis also jenes „Namens“, mit dem der Vater uns gerufen und in Christus noch vor der Erschaffung der Welt vorherbestimmt hat. 4. Es gefällt mir, im Licht dieser Lehre Jesu die ganze Arbeit eures Dikasteriums und das Programm dieser Tage eurer Vollversammlung zu sehen. Das Hauptthema, das ihr auf die Tagesordnung gesetzt habt, war das Studium eines ersten Entwurfs zu einer Ratio jundamentalis institutionis diaconalis, die fast dreißig Jahre seit der Wiedereinführung des ständigen Diakonats sich als wertvolles Werkzeug darbietet, um die von den Bischofskonferenzen und den Diözesen entworfenen Bildungsprogramme in Achtung vor den rechtmäßig bestehenden Unterschieden zu harmonisieren. 5. Außer mit der Anfangsausbildung der ständigen Diakone hat die Vollversammlung sich mit den Haupt-Tätigkeiten und den allgemeinen Richtlinien der vier Büros der Kongregation befaßt. Aus den Informationsberichten geht der Reichtum und die Komplexität der Probleme hervor, denen euch zu widmen ihr gerufen seid. Das ,3üro für die Seminare“ hat der von den Vätern der 1990 abgehaltenen Synode angeregten und von mir in Pastores dabo vobis (vgl. Nr. 62) wiederholten Einladung, alle Informationen über die zur „propädeutischen Phase“ gemachten Erfahrungen zu sammeln, Folge geleistet. Mir scheint, daß die Zeit nunmehr reif ist, die bisher gesammelten Daten den Bischofskonferenzen mitzuteilen. Ich habe mit Befriedigung den großen Einsatz bei der Fortführung der Apostolischen Visitation der Seminare gemeinen Rechts sowie die scharfblickende Sensibilität gesehen, Orientierung für die Lösung einiger bedeutender Probleme zu bieten: nämlich 1251 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Schaffung von Instituten für die Ausbildung der Ausbilder, dem sorgsamen Umgang mit psychologischen Tests bei der Klärung von Berufungen, der Überprüfung des Bildungsangebotes der „Rcdemptori Mater“-Seminare, der Abstimmung von notwendiger Einheit und möglicher Verschiedenheit der Institutionen für die Priesterausbildung. 6. Das ,3üro für die Universitäten“, welches in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat für die Laien und dem Päpstlichen Rat für die Kultur das Dokument Präsenz der Kirche in der Universität und in der Universitätskultur herausgegeben hatte, plant nun eine „Erläuterung“ zur Lehre der Theologie an den katholischen Universitäten. Mir scheint wirklich wichtig, daß man an allen katholischen Universitäten die Lehre der Theologie fördert. Das wird zur Suche einer Synthese des Wissens beitragen, den Dialog zwischen Glauben und Vernunft nähren und bei den Vertretern der verschiedenen Disziplinen eine Reflexion anregen, die es möglich macht, die theologischen, anthropologischen und ästhetischen Implikationen der eigenen Erkenntnismethoden und Errungenschaften zu erfassen (vgl. Ex corde Ecclesiae, Nr. 19). Ich wünsche mir ferner, daß man daran geht, die statutarische Situation der Universitäten und kirchlichen Fakultäten zu vervollständigen und seitens der Bischofskonferenzen die „Normen“ in Anwendung der Apostolischen Konstitution Ex corde Ecclesiae zu verfassen. Lebhafte Ermutigung verdient schließlich der Einsatz der Kongregation zur Förderung der Universitätspastoral, die ohne Zweifel ein immenses Aufgabengebiet innerhalb der kirchlichen Sendung darstellt. Das „Büro für die Schulen“ leitet in diesen fahren tiefgreifenden kulturellen Wandels wirksam die Erziehungsarbeit der katholischen Schulen sowie die religiöse Ausbildung der Jugendlichen an den öffentlichen Schulen. Es unterstützt außerdem die katholischen Erzieher, die berufen sind, sich neuen, durch die Schwächung der erzieherischen Kraft von Familie und Gesellschaft entstandenen Herausforderungen zu stellen. Ich bin sicher, daß alle, vom Charisma der großen heiligen Erzieher angetrieben, mit Sensibilität und Weitblick auf die Erwartungen der neuen Generation zu antworten wissen werden. 7. Das „Päpstliche Werk für die Berufungen“ ist mit der Vorbereitung des „Zweiten Kontinentalen Kongresses über Berufungen spezieller Weihe für Europa“ beschäftigt, der 1997 in Rom stattfinden wird. Diese Initiative hat in den verschiedenen Ländern des Kontinentes bereits eine intensive Arbeit der Prüfung und Sensibilisierung der Berufungspastoral in Gang gebracht. Ich habe die lebhafte Hoffnung, daß dieser erneuerte Einsatz ein reichliches Maß an neuen Berufungen für ein neues Europa bringen wird. Ich empfehle, daß man bei jeder Aktion dafür sorge, großen Raum dem Gebet zu geben, welches das wichtigste Mittel bleibt, um Berufungen zu erhalten und sie zu begleiten. 1252 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schließlich sammelt die bei eurer Kongregation eingesetzte „Interdikasteriale ständige Kommission für eine gleichmäßigere Verteilung der Priester in der Welt“ Daten aus allen Diözesen und Ordensgemeinschaften, um den Gabenaustausch unter Schwesterkirchen wirksam werden zu lassen. Ich wünsche mir, daß jede Kirche geben kann von dem, was sie hat - auch von ihrer Armut. 8. Zum Abschluß dieses Treffens möchte ich euch allen neuerlich meinen Dank aussprechen. Eure Arbeit stellt ein wertvolles Mitwirken am Dienst des Vorsitzes in der Liebe dar, der dem Nachfolger Petri eigen ist. Ihr sollt wissen, daß ich sehr auf eure Hilfe vertraue und euch ständig mit dem Gebet begleite. Gerne erteile ich nun euch - und durch euch allen Seminaren und Studieneinrichtungen - meinen Segen. Theologischer Dialog und praktische Zusammenarbeit in der Ökumene Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen am 17. November Herr Kardinal, liebe Freunde! 1. Ich freue mich, euch am Ende der Vollversammlung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, an der ihr teilgenommen habt, zu empfangen. Ich möchte euch sagen, wie sehr ich mit euch verbunden bin, denn durch eure Arbeit in diesem Rat habt ihr den Willen bekundet, dem Wort des Herrn treu zu bleiben und gemeinsam dafür zu arbeiten, daß sein Gebet Erfüllung finde: „Alle sollen eins sein, damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Von ganzem Herzen danke ich Kardinal Edward Idris Cassidy, eurem Präsidenten, für die soeben an mich gerichteten Worte und für die Informationen, die mir über die in dieser Woche von euch geleistete Arbeit gegeben wurden. 2. Eure Versammlung findet statt nach der Veröffentlichung einer Reihe von wichtigen Dokumenten über den Ökumenismus und seine Implikationen sowohl innerhalb der katholischen Kirche als auch in unseren Beziehungen zu unseren Brüdern und Schwestern der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, deren christliches Engagement wir sehr schätzen. Mit ihnen allen wollen wir immer mehr Kontakte pflegen, um zusammen dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 entgegenzugehen. Das Direktorium zur Anwendung der Grundsätze und Normen über den Ökumenismus, das 1993 mit meiner Approbation vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen veröffentlicht wurde, ist für alle Katholiken eine zuverlässige, informative Wegweisung. 1253 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sie ermöglicht es, unseren Weg zur Einheit in Übereinstimmung zu beschreiten auf Bahnen, die wirklich zu diesem Ziel führen können. Ich habe meinerseits dreißig Jahre nach dem Konzilsdekret Unitatis redintegratio diese Orientierung durch die Veröffenthchung der Enzyklika Ut unum sint verstärken und vertiefen wollen, um so die Gültigkeit der Prinzipien, die das Konzil für den ökumenischen Einsatz der katholischen Kirche aufgestellt hat, erneut zu bestätigen. Das war auch eine Gelegenheit, positive Früchte aufzuzeigen, die die Anwendung dieser Grundsätze in unseren Beziehungen zu den anderen Christen erbracht hat, und dafür zu danken, und darüber hinaus erneut die Entschlossenheit der katholischen Kirche zum Ausdruck zu bringen, auf diesem Weg bis zum ersehnten Ziel weiterzugehen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß das Bemühen um Erneuerung der Kirche und das ökumenische Bemühen untrennbar miteinander verbunden sind. Die Erneuerung hat uns in der Tat in anderer Weise auf unsere christlichen Brüder und ihre Gemeinschaften blicken lassen. Im übrigen können wir durch den ökumenischen Einsatz unsere Erneuerung in Treue weiterführen und dabei auch die Erwartung unserer Brüder bedenken. Ich wollte und will aufs neue zu diesem gewaltigen Unternehmen ermutigen und unaufhörlich die vertrauensvolle Hoffnung neu beleben, die sich auf das Wort des Herrn gründet. Und wir wissen, daß diese Hoffnung nicht enttäuschen kann (vgl. Rom 5,5). 3. Ihr habt eure Arbeit auf die soeben erwähnten Dokumente konzentriert in der durch das Apostolische Schreiben Tertio millennio adveniente über die Vorbereitung auf das Große Jubiläum unterstrichenen Perspektive. Diese verschiedenen Texte bilden ein zusammenhängendes Ganzes, das geeignet ist, das Streben nach der vollen Einheit unter den Christen zu fördern. Darum habt ihr untersucht, wie das Direktorium zur Anwendung der Grundsätze und Normen über den Ökumenismus in den verschiedenen Ortskirchen aufgenommen wurde, denn die aktive Aufnahme der ökumenischen Orientierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ist mehr denn je notwendig. Die Anwendung des Direktoriums soll zur Aufnahme dieser Orientierungen in der ganzen katholischen Kirche führen, vor allem in den Gebieten, in denen die politische und soziale Lage oder auch religiöse Spannungen bisher keine Möglichkeit dazu geboten haben. 4. Ihr habt euch vor allem über die Frage der ökumenischen Ausbildung an den Seminaren und theologischen Fakultäten informieren wollen, die eines der Hauptanliegen des Direktoriums ist. Ihr wolltet das auf konkrete und moderne Weise tun auf der Grundlage dessen, was die Erziehungswissenschaften fordern - nicht beschränkt auf einen einfachen Informationskurs über die ökumenische Bewegung. Ich hoffe, daß die praktischen Richtlinien, die ihr genannt habt, es gestatten, die ökumenische Dimension in den Unterricht der verschiedenen Disziplinen einzubauen durch die Anwendung der interdisziplinären Methode und durch interkonfessionelle Zusammenarbeit, wie sie das ökumenische Direktorium vorsieht. Die- 1254 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ser Ausbildung kommt eine wesentliche Rolle zu für die Entwicklung des ökumenischen Bestrebens, für seine Förderung in den Bildungsstätten und in der Pasto-ral. So wird die Arbeit korrekt ausgerichtet, wird ganz konstruktiv, und man vermeidet unüberlegte und vereinfachende Aktionen. 5. Bei der vertieften Bearbeitung der Fragen habt ihr zu Recht die Rolle der ökumenischen Kommissionen der Bischofskonferenzen und der Synoden der katholischen Orientalischen Kirchen hervorgehoben. Auch ich hatte an die Bedeutung dieser lokalen Strukturen erinnert: „Solche Initiativen beweisen das konkrete und allgemeine Engagement der katholischen Kirche bei der Anwendung der vom Konzil erarbeiteten Richtlinien über den Ökumenismus: das ist ein wesentlicher Aspekt der ökumenischen Bewegung“ (Ut unum sint, Nr. 31; vgl. CIC, Can. 755; CCEO, Can. 902-904). Das Direktorium gibt die Funktionen dieser Kommissionen an (Nm. 41-52), deren besonderer Zweck es ist, örtlich die auf der gemeinsamen Taufe beruhenden Beziehungen zu den anderen Christen zu fördern. An diesem Ziel festzuhalten ist eine unerläßliche Bedingung zu echtem ökumenischem Handeln, das sich nicht auf allgemeinere Formen mehr oder weniger oberflächlicher Kontakte beschränken darf. Diese örtlichen Kommissionen tragen auf entscheidende Weise dazu bei, im Hinblick auf die volle Einheit reifer zu werden. Es ist also notwendig, die Aufmerksamkeit der Diözesanbischöfe und der Bischofskonferenzen auf den Dienst zu lenken, den diese Kommissionen der Suche nach der Einheit erwiesen haben und den sie in den neuen Situationen, die sie antreffen, weiterhin erweisen müssen, besonders in manchen Umfeldern, in denen eine wirklich dringende Notwendigkeit besteht. 6. Diese Studienwoche gestattet euch, mit klarem Blick die besondere Frage nach dem Zustand unserer Beziehungen zu den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften anzugehen. Die Gesamtübersicht und die darüber angestellte Analyse werden gewiß den Dialogkommissionen neuen Schwung geben, damit alle weiterhin auf das letzte Ziel, die volle sichtbare Einheit, zugehen; damit aber auch diejenigen, die sich auf diesen Weg begeben haben, sich zu weiterem Bemühen gedrängt fühlen, wenn sie die schon erbrachten Früchte feststellen: Die erreichten Übereinstimmungen sind ein wirkliches Geschenk Gottes, für das wir ihn preisen müssen. In der Enzyklika Ut unum sint habe ich auch hervorgehoben, daß im Dialog mit den orthodoxen Kirchen „die gemischte Kommission wesentliche Fortschritte machen konnte“ (vgl. Nr. 59). Was die Altorientalischen Kirchen und die christologischen Kontroversen angeht, die das erste Jahrtausend gekennzeichnet haben, so habe ich mit Freude festgestellt und dem Herrn dafür gedankt, daß „die ökumenischen Kontakte grundlegende Klärungen ermöglicht haben, so daß wir miteinander jenen Glauben bekennen können, der uns gemeinsam ist“ (vgl. Nr. 63). Mit den Kirchen und christlichen Gemeinschaften des Westens hat der theologische Dialog fortschreitend die Themen aufgegriffen, die das Zweite Vatikanische 1255 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konzil zur Sprache gebracht hat: „Der Dialog war und ist fruchtbar und verheißungsvoll ... Es wurden unverhoffte Aussichten auf eine Lösung entworfen, und zugleich hat man begriffen, wie notwendig die tiefere Ergründung mancher Themen wäre“ (Nr. 69). In ständig vertieftem Bemühen wird man also zu einer wirklichen Übereinstimmung hinsichtlich der Glaubensfragen kommen. Je echter diese Übereinstimmung sein wird, um so mehr werden wir erkennen können, daß hinsichtlich mancher Punkte Einheit im Glauben besteht und die Unterschiede auf Ausdrücke zurückzuführen sind, die sich in Abhängigkeit von geistlichen und intellektuellen Traditionen zu einer Zeit entwickelt haben, in der wir noch nicht die in unseren Tagen angeknüpften Dialogbeziehungen kannten. 7. Die ökumenischen Beziehungen beschränken sich andererseits nicht auf theologischen Dialog, sondern bringen auch Kontakte und Zusammenarbeit mit sich, die nicht nur gegenseitiges Kennenlemen vermitteln, sondern uns den Wert der Überzeugungen unserer anderen christlichen Brüder und Schwestern entdecken lassen: eine Gelegenheit zur Bereicherung und zum Fortschritt auf diese wahre Einheit hin, die die berechtigten Verschiedenheiten respektieren soll und nichts über das Notwendige hinaus fordern darf (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 18). Seit 1965 ist eine Gemischte Arbeitsgruppe mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen aktiv am Werk. Sie organisiert die Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten, wo wir zur gemeinsamen Verwirklichung von Dingen aufgefordert sind, bei denen der Glaube uns nicht verpflichtet, sie getrennt zu tun. Die erreichten Ergebnisse bestärken unseren Willen, die Bemühungen im festen Vertrauen auf Gott fortzusetzen, der seine Kinder zur Verwirklichung seines Planes in der Geschichte der Menschen auf geheimnisvollen und manchmal schwierigen und harten Wegen führt, auf die der Schatten des Kreuzes fällt, welcher den Anbruch des Tages der Auferstehung ankündigt. 8. Die Auswertung der ökumenischen Situation und der Einsatz für die Forderung einer besser entwickelten ökumenischen Ausbildung an den Seminaren und theologischen Fakultäten wird ein wichtiger Beitrag zu den ökumenischen Aspekten der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 sein. Wir wünschen brennend, daß wir an jenem Tag der Einheit näher sein mögen und daß die Vertreter aller Christen gemeinsam eine große Doxologie an den Herrn richten, der uns durch seine Menschwerdung die Erlösung gebracht hat. Ihm, der „derselbe ist, gestern, heute und immer“, sei die Ehre in Ewigkeit! Euch allen erteile ich meinen Apostolischen Segen. 1256 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nicht nur Lehrmeister, sondern auch Zeugen sind gefragt Ansprache an die Teilnehmer eines Schulungskurses über natürliche Regelung der menschlichen Fruchtbarkeit am 18. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gern nehme ich die Gelegenheit wahr, auch in diesem Jahr einen herzlichen Gruß an euch zu richten, die ihr an dem Ausbildungskurs teilnehmt, den das „Studien- und Forschungszentrum für natürliche Regelung der Fruchtbarkeit“ der Katholischen Herz Jesu-Universität veranstaltet. Ich gratuliere dem Team des Zentrums zu dem guten Erfolg der Initiative, die sicherlich Früchte zum Nutzen der Familien und der kirchlichen Gemeinschaft tragen wird. Das Thema eurer Arbeiten bringt euch in enge Berührung mit dem Geheimnis des Lebens und dessen Weitergabe. Ihr wollt diesem Thema vertiefte Überlegungen in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche widmen. Vom Licht des Glaubens geleitet, tretet ihr an den Ursprung des Lebens in dem Bewußtsein heran, daß „das menschliche Leben heilig [ist], weil es von seinem Beginn an ,der Schöpfermacht Gottes“ bedarf und für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer bleibt, seinem einzigen Ziel“ (Instruktion Donum vitae, Einführung, 5). Das schließt immer eine unverzichtbare moralische Dimension nicht nur für die Eltern ein, die einem neuen Geschöpf das Geschenk des Lebens geben, sondern auch für diejenigen, die an das Geheimnis der Weitergabe des Lebens von dem Wunsch bewegt herantreten, wissenschaftliche Kenntnisse über die Regelung der menschlichen Fruchtbarkeit zu erwerben und weiterzugeben. 2. In dem Augenblick, in welchem Mann und Frau, „zu einem Fleisch“ werdend, ein neues menschliches Wesen ins Leben rufen, bringen sie den Reichtum ihrer gegenseitigen persönlichen Beziehung zum Ausdruck und werden Mitarbeiter der Liebe und der Zärtlichkeit des Schöpfergottes. Das sind zwei Dimensionen, die nicht künstlich getrennt werden dürfen, ohne die Wahrheit zu verletzen, die dem ehelichen Akt wesentlich eigen ist (vgl. Brief an die Familien, Nr. 12). Die Lehre der Kirche über dieses Thema war immer konsequent - auch um den Preis, sich damit wiederkehrenden, verhärteten Meinungen anderer Ausrichtung entgegenzustellen. Weit entfernt davon, die Freiheit von Mann und Frau hinsichtlich der Sexualität in Frage zu stellen, verfolgt die Kirche das Ziel, die Dimensionen ehelicher Liebe in ihrem ganzen Reichtum zu erhalten und zu fördern. Denn in der von den objektiven Werten der Moral geleiteten und von der göttlichen Gnade unterstützten Freiheit kann die menschliche Liebe die volle Wahrheit über die Personen der Ehegatten ausdrücken. 3. Den Plan Gottes aufmerksam beachtend, wird die Kirche nicht müde zu betonen: „Während die geschlechtliche Vereinigung ihrer ganzen Natur nach ein vorbehaltloses gegenseitiges Sichschenken der Gatten zum Ausdruck bringt, wird sie 1257 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch die Empfängnisverhütung zu einer objektiv widersprüchlichen Gebärde, zu einem Sich-nicht-ganz-Schenken“ (Familiaris consortio, Nr. 32). So also erweist die Erforschung der natürlichen Zyklen der weiblichen Fruchtbarkeit zusammen mit der Erziehung zu den geistlichen und psychologischen Dimensionen der Selbstbeherrschung, ihren Wert als echter Dienst an christlichen Ehegatten, denn sie gestattet ihnen, Vaterschaft und Mutterschaft in verantwortlicher Weise und in voller Übereinstimmung mit ihrem Menschsein auszuüben. 4. Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche euch, daß der Schulungskurs, an dem ihr teilnehmt, für euch eine Gelegenheit sein möge, zu begreifen, daß heute nicht nur an Lehrmeistern ein Bedarf besteht, sondern vor allem an erleuchteten und weisen Zeugen. Ich vertraue eure Mühen und euren Einsatz dem Schutz der Heiligen Familie von Nazaret an und erteile euch von Herzen meinen Segen, der auch euren Lieben gelten soll sowie den Familien, mit denen ihr in Kontakt kommt. Ethische Grundlagen vor Forschungsprojekten der Wissenschaft überprüfen Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben am 20. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine große Freude mit euch, den ehrenwerten Mitgliedern der Päpstlichen Akademie für das Leben, zusammenzutreffen. Während dieser zweiten Generalversammlung eurer Akademie habt ihr euch mit einer ersten Vertiefung der Enzyklika Evangelium vitae befaßt, um ihr Inspiration und Unterstützung für euren Einsatz und konkrete Hinweise für eure zukünftige Arbeit zu entnehmen. Herzlichst grüße ich den Präsidenten der Akademie, Professor Juan de Dios Vial Correa, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Ferner wende ich mich mit einem ganz besonderen Gruß an den Vizepräsidenten, Msgr. Elio Sgreccia, und spreche ihm meine herzliche Anerkennung für seine hingebungsvolle Arbeit im Dienst der Akademie aus. Schließlich heiße ich jeden einzelnen von euch mit Freude willkommen, die ihr eure kompetente Mitarbeit für die wichtige Aufgabe der Verteidigung und Förderung des menschlichen Lebens in all seinen Phasen zur Verfügung stellt. 2. In Evangelium vitae wird die bedeutende wissenschaftliche, kulturelle und kirchliche Rolle eurer Akademie ausdrücklich hervorgehoben, die mit der Aufgabe betraut ist, „zu studieren, zu informieren und zu bilden über die Hauptprobleme der Biomedizin und des Rechts, die im Zusammenhang mit der Förderung und der Verteidigung des Lebens stehen, vor allem in der direkten Beziehung, die sie mit 1258 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der christlichen Moral und den Anweisungen des Lehramtes der Kirche haben“ (Nr. 98). Zu diesem Zweck habe ich angeordnet, daß sie mit dem Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst in enger Verbindung bleiben und mit den unmittelbar im Dienst des Lebens stehenden Dikasterien der römischen Kurie Zusammenarbeiten soll, insbesondere mit der Kongregation für die Glaubenslehre, dem Päpstlichen Rat für die Familie und der Kongregation für das Katholische Bildungswesen (vgl. Motu proprio Vitae mysterium, Nr. 4; Statut, Art. 1). In dieser autonomen Stellung innerhalb der kirchlichen Institutionen ist es Aufgabe der Päpstlichen Akademie, ein Anhaltspunkt vor allem für katholische Intellektuelle zu werden, um sie anzuregen, „aktiv präsent zu sein an den bevorzugten Stätten des kulturellen Schaffens, in der Welt der Schule und der Universität, in den Kreisen der wissenschaftlichen und technischen Forschung, an den Orten des künstlerischen Schaffens und der humanistischen Reflexion“ (Evangelium vitae, Nr. 98). Auf diese Weise wird es möglich sein, einen umfassenden Dialog der Gegenüberstellung und der Einbringung von Vorschlägen einzuleiten, der all diejenigen aktiv einbezieht, die für die Verteidigung und die Förderung des menschlichen Lebens eintreten, auch unter den gläubigen Anhängern anderer Konfessionen oder Reügionen und jene, die, auch ohne eine bestimmte Religionszugehörigkeit, den Werten des Lebens aufrichtige Beachtung schenken. 3. In diesem Moment macht die Akademie mit ihrer in Arbeitsgruppen aufgeteilten inneren Organisation die ersten Schritte. Nach der Ernennung der im Statut vorgesehenen Anzahl ordentlicher Mitglieder und nach dem Beitritt korrespondierender Mitglieder und qualifizierter wissenschaftlicher und ethischer Forschungszentren aus allen Teilen der Welt werden notwendigerweise ein intensives Studienprogramm und Pläne für Kontakte und Publikationen zur Veröffentlichung der erzielten Resultate entwickelt werden müssen. Liebe Brüder und Schwestern, es erwartet euch demnach ein breites und interessantes Arbeitsfeld. Eurer Akademie, deren Gründung unter anderem auf Anregung ihres ersten Präsidenten, Prof. Jerome Lejeune, erfolgte, ein Mann von großen wissenschaftlichen Verdiensten und einem klaren christlichen Zeugnis, dessen Verlust wir alle sehr bedauern, fällt nun in einem ganz besonders wichtigen Augenblick die Aufgabe zu, an der Orientierung der biomedizinischen Forschung und der Ausarbeitung einer sozialen Gesetzgebung mitzuwirken. Die biomedizinischen Wissenschaften erleben z. Z. eine wahrhaft schnelle und wunderbare Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf die neuen Errungenschaften auf dem Gebiet der Genetik, der Fortpflanzungsphysiologie und der neurologischen Wissenschaften. Weil aber die wissenschaftliche Forschung auf die Achtung der Würde der Person und die Unterstützung des menschlichen Lebens ausgerichtet sein soll, ist ihre auf den Gesetzen der jeweiligen Disziplin begründete wissenschaftliche Gültigkeit nicht ausreichend. Sie muß sich auch aus ethischer Sicht positiv bewähren, was voraussetzt, daß sich ihre Bemühungen von An- 1259 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fang an auf das wirkliche Wohl des Menschen, als Einzelperson und als Personengemeinschaft, konzentrieren müssen. 4. Das ist der Fall, wenn man durch echte Vorbeugungsmaßnahmen versucht, die Ursache von Krankheiten auszuschalten; oder wenn man nach stets wirksameren Behandlungsmöglichkeiten zur Heilung schwerer Krankheiten sucht, die noch immer in der Lage sind, ein Menschenleben auszulöschen oder die Gesundheit der Bevölkerung schweren Schaden zuzufügen; oder wenn Methoden und Mittel für die Rehabilitation von genesenden Patienten entwickelt werden. Die wissenschaftliche Forschung auf dem biologischen Sektor kann auch zur Auffindung neuer nützlicher Ressourcen beitragen, um die Unproduktivität in vielen Teilen der Erde zu beenden oder zu mindern und auf wirksame Weise am Kampf gegen Hunger und Armut teilzunehmen. Die positive ethische Qualifikation einer Forschungsinitiative muß sich auch in der beim Erproben angezeigten sittlichen Gewährleistung ausdrücken, was sowohl die Risikofaktoren als auch die notwendige Einwilligung der beteiligten Personen betrifft. Ferner muß sie sich auf die Anwendung der Erkenntnisse und Resultate erstrecken. Diese Integration der wissenschaftlichen Forschung und der ethischen Anforderungen im biomedizinischen Bereich ist eine dringende Notwendigkeit unserer heutigen Zeit. Wenn wir bedenken, daß diese Forschung heute grundlegende und innerste Strukturen des Lebens erreicht, wie die Erbanlagen, und wesentliche und entscheidende Augenblicke im Leben eines menschlichen Wesens, wie den Zeitpunkt der Empfängnis und des Todes, und nicht zuletzt auch Vererbungsmechanismen und Gehimfunktionen, dann wird uns bewußt, wie dringlich es ist, den auf diesem Gebiet Tätigen das Licht der vernunftgemäßen Sittenlehre und der christlichen Offenbarung zu bringen. Wir können nicht die Gefahr ignorieren, daß die Wissenschaft der Versuchung de-miurgischer Macht, wirtschaftlicher Interessen und utilitaristischer Ideologien anheimfallen kann. In jedem Fall sollte daher die ethische Unterstützung unter Berücksichtigung des autonomen epistemologischen Statuts jeder wissenschaftlichen Disziplin angeboten werden. 5. In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes wird die Achtung der Kirche für die Eigengesetzlichkeit der Humanwissenschaften in ihren jeweiligen spezifischen Bereichen ausdrücklich betont (vgl. Nr. 59). Das ändert jedoch nichts daran, sondern verlangt vielmehr, daß bei der Analyse der Probleme und der Suche nach Lösungen das zu fördernde und zu schützende Wohlergehen des Menschen berücksichtigt und in eine alle Dimensionen der menschlichen Person einschließende Anthropologie eingebunden wird, die der Bestimmung der Gesellschaft und der Menschheitsgeschichte einen Sinn gibt. Auch in bezug auf den sittlichen Pluralismus, der den universalen Charakter der grundlegenden ethischen Werte bedroht, ist eine die menschlichen Werte achtende und für die Transzendenz offene Anthropologie offensichtlich und dringend not- 1260 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenig. Tatsächlich sind nicht alle ethischen Sichtweisen mit der ganzheitlichen Auffassung vom Menschen und der christlichen Sicht über den Wert des Lebens und der menschlichen Person zu vereinbaren, wie ich in der Enzyklika Veritatis splendor hervorgehoben habe (vgl. Nm. 74-75). Im Licht dieser Erwägungen versteht man, welch große Bedeutung die Aufgabe der Akademie für das Leben hat, die beauftragt ist, die Begegnung und die Zusammenarbeit zwischen den biomedizinischen Wissenschaften und den ethischphilosophischen und theologischen Disziplinen im Hinblick auf einen besseren Dienst an dem heute so stark bedrohten menschlichen Leben zu fördern. Die harmonische Verschmelzung der Sichtweise und der Ergebnisse der positiven Wissenschaften mit den sittlichen Werten und den Horizonten der philosophischen und theologischen Anthropologie ist auf der Schwelle des neuen Jahrtausends von vorrangiger Dringlichkeit. 6. Die gleiche entscheidende Bedeutung muß dem anderen zu den Zielsetzungen der Akademie gehörenden Problemkreis beigemessen werden, nämlich dem rechtlichen. In der Welt sind Gesetze verabschiedet worden, die in gewissen Punkten im Gegensatz zu den grundlegenden Bedürfnissen und Werten des Menschen stehen. Ich denke da vor allem an die gesetzliche Legitimation der Abtreibung und der Euthanasie. In der Enzyklika Evangelium vitae habe ich erneut darauf hingewiesen, daß solche Gesetze ungerecht sind, dem Wohl des Menschen und der Gesellschaft schaden und sogar den eigentlichen Charakter von Gesetz und Demokratie in Frage stellen (vgl. Nr. 11 und Nm. 68-72). Voraussichtlich sind in nächster Zukunft neue gesetzliche Bestimmungen über das Eingreifen des Menschen in das Leben selbst, den Körper und die Umwelt zu erwarten. Wir erleben somit die Entstehung eines Biorechts und einer Biopolitik. Es ist überaus wichtig, sich dafür einzusetzen, daß diese Entwicklung unter Berücksichtigung der Natur des Menschen vollzogen wird, deren Anforderangen das Naturgesetz zum Ausdruck bringt. Daher bitte ich euch um eure intensive Mitarbeit, damit bald der Zeitpunkt komme, an dem die positiven Wissenschaften und die Human- und Rechtswissenschaften einander begegnen werden, um die Zukunft der Menschheit zu gewährleisten. 7. Von den Gläubigen, die sich mit philosophischjuristischen Überlegungen auseinandersetzen, und von denen, die gesetzgebende Funktionen haben, wird eine wirklich ernsthafte Vorbereitung in ihrem Fachbereich verlangt. Die Akademie für das Leben, die sich mit den „dringlichen Gesetzgebungen in den verschiedenen Ländern, der Orientierung der Gesundheitspolitik und den wesentlichen Geistesströmungen, die auf die heutige Kultur des Lebens Einfluß nehmen“ (vgl. Statut, Art. 2/b), eingehend befassen muß, wird, auch dank einer präziseren Definition der 1261 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Arbeitsmethoden und instrumente, in dieser Richtung einen wertvollen Beitrag leisten können. Der Animator und erste Präsident der Akademie, Professor Lejeune, hatte große Hoffnungen in eure Arbeit gesetzt und ist Zeit seines Lebens für die Förderung der harmonischen Einheit zwischen Wissenschaft und Glauben zugunsten der Menschheit, insbesondere der Kranken, eingetreten. Während ich meine Anerkennung für die in dieser ersten Arbeitsphase der Akademie erzielten Ergebnisse zum Ausdruck bringe, möchte ich euch in besonderer Weise die Enzyklika Evangelium vitae ans Herz legen. Vertieft ihre besonderen Aspekte und ihre grundlegende Botschaft, verbreitet sie innerhalb und außerhalb der Kirche, werdet durch euren wissenschaftlichen Einsatz zu Zeugen der in ihr enthaltenen Werte. Mit diesen Wünschen erteile ich jedem von euch und euren Mitarbeitern von Herzen meinen Apostolischen Segen und bitte den Herrn des Lebens für euch alle und eure Arbeit um seine ständige Hilfe. Der Glaube der Kirche und die Autorität des Lehramtes Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre am 24. November Eminenzen, verehrte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt! 1. Vor allem möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, euch hier zum Abschluß eurer Vollversammlung begegnen zu können. Es ist dies ein willkommener Anlaß, um euch meine Erkenntlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Eure in vieler Flinsicht schwierige und anspruchsvolle Arbeit ist für das christliche Leben von fundamentaler Bedeutung, ist sie doch in der Tat darauf ausgerichtet, die Unversehrtheit und Reinheit des Glaubens zu fördern und zu schützen. Dies sind wesentliche Bedingungen dafür, daß die Männer und Frauen unserer Zeit das Licht finden können, um den Weg des Heils zu gehen. Ich danke Joseph Kardinal Ratzinger für seine liebenswerten Worte, die er in seiner Ansprache an mich richtete, und für die Vorstellung dessen, was im Laufe der Vollversammlung, die in besonderer Weise dem Problem der Aufnahmebereitschaft für die lehramtlichen Äußerungen der Kirche gewidmet war, erarbeitet wurde. 2. Der stete Dialog mit den Hirten und Theologen der ganzen Welt läßt euch aufmerksam sein gegenüber den Forderungen nach Verständnis und Vertiefung der Glaubenslehre. Die Theologie dient zu deren Auslegung, und sie gibt euch gleichzeitig Licht zu Initiativen, die von Nutzen sind, um die Einheit des Glaubens und die führende Rolle des kirchlichen Lehramtes für das Verständnis der Wahrheit 1262 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und den Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft in der Liebe zu begünstigen und zu stärken. Die Glaubenseinheit, um derentwillen das kirchliche Lehramt Autorität und letztinstanzliche Entscheidungsgewalt in der Auslegung des geschriebenen und überlieferten Gotteswortes besitzt, ist ein Wert ersten Ranges, der, wenn er respektiert wird, keineswegs die theologische Forschung erstickt, sondern ihr vielmehr ein stabiles Fundament liefert. Die Theologie drückt in ihrer Aufgabe, den intelligi-blen Glaubensinhalt deutlich darzulegen, sowohl die der menschlichen Intelligenz innewohnende, auf die Wahrheit gerichtete Orientierung aus als auch die ununter-drückbare Forderung der Gläubigen, das geoffenbarte Mysterium mit dem Verstand zu ergründen. Um diesen Zweck zu erreichen, darf die Theologie sich niemals auf die „private“ Reflexion eines Theologen oder einer Gruppe von Theologen beschränken. Der Lebensbereich eines Theologen ist die Kirche. So kommt also die Theologie, wenn sie ihrer Identität treu bleiben will, nicht umhin, sich in tiefer Weise in das Gewebe des Lebens, der Lehre, der Heiligkeit und des Gebetes der Kirche einzubeziehen. 3. In diesem Zusammenhang wird die Überzeugung, daß die Theologie auf das lebendige und klärende Wort des kirchlichen Lehramtes angewiesen ist, voll und ganz verständlich und stimmt vollständig mit der Logik des christlichen Glaubens überein. Die Bedeutung des Lehramtes in der Kirche muß auf die Wahrheit der christlichen Doktrin hingeordnet betrachtet werden. In bezug auf die ekklesiale Berufung des Theologen hat eure Kongregation dies klar und deutlich in der Instruktion Donum veritatis herausgestellt. Die Tatsache, daß die dogmatische Entwicklung, die in der feierlichen Definition des Ersten Vatikanischen Konzils ihren Höhepunkt erreichte, das Charisma der Unfehlbarkeit des Lehramtes hervorhob und über dessen Wirkungsbedingungen ein klärendes Wort sprach, darf nicht dazu führen, das kirchliche Lehramt ausschließlich aus diesem Blickwinkel zu betrachten. Seine Befugnis und seine Amtsgewalt sind in der Tat „potestas“ und „auctoritas“ der christlichen Wahrheit, für die es Zeugnis ablegt. Das kirchliche Lehramt, dessen Autorität im Namen Jesu Christi ausgeübt wird (vgl. Dei Verbum, Nr. 10), ist ein Organ im Dienste der Wahrheit, dem es obliegt, so zu wirken, daß eben jene Wahrheit nie aufhört, im Laufe der Menschheitsgeschichte getreu überliefert zu werden. 4. Wir müssen leider heute zur Kenntnis nehmen, daß bezüglich der Bedeutung und der Rolle des kirchlichen Lehramtes ein weitverbreitetes Unverständnis besteht. Das ist auch die Ursache der Kritiken und Proteste den lehramtlichen Äußerungen gegenüber, wie ihr ja besonders bezüglich der Reaktionen nicht weniger Theologen-und Kirchenkreise im Hinblick auf die jüngsten Dokumente des päpstlichen Lehramtes hervorgehoben habt: Ich meine damit z. B. die Enzykliken Veritatis splendor über die Prinzipien der Morallehre und deren praktische Anwen- 1263 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN düng und Evangelium vitae über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens; ebenso das Apostolische Schreiben Ordinatio sacerdotalis bezüglich der Unmöglichkeit, Frauen die Priesterweihe zu erteilen; ferner auch das Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre über die Zulassung geschiedener wiederverheirateter Gläubigen zum Empfang der eucharistischen Kommunion. In dieser Hinsicht muß man sicherlich unterscheiden zwischen der Einstellung jener Theologen einerseits, die im Geist von Zusammenarbeit und ekklesialer Gemeinschaft ihre Schwierigkeiten und Fragen vortragen und somit positiv zu einer gewissen Reifung im Nachdenken über das Glaubensgut beitragen, und jener Haltung andererseits, die öffentlich gegen das Lehramt Stellung bezieht und sich als „Dissens“ qualifizieren läßt. Diese Haltung neigt dazu, eine Art Gegenlehramt zu errichten, indem sie den Gläubigen Positionen und Modalitäten eines gewissen Altemativverhaltens vor Augen führt. Die Pluralität der Kulturen und der theologischen Systeme und Ausrichtungen besitzt ihre Legitimität lediglich unter der Voraussetzung der Glaubenseinheit in ihrer objektiven Bedeutung. Die Freiheit der theologischen Forschung bedeutet niemals Freiheit von der Wahrheit, sondern rechtfertigt und verwirklicht sich, indem die Person sich der moralischen Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber der Wahrheit angleicht, jener Wahrheit, die von der Offenbarung vorgelegt und im Glauben angenommen wird. 5. Gleichzeitig ist es aber heute auch notwendig - und ihr habt das in eurer Versammlung auch zu Recht erwogen -, ein solches Klima zu schaffen, das die positive Annahme und gute Aufnahme der Dokumente des kirchlichen Lehramtes begünstigt. Dies geschieht vor allem dann, wenn man Stil und Ausdrucksform beachtet, und zwar so, daß die gediegene und klare Lehre in harmonische Übereinstimmung gebracht wird mit dem seelsorglichen Bemühen um Kommunikationsformen und Ausdrucksweisen, die sich dem Bewußtsein der Menschen von heute einprägen und wirksam sind. Wir können jedoch einen der entscheidenden Aspekte, die dem in einigen Teilbereichen der kirchlichen Welt empfundenen Unbehagen zugrunde liegen, nicht übergehen, nämlich den Autoritätsbegriff. Im Falle des kirchlichen Lehramtes wird die Autorität nicht nur da ausgeübt, wo es um das Charisma der Unfehlbarkeit geht, sondern sie hat einen umfassenden Wirkungsbereich, so nämlich, wie ihn der gebührende Schutz des geoffenbarten Glaubensgutes erfordert. Für eine Gemeinschaft, die wesentlich begründet ist in der gemeinsamen Treue zu Gottes Wort und in der daraus folgenden Sicherheit, in der Wahrheit zu leben, ist die Autorität zur Bestimmung dessen, was zu glauben und zu bekennen ist, unverzichtbar. Daß die Autorität verschiedene Lehrgrade einschließt, wurde deutlich in den beiden letzten Dokumenten der Kongregation für die Glaubenslehre zum Ausdruck gebracht: nämlich in Professio fidei und in der Instruktion Donum veritatis. Diese Hierarchie der Grade sollte nicht als Behinderung, sondern als Stimulus für die Theologie betrachtet werden. 1264 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Doch das ermächtigt noch nicht zu der Annahme, die Äußerungen und lehramt-lichen Entscheidungen des Lehramtes der Kirche erforderten lediglich dann eine unwiderrufliche Zustimmung, wenn sie als feierliches und endgültiges Urteil verkündet werden, und daß folglich in allen anderen Fällen nur die vorgebrachten Argumentationen und Motivationen zählten. In den Enzykliken Veritatis splendor und Evangelium vitae sowie im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis war es meine Absicht, erneut die konstante Lehre des Glaubens der Kirche vorzulegen, und zwar durch einen Akt der Bestätigung jener Wahrheiten, die klar und deutlich durch die Schrift, die apostolische Tradition und die einstimmige Lehre der Hirten der Kirche bezeugt werden. Solche Deklarationen drücken also kraft der dem Nachfolger Petri übertragenen Autorität, „die Brüder zu stärken“ (Lk 22,32), die gemeinsame Sicherheit aus, die im Leben und in der Lehre der Kirche gegenwärtig sind. Es scheint demnach dringend angebracht, den authentischen Begriff von Autorität wiederzugewinnen, und zwar nicht nur unter formaljuridischem Aspekt, sondern in viel tieferer Weise als garantierende Instanz, als über die christliche Gemeinschaft wachende und sie leitende Instanz, in der Treue und Kontinuität der Tradition, um so den Gläubigen den Kontakt mit der Verkündigung der Apostel und mit der Quelle der christlichen Wirklichkeit selbst zu ermöglichen. 7. Ich freue mich mit euch, liebe Brüder in Christus, über den intensiven, arbeitsreichen und wertvollen Dienst, den ihr für den Apostolischen Stuhl und die gesamte Kirche ausübt. Und ich möchte euch ermutigen, mit Festigkeit und voll Vertrauen in der Aufgabe fortzufahren, die euch an vertraut wurde, um so dazu beizutragen, daß alle in die Freiheit der Wahrheit geführt und in ihr bewahrt werden. Mit diesen Wünschen erteile ich euch allen als Unterpfand der Zuneigung und Dankbarkeit von Herzen meinen Segen. Begegnung verschiedener geistlicher Traditionen bereichert alle Religionen Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog am 24. November Lieber Kardinal Arinze, Eminenzen, liebe Brüder im Bischofsamt und Freunde in Christus! 1. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, mit den Mitgliedern des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog anläßlich dessen Vollversammlung zusammenzutreffen. Der Frieden Christi sei mit euch, denn „durch ihn haben wir auch 1265 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes“ (Rom 5,2). Dreißig Jahre nach der Konzilserklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen wird euer Einsatz für den interreligiösen Dialog auch weiterhin von der Lehre und der weisen Einsicht dieses wichtigen Dokumentes geführt und bestärkt. In der Tat bietet das Thema eurer Versammlung: Der Dialog der Spiritualität und die Spiritualität des Dialogs, eine hervorragende Gelegenheit, darüber nachzudenken, was man als „Einblick in die Seele des Menschen“ bezeichnen könnte, den Ausgangspunkt von Nostra aetate, wo es heißt: „Die Menschen erwarten von den verschiedenen Religionen Antwort auf die ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins, die heute wie seit je die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen: Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist das Gute, was die Sünde? Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es? Was ist der Weg zum wahren Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tode? Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?“ (Nr. 1). 2. Heute werden die Menschen in vielen Teilen der Welt oft von einer materialistischen Kultur in Raum und Zeit gefangengehalten, so daß sie desorientiert sind und unfähig, dem Leben einen Sinn zu geben. Wie das II. Vatikanische Konzil bereits betonte, nehmen manche, die in einer Umgebung des praktischen Materialismus leben, dieses menschliche Drama nicht wahr (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10). Andere wiederum „erwarten vom bloßen menschlichen Bemühen die wahre und volle Befreiung der Menschheit und sind davon überzeugt, daß die künftige Herrschaft des Menschen über die Erde alle Wünsche ihres Herzens erfüllen wird“ (ebd.). Eine dritte Kategorie, nämlich diejenigen, die an Gott glauben oder nach dem Absoluten streben, finden in der Spiritualität eine Antwort auf diese Fragen der menschlichen Seele, mit anderen Worten, durch eine Anschauung vom Leben und der Geschichte des Menschen, die nicht auf den begrenzten Bereich unserer irdischen Existenz beschränkt ist, sondern sich vielmehr der Transzendenz und der Ewigkeit öffnet. Ihrerseits glaubt die Kirche, daß „Christus, der für alle starb und auferstand, dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist schenkt, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann“ (vgl. ebd.). Sie glaubt ferner, „daß in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist“ (ebd.). 3. Die „Spiritualität“, die im Mittelpunkt eurer Überlegungen steht, beinhaltet das Konzept des menschlichen Strebens nach persönlicher Beziehung zu Gott, einer Bindung, die dem Verhältnis zu denjenigen, die anderen religiösen Traditionen folgen, Leben und Substanz geben kann. „Spiritualität“ ist mehr als Erkenntnis und Dialog. Sie ist auf untrennbare Weise mit der Suche nach Heiligkeit verbunden, die, absolut gesehen, Gott allein eigen, aber - aufgrund seiner Barmherzigkeit - auch 1266 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Menschen als Geschenk und Verpflichtung gegeben ist. Das n. Vatikanische Konzil hat die Aufforderung des hl. Paulus: „Das ist es, was Gott will: eure Heiligung“ (7 Thess 4,3), neu aufgegriffen und die universale Berufung zur Heiligkeit bei verschiedenen Gelegenheiten hervorgehoben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 42). Im weiteren Sinn ist dieses Streben nach Vollkommenheit, nach Reinigung, nach Gleichklang mit dem göttlichen Willen nicht den Christen Vorbehalten. Es betrifft jeden Menschen. Es sollte uns daher nicht wundem, daß in den religiösen Traditionen der Menschheit dieser Ruf zu den höchsten Werten deutlich zum Ausdruck kommt. Mein Vorgänger, Papst Paul VI., lehrte, daß in den verschiedenen Religionen „die Gottsuche von Millionen deutlich wird, ein unvollkommenes Suchen, aber oft gelebt mit großer Aufrichtigkeit und Lauterkeit des Herzens. Sie besitzen einen eindrucksvollen Schatz tief religiöser Schriften. Zahllose Generationen von Menschen haben sie beten gelehrt. In ihnen finden sich unzählbar viele ,Samenkörner des Wortes Gottes’“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 53). 4. Das Thema der Spiritualität ist somit ein natürlicher Treffpunkt für die Anhänger verschiedener religiöser Traditionen und ein fruchtbringendes Gesprächsthema für den interreligiösen Dialog. Wie eure Vollversammlung gezeigt hat, ist der „Dialog der Spiritualität“ die grundlegende und höchste Form des Dialoges zwischen Männern und Frauen unterschiedlicher religiöser Erfahrung. Er befähigt „die in ihren jeweiligen religiösen Traditionen verwurzelten Menschen“, ihren „geistlichen Reichtum, beispielsweise im Hinblick auf Gebet und Kontemplation, Glauben und Suchen nach Gott oder dem Absoluten, zu teilen“ (Dialog und Verkündigung, Nr. 42). Dieser Austausch, auf den der Christ entsprechend vorbereitet werden sollte, kann eine Quelle wechselseitiger Bereicherung sein und eine Anregung zu fruchtbarer Zusammenarbeit für die Förderung und Erhaltung der höchsten Werte und spirituellen Ideale der Menschheit. Dieser Dialog wird den Christen weitgehend Gelegenheit geben, den eigentlichen Kern der Frohbotschaft zu teilen und „den Gmnd für die Hoffnung, die euch erfüllt“ (vgl. 1 Petr 3,15), zu verkünden. Obwohl es auch andere Formen des Dialogs gibt - den „Dialog des Lebens“, den Dialog der Zusammenarbeit und den formalen Dialog oder Erfahrungsaustausch unter Experten -, die alle wichtig sind, bietet der Dialog der Spiritualität doch jene Tiefe und Qualität, die die andersartigen vor der Gefahr eines reinen Aktivismus schützen. 5. Solch ein Dialog der Spiritualität erfordert wiederum eine Spiritualität des Dialogs, d. h. eine Einstellung, die die Bemühungen um gute und einträchtige Beziehungen unter Angehörigen verschiedener Religionen zu tragen vermag. Der interreligiöse Dialog ist nie einfach. Er verlangt feste Überzeugungen und großes Verständnis und Sensibilität für das Andersartige. Ich hoffe, daß euer Treffen den Umriß einer Spiritualität des Dialogs geben wird, der Hirten und Gläubigen überall in der Welt von Nutzen sein kann, denn „alle Gläubigen und christlichen Ge- 1267 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinschaften sind gerufen, diesen Dialog zu führen, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise“ (Redemptoris missio, Nr. 57). 6. Während die gesamte Kirche sich auf das Jubeljahr 2000 vorbereitet, müssen wir ein verstärktes Interesse am Dialog mit anderen Religionen als eines der , Anzeichen von Hoffnung ... in diesem letzten Abschnitt des Jahrhunderts“ berücksichtigen (Tertio millennio adveniente, Nr. 46). In diesem Zusammenhang danke ich euch für die Aufmerksamkeit, die ihr den Verflechtungen und notwendigen Voraussetzungen dieses Dialogs widmet. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, daß das kommende dritte Jahrtausend eine Vertiefung und Festigung von immer herzlicheren Beziehungen unter den verschiedenen religiösen Traditionen zur Förderung von Frieden und Solidarität unter allen Völkern der Erde bringen wird. Gerne erteile ich euch meinen Apostolischen Segen und bitte Maria, die Mutter des Erlösers, um ihre Fürsprache. Versöhnung verlangt gegenseitige Achtung und Annahme Ansprache an die Mitglieder der Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche am 24. November Herr Kardinal! Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist für mich ein Grand zu großer Freude, euch anläßlich der feierlichen Synodenversammlung zu begegnen, in der ihr die Vierhundertjahrfeier der wiederhergestellten Einheit zwischen der Metropolie von Kiew und dem Römischen Stuhl begeht. Ich grüße euch alle mit großer Zuneigung, von Kardinal Myroslav Ivan Luba-chivsky bis zu den Eparchen und allen, die an dieser Versammlung teilgenommen haben. Mit euch möchte ich allen Gemeinschaften, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind, meinen Gruß entbieten. Am 23. Dezember 1595 empfing Papst Clemens VIII. ehrwürdigen Andenkens in Rom die Bischöfe, die als Vertreter der Metropolie von Kiew kamen, und mit der Apostolischen Konstitution Magnus Dominus et laudabilis nimis tat er der ganzen Welt die zustandegekommene volle Gemeinschaft kund, die den glühenden Wunsch einer bedeutenden Anzahl von Hirten und Gläubigen der Rus’ von Kiew verwirklichte. Das glückliche Ereignis wurde als „Union von Brest“ bezeichnet, denn es wurde am 16. Oktober 1596 in Brest-Litowsk am Fluß Bug feierlich verkündet. Dieser Augenblick bildete den Ausgangspunkt eines Weges, der reich war an Licht, aber auch an Schatten wegen der Schwierigkeiten und Verkennungen, die die ukrainische griechisch-katholische Kirche in diesen vierhundert Jahren Geschichte auf sich nehmen mußte, um an ihrer Identität festzuhalten. Die Treue zum 1268 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nachfolger des Petrus, in Beharrlichkeit und Liebe gelebt, hat eure christlichen Gemeinden tief gekennzeichnet und sie zu lebendigen Glaubenszeugen vor der Universalkirche gemacht. Die Verkennung hat sie nicht entmutigt, die Unterdrük-kung hat sie nicht erstickt, vielmehr ist das Blut derer, die das Leben für die Sache des Evangeliums hingeben mußten, zum Lebenssaft geworden, der dem kirchlichen Gefüge neue lebenspendende Kräfte zuführen konnte. Wir danken dem allmächtigen Gott, daß er den Herzen der Söhne und Töchter eurer Kirche den Mut gegeben hat, ohne Schwanken den Glauben an Christus und die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom zu bezeugen! Vor einigen Tagen wurde das Apostolische Schreiben veröffentlicht, mit dem ich die ganze Kirche wieder an diesen wichtigen Gedenktag und seine Bedeutung erinnern wollte. Heute aber möchte ich mit euch bei den augenblicklichen und kommenden Perspektiven verweilen, die die göttliche Vorsehung für die kirchliche Gemeinschaft der Ukraine Vorbehalten hat und die in diesen Tagen den Gegenstand eurer Überlegungen bilden. 2. „Die griechischkatholische Kirche in der Ukraine - so sagte ich in dem Schreiben - atmet wieder die Luft der Freiheit und spielt wieder ihre aktive Rolle in der Kirche und in der Geschichte. Diese schwierige und providentielle Aufgabe erfordert heute besondere Überlegungen, um weise und weitblickend erfüllt zu werden“ (Nr. 4). Diesem Erfordernis der Unterscheidung entspricht die Versammlung dieser Tage. Wie das Arbeitsprogramm zeigt, schließt sie sich ausdrücklich an das Zweite Vatikanische Konzil an, dessen Lehren die Kirche auf das dritte christliche Jahrtausend hin überträgt. Und so wie eure Vorfahren die volle Gemeinschaft mit Rom im Geist der Treue zum Konzil von Florenz wiederherstellten (vgl. ebd., Nr. 2), so wird eure Treue zum Zweiten Vatikanischen Konzil nicht ohne positive Früchte für die ukrainische kirchliche Gemeinschaft und das ganze Volk Gottes in Europa bleiben, dem ihr helft, wieder mit seinen beiden .Lungen“, der östlichen und der westlichen, zu atmen. In dieser Perspektive ist die ukrainische griechisch-katholische Kirche berufen, ihr in Jahrhunderten gereiftes reiches Erbe an Glauben, Gebet und Zeugnis, durch Leiden bestätigt und mit Blut besiegelt, als Beitrag zum Weg auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 hin zu erbringen. Es möge eure besondere Hirtensorge sein, die sich aus Reflexionen eurer Geschichte ergebenden Leitlinien mit denen in Einklang zu bringen, die ich der ganzen Kirche im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente vorgeschlagen habe. 3. Die zwei großen Herausforderungen, die in gewisser Weise den augenblicklichen Zeitpunkt im Leben der Kirche zusammenfassen, sind die Neuevangelisierung und der Ökumenismus. Sie sind eng miteinander verbunden, und das zeigt sich besonders deutlich in den Ländern, in denen beständig verschiedene christliche Konfessionen Zusammenleben. 1269 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Dialog und die Zusammenarbeit mit den orthodoxen Brüdern und Schwestern sind wichtige Elemente für den notwendigen Einsatz zur Verbreitung des Evangeliums unter den Völkern, die lange Zeit ständiger atheistischer Propaganda ausgesetzt waren. Wenn eine solche Zusammenarbeit vom Zweiten Vatikanischen Konzil für die Erstevangelisierung dringend gewünscht wurde (vgl. Ad gentes, Nr. 6), so ist sie auch für das Werk der Re-Evangelisierung erforderlich, besonders in Situationen wie derjenigen, in welcher sich die Ukraine heute befindet. In der Enzyklika Redemptoris missio habe ich festgelegt: „Das ökumenische Bemühen und das mit der Lehre Christi übereinstimmende Zeugnis von Christen, die verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften angehören, haben schon reiche Früchte getragen. Aber es wird immer dringlicher, daß sie Zusammenarbeiten und gemeinsam Zeugnis ablegen in dieser Zeit, in der christliche und außerchristliche Sekten Verwirrung stiften“ (Nr. 50). Ich wünsche sehr, daß man auch in der Ukraine eine wirksame Antwort auf das besorgniserregende Problem der Sekten finden möge. Eine solche Antwort erfordert von seiten der christlichen Kirchen auf dem Gebiet der Evangelisierung, daß das Vorgehen in Übereinstimmung gebracht wird, d. h., ein Vorgehen ist, das bei der Verkündigung Christi die Menschen dazu anleitet, ihre eigenen religiösen Wurzeln wiederzuentdecken in voller Achtung vor der Gewissensfreiheit jedes Gläubigen, ohne auf Proselytenmacherei abzuzielen. 4. Ein aufmerksames Hinhören auf das, „was der Geist den Gemeinden sagt“ ('Offb 2,7), regt die ukrainische griechisch-katholische Gemeinde im übrigen dazu an, den Einsatz zur Versöhnung zwischen den katholischen und den orthodoxen Gläubigen da zu fördern, wo noch Spannungen vorhanden sind. Diese Versöhnung schließt vor allem die gegenseitige Annahme und Achtung ein. Wo immer sie sich im ganzen Bereich des Landes befinden und in was immer für einem Zahlenverhältnis: Griechischkatholische und orthodoxe Gläubige müssen lernen, miteinander als Geschwister zu leben, die mehr Gemeinsames als Trennendes besitzen. Mit noch größerem Nachdruck mahnt im übrigen der Geist zur Bekehrung der Herzen und zum Gebet, die dann auch hinführen zur Läuterung der geschichtlichen Erinnerung (vgl. Ut unum sint, Nr. 2). Ein solcher Dienst zur Bekehrung und zur Versöhnung wird nicht ohne positive Rückwirkungen auf das Gemeinwohl des Landes bleiben, das schon durch so viele Probleme und Schwierigkeiten geprüft wurde. 5. Ehrwürdige Brüder, der Prozeß der Erneuerung wird - ihr wißt es - lang sein und Geduld und Ausdauer erfordern, aber gewiß wird er die erhofften Früchte tragen. Ihr seid auf dem rechten Weg. Geht weiter und bringt zur Vollendung, was ihr begonnen habt. Der Einsatz zur Evangelisierung erfordert eine gediegene Ausbildung des Klerus, und ich habe mit Freude gehört, das das eure erste Sorge war. Ihr habt sofort Seminare eröffnet und Ergänzungskurse für die Priester eingerichtet, die im Untergrund keine angemessene Ausbildung erhalten konnten. Verstärkt 1270 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieses Bemühen. Zieht tüchtige Lehrer des Glaubens hinzu, die Zeugen echter Treue zum Evangelium sind, Experten in den theologischen Disziplinen und in der östlichen Überlieferung mit tiefem ökumenischem Geist - die im übrigen den Priestern und Seminaristen auch den Reichtum der Lehre über die Kirche zu vermitteln verstehen, die besonders vom II. Ökumenischen Konzil und vom nachkon-ziliaren Lehramt dargestellt wurde. Richtet eure Pastoralarbeit immer mehr auf die Welt der Jugend aus. Die jungen Menschen haben ja so viele Erwartungen im Herzen, und sie sind die Zukunft der Kirche und ihrer ukrainischen Heimat. Fördert weiterhin die schon gut angelaufenen Initiativen zur Ausbildung von Katechisten und Katechistinnen. Sie sind zusammen mit den Priestern und den Ordensfrauen und unter der Führung der Bischöfe die Träger der neuen Evangelisierung, vor allem für die Jugendlichen, die immer mehr dem Umsichgreifen von religiösen, der christlichen Überlieferung eurer Länder fremden Bewegungen ausgesetzt sind. Entwickelt den Einsatz für die Familie und das Leben weiter, und nutzt alle Mittel, um die Gewissen zu bilden, um der christlichen Ehe die ihr eigene Würde und Festigkeit zurückzugeben und das Übel der Abtreibung, so weit wie möglich, auszuschließen. 6. Das kommende Jahr 1996 wird dem Gedächtnis der historischen „Union von Brest“ gewidmet sein. Es wird ein einzigartiges Jubiläumsjahr sein. Die Feiern, die ihr vorbereitet und in diesen Tagen vorgesehen habt, werden von einer einmütigen Danksagung an den allmächtigen Herrn gekennzeichnet sein für die Atmosphäre der wiedergefundenen reügiösen Freiheit, in der das Jubiläum gefeiert werden kann. Sie werden auch eine inständige Bitte an den Heiligen Geist sein, um die brüderliche Liebe zu erlangen und zugleich die in der Vergangenheit erlittenen Ungerechtigkeiten zu vergeben; sie mögen ein Flehen um Mut und Hoffnung sein, um auf dem ökumenischen Weg weiterzugehen. Ich bin euch nahe und folge euch in brüderlicher Liebe, und ich vertraue allen Eifer für das Wohl und die Entwicklung aller Eparchien der Kirche in der Ukraine und in der Emigration der Fürsprache der Mutter Christi an, die im Werk des Herrn und seines Volkes immer anwesend ist. Und mit diesem Empfinden tiefer Gemeinschaft, liebe und ehrwürdige Brüder, erteile ich von Herzen euch, den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen, den Seminaristen und den Gläubigen der geliebten Kirche in der Ukraine und eurer ganzen Nation einen besonderen Apostolischen Segen. 1271 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Grußwort an das gemischte Dialogkomitee der Katholischen Kirche und der Assyrischen Kirche des Ostens am 24. November Exzellenzen, liebe Brüder in Christus! Ich freue mich über diese Gelegenheit, dem gemischten Komitee für den theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und der Assyrischen Kirche des Ostens zu begegnen. Ein Jahr nach der Unterzeichnung der Christologischen Erklärung unserer beiden Kirchen (vgl. O.R.dt., Nr. 47/1994, S. 6) treffen Sie sich, um über wichtige Themen von beiderseitigem Interesse nachzudenken, in diesem Fall über die Sakramente, vor allem die Eucharistie. Einen besonderen Willkommensgruß möchte ich den assyrischen Delegierten Ihres Komitees entbieten und sie freundlich bitten, Seiner Heiligkeit Patriarch Mar Dinkha IV. wie auch den anderen Mitgliedern der Heiligen Synode und den Priestern mein Gebetsgedenken zu versichern sowie die herzlichsten Wünsche für die schwierige Sendung zu überbringen, die Sie an den über alle Welt verstreuten assyrischen Gläubigen erfüllen. Möge der Heilige Geist Ihre Diskussionen in diesen Tagen leiten, damit die Arbeit Ihres Komitees wirksam dazu beitrage, das Kommen des Tages zu beschleunigen, an dem wir gemeinsam die Eucharistie werden feiern können. Gott stärke Sie in Ihrem Dienst an der Einheit der Kirche im Glauben und der Gemeinschaft des Lebens. Der Beitrag katholischer Universitäten zur Medizinerausbildung Ansprache an die Teilnehmer der Arbeitstagung des Institutes für Klinische Medizin der Katholischen Universität Sacro Cuore in Rom am 25. November 1. Ich freue mich, Sie zu empfangen, liebe Teilnehmer am internationalen Treffen, das vom Institut für Klinische Medizin der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ angeregt wurde, und beglückwünsche Sie zu dem interessanten Thema, das Sie eingehender behandeln wollen: „Die Ausbildung des Arztes an der Schwelle zum dritten Jahrtausend: die Rolle der katholischen Universitäten.“ Herzlich begrüße ich Herrn Prof. Adriano Bausola, dem ich für die verbindlichen Worte danke, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat. Mein Gedanke gilt ferner Kardinal Pio Laghi, Präfekt der Kongregation für die Katholische Erziehung, dem ich für die Unterstützung und Leitung zur Realisierung des Treffens mit Freude Dank sage. Ein herzliches Willkommen richte ich schließlich an 1272 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herrn Prof. Giovanni Gasbarrini vom Institut für Klinische Medizin der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ und an Sie alle, verehrte Dozenten der Medizinischen Fakultäten aus verschiedenen katholischen Universitäten der Welt. 2. Die Ausbildung derer, die sich vorbereiten, im Bereich des Gesundheitswesens zu wirken, fällt unter die Hauptsorgen der zeitgenössischen Gesellschaft, die so empfindsam ist hinsichtlich der „Lebensqualität“. Die großen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten haben sich stark auf die Identität und die Rolle des Arztes ausgewirkt. Die Mühe solcher Wandlungen ist sowohl auf der Ebene der Werte, auf die Bezug genommen wird, als auch auf derjenigen der naturwissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften und Verfahren spürbar. Daher rühren oft Schwierigkeiten und Probleme von nicht geringer Bedeutung, die mitunter zu beschämendem Ausweichen und zu Rückzügen führen können. Die Anlässe zur Sorge dürfen dennoch nicht vergessen lassen, daß sich - gerade in unserer Zeit - Aussichten von großem Interesse für die Entwicklung einer Medizin eröffnen, die wirklich im Dienst der Menschheit steht. In diesem Zusammenhang muß zunächst auf die kulturelle Erweiterung des Begriffs der „Gesundheit“ hingewiesen werden, der den umschriebenen Bereich der Krankheit und der klinischen Strukturen überschreitet. Ferner haben die neuen Formen territorialer soziosanitärer Maßnahmen frühere Situationen sanitären Mangels sehr gebessert und sind normalerweise in der Lage, nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern auch das psychische und soziale Wohlsein der Person zu fördern. Der neue Gesundheitsbegriff kann dennoch unter Bezugnahme auf Kriterien aus der gängigen gesellschaftlichen Praxis zweideutig ausgedehnt werden. Das kann dazu führen, legislative Ansätze, Verhalten und Kodifizierungen anzuerkennen, die im Widerspruch zu den Grundrechten der Person stehen. Dadurch, daß sich die Erweiterung des Wohlseinsbegriffs - an sich positiv - auf eine betont subjektivistische kulturelle Ebene stützt, läuft sie so Gefahr, sich gegen den Menschen zu wenden. 3. In diesem soziokulturellen Zusammenhang fällt den katholischen Universitäten eine bestimmte Aufgabe zu: Sie sind berufen, in den künftigen Ärzten - zusammen mit einer berufsmäßigen Haltung hohen wissenschaftlichen und kulturellen Profils - eine Spiritualität anzuregen, die tragfähig und durch das vom kirchlichen Lehramt maßgeblich interpretierte Wort Gottes erleuchtet ist. Das werden sie dank der Wahl bestimmter Bildungswege erreichen, die sich ständig daran ausrichten, die tiefe, und ich möchte sagen innerliche Qualität des Arztberufes zu suchen, der eng an das Evangelium vom Leben gebunden ist. Es ist also nötig, darin jene tiefe Einheit von Glauben und Leben zu verwirklichen, auf die das II. Vatikanische Konzil anspielt: „Das Konzil fordert die Christen, die Bürger beider Gemeinwesen, auf, nach treuer Erfüllung ihrer irdischen Pflichten zu streben, und dies im Geist des Evangeliums. 1273 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Wahrheit verfehlen die, die im Bewußtsein, hier keine bleibende Stätte zu haben, sondern die künftige zu suchen (Hebr 13,14), darum meinen, sie könnten ihre irdischen Pflichten vernachlässigen ... Diese Spaltung bei vielen zwischen dem Glauben, den man bekennt, und dem täglichen Leben gehört zu den schweren Verirrungen unserer Zeit“ (Gaudium et spes, Nr. 43). 4. Die volle einheitliche und dynamische Sicht der Welt und der Geschichte, wie sie der christliche Glaube bietet, stellt einen unerschöpflichen Reichtum dar, um die sich neu bildenden Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Praxis und Gesundheitsbegriff zu verstehen und mit erneuertem Elan die Gültigkeit jener Berufsethik wieder zu behaupten, die jahrhundertelang die wahre Seele der medizinischen Bildung gewesen ist. Es ist deshalb notwendig, daß die Medizinischen Fakultäten - außer der unentbehrlichen Kenntnis des katholischen Glaubens und seiner theoretischen und moralischen Implikationen - dem Studium der Soziallehre der Kirche größeren Raum und Bedeutung beimessen, insbesondere durch geeignete Forschungen und Gegenüberstellungen interdisziplinärer Natur. Auf diese Weise wird es möglich sein, harmonischere und umfassendere Bildungswege vorzubereiten und zur Überwindung des auffallend Bruchstückhaften der wissenschaftlichen Gelehrsamkeit zu kommen, die allzu häufig die derzeitigen Programme der Hochschuldidaktik kennzeichnet und der vollständigen Bildung der Person nicht wenige Schwierigkeiten bereitet. Die Jugendlichen, die die katholischen Universitäten besuchen, müssen zu einer umfassenden und sozialen Sicht des Arztberufes befähigt werden, die ihnen sowohl auf wissenschaftlichem Gebiet als auch im ethischen Bereich in den verschiedenen Situationen, in denen sie wirken werden, Orientierung vermittelt. Sie werden so bei Anträgen auf medizinischen Eingriff die gebotene Entscheidung zu treffen wissen und entsprechend handeln, ja notfalls auch bis zur Dienstverweigerung aus Gewissensgründen gehen. 5. Aber der Beitrag der katholischen Universitäten beschränkt sich nicht darauf. Bevor sie ein Bildungsangebot werden, müssen die Werte des beruflichen Lebens und der Berufsethik die didaktische Tätigkeit und die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb des Hochschullebens kennzeichnen; das heißt sie müssen täglich gelebtes Zeugnis werden. Es ist erforderlich, daß die Studenten in die Erarbeitung der neuen Ansätze und Strategien soziosanitären Eingriffs einbezogen werden. Wenn sie die Mühe der Forschung und der Durchführungsprograrnmierung mit der ganzen Universitätsgemeinschaft teilen, werden sie so vorbereitet sein, einen Dienst wahrer Humanisierung zu leisten, und werden sich zu glaubwürdigen Zeugen einer neuen Evangelisierung heranzubilden wissen in einer Welt, die oft von utilitaristischen und zweckdienlichen Aussichten fasziniert ist. 1274 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser Hinsicht bringe ich denen, die ihre Energien den Initiativen der Seelsorge in den Universitäten widmen, lebhafte Wertschätzung zum Ausdruck und ermutige sie, großherzig in diesem kirchlichen Dienst fortzufahren, damit das Evangelium den gesamten Weg der Hochschulgemeinschaft durchdringe. 6. Liebe Dozenten, der Glaube an Christus und der Wunsch, dem Leben zu dienen, haben Ihre Schritte zu einem stark beanspruchenden Beruf gelenkt. Für Sie gilt auf besondere Weise der Aufruf, den ich in der Enzyklika Evangelium vitae an alle Menschen guten Willens gerichtet habe: „Es bedarf dringend einer allgemeinen Mobilisierung der Gewissen und einer gemeinsamen sittlichen Anstrengung, um eine große Strategie zu Gunsten des Lebens in die Tat umzusetzen. Wir müssen alle zusammen eine neue Kultur des Lebens aufbauen: neu, weil sie in der Lage sein muß, die heute neu anstehenden Probleme in bezug auf das Leben des Menschen aufzugreifen und zu lösen; neu, weil sie eben mit stärkerer und tätiger Überzeugung von seiten aller Christen aufgebaut werden muß; neu, weil sie in der Lage sein muß, zu einer ernsthaften und mutigen kulturellen Gegenüberstellung mit allen anzuregen“ (Nr. 95). Ich bin sicher, daß das gegenwärtige internationale Treffen der Festigung Ihrer an Wissen und Menschlichkeit reichen Hingabe zum wahren Wohl der Menschen dienlich sein wird. Es wird neue Vorhaben hinsichtlich des Dienstes am Leben zu wecken wissen, gemäß jenem mannigfaltigen Reichtum, den der Geist des Herrn zu jeder Zeit der Kirche schenkt. Mit diesen Empfindungen erflehe ich für Sie alle und auch für Ihre Arbeit den himmlischen Schutz Marias, Sitz der Weisheit und Stern der Evangelisierung, und erteile Ihnen von Herzen den Apostolischen Segen. Samariterdienste bleiben glaubwürdige Zeugnisse Ansprache an die Teilnehmer der X. Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst am 25. November 1. Gerne wende ich mich, liebe Brüder und Schwestern, an euch alle anläßlich dieser internationalen Konferenz, die schon zu einem traditionellen jährlichen Treffen geworden ist. Es sind so viele großherzige Menschen voller Begeisterung und treuer Hingabe versammelt, die im weiten Bereich des Gesundheitswesens und der Gesundheit beschäftigt sind. Dieses Jahr gedenken wir außerdem eines besonderen Anlasses: Es sind nämlich zehn Jahre seit der Gründung des Päpstlichen Rats für die Pastoral im Krankendienst vergangen. Der Erfolg der bislang abgehaltenen Konferenzen ist eine greifbare Bestätigung der Früchte, die auf Grund der unermüdlichen und engagierten Tätigkeit dieses Dikasteriums reifen konnten, das die Erläuterung, Verteidigung und Verbreitung der kirchlichen Lehraussagen zum Gesundheitswesen sowie die 1275 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Förderung ihrer praktischen Anwendung (durch die im Gesundheitswesen Tätigen)“ zum Ziel hat (Dolentium hominum, Nr. 6). Herzlich begrüße ich Kardinal Fiorenzo Angelini und danke ihm für die liebenswürdigen Worte, mit denen er den Empfindungen aller Anwesenden Ausdruck verliehen hat. Ich spreche erneut den Verantwortlichen des Päpstlichen Rats für die Pastoral im Krankendienst, die mit eifrigem und stetem Einsatz dieses Treffen angeregt und vorbereitet haben, meine lebhafteste Wertschätzung aus. Ein Gedenken der Wertschätzung gilt ferner den hervorragenden Wissenschaftlern, Forschem, Gelehrten und Sachverständigen in Fragen der Schulmedizin, der Naturmedizin und der Ethik, die dieser Studienbegegnung und der Reflexion den wertvollen Beitrag ihrer Fachkenntnis und Erfahrung gewährt haben. Schließlich heiße ich alle Anwesenden herzlich willkommen. In euch sehe und grüße ich alle im Gesundheitswesen Tätigen, die als Diener und Hüter des Lebens in allen Teilen der Welt die Anwesenheit der Kirche unter den kranken oder leidenden Menschen bezeugen. 2. In diesem Jahr habt ihr beschlossen, eure Überlegungen im Licht der Mahnung aus dem Evangelium darzulegen: „Vade et fac tu similiter: von Hippokrates zum barmherzigen Samariter.“ In diesem zweifachen Hinweis kann die ganze Geschichte der Medizin gut zusammengefaßt werden. Denn wie Papst Pius XII. verehrten Angedenkens in Erinnerung gebracht hat, „enthalten die Schriften des Hippokrates zweifellos eine der edelsten Äußerungen beruflicher Gewissenhaftigkeit, die im besonderen die Achtung vor dem Leben und die Hingabe an den Kranken auferlegt“ (vgl. Ansprache an die Teilnehmer am XIV. Internationalen Kongreß der Geschichte der Medizin am 17. September 1954: Ansprachen und Rundfunkbotschaften XVI [1953-1954], 148). Der Bericht vom barmherzigen Samariter aus dem Evangelium bereichert das hippokratische Erbe um die transzendente Auffassung des menschlichen Lebens, das Geschenk Gottes ist und berufen, Anteil zu nehmen an der ewigen Gemeinschaft mit Ihm. Unter strenger Beachtung der schweren und dringlichen Probleme, die in unseren Tagen die medizinische Forschung und Wissenschaft zu Rate ziehen, habt ihr während der Arbeit dieser Tage erneut den von der Krankenpflege im Verlauf der Geschichte zurückgelegten Weg nach vollzogen und habt in der Begegnung zwischen hippokratischem und christlichem Humanismus einen ausschlaggebenden Faktor des Fortschritts in Richtung einer immer mehr dieses Namens würdigen Zivilisation ausgemacht. Außerdem haben die von Gelehrten und Sachverständigen aus allen Teilen der Welt vorgelegten wissenschaftlichen Beiträge gezeigt, wie - in der Aufmerksamkeit gegenüber dem Leidenden und im Einsatz für eine menschenwürdige Lebensqualität - eine anthropologische Sichtweise Gestalt annimmt, in der es Personen unterschiedlicher Kulturkreise möglich ist, einen Begegnungsort zu finden. Das wird von den persönlichen und gesellschaftlichen Erfahrungen 1276 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vieler „barmherziger Samariter“ der modernen Zeiten bestätigt, unter denen ihr zu Recht Persönlichkeiten wie Henry Dunant, Florence Nightingale, Albert Schweitzer, Janusz Korczak, Ildebrando Gregori, Raoul Follereau und Marcello Candia gedenken wolltet. „Derjenige, der sich auf dem Nachen der Achtung vor dem Leben einschifft - schrieb Albert Schweitzer -, ist nicht ein abgetriebener Schiffbrüchiger ohne Steuer, sondern ein mutiger Fahrgast, der weiß, wohin er will, und der das Ruder fest in die richtige Richtung hält“ (vgl. La civilisation et l’ethique, 63-64). 3. Von Hippokrates zum barmherzigen Samariter, vom vemunftgelenkten Gewissen zur vom Glauben erleuchteten Vernunft, muß die Verkündigung des Evangeliums vom Leben einzig sein; denn „niemand besitzt das Monopol auf den Schutz und die Förderung des Lebens, sondern sie sind Aufgabe und Verantwortung aller“. (Evangelium vitae, Nr. 91). Und es ist sicher ein von der Vorsehung gewolltes Zeitzeichen, daß heutzutage der Glaube an die Botschaft Christi, die rationale Grundlage der allgemeinen Verpflichtung, in allen Phasen der menschlichen Existenz dem Leben zu dienen, zu vertreten und zu verstärken berufen ist. Es handelt sich in der Tat um eine Aufgabe, die zugleich menschlich und christlich ist, so daß „allein die einträchtige Zusammenarbeit aller, die an den Wert des Lebens glauben, eine Niederlage der Zivilisation von unvorhersehbaren Ausmaßen vermeiden können (wird)“ (ebd.). Der barmherzige Samariter im Gleichnis des Evangeliums befragt jedes menschliche Gewissen, das nach der Wahrheit trachtet und aufmerksam ist hinsichtlich der künftigen Geschicke der Menschheit. Es ließe sich dennoch der lange, von der Krankenpflege zurückgelegte Weg nicht erklären, wenn diese keinen anderen Zweck als den Schutz und die Wiedererlangung der Gesundheit verfolgen würde; in Wirklichkeit ist die Krankenpflege - wegen ihrer Wurzeln, die sich in die Achtung des Lebens und der Würde der menschlichen Person senken - auch eine Schule der Wertsteigerung des Leidens und des Dienstes an diesem Leid. Deswegen gehört das Gleichnis vom barmherzigen Samariter sowohl zum Evangelium vom Leben, als auch zum Evangelium vom Leiden: „Wir berühren hier einen der Schlüsselpunkte der ganzen christlichen Anthropologie. Der Mensch kann sich selbst nur durch die aufrichtige Flingabe seiner selbst vollkommen finden. Ein barmherziger Samariter ist der zu dieser Selbsthingabe fähige Mensch“ (Salvifici doloris, Nr. 28). Aus diesen Gründen freue ich mich, die Verantwortlichen des Dikasteriums für die Pastoral im Krankendienst lebhaft dazu beglückwünschen zu können, die erste Charta der im Gesundheitswesen Tätigen abgefaßt und veröffentlicht zu haben, deren Hinweise - die dem Beitrag aller Menschen guten Willens offenstehen - eine gelungene Verbindung zwischen hippokratischer Ethik und christlicher Moral darstellen. Es handelt sich nämlich um eine Synthese, durch die „unter Gläubigen und Nichtgläubigen wie auch zwischen den Gläubigen verschiedener Religionen die 1277 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reflexion und der Dialog über grundlegende ethische Probleme gefördert (werden), die das Leben des Menschen betreffen“ (Evangelium vitae, Nr. 27). 4. Der gleichzeitige und konstruktive Weg der Wissenschaft und des Glaubens -vom II. Vatikanischen Konzil gewünscht (vgl. Botschaft an die Wissenschaftler am 8. Dezember 1965) - strebt nach der Behauptung der grundlegenden Menschenrechte, die die Förderung und Verteidigung des Lebens und seiner Würde beinhalten. Der Glaube ermutigt, befürwortet und unterstützt diese Übereinstimmung von Meinungen, die sich den Erfahrungen der Vernunft gegenüber als günstig erwiesen hat, da es nichts wirklich Menschliches gibt, was nicht im Herz der Christen Widerhall finden würde. Das Gebiet des Gesundheitswesens und der Gesundheit bietet in den verschiedenen Bereichen der medizinischen Aufklärung - der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und Rehabilitation - unzählige Bestätigungen der konkreten Möglichkeit einer fruchtbaren Verbindung von Vernunft und Glauben, um in Freiheit und voller Achtung der menschlichen Person die Zivilisation des Lebens aufzubauen, die, um wirklich eine solche zu sein, auch Zivilisation der Liebe sein muß. 5. Beim Aufbau einer derartigen Zivilisation ist der barmherzige Samariter - in dem sich die Liebe des Gottessohnes widerspiegelt - Vorbild für die Pflichten und Aufgaben der im Gesundheitswesen Tätigen. Dieses Vorbild bestätigt wieder, liebe in der Krankenpflege und -seelsorge engagierte Brüder und Schwestern, daß euer Dienst mehr eine Sendung als ein Beruf ist, die vom wachsenden Bewußtsein der unter den menschlichen Wesen vorhandenen Solidarität gestützt wird. Dieses Bewußtsein wird vom Glauben gestärkt und ermutigt. Davon als Boten des Vertrauens und der Hoffnung in den Menschen hochherziges Zeugnis zu geben, lege ich euch nahe. Der Mensch ist von Gott berufen, sich in der Unentgeltlichkeit zu verwirklichen. In diesem Sinne erbitte ich für euch und euren Dienst an den Kranken den Schutz der hl. Jungfrau, der ich das Flehen um Rettung und Trost anvertraue, das von der leidenden Menschheit emporsteigt. Maria, Mutter des göttlichen Samariters für Leib und Seele, begleite all eure verdienstvollen Tätigkeiten. Sie präge ihnen die mütterlichen Kennzeichen hebevoller Verfügungsbereitschaft und unbegrenzter Selbstlosigkeit auf. Es begleite euch der Apostolische Segen, den ich von Herzen euch allen hier Anwesenden, euren Mitarbeitern und all denen erteile, die ihr in eurer täglichen Arbeit betreut. 1278 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Katholische Soziallehre — Ansatz und Fundament für eine „Kultur der Liebe “ Ansprache an die Mitglieder der Stiftung „Centesimus annus - Pro Pontifce“ am 25. November Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist mir eine Freude, jeden einzelnen von Ihnen willkommen zu heißen. Vor allem begrüße ich Herrn Kardinal Rosalio Castillo Lara und danke ihm für die liebenswürdigen Worte, die er in Ihrem Namen an mich gerichtet hat Mein Gruß gilt sodann dem Pro-Präsidenten der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls, Erzbischof Lorenzo Antonetti, dem Sekretär, Erzbischof Giovanni Lajolo, wie auch dem Präsidenten, dem Verwaltungsrat und Ihnen allen, Mitglieder der Stiftung, die Sie so freundlich waren, mir anläßlich Ihres jährlichen Studientreffens einen Besuch zusammen mit Ihren Familienangehörigen abzustatten. Dieses Jahr haben Sie als Thema, dem Sie Ihre Reflexion widmen, die Lehre der Enzyklika Evangelium vitae im Verhältnis zu den sozialen und pastoralen Orientierungen von Centesimus annus gewählt. Die Liebe Gottes zum Menschen, von der die Würde der Person und die Achtung vor dem Leben jedes menschlichen Wesens herrühren, ist wirklich ein wesentlicher Bestandteil des Evangeliums, das die Kirche der Welt unermüdlich verkündigen und bezeugen soll. Die Kirche hat ja als Verpflichtung „die Sorge und Verantwortung für den ihr von Christus anvertrauten Menschen, für diesen Menschen, der, wie das n. Vatikanische Konzil betont, das einzige von Gott um seiner selbst willen gewollte Geschöpf ist und mit dem Gott seinen Plan hat, nämlich Teilhabe am ewigen Heil.“ (Centesimus annus, Nr. 53) 2. Ihre Stiftung hat sich die Unterstützung der Sendung der Kirche zur Grundlage gemacht, die das christliche Zeugnis ihrer Mitglieder trägt und lenkt im Zusammenhang des Untemehmeralltags, in dem sie wirken. An der Basis Ihres Statuts steht die lobenswerte Verpflichtung, „bei der Verbreitung der menschlichen, ethischen, moralischen und christlichen Werte mitzuwirken, die insbesondere in der Enzyklika Centesimus annus dargelegt werden“ (Art 3). Ich danke Ihnen für diese anerkennenswerte Verfügbarkeit und wünsche mir, daß die satzungsgemäße Verpflichtung - der Sie auch in persönlicher Wahl beigestimmt haben - Sie zur fortwährenden Suche und konkreten Unterstützung jener Werte bringe, die als starke geistliche Struktur die sichere Richtschnur Ihrer Tätigkeit als christliche Unternehmer bilden müssen. Auf diese Weise werden Sie gewiß dazu beitragen können, darauf wie auf stabile Pfeiler eine wirklich freie und solidarische Gesellschaft aufzubauen, in der die Würde der Person gänzlich geför- 1279 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dert und das Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Erlöschen geachtet wird. In den Enzykliken Centesimus annus und Evangelium vitae wie in den anderen Äußerungen über soziale Thematiken habe ich Gelegenheit gehabt, unterschiedliche Situationen anzuzeigen - verschleierter oder offenkundiger Art die das Leben und die Würde des Menschen bedrohen. Sie kennzeichnen auf gewisse Weise jene „Kultur des Todes“, die - im Namen eines trügerischen Fortschritts und auf der Grundlage einer falschen Freiheitsauffassung - von dem verbreitet wird, der, mächtig und reich, die Rechte des Schwachen und Armen verletzt. Das geschieht beispielsweise dann, wenn ein kaum empfangenes Leben beseitigt wird, oder wenn man eine Bevölkerung zu Verhaltensweisen veranlaßt, die im Widerspruch zu den ethischen Grundprinzipien stehen. Solche Haltungen - mit den dazugehörigen kulturellen Voraussetzungen, die zuletzt zur praktischen Leugnung eines Schöpfergottes und des von ihm ins menschliche Herz geprägten Naturgesetzes führen - verkünden nicht nur kein Wohlergehen, sondern bedrohen letzten Endes das Überleben selbst der Gesellschaft. Es ist darum dringlich, daß alle Menschen guten Willens eine mutige und dauerhafte Aktion einleiten, um ähnliche, verbreitete Pseudo-Werte zu entlarven, und daß sie hingegen die authentischen ethischen Werte fördern, die zum Schutz des menschlichen Lebens - des individuellen und des gesellschaftlichen - stehen. 3. Deshalb ist es für mich von großem Trost zu wissen, daß Sie, Mitglieder der Stiftung „Centesimus annus - Pro Pontifice“, am Werk sind, um die kirchliche Soziallehre gründlich zu untersuchen, und daß Sie sich bemühen, sie in die Praxis nicht nur im Bereich Ihrer Betriebe umzusetzen, sondern auch soweit Ihre berufliche und christliche Tätigkeit reicht. Führen Sie diese sehr anspruchsvolle Sendung weiter; bleiben Sie immer mit der Kirche verbunden und helfen Sie dem Papst, vor allem mit Ihrem Gebet, bei der schwierigen Aufgabe, das Evangelium Christi - „opportune et importune“ - zu verkünden. Ihre unternehmerischen und sozialen Tätigkeiten bringen Sie in enge Verbindung mit der Arbeits- und Produktionswelt und daher mit dem Menschen, der die Güter verwaltet, das Resultat seiner Mühe und seines Genies. Der Herr helfe Ihnen, den Geist der Solidarität und die Achtung für jedes Menschenleben zu verbreiten. Sie werden so dazu beitragen können, in der Welt die authentische „Kultur der Liebe“ zum Durchbruch zu bringen. 4. Ich kann dieses Treffen nicht beschließen, ohne meine Dankbarkeit für die Geldmittel zu äußern, die die Stiftung auch in diesem letzten Jahr dem Hl. Stuhl zur Verfügung gestellt hat. Sie sind ein greifbares Zeichen der Unterstützung der großen und vielfachen Bedürfnisse, für die der Papst kraft seiner universalen Mission Sorge tragen muß. Gott möge Sie reichlich belohnen. 1280 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit dieser Gesinnung spende ich Ihnen, die Sie hier anwesend sind, den Apostolischen Segen und dehne ihn gerne auf Ihre Lieben und alle Ihre Mitarbeiter aus. Beitrag der Kirche zu einem dauerhaften und wahren Frieden Predigt bei der feierlichen Eröffnung der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon am Christkönigsfest, 26. November 1. „Dankt dem Vater mit Freude ..." So schreibt Paulus im Text aus dem Kolosserbrief, der in der heutigen Liturgie verkündet wird. „Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes. Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden“ (Kol 1,12-14). Die Kirche dankt heute dem Vater für das Königtum Christi und für sein Reich, in dem der Mensch die Früchte der Erlösung kostet; das Reich der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens (vgl. Präfation). An diesem letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem Christkönigssonntag, sind wir in der Petersbasilika versammelt, um die dem Libanon geltende Sonderversammlung der Bischofssynode feierlich zu eröffnen. Herzlich grüße ich alle, die daran teilnehmen: Kardinäle, Patriarchen, Bischöfe und Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Vertreter des Gottesvolkes, der Kirche im Libanon. Meine lieben Brüder und Schwestern! Es ist bedeutsam, daß die Eröffnung der Synode gerade an diesem Tag stattfindet, an dem wir eingeladen sind, mit dem Psalmisten zu singen: „Ich freute mich, als man mir sagte: ,Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.’ / Schon stehen wir in deinen Toren, Jerusalem: / Jerusalem, du starke Stadt, / dicht gebaut und fest gefügt. / Dorthin ziehen die Stämme hinauf, die Stämme des Herrn, / wie es Israel geboten ist, / den Namen des Herrn zu preisen“ (Ps 122,1-4). Also: „Laßt uns mit Freude dem Herrn entgegengehen!“ 2. Die Liturgie des heutigen Hochfests steht in Zusammenhang mit dem Alten Testament. In der ersten Lesung aus dem zweiten Buch Samuel wird uns die Figur des Königs David präsentiert, der auserwählt ist, nach Saul über Israel zu herrschen. Der Herr hatte zu ihm gesagt: „Du sollst der Hirt meines Volkes Israel sein, du sollst Israels Fürst werden“ (2 Sam 5,2). Zu dieser besonderen Amtsübertragung sind die Ältesten Israels und das ganze Volk zum König gekommen, der mit ihnen in Hebron einen Vertrag vor dem Herrn schließt und zu ihrem König gesalbt wird. Diese Begebenheit aus dem Alten Testament ist auch für die heutige Feier bedeutsam. An sie erinnern die Worte, welche Maria von Nazaret bei der Verkündigung 1281 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vernimmt, als der himmlische Bote in bezug auf den, der in ihrem Schoß empfangen und von ihr geboren werden soll, verheißt: „Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben“ (Lk 1,32-33). Diese Worte sollen den Unterschied anzeigen, der zwischen Christus König und dem König David besteht. Während die Herrschaft Davids vorübergehend, vergänglich war, hat die Herrschaft Christi kein Ende, ist ewig, weil sie in der Ewigkeit ihren Ursprung hat und zu ihr hinführt. 3. Das wird ausführlicher im Brief des Apostels Paulus an die Kolosser erklärt: „Er [Christus] ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare ...; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,15-17). Die Herrschaft Christi ist also ewig. Er ist König auf Grund seiner Göttlichkeit. Er ist König, weil er eines Wesens mit dem Vater ist; er ist König, weil er Mensch geworden ist und als solcher die Herrschaft durch das Kreuz erworben hat. Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium, den wir gerade gehört haben, führt uns zu dieser Wahrheit, indem er uns zu Zeugen der Kreuzigung Christi macht. Sein Todeskampf auf Golgota ist vom Hohn der Vertreter des Hohen Rates begleitet, die ihn verspotten: „Anderen hat er geholfen, nun soll er sich selbst helfen, wenn er der erwählte Messias Gottes ist“ (Lk 23,35). Auch die Soldaten, die sich den Mitgliedern des Hohen Rates anschließen, verlachen ihn: „Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!“ (Lk 23,37). Ihre Worte widerhallen in denen des einen mit ihm gekreuzigten Verbrechers: „Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns!“ (Lk 23,39). Schließlich der in griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache ans Kreuz geheftete Urteils sprach: „Das ist der König der Juden“ (Lk 23,39). Doch angesichts dieser Beleidigungen und Beschimpfungen erhebt sich eine andere Stimme, die des mit ihm Gekreuzigten, den die Tradition als guten Schächer kennt. Er weist seinen Gefährten zurecht und wendet sich an Jesus:„Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42). Dieses Reich ist einerseits Objekt des Hohns, während es anderseits zum Inhalt eines Bekenntnisses des Glaubens und der Hoffnung wird. Und bezeichnenderweise antwortet Jesus auf dieses Bekenntnis: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Der Papst wechselte von der italienischen zur französischen Sprache: 4. Der gekreuzigte Christus hat also volles Bewußtsein, daß er die Pforten dieses Reiches nicht nur für den guten Schächer, sondern für alle Menschen öffnet. Es ist das Reich, das er um den Preis des Kreuzesopfers erworben hat. Als „Erstgeborener der ganzen Schöpfung“ ist er auf ewig König, zugleich wird er es auf besondere Weise um den Preis des am Kreuz dargebrachten Opfers. 1282 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das läßt uns nun die weiteren Ausführungen des Kolosserbriefs verstehen: „Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1,19-20). Christus ist König: in erster Linie, weil er der dem Vater wesensgleiche Sohn ist; als Mensch sodann ist er König durch das Kreuz, an dem er die ganze Menschheit erlöst hat; schließlich wurde seine Königsmacht durch seine Auferstehung von den Toten bekräftigt. Gott hat seine Herrschaft durch den Sieg über den Tod offenbar gemacht: „Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang“ (Kol 1,18). Heute danken wir dem Vater, weil er uns in das Reich seines geliebten Sohnes aufgenommen hat. 5. „Laßt uns mit Freude dem Herrn entgegengehen!“ Liebe Brüder und Schwestern! An euch, die ihr an der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon teilnehmt, richtet die Liturgie des heutigen Tages diese Worte in besonderer Weise. Heute beginnen wir die Arbeiten der Synode: heute am Hochfest Unseres Herrn Jesus Christus, König des Alls. Aus diesem Land kommt ihr nach Rom, aus dem Libanon, der so oft in den heiligen Büchern, die die Heilsgeschichte berichten, erwähnt ist. Ihr kommt aus den Orten in der nächsten Nachbarschft des Heiligen Landes, wo das Reich Christi offenbart wurde: das Reich der Gnade und der Wahrheit, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. Wir hegen die Hoffnung, daß die Arbeiten der Synode einen bedeutsamen Beitrag für euer in den letzten Jahrzehnten so schwer geprüftes Vaterland bringen und den Prozeß eines soliden und aufrichtigen Friedens fördern. Wir hoffen auch - und darum bitten wir Christus, den König -, daß die Synode der Bischöfe der libanesischen Kirche beitragen wird, das Bewußtsein des königlichen Priestertums der Christen eures Volkes zu erneuern, und ihnen so jenes Vertrauen zurückgibt, welches ein unentbehrliches Element ist, um im Glauben ihrer Vorfahren ausharren zu können und ihre besondere, von der Vorsehung anvertraute Sendung im Libanon zu erfüllen. Maria, die Allheilige, bitte mit uns ihren eingeborenen Sohn, daß er die Herzen aller leite, zu vollbringen, was gut und recht ist, damit wir allezeit Gott wohlgefällig seien! Amen! 1283 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ständige Diakone - bereit zum Dienst und offen für alle Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus am 30. November Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt und im Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Es freut mich, euch anläßlich der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus zu treffen. Ihr seid zusammengekommen, um eine Frage zu untersuchen, die für die Kirche von einzigartiger Bedeutung ist, nämlich: „Der Dienst und das Leben der ständigen Diakone.“ Herzlich grüße ich Jose Kardinal Sanchez, den Präfekten, und danke ihm für seine an mich gerichteten Worte. Ich grüße auch den Sekretär, Msgr. Crescenzio Sepe, und die Mitglieder der Kongregation sowie die Beamten und Experten, die in ihr wertvolle Dienste leisten. Diesen Tagen intensiver Überlegungen und Gespräche lag ein Instrumentum labo-ris zugrunde, das die Vorschläge und Beiträge aller Bischofskonferenzen berücksichtigte. Mit der Zufriedenheit über die geleistete Arbeit und die bisher erreichten Ergebnisse verbindet sich die Absicht, ein Dokument über das Leben und den Dienst der ständigen Diakone zu erarbeiten, ähnlich jenem für die Priester, das ihr in eurer vorigen Vollversammlung erstellt habt. So wird man auf diesem Gebiet einen nützlichen, an den Entscheidungen des II. Vatikanischen Konzils orientierten praktischen Leitfaden anbieten können. Ich möchte euch zu eurem Unternehmen ermutigen und es segnen, ein Unternehmen, das seinen Geist aus der tiefen Liebe zur Kirche und zu den Diakonen, mit denen wir ja brüderlich verbunden sind, schöpft. Diakonat ist Geschenk Gottes an die Kirche 2. Seitdem in der lateinischen Kirche der Diakonat „als eigene und beständige hierarchische Stufe“ (Lumen Gentium, Nr. 29) wiederhergestellt wurde, hat es diesbezüglich vielfältige Hinweise und Informationen des Lehramtes gegeben. Es sei nur an die Unterweisungen von Papst Paul VI. erinnert, insbesondere an jene im Motu proprio Sacrum Diaconatus ordinem vom 18. Juni 1967 (AA559[1967]697-704) und Ad pascendum vom 15. August 1972 044564 [ 1972]534-540), die ein grundlegender Bezugspunkt bleiben. Die Lehre und Disziplin in diesen Dokumenten haben ihren rechtlichen Ausdruck im neuen Codex des kanonischen Rechtes gefunden, nach dem die Entwicklung dieses heiligen Dienstes sich richten muß. Dem ständigen Diakonat waren auch einige Katechesen gewidmet, die ich im Oktober 1993 an die Gläubigen gerichtet habe. Beim Nachdenken über den Dienst und das Leben der ständigen Diakone und im Licht der bisher gemachten Erfahrung ist es notwendig, mit sorgfältiger theologi- 1284 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN scher Forschung und klugem pastoralen Empfinden vorzugehen, und zwar immer mit dem Ziel der Neuevangelisierung vor Augen an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Die Berufung des ständigen Diakons ist ein großes Geschenk Gottes an die Kirche und daher „für die Sendung der Kirche eine wichtige Bereicherung“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1571). Was sich auf das Leben und den Dienst der Diakone bezieht, könnte in einem einzigen Wort zusammengefaßt werden, nämlich in dem Wort „Treue“. Treue zur katholischen Überlieferung, bezeugt vor allem durch die lex orandi, Treue zum Lehramt, Treue zur Aufgabe der Neuevangelisierung, die der Heilige Geist in der Kirche angeregt hat. Diese Verpflichtung zur Treue fordert vor allem dazu auf, in jedem kirchlichen Umfeld mit Eifer eine wirkliche Achtung gegenüber der theologischen, liturgischen und rechtlichen Identität zu fördern, wie sie ja auch den Diakonen kraft des ihnen gespendeten Sakramentes eigen ist; Achtung aber auch gegenüber den Anforderungen, welche die Dienste ihres Amtes an sie stellen, die ihnen kraft der empfangenen Weihe in den Teilkirchen zugewiesen werden. 3. Das Weihesakrament hat ja eine eigene Natur und auch eine eigene Wirkung, in welcher Stufe auch immer es empfangen wird (Bischofsamt, Priesteramt und Diakonat). „Die katholische Glaubenslehre, die in der Liturgie, im Lehramt und in der beständigen Handlungsweise der Kirche zum Ausdruck kommt, kennt zwei Stufen der amtlichen Teilhabe am Priestertum Christi: den Episkopat und den Presbyterat. Der Diakonat hat die Aufgabe, ihnen zu helfen und zu dienen (...). Dennoch lehrt die katholische Glaubenslehre, daß die drei Stufen - die Stufen des Priesteramtes (Episkopat und Presbyterat) und die Stufe des Dienstamtes (Diakonat) - durch einen sakramentalen Akt, ,Weihe’ genannt, das heißt durch das Sakrament der Weihe, übertragen werden“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1554). Durch das Auflegen der Hände des Bischofs und ein bestimmtes Weihegebet empfängt der Diakon eine besondere Gleichförmigkeit mit Christus, dem Haupt und Hirten der Kirche, der sich aus Liebe zum Vater zum Letzten und zum Diener aller gemacht hat (vgl. Mk 10,43-45; Mt 20, 28; 1 Petr 5,'S). Die sakramentale Gnade gibt den Diakonen die notwendige Kraft, dem Volke Gottes in der „Diakonie“ der Liturgie, des Wortes und der Liebe in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium zu dienen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1588). Kraft des empfangenen Sakramentes wird ein unauslöschliches geistiges Mal eingeprägt, das den Diakon in bleibender und eigener Weise als Diener Christi kennzeichnet. Er ist infolgedessen kein Laie mehr und kann auch nicht wieder Laie im eigentlichen Sinn werden (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1583). Diese wesentlichen Eigenarten seiner kirchlichen Berufung müssen seiner Verfügbarkeit und Hingabe an die Kirche Gestalt geben und sich in seiner äußeren Haltung widerspiegeln. Vom ständigen Diakon erwartet sich die Kirche ein treues Zeugnis für den Stand seines Dienstes. 1285 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einbindung in die kirchliche Gemeinschaft Insbesondere muß er ein starkes Bewußtsein der Einheit mit dem Nachfolger Petri, mit dem Bischof und mit der priesterlichen Gemeinschaft der Kirche vorweisen, für deren Dienst er geweiht und eingesetzt ist. Es ist von großer Bedeutung für die Unterweisung der Gläubigen, daß der Diakon in der Ausübung der ihm übertragenen Dienste echte und wirksame kirchliche Gemeinschaft fördert. Die Beziehungen zu seinem Bischof, zu den Priestern, zu den anderen Diakonen und zu allen Gläubigen sollen von sorgfältiger Beachtung der verschiedenen Charismen und der einzelnen Funktionen geprägt sein. Nur dann, wenn man sich an die eigenen Aufgaben hält, wird die Gemeinschaft wirksam, und jeder kann seine eigene Aufgabe ganz erfüllen. Verfügungsbereitschaft im Dienst Jesu Christi 4. Die Diakone werden zur Ausübung eines eigenen Dienstes geweiht, der nicht der des Priesters ist, denn sie empfangen „die Handauflegung nicht zum Priestertum, sondern zur Dienstleistung“ (Lumen Gentium, Nr. 29). Ihnen kommen daher bestimmte Funktionen zu, deren Inhalt vom Lehramt genau umschrieben wurde: „Dem Bischof und den Priestern beizustehen bei der Feier der göttlichen Geheimnisse, vor allem der Eucharistie, die Eucharistie auszuteilen, der Eheschließung im Namen der Kirche zu assistieren und sie zu segnen - wenn sie vom Bischof oder vom Pfarrer dazu delegiert sind (vgl. CIC, can. 1108 § 1) -, das Evangelium zu verkünden und zu predigen, den Beerdigungsritus zu leiten und sich den verschiedenen Diensten der Liebestätigkeit zu widmen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1570; vgl. Lumen Gentium, Nr. 29; Sacrosanctum Concilium, Nr. 35; Ad gentes, Nr. 16). Die Ausübung des diakonischen Dienstes - wie die anderer Dienste in der Kirche - erfordert als solche von allen Diakonen, ob unverheiratet oder verheiratet, eine geistüche Haltung ganzer Hingabe. Wenn es auch in bestimmten Fällen notwendig sein kann, den diakonischen Dienst mit anderen Pflichten zu vereinbaren, so wären aber die Vorstellung und praktische Haltungen wie „Teilzeit-Diakon“ absolut verfehlt (vgl. Direktorium für den Dienst und das Leben der Priester, Nr. 44). Der Diakon ist kein kirchlicher Beamter oder Angestellter auf Teilzeit, sondern ein Diener der Kirche. Er übt nicht eine Berufstätigkeit aus, sondern er hat eine Sendung! Vielleicht müssen die Lebens Verhältnisse - vom Kandidaten und vom Bischof vor der Weihe in geeigneter Weise bewertet - an die Ausübung des Dienstes so angepaßt werden, daß sie dieser auf jeden Fall förderlich sind. In diesem Licht sind nicht gerade wenige Probleme noch zu untersuchen bzw. einer Lösung zuzuführen und an denen den Hirten viel gelegen ist. Der Diakon ist berufen, ein Mann zu sein, der für alle offen ist, bereit zum Dienst an den Menschen, hochherzig in der Förderung der gerechten sozialen Angelegenheiten. Er vermeidet Haltungen oder Einstellungen, die ihn als Parteiperson erscheinen las- 1286 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen könnten. Ein Diener Jesu Christi muß in der Tat immer, auch in seinem bürgerlichen Gewand, die Einigkeit fördern und Anlässe zu Uneinigkeit oder zum Konflikt möglichst ausschließen. Möge das aufmerksame Studium, das ihr auch in diesen Tagen unternommen habt, auf diesem Gebiet nützliche Hinweise erbringen. 5. Mit der Wiederherstellung des ständigen Diakonats wurde die Möglichkeit anerkannt, diese Weihe Männern in reifem Alter zu erteilen, die schon in der Ehe verbunden sind, die aber, wenn sie geweiht sind, im Falle der Witwerschaft keine zweite Ehe eingehen können (vgl. Sacrurn Diaconatus ordinem, Nr. 16, AA559[1967]701). ,,Zu beachten ist jedoch, daß das Konzil das Ideal eines Diakonats aufrechterhalten hat, das für junge Männer zugänglich ist, die sich auch mit der Verpflichtung zum Zölibat ganz dem Herrn weihen. Es ist ein Weg .evangelischer Vollkommenheit’, der verstanden, gewählt und geliebt wird von hochherzigen Männern, die dem Reich Gottes in der Welt dienen wollen, ohne das Priesteramt anzustreben, zu dem sie sich nicht berufen fühlen, und die doch eine Weihe haben, die ihren besonderen Dienst an der Kirche durch die Spendung der sakramentalen Gnade gewährleistet und einsetzt. Heute fehlt es nicht an solchen jungen Männern“ (Katechese in der Generalaudienz vom 6. Oktober 1993, Nr. 7; in: O.R. dt., 15.10.1993, S. 2). 6. Die diatonische Spiritualität „hat ihren Ursprung in der .sakramentalen Diakonatsgnade1 (Ad gentes, Nr. 16), wie das II. Vatikanische Konzil sie nennt“ (Katechese in der Generalaudienz vom 20. Oktober 1993, Nr. 1; in: O.R.,dt., 29.10.95). Kraft der Weihe ist sie gekennzeichnet vom Geist des Dienens, ,3s handelt sich um einen Dienst, der vor allem als Hilfe für den Bischof und den Priester sowohl im Gottesdienst als auch im Apostolat zu leisten ist (...) Aber der Dienst des Diakons gilt auch der eigenen christlichen Gemeinschaft und der ganzen Kirche, zu der er wegen ihrer Sendung und ihrer göttlichen Einsetzung eine tiefe Liebe hegen soll“ (vgl. ebd., Nr. 2). Um seine Sendung ganz zu erfüllen, braucht der Diakon daher ein tiefes inneres Leben, gestützt durch die Praxis der von der Kirche empfohlenen Frömmigkeitsübungen (vgl. Sacrum Diaconatus ordinem, Nm. 26-27; AAS'59[ 1967J702 f). Das Ausüben der Dienst und Apostolatsaufgaben, das Wahmehmen etwaiger familiärer und sozialer Verpflichtungen und schließlich das persönliche intensive Gebetsleben erfordern vom Diakon - sei er unverheiratet oder verheiratet - jene Lebenseinheit, die man nur durch eine tiefe Verbundenheit mit Christus erreichen kann, wie das H. Vatikanische Konzil lehrt (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Liebe Brüder und Schwestern! Ich danke euch für den aktiven Einsatz, den ihr bei dieser Vollversammlung geleistet habt. Mit euch zusammen möchte ich die Frucht der Arbeiten, denen ihr euch gewidmet habt, in die Hände jener legen, die die „Magd des Herrn“ ist. Ich bitte die reinste Jungfrau, die Bemühungen der Kirche 1287 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in diesem wichtigen Bereich des pastoralen Einsatzes auch im Hinblick auf die Neuevangelisierung zu begleiten. In diesem Sinne spende ich gerne allen meinen Segen. Transzendente Dimension im Dienst an den Kranken Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses des Hospitalordens der Barmherzigen Brüder „Fatebenefratelli“ am 2. Dezember 1. Liebe Brüder und Mitarbeiter des Hospitalordens des hl. Johannes von Gott! Ich freue mich, euch während eures Kongresses in Rom anläßlich der Fünfhundertjahrfeier der Geburt eures Gründers zu empfangen. Herzlich begrüße ich jeden der Anwesenden, vor allem den Generalprior wie auch die Verantwortlichen der Ordensfamilien, die aus dem Charisma des hl. Johannes von Gott hervorgegangen sind, der die Geschichte des Hospitalwesens wahrhaft geprägt hat. Gerade das ist das Thema, über das ihr euch Gedanken macht. Dabei seid ihr gewiß begünstigt durch die gemeinsame Erfahrung und durch den wertvollen Beitrag von Ordensmännem, Mitarbeitern, Freiwilligen und Wohltätern des Ordens, die aus den fünf Kontinenten Zusammenkommen sind. Ich gratuliere euch zu dieser Initiative, mit der ihr in einer Welt, die immer mehr den Antrieb zur Brüderlichkeit und Solidarität, besonders gegenüber den schwächsten Gruppen, empfindet, euren Einsatz und eure Spiritualität der herzlichen Aufnahme erneuern und vervollkommnen wollt. 2. Um diese Absicht zu verwirklichen, müßt ihr euch unbedingt am Beispiel eures Gründers Anregung holen. Er ist für euch ein Lehrer und ein Zeuge von außerordentlicher Bedeutung. Der hl. Johannes von Gott war für die Armen und die verlassenen Kranken von Granada der „gute Samariter“, der sich in unermüdlichem Eifer verzehrte, um sie mit dem zu versehen, was sie brauchten. Wenn die Kraft der Liebe ihn dazu brachte, viele Bedürftige von der Straße wegzuholen, um sie sicherer und besser unterzubringen, so drängte ihn sein ausgesprochener Sinn für Gastlichkeit, die Organisation der noch unvollkommenen Krankenhausstruktur, der Krankenhilfe und anderer von ihm geplanten karitativen Werke zu verbessern. Johannes praktizierte nicht nur die Gastfreundschaft, sondern er machte sich sozusagen selbst zur Gastfreundschaft, indem er Tag und Nacht denen beistand, die die Vorsehung ihm begegnen ließ. 3. Worin bestand das Geheimnis seines Lebens, das so treu dem Evangelium folgte? Die Antwort findet sich gerade in dem bezeichnenden Beinamen, der ihm gegeben wurde: „von Gott“. Eben dieser Gott, der sich in Jesus Christus als der Vater eines jeden Menschen geoffenbart hat, war der Grund zum Leben und Wirken eures Gründers. Er war sich bewußt, daß im Nächsten der himmlische Vater über alles geliebt wird und daß man im Nächsten ihm dient, und so war Johannes 1288 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darauf aus, dieses geistliche Programm in die Tat umzusetzen und Jesus durch die bevorzugte Hinwendung zu den Letzten nachzuahmen. Der Kranke und Bedürftige wurde für ihn zum Weg, um mit Christus sein „Amen“ zum Vater zu sagen. Wie Jesus unter den Leuten umhergegangen war, Gutes getan und alle geheilt hatte (vgl. Apg 10,38), so verstand Johannes es, den Notleidenden das tröstende Wort Gottes zu bringen, und aus Liebe zu Gott und mit Liebe zu ihm pflegte er sie so, wie sie es brauchten. 4. Das also ist das unschätzbare Erbe, das euer Gründer euch hinterlassen wollte! Heute geht es darum, es auf verständliche Weise dem Menschen unserer Zeit nahezubringen, der in eine individualistische und hedonistische Kultur eingetaucht ist. Nehmt diesem Erbe nichts von der Kraft und Tiefe, womit es euch vermacht wurde. In diese Perspektive fügt sich die zeitgemäße Öffnung eures Ordens für neue soziale Notstände ein, wie z. B. Hilfe für Drogenabhängige, für Aidskranke und Obdachlose. Sehr geschätzt ist auch eure Anwesenheit in zahlreichen Entwicklungsländern, wo die Planungen für vorbeugende Medizin und die qualifizierten Krankenhausdienste, die ihr zugunsten dieser Bevölkerungen einsetzt, eine vielsagende Offenbarung der Liebe und ein lebendiges Zeichen der Hoffnung bilden. Wichtig und bezeichnend ist im übrigen auch das Angebot an fachlicher und zugleich menschlich gestalteter, kompetenter und den neuen medizinischen Techniken angepaßter Hilfe, die stets fest verankert ist in den Grundsätzen und Werten des Evangeliums und der christlichen Ethik. Ohne eine so aufgefaßte, oft mühsame und komplizierte Arbeit würde man die transzendente Dimension der Hospitalarbeit aufs Spiel setzen und diese auf rein menschliches Wohlwollen verengen. 5. So verstanden und verwirklicht, liebe Brüder und Schwestern, wird auch für euch die liebevolle Aufnahme der Bedürftigen die Sprache, mit der ihr allen die Größe, die Kraft und die Wirksamkeit der christlichen Liebe verständlich macht. Mit dieser konkreten und unmittelbaren Sprache könnt ihr in manchmal enttäuschten und erschöpften Herzen wieder Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen wecken, könnt Echo der Stimme Gottes sein, der jeden Menschen in der Tiefe seines Bewußtseins zur Bekehrung einlädt. Liebe schenken durch den täglichen Stil des Dienstes an den Kranken: Das läßt euch den Samen der Frohen Botschaft dort säen, wo das nur menschliche Wort wahrscheinlich schwach, ja unwirksam bleiben würde. Ich fordere euch darum auf, mit neuem Mut und Einsatz diesen alten und immer neuen Weg weiterzugehen. Kraft des ursprünglichen Charismas könnt ihr zur Neuevangelisierung beitragen, zu der Aufgabe, die die ganze Kirche betrifft. Uns alle drängen jetzt die Herausforderungen des Übergangs vom zweiten zum dritten christlichen Jahrtausend, dieser Aufgabe der neuen Evangelisierung ernstlich und wirksam zu entsprechen. 1289 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Advent verehren wir Maria als Jungfrau, die auf das Wort Gottes hört. In dieser Hinsicht und als erhabenes Vorbild bezüglich der Aufnahme, die sie dem Wort Gottes bietet, möge sie euch helfen. Beistand seien euch auch stets der hl. Johannes von Gott und die Heiligen eures Ordens. Und es begleite euch der Apostolische Segen, den ich von Herzen euch, euren Gemeinschaften und all denen erteile, die euch in eurem täglichen Dienst anvertraut sind. Säkularisierung und Zukunft des Glaubens Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kolloquiums über das Thema „An der Schwelle des dritten Jahrtausends: Die Herausforderung des Säkularismus und die Zukunft des Glaubens“ am 2. Dezember Meine Herren Kardinäle, sehr geehrte Herren Professoren, liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, Sie nach Beendigung des internationalen Kolloquiums zu empfangen, das dem Thema: „An der Schwelle des dritten Jahrtausends, die Herausforderung des Säkularismus und die Zukunft des Glaubens“ gewidmet war. Herzlich begrüße ich jeden und jede von Ihnen, besonders die Herren Kardinäle Paul Poupard, Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur, und Jozef Tomko, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker und Großkanzler der Päpstlichen Universität Urbaniana, die das Kolloquium angeregt haben. Ferner begrüße ich die Mitarbeiter, die Experten und alle an den Arbeiten des Kongresses Beteiligten. Im Apostolischen Schreiben Tertio Millennio adveniente habe ich die Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, daß der gegenwärtige Zeitabschnitt neben viel Lichtvollem auch nicht wenige Schatten aufweist, vor allem die religiöse Gleichgültigkeit und die Atmosphäre des Säkularismus und des ethischen Relativismus (vgl. Nr. 36), und ich habe dazu aufgefordert, „die Anzeichen von Hoffnung hervorzuheben und zu vertiefen, die trotz der Schatten, die sie oft vor unseren Augen verbergen, in diesem letzten Abschnitt des Jahrhunderts vorhanden sind“ (vgl. Nr. 46). Von Herzen danke ich der Päpstlichen Universität Urbaniana in Zusammenarbeit mit dem Höheren Instimt zum Studium des NichtGlaubens, der Religion und der Kulturen, daß sie gemeinsam mit dem Päpstlichen Rat für die Kultur dieser meiner Aufforderung gefolgt sind. 2. Mit Mut und klarem Blick haben Sie in diesen Tagen die in unserer Zeit vorherrschenden Herausforderungen untersucht. Theologen, Bibelwissenschaftler, Philosophen, Historiker, Soziologen, Künstler und Männer der Kultur haben sich mit den Bischöfen einer Konfrontation über die religiöse und die säkularistische Sicht der Welt gestellt. Sie haben die Sackgasse ausgeleuchtet, in die heute nicht 1290 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenige geraten sind, und haben über die Zukunft des Glaubens an Christus an der Schwelle des dritten Jahrtausends nachgedacht. In der Kultur, oder besser: in den Kulturen, zeigen sich am Ende dieses zugleich tragischen wie faszinierenden 20. Jahrhunderts gegensätzliche Erscheinungen, die verschieden interpretiert werden können, aber alle mit dem Menschen verbunden sind. Wir stellen heute mehr denn je fest, daß die Kultur zum Menschen gehört, vom Menschen kommt und für den Menschen da ist. Schon vor dreißig Jahren hatte die Konzilskonstitution Gaudium et spes das unterstrichen, und die seither verflossenen drei Jahrzehnte haben es mit dem Gewicht der Geschichte bestätigt. Gegenüber der sogenannten „Eklipse des Heiligen“ ist ein wachsendes Bedürfnis nach religiöser Erfahrung zutage getreten. Zahlreiche Phänomene bezeugen das in allen Teilen der Welt, wo ich die Freude hatte, ungezählten Jugendlichen zu begegnen, die mit zuversichtlicher Hoffnung der Zukunft entgegensahen. Die Säkularisierung, die ein Fortschritt der Zivilisation zu sein schien, erscheint heute als die gefährliche schiefe Bahn, die in den Säkularismus abgleiten läßt und jenen unveräußerlichen Teil des Menschen versehrt, der zutiefst seine Identität berührt: die religiöse Dimension. Es ist eine Herausforderung für die Kirche, diese neue Generation zu verstehen, die durch die Skepsis der vorhergehenden zu einer wachsenden Suche nach dem Absoluten gedrängt wurde. 3. In manchen Ländern vervielfältigen sich die Umfragen zu diesem Thema. Die Ergebnisse sind widersprüchlich: Neben fortdauernder Bejahung des Glaubens an Gott ist ein besorgniserregendes Fehlen religiöser Praxis festzustellen, verbunden mit Gleichgültigkeit und Unwissenheit über den Glauben. Vielleicht sollte man besser von einer Abschwächung der Überzeugungen sprechen, die bei manchen nicht mehr die Kraft haben, das Verhalten zu bestimmen. Infolgedessen breitet sich im Dasein der einzelnen zunehmend eine „geistige Wüste“ aus, läßt sie im Leben keinen Sinn mehr erkennen und nimmt ihnen Führung und Hoffnung. Glaube besteht weiterhin, wird aber nicht mehr als Wert wahrgenommen, der fähig ist, das persönliche und das soziale Leben zu beeinflussen. Ob es sich um Alltagsentscheidungen oder um ethische oder ästhetische Lebensorientierungen handelt, der gewöhnliche und allgemeine Bezugspunkt, vor allem in den Massenmedien, ist nicht mehr von der christlichen Sicht des Menschen und der Welt inspiriert. Wie man nunmehr zu sagen pflegt, ist die Religion dem Privatbereich zugeschrieben, die Gesellschaft ist säkularisiert, die Kultur laisiert. Ihrer festen inneren Verankerung und zugleich ihrer Ausdrucksmöglichkeiten im äußeren Bereich beraubt, geht die christliche Kultur zurück, während das Bedürfnis nach dem Absoluten, das seine ganze Kraft behält, nach neuen festen Punkten sucht. Mehr als an Gebieten, die für die Aussaat bereit sind, werden unsere Gesellschaften reich an Dürrezonen, die auf die neu belebende Wasserflut eines wiedergefundenen Glaubens warten. Wer sähe also nicht, daß es dringend notwendig ist, den Dialog zwischen Glaube und Kultur neu aufzunehmen? Einen Dialog, der zuhört und zugleich Vorschläge 1291 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN macht, der vor allem ein Zeugnis für das Evangelium ist und der die verborgenen Wahrheiten, die schlummernden Kräfte im Herzen der Kulturen freizulegen versteht. So wird eine neue Generation von Glaubenden erstehen aus der scheinbaren Wüste, die Gott in vielen dem Säkularismus anheimgefallenen Ländern sich ausbreiten ließ. Das Heimweh nach dem Absoluten ist ja tief im Sein des Menschen verwurzelt, der nach dem Abbild Gottes und ihm ähnlich erschaffen ist. Aus diesem Kolloquium geht eines klar hervor: Die Herausforderung des Säkularismus an der Schwelle des dritten Jahtrtausends ist eine anthropologische Herausforderung. Die Zukunft des Glaubens hängt zum großen Teil von der Fähigkeit der Kirche ab, auf diese Herausforderung einzugehen und die große Botschaft des Evangeliums so zu verkünden, daß sie die Herzmitte der zeitgenössischen Kultur in all ihren verschiedenen Äußerungen erreicht Der Mensch will sich voll verwirklichen. Er hat zu Unrecht geglaubt, ganz er selbst werden zu können, wenn er Gott zurückweist. Eine säkularistische Weltanschauung hat ihn versehrt, indem sie ihn in seine Diesseitigkeit einschloß. „Ohne das Geheimnis“, sagte zu Recht Gabriel Marcel, „geht einem im Leben der Atem aus.“ Die säkularistische Kultur hat die sozialen Beziehungen zerrüttet. Die Forderung, die Gesellschaft mit rein technologischer Zweckmäßigkeit zu leiten, der Vorrang des individualistischen Hedonismus, die Verdrängung der religiösen Dimension an den Rand der Kultur haben die Fundamente der Zivilisation bedroht. Für die Kirche besteht die große Herausforderung darin, Stützpunkte in dieser neuen kulturellen Situation zu finden und das Evangelium als Frohe Botschaft für die Kulturen und für den Menschen, den Kulturschöpfer, zu verkünden. Gott ist nicht der Rivale des Menschen, sondern der Garant seiner Freiheit und die Quelle seines Glücks. Gott bringt den Menschen zur Entfaltung und schenkt ihm die Freude des Glaubens, den Eifer der Hoffnung, die Glut der Liebe. 5. Liebe Brüder und Schwestern, ich fordere Sie alle auf, Träger dieser freudevollen Botschaft zu werden und dabei vor allem den jungen Menschen zur Seite zu bleiben. Bringen Sie ihnen Christus, geben Sie ihnen das Evangelium in all seiner Frische als Frohe Botschaft, die immer neu und immer jung ist. Die zweitausend Jahre seit der Menschwerdung des Sohnes Gottes im Schoß der Jungfrau Maria sind ein Lichtspalt im trüben Himmel der Zeit. Ich fordere Sie zu unerschrockenem Denken und klugem Überlegen auf, um an der Schwelle des neuen Jahrtausends die Zivilisation der Liebe auszubreiten, die aus einem vom Glauben durchtränkten Erdreich aufblühen wird: aus einem Boden, der in Weisheit Frucht bringen läßt, nämlich Menschen, die lieben, ohne jemand auszuschließen, und die Gott mit aufrichtigem Herzen anbeten. Dieser neue Humanismus für das nächste Jahrtausend wird dem Menschen auf der Suche nach Absolutem, seinem Verstand auf der Suche nach Unendlichem die Antwort auf die tiefsten Wünsche geben. Der Säkularismus hat diese Wünsche verheimlicht, aber sie bleiben bestehen, und Christus erfüllt sie voll und ganz. Das ist die Zukunft des Glaubens. Das ist die Zukunft des Menschen. Jedem von Ihnen erteile ich von Herzen meinen Segen. 1292 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eugene de Mazenod - Heiliger und Apostel der neuen Zeit Predigt bei der Heiligsprechung des sei. Eugene de Mazenod am 3. Dezember 1. Das Kommen des Menschensohnes ist das Thema des Advents. So beginnt die Zeit des neuen Kirchenjahres. Wir haben schon die Nacht von Betlehem vor Augen. Wir denken an das Kommen des Gottessohnes, das bereits zu unserer Geschichte gehört und sie wunderbar geformt hat als Geschichte der Einzelpersonen, der Nationen und der Menschheit. Weiter wissen wir mit Sicherheit, daß wir nach diesem Kommen die zweite Ankunft Christi, des Menschensohnes, noch vor uns haben. Wir leben im zweiten Advent, im Advent der Weltgeschichte, der Kirchengeschichte, und in der Eucharistiefeier bringen wir jeden Tag unsere Hoffnung und Zuversicht auf sein Kommen erneut zum Ausdruck. Der sei. Eugene de Mazenod, den die Kirche heute heiligspricht, war ein adventlicher Mensch, ein Mensch der Wiederkunft. Er blickte nicht nur auf dieses Kommen, sondern bereitete es sein ganzes Leben hindurch vor als Bischof und als Gründer der Kongregation der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria. Seine Erwartung ging bis zum Heroismus, das heißt, sie war von einem heroischen Tugendgrad des Glaubens, der Hoffnung und der apostolischen Liebe gekennzeichnet. Eugene de Mazenod war einer der Apostel, die die neue Zeit, unsere Zeit, vorbereitet haben. 2. Das Dekret Ad gentes des II. Vatikanischen Konzils handelt auch von dieser Tätigkeit, die der Inhalt des Lebens und der bischöflichen Berufung des Gründers der Oblaten war. Er wurde als Bischof nach Marseille gesandt, zur französischen Kirche an der Mittelmeerküste. Zugleich war ihm aber bewußt, daß die Sendung des Bischofs in Einheit mit dem Stuhl Petri universalen Charakter besitzt. Die Gewißheit, daß der Bischof wie die Apostel in die Welt gesandt ist, wurzelte in Christi Wort: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). De Mazenod war sich bewußt, daß der Sendungsauftrag jedes Bischofs und jeder Ortskirche naturgemäß missionarisch ist, und er erreichte, daß auch die altehrwürdige Kirche von Marseille, die bis in die nachapostolische Zeit zurückreicht, ihre missionarische Berufung unter der Leitung ihres Oberhirten in beispielhafter Weise erfüllen konnte. Darin bestand der Einsatz des hl. Eugene für das zweite Kommen Christi, das wir alle mit lebendiger Hoffnung erwarten. Man kann sagen, daß seine Heiligsprechung heute am ersten Adventssonntag uns hilft, die Bedeutung dieses Zeitabschnitts des heute beginnenden Kirchenjahres besser zu verstehen. 3. In der Liturgie des ersten Adventssonntags spricht der Prophet Jesaja. Wir werden in dieser Zeit immer wieder sein inspiriertes Wort hören: „Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat. Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hin- 1293 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort“ (Jes 2,1-3). Im Licht des Heiligen Geistes hat der Prophet eine sehr klare, allumfassende Heilsvision. Jerusalem, die im Herzen des von Gott erwählten Volkes Israel erbaute Stadt, hat eine große Zukunft vor sich. Wenn der Prophet sagt, daß „aus Jerusalem“ das Wort des Herrn kommt, kündigt er schon viele Jahrhunderte vor der Ankunft Christi die Größe des messianischen Werkes an. Die Vision des Jesaja verstärkt unser adventliches Bewußtsein. Er, der kommen soll, der sich „am Ende“ gerade inmitten der Heiligen Stadt Jerusalem offenbaren soll durch das Wort seines Evangeliums und vor allem durch sein Kreuz und seine Auferstehung, wird zu allen Nationen der Welt, zur ganzen Menschheit, gesandt. Er wird der Gesalbte Gottes, der Erlöser des Menschen sein. Sein Leben auf Erden wird kurz sein, aber der Sendungsauftrag, den er an die Apostel und die Kirche weitergibt, wird bis zum Ende der Zeiten dauern. Er wird der Mittler zwischen Gott und den Menschen sein, und er wird die Nationen zum Frieden mahnen und alle einladen, „Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen zu schmieden“ (vgl. Jes 2,4). So beginnt die an alle Völker der Erde gerichtete Ermahnung Jesajas, damit sie ihren Blick und ihre Schritte nach Jerusalem lenken. Diese Aufforderung wird verstärkt durch den Antwortpsalm, das Lied zur Wallfahrt in die Heilige Stadt. „Ich freute mich, als man mir sagte: Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern. Schon stehen wir an deinen Toren, Jerusalem. Dorthin ziehen die Stämme hinauf, die Stämme des Herrn“ (Ps 122,1.4). Und weiter: „Erbittet für Jerusalem Frieden! Wer dich liebt, sei in dir geborgen. Friede wohne in deinen Mauern, in deinen Häusern Geborgenheit“ {Ps 122,6-7). Der Papst hatte seine Predigt in italienisch begonnen und setzte sie in französisch fort: 4. In diese von der Liturgie des ersten Adventssonntags gebotene Sicht paßt die Heiligsprechung des Gründers der Kongregation der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria. Eugene de Mazenod fühlte ganz besonders tief die Universalität der Sendung der Kirche. Er wußte, daß Christus in seiner Person das ganze Menschengeschlecht vereinen wollte. Deshalb hatte er sein ganzes Leben lang die Evangelisierung der Armen, wo immer sie waren, im Blick. Die Kongregation, in seiner Heimat, der Provence, gegründet, zögerte nicht, sich aufzumachen „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Sie setzte durch die Verkündigung, die auf der Betrachtung des Wortes Gottes gründet, das Wort des hl. Paulus in die Praxis um: „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“ {Rom 10,14). Christus verkündigen bedeutete für Eugene de Mazenod, der ganz und gar apostolische Mensch zu werden, den jede Zeit braucht, mit der inneren Begeisterung und dem 1294 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN missionarischen Eifer, die ihn nach und nach dem auferstandenen Christus gleichmachen. 5. Durch geduldige Arbeit an sich selbst wußte er seinen schwierigen Charakter in den Griff zu bekommen und seine Diözese mit erleuchteter Weisheit und ausgewogener Güte zu leiten. Msgr. de Mazenod spornte die Gläubigen an, Christus in einem immer hochherzigeren Glauben zu umfassen, damit sie ihre Berufung als Kinder Gottes immer vollkommener leben. All sein Handeln war von der Überzeugung getragen, die er in den Worten ausdrückte: „Die Kirche lieben heißt Jesus Christus und sich gegenseitig lieben.“ Brüder und Schwestern, Eugene de Mazenod lädt uns ein, ihm zu folgen, damit wir uns alle gemeinsam scharen um den Erlöser, der kommt, um das Kind von Betlehem, um den Sohn Gottes, der Mensch geworden ist. Der Papst führte weiter in italienisch aus: 6. Die Adventsbotschaft ist mit dem Kommen des Menschensohnes verbunden, das sich immer mehr nähert. Diesem Bewußtsein entspricht die Ermahnung zur Wachsamkeit. Im Matthäusevangelium sagt Jesus zu seinen Zuhörern: „Seid also wachsam! Denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt... Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“ {Mt 24,42.44). Dieser im Evangelium mehrmals wiederholten Ermahnung entspricht folgende Stelle aus dem Brief des hl. Paulus an die Römer. Der Apostel sagt, in welcher Weise wir „die gegenwärtige Zeit bedenken sollen“ (vgl. Rom 13,11). Die auf die Zukunft ausgerichtete Erwartung wird uns immer als eine schon nahe und gegenwärtige „Zeit“ beschrieben. Im Heilswerk darf nichts auf später verschoben werden. Jede „Stunde“ ist wichtig! Der Apostel schreibt, daß „das Heil uns näher (ist) als zu der Zeit, da wir gläubig wurden“ {Röm 13,11), und vergleicht den gegenwärtigen Augenblick mit der Morgendämmerung, dem Höhepunkt des Übergangs von der Nacht zum Tag. Paulus überträgt das Phänomen des nahenden Tageslichtes auf geistlichen Boden: Er schreibt: „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum laßt uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts“ {Röm 13,12). Nachdem er die Werke der Finsternis aufgezählt hatte, nennt er das, worauf „die Waffen des Lichts“ anspielen: „Laßt uns anlegen die Waffen des Lichts“, das heißt: „Legt ... den Herrn Jesus Christus an“ {Röm 13,14). Er sei die Richtschnur eures Lebens und eures Handelns, damit ihr in ihm eine neue Schöpfung werden könnt. So erneuert, könnt ihr die Welt in Christus durch die Sendung erneuern, die durch das Taufsakrament schon in euch eingepflanzt ist. Die Kirche dankt heute Gott für den hl. Eugene de Mazenod, den Apostel seiner Zeit, der den Herrn Jesus Christus angenommen hatte und sein ganzes Leben im Dienst des Evangeliums Gottes aufopferte. Danken wir Gott für die große Umwandlung, die durch das Werk dieses Bischofs geschehen ist. Sein Einfluß beschränkt sich nicht auf seine Lebensspanne, sondern wirkt auch in unserer Zeit 1295 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weiter. Denn das im Heiligen Geist vollbrachte Gute vergeht nicht, sondern dauert fort in jeder „Stunde“ der Geschichte. Dank sei Gott! Religiöse Überzeugungen im öffentlichen Dialog Botschaft an die Teilnehmer des Kongresses über Säkularismus und Religionsfreiheit zum 30. Jahrestag der Erklärung Dignitatis humanae vom 7. Dezember 1. Mit großer Freude begrüße ich die Teilnehmer des Internationalen Kongresses über Säkularismus und Religionsfreiheit, der vom Becket-Fonds für Religionsfreiheit und von der Päpstlichen Universität Regina Apostolorum unter der Schirmherrschaft des Päpstlichen Rates für die Kultur organisiert worden ist. Es ist heute dreißig Jahre her, seit das Zweite Vatikanische Konzil seine Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, veröffentlicht hat. Dieser wichtige Text war der Gegenstand eurer Überlegungen während dieses Treffens, das namhafte Experten verschiedener Herkunft und Zeugen, die ihre persönlichen Erfahrungen darüber beisteuern können, wie Religionsfreiheit in der heutigen Welt beachtet oder nicht beachtet wird, zusammengeführt hat. Ein besonderes Wort der Anerkennung möchte ich dem Becket-Fonds aussprechen für seine großen Bemühungen zur Verteidigung der Religionsfreiheit in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt. 2. Wie ich schon öfter gesagt habe, war das II. Vatikanische Konzil eine außerordentliche Gnade für die Kirche und ein entscheidender Moment ihrer neueren Geschichte. Dignitatis humanae ist zweifellos eines der Konzilsdokumente, die die meisten Neuerungen gebracht haben. Die Erklärung hat das besondere und wichtige Verdienst, jenen Weg freigemacht zu haben für den aufschlußreichen und fruchtbaren Dialog zwischen der Kirche und der Welt, der in dem anderen Konzilsdokument - der Pastoralen Konstitution Gaudium et spes -, das am gleichen Tag erschienen ist, so intensiv empfohlen und vorangebracht worden ist. Wenn man auf die letzten dreißig Jahre zurückblickt, so muß man sagen, daß die Verpflichtung der Kirche auf die Freiheit als unverletzliches Recht der menschlichen Person (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 1) eine Wirkung gehabt hat, die weit über alle Erwartungen der Konzilsväter hinausgegangen ist. Als das Konzil erklärte, daß die Forderung nach Freiheit in der menschlichen Gesellschaft, und vor allem die Forderung nach Religionsfreiheit, weitgehend „der Wahrheit und Gerechtigkeit entsprechen“ (ebd., Nr. 2), war der Weg für die Mitglieder der Kirche und ihre Einrichtungen geebnet, um eine konkrete und wesentliche Rolle bei jener „Suche nach Freiheit“ zu spielen, die, wie ich kürzlich vor den Vereinten Nationen sagte, „eine der starken Antriebskräfte in der Geschichte des Menschen ist“ {Ansprache vor den Vereinten Nationen zu ihrem 50jährigen 1296 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bestehen, Nr. 2). In vielen Fällen war die Verteidigung der Religionsfreiheit als das erste der Menschenrechte und Grundlage jedes sinnvollen Rechtssystems der wichtigste Gedanke von Männern und Frauen, die „auch von Gewalt bedroht, sich um der Freiheit willen Gefahren ausgesetzt und gefordert ,haben’, daß ihnen im sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben ein ihrer Würde als freie Personen angemessener Platz zuerkannt werde“ (ebd.). Kurz: Die Erklärung des Konzils über die Religionsfreiheit führte zur Freisetzung von einem riesigen Potential an moralischen und religiösen Kräften, die sich auf die sozialen und politischen Veränderungen der letzten Jahre ausgewirkt haben, ja sogar auf die ganze Struktur der internationalen Beziehungen. 3. Wie Dignitatis humanae lehrt, werden Männer und Frauen „von ihrem eigenen Wesen gedrängt und zugleich durch eine moralische Pflicht gehalten, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft“ (Nr. 2). Wir sind von Natur aus religiös, insofern als wir von unserem Schöpfer mit Intelligenz und Willen ausgestattet wurden und darum fähig sind, den Urheber des Lebens selbst zu kennen und zu lieben. In den Tiefen unseres Seins sehnen wir uns nach Gott und bemühen uns, ihn zu finden. In den wechselnden Lebensumständen vernimmt jeder Mensch die unausgesprochene Aufforderung: „Sucht mein Angesicht!“ (Ps 27,8). Und wir erwidern aus tiefstem Herzen, oft ohne alle Konsequenzen unserer Antwort zu kennen: „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir“ (Ps 27,8-9). Wir verteidigen gerade diese Integrität und diese Rechtmäßigkeit des Dialogs zwischen dem Herzen und Verstand der Menschen und dem Schöpfer, wenn wir das unveräußerliche Recht auf Religionsfreiheit verteidigen. In ihren Bemühungen zum Schutz der Religionsfreiheit verteidigt die Kirche nicht ein institutionelles Privileg; sie macht sich vielmehr zum Anwalt der Wahrheit über den Menschen. 4. Das Thema eures Kongresses bringt zwei wichtige Begriffe zusammen: Säkularismus und Religionsfreiheit. Das Konzil selbst hat den Inhalt, aber auch die Grenzen der Autonomie der weltlichen Ordnung anerkannt. Die Dogmatische Konstitution über die Kirche erklärt: „Man muß gewiß anerkennen, daß die irdische Gesellschaft mit Recht den weltlichen Bestrebungen zugeordnet ist und darin von eigenen Prinzipien geleitet wird. Ebenso wird aber mit Recht jene unselige Lehre verworfen, die eine Gesellschaft ohne Rücksicht auf die Religion zu errichten sucht und die Religionsfreiheit der Bürger bekämpft und austilgt“ (Lumen Gentium, Nr. 36). Das ganze 20. Jahrhundert hindurch waren Millionen Menschen unschuldige Opfer politischer Ideologien und verschiedener Formen von Religions- oder Rassenhaß, die auf unterschiedliche Weise versucht haben, das Recht der Person auf Freiheit von jeder Art von Zwang in religiösen Angelegenheiten auszurotten oder zumindest einzuschränken. Ist es übertrieben, hoffen zu wollen, daß das Blut jener 1297 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unzähligen Opfer die Welt auf ein neues Verständnis der Bedeutung der Religionsfreiheit und ihrer Unverletzlichkeit vorbereitet hat? 5. Dignitatis humanae war in gewissem Sinn eine Erwiderung auf einen Tatbestand, der in der Geschichte der Kirche oft vorgekommen und der aus der heutigen Welt immer noch nicht völlig ausgeschlossen ist. Wir würden heutzutage aber gut daran tun, eine weitere Art von Einschränkung der Religionsfreiheit in Betracht zu ziehen, die subtiler ist als offene Verfolgung. Ich denke dabei an den Anspruch, daß in einer demokratischen Gesellschaft die religiösen Anschauungen ihrer Mitglieder und die mit dem Glauben verbundenen moralischen Überzeugungen in den Bereich der privaten Meinung zurückgedrängt werden sollen. Auf den ersten Blick erscheint dies als eine Einstellung notwendiger Unparteilichkeit und „Neutralität“ der Gesellschaft gegenüber jenen Mitgliedern, die anderen oder keinen religiösen Traditionen folgen. Tatsächlich vertreten sehr viele Leute die Meinung, daß dies in einem modernen, pluralistischen Staat die einzig mögliche Einstellung ist. Wenn aber von den Bürgern erwartet wird, daß sie ihre religiösen Überzeugungen bei ihrer Teilnahme am öffentlichen Leben unberücksichtigt lassen, bedeutet das dann nicht, daß die Gesellschaft nicht nur den Beitrag der Religion aus ihrem institutioneilen Leben ausschließt, sondern auch eine Art von Kultur fördert, in der der Mensch als etwas Geringeres definiert wird, als er in Wirklichkeit ist? Insbesondere gibt es im Kern jedes großen, öffentlichen Themas moralische Fragen. Sollten jene Bürger, deren Urteil hinsichtlich der Moral von ihrem Glauben geprägt ist, ihre tiefsten Überzeugungen weniger frei ausdrücken dürfen als die anderen? Und wenn dies eintritt, ist dann die Demokratie selbst nicht ihres Sinns beraubt? Sollte ein echter Pluralismus nicht auch die Bedeutung haben, daß grundlegende Überzeugungen in einem ernsthaften und respektvollen öffentlichen Dialog ausgedrückt werden können? Die Kirche unterstützt einen solchen Dialog mit großer Bereitwilligkeit, denn sie weiß, daß er sehr nützlich und produktiv sein wird, solange er der objektiven Wahrheit gegenüber offen ist; eine Wahrheit, die verstanden und an der festgehalten werden kann und die nicht von einer vorgefaßten „areligiösen“ oder „amoralischen“ Betrachtungsweise der menschlichen Person und der menschlichen Gemeinschaft bestimmt wird. 6. Ihrerseits müssen die Gläubigen sich auf die Methode des Dialogs und der Überzeugungskraft festlegen. Nun, da wir uns darauf vorbereiten, den zweitausendsten Jahrestag der Geburt Christi zu feiern, anerkennt die Kirche in einem Geist aufrichtiger Reue jene Fehler in ihrer Geschichte hinsichtlich „der an den Tag gelegten Nachgiebigkeit angesichts von Methoden der Intoleranz oder sogar Gewalt im Dienst an der Wahrheit“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 36). Zusammen mit den Vätern des II. Vatikanischen Konzils hält die Kirche heute an dem Grundsatz der Erklärung über die Religionsfreiheit fest: „Und anders erhebt die Wahrheit nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt“ (Dignitatis humanae, Nr. 1). Weder sucht noch wünscht 1298 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Kirche eine weltliche Macht im Dienst an der Wahrheit, für die sie steht, zu sehen. Sie verlangt nur nach der Möglichkeit, in Freiheit zu den Menschen zu sprechen; und sie fordert für alle Menschenwesen die Freiheit, dem Evangelium im vollen Maß ihrer Menschlichkeit folgen zu können. 7. Ich wünsche euch allen, daß eure Beratungen euer Engagement für die Verteidigung und Durchsetzung der Religionsfreiheit stärken mögen. Indem ihr euch dafür einsetzt, fördert ihr die Menschenwürde auf wirkungsvolle Weise und könnt ebenfalls dem umfassenden Wohlergehen der Menschheitsfamilie nützlich sein. Wenn ihr dies tut „durch den Heiligen Geist, durch ungeheuchelte Liebe, durch das Wort der Wahrheit“ (2 Kor 6,6-7), dient ihr dem Herrn, der uns befreit im tiefstmögli-chen Sinn unserer Freiheit. Möge sein reicher Segen auf euch allen ruhen! Aus dem Vatikan, 7. Dezember 1995 Joannes Paulus PP. II Gottes Menschwerdung durch Maria — Erlösungsgeschehen mit Vorbildfunktion Predigt bei der Eucharistiefeier in Santa Maria Maggiore am Hochfest der Immakulata, 8. Dezember 1. „Alma Redemptoris Mater, quae pervia caeli porta manes ..." „Erhabne Mutter des Erlösers, du allzeit offene Pforte des Himmels und Stern des Meeres, komm, hilf deinem Volk, das sich müht, vom Falle aufzustehen. Du hast geboren, der Natur zum Staunen, deinen heiligen Schöpfer, Du, Mutter und immerwährende Jungfrau, erbarme dich der Sünder.“ 2. Es ist die marianische Antiphon des Advents. Die Kirche singt sie in der Liturgie auch während der Weihnachszeit. Nicht nur die Worte spielen auf das Geheimnis des Advents an. Auch die gregorianische Melodie spiegelt ihren Geist wider und interpretiert mit wunderbarer musikalischer Ausdruckskraft die Bedeutung und den Sinn des lateinischen Textes: ,Natura mirante ... Der Natur zum Staunen ...“ Diese Worte der Antiphon bringen das gläubige Staunen zum Ausdruck, das die Nachricht von Marias Mysterium vernimmt, die berufen ist, Mutter Gottes zu sein. Dieses Staunen fand tiefen und herrlichen Ausdruck in den Hymnen, in der Musik, in der bildenden Kunst und in den kirchlichen Bauten. Ist nicht diese Basilika Santa Maria Maggiore in Rom allein eine große Kundgebung gläubigen Staunens vor dem Glaubensgeheimnis der Gottesmutterschaft und der Unbefleckten Empfängnis? Dieses Staunen beschrieb ich in der Enzyklika Mater Redemptoris zum Marianischen Jahr 1987 (vgl. Nr. 51). Es ist vor allem das Staunen über das Geheimnis 1299 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes, das die abgrundtiefe, unendliche Distanz überwunden hat, die den Schöpfer von seinem Geschöpf trennt: „Tu quae genuisti, natura mirante, tuum sanctum Genitorem.“ Das Staunen angesichts des Mysteriums vom Mensch gewordenen Wort ist zugleich das Staunen über das unfaßbare Glaubensgeheimnis der Mutterschaft Marias und über ihre Unbefleckte Empfängnis. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Er hat ihn im Geheimnis der Menschwerdung hingegeben, indem er ihn der Unbefleckten Jungfrau von Nazaret anvertraute. „Du hast geboren ... deinen heiligen Schöpfer“: In der jungfräulichen Mutterschaft Marias gründet in gewissen Sinn die Unbefleckte Empfängnis. Um würdige Mutter des ewigen Wortes zu sein, durfte Maria nicht einmal einen Augenblick lang mit der Erbschuld der Ursünde beladen sein. „Für Adams Frevel ist kein Platz in dir“, singen wir in polnischer Sprache im „Kleinen Stundengebet der seligsten Jungfrau“. 3. Diese nur im Glauben faßbare Tatsache legt die Kirche heute dem Advent zugrunde. Im Kontext des Advents erklingt außerdem mit besonderer Eindringlichkeit die an die Unbefleckte Jungfrau Maria gerichtete Anrufung: „Succurre ca-denti, surgere qui curat, populo!“ In diesem Gebet hört man gleichsam die Stimmen unzähliger Menschengenerationen, die nach dem Sündenfall das Kommen des Messias erwarteten. Nach dem Buch Genesis wandte sich der Blick des Volkes Gottes der Frau zu, die den Messias gebären sollte, der Mutter des Immanuel. Zeigt dieser an Maria gerichtete Gebetsruf „Succurre cadenti“, „Komm, hilf!“ nicht gleichzeitig ihre besondere Mittlerschaft in bezug auf den Sohn? Er ist „der, der kommt“, der Mensch wird, um dem Menschen zu Hilfe zu kommen. Der Glaube der Kirche und die gleiche unbewußte Erwartung der Menschheit bringen dieses „Hilfswerk“ auch mit Maria, der Mutter des Erlösers, in Verbindung. Diesen Glauben und diese Hoffnung drückt die Kirche in vielerlei Weise aus: Sie wiederholt jeden Tag den „Englischen Gruß“, an den sie die eigenen Bitten anfügt: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder.“ Bedeuten diese Worte nicht das gleiche wie die Antiphon: „Succurre cadenti“? Bitte für uns, wenn wir sündigen, wenn wir fallen, wenn wir sterben: „Jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ 4. In der Enzyklika Redemptoris Mater ist dabei die Rede von einer großen geistlichen „Wende“ (vgl. Nr. 52): einer Wende vom Fallen zum Wiederaufstehen, vom Tod zum Leben. Diese Wende ist eine unaufhörliche Herausforderung an das menschliche Gewissen: eine Herausforderung an das ganze geschichtliche Bewußtsein des Menschen, das eingeladen wird, den Weg des Nicht-Fallens zu gehen, aber auch angespomt wird, wiederaufzustehen, wenn es gefallen ist. „Sucurre cadenti, surgere qui curat, populo“: „Komm, hilf deinem Volk, das sich müht, vom Falle aufzustehn“: ein Gebet, das selbstverständlich dazu auffordert, im Gefallensein nicht zu verharren. Der Mensch will wiederaufstehen. Die um das Auferstehen besorgte Menschheit bekräftigt so mit zuversichtlichem Optimismus 1300 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihre Hoffnung und spürt im Glauben, daß sie von der Erbsünde nicht bis auf den Grund zerstört, sondern nur geschwächt worden ist. Gerade der mit einer solchen Natur ausgestattete Mensch erhebt in dieser Erwartung die Augen zur Unbefleckten Jungfrau wie ein Seefahrer, der im stürmischen Meer zu dem Stern aufschaut, der ihm den Weg weist. 5. Und Maria, die Mutter der Kirche, versäumt es nie, das Volk Gottes zu leiten, und geht ihm auf dem Weg des Glaubens und der Hoffnung voran. Im ausgehenden zweiten Jahrtausend hat der Heilige Geist der Kirche einen wunderbaren Frühling angeboten, indem er ihr das II. Vatikanische Konzil schenkte. Vor genau dreißig Jahren, am 8. Dezember 1965, beendete Papst Paul VI. mit einer feierlichen Konzelebration auf dem Petersplatz dieses große kirchliche Ereignis, das durch das Wehen des Geistes dem Schiff der Kirche einen gewaltigen Impuls gegeben hat und es auch heute noch im weiten Ozean der Geschichte vorantreibt. Wie ich es in einigen jüngeren Katechesen schon getan habe, lade ich alle ein, die eingehende Betrachtung des Konzils über die seligste Jungfrau Maria, die Mutter Gottes, im Geheimnis Christi und der Kirche wiederaufzunehmen, die im 8. Kapitel der Konstitution Lumen Gentium enthalten ist: „Indern die Kirche ... Maria ... im Licht des menschgewordenen Wortes betrachtet, dringt sie verehrend in das erhabene Geheimnis der Menschwerdung tiefer ein und wird ihrem Bräutigam mehr und mehr gleichgestaltet“ (ebd., Nr. 65). Während wir das eucharistische Opfer feiern, bitten wir, daß die Kirche, wie im Abendmahlssaal am Pfingsttag vom Gebet der seligsten Jungfrau unterstützt, dem von Christus vorgezeichneten Kurs treu bleibe und, indem sie auf ihrem Antlitz Marias Züge widergibt, ihr Licht bis an die Grenzen der Erde trage. Succurre ca-denti, surgere qui curat, populo. Amen. Rom, als Zentrum geistiger und gesellschaftlicher Erneuerung an der Jahrtausendwende Meditation auf dem Spanischen Platz am Hochfest der Immakulata, 8. Dezember 1. „Alle Enden der Erde sahen das Heil unseres Gottes“ (Ps 98,3). Die Psalmworte, die wir uns in der heutigen Liturgie der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria zu eigen machen, schienen sich besonders auf die Stadt Rom und auf diesen Ort, den Spanischen Platz, zu Füßen der zu Ehren der Immakulata errichteten Säule zu beziehen. Von dieser Stadt aus schauen wir in einzigartiger Weise bis an die „Enden der Erde“. Denn Rom ist die Stadt der Apostel Petrus und Paulus. Christus sagte gerade zu den Aposteln: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Und von hier, von Rom aus wachen Petrus 1301 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Paulus über die fortlaufende Evangelisierung der Welt, die nunmehr fast zweitausend Jahre lang andauert. Von hier aus blicken sie bis zu den „Enden der Erde“ und freuen sich über das Heil, das in alle Teile der Welt gelangt. „Alle Enden der Erde sahen das Heil unseres Gottes“ (Ps 98,3). Maria hat Anteil an der Heilsgeschichte, wie sie an der Geburt der Kirche im Abendmahlssaal von Jerusalem am Pfingsttag teilhatte. Deshalb entspricht dieser Brauch, sich hier auf dem Spanischen Platz am Fest der Immakulata einzufinden, sehr gut der apostolischen Berufung der Kirche. 2. Jede kirchliche Gemeinschaft ist ja berufen, ihren Glauben und ihr christliches Zeugnis zu stärken, besonders auf dem Weg zum Großen Jubiläum. Das gilt in ganz besonderer Weise für die Kirche von Rom. Denn das Heilige Jahr wird ein weiteres Mal die besondere Berufung offenbaren, die die göttliche Vorsehung Rom Vorbehalten hat: Bezugspunkt für die geistliche und gesellschaftliche Erneuerung der ganzen Menschheit zu sein. Darum halte ich es für notwendig, daß in den nächsten Jahren mit großer Sorgfalt eine eingehende Stadtmission in Gang gesetzt und mit apostolischem Eifer vollzogen wird mit dem Ziel, die Herzen der Bewohner darauf vorzubereiten, die Gnade des Heiligen Jahres anzunehmen; sie sollen im Glauben an Jesus Christus und in dem mit ihm verbundenen Lebens- und Kulturreichtum die Gründe dieses besonderen Auftrags entdecken, der der Ewigen Stadt in bezug auf die ganze Welt gegeben wurde. Die Mission wird den Evangelisierungseinsatz der pastoralen Diözesansynode in allen Bereichen der Arbeit und der Kultur, in jedem Stadtviertel und Vorort anbieten und verwirklichen müssen. Sie wird nach dem Plan abgewickelt, den ich in dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente vorgezeichnet habe, und sie wird durch entsprechende Gelegenheiten der Vorbereitung, Sensibilisierung und Anwendung gekennzeichnet sein. Diese Mission soll ein neuer Akt der Liebe und der Hoffnung für Rom sein. Ich bitte alle in der Diözese vorhandenden Kräfte - Priester, Kontemplative, Ordensleute und Laien -, sich mit ganz besonderer Verfügbarkeit durch Gebet und Tat diesem geistlichen Unternehmen zu widmen; ich vertraue es dem mütterlichen Herzen der Unbefleckten Jungfrau an bei dem heutigen traditionellen mariani-schen Treffen, das ein schöner, einzigartiger Adventsbrauch in Rom ist. 3. Zu ihr erhebt sich unser Blick in dieser Zeit des Jahreskreises mit besonderer Liebe. Maria, der Morgenstern, die Morgenröte der Erlösung, kündet den Aufgang der „Sonne“ an und geht dem Kommen des „Tages“ voraus: Sie kündigt Christus an und geht ihm voraus! Sie geht ihm in ihrem Geheimnis voraus! Denn die Unbefleckte Empfängnis ist gleichsam eine Vorwegnahme der Frohen Botschaft vom Heil. Christus, der Erlöser der Welt, durchbricht die Nacht der 1302 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sünde in der Menschheitsgeschichte. Wie er die Macht der Erbsünde in seiner Mutter überwunden hat, so wird er es in jedem von uns tun. Eine Erblast jedes Menschen zu allen Zeiten der Welt ist es, ständig gegen das Übel ankämpfen zu müssen. Besonders in unserem Jahrhundert, das sich dem Ende zuneigt und das zweite Jahrtausend beschließt, haben wir besonderen Grund, Maria anzurufen: Schütze uns vor dem Bösen! Erlange uns von deinem Sohn die Gnade, im Guten und im Frieden beharrlich zu sein! Unbefleckte Jungfrau! Gewähre uns allen, die wir im Herzen die Erfahrung und die Wunden des ausgehenden 20. Jahrhunderts tragen, uns dem erhabenen Geschenk zu nähern, das Christus uns angeboten hat, indem er vor zweitausend Jahren von dir geboren wurde! Laß uns voll Hoffnung in das bevorstehende dritte Jahrtausend eintreten! „Mögen alle Enden der Erde das Heil unseres Gottes sehen!“ Eure Heimat - bereitet vom Erlöser der Welt Predigt bei der Messe für die Studenten der römischen Hochschulen am 12. Dezember Verehrte Rektoren und Professoren der Hochschulen Roms und Italiens, liebe Studenten und Studentinnen der Universitäten Roms und anderer Städte, die ihr mit euren geistlichen Assistenten hierhergekommen seid, liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich begrüße euch alle herzlichst zu diesem Adventstreffen, das nunmehr bereits seit über zehn Jahren in der Petersbasilika stattfindet. Mit großer Freude wende ich mich an euch, denn ihr seid hier die Vertreter der akademischen Welt, deren Rolle im Dienst der Wahrheit von wesentlicher Bedeutung für das Leben der Nation ist. In dieser Zeit des liturgischen Jahres vernimmt die Kirche die Worte des Propheten Jesaja, jenes außergewöhnlichen Zeugen der großen Erwartung, der die Herzen und das Leben des Volkes Gottes im Alten Bund erfüllte. ,Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben. Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen“ (Jes 40,3-5). Wann verkündete „der Mund des Herrn“ dieses von den Propheten und dem Volk Israel erwartete Kommen? Wann begann der Advent der Menschheit, das Erwarten des Herrn, der als Retter der Welt kommen würde? Gewissermaßen bereits bei der Erbsünde, denn schon damals versprach Gott der sündigen Menschheit zum ersten Mal den Messias (vgl. Gen 3,15). Doch die Erwartung wurde erst zur wirk- 1303 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen und wahren „Zeit des Heils“ durch die Berufung Israels, jenes Volkes, das auserwählt war, „für den Herrn einen Weg zu bahnen“ und aus dem der Messias hervorgehen würde. 2. Die Worte Jesajas bringen diesen geheimnisvollen Plan zum Ausdruck und deuten in gewisser Weise auf das Licht der Nacht von Betlehem: „Dann“ - so sagt der Prophet - „offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen“ (Jes 40,5). Viele haben eine andere Offenbarung der Herrlichkeit Gottes erwartet. Wer hätte voraussehen können, daß sich Gott als ein in einem Stall zur Welt gebrachtes Neugeborenes den Menschen offenbaren würde? In den Worten Jesajas erkennen wir heute eine tiefe und durchaus nicht nur liturgische Aktualität. Ist die Aufforderung, „für den Herrn einen Weg zu bahnen“ und alles, „was krumm ist“ in den Herzen und der menschlichen Gemeinschaft für sein Kommen zu ebnen, nicht immer noch aktuell? Der Advent ist demnach eine Realität, in der wir auch weiterhin leben, und es ist wichtig, daß uns die Kirche jedes Jahr in der Zeit vor der Feier der Geburt des Herrn daran erinnert. 3. Somit ist Jesaja zu allen Zeiten ein außergewöhnlicher Zeuge des messianischen Erwartens Israels und der Menschheit Seine charakteristische Sprache hat gleichzeitig auch eine tiefe metaphysische Bedeutung. Wenden wir uns den Worten der heutigen Lesung zu:, Alles Sterbliche ist wie das Gras, und all seine Schönheit ist wie die Blume auf dem Feld. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, wenn der Atem des Herrn darüberweht. Wahrhaftig, Gras ist das Volk.“ (Jes 40,6-7) Hier wird der Prophet gewissermaßen zur Stimme der Hinfälligkeit des Geschaffenen. Auch der Mensch ist vergänglich. Die Vergänglichkeit der Geschöpfe verlangt vom Menschen, der allein nach dem Abbild Gottes geschaffen ist, das zu suchen, was nicht unwesentlich ist, nämlich das Absolute. Das beweist die Entwicklung des menschlichen Denkens und insbesondere die Geschichte der Philosophie, vor allem der griechischen, die, von der universalen Erfahrung des Menschen ausgehend, in der westlichen Kultur den Weg für das Verständnis der Beziehung zwischen Gott und der Welt bereitet hat. Der menschliche Geist geht auf Gott zu und bleibt in stummem Staunen stehen vor „ihm, der ist“. Gott ist ewig gegenüber allem Zeitlichen, allmächtig gegenüber allem Schwachen und Unbeständigen, heilig gegenüber allem von der Sünde Gezeichneten. 4. Doch die Vision Jesajas ist hiermit nicht zu Ende. Er ist nicht nur ein Philosoph: Er ist ein Prophet, die Stimme Gottes. Er verkündet den lebendigen Gott, jenen sich offenbarenden Gott der zum Menschen spricht. Das Wort, das in diese Welt kommen wird: „Seht, da ist euer Gott. Seht, Gott der Herr, kommt mit Macht ...“ (Jes 40,9-10). Das Ereignis der Nacht von Betlehem vollzieht sich in aller Stille, aber die Engel tragen die Botschaft zu den Hirten von Betlehem, den ersten Zeugen der Geburt des Herrn; sie vernehmen die Botschaft von der Herrlichkeit Gottes in der Höhe 1304 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und dem Frieden auf Erden für die Menschen, die er liebt (vgl. Lk 2,13-14). Der Prophet formuliert all das mit Worten, die nach so vielen Jahrhunderten nichts von ihrer Schönheit und Kraft verloren haben. In der heutigen Liturgie wird auch der Psalm in gewisser Weise zum Echo der Worte Jesajas: „Singet dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Länder der Erde!“ (Ps 96,1). 5. Jesaja stellt den Messias als Hirten dar, der mit starker Hand seine Herde sammelt, der die Lämmer auf dem Arm trägt und die Mutterschafe behutsam führt (vgl. Jes 40,11). Das im alten Testament immer wiederkehrende Bild des Hirten treffen wir erneut im Evangelium, wo Jesus es verwendet, um seine Sendung zu definieren (vgl. Joh 10). Das heute verkündete Evangelium spricht von einem Hirten, der sein verlorenes Schaf sucht „Was meint ihr?“ - fragt Jesus - „Wenn jemand hundert Schafe hat und eines von ihnen sich verirrt, läßt er dann nicht die neunundneunzig auf den Bergen zurück und sucht das verirrte?“ Weiter fügt er hinzu: „So will auch euer himmlischer Vater nicht, daß einer von diesen Kleinen verlorengeht“ (Mf 18,12-14). Das Bild des Guten Hirten führt uns somit ins Herz des Evangeliums. Der von Israel und den Menschen aller Zeiten erwartete Gott ist der von tiefer väterlicher Sorge erfüllte Gute Hirte. Er ist Liebe! Und es ist sicherlich kein Zufall, wenn in der Nacht seiner Geburt gerade die in der Nähe von Betlehem ihre Schafe weidenden Hirten es waren, die als erste dem Gotteskind huldigten. 6. Meine Lieben, eines der bedeutsamsten Ereignisse des nun zu Ende gehenden Jahres war zweifellos das große europäische Jugendtreffen in Loreto. Während dieser Wallfahrt, an der Jugendliche aus allen Ländern dieses Kontinents, angefangen bei Italien, beteiligt waren, richteten sich unsere gemeinsamen Gedanken auf das Haus der Heiligen Familie als einem einzigartigen Symbol der dreißig Jahre familiären Lebens des Erlösers der Welt. Das Haus, in dem Jesus in Weisheit und Gnade vor Gott und den Menschen aufgewachsen ist, wo er der gehorsame Sohn Josefs und Marias war. Loreto: das Geheimnis des Hauses, das man mit dem Bild des Guten Hirten verbinden könnte. Und läßt uns dieses Bild nicht sofort an ein Zuhause denken? An eine sichere Wohnstatt? Das Heim ist ein Ort der aufmerksamen Hinwendung, der fürsorglichen Liebe der Eltern zu den Kindern, der Sorge für jedes „verlorene Schaf1. Eine einzigartige und unvergleichliche Sorge. Das Heim ist Zeuge vieler mütterlicher Tränen, aber auch der grenzenlosen Freude des Guten Hirten, der kraft seiner Liebe „das verlorene Schaf“ zurückführt. 7. Denken wir an unser Zuhause. Überall ist das Elternhaus für jeden - und insbesondere für jeden von euch, liebe Jugendliche - von einzigartiger Bedeutung. Das Heim ist ein großes Gut für den Menschen! Es ist ein Ort des Lebens und der Liebe! Es ist gewissermaßen unser „menschliches Loreto“ ... 1305 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Jugendliche, ich möchte euch auffordem, diese Gedanken während der Adventszeit zu vertiefen, um in euren Herzen das Bild eures Elternhauses neu zu festigen. Seid dankbar für dieses Geschenk der Vorsehung und bittet gleichzeitig darum, daß ihr in eurem Leben die Bedingungen für die Errichtung eines „neuen Heims“ vorbereiten könnt, in welchem ihr eure eigene Familie gründet. Betet stets darum; betet, damit sich diese Perspektive in euren Herzen, bei euren wichtigsten Entscheidungen, mehr und mehr festige und euren Weg und eure Berufung bestimme. In den meisten Fällen handelt es sich wirklich um die Berufung zur Gründung einer Familie. Übernehmt daher all das, was mit einer gesunden christlichen häuslichen und familiären Tradition in Italien und anderen Ländern verbunden ist, und versucht sie eurerseits zu bereichern, indem ihr sie unserer heutigen Zeit anpaßt. 8. „Der Tag des Herrn ist nah: er kommt, uns zu erlösen“ (Vers zum Evangelium). Meine Lieben, wir haben uns hier in der Petersbasilika zusammengefunden, um den Advent zu leben und um uns auf das Kommen Christi vorzubereiten: die historische Ankunft in der Nacht von Betlehem, wie auch jene unablässige und gleichzeitig eschatologische, die sich seit Jahrhunderten vollzieht und am Ende aller Zeiten in Erfüllung gehen wird. Dieses Kommen ist, wie uns die jüngste Wallfahrt der Jugend Europas nach Lo-reto in Erinnerung gebracht hat, in gewisser Weise mit der häuslichen und familiären Dimension verbunden. Möge das bevorstehende Weihnachtsfest die Erkenntnis dieser Wahrheit in uns neu festigen. Während wir uns auf dieses Ereignis vorbereiten, sollten wir Jesus in unser Heim einlassen, damit er uns jene Freude schenken kann, die er den Menschen gebracht hat und immerfort bringen wird. Die Quelle dieser Freude ist der Erlöser der Welt, der kommt, um eine Wohnung für uns vorzubereiten. Das ist die wahre Chance, die uns das Evangelium bietet. Allen Menschen, die auf Erden keine feste Bleibe haben, sagt Christus: Habt keine Angst! Der Mensch vergeht wie das Gras und verwelkt wie die Blume, aber das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit (vgl. Jes 40,6-8). Es verkündet die ewige Wohnung: Gott will, daß wir unsere definitive, ewige Wohnung im Heiligtum seiner Herrlichkeit haben. Möge das heutige Treffen uns diese wunderbare Wahrheit des Advents mit auf den Weg geben. Tragen wir sie in unseren Herzen und versuchen wir sie intensiv zu leben. Amen! Nach der hl. Messe sagte der Papst noch: In der Vorausschau auf Weihnachten möchte ich allen Anwesenden und dieser ganzen großen Universitätsgemeinschaft von Rom und von Italien wünschen, daß sie wirksam zum Aufbau unseres gemeinsamen Hauses beitragen, zum eigenen Haus, zum ganzen häuslichen Bereich im allgemeinen, zum Haus Italien, zum Haus Europa. Alle diese Dimensionen haben eine Beziehung zum Heiligen Haus 1306 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von Loreto, über das wir heute in der Homilie der Messe nachgedacht haben. Und nun meine herzlichen Wünsche zu Weihnachten und zum Neuen Jahr! Gelobt sei Jesus Christus! Der Libanon ist gemeinsame Aufgabe für alle! Predigt bei der Messe zum Abschluß der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon am 14. Dezember „Selig das Volk, das auf die Liebe gegründet ist.“ 1. Diese Worte, die wir soeben als Vers des Antwortpsalmes der heutigen Liturgiefeier gesungen haben, sind sehr passend am Abschluß der Arbeiten der Sonder-versammlung der Bischofssynode für den Libanon. Sie scheinen in der Tat aufs beste der Zielsetzung zu entsprechen, an der sich unsere Arbeiten während der letzten Wochen orientiert haben. Ihrer Natur nach wollen die Bischofssynoden, die das Leben der Kirche in einem Land oder einem Kontinent betreffen, Berührungspunkte zwischen den Menschen, den sozialen Gruppen und den Nationen suchen, um alles auf die Grundlage der Nächstenliebe zu stellen. Das scheint vor allem für den Nahen Osten wichtig zu sein und besonders für euer Land. Wir wissen gut, daß der Libanon ein an unterschiedlichen religiösen und kulturellen Überlieferungen reiches Land ist. Es leben dort Katholiken, die zu verschiedenen Ostkirchen, und solche, die zur lateinischen Kirche gehören, zusammen mit Christen anderer Kirchen und Gemeinschaften. Und mit ihnen sind Muslime dort ansässig. Für alle ist der Libanon eine „gemeinsame Aufgabe“. Alle bedürfen jener sozialen Dimension der Nächstenliebe, die es den Menschen gestattet, gemeinsam Aufbauarbeit zu leisten. Und wir wissen gut, wie sehr der Libanon es nötig hat, zu bauen und wieder aufzubauen, insbesondere da er nach den schmerzvollen Erfahrungen vieler Kriegsjahre einen gerechten und sicheren Frieden in den Beziehungen mit den angrenzenden Ländern sucht. In französischer Sprache setzte der Papst seine Ansprache fort: Das II. Vatikanische Konzil hat dem Volk Gottes die Aufgaben in Erinnerung gerufen, die der Kirche, besonders den Laien, ihrer Berufung entsprechend, in der sozialen und politischen Gemeinschaft zukommen. Beim Erfüllen dieser Aufgaben werden die Gläubigen auch vom Glauben inspiriert. Sie finden in ihm besondere und kraftvolle Begründungen, um sich im Dienst am Gemeinwohl der irdischen Stadt einzusetzen. Es liegt auf der Hand, wie wichtig diese Seite des christlichen Einsatzes im Libanon ist, dessen geschichtliche Wurzeln religiöser Natur sind. Gerade aufgrund dieser religiösen Wurzeln der nationalen und politischen libanesischen Identität wollte und konnte man nach der schmerzvollen Kriegszeit die Initiative zu einer Synodenversammlung anbahnen, um in ihr gemeinsam den Weg 1307 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zur Erneuerung des Glaubens, zur besseren Zusammenarbeit und einem wirksameren gemeinsamen Zeugnis wie auch zum Wiederaufbau der Gesellschaft zu suchen. Diese unsere Überzeugung teilen - dessen bin ich sicher - auch unsere christlichen Brüder und Schwestern mit uns, die nicht zur katholischen Kirche gehören, und ebenso die Muslime. 2. Nun, da wir um den Altar in der Peterskirche versammelt sind, um Gott für das Geschenk der Synode zu danken, erinnert uns die Liturgie daran, wie eines Tages eure Vorfahren, liebe Brüder der Kirche im Libanon, sich in der Menge befanden, die um Jesus geschart war, um seine Unterweisung zu hören. Lukas schreibt: „Viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon strömten herbei. Sie alle wollten ihn hören und von ihren Krankheiten geheilt werden ... Er richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: .Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, wenn die Menschen euch hassen ... um des Menschensohnes willen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein’“ (Lk 6,17-23). Eure Vorfahren vor zweitausend Jahren hörten diese Worte Christi. Aber wurden sie nicht auch für uns gesagt, für die Menschen unserer Zeit, für die Christen von heute, für den Libanon unserer Tage? Ist in diesen Worten Christi nicht etwa ein grundlegendes Programm enthalten, an dem die Versammlung der Bischofssynode sich inspirieren mußte? Hören wir auch weiterhin auf diesen Abschnitt des Evangeliums, und versuchen wir, ihn dem gegenüberzustellen, was in den vergangenen Tagen in der Synodenaula gesagt wurde. Wir tun es und denken dabei mit innerer Bewegung an die Tatsache, daß einmal die Füße des Welterlösers über euren Boden gewandert sind (vgl. Mt 15,21-28; Mkl(26-36), daß seine Augen die Schönheit eures Landes bewundert haben. Daran läßt uns die erste Lesung der heutigen Liturgiefeier denken, die dem Hohenlied entnommen ist. Ich möchte, daß der Blick des Erlösers voll Liebe euch alle begleite, die ihr an der Synoden Versammlung teilgenommen habt, und auch alle Brüder und Schwestern, die ihr vertretet. 3. So schreibt der Apostel im ersten Brief an die Korinther. Auch diese Worte des Paulus hören wir in dem Augenblick, in welchem wir die Synode für den Libanon zum Abschluß bringen, gleichsam an uns gerichtet. Der Apostel schließt sein Hohelied der Liebe mit folgenden Worten: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (1 Kor 13,13). Und kurz zuvor hatte er Worte gesagt, die wir nicht oft genug lesen und bedenken können, nämlich: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht ... sie läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht... Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand“ (1 Kor 13,4-7). Ja, so ist die Liebe! Als der hl. Paulus den Jüngern der Ge- 1308 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinde von Korinth die Wahrheit über die Liebe verkündet, bleibt er dabei, die vielfältigen Früchte aufzuzählen, die sie hervorzubringen vermag und die nicht selten im Leben der einzelnen Menschen oder der Familien, aber auch im Leben ganzer Nationen sichtbar werden. „Selig das Volk, das auf die Liebe gegründet ist“, hat uns der Antwortpsalm gesagt. Und für uns, die wir nach einigen Wochen synodaler Arbeit heimkehren, schwingt in diesen Worten noch ein besonderer Sinnreichtum mit: Sie sagen uns, daß wir gut über das Hohelied der Liebe aus dem Brief an die Korinther nachden-ken müssen, wenn wir fruchtbringend am Wiederaufbau des Libanon arbeiten und zur Wiederherstellung des geistlichen und moralischen Geflechts einer Gesellschaft mit so edlen und alten Traditionen beitragen wollen. Brauchen wir dazu nicht große Geduld? Die Liebe ist geduldig. Müssen wir nicht das unter so vielen Gestalten erlittene Unrecht vergessen? Die Liebe trägt das Böse nicht nach. Ist nicht dazu viel Ausdauer nötig? Die Liebe erträgt alles. Und ist nicht schließlich eine große Hoffnung vonnöten? Die Liebe drängt uns fortwährend, die Schwelle der Hoffnung zu überschreiten. Ehrwürdige und liebe Brüder und Schwestern, bleiben mögen in euch der Glaube, die Hoffnung und die Liebe. Bleiben mögen diese drei göttlichen Tugenden, auf denen sich das christliche Leben aufbaut. Aber vergessen wir nicht, daß die größte von ihnen die Liebe ist. Stellt die Liebe über alles! Amen. Botschaft an die Katholiken Frankreichs vom 15. November Brüder und Schwestern, im September 1996 werde ich die Freude haben, wiederum der Kirche in Frankreich zu begegnen. Zum ersten Mal komme ich in den Westen, nach Sainte-Anne d'Auray, wo die Gläubigen der Bretagne sich gern versammeln, um die Mutter der Heiligen Jungfrau zu verehren. Ich werde meine Pilgerfahrt dann nach Tours fortsetzen, um an der Sechzehnhundertjahrfeier des hl. Martin teilzunehmen, des Mönches und Bischofs, dessen Predigt dazu beigetragen hat, das Evangelium in den Siedlungen und Landstrichen Galliens zu verwurzeln. In Reims werde ich meinen Pastoralbesuch abschließen mit der Fünfzehnhundertjahrfeier der Taufe Chlodwigs, des Frankenkönigs, der nach einer lange herangereiften Sinnesänderung zum christlichen Glauben fand. Diese Taufe hat die Bande zwischen eurer Nation und der Kirche Jesu Christi bedeutend gefestigt. Die Feier dieser Ereignisse lädt euch dazu ein, die Geschenke zu ermessen, die ihr von Gott im Lauf eurer Geschichte erhalten habt. Diese Geschichte war von Prüfungen gezeichnet. Sie ist reich an der Heiligkeit zahlreicher Zeugen. Ihr werdet in ihr Anregung und Mut für eure Zukunft finden. Eure Vorfahren haben es verstan- 1309 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den, die Fackel des Evangeliums kühn bis an die Enden der Erde zu tragen. Sie haben schöpferische Fähigkeiten zu einem vollen Verständnis des Glaubens bewiesen. Doch statt nur Gefallen zu finden an dieser Vergangenheit, nehmt das Beste aus eurem Erbe wieder neu auf. Erinnert euch an das, was die Christen eurer Länder seit den ersten Zeiten bis herauf zu den letzten Generationen, die das große Ereignis des Zweiten Vatikanischen Konzils erlebt haben, für die Universalkirche beigetragen haben. Als ich das erste Mal als Nachfolger des Petrus zu euch kam, hatte ich euch aufgefordert, die Treue zu eurem Taufversprechen zu erneuern. Diesen Aufruf richte ich nun erneut an euch, die ihr den kommenden Generationen den geistigen Schatz, den ihr empfangen habt, übermitteln müßt. Zwar müßt Ihr euch, wie viele eurer Brüder und Schwestern in anderen Ländern, mit den Schwierigkeiten und Unsicherheiten unserer Zeit auseinandersetzen. Nicht alle um euch her teilen ja eure Überzeugungen, und manche nehmen zuweilen eine gegensätzliche Haltung ein. Ihr könntet beunruhigt sein und fürchten, die Kirche in eurem Land sei aufgrund des personellen Rückgangs in der Pastoral eurer Gemeinden gefährdet. Doch haltet die Hoffnung fest, denn Jesus hat versprochen: „Ich bin bei euch alle Tage“ (Mt 28,20). Seid vertraute Freunde Christi. Denkt über sein Wort nach, das die Quelle des Lebens ist. Laßt durch seinen Geist die erbarmende Liebe des Vaters euch tief durchdringen. Sucht im gemeinsamen Gebet und im persönlichen Gespräch von Herz zu Herz mit dem Herrn die Hauptstütze eures Glaubens. Seid der Eucharistiefeier treu, in der Christus, der Erlöser, in der Hingabe seines Lebens die Glieder seines Leibes in sich vereint. Im Anschluß an den Apostel Petrus sage ich euch: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig“ (7 Petr 3,15-16). Laßt im offenen Gespräch mit denen, die unseren Glauben nicht teilen oder sich von ihm entfernt haben, eure Freude darüber erkennen, daß ihr die Wahrheit über den Menschen empfangen habt, wie sie uns Christus voll offenbart hat. Laßt die gelöste Freude und die innere Freiheit sichtbar werden, die der Anteil an der Gemeinschaft der Getauften mit sich bringt. Gebt durch eure gegenseitige Liebe und euren hochherzigen Einsatz als Christen Zeugnis für das Glück, nach dem Evangelium zu leben. Im September 1996 werde ich zu euch kommen, liebe Brüder und Schwestern in Frankreich, und ich bin zuversichtlich im Hinblick auf alles, was ihr zum Wohl der ganzen Kirche zu unternehmen wißt. Antwortet heute mit Überzeugung auf die Fragen unserer Gesellschaft, die oft aufgrund von Spannungen infolge einer Vielfalt von Strömungen und Meinungen verunsichert ist. Wegen eurer Geschichte seid ihr im Hinblick auf die ganze Welt eine Nation, die an der Würde des Menschen und der Solidarität unter den Völkern festhält. Werdet nicht müde, euch als Brüder und Schwestern all derer zu zeigen, die körperlich 1310 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder im Herzen zu leiden haben, der Armen und der Kranken und derer, deren Leben unsicher oder bedroht ist, bei euch oder jenseits eurer Grenzen. Die jungen Katholiken Frankreichs bitte ich zusammen Fortschritte zu machen in der Entdeckung Christi und ganz die Stellung einzunehmen, die ihnen in der Kirche zukommt. Sie werden eine besondere Verantwortung haben, wenn sie die Jugendlichen aus allen Erdteilen aufnehmen, die zu den Weltjugendtagen 1997 kommen. Schon jetzt mögen sie sich darauf vorbereiten! Mögen sie das Beste ihrer menschlichen, geistlichen und kirchlichen Erfahrung zu teilen verstehen! Beauftragt, der Einheit zu dienen und meine Brüder im Glauben zu bestärken, rufe ich eure Gemeinschaften dazu auf, das große Treffen des Jubiläums der Erlösung im Jahre 2000 vorzubereiten. Es wird einen neuen Schritt zum Zusammenbringen der Menschheit in Christus bezeichnen und ebenso zu dem Reich der Liebe, der Einheit, der Gerechtigkeit und des Friedens, das die Welt erwartet. Darum fordere ich die Diözesen Frankreichs, die Pfarreien und die Bewegungen auf, immer besser ihrer Sendung zu entsprechen. Durch seine Gegenwart und durch seine Gnade macht Christus unsere Treue zu den Taufversprechen möglich. An jeden von euch richte ich meinen herzlichen Gruß, an meine Brüder im Bischofsamt, an die Priester, die Diakone, die Ordensleute, die Laien in kirchlicher Verantwortung und alle Gläubigen Frankreichs. Allen Bewohnern der französischen Erde bringe ich meine Sympathie zum Ausdruck. Ich denke besonders an die Kranken und die Bedürftigsten. Euch allen entbiete ich in dieser Weihnachtszeit, da wir das Kommen Jesu zu uns feiern, meine herzlichen Wünsche, und Unsere Liebe Frau, die Hauptpatronin Frankreichs, die hl. Johanna von Are und die hl. Therese von Lisieux in euren Anliegen bittend, erteile ich euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 15. Dezember 1995. Joannes Paulus PP. II Weihnachtslichter als Sinnbilder Grußworte an Gläubige aus der Diözese Regensburg bei der Überreichung des Weihnachtsbaums für den Petersplatz am 16. Dezember Lieber Herr Bischof, liebe Schwestern und Brüder! Mit dem Christbaum, den Ihr aus Eurer Heimat in der Oberpfalz auf den Petersplatz gebracht habt, fühlen wir uns alle reich beschenkt. Bereits seit einigen Tagen ragt dieser prächtige Nadelbaum in den römischen Himmel. Er ist ein Zeichen Eurer Solidarität mit dem Nachfolger Petri und auch ein Gruß der Kirche von Re- 1311 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gensburg an die Pilger, die an Weihnachten aus aller Welt nach Rom kommen. Der Christbaum ist für Euch auch ein Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Licht der Welt. Wie die Hirten von Betlehem müssen wir niederknieen. Sie standen als erste im Lichtstrahl des Geheimnisses, das die Finsternis in der Geschichte des Menschen auf dieser Erde erhellt, wie bereits Jesaja geschrieben hat: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“ (9,1). Jenes Licht von Betlehem war von überirdischer Art; es war mehr auf das Herz und die Seele des Menschen gerichtet als auf seine Augen. Das Geheimnis des Lichtes ist den Hirten zugänglich geworden: sie haben es angenommen, sie haben sich ihm genähert. Das Licht, das sie erleuchtet hat, ist der „Glanz des Herrn“. Gott wohnt „in unzugänglichem Licht“ (1 Tim 6,16), und auch der Gott, der als kleines Kind in der Krippe liegt, wohnt in solchem Licht. Die Geburt des Herrn ist ein Licht der Sinngebung: das Licht, in dem alle Dinge ihren Sinn wiederfinden und vor allem der Mensch und sein Leben. Dieser leuchtende Sinn überstrahlt die ganze Erde. Symbolisch für dieses Licht strahlen die Lichter am Christbaum. Sie erhellen die staunenden Augen von Kindern und Erwachsenen aus aller Welt. Und diese strahlenden Augen stellen den schönsten Dank dar für alle, die sich um dieses Weihnachtsgeschenk des Christbaumes verdient gemacht haben. Vertreter von all diesen Menschen Eurer Heimat in der Oberpfalz sind hier zugegen. Euch alle möchte ich herzlich begrüßen; ich nenne vor allem die Vertreter der Diözese Regensburg mit ihrem Bischof Manfred Müller und dem für die Organisation verantwortlichen Domkapitular Grabmeier, Frau Staatssekretärin Hohlmeier in Vertretung des geschätzten Herrn Ministerpräsidenten Stoiber des Freistaates Bayern, Herrn Regierungspräsident Metzger aus Regensburg, Herrn Bürgermeister Grass aus Obertraubling sowie die Mitglieder des Schützenvereins Oberhinkho-fen, die Blaskapelle Obertraubling und den Akkordeon-Club Regensburg, die diese Tage noch zusätzlich mit ihren christlichen weihnachtlichen Liedern verschönern. Neben der Diözese Regensburg, den Stiftern des Christbaumes und den Schützen, gilt mein besonderer Dank den Behörden der Republik Italien für ihr großzügiges Entgegenkommen bei der Beförderung des Baumes, das vor allem dank des Einsatzes des Herrn Abgeordneten Hans Widmann und seiner Mitarbeiter ermöglicht wurde, sowie der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl mit Herrn Botschafter Dr. Jenninger an der Spitze. Nehmt meine besten Wünsche für ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr mit zu euren Familien und Gemeinden, die ebenfalls durch das Aufstellen von Christbäumen und Krippen ihrer Freude auf das Kommen des Herrn Ausdruck verleihen. Mögen die kommenden Festtage bei allen den Glauben an Gottes barmherzige Nähe und Liebe neu beleben und bestärken. Dazu ertreile ich Euch und allen Euren Angehörigen und Freunden zu Hause von Herzen den Apostolischen Segen. 1312 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Engagierte Mitarbeit von Menschen aller Kontinente in der Kirche Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der Römischen Kurie am 22. Dezember 1. „Puer natus est nobis, filius datus est nobis“ (Jes 9,5). Diese Worte des Propheten Jesaja erklingen jedes Jahr in der Mittemachtsmesse des Weihnachtsfestes. Man sagt, Jesaja sei sozusagen ein Evangeüst des Alten Bundes. Sein inspirierter innerer Blick dringt durch die Jahrhunderte, gewahrt die zukünftigen Ereignisse und läßt sie uns im Licht Gottes betrachten. „Puer natus est nobis“! Gerade davon werden wir übermorgen um Mitternacht Zeugen sein in der Eucharistiefeier, die die einzigartige Liturgie am Fest der Geburt des Herrn kennzeichnet. Wir werden die Lesung aus dem Evangelium des hl. Lukas hören, der dieses Ereignis ausführlich schildert; und dann öffnen sich in der Messe „in der Morgenfrühe“ und in der Messe „am Tag“ unsere Augen immer mehr bis zu dem vollen Licht, das wir aus dem Evangelium des Johannes empfangen. „Filius datus est nobis“! Filius: das Ewige Wort, der Sohn, gleichen Wesens mit dem Ewigen Vater. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (.Joh 1,1). So beginnt das Johannesevangelium, und gleich darauf, noch im Prolog, hören wir: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ {Joh 1,14). ,Filius datus est nobis.“ Vorausverkündet vom Propheten Jesaja, ist das in Betlehem geborene Kind, der Sohn der Jungfrau Maria, der Sohn des ewigen Gottes, „starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens“ (Jes 9,5), „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“. Diesen Sohn hat Gott, der Vater, uns geschenkt! „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). In der Weihnacht wurde der Menschheit das höchste und unsagbare Geschenk gemacht, das Geschenk Gottes selbst. Diese Zuwendung ist nicht nur großmütig, sie ist auch unwiderruflich. Sie ist voll der Freigebigkeit Gottes, der seinen ewigen Plan nicht rückgängig macht. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt ... Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,14.12). 2. Deshalb ist das Geburtsfest des Herrn eine Einladung, einander zu beschenken. Die Menschen, denen Gott seinen ewigen Sohn in der Einheit der menschlichen Natur darbietet und schenkt, empfinden das Bedürfnis, auf dieses Geschenk Gottes zu antworten, indem auch sie einander Geschenke anbieten. Wenn die Bereitschaft zum Geben immer die christliche Berufung kennzeichnet, so scheint sie in der Weihnachtszeit nach besonderen Ausdrucksformen zu suchen. Zeichen dafür ist 1313 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN insbesondere das Zusammenkommen zum Austausch der Segenswünsche. In erster Linie ist die Familie der Ort, wo man sich dazu trifft, vor allem beim Abendessen an der Weihnachtsvigil, wenn sich Eltern und Kinder und alle Mitglieder der Familiengemeinschaft mit ihren Lieben und ihren Bekannten einfinden. In dem Land, aus dem ich komme, ist mit dem Treffen am Vorabend von Weihnachten die Tradition verbunden, die sogenannte Weihnachtsoblate zu brechen, das Brot der Vigil. Dieser Brauch erinnert an das Brot, das wir auf den Altar legen und das durch die eucharistische Wandlung zum Leib Christi wird. Bei den Gläubigen ruft das Brotbrechen, die fractio panis, die Erinnerung an die ältesten christlichen Überlieferungen wach. Es hat einen tief religiösen Charakter. Mit jemandem das Brot zu brechen ist nicht lediglich als formelles Wohlwollen der oder dem Betreffenden gegenüber zu verstehen, sondern als volle Bereitschaft, alles Gute für sie oder ihn zu wollen und zu tun. So führt uns das Brechen des weißen Weihnachtsbrotes am Heiligen Abend in gewissem Sinn zurück zu der Definition, die das II. Vatikanische Konzil, an dessen Abschluß vor dreißig Jahren wir dieses Jahr denken, vom Menschen gegeben hat. Das Konzil lehrt, daß der Mensch sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). Das traditionelle Teilen des Brotes am Heiligen Abend, ein Brauch, der einen Widerschein der eucharistischen Liturgie erkennen läßt, erinnert daran, daß der Sohn Gottes sich in seiner Menschwerdung für uns zur Gabe gemacht hat. Zugleich will es unsere eigene Bereitschaft hervorheben, zur Gabe für die anderen zu werden. Nachdem das Weihnachtsbrot feierlich gebrochen wurde, beginnt das Abendessen, bei dem die Tischgenossen sich unterhalten. Diese Unterhaltung hat einen besonderen Charakter, denn es geht dabei um die untereinander bestehenden Beziehungen: Es wird über das gesprochen, was die einzelnen verbindet, und das, was sie vielleicht trennt. Und wenn man auf Mißverständnisse trifft, sucht man gemeinsam nach Wegen, sie zu überwinden. Man denkt an die Menschen, mit denen man in Liebe verbunden ist, besonders die Abwesenden, die Lebenden und die Verstorbenen. Sich bei Tisch zusammenfinden ist eine bevorzugte Gelegenheit, Verbindungen anzuknüpfen, Versöhnung und Gemeinschaft zu fördern. In der Tischgemeinschaft am Heiligen Abend findet gewissermaßen jeder einen Platz. 3. Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, Ordensmänner und Ordensfrauen, liebe Brüder und Schwestern, an alle richte ich meinen herzlichen Gruß. In den liebevollen Worten des Herrn Kardinaldekans, dem ich herzlich danke, habe ich zu meinem Trost die aufrichtigen Empfindungen eines jeden von euch vernommen. Ihr alle habt eure persönliche Erfahrung mit der Atmosphäre, die dem Heiligen Abend eigen ist. Wir möchten, daß diese Atmosphäre auch in gewisser Weise unsere heutige Zusammenkunft kennzeichne. Dieser Augenblick, dieses traditionelle Treffen zum Austausch der Glückwünsche dient unserer Gemeinschaft als Kurie dazu, daß auch wir uns als eine Familie fühlen. Der Apostolische Stuhl und die Römische Kurie erfüllen ja nicht nur ihre mit 1314 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Petrusdienst des Bischofs von Rom verbundenen Aufgaben, sondern sie führen zusammen und vereinen Menschen, die aus jedem Kontinent kommen, um im Dienst des Gottesreiches zusammenzuarbeiten. Und das läßt sie auf verschiedene Weise zum gegenseitigen Geschenk werden. Liebe Brüder und Schwestern, die Aufgaben und der Dienst, den ihr täglich in den verschiedenen Dikasterien der Römischen Kurie leistet, sind für den Papst eine außerordentliche Hilfe. Dessen werde ich mir jeden Tag bewußt, und ich versäume keine Gelegenheit, um es zu betonen. Wie wertvoll sind eure Kompetenz, euer Eifer und eure Liebe zur Kirche! Ich möchte das heute wieder ganz besonders unterstreichen, während ich euch aufrichtigst danken möchte für diese eure unersetzbare Mitarbeit. Ich möchte euch sagen, welch bedeutsames Geschenk für mich jeder von euch ist und wie vortrefflich die Aufgabe, die jeder im zentralen Organismus der katholischen Kirche erfüllt. Die Apostolische Konstitution, die die Struktur und die Tätigkeit der Römischen Kurie regelt, beginnt mit den Worten Pastor bonus. Diese Worte bezeugen den Wunsch und Willen, daß Er, der Gute Hirte, immer in unserer Mitte sein möge, um unser Handeln und unser Leben als Menschen, die in seiner Herde zu einem besonderen Dienst berufen sind, zu inspirieren. 4. Der Apostolische Stuhl hat die Türen weit geöffnet. Hier treffen Menschen aus aller Welt zusammen: Vertreter von Staaten und internationalen Organisationen,Vertreter der Kultur, der Wissenschaft und einzelner Berufe. Es kommen Mitglieder der männlichen und weiblichen Ordensfamilien, Priester und vor allem Bischöfe, deren Besuche einen großen Teil der täglichen Tätigkeit des Papstes ausmachen. Besonders die Ad-limina-Besuche gestatten mir die systematische Erfüllung des brüderlichen Dienstes an allen Teilkirchen der Welt. Welche Freude ist es für mich, diese Brüder im bischöflichen Dienst nicht nur bei der offiziellen Audienz, sondern auch vorher, am eucharistischen Tisch bei der Konzelebration der heiligen Messe, und nachher bei der gemeinsam gehaltenen brüderlichen Agape zu treffen. Wie groß ist meine Freude, wenn sie mir ihre Zufriedenheit über ihre gute Aufnahme bei den einzelnen Dikasterien zum Ausdruck bringen und über den Nutzen, den sie aus den Begegnungen mit den Herren Kardinälen und deren Mitarbeitern ziehen! Sie berichten über die Dienstbereitschaft, die sie dort antreffen, und über die ausgezeichnete Vorbereitung jedes Treffens. So kehren sie gestärkt zu ihren Gemeinschaften zurück, entsprechend dem, was Jesus, der Herr, zu Petrus sagte: „Stärke deine Brüder!“ (Lk 22,32). Wir alle wissen, daß es nur dann möglich ist, solch einen stärkenden Trost anzubieten, wenn jeder von uns wirklich ein Geschenk für die andern zu sein weiß. 5. Wir begegnen uns jetzt, da das Fest der Geburt des Herrn schon ganz nahe ist, und denken zurück an das, was das zu Ende gehende Jahr uns gebracht hat. Der Herr Kardinaldekan hat es angedeutet. Vor allem haben wir wieder die unüberseh- 1315 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bare Menge junger Menschen im Sinn, die sich im vergangenen Januar in Manila zum Weltjugendtag versammelt hat. In Europa war im September die Jugendwallfahrt nach Loreto zur Siebenhundertjahrfeier des Heiligen Hauses ein Echo darauf. Sodann denke ich an die fünfzig Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und seit der Gründung der Vereinten Nationen. Die Erinnerung an den Abschluß des schrecklichsten Krieges der Menschheitsgeschichte hatte den Zweck, den Krieg als Mittel zur Konfliktlösung erneut abzulehnen und die Kräfte zu verdoppeln, um den Kriegen von heute, vor allem dem Krieg im Balkan, ein Ende zu machen. Nach vier Jahren des Gebetes und der unaufhörlichen Bemühungen lassen sich in Bosnien endlich positive Aussichten auf Verständigung absehen; hoffentlich sind sie fest und von Dauer. Möge der Herr diesen mühsamen Weg zu Versöhnung und Frieden zur Vollendung bringen! Auch in der Ansprache, die ich kürzlich an die Vollversammlung der UNO gehalten habe, empfand ich es als Pflicht, einige Grundwerte in Erinnerung zu rufen, auf deren Basis die Welt erneut auf den Frieden hoffen darf und auf die Überwindung der wiederholten Versuchung zu Mutlosigkeit und Angst. Im übrigen trage ich noch lebhaft im Geist und im Herzen die Begegnungen, die der Herr mir geschenkt hat mit den Bevölkerungen von Papua-Neuguinea, Australien und Sri Lanka, mit denen der Tschechischen und der Slowakischen Republik, mit den Menschen im Süden meiner polnischen Heimat, in Belgien, Kamerun, Südafrika und Kenia und in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Pastoraireisen sind immer vorzügliche Gelegenheiten, die Vitalität der Kirche zu bezeugen und der Welt die unvergängliche Neuheit des Evangeliums zu verkündigen. Im Lauf des Jahres konnte ich mit eurer Hilfe wichtige Dokumente veröffentlichen. Darunter die Enzykliken Evangelium vitae und Ut unum sint, den Brief an die Frauen, das Apostolische Schreiben Orientale lumen, das Schreiben zur Vierhundertjahrfeier der Union von Brest und das nachsynodale Schreiben Ecclesia in Africa. Sodann hat kürzlich im Vatikan die erwartete Sondersynode der Bischöfe für den Libanon stattgefunden, der das Treffen mit den Bischöfen der Ukraine vorausging. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, daß gerade in diesem Saal hier mein Vorgänger Clemens VIII. am 23. Dezember 1595 die Bischöfe empfing, die als Vertreter der Metropolie Kiew kamen, und mit dieser kirchlichen Gemeinschaft die volle „Communio“ wiederherstellte. Morgen also sind es genau vierhundert Jahre seit diesem bedeutsamen Ereignis, das als „Union von Brest“ in die Geschichte einging. Diese geschichtliche Perspektive hilft uns auch, die genannten synodalen Treffen als Wegstrecken des christlichen Volkes zu erkennen, das sich heute auf den Spuren des II. Vatikanischen Konzils auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereitet. 6. Dieser Tage habe ich, um der Evangelisierung neuen Antrieb zu geben, gerade im Hinblick auf den bedeutenden Anlaß der Jubiläumsfeier des dritten Jahrtausends, für die Gläubigen der Kirche von Rom eine große Mission angekündigt. Es 1316 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gibt viele lebendige Kräfte in dieser Kirche, von den im eigentlichen Sinn diöze-sanen bis zu denen der Ordensinstitute und der nationalen und internationalen Laienbewegungen sowie denen, die unmittelbar mit dem universalen Dienst des Nachfolgers Petri verbunden sind. Alle und jede bitte ich um ihren größten Einsatz, vor allem im Gebet und in der konkreten Mitwirkung bei der Vorbereitung und der Verwirklichung dieser Initiative, die den von der Diözesansynode angebahnten Weg weitergehen und allen die Möglichkeit zu einer persönlichen und lebendigen Begegnung mit Christus und seinem Evangelium anbieten will. Diese Mission hat zwei Ziele. Das erste ist ein engmaschiges Vorgehen, um die Menschen aller Stadtviertel und Vororte zu erreichen, auch die, die für gewöhnlich der Praxis des christlichen Glaubens gegenüber gleichgültig sind oder femstehen, in einem missionarischen Stil, der jede Pfarrei und Gemeinschaft einbezieht. Gefragt ist mutiges und offenes pastorales Handeln, das es erlaubt, dem notwendigen Werk der Neuevangelisierung Dauer zu verleihen. Das andere Ziel besteht darin, zur Stadt im ganzen zu sprechen, zu ihrer Seele, ihrer kollektiven Kultur, und das Gespräch wieder aufzunehmen, das im Verlauf der Synode begonnen hat durch die „Konfrontierung mit der Stadt“, um das Evangelium Christi in das soziale und kulturelle Leben zu inkarnieren. Es handelt sich gewiß um ein schwieriges Unternehmen. Aber es muß mit der Zuversicht dessen in Angriff genommen werden, der auf die leise, geheimnisvolle Kraft Christi, des Erlösers des Menschen, vertraut. Es wird notwendig sein, zu diesem Zweck einerseits jene Bereiche und Verknüpfungspunkte mit Sorgfalt zu erkunden, die die Beziehung zwischen Rom und der christlichen Botschaft mehr begünstigen oder mehr behindern könnten, andererseits herauszufinden, wo schon Christen einzeln oder mit anderen zusammen in verschiedenen Aufgaben in den einzelnen Sektoren des städtischen Lebens tätig sind. Es ist nämlich wichtig, von ihrem Einsatz Gebrauch zu machen, ihnen Anregung zu geben und sie, wenn nötig, neu zu motivieren, um ihnen den Sinn für das größer angelegte Werk einer gemeinsamen Mission zu erschließen. Bitten wir den Herrn, daß diese Stadtmission ein echter Schritt voran sei in der Vorbereitung des Großen Jubiläums, und zwar so, daß sie, wenn auch je nach der Situation verschieden, ein anziehender Vorschlag für andere Diözesankirchen wäre. Ich möchte diese Gesamtübersicht abschließen, indem ich noch den kommenden Welttag des Friedens erwähne, der unter dem Thema steht: ,3ereiten wir den Kindern eine friedliche Zukunft!“ Jesus, Gott, der du für uns zum Kind geworden bist, erlange der Menschheitsfamilie dieses Geschenk! Christus, der göttliche Neugeborene, im Stall von Betlehem zur Welt gekommen, lehrt uns, wie wir Geschenk sein können für andere, Er, der sich zum Geschenk für uns gemacht hat. Während der weihnachtlichen Feste wollen wir ihm besonders dafür danken. Und der Einladung der Weihnachtsliturgie folgend, kehren wir in Gedanken an den Ort zurück, wo „das Wort Fleisch geworden ist“ (vgl. Joh 1,14), kehren wir zurück nach Betle- 1317 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hem, wo zugleich mit der Geburt des Erlösers die Ehre Gottes und der himmlische Friede den Menschen verkündet wurden, die er liebt (vgl. Lk 2,14). Möge, meine Lieben, diese Weihnachtsbotschaft erneut im Leben aller Wirklichkeit werden. Das ist mein Wunsch für euch alle, den ich mit einem besonderen Gebetsgedenken bekräftige. Allen meinen Segen. Frohe Weihnachten! Weihnachten bringt Hoffnung auf neuen Frieden Predigt während der Mittemachtsmesse am 25. Dezember 1. „Heute ist uns der Heiland geboren“ (Antwortpsalm). Dem „Heute“ des großen Geheimnisses der Menschwerdung entspricht besonders diese Stunde, in der wir die sogenannte Mittemachtsmesse oder „Christmette“ feiern. Der Überlieferung nach kam der Sohn Gottes in Betlehem mitten in der Nacht zur Welt. Wir lesen im Text des Propheten Jesaja: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“ (Jes 9,1). Zu diesem Volk gehörten die Hirten von Betlehem, die nachts bei ihrer Herde wachten und die als erste die Nachricht erreichte: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,11). Und als erste liefen sie, dem Ruf des Engels folgend, zu dem Stall, in dem Jesus geboren war. „Heute ist der Retter geboren: Christus, der Herr!“ Diese frohe Nachricht ist eine Einladung an die ganze Schöpfung, dem Herrn „ein neues Lied“ zu singen: „Der Himmel freue sich, die Erde frohlocke, es brause das Meer und alles, was es erfüllt. Es jauchze die Flur und was auf ihr wächst. Jubeln sollen alle Bäume des Waldes“ (Ps 96,11-12). Deshalb erklingen in der Heiligen Nacht auf der ganzen Erde frohe Lieder in allen Sprachen der Welt. Diese Lieder besitzen einen besonderen Zauber und tragen dazu bei, die unverwechselbare Atmosphäre dieser Zeit des liturgischen Jahres zu schaffen. In der Tat, wie der Prophet Jesaja sagt: „Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude“ (Jes 9,2)! 2. „Heute ist geboren“ (vgl. Lk 2,11). Neben dem Ausdruck „ist geboren“, natus est, finden wir in den liturgischen Texten oft einen anderen Ausdmck: appamit, „ist erschienen“, „hat sich gezeigt“. Wenn ein Kind geboren wird, erscheint eine neue Person in der Welt. In bezug auf die Geburt des Sohnes Mariens in Betlehem spricht die Liturgie von „Erscheinung“, wie besonders im Brief des Apostels Paulus an Titus betont wird: „Denn die Gnade ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11). „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt“, heißt es bei Jesaja (9,5). In diesem Kind ist die Gnade Gottes erschienen, die allen Menschen die Rettung bringt. Diese Gnade ist vor allem er selbst, der eingeborene Sohn des ewigen 1318 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vaters, der in dieser Stunde Mensch wird, geboren von einer Frau. Seine Geburt in Betlehem stellt den ersten Augenblick der großen Offenbarung Gottes in Christus dar. Die Hirten kommen zu dem Stall und finden dort den Retter der Welt, Christus, den Herrn (vgl. Lk 2,11). Obwohl ihre Augen ein neugeborenes Kind, in Windeln gewickelt, in einer Krippe sehen, erkennen sie in diesem ,(Zeichen“ durch das innere Licht des Glaubens den von den Propheten angekündigten Messias. In ihm zeigt sich die Liebe Gottes zum Menschen, zur ganzen Menschheit. Er, der in der Nacht von Betlehem geboren wird, kommt in die Welt, um sich für uns hinzugeben, „um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (Tit 2,14). 3. „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ {Lk 2,14). Dieser Hymnus, der fest in die liturgische Tradition der Kirche eingegangen ist, erklingt erstmals in der Nacht von Betlehem und spricht von einer einmaligen, außerordentlichen Annäherung zwischen Gott und dem Menschen. Tatsächlich hat sich Gott nie so sehr dem Menschen genähert wie in jener Nacht, als der eingeborene Sohn des Vaters Mensch geworden ist. Und obwohl seine Geburt unter bescheidenen und ärmlichen Umständen erfolgte - Jesus wurde in Armut in einem Stall wie ein Obdachloser geboren -, war sie dennoch voll göttlicher Herrlichkeit. Denn Herrlichkeit bedeutet nicht nur äußeren Glanz, sondern heißt vor allem Heiligkeit. Die Geburtsstunde des Sohnes Gottes im Stall von Betlehem ist die Stunde, in der Gottes Heiligkeit in die Weltgeschichte einbricht. „Heilige Nacht“, heißt es in einem bekannten Weihnachtslied. Nacht, die zugleich den Beginn des Heilsplans des Neuen Gesetzes durch den Einen bedeutet, der allein der „Heilige Gott“ ist. Eben dies verkündet der Engelsgesang, der die Geburt des Herrn begleitet. Zugleich verkündet er den Frieden auf Erden. Wir denken vor allem an den Frieden im geschichtlichen Sinn. So erneuert sich in uns in der Nacht der Geburt des Herrn die Hoffnung auf Frieden für alle Menschen und für alle Völker, die vom Krieg betroffen sind: in den balkanischen Ländern, in Afrika und an jedem Ort, wo es an Frieden fehlt. Aber in der Weihnachtsliturgie hat das Wort „Frieden“ noch eine andere, tiefere Bedeutung. Es bezieht sich auf den Neuen Bund Gottes mit den Menschen, auf seine Erneuerung und endgültige Vollendung. Wenn der Bund Gottes mit den Menschen eine Wirklichkeit ist, die die ganze Heilsgeschichte miteinbezieht, hätte sie keinen vollkommeneren Ausdruck als diesen finden können: Gott hat in sich selbst die Menschheit angenommen, indem er sie in der einzigartigen Person des Sohnes annahm. Auf diese Weise hat er in sich das Göttliche mit dem Menschlichen verbunden als ewiges und festes Fundament des Friedens und des ewigen Bundes. Deshalb singt die ganze Kirche in dieser Nacht ein neues Lied: „Ehre sei dir, menschgewordener Gott, und Friede den Menschen, die durch deine Liebe gerettet sind!“ 1319 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi Geburt eröffnet neue Horizonte für die Menschheit Weihnachtsbotschaft am 25. Dezember 1. „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ (Hebr 1,5). Die Worte der heutigen Liturgie führen uns in das Geheimnis der Geburt - von Ewigkeit her, vor aller Zeit - des Sohnes Gottes ein, des Sohnes, eines Wesens mit dem Vater. Im Johannesevangelium heißt es: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott“ {Joh 1,1-2). Im Credo bekennen wir die gleiche Wahrheit: „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“ Das ist die frohe Nachricht von der Geburt des Herrn, die die Evangelisten und die apostolische Tradition der Kirche übermittelt haben. Heute wollen wir sie „der Stadt und dem Erdkreis“, Urbi et Orbi, verkünden. 2. „Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden“ (Joh 1,10). Er, der in der Weihnachtsnacht zur Welt kommt, kommt zu den Seinen. Warum kommt er? Er kommt, um eine „neue Kraft“ zu vermitteln, eine „Macht“, die sich von derjenigen der Welt unterscheidet. Arm kommt er in einen Stall in Betlehem - mit dem höchsten Geschenk: Er schenkt den Menschen die Gotteskindschaft. Allen, die ihn aufnehmen, gibt er „Macht, Kinder Gottes zu werden“ {Joh 1,12), damit sie in ihm, dem ewigen Sohn des ewigen Vaters, „aus Gott geboren werden“ (vgl. Joh 1,13). Denn in ihm, in dem Neugeborenen der Heiligen Nacht, ist das Leben (vgl. Joh 1,4): das Leben, das den Tod nicht kennt; das Leben Gottes selbst; das Leben, das - wie der hl. Johannes sagt - das Licht der Menschen ist. Das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht erfaßt (vgl. Joh 1,4-5). In der Weihnachtsnacht erstrahlt das Licht, das Christus ist. Es leuchtet und dringt in die Menschenherzen, indem es das neue Leben in sie einpflanzt. Es zündet in ihnen das ewige Licht an, das den Menschen immer erleuchtet, sogar wenn die Finsternis des Todes seinen Leib umhüllt. Deshalb „ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ {Joh 1,14). 3. „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf1 {Joh 1,11), heißt es im Prolog des Johannesevangeliums. Der Evangelist Lukas bekräftigt diese Wahrheit und weist darauf hin, daß „in der Herberge kein Platz für sie war“ {Lk 2,7). „Für sie“, das heißt für Maria und Josef und für das Kind, das geboren werden sollte. Das ist ein Thema, das in den Weihnachtsliedem oft aufgegriffen wird: „Die Seinen nahmen ihn nicht auf ...“ In die große Herberge der menschlichen 1320 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaft und in die Meine Herberge unseres Herzens kommen auch heute an der Schwelle des Jahres 2000 so viele Arme und bitten um Einlaß! 4. Es ist Weihnachten: das Fest der Gastfreundschaft und der Liebe! Werden an diesem Tag die aus Bosnien-Herzegowina vertriebenen Familien Aufnahme finden, die noch bang auf die Früchte des Friedens warten, dieses kürzlich verkündeten Friedens? Werden die Flüchtlinge von Ruanda in ein wahrhaft versöhntes Land zurückkehren können? Wird das Volk von Burundi imstande sein, den Pfad eines geschwisterlichen Friedens zu finden? Wird die Bevölkerung Sri Lankas die Möglichkeit haben, gemeinsam, Hand in Hand, in Brüderlichkeit und Solidarität in die Zukunft zu blicken? Wird dem irakischen Volk endlich die Freude geschenkt, nach langen Jahren des Embargos wieder eine normale Existenz aufbauen zu können? Wird die Bevölkerung Kurdistans Aufnahme finden? Viele Menschen unter ihnen müssen erneut den Winter unter den härtesten Bedingungen überstehen. Und wie könnte man die Brüder und Schwestern des südlichen Sudan vergessen, der immer noch von der unablässig genährten bewaffneten Gewalt beherrscht wird? Wir dürfen schließlich das algerische Volk nicht vergessen, das weiter leidet und Opfer qualvoller Prüfungen ist. In diese verwundete Welt bricht das liebenswerte, zarte JesusMnd ein! Es kommt, um den Menschen zu befreien, der vom Haß verblendet und SMave von Partikularismen und Spaltungen ist. Es kommt, um neue Horizonte zu eröffnen. Der Sohn Gottes läßt die Hoffnung keimen, daß endlich der Frieden am Horizont erscheint, trotz so großer Schwierigkeiten. Vielversprechende Zeichen sind auch in leidgeprüften Ländern wie in Nordirland und im Nahen Osten zu sehen. Mögen die Menschen ihr Herz dem Wort Gottes öffnen, das in der Armut von Betlehem Fleisch geworden ist. 5. Das ist das Geheimnis, das wir heute feiern: Gott „hat zu uns gesprochen durch den Sohn“ (Hebr 1,2). Viele Male und auf vielerlei Weise hatte Gott durch die Propheten gesprochen, aber als „die Zeit erfüllt war“ (Gal 4,4), hat er durch seinen Sohn gesprochen. Der Sohn ist der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters; das Abbild seines Wesens, das durch sein machtvolles Wort alles trägt. Das sagt der Autor des Briefes an die Hebräer über den neugeborenen Sohn Mariens (vgl. Hebr 1,3). Wenn Gott, unser Vater, die Welt durch ihn erschaffen hat, ist er auch der Erstgeborene und der Erbe der ganzen Schöpfung (vgl. Hebr 1,1-2). Dieses arme Kind, für das „in der Herberge kein Platz war“, ist allem Anschein zum Trotz der einzige Erbe der ganzen Schöpfung. Er ist gekommen, um dieses Erbe mit uns zu teilen, damit wir, die wir AdoptivMnder Gottes geworden sind, an dem Erbe teilhaben, das er mit sich in die Welt gebracht hat. Ewiges Wort, heute sehen wir deine Herrlichkeit, „die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). 1321 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die alte und immer wieder neue frohe Nachricht von deiner Geburt gelange über die Ätherwellen zu den Völkern und Nationen eines jeden Kontinents und bringe der Welt den Frieden. Christliche Soziallehre - Wegweiser für den Rechtsstaat, Relativismus ist keine Grundlage für die Demokratie Predigt während Vesper und Te Deum zum Jahresabschluß in Sant’Ignazio in Rom am 31. Dezember 1. „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau Brüder und Schwestern! Dieses Wort, das der Herr soeben an uns gerichtet hat und das dem Brief des hl. Paulus an die Galater entnommen ist - eines der wichtigsten Worte über das Geheimnis der Menschwerdung -, hilft uns, kurz die einzelnen Aspekte dieser denkwürdigen „Stunde“ zusammenzufassen, die wir begehen. Denn wir sind heute abend wie gewohnt zusammengekommen, um zum Jahresabschluß Gott feierlich Dank zu sagen. Gleichzeitig feiern wir an diesem Sonntag, dem liturgischen Jahreskreis folgend, mit der ganzen Kirche das Fest der Heiligen Familie und werden mit dieser Vesper in das Hochfest der Gottesmutter Maria eingeführt. Wir erleben also am letzten Tag des Jahres, daß sich zwei wichtige Feste der Weihnachtszeit überschneiden, an denen Maria, die Mutter des Herrn, die mit Josef verlobt war, eine Hauptrolle spielt. All das bereichert unseren heutigen Lobpreis und regt uns vor allem zu einer Meditationspause voll dankbaren Staunens an in der inneren Haltung der Jungfrau von Nazaret, die, wie der Evangelist Lukas berichtet, jedes Wort und jedes Ereignis in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte (vgl. Lk 2,19.51). 2. Der Abschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Kolosser, den wir auch gehört haben, stammt aus der Liturgie des Festes der Heiligen Familie. Er stellt wunderbar die Schönheit des Familienlebens heraus, in dem Gesinnungen wie Güte, Demut, gegenseitige Vergebung und Herzensfrieden vorherrschen sollen: „Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe hält alles zusammen und macht es vollkommen“ (Kol 3,14). Das ist die Atmosphäre der Familiengemeinschaft, wie Christus sie gewollt und eingesetzt hat! Eine Familie entsteht durch das Ehesakrament, in dem die Brautleute sich einander schenken und annehmen, während sie sich gegenseitig Treue, Liebe und Achtung für das ganze Leben, in Glück und Unglück, versprechen. Wenn sie einander dieses Versprechen geben, verpflichten sich die Eheleute in gewissem Sinn auch den Kindern gegenüber. Denn auch für sie gilt das Verspre- 1322 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen gegenseitiger Treue. Mit ihr werden die Kinder rechnen, und aus der Erfahrung, wie sie tagtäglich und beharrlich gehalten wird, werden sie lernen, was es heißt, einander wirklich zu lieben, und wieviel Freude aus der vorbehaltlosen gegenseitigen Hingabe erwachsen kann. Wie könnte man in diesem Zusammenhang nicht auf die Familie von Nazaret schauen? Von ihr strahlt die Liebe, die Nächstenhebe, aus, die nicht nur ein beredtes Vorbild für die Familien ist, sondern auch die Hoffnung schenkt, daß es im Alltag verwirklicht werden kann. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Heute, am letzten Tag des Jahres 1995, endet ein weiteres Jahr, das wir der Geschichte übergeben. Wir erleben wieder einmal das Gesetz der Zeit, das uns im Verlauf unseres Lebens auf Erden begleitet. Wir spüren es ganz besonders an dem Tag, an dem das ausgehende Jahr dem kommenden Platz macht. Und weil das Jahr 1995 mit dem Fest der Heiligen Familie endet, möchte ich allen Familien mein Gedenken und Beten widmen für eine Zukunft voll Freude und Frieden. Als Bischof von Rom denke ich in diesem Augenblick vor allem an die häuslichen Gemeinschaften der Stadt; ich denke an jede christliche Gemeinschaft in Rom, der ich als Oberhirte dieser Stadt zu dienen berufen bin. Ich danke der göttlichen Vorsehung, daß ich auch im Laufe dieses Jahres eine ganze Anzahl von Pfarreien und Kirchen Roms besuchen konnte: im vergangenen Frühjahr waren es Santa Maria del Soccorso, Santa Givanna Antida Thouret, Santa Maria del Rosario, Santa Maria Consolatrice, Santo Spirito in Sas-sia und Santa Maria in Vallicella und vor kurzem San Romano Martire, Santi Mario e Familiari Martiri, die Kirche der Friesen, Santi Martino e Antonio Abate und Santa Maria Regina Apostolorum. Die Zahl der besuchten Pfarreien ist auf 241 angestiegen; es fehlen noch 90. Für mich ist es immer eine große Freude und auch Erbauung, mit den Gemeinschaften meiner Diözese zusammenzutreffen wegen des großen Reichtums an geistlichen Gaben, die ich in ihnen entdecke, und wegen der familiären Atmosphäre, die sie kennzeichnet. Mein Wunsch wäre, daß sich diese Gaben und diese Atmosphäre weiter verstärkten und ausbreiteten, damit dieses kirchliche Gefüge, dieses „geistliche Netz“ gefestigt wird, das so notwendig ist, um den Pilgern im Großen Jubeljahr 2000 eine Aufnahme bieten zu können, die der Stadt der heiligen Apostel Petrus und Paulus angemessen ist. Zweifellos wird diesem dem Evangelium entsprechenden geistlichen Zweck auch die Stadtmission dienen, von der ich schon bei mehreren Gelegenheiten gesprochen habe und die ich auch bei diesem Anlaß dem Gebet und dem Einsatz aller Gläubigen der Stadt anempfehle. Beten wir gemeinsam, um vom Herrn die hochherzige und solidarische Zusammenarbeit aller lebendigen Kräfte unserer Gemeinschaft zu erlangen. 4. Meine Gedanken wenden sich jetzt Italien zu, auf das die Kirche immer mit besonderer Aufmerksamkeit und Zuversicht bückt. In Italien ist ein starker Evangeli- 1323 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sierungseinsatz möglich und notwendig, damit die kulturellen und sozialen Strömungen, die auf eine radikale Säkularisierung hin drängen, nicht die Glaubenskraft großer Bevölkerungsteile schwächen, indem sie die Zivilisation, die unsere Nation groß gemacht hat, ihrer edelsten Werte beraubt. Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, daß die italienische Kirche jene innere, auf der vollen Zustimmung zur offenbarten Wahrheit gegründete Einheit bewahrt und vertieft, die sie glücklicherweise auszeichnet. Das ist die Voraussetzung, um dem weit verbreiteten Relativismus begegnen zu können. Die Erfordernisse der Wahrheit und der Moralität - das muß betont werden - mindern und annullieren keineswegs die Freiheit, sondern erlauben ihr zu wachsen und retten sie aus den Gefahren, die sie aufgrund der Sünde in sich birgt. All das soll sich durch den Einsatz der Christen auch in die Strukturen der zeitlichen Gesellschaft umsetzen, unter Achtung ihrer legitimen Autonomie (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). Denn der Rechtsstaat, eine gesunde Demokratie und eine wohlgeordnete Wirtschaft können nicht gedeihen, wenn sie nicht auf das Bezug nehmen, was dem Menschen, weil er Mensch ist, gebührt, folglich auf die Prinzipien der Wahrheit und auf objektive Moralkriterien und nicht auf jenen Relativismus, der sich manchmal als Verbündeter der Demokratie ausgibt, während er in Wirklichkeit ihr gefährlicher Feind ist (vgl. Centesimus annus, Nm. 34. 46; Veri-tatis splendor, Nr. 111). Deshalb ist es notwendig, mutig dahin zu wirken, daß die Sozialstrukturen jene ethischen Werte achten, in denen die volle Wahrheit über den Menschen zum Ausdruck kommt. Es ist also offensichtlich, daß das Achten auf die Prinzipien und Inhalte des sozialen und politischen Einsatzes für die Katholiken vor jeder Berücksichtigung von Methode oder Standpunkt kommt und daß die Kirche selbst, ohne sich in eine einseitige Wahl zu verwickeln, nicht darauf verzichten kann, mit Deutlichkeit die christliche Soziallehre anzubieten; darin ist weder eine Form von Integralismus noch eine Mißachtung der Demokratie zu sehen. 5. Während wir gemeinsam die letzte Vesper des ausgehenden Jahres und die erste des kommenden Jahres feiern, ist es mir eine Freude, euch alle hier Anwesenden zu begrüßen und euch sowie der ganzen kirchlichen Gemeinschaft und allen Bürgern von Rom meine herzlichen Glückwünsche auszusprechen. Einen besonderen Gruß richte ich zusammen mit dem Kardinalstaatssekretär an Kardinalvikar Camillo Ruini und an die Weihbischöfe sowie an alle Priester, die in Rom ihren Dienst ausüben oder ihre Ausbildung vollenden: Danken wir gemeinsam dem „Herrn der Ernte“, der uns ein Arbeitsjahr in seinem Dienst geschenkt hat, und bitten wir ihn immer, daß er neue Arbeiter für seine Ernte sende. Ich grüße auch herzlich und dankbar Pater Peter-Hans Kolvenbach, den Generobem der Gesellschaft Jesu, und seine Mitbrüder zusammen mit allen Ordensleuten, die durch ihre vielseitige und weitverzweigte Anwesenheit in den verschiedenen Sektionen und Bereichen des städtischen Lebens, angefangen von den allgemeineren bis zu den 1324 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN speziellen, dazu beitragen, an jeder Hausecke von Rom Spiritualität und Menschlichkeit zu verbreiten. Gern richte ich auch einen herzlichen Gruß an die anwesenden zivilen Obrigkeiten, beginnend beim Herrn Bürgermeister, und bringe damit die Hoffnung auf eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit aller im Hinblick auf das Große Jubeljahr 2000 zum Ausdruck. 6. „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau (Gal 4,4). Für die Christen ist es angemessen, das Jahresende nicht in jener unvernünftigen, für die Heiden aller Zeiten typischen Euphorie zu feiern. Der letzte Tag des Jahres ist eine Einladung, dem Ewigen Vater Dank zu sagen für seine Gaben und für seine wunderbare Treue, die sich in der Schöpfung, in der Folge der Zeiten und der Jahreszeiten, aber vor allem in der Erlösung kundtun, in der Fülle der Zeit, in der Christus, „des Vaters allewiger Sohn, aus der Jungfrau Schoß Mensch geworden ist, um den Menschen zu befreien“, wie wir im Te Deum singen. Die Gottesmutter, in deren Namen wir morgen einen neuen Abschnitt unseres Pilgerweges auf Erden beginnen, möge uns lehren, den Mensch gewordenen Gott aufzunehmen, damit jedes Jahr, jeder Monat und jeder Tag von seiner ewigen Liebe erfüllt seien. Amen. 1325 IV. Ad-Limina-Be suche AD-LIMINA-BES UCHE Persönliche Gotteserfahrung in der Gemeinschaft der Kirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Argentinien am 7. Februar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich heute euch, die Hirten der Kirche Gottes in Argentinien, bei eurem Ad-limina-Besuch. Ihr wollt damit einer verehrungswürdigen Tradition folgen, die auch in die kanonischen Normen aufgenommen wurde: die Pilgerfahrt zu den Gräbern der ehrwürdigen Apostel Petrus und Paulus, mit der ihr gleichzeitig eure kirchliche, affektive und effektive Verbundenheit mit dem Bischof von Rom bekräftigt und verschiedene Besuche bei den Dienststellen der Römischen Kurie abstattet. Es ist dies eine vorzügliche Gelegenheit, um - neben Augenblicken des Gebetes, der pastoralen Reflexion und der Beratungen über die Aktivitäten eurer Teilkirchen - in Glaube und Liebe die Freude des Geheimnisses der Kirche als Communio zu erfahren, die „gegenwärtig und wirksam wird in der konkreten Besonderheit und Verschiedenheit der Personen, Gruppen, Zeiten und Orte“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben über einige Aspekte der Kirche als Communio, 28.5.92, Nr. 7). Ich danke Kardinal Antonio Quarracino, Erzbischof von Buenos Aires und Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz, für die liebenswürdigen Worte, mit denen er eure Gefühle zum Ausdruck gebracht hat. Ich danke euch auch für eure treue Verbundenheit und den unermüdlichen Einsatz für die euch anvertraute Aufgabe, der ihr nachkommt, indem ihr das Volk Gottes belehrt, heiligt und führt. Eure Anwesenheit ruft mir meinen Pastoralbesuch in eurem Land im Jahr 1987 als Bote des „unergründlichen Reichtums Christi“ (Eph 3,8) in Erinnerung. Ich grüße euch herzlich und möchte durch euch den Priestern, Ordensleuten und Gläubigen meine Achtung zum Ausdruck bringen. Sie leben ihren Glauben mit hochherzigem Einsatz und tragen zum Wachstum des Reiches Gottes im geliebten Argentinien bei. 2. Erst vor wenigen Jahren haben wir die fünfhundert Jahre der Ankunft des Evangeliums auf dem geliebten Kontinent Amerika gefeiert, und diese Feier hat einen besonderen Einsatz der Kirche für eine neue Evangelisierung wachgerufen. Jetzt sind wir mit der Vorbereitung auf ein einzigartiges Ereignis beschäftigt: das Jubeljahr 2000, eine vortreffliche Gelegenheit für die Kirche, um unter der Führung der Bischöfe mit neuem Eifer allen Menschen das von Christus geschenkte Heil anzubieten. Die vordringliche Zielsetzung dieses großen Jubiläums ist, wie ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente festgestellt habe, „die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen. Damit dieses Zeugnis wirksam ist, muß in jedem Gläubigen eine echte Sehnsucht nach Heiligkeit geweckt werden, ein starkes Verlangen nach Umkehr und persönlicher Erneuerung in einem Klima 1329 AD-LIMINA-BESUCHE immer intensiveren Betens und solidarischer Annahme des Nächsten, besonders des am meisten Bedürftigen“ (Nr. 42). Im gegenwärtigen Augenblick der Geschichte möchte ich durch euch, hebe Mitbrüder im Bischofsamt, an die Söhne und Töchter der Kirche in Argentinien einen dringenden Aufruf zu einer tieferen Bekehrung, zu geistlicher Erneuerung und größerer Heihgkeit richten. Mein Aufruf gilt dem ganzen Volk Gottes: den Priestern, den Ordensleuten, den anderen Gottgeweihten und allen Laien ohne jede Ausnahme, da ja „alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind“ (Lumen Gentium, Nr. 40; vgl. Christifidelis laici, Nr. 16). Angesichts des Jubeljahres bedarf es einer noch überzeugteren gläubigen Zustimmung zu den Geheimnissen, die uns durch die göttliche Offenbarung mitgeteilt wurden und deren Mittelpunkt die Person, die Lehre und die Werke Jesu Christi sind. Deshalb muß der Glaube unablässig durch die häufige Betrachtung des Wortes Gottes und mit Hilfe einer ständigen Katechese gestärkt werden, die alle Gläubigen, auch die einfachsten, befähigt, die Reichtümer der christlichen Weisheit zu verkosten und die Freude der Wahrheit zu erfahren. Auch müssen alle an Christus Glaubenden neuerlich aufgefordert werden, dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn aus ganzem Herzen und treuer nachzufolgen und durch ein Leben nach den Forderungen des Evangeliums und des Glaubens Zeugnis abzulegen. So sagt der Katechismus der katholischen Kirche: „Die Treue der Getauften ist eine entscheidende Voraussetzung zur Verkündigung des Evangeliums und für die Sendung der Kirche in der Welt. Damit die Heilsbotschaft vor den Menschen ihre Wahrheits- und Ausstrahlungskraft zeigen kann, muß sie durch das Lebenszeugnis der Christen beglaubigt werden“ (Nr. 2044). Darüber hinaus müssen sowohl die einzelnen Gläubigen als auch die christlichen Gemeinden sich eifrig dem Gebet widmen. So kommt es zu einer persönlichen Beziehung zu Gott, dem einen und dreifältigen, und alle werden angeregt, immer großmütiger seiner Gnade zu entsprechen, die sie heiligt, so daß sie „am inneren Leben Gottes“ (7er-tio millennio adveniente, Nr. 2) teilhaben können. In diesem Sinn wird eine erneuerte liturgische Pastoral ein nachhaltigeres Teilhaben an dem Gnadenstrom ermöglichen, der dem Ostergeheimnis entspringt, in erster Linie bei der Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente. Ebenso werden Herz und Sinn der Gläubigen durch die würdevolle Schönheit der liturgischen Symbole gebildet und zum Sinn für Gott und zur Hoffnung auf die letzten Dinge erzogen. In diesem Zusammenhang möchte ich an den vor kurzem in Santiago del Estero gefeierten nationalen eucharistischen Kongreß erinnern, der so nachhaltig die religiöse Geschichte Argentiniens ins Gedächtnis gerufen hat. Ich fordere euch auf, dafür zu sorgen, daß der geistliche Gewinn dieses kirchlichen Ereignisses allen Gläubigen zuteil werde, die euch anvertraut sind, damit sie „Jesus Christus, das Brot des Lebens und die Hoffnung der Menschen“, kennenlemen, ihm näherkommen und in lebendigem Glauben an das eucharistische Geheimnis immer wieder 1330 AD-LIMINA-BESUCHE neu entdecken, daß er im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens und der Neu-Evan-gelisierung steht, wie es in den allgemeinen Zielsetzungen des Kongresses hieß. 3. Ich habe zu meiner Befriedigung erfahren, daß der Katechismus der Katholischen Kirche, den ich, so wollte es die Vorsehung, als „sicheren und authentischen Bezugstext für die Darlegung der katholischen Lehre und in besonderer Weise für die Ausarbeitung der örtlichen Katechismen“ (Konstitution Fidei depositum, Nr. 4) vorstellen durfte, unter den Gläubigen Argentiniens weite Verbreitung gefunden hat. Viele lesen ihn und lernen daraus, um ihren Glauben zu vertiefen, sie machen ihn zum Gegenstand der Betrachtung und des Gebetes und ziehen aus ihm reichen geistlichen Nutzen. Ich weiß, daß eure Bischofskonferenz mit der Vorbereitung eines nationalen katechetischen Direktoriums beschäftigt ist, ein lobenswerter Plan. Dabei wird euch dieser Katechismus sehr nützlich sein, dessen Wert ich nochmals betonen möchte. Ich erinnere daran, daß es sich dabei um „das geeignetste Werkzeug für die Neu-Evangelisierung“ (Ansprache an die Vorsitzenden der Nationalkommissionen für die Katechese, 29.4.1993, Nr. 4) handelt. Sein dogmatischer, liturgischer, moralischer und spiritueller Reichtum soll alle, insbesondere die Kinder und Jugendlichen, durch die verschiedenen Katechismen - für die Pfarreien, die Familien, die Schulen oder die Bildungsarbeit innerhalb der einzelnen Bewegungen und Verbände der Gläubigen - erreichen. Die Abfassung dieser oder die Revision bereits bestehender Texte muß das genannte Werk, ein wahres Geschenk für die Kirche, zum Vorbild haben. Die Katechese als Prozeß der Glaubenserziehung ist ein entscheidender Augenblick der missionarischen Sendung, die der Herr uns anvertraut hat. Ich lade euch ein, keine Mühe zu sparen, damit sich in euren Diözesen die katechetische Tätigkeit mit Hilfe gut vorbereiteter Katechisten und mit entsprechenden Mitteln vorteilhaft entwickeln könne und so die Gläubigen zu einer lebensvolleren und wirksameren Kenntnis des Geheimnisses Christi gelangen. Die religiöse Unwissenheit und das fehlende Leben aus dem Glauben als Folge mangelhafter oder unvollständiger Katechese machen die Getauften wehrlos gegenüber den wirklichen Gefahren des Säkularismus und Proselytismus und der fundamentalistischen Sekten, und es ist zu befürchten, daß diese schließlich an die Stelle der wertvollen und anregenden Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit treten. Eure Ortskirchen sind reich an katholischen Bildungsstätten aller Ebenen und können darüber hinaus mit Programmen für die pfarrliche Kinder- und Erwachsenenkatechese rechnen. Diese müssen, gemeinsam mit den Medien der sozialen Kommunikation, immer weitere Verwendung bei der Verbreitung des Evangeliums finden. Es sind angemessene Hilfen, die Glieder der Kirche mit einer tieferen und sichereren Kenntnis des Glaubens zu bereichern. Auf diese Weise werden eure Gläubigen besser darauf vorbereitet sein, für ihren Glauben im Rahmen der Familie und der ganzen Gemeinde Zeugnis abzulegen und gleichzeitig einen spezifischen und wirksamen 1331 AD-LIMINA-BESUCHE Beitrag zur Behandlung der ethischen und sozialen Fragen zu leisten, denen eure Nation gegenübersteht. 4. Ich habe vorhin auf den Säkularismus, ein in der zeitgenössischen Kultur sich auswirkendes Element, hingewiesen. Er setzt sich im Geist und im Herzen der Menschen fest und fordert von uns, den Hirten der Kirche, eine sorgsame Beurteilung und gleichzeitig ein Handeln, das seinem Einfluß auf die einzelnen und die Gesellschaft entgegenwirkt. In den Pastoralen Richtlinien für die Neu-Evangelisierung (Nr. 12) habt ihr diese Erscheinung mit Recht als Herausforderung bezeichnet, auf die eure Hirtensorge eingehen muß, da sie „direkt den Glauben und die Religion berührt“. Ich fordere euch daher auf, Jesus Christus weiterhin als Erlöser aller Menschen bekanntzumachen: als Erlöser ihres persönlichen und gesellschaftlichen Lebens, des familiären und beruflichen Milieus, der Welt der Kultur und der Arbeit, mit einem Wort, als Erlöser der verschiedenen Bereiche, in denen sich das Leben des Menschen abspielt. Wie euch bekannt ist, verbreiten sich verschiedene Geistesströmungen, die Gott aus dem Welt- und Menschenbild streichen, in den Menschen die Sehnsucht nach der Wahrheit unterdrücken und sie dem Relativismus und Skeptizismus überlassen (vgl. Veritatis splendor, Nr. 1), der nicht selten in ein Attentat auf die Würde des Menschen - der immer Abbild Gottes ist - ausartet. Auf diese Weise kommt es in den Einzelmenschen, in den Familien und der Gesellschaft zu einer inneren Zersplitterung, da ihr Dasein seines letzten Rückhalts beraubt wird. Die Bischöfe sind in der Ausübung ihrer Sendung dazu berufen, Lehren vorzulegen, die für alle Gültigkeit haben, weil sie auf der göttlichen Offenbarung und auf dem kirchlichen Lehramt beruhen und auf die tiefste Wahrheit über den Menschen und die Welt Bezug nehmen. In diesem Sinn habt ihr eure Erklärung vom 11. August des Vorjahres formuliert. So habt ihr einen Beitrag zur Unterstützung und Verteidigung der echten Werte des menschlichen Lebens und der Rechte des ganzen Menschen innerhalb der Gesellschaft geleistet. In der genannten Erklärung heißt es nämlich: „Indem wir für das Leben eintreten, möchten wir den Mann und die Frau von heute sowie die Gesellschaft von morgen gegen Argumente und gegen eine Mentalität verteidigen, die nicht der Tradition unserer Heimat entsprechen, sondern einem modernen biologischen Kolonialismus huldigen.“ 5. Eine andere, unserer zeitgenössischen Kultur eigene Erscheinung besteht darin, daß, während die Säkularisierung vieler Aspekte des Lebens fortschreitet, ein neues Verlangen nach Spiritualität wahrnehmbar wird. Es ist ein Ausdruck der dem Menschen eigenen Religiosität und seines Suchens nach Antworten auf die Krise der Werte der westlichen Gesellschaft. Auf dieses hoffnungsvolle Panorama müssen wir eingehen, indem wir mit wahrem Eifer den Männern und Frauen unserer Zeit die Reichtümer anbieten, deren Diener und Verwalter wir sind. „In der Tiefe seines (des Menschen) Herzens besteht immer weiter die Sehnsucht nach der 1332 AD-LIMINA-BESUCHE absoluten Wahrheit und das Verlangen, in den Vollbesitz ihrer Erkenntnis zu gelangen“ (Veritatis splendor, Nr. 1). Wir tragen also dazu bei, diese Sehnsucht zu stillen. Zweifellos muß man sich darüber klar sein, daß es nicht an Abweichungen fehlt, aus denen Sekten und pseudoreligiöse, gnostische Bewegungen hervorgegangen sind, die eine verbreitete kulturelle Mode darstellen. Ihr Echo geht bis in weite Bereiche der Gesellschaft, und ihr Einfluß reicht bis in katholische Milieus. Um ihre Ziele zu erreichen, vermengen manche dieser Bewegungen in einer synkretistischen Perspektive biblische und christliche Element mit solchen von orientalischen Philosophien und Religionen, von Magie und psychologischen Techniken. Die Verbreitung der Sekten und der neuen religiösen Gruppen, die viele Gläubige anziehen und unter den Katholiken Verwirrung und Unsicherheit auslösen, verursacht den Hirten Sorge. In diesem Bereich sind tiefschürfende Untersuchungen des Problems notwendig, und zu seiner Bekämpfung müssen pastorale Richtlinien festgelegt werden. Ihr als Bischöfe müßt euch zu einem gemeinsamen und nachdrücklichen Vorgehen gedrängt fühlen, das mit der wirksamen Mitarbeit von Priestern, Ordensleuten und anderen Trägem der Pastoral auf die entsprechende Bildung der Christen abzielt. Darüber hinaus müßt ihr für lebendigere liturgische Feiern mit stärkerer Beteiligung Sorge tragen und die christlichen Gemeinden einladen, sich immer aufnahmebereit zu zeigen. Abgesehen vom Gedanken an den negativen Einfluß der fundamentalistischen religiösen Gruppen müßte man sich auch die Frage stellen, wie man den Ursachen entgegenwirken kann, die bei vielen Gläubigen den Anstoß zum Verlassen der Kirche geben. 6. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, im persönlichen Gespräch mit jedem einzelnen von euch konnte ich euren Einsatz für die Aufgaben eures Amtes feststellen und die augenblicklichen Hoffnungen und Sorgen teilen. Bei dieser kollegialen Begegnung, die unsere Gemeinschaft zum Ausdruck bringt und sie festigt, möchte ich gemeinsam mit euch meinen Blick auf das am Horizont heraufdämmemde große Jubeljahr 2000 richten. Im schon erwähnten Apostolischen Schreiben Tertia millennio adveniente habe ich gesagt, „das Jubeljahr 2000 soll ein großes Lob-und Dankgebet vor allem für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung sein“ (Nr. 32). Möge der Herr durch diese Feier des Jubeljahres die ganze Kirche in Heiligkeit wachsen lassen! Ich empfehle Maria, Unserer Lieben Frau von Lujän, die Freuden, Hoffnungen und Schwierigkeiten eures Amtes, die Wünsche und Erwartungen aller Priester und Gläubigen eurer Diözesen, den materiellen und geistlichen Fortschritt eurer edlen Nation an und erteile euch allen aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 1333 AD-UMINA-BESUCHE Notwendigkeit von Reformen auf moralischer Grundlage Ansprache beim Ad-limina-Besuch der 2. Gruppe argentinischer Bischöfe am 11. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Für mich ist es ein Grund zur Freude, euch heute hier zu empfangen, Bischöfe Argentiniens, die ihr nach Rom gekommen seid, „um Petras zu besuchen“ 0Gal 1,18) und so aufs neue eure Gemeinschaft und die der Teilkirchen, denen ihr vorsteht, mit der Römischen Kirche und ihrem Bischof zu bekräftigen, der ja dazu berufen ist, den Glauben seiner Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32). Mit Freude grüße ich euch und wünsche euch von ganzem Herzen „Gnade, Erbarmen und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn“ (i Tim 1,2). Durch euch möge mein Graß auch den Priestern, Diakonen, Ordensangehörigen und dem gesamten Gottesvolk eurer Diözese zukommen. Vor allem möchte ich an dieser Stelle Kardinal Raul Francisco Primatesta, dem Erzbischof von Cordoba, für die freundlichen Worte danken, die er im Namen aller an mich gerichtet hat und so gleichsam als Übermittler der Ergebenheit und des Zugehörigkeitsgefühls zur Person und zum Lehramt des Papstes fungierte. Die Begegnungen in diesen Tagen und der Dialog, der zwischen mir und einem jeden von euch stattfand, ermöglichten es mir, den Eifer festzustellen, mit dem ihr euch eurem Amt widmet; und so gebt ihr mir auch gleichzeitig die Möglichkeit, an euren Wünschen und Hoffnungen teilzuhaben, an euren Sorgen, aber auch an euren Freuden im Dienst eines „religiösen Volkes, das gemeinsam mit seinen Hirten und in Einheit mit dem Nachfolger Petri bereit ist, seinen Glauben kundzutun und seine christliche Aufgabe zu bekräftigen“ {Abschiedsansprache in Ezeiza, 12. April 1987). 2. Wenn auch „die Heilssendung der Kirche in der Welt nicht nur von den Amtsträgem aufgrund des Sakramentes des Ordo realisiert wird, sondern auch von allen Laien“ (Christifideles laici, Nr. 23), so besteht doch kein Zweifel, daß den Priestern eine fundamentale Rolle in der genannten Mission zukommt. Daher möchte ich mit euch die Sorge um die Förderung der Priesterberafungen und um die Ausbildung der zukünftigen Hirten des Gottesvolkes teilen. Die Wichtigkeit dieses Themas verlangt ein beständiges Reflektieren und einen neuen und entschiedenen Eifer seitens aller christlichen Gemeinschaften unter der Führung jener, die „der Heilige Geist zu Bischöfen bestellt hat, damit sie als Hirten für die Kirche Gottes sorgen“ (Apg 20,28). Die Seelsorge in diesem Bereich muß ihren Ausgangspunkt im Mysterium der Berufung haben, d. h. im Ruf zur Nachfolge und zum Dienstamt, den der Herr auf persönliche Weise an uns richtet, und zwar aufgrund der Fruchtbarkeit der Kirche und ihres tiefen Lebens, das ja durch die Reinheit des Glaubens, durch die Gnade der Sakramente, durch den Geist der Umkehr und durch das innige Gebet der Glieder des mystischen Leibes 1334 AD-LIM1NA -BESUCHE Christi genährt wird. Daher müssen alle auf irgendeine Weise an der Berufungspa-storal teilhaben und darauf vertrauen, daß Christus mit seinen Gaben auf die Treue seines Volkes antworten wird, indem er für die notwendigen Berufungen sorgt. Es ist auch wichtig, sich stets vor Augen zu halten, daß die Berufungspastoral ihren Prolog und ihren Ansatzpunkt in der Jugendseelsorge hat, die auf die lehrmäßige, spirituelle und apostolische Unterweisung hin ausgerichtet ist, und zwar sowohl in den Pfarreien und Schulen als auch in den außerhalb des Pfarreibereiches existierenden Bewegungen und Einrichtungen. Auch bieten, wo es möglich ist, die Kleinen Seminare, die ja vom Zweiten Vatikanischen Konzil so sehr empfohlen wurden (vgl. Optatam totius, Nr. 3), ihren wertvollen Beitrag zur Klärung der Berufung bei den Heranwachsenden und Jugendlichen. In diesem Bereich ist also eine integrale und konsequente Ausbildung grundlegend, die ihr Fundament in der innigen Beziehung mit Christus hat und die dahingehend ausgerichtet ist, daß jene, die auserwählt sind, mit Freuden die Gnadengabe empfangen. 3. Diesbezüglich muß das Seminar Gegenstand eurer ganz besonderen Aufmerksamkeit sein. Denn dort nehmen die Priesteramtskandidaten während der ganzen Vorbereitungsjahre allmählich jene Identität an, die sie zu Dienern Christi, ihres Meisters, macht, der Priester und König ist. Später dann werden sie auf immer gezeichnet durch die Heiligen Weihen, die sie befähigen werden, ,Jn persona Christi“ zu handeln. Dieser Unterweisungsprozeß ist eine geheimnisvolle Wirklichkeit, in der die menschliche Freiheit auf großzügige Weise auf das Wirken der Gnade antworten muß. Den Seminaristen soll die Gestalt des Priesters und die Identität seines Wesens ohne irgendwelche Zweideutigkeiten vor Augen geführt werden, so wie dies in verschiedenen Unterweisungen des Apostolischen Stuhls klar und deutlich Umrissen wurde und wie ich selbst dies im nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pa-stores dabo vobis wieder in Erinnerung gerufen habe. Jene eben genannte Identität muß den gesamten Erziehungsprozeß erleuchten und klare Auswahlkriterien inspirieren. Ich hatte ja bereits Gelegenheit, bei meinem Besuch in eurem Land darauf hinzuweisen, daß „es nicht die Anzahl der Kandidaten ist, auf die es im wesentlichen ankommt, sondern die Eignung derselben. Wir brauchen viele Priester, aber sie sollen geeignet, würdig, gut ausgebildet und heilig sein“ (Ansprache am Sitz der Bischofskonferenz, 12. April 1987). So ruft auch zu Recht das Zweite Vatikanische Konzil dazu auf, daß man „bei der Auslese und Prüfung der Kandidaten mit der nötigen geistigen Festigkeit vorgehen soll, auch dann, wenn Priestermangel zu beklagen ist. Gott läßt es ja seiner Kirche nicht an Dienern fehlen, wenn man die Fähigen auswählt“ (Optatam totius, Nr. 6). Das Treuezeugnis der Priester, die sich als Neugeweihte in dieses Amt integrieren, ist ebenso ein wichtiger Faktor für die Ausbildung der Seminaristen. Indem die Priester großzügig und mit uneingeschränkter Liebe auf ihre Berufung zum Priestertum antworten, sind sie für die jungen Anwärter der Heiligen Weihen Vorbild der pastoralen Liebe, des Gebetes und der aufopfernden Hingabe. Die Vorberei- 1335 AD-LIMINA-BES U CHE tung der zukünftigen Diener des Herrn soll weitergeführt werden in einer beständigen Fortbildung, auch dann, wenn sie bereits Glieder der diözesanen Priesterschaft sind, denn „dies ist ein Erfordern, das dem Geschenk des sakramentalen Amtes selbst innewohnt und sich zu jeder Zeit als notwendig offenbart“ (Pastores dabo vobis, Nr. 70). 4. Es ist mir eine Freude, zu wissen, daß ihr dabei seid, Vorbereitungen für die Zweitausend) ahrfeier zu treffen, die doch ein Moment der Gnade und tieferer Frömmigkeit für die Kirche auf ihrem Weg bedeuten muß, ganz besonders im Hinblick auf die Neuevangelisierung. Die Jahre, die uns noch bis zur zweitausendsten Wiederkehr der Geburt unseres Erlösers verbleiben, stellen eine Gelegenheit vorzüglichsten Ranges dar, um in Geist und Herz die Wahrheit des Glaubens wieder zu stärken, um die christlichen Gemeinden im Ausüben der Liebe wieder neu zu beleben, um die Methoden erneut genau zu betrachten und die pastoralen Mittel zu aktualisieren, die es ja der argentinischen Kirche erlauben, mit immer wieder neuem Eifer die Mission fortzusetzen, die sich seit Beginn der Evangelisierung hier entfaltet. Die erste unmittelbare Vorbereitungsphase für das Große Jubiläum bietet sich als ein günstiger Moment an, die Wurzeln christlicher Werte in der Gesellschaft und die Faktoren, die ihre Auswirkungen auf den Akt der Evangelisierung haben, zu überprüfen und ihnen die nötige Wertschätzung entgegenzubringen. In eurem Vaterland sowie in anderen Nationen Lateinamerikas „hat die Kirche es geschafft, in der Kultur des Volkes ihre Spuren zu hinterlassen; sie wußte die Botschaft des Evangeliums auf der Grundlage von dessen Denkweise, auf der Grundlage seiner fundamentalen Lebensprinzipien und auf der Grundlage seiner Urteilskriterien und seiner Handlungsnormen zu situieren“ (Eröffnungsansprache der 4. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopats, 24). Trotzdem verhehlt euch die tägliche Ausübung eures Amtes nicht das Aufkommen „einer Kulturkrise unerwarteten Ausmaßes“ (ebd21), die sich in der Verbreitung einer Permissivität zeigt, die nicht nur den christlichen Normen, sondern auch der natürlichen Moral selbst diametral entgegensteht. In diesem Sinne macht sich eine Antigeburten-Mentalität und mitunter eine falsche Sexualerziehung breit; es fehlt auch nicht an Stimmen, die sich dafür einsetzen, das schwerwiegende Verbrechen der Abtreibung zu autorisieren; ebenso zeichnet sich die Gefahr einer Genmanipulation bei der menschlichen Fortpflanzung ab. In der Erziehungsordnung schleichen sich ebenfalls der kulturellen Tradition entgegenstehende Tendenzen ein, und auch in anderer Hinsicht besteht das Risiko, daß die Korruption und deren Straflosigkeit zur normalen Tagesordnung werden mit den beklagenswerten Folgeerscheinungen von sozialer Gleichgültigkeit und Skeptizismus. Daher habt ihr euch in den letzten Monaten einzeln, aber auch durch kompetente Kommissionen der Bischofskonferenz mit Klarheit und Festigkeit zu einigen dieser Probleme geäußert, die die Erziehung im Rahmen der kulturellen Tradition des Landes sowie die öffentliche Moral betreffen; sie sind ja Gegenstand von Debatten 1336 AD-L1M1NA -BES UCHE und führen zur Verwirrung der Gläubigen. Spart nicht an Kräften bei der Ausübung eures Lehramtes, das im Dienst der christlichen Morallehre und der authentischen Menschenwürde steht (vgl. Veritatis splendor, Nr. 114). Gleichsam als Echo der paulinischen Aufforderung an Timotheus (vgl. 2 Tim 4,2) sage ich euch: Bietet eurem Volk weiterhin dieses tapfere Zeugnis, ohne euch durch Unverständnis und Kritiken entmutigen zu lassen! 5. Eine andere Sorge, die mit einem herausragenden Aspekt der Vorbereitung und Feier des Großen Jubiläums zusammenfällt (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 51), ist die schlimme wirtschaftliche Situation, von der ein beträchtlicher Teil der argentinischen Gesellschaft betroffen ist, die sich unter anderem in der wachsenden Arbeitslosenrate manifestiert, wie das übrigens auch in anderen Ländern der Fall ist. Es ist daher angebracht, daran zu erinnern, daß die soziale Situation sich nicht einfach dadurch bessert, daß man technische Maßnahmen trifft, sondern auch - und dies in erster Linie - indem man Reformen auf einer humanen und moralischen Grundlage vorantreibt, die eine ethische Anschauungsweise der Person, der Familie und der Gesellschaft im Auge behält. Deshalb kann eine wesentlich bessere Entwicklung für alle Zugehörigen der nationalen Gemeinschaft nur durch einen Neuansatz der fundamentalen moralischen Werte gesichert werden - wie Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit, Verantwortung für das Gemeinwohl, Solidarität, Opfergeist und Arbeitsmoral - in einem Land wie dem euren, das die göttliche Vorsehung als ein fruchtbares und ertragreiches Land geschaffen hat. Ihr habt diese Werte wiederholt eingeschärft und angesichts dieser Notlage ein „Netz der Liebe“ angeregt, das besonders den Ärmsten zugute kommt. Es besteht vor allem darin, die mutige Arbeit, die die Kirche seit jeher in allen ihren Gemeinschaften durch ihre Söhne und Töchter leistet, zu koordinieren und zu festigen und „die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen voranzutreiben, die sich für dasselbe Ziel engagieren“ (Aufruf der Ständigen Kommission der Argentinischen Bischofskonferenz, 10. August 1995). Ich freue mich sehr über diese Initiative und vertraue darauf, daß sie ein Zeichen der barmherzigen Liebe Gottes sein wird, greifbar geworden in Gesten christlicher Brüderlichkeit und effektiver Solidarität mit allen Leidenden. Durch eure Anwesenheit und eure Stimme möchte ich vor allem den Familienvätern nahe sein, die keine Arbeit finden, den Müttern, die um das Notwendigste in Haus und Heim besorgt sind, den Kindern, die weder rechte Ernährung noch rechte Erziehung genießen können, den Jugendlichen, die durch die Frustration ihrer Hoffnungen bedroht sind, und den alten Menschen, denen, die nicht mehr im öffentlichen Leben stehen, und den Kranken. Auch gilt mein aufrichtiger Dank all jenen, die auf großzügige Weise eurem Ruf gefolgt sind und folgen werden und durch Gebet und konkrete Gesten der Nächstenliebe das Leid ihrer Brüder lindem helfen: ihre Opfergabe wird nicht unvergolten bleiben, denn „Gott liebt die Armen, und dämm liebt er auch all jene, die die Armen lieben; da- 1337 AD-LIMINA -BES UCHE her haben wir die Hoffnung, daß Gott uns liebt mit Rücksicht auf die Armen“ (hl. Vinzenz von Paul, Brief 2546). 6. Zum Abschluß unserer Zusammenkunft möchte ich euch meine Dankbarkeit für die unermüdliche Arbeit zum Ausdruck bringen, die ihr in allen Bereichen der Pa-storalarbeit entwickelt. Fahrt mutig, mit immer neuer Hoffnung fort in der Aufgabe, das euch anvertraute Gottesvolk durch die Ausübung eures Apostelamtes zur himmlischen Heimat zu führen. So leistet ihr auch gleichzeitig der gesamten nationalen Gemeinschaft einen hervorragenden Dienst. Übermittelt meinen herzlichen Gruß und meine Segenswünsche auch all euren Gläubigen, besonders jenen, die mit großer Hingabe am Evangelisierungswerk mitarbeiten, und jenen, die - aus welchen Gründen auch immer - Leid tragen und deshalb einen besonderen Platz im Herzen des Papstes haben. 7. Mit Freude erfülle ich eure Bitte und werde nun eine Kopie des verehrten und geliebten Bildes unserer Lieben Frau von Lujän, der Patronin Argentiniens, segnen, die ihr von ihrem Wallfahrtsort mitgebracht habt und die morgen in feierlicher Weise in der argentinischen Nationalkirche hier in Rom inthronisiert wird. Ich rufe sie um ihren mütterlichen Schutz an und bitte sie, für die Heiligkeit aller Gläubigen, für das Wohlergehen der Familien und für den Wohlstand eures Landes in Gerechtigkeit und Frieden einzutreten. So erteile ich euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Bedeutung der Familie in Gesellschaft und Kirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch brasilianischer Bischöfe am 17. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „... Ich beuge meine Knie vor dem Vater ... Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen“ (Eph 3,14-17). Zu Beginn dieser Reihe von Ad-limina-Besu-chen der Bischöfe von Brasilien ist dies mein Gebet für die Kirche in eurer großen und geliebten Nation: der Glaube der Bischöfe der Kirche möge sich erneuern und festigen, damit alle Gläubigen dadurch Hilfe empfangen, um ihrer eigenen christlichen Berufung gänzlich und mutig nachzuleben. Heute früh begrüße ich euch, die Mitglieder der ersten Gruppe von Bischöfen der Region Süd II. Ich grüße euch in herzlicher brüderlicher Verbundenheit im Herrn und danke auch für die brüderlichen Worte des Erzbischofs von Curitiba, Dom Pedro Antonio Marchetti Fe-dalto, die wie immer Ausdruck des Trostes und Friedens sind. Im Verlauf des Jahres werde ich die übrigen Gruppen der Bischöfe empfangen, die den verschiedenen Regionen der Nationalkonferenz der Bischöfe Brasiliens (CNBB) angehören. Diese Begegnungen haben für uns alle eine tiefe Bedeutung. Sie sind Ausdruck der kollegialen Struktur der hierarchischen Gemeinschaft der 1338 AD-LIMINA-BESUCHE Kirche. Bei diesen Gelegenheiten erleben wir tief die geistliche Solidarität derer, die „einen Herrn, einen Glauben und eine Taufe“ bekennen und besorgt sind, „die Einheit des Geistes durch den Frieden zu wahren, der sie zusammenhält“ (Eph 4,5.3). Während wir in unseren Einzelgesprächen über die Situation in euren jeweiligen Diözesen gesprochen haben, bieten mir diese gemeinsamen Begegnungen Gelegenheit, mit euch und euren Brüdern im Bischofsamt in Brasilien einige Gedanken über mehr allgemeine Aspekte eures Dienstes und das Leben der Kirche in eurem Lande auszutauschen. 2. Dem Herrn sei Dank für die Zeichen der Hingabe eurer Kirchen im Dienst der Evangelisierung, für die zahlreichen Initiativen der Katechese, die immer der Hauptweg der Evangelisierung bleibt und besonders den Kindern und Heranwachsenden gilt, den Erwachsenen aber gediegene Motive für ihren Glauben im Umfeld der sozialen Verhältnisse bietet, die in euren Diözesen herrschen. In diesem Sinn hat das Jahr 1994 eine ausgeprägte kirchliche Bedeutung gewonnen, weil es als Jahr der Familie gefeiert wurde. Mir kommt dabei die weltweite Bewegung in den Sinn, die es mit Hilfe der göttlichen Vorsehung erweckt hat, das neue Bewußtsein in einer jeden Familie von ihrer bürgerlichen und kirchlichen Sendung zur Förderung der Achtung vor dem Menschen als solchem; es kann auch gar nicht anders sein, wenn man in seiner ganzen Bedeutung erfaßt, daß „das Christentum eine Religion der Menschwerdung und die frohe Verkündigung eines Gottes ist, der dem Menschen entgegenkommt“ (Angelus, 30.1.94, in: O.R.,dt., Nr. 5, 1994, S. 1). Auf diese Weise konnte die Kirche das ganze vergangene Jahr hindurch ein besonderes Zeugnis geben und daran erinnern, daß die Familien mit den grundlegenden Werten des Menschenwesens und den heiligsten Rechten und Pflichten des Christen verbunden sind. Darum kann ich unbedingt die zahllosen Häuser und Familien in Brasilien würdigen, die in Freude getreu dem christlichen Glauben nachleben und sich weiter bemühen, in die Kultur eures Landes die hohen Werte der Herzlichkeit und Freundschaft, der Arbeitsamkeit und Solidarität auf einer gediegenen christlichen Grundlage einzubringen. Viele Male, wenn ich an euch dachte, wie ihr eure pastorale Aufgabe erfüllt, kamen mir eure Sorgen angesichts bestimmter Situationen in den Sinn, die euch bedrücken, denn es sind auch meine Sorgen. Häufig habt ihr mich an einige Probleme der Gesellschaft Brasiliens erinnert, denn es muß in eurer so unterschiedlichen sozialen Situation noch viel geschehen. Ich dachte zum Beispiel an die Straßenkinder, an die Verbreitung der Drogen, des Banditentums, der Gewaltanwendung und Morde in den Städten; oder was direkt die Familie betrifft, an die Zunahme der Ehescheidungen und Trennungen voneinander, der irregulären Eheformen, an die Verwendung von empfängnisverhütenden Mitteln, an die Verbreitung der freiwilligen Sterilisierung und der Abtreibung, an die Jugendkriminalität, die Tötung von Minderjährigen, die straffällig geworden sind, und vieles andere, das nicht erwähnt zu werden braucht. 1339 AD-LIMINA-BES UCHE Wenn ich diese Probleme erwähne, erhebt sich natürlich auch die Frage: Welches ist die Wurzel und Ursache all dieser Übel? Wenn wir auf den Grund gehen, finden wir wohl folgende Antwort: Die Krankheiten der Gesellschaft sind ein Reflex der Krankheiten der Familien. Da die Familie die Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft ist, so leidet, wenn die Familie leidet, auch die Gesellschaft mit. Denn die Bürger, die sich in der Familie die Tugenden und Laster aneignen, sind Bürger, die sich in der Familie heiligen oder verderben: „Wie die Familie, so die Nation, denn von der Familie hängt der Mensch ab“ (Ansprache in Newy Targ, 8. Juni 1979, in: O.R.,dt., Nr. 25, 1979, S. 6). Ich möchte euch hier etwas sagen, was ich tief im Fierzen trage: Wie sehr wir uns auch bemühen, nie haben wir genug für die Verlebendigung der Familie und die Pflege ihrer echten und grundlegendsten Werte getan; nie muß unsere missionarische Arbeit mehr von glühendem Schwung beseelt sein, als wenn wir uns von Grund auf bemühen, den Aufruf im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio Wirklichkeit werden zu lassen: „Familie, werde das, was du bist“ (Nr. 17). 3. Die Zukunft der Kirche in Brasilien verläuft also über die Familie. In ihr müssen wir den Zentralpunkt der Pastoral der Kirche sehen. Nicht ohne ein besonderes Licht des Heiligen Geistes wurde bei der Versammlung von Santo Domingo betont: „Es ist daher erforderlich, daß die Familienpastoral eine grundlegende, einfühlsame, reale und wirksame Priorität erhält“ (Santo Domingo, Schlußdokument der 4. Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe, 12.-28.10.1992, Nr. 64). Vor Jahren schon habe ich die Bischöfe Brasiliens auf diese Priorität und Zentralstellung der Familienpastoral aufmerksam gemacht mit Worten, die heute eine noch größere Aktualität und dringendere Notwendigkeit besitzen und praktisch durchgeführt werden müssen. „In jeder Diözese - sei sie groß oder klein, reich oder arm, gut mit Priestern versorgt oder nicht - wird es sich der Bischof angelegen sein lassen, mit pastoraler Weisheit auf sehr lohnende Weise zu ,investieren1 und seine Ortskirche aufzubauen, indem er im gleichen Rhythmus eine wirksame Familienpastoral möglichst weitgehend unterstützt“ (Ansprache von Papst Johannes Paul II. an die brasilianischen Bischöfe der Region Ost II bei ihrem Ad-limina-Besuch, in: O.R.,dt., Nr. 28, 13. 7. 1990). Die Familienpastoral darf auf pfarrlicher, diözesaner und nationaler Ebene nicht nur als eine Option unter anderen gelten, sondern muß als dringende Notwendigkeit betrachtet werden. Sie muß als Ausstrahlungspunkt der christlichen Werte, der neuen Evangelisierung für den Kern der Gesellschaft dastehen, in der die Familie verwurzelt ist; sie gibt auf lange Sicht dem evangelisierenden Bemühen Festigkeit. Man muß sich daher gemeinsam überzeugen, daß die dringendsten Anliegen der Pastoral, die im Dokument von Santo Domingo genannt sind, das Bemühen um „die Bildung der künftigen Ehegatten“ (222), um „eine verstärkte Befähigung der pastoralen Mitarbeiter“ (ebd.), die Förderung einer Mentalität zugunsten des Lebens und das Angebot der Mittel umfassen muß, damit die Eheleute die verant- 1340 AD-LIM1NA-BESUCHE wörtliche Elternschaft praküzieren können. Dazu kommt immer die Erleichterung einer „klaren Übermittlung der Lehre der Kirche zur Elternschaft“ (vgl. 226 und 222); ferner gilt es, „nach dem Beispiel des Guten Hirten Wege für eine Pastoral für irregulär Zusammenlebende zu suchen“ (224); besonders ist anzustreben, daß die Familie wieder zu einer echten „Hauskirche“ wird, „ein Heiligtum, wo Heiligkeit aufgebaut wird, von wo aus Kirche und Welt geheiligt werden können“ (214 d) (vgl. Familiaris consortio, Nr. 55). Unter diesen Aspekten möchte ich euch ermuntern, von Anfang an euch mutig den Herausforderungen zu stellen, die eine schlecht orientierte öffentliche Meinung darstellt, die auf der einen Seite monoton, und ich möchte sagen wenig originell die pseudowissenschaftlichen Thesen des Neo-Malthusianismus wiederholt und vor den verderblichen Folgen einer unmittelbar bevorstehenden Bevölkerungsexplosion“ warnt, auf der anderen Seite aber die Lösungen durch eine Kultur des Todes vereinfacht, die sich der Zivilisation des Lebens widersetzt. Die Kirche hat immer die Achtung vor dem Leben und die Würde der menschlichen Person verteidigt. Schützt also weiter die am meisten verwundbaren Stadien des menschlichen Lebens: das Leben des empfangenen, aber noch nicht geborenen Menschen und das der Kranken vor ihrem Lebensende. Die legalisierte Euthanasie vertieft und verschärft die Verachtung des Lebens, angefangen mit den Gesetzen, die die Abtreibung erlauben. Wenn man der Tötung des unerwünschten Ungeborenen zustimmt, wird man bald auch der Tötung des sterbenden Kranken oder des Alten oder auch des jugendlichen Straftäters zustimmen, der die Ruhe in der Stadt bedroht. Das Phänomen der sogenannten „Straßenkinder“ und ihre ungerechtfertigte Tötung ist wie das Endglied eines weiteren und tieferen Problems, das die sozio-ökonomische und Erziehungsstruktur eures Landes und mehr noch die eigentlich menschlichen Werte betrifft, die für ein würdiges Leben und eine Grundausbildung der Kinder und Jugendlichen unersetzlich sind. Ich kenne eure Bemühungen um eine Überwindung dieser traurigen Situation. Mögen sie den pastoralen Einsatz weiterer Diözesen, so viele verlassene Kinder aufzunehmen, anregen. Ich möchte hier erneut meine früheren Aussagen bekräftigen zugunsten aller Initiativen, welche die humane und christliche Überlieferung des brasilianischen Volkes verstärken. 4. Es ist allerdings klar, daß eure Sorge vor allem eine Eingrenzung des Hauptherdes der Übel anzielen muß, welche die Gesellschaft befallen, und daß nicht unversucht bleiben darf, dies hier anzugehen: bei der Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe sowie bei der Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche. Wie ich euch in Campo Grande gesagt habe, beobachten wir mit Schmerzen, wie leicht in eurem gebebten Land „viele Ehen zerbrechen mit der traurigen Konsequenz unzähliger Trennungen, deren unschuldige Opfer immer die Kinder sind“ (Ansprache in Campo Grande 17.10 .19 91, in: O.R.,dt., Nr. 47, 1991, S. 7). Die Ehe ist nach dem Naturgesetz unauflöslich und nicht nur nach der Forderung des 1341 AD-LIMINA-BES U CHE Evangeliums. „Von Anfang an“ war es so {Mt 10,3)- Schon im ursprünglichen Schöpfungsplan für den Menschen als solchen erscheint die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe in seinem Herzen eingeschrieben: „Die beiden werden ein Fleisch sein“ (Gen 2,24). Die Verteidigung der Unauflöslichkeit ist keineswegs nur ein christliches Anhegen, sondern vor allem ein menschlicher Anspruch: die Verteidigung eines radikal menschlichen Wertes, der auch von zahllosen nichtchristlichen Denkern, Anthropologen und Juristen verteidigt wurde. Die wesentlichen Eigenschaften der Ehe, aus der die Familie wird, Einheit nämlich und Unauflöslichkeit, können sich nicht nach dem Empfinden von Mode und Geschmack ändern, sie gehören „zum ursprünglichsten und heiligsten Erbe der Menschheit“ {Angelus 17.4.1994 in: O.R.,dt., Nr. 16, 1994, S. 3) und müssen von euch verteidigt werden, so wie man etwas verteidigt, das in eurem kulturellen Erbe schlechthin wesentlich ist. Ihr müßt die Ehewilligen vor allem gegen die hedonistische Lawine schützen, die das Vergnügen über die Liebe und das oberflächliche Empfinden über die gegenseitige Annahme stellt, welche den Kern der echten Liebe ausmachen, und die jungen Brautleute zum Verständnis dafür hinführen, daß die Ehe sie in Freude und Trauer, in Gesundheit und Krankheit, in Begeisterung und Gleichgültigkeit vereint, bis der Tod sie scheidet. Es muß euch ferner ein Anliegen sein, sie für die Liebe zu erziehen; für eine tiefe und ewige Liebe, weil sie weiß: „Wirklich und tief liebt man nur, wenn man für immer liebt“ {Angelus, 10.7.1994, in: O.R.,dt., Nr. 28, S. 3). „Die Liebe will endgültig sein: nichts kann hier ,auf Zeit4 sein“ {Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1646). 5. Auf der anderen Seite erhebt sich in der kulturellen Landschaft einiger Bereiche eine Art von bitterem feministischem Streben, das für die Frau Arbeiten und Funktionen beansprucht, die in vielen Fällen nicht ihrer ganz besonderen psychologischen Struktur noch den Plänen Gottes entsprechen. Wir sind absolut von der radikalen Gleichheit zwischen Mann und Frau überzeugt, welche die gleiche persönliche Würde als Kinder Gottes besitzen, so wie wir auch bejahen, daß die Frau wie der Mann zum Wohl der Gemeinschaft beitragen muß gemäß ihrer Natur und ihren physischen, intellektuellen und moralischen Fähigkeiten. „Es fehlt nicht an solchen, die der Kirche vorwerfen, sie betone zu sehr die Aufgabe der Frau in der Familie und übersähe das Problem ihrer aktiven Präsenz auf verschiedenen Gebieten des sozialen Lebens. Aber das stimmt nicht. Die Kirche ist sich sehr wohl bewußt, wie sehr die Gesellschaft den weiblichen Genius in all seinen Ausdrucksformen im zivilen Zusammenleben nötig hat. Deshalb besteht sie darauf, daß jede Art von Diskriminierung der Frau im Umfeld der Arbeit, der Kultur und der Politik überwunden wird, und zwar in Achtung vor ihrer weiblichen Eigenart: denn ein ungehöriges, flaches Gleichschalten würde nicht nur das soziale Leben verarmen lassen, sondern schließlich auch die Frau selbst dessen 1342 AD-LIMINA-BESUCHE berauben, was gerade ihr vorwiegend oder ausschließlich eigen ist“ (Angelus 14.8.94, in: O.R.,dt„ Nr. 34,1994, S. 2). Die spezifischen Qualitäten der Frau spielen zweifellos in der Welt der Unternehmen und des Films, in Erziehung und Soziologie, in Politik, Wirtschaft und Technik eine wichtige Rolle. Ferner wächst das berufliche Leben durch seine Prägung durch die Frau in hohem Maße an Humanität, Schönheit und Verständnis. Es gibt auch Bereiche, in denen die Frau unersetzlich ist. Anderseits muß die Frau gerade jene Eigenschaften verstärken, die für sie kennzeichnend und besonders, ja unersetzlich sind: wie die Mutterschaft. Die Mutterschaft ist die Berufung der Frau, und sie ist hoch aktuell. Daher müssen wir uns dafür einsetzen, daß die Würde dieser Berufung nicht aus der brasilianischen Kultur verschwindet. „An die hauptsächliche Aufgabe der Frau als Gattin und Mutter denken heißt, sie ins Herz der Familie stellen; sie übt dort eine unersetzliche Aufgabe aus, die als solche gewürdigt und anerkannt werden soll und die mit ihrer spezifischen Besonderheit des Frauseins zusammenhängt (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 18). Gattin-und Muttersein sind zwei sich ergänzende Wirklichkeiten innerhalb dieser ursprünglichen Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, die die Ehe als Fundament der Familie ist“ {Ansprache an die XI. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 24.3.1994, Nr. 3). Die Hingabe als Mutter innerhalb ihres Heimes und für ihre Kinder ist die erhabenste Aufgabe, die sie erfüllen kann. Fehlt dagegen die Mutter, fehlt das Heim, die Familie und sogar das Vaterland und die Kirche. 6. Die Kirche empfängt aus Millionen von „Hauskirchen“ immer neue Pfropfreiser des Lebens und geistlicher Anregung; ihrerseits bietet sie die Eucharistie an als Offenbarwerden der Liebe, wenn sie sich mit Christus beim „Kelch des neuen und ewigen Bundes“ vereint. Wenn ich die Parallele zwischen der Ehe und der Vereinigung zwischen Christus und der Kirche betrachte (vgl. Eph 5,23 ff.), möchte ich sagen, daß sich der Erlöser für die Verwirklichung dieser unwiderruflichen Einheit im Zeichen hochherziger und opferbereiter Liebe engagiert; die Kirche aber entspricht dem, indem sie sich gänzlich für ihr Sein und Leben einsetzt. Die Größe dieser Liebe ist nicht unzugänglich und unmöglich, sie kann vielmehr im Eheleben Gestalt gewinnen. In der Eucharistie teilt Christus den Ehegatten die ganze Kraft seiner geopferten Liebe mit, und nur der Egoismus macht diese große Schönheit der ehelichen Liebe in Christus zu einem unerreichbaren Ideal. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, beim Letzten Abendmahl bezeichnete Jesus die Jünger als seine Freunde und sagte ihnen, sie wären keine Knechte mehr (vgl. Joh 15,13-14). Er besiegelte diese innere Verbundenheit mit der Eucharistie. So beruft der Herr weiter auch euch, die Nachfolger der Apostel, zu einem innerlichen Verhältnis zu Ihm, um euch in Seiner Wahrheit zu bestärken, so daß ihr eurerseits fähig werdet, dem eurer pastoralen Sorge anvertrauten Volk Gottes Seine befreiende Kraft zu verkündigen. Ich vertraue Maria, der Mutter der Kirche, die 1343 AD-LIM1NA-BESUCHE Schwierigkeiten und Freuden eures Dienstes, aber auch die Bedürfnisse und Hoffnungen der Kirche in Brasilien an. Der Papst möchte euch versichern, daß er mit euch immer in seinen Gebeten verbunden ist und euch ermutigt, alle Initiativen weiterzuführen, die ihr zugunsten der Würde der menschlichen Person und der Familie ergriffen habt. Einem jeden von euch, allen Priestern, männlichen und weiblichen Ordensleuten und Laien eurer Diözesen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft Ansprache, beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe, Region Süd I, Staat Säo Paulo am 21. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Als Hirten der Diözesen der Region Süd I des Staates Säo Paulo beschreitet ihr anläßlich eures Ad-limina-Apostolorum-Besuches neuerlich den Weg von Petrus und Paulus, um euch an den lebendigen Quellen eurer Sendung in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom zu stärken. Ich begrüße Kardinal Paulo Evaristo Ams und die hier anwesenden Erzbischöfe und Bischöfe. Es ist mir eine Freude, euch mit jenem „affectus collegialis“ willkommen zu heißen, der seinen konkreten Ausdruck in der gegenwärtigen Begegnung findet. Ich danke für die liebenswürdigen Worte, die der Erzbischof von Säo Paulo an mich gerichtet hat; ich verstehe die Sorgen, die er zum Ausdruck gebracht und die Probleme, die er vorgetragen hat. Es handelt sich dabei um wichtige Fragen, da sie den täglichen Schwierigkeiten gelten, denen eure kirchliche Sendung begegnet, und zugleich die Hoffnung aussprechen, die euch und eure Mitarbeiter beseelt. Eure Fragen sind mir gegenwärtig, wenngleich ich sie heute nicht Punkt für Punkt beantworten kann; ich werde mich bemühen, auch bei meinen späteren Begegnungen mit euren bischöflichen Mitbrüdem aus Brasilien darauf zurückzukommen. 2. Ihr kommt aus einem der reichsten Gebiete Brasiliens mit einer aufstrebenden Wirtschaft, die manchmal - vor allem was die Hauptstadt des Staates betrifft - als „Lokomotive des Landes“ bezeichnet wird. Der Untemehmergeist der Bewohner von Säo Paulo äußert sich im dynamischen Fortschritt, im Wert der Arbeit und in der Förderung einer Kultur von umfassender wissenschaftlicher und künstlerischer Bedeutung mit Rückwirkungen auf den gesamten lateinamerikanischen Kontinent. Die Kirche, die seit der Entdeckung der Nation in ihr tiefe Wurzeln geschlagen hat, hat deren gesellschaftlichem und kulturellen Leben immer vorrangige Aufmerksamkeit geschenkt. Der „Hof des Kollegs“ im Stadtzentrum von Säo Paulo ist noch heute eines der historischen Zeugnisse für den erfreulichen Einfluß, der in erster Linie auf die Gesellschaft Jesu, aber auch auf die Verdienste der franziska- 1344 AD-LIMINA-BES UCHE nischen, benediktinischen und anderen Institutionen zurückzuführen ist, die alle zum Werden einer brasilianischen Geistigkeit und eines brasilianischen Ideals beigetragen haben und immer das Gemeinwohl der Nation in ihrer Gesamtheit im Auge hatten. Einer der Aspekte, die die Kirche in eurem Land kennzeichnen, ist zweifellos ihre große soziale Aufgeschlossenheit, Frucht der Überzeugung, daß der verkündete Glaube notwendigerweise im konkreten Verhalten der Christen zum Ausdruck kommen und, von den Werten des Evangeliums ausgehend, zum Aufbau einer gerechteren Gesellschaft beitragen muß. Das ist ein für eure Ortskirchen besonders ehrenvolles Merkmal, aber gleichzeitig für eure Priester und eure Gläubigen im Laienstand eine schwere Verantwortung und eine bedeutende Herausforderung. Tatsächlich blicken in vielen Teilen der Erde die Menschen im Geist der Solidarität auf euch, was geistliche und materielle Unterstützung hervorruft. In anderen Teilen der Erde wieder kann euer Beispiel die Gewissen im Sinn eines entschiedeneren Einsatzes der Kirche für die Ärmsten und Verlassensten, die Leidenden und jene herausfordern, die manchmal unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. In diesem oder jenem Fall sind nicht das Streben nach gesellschaftlicher oder politischer Machtstellung oder der Einfluß trügerischer, dem christlichen Erbe fremder Ideologien maßgebend, sondern die Treue der Kirche zu ihrem Gründer, weshalb sie ausnahmslos in allen Menschen, aber besonders in den kleinsten und machtlosesten unter ihnen, Söhne und Töchter des Sohnes Gottes sieht, der sie geliebt, errettet, erlöst und berufen hat, Erben des ewigen Reiches des Vaters zu werden. Möge euer Verhalten in diesem so wichtigen Bereich der Evangelisierung von der Treue zu Christus geprägt sein; möge es „Vorbild für alle Gläubigen“ (vgl. 1 Thess 1,7) sein. 3. Als Hirten seid ihr dazu berufen, das christliche Leben in euren Kirchen aufrechtzuerhalten und zu fördern. Mir erscheint es wichtig, euch nochmals die Art und Weise und die Grenzen der Gegenwart der Kirche in der konkreten Problematik sozio-ökonomischer Art in Erinnerung zu rufen, die euer christliches Gewissen herausfordem. Es ist dies eine Pflicht, die dem mir anvertrauten Amt entspringt; es ist meine Pflicht, die Reinheit des Glaubens in der ganzen Kirche aufrechtzuerhalten und euch, meine Brüder, in diesem Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Seid gemeinsam mit mir Hüter seiner Unversehrtheit, Meister seiner Weitergabe und Werkzeuge Gottes für die konkrete Anwendung seiner Wahrheit und seiner Erfordernisse im Leben der Kirche. In erster Linie muß bemerkt werden, daß die Sendung der Kirche vor allem religiöser Natur ist. Sicher „fließen aus eben dieser religiösen Sendung Auftrag, Licht und Kraft, um der menschlichen Gemeinschaft zu Aufbau und Festigung nach göttlichem Gesetz behilflich zu sein. Ja, wo es nötig ist, kann und muß sie selbst... Werke zum Dienst an allen, besonders an den Armen, in Gang bringen“ (Gaudium et spes, Nr. 42). Dennoch bleibt der bevorzugte Bereich ihres Wirkens immer der der Verkündigung Jesu Christi - der gleiche gestern, heute und immer (vgl. 1345 AD-LIMINA-BESUCHE Hebr 13,8) - an alle Menschen, der Verkündigung des Herrn des Alls und seines Namens, des einzigen, „durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12) (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Dieser Wahrheit entspringt die „salus animarum“, das Heil der Seelen, als wesentlicher Daseinszweck der Kirche und als ihr oberstes Gesetz. Diese Unterscheidung, die das Konzil zwischen der irdischen Stadt - d. h., der bürgerlichen Gesellschaft - und der Kirche macht, „die mit den Gaben ihres Stifters ... die Sendung (empfängt), das Reich Christi und Gottes anzukündigen und in allen Völkern zu begründen ... und (die den) Keim und Anfang dieses Reiches auf Erden (dar)stellt“ (Lumen Gentium, Nr. 5; vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 41), ist völlig klar und einleuchtend. Deshalb „interpretiert die Kirche die sozialen Probleme von einem Standpunkt aus, der jenseits der Grenzen der menschlichen Geschichte in ihrer rein irdischen Dimension liegt. Sie verwechselt nie das Reich Gottes mit dem Aufbau der Stadt der Menschen. Auch bemächtigt sie sich nicht dieser Stadt, wie es verschiedene Theorien politischen Christentums gerne sehen würden, noch läßt sie sich von ihr erfassen, was anderen Gesellschaftsordnungen entsprechen würde, die das Wirken für das Evangelium auf den soziopolitischen Einsatz beschränken möchten“ (Ansprache an die Bischöfe der Region Ostl, Nr. 7, 24. III. 1990; vgl. Ansprache vom 13. Okt. 1991). Bei verschiedenen anderen Gelegenheiten, liebe Mitbrüder, habe ich sehr auf diesem Thema bestanden. Ich möchte euch nur auf meine Ansprache an die Bischöfe des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) hinweisen, in der ich sie an das Dokument von Puebla erinnerte, worin auf die Folgen einer ideologischen Anschauung aufmerksam gemacht wird, die das Wirken der Kirche beeinflussen möchte und schließlich „die christliche Existenz völlig politisieren, die Ausdrucksweise des Glaubens in die der Sozialwissenschaften überführen und die transzendente Dimension der christlichen Erlösung aushöhlen würde“ (Nr. 545). Deshalb müssen die geweihten Amtsträger - ebenso wie die gottgeweihten Ordensleute - klug auf jede persönliche Einbeziehung in die Bereiche der Politik oder der zeitlichen Ordnung verzichten, wie übrigens auch vor kurzem das Direktorium für Dienst und Leben der Priester betonte: „Der Priester wird als Diener der Kirche, die sich ihrer Universalität und ihrer Katholizität wegen an keine historische Kontingenz binden kann, über jeglichen politischen Parteiungen stehen. Er kann nicht in politischen Parteien oder in der Führung gewerkschaftlicher Vereinigungen aktiv teilnehmen“, und das, „damit er auf der Ebene geistlicher Brüderlichkeit der Mensch für alle bleiben kann“ (Nr. 33). Die Erfahrung bestätigt die Richtigkeit dieser Feststellung: „Die Reduktion seiner Sendung auf zeitliche Aufgaben, bloß sozial, politisch oder jedenfalls seiner Identität fremd, ist keine Errungenschaft, vielmehr ein schwerer Verlust für die evangelische Fruchtbarkeit der ganzen Kirche“ (ebd., Nr. 33). Ebenso lautet die Lehre des II. Vatikanischen Konzils, das darauf hinwies, daß die zeitliche Wirklichkeit dank der christlichen Laien „vom Geist Christi erfüllt werden und in Gerechtigkeit, Liebe und Frieden ihr Ziel erreichen (soll). In der Erfüllung dieser allgemeinen Pflicht haben die Laien einen 1346 AD-LIMINA-BESUCHE besonderen Platz“ (Lumen Gentium, Nr. 36). Fördert allzeit in der Ausübung eures und des Amtes eurer Priester die christliche Bildung eurer Laien, damit sie, vom Evangelium erleuchtet, „die Einrichtungen und Verhältnisse der Welt, da wo Gewohnheiten zur Sünde aufreizen,... zu heilen suchen“ (ebd.). 4. Die soziale Solidarität einerseits und die Hochschätzung von Leben, Freiheit und Menschenwürde anderseits müssen zweifellos die vorrangigen Kriterien eurer Lehrtätigkeit und eures Wirkens im Bereich der Sozialpastoral sein. Aus eben diesem Grund möchte ich eure Aufmerksamkeit auf einige Aspekte der gesellschaftlichen Wirklichkeit Brasiliens lenken, die während der letzten Monate die besondere Sorge der Kirche wachgerufen haben. Der erste dieser Aspekte beruht auf der Überzeugung, daß der Dienst am Gemeinwohl unter voller Rücksichtnahme auf die Würde jedes einzelnen Menschen die Grundlage jeder gesellschaftlichen Ordnung ist, sei sie in Gesetzen, sei sie in den Plänen und Handlungen festgelegt, die die sozio-ökonomische Entwicklung betreffen und die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen einzelnen Gruppen und Personen regeln. Auf diesem Gebiet ist es Ausdruck heilsamen Mutes, der öffentlichen Meinung rückhaltlos die betrügerischen Handlungen offen darzulegen, die dem Allgemei-ninterese schaden. „Die Grundsätze der Berufsethik, der Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Korrektheit - sagte ich zu euch in Campo Grande - gelten in allen Bereichen der menschlichen Arbeit, im öffentlichen ebenso wie im privaten Sektor“ (.Ansprache vom 14. Oktober 1991). Das fundamentale Prinzip des menschlichen Zusammenlebens - die unerläßliche Verflechtung der Interessen und Rechte der einzelnen und der Gruppen sowie das Streben nach der vordringlichen Förderung des Gemeinwohls - muß fest im Gewissen aller Menschen verankert sein. Diese Harmonie der Interessen und Absichten ist es, die den sozialen Frieden schafft; dieser wiederum entfaltet sich nur dann, wenn die Einzelmenschen und die Gruppen die Wahrheit hochhalten und die Gerechtigkeit, den Sinn für Solidarität und für ein Klima echter Freiheit pflegen, wie mein Vorgänger Johannes XXIU. in seiner immer aktuellen Enzyklika Pacem in terris feststellte. Anderseits bestätigt die Entwicklung der Soziallehre der Kirche mehr und mehr die grundlegende Intuition der Erklärung Dignitatis humanae des II. Vatikanischen Konzils. Die Kirche fühlt sich ja ganz besonders der Freiheit des Menschen und ihrem Vorhandensein innerhalb der Gesellschaft verpflichtet. Es erübrigt sich, euch, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, darauf hinzuweisen, wie dringend es ist, das christliche Gewissen aller Bürger wachzurufen und sie zum aktiven Einsatz für die Solidarität aufzufordem, um so mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, ihre Brüder eifrig gegen jeden Mißbrauch zu verteidigen, der die Menschenwürde bedroht. Die Kirche evangelisiert, indem sie sich an alle Menschen wendet und sie zusammenruft. Der Christ ist ein Mensch, der von Gott berufen wurde, die Gemeinschaft der Liebe mit ihm zu verwirklichen. Der ganze Mensch mit allen Tiefen und aller 1347 AD-LIMINA-BES UCHE Unterschiedlichkeit seiner Existenz wurde von Christus zu dieser Gemeinschaft mit Gottvater und mit allen Menschen berufen, der der Heilige Geist Leben verleiht. Die menschliche Arbeit ist Teil dieser Berufung des Menschen zur Gemeinschaft mit Gott und mit allen Menschen; dank der Arbeit erwirbt der Mensch mit seiner persönlichen Berufung zur Gemeinschaft einen der wichtigsten Titel, die seine Würde ausmachen. Aus diesem Grund wird die Kirche immer die Würde der menschlichen Arbeit verteidigen und aufwerten und insbesondere unablässig alle Formen der Entfremdung bekämpfen, die den Menschen entwürdigen und ihn ganz einfach zur Arbeitskraft oder zur Handelsware degradieren. Erbittet von Gott die erforderliche Weisheit, um mit der nötigen Klugheit und Kraft die Ungerechtigkeiten anzuprangem, denen die einzelnen, vor allem die Schwächsten und Schutzlosesten, unablässig ausgesetzt sind. Die soziale Ausgrenzung kennzeichnet unsere Gruppen von Bettlern, unsere verlassenen Kinder, die die Straßen der großen Städte bevölkern; sie kennzeichnet das Drama der sogenannten „boias-frias“ (rechtlose, ausgebeutete Tagelöhner), die einem unmenschlichen Arbeitsklima auf den Feldern unterworfen sind, die Nomaden auf der Suche nach bebaubarer Erde, um nicht von anderen ebenso traurigen Situationen zu sprechen wie etwa der entmenschlichenden Anonymität oder dem Klima der Unsicherheit, das in unseren Städten herrscht; vom Drogenhandel, der unzählige Opfer fordert und ständige Ursache der Zerstörung der Familien ist, und von der Prostitution - selbst von Minderjährigen und auch in den Goldbergwerken. Es ist also ein besorgniserregendes Bild, das gemeinsame Bemühungen aller Gesellschaftsschichten fordert und dem auch die Kirche einen wesentlichen Teil ihrer pastora-len Initiativen widmen muß. Unlängst konnte ich zu meiner Befriedigung die Absichten der kürzlich angetretenen Regierung kennenlemen, die sich die soziale Gerechtigkeit in Brasilien zum vorrangigen Ziel gesetzt und die Absicht geäußert hat, mutig den argen Unterschieden zwischen den verschiedenen Regionen und sozialen Gruppen entgegenzutreten. In diesem Sinn „wächst die Überzeugung, daß die Menschheit nicht nur ihre Herrschaft über die Schöpfung immer weiter verstärken kann und muß, sondern daß es auch ihre Aufgabe ist, eine politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung zu schaffen, die immer besser im Dienst des Menschen steht und die dem einzelnen wie den Gruppen dazu hilft, die ihnen eigene Würde zu behaupten und zu entfalten“ (Gaudium et spes, Nr. 9). Diese Überzeugung veranlaßte das II. Vatikanische Konzil, zu erklären, daß „die fundamentale Zweckbestimmung dieses Produktionsprozesses ... weder in der vermehrten Produktion als solcher noch im Erzielen von Gewinn oder Ausübung von Macht (besteht), sondern im Dienst am Menschen, und zwar am ganzen Menschen im Hinblick auf seine materiellen Bedürfnisse, aber ebenso auch auf das, was er für sein geistiges, sittliches, spirituelles und religiöses Leben benötigt“ (ebd., Nr. 15). 1348 AD-LIMINA-BESTJCHE Angesichts der sozialen Lage Brasiliens erfordern diese Erklärungen des Konzils von euch als Hirten einer riesigen Herde einen ständigen Prozeß der Erziehung der Gesellschaft, die sie dazu bringen muß, ihr Vertrauen nicht so sehr in rein technische Initiativen, sondern mehr in einen Weg zu setzen, der die Menschen aus der moralischen Unordnung herausführt, worin sie sich befinden. Vor allem müßt ihr in euren Kirchen, in den katholischen Schulen und in euren Kommunikationsmitteln eine korrekte Unterweisung in der Soziallehre der Kirche intensivieren. Es ist angezeigt, neue pastorale Initiativen für die Ausbildung der Laien - insbesondere der in der Pastoral engagierten - anzusetzen, damit sie mehr und mehr in der Soziallehre die im Evangelium enthaltenen Richtlinien wahmeh-men, die für die christliche Präsenz im familiären und gesellschaftlichen Leben richtungweisend sind; diesen Laien ist zeichenhaft die berechtigte Autonomie der zeitlichen Angelegenheiten an vertraut, wie das II. Vatikanische Konzil betonte (vgl. Lumen Gentium, Nr. 36; Gaudium et spes, Nr. 43), indem es einen deutlichen und ausgewogenen Unterschied zwischen der Sozialpastoral und dem Einsatz in der Politik und den Parteien machte. Auch darf nicht die Notwendigkeit übersehen werden, sowohl den Priesteramtskandidaten als auch den Priestern im Rahmen ihrer Weiterbildung entsprechende Kenntnisse auf diesem Gebiet durch das Studium der kirchlichen Dokumente zu vermitteln, die die Menschenwürde und die christliche Auffassung von der Gesellschaft betreffen. Die Achtung für den Menschen betrifft eine Unzahl von Bereichen: die Verteidigung des ungeborenen Lebens, die Entwicklung eines gerechten Sozialsystems, die Anerkennung der gegenseitigen Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, deren konkrete Anwendung man kennen muß. Ich weiß, wieviel in diesem Sinn bereits in euren Diözesen geschieht, und hoffe, daß ein neues christliches Verständnis für diese Lage im Lauf der Zeit Früchte des Friedens und der Freiheit für alle hervorbringen wird. Ihr dürft jedoch nicht vergessen, daß „niemand neuen Wein in alte Schläuche (füllt)“ (Mk 2,22), anders gesagt, daß der Reichtum der göttlichen Gnade nicht in Herzen wirksam werden kann, die ein der Lehre Christi widersprechendes ethisches Verhalten verhärtet hat. Ohne die Bekehrung des Herzens und des Geistes kann es weder wahre Gerechtigkeit noch sozialen Frieden geben. 5. Schließlich möchte ich eure Aufmerksamkeit noch auf zwei weitere Einzelaspekte der sozialen Problematik Brasiliens lenken: auf die Probleme der Wohnung und des Bodens. Die Wohnung ist eine für ein normales Familienleben und für die christliche Jugenderziehung sowie für die Erhaltung der menschlichen Gesundheit unerläßliche Voraussetzung. Es wäre illusorisch, ja, irrational, zur Erziehung der Künder in den Bau von Schulen und in die Lehrerausbildung und für die Erhaltung der Volksgesundheit in Krankenhäuser oder Gesundheitszentren zu investieren, wenn nicht gleichzeitig eine intelligente und mutige Wohnungspolitik verfolgt wird. Es ist richtig, daß die rechtlichen Bedingungen des Wohnungseigentums sorgfältig 1349 AD-LIMINA-BESUCHE durchdacht werden müssen, um jeder Immobilienspekulation vorzubeugen. Grundlegend ist jedoch, daß der massive Einsatz öffentlicher Mittel für die Errichtung angemessener Wohnbauten, für Infrastrukturen, Sanierungen und schnelle und billige Massenverkehrsmittel nicht nur im Hinblick auf seinen finanziellen Nutzen, sondern als außerordentlich bedeutsame soziale Investition betrachtet werden muß. Das weise und ausgeglichene Wort der Kirche und in manchen Fällen ihr konkretes Handeln können den für die Sozialpolitik eines Landes Verantwortlichen eine unersetzliche Hilfe sein und ihnen das Einschlagen der angemessensten Wege für die Lösung der ernsten Wohnungsnot erleichtern, unter der das Land leidet. Auch das Problem von Grund und Boden stellte während der letzten Jahrzehnte eine ständige Sorge für den brasilianischen Episkopat dar. Das Prinzip der universalen Bestimmung der Güter und insbesondere des Bodens ist für die Soziallehre der Kirche grundlegend und hat ihre Wurzeln in der Heiligen Schrift, in der patri-stischen Literatur und in der Thomistik und wird klar in den großen Dokumenten der Soziallehre dargelegt, von Rerum novarum Leos XIII. bis zu meiner letzten Sozialenzyklika Centesimus annus. Dieses Prinzip ist für die Erläuterung der den Boden betreffenden christlichen Anschauung grundlegend. Man darf das Thema der Okkupation und des Besitzes von Grund und Boden nicht oberflächlich behandeln. Auch genügt es nicht, den Boden dem zu geben, der ihn bebaut. Es kommt vielmehr darauf an, die überschüssigen, brachliegenden und unproduktiven Grundstücke denen vorzubehalten, die tatsächlich in der Lage sind, sie nutzbar zu machen (vgl. Homilie, 14. Okt. 1991, Nr. 4; Enzyklika Mater et magistra, Nm. 134-136). Dazu ist eine klärende und ununterbrochene Zusammenarbeit mit den öffentlichen Stellen notwendig, denen es obliegt, diesen Prozeß zu lenken, im Interesse einer - was den Grundbesitz betrifft - neuen Politik, die den ländlichen Produzenten und den Landbewohner entsprechend entlohnt. Anderseits muß an die herkömmliche Lehre erinnert werden, wonach der Grundbesitz „rechtswidrig (wird), wenn er nicht produktiv eingesetzt wird oder dazu dient, die Arbeit anderer zu behindern, um einen Gewinn zu erzielen, der nicht aus der Gesamtausweitung der Arbeit und des gesellschaftlichen Reichtums erwächst, sondern aus ihrer Unterdrückung, aus der unzulässigen Ausbeutung, aus der Spekulation und dem Zerbrechen der Solidarität in der Welt der Arbeit“ (Centesimus annus, Nr. 43). Darüber hinaus erinnere ich an die Worte meines Vorgängers Leo XE., der lehrt, daß man „weder im Namen der Gerechtigkeit noch in dem des Gemeinwohls jemandem Schaden zufügen und auch nicht unter irgendeinem Vorwand von seinem Eigentum Besitz ergreifen darf4 (Rerum novarum, Nr. 55). Die Kirche darf Initiativen oder Bewegungen, die sich gewaltsam des Bodens bemächtigen oder sich hinterlistig ein landwirtschaftliches Besitztum aneignen wollen, nicht unterstützen. 6. Zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich euch meine brüderliche Unterstützung bei euren pastoralen Aufgaben anbieten. Ihre Schwierigkeiten sind mir bekannt, und ich habe soeben an einige von ihnen erinnert, die besonders bedeutsam 1350 AD-LIMINA-BES U CHE sind. Ich weiß aber auch, daß in euren Diözesen die Arbeiter des Evangeliums mit Begeisterung und Großmut am Werk sind; sie wissen, daß „die Hoffnung ... nicht zugrunde gehen (läßt)“ (Röm 5,5). Übermittelt den Priestern, Diakonen, Ordensleuten und mit spezifischen pastoralen Verpflichtungen betrauten Laien sowie allen Gläubigen eurer Diözesen die herzlichen Grüße des Nachfolgers Petri und meine Ermutigung für ihre Aufgaben und ihr Zeugnis. Mögen sie ihr Vertrauen in den Geist des Herrn setzen, den Geist der Liebe und der Wahrheit! Mögen sie, während sie wie die Jünger von Emmaus neben Christus einhergehen, sagen können: ,3rannte uns nicht das Herz in der Brust?“ (Lk 24,32). Ich empfehle euch der Fürbitte der Mutter des Herrn und der Heiligen eurer Diözesen und rufe auf euch alle den Segen Gottes herab. Nach 500 Jahren der Evangelisierung Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region Ost 1 beim Ad-limina-Besuch am 1. April Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude heiße ich euch, die Mitglieder der Region Ost 1, die die Kirchenprovinzen von Rio de Janeiro und Niteröi umfaßt, hier willkommen. Eines der wichtigsten Ziele der Fünfjahresbesuche beim Apostolischen Stuhl ist die Verehrung der Gräber der Apostelfürsten Petrus und Paulus. In diesem Sinn ist der Ad-limina-Besuch eine geistliche Pilgerfahrt zum Ursprung der Kirche, in jene Zeit, als ihr göttlicher Stifter den Aposteln die Reichtümer seiner Gnade anvertraute, „um Gottes Volk zu weiden und immerfort zu mehren“ (Lumen Gentium, Nr. 18). Eure Anwesenheit dient nicht einfach der Erfüllung einer administrativen oder rechtlichen, eurem Amt eigenen Verpflichtung, sondern ist Ausdruck echter Brüderlichkeit und Freundschaft in der Liebe Christi, des obersten Hirten (7 Petr 5,4), der unablässig seine Stellvertreter und Botschafter aussandte, „damit sie in Teilhabe an seiner Gewalt alle Völker zu seinen Jüngern machten und sie heiligten und leiteten“ (Lumen Gentium, Nr. 19). Ich danke für die liebenswürdigen Worte, die in euer aller Namen Kardinal Eu-genio de Araüjo Sales an mich gerichtet hat und erwidere sie, indem ich euch meiner Achtung und meiner Dankbarkeit für das pastorale Wirken in den euch anvertrauten Teilkirchen versichere, damit ihr in ihnen „sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit“ {Lumen Gentium, Nr. 23) seid. Ich begrüße jede einzelne der Teilkirchen, denen ihr in Liebe und Dienstbereitschaft vorsteht. Mit euch danke ich Gott für den Glauben und das hingebungsvolle christliche Leben eurer Priester, Ordensleute und Laien, für die Einheit all eurer Gläubigen mit ihren Hirten und mit dem Nachfolger Petri, dem Mittelpunkt und sichtbaren Fundament der unzerstörbaren Einheit der Kirche. 1351 AD-UMINA -BES UCHE 2. Dieser Begegnung kommt besondere Bedeutung zu, stehen wir doch am Vorabend des Jahres 2000, des Jubeljahres, anläßlich dessen ich euch und den euch anvertrauten kirchlichen Gemeinden nahegelegt habe, die Herzen für die Eingebungen des Geistes zu öffnen: in der Überzeugung, daß er es nicht unterlassen wird, sie zu motivieren, damit sie sich anschicken, das große Jubiläumsereignis mit erneuertem Glauben und großmütiger Beteiligung zu feiern (vgl. Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, Nr. 59). Es ist von größter Bedeutung, daß wir uns von Jenem erleuchten lassen, der „das Licht der Menschen“ (Joh 1,4) ist, um mittels eines intensiven missionarischen Programms den Weg für die neue Evangelisierung vorzubereiten, da das Heil, wenn es für alle bestimmt ist, auch allen zugänglich gemacht werden muß (vgl. Redemptoris missio, Nr. 10), indem alle Menschen und Strukturen mit ihm in Berührung gebracht werden, denn „evangelisieren ist in der Tat die Gnade und die eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 14). 3. Es nähert sich auch die fünfhundertste Wiederkehr der Entdeckung und zugleich der Evangelisierung Brasiliens, deren wir im Jahr 2000 gedenken werden. Das sind zweifellos zwei für die historische und religiöse Lebensgeschichte eures Landes höchst bedeutsame Daten. Die christliche und eucharistische Berufung eurer Heimat trat schon von ihren Anfängen an, zu Beginn des 16. Jahrhunderts, klar in Erscheinung, als ihre Entdecker, während sie kniend die erste Messe auf dem Kontinent feierten, Gott für dieses ungewöhnliche Geschenk dankten, das aus dem Ozean herausragte und dessen Großartigkeit und Reichtum sie - unter den erstaunten Blicken der Urwaldbewohner, inmitten einer unvergleichlichen und üppigen Natur - nicht ermessen konnten. Das Kreuz der Erlösung segnete Brasilien von Anfang an, da es „Land des heiligen Kreuzes“ genannt wurde, und wenn die Entdecker in der Nacht ihre Augen zum Himmel erhoben, konnten sie inmitten der harmonischen Weite der leuchtenden Sterne das gleiche Heilszeichen wahmehmen. Ja, Brasilien besaß schon von seiner Geburtsstunde an die christliche Berufung, vom Schöpfer im Sternbild des Kreuzes des Südens dargestellt. 4. Die erste Evangelisierung war zweifellos eine neue Erfahrung und eine große Herausforderung. Die Feier der fünfhundertjährigen Wiederkehr, die bereits herannaht, ist für euch und für eure Teilkirchen eine hervorragende Gelegenheit, um die Geschichte eurer Vergangenheit als treibende Kraft für die Zukunft neu aufleben zu lassen. Freilich fehlen in dieser Geschichte, wie ihr wißt, nicht die Schattenseiten: Entscheidungen und Haltungen die, selbst wenn man die verschiedenen philosophischen und kulturellen Anschauungen dieser Zeit berücksichtigt, bedauernswert bleiben. Wir dürfen uns aber deshalb nicht zur Mißachtung der außerordentlichen Ergebnisse verleiten lassen, welche das hochherzige Bemühen so vieler Pioniere 1352 AD-LIMINA-BES U CHE hervorgebracht hat, die unter ungeheuren Opfern zur Verbreitung der Samen des Evangeliums in eurem Land beigetragen haben. Dennoch wollen wir an die Wahrheit erinnern, daß zwar die Träger der Evangelisierung den Samen ausstreuen, daß ihn jedoch Gott wachsen läßt (vgl. 1 Kor 3,6). Auch könnte man nicht die Geschichte der Evangelisierung schreiben, ohne der umgestaltenden Kraft des verkündeten Wortes eingedenk zu sein, das - über alle Grenzen der menschlichen Schwächen hinaus - ein Werk vollbringt, mit dem es auch zum Zeichen für die Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes wird. Wenn die Kirche auf diese Vergangenheit blickt, erfreut sie sich der erfüllten Pflicht, auch inmitten der Schwierigkeiten, denen die Evangelisierung im gesellschaftlichen und historischen Kontext begegnete. Die Stimme der Kirche erhob sich, was die Eingeborenen betrifft, unablässig, besonnen und kraftvoll durch den Mund meines Vorgängers Paul III. und verurteilte klar und deutlich alle Versuche, sie zu versklaven (vgl. Bulle Sublirnis Deus, 1537). In der kirchlichen Praxis und Disziplin wurden trotz aller Behinderungen seitens des kulturellen Milieus die Menschenwürde des Indios und die damit verbundenen Rechte anerkannt. Bedeutsam ist die Glaubenserfahrung, die in den dörflichen Ansiedlungen der Missionen gemacht wurden, wo alle besonders positiven Aspekte der eingeborenen Kultur Anerkennung und Aufnahme fanden und die handwerklichen und gewerblichen Fähigkeiten der Indios gefördert wurden. Ihre pädagogische Hinführung zur Kenntnis der geoffenbarten Wahrheit war begleitet von der Verteidigung gegen ihre Ausbeuter. Auch dürfen wir es nicht unterlassen, heute die pastorale Intuition der ersten Missionare zu bewundern, die all dem, was im kulturellen Universum der Indios besonders verehrungswürdig war, mit Sympathie begegneten: dem sakralen Charakter der Schöpfung, der Achtung für die „Mutter Natur“ und der Integration in sie, dem Gemeinschaftssinn und der Solidarität unter den verschiedenen Generationen, dem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, der Loyalität und der Freiheitsliebe. All diese Haltungen wurden ausdrücklich von der Lehre des Evangeliums her erhellt und, veredelt, in die christlichen Wertvorstellungen eingegliedert. Diese Verkünder des Evangeliums erzielten somit eine der lebendigsten und originellsten Synthesen und förderten eine authentische Inkulturation des Glaubens. Ein leuchtendes Beispiel für dieses Werk ist zweifellos der sei. Josef de Anchieta in seinen vielfältigen Aktivitäten: Künstler, Missionar, Erzieher und Bildner im Glauben in eurem Land. 5. Was die afrikanische Sklaverei betrifft, so hatte ich schon Gelegenheit, den Himmel um Vergebung für den schändlichen Sklavenhandel anzuflehen, an dem auch - und in nicht geringer Zahl - Christen beteiligt waren und der, vom afrikanischen Kontinent ausgehend, die neuentdeckten Länder mit Arbeitskräften versorgte (vgl. Besuch im Sklavenhaus, 22. Februar 1992). Für jene traurigen Zeiten waren die strengen Verbote nicht ausreichend, die meine verehrten Vorgänger 1353 AD-LIMINA -BES U CHE Pius II. im Jahr 1492 und Urban VIII. im Jahr 1693 erließen, und auch nicht die Vorwürfe Benedikts XIV. (vgl. Bulle Immensa pastorum von 1740), der alle, die Sklaven festhielten, verkauften oder mißhandelten oder Afrikaner zu Sklaven machten, mit der Exkommunikation bedrohte. Der Gesellschaft und der Kultur der damaligen Zeit trotzend, unterließ es die Kirche auch hier nicht, die Sklaven gegen die Ungerechtigkeiten zu verteidigen, denen sie unterworfen waren; das bezeugen z. B. die Konstitutionen von Bahia aus dem Jahr 1707, die erste in Brasilien ausgearbeitete kanonische Norm, die bezweckte, die abwegigen Auswirkungen der Sklaverei soweit als möglich zu lindem (CC 303 und 304). Hier folgte eure Ortskirche dem Beispiel des Völkerapostels, der bei seinem Schüler Philemon für den von ihm getauften Sklaven Onesi-mus Fürsprache einlegte (vgl. Phlm 8-21). Die Geschichte der ersten Evangelisiemng wäre unvollständig, und es wäre eine große Ungerechtigkeit, wollte man nicht neben den Schattenseiten - eine Folge der menschlichen Schwäche - gleichermaßen die Verdienste derer sehen, die das Kreuz in eurem Land aufrichteten und so den Samen des Evangeliums ausstreuten. Auch können wir es heute nicht unterlassen, das Wirken der ersten Bischöfe zu bewundern. Obwohl sie während der ersten drei Jahrhunderte zu gering an der Zahl waren und zahlreiche schwierige Situationen meistern mußten, waren sie die Herolde der Evangelisierung und Protagonisten eines beachtenswerten Reichtums an christlicher Weisheit und pastoralem Eifer. Es wäre keine Übertreibung, auch den Diözesanpriestem, echte Missionare und Pfarrer in den entferntesten Regionen, wo es an allem für einen würdigen Unterhalt Notwendigen fehlte, den Titel der unbekannten Helden zu verleihen, da sie doch mit ihrer demütigen, mutigen und ausdauernden Arbeit den Glauben aufrechthielten, Mißbräuche bekämpften, die Sitten verbesserten, die Familien unterstützten und die Achtung für die Institutionen förderten. Alle sind von der sprachlichen und kulturellen Einheit eines Landes beeindruckt, das die Ausdehnung eines Erdteils hat, den die Kirche mit Städten, Schulen und Krankenhäusern versorgte und wo sie, dank ihrer Predigttätigkeit und ihrer Katechese, die Gruppen von Familien der verschiedenen Gesellschaftsschichten zu einem einzigen und wirksamen Werkzeug der Fördemng eines nationalen Bewußtseins und des Aufbaus der politischen Einheit eures Landes zusammenschloß. Nicht weniger ist für alle die Art und Weise beeindruckend, auf die die Botschaft des Evangeliums sich in ganz Brasilien verbreitete, obwohl bekannt ist, daß die Kirche aus Gründen, die ihrem Willen fremd waren, weitgehend in ihrer Handlungsfreiheit beeinträchtigt war. Trotz der Unzulänglichkeit ihrer Strukturen und der geringen Zahl ihrer Priester verstand sie es, dieser aufstrebenden Nation die Merkmale aufzuprägen, die die Jünger Christi auszeichnen, indem sie ihnen das unschätzbare Geschenk das Glaubens vermachte und ihnen Liebe und Achtung für ihre Mitmenschen einflößte. 1354 AD-LIMINA-BESUCHE Ebenso bedeutsam war die Rolle der Gläubigen im Laienstand. Die ursprünglich von den Missionaren angefachte Hamme des Glaubens brannte weiter und verbreitete sich von einer Plantage zur anderen und von einem Dorf zum anderen dank der in den Häusern gepflegten Frömmigkeit, wo Freie und Sklaven zusammentrafen, um den Schöpfer zu preisen. Tatsächlich war es das Verdienst der Familie, trotz ihrer Einfachheit und scheinbaren Schwäche, die von den Arbeitern der ersten Stunde begonnene Evangelisierung zu vervollständigen. In diesem Zusammenhang müssen zwei Träger dieser ersten Evangelisierung erwähnt werden: die Familienmutter, Hüterin und Verkünderin eines einfachen und vertrauenden Glaubens und vor allem der Marienverehrung, und die „Negermutter“, die in ihrem schweigenden Schmerz mit ihrem gütigen Dienst für die Mitmenschen und ihrer Seelenstärke in zahlreichen und harten Prüfungen ein lebendiges und faßbares Zeugnis für ihren Glauben ablegte. 6. Seit dieser ersten Evangelisierung sind fast fünfhundert Jahre vergangen. Heute kann man behaupten, daß die Seele eures Volkes auf unauslöschliche Weise vom christlichen Glauben geprägt ist. Die tiefsten Wurzeln Brasiliens reichen in die unversiegbare Quelle des Evangeliums hinab; ihr Verlust wäre ein Schaden für den kulturellen Reichtum Brasiliens und damit zugleich für seine Identität. Aufgrund der in so vielen kirchlichen und gesellschaftlichen Bereichen erzielten Ergebnisse kann man feststellen, daß „ein echtes, fruchtbares und bewundernswertes Werk der Evangelisierung“ (4. Vollversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats, Eröffnungsansprache, 12. Oktober 1992) geleistet wurde. Ich sage euch das aufgrund meiner Erinnemungen an meine beiden Apostolischen Reisen durch Brasilien in den Jahren 1980 und 1991. Fünfhundert Jahre seit der Entdeckung, fünfhundert Jahre der Evangelisierung! Es ist, als ob wir einander neuerlich am Anfang der Geschichte eures Landes begegneten, das heute eine aufstrebende Macht innerhalb der Nationen ist und über eine außergewöhnliche Fähigkeit zur Überwindung seiner eigenen Herausforderungen - nicht weniger groß als das Land - verfügt. Diese Herausforderungen sollen als Augenblicke eines Wachstumsprozesses im Hinblick auf eine konstitutionelle und dynamische Reifung und auf die Erwerbung einer weiterreichenden sozialen und wirtschaftlichen Anteilnahme und Integration betrachtet werden. Es ist dringend notwendig, die Begeisterung der ersten Missionare aufrechtzuerhalten und in die heutige Gesellschaft und ihre Strukturen die Werte einzuflößen, die im Augenblick der ersten Evangelisierung dort nicht genügende Wurzeln faßten. Ich beziehe mich u. a. auf die großen Werte des Einsatzes für die öffentlichen Angelegenheiten, der Selbstachtung und des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten, eines gesunden Patriotismus und der Solidarität unter Landsleuten für die gemeinsame Gestaltung des Geschicks der Nation. Heute finden wir einen Vorschlag für eine neue Evangelisierung - „neu, was den Eifer, die Methoden und die Ausdrucksformen betrifft“ (vgl. Ansprache an die Bi- 1355 AD-LIMINA-BES UCHE schöfe des Lateinamerikanischen Bischofsrates, 9. März 1983) - eurer Teilkirchen im Dokument von Santo Domingo und in zahlreichen anderen Dokumenten des päpstlichen und bischöflichen Lehramtes zusammengefaßt, in denen man die großen Anliegen wahmimmt, welche für die apostolischen Aktivitäten der Kirche in Brasilien und auf dem ganzen Erdteil zur Vorbereitung auf das Jahr der Gnade 2000 richtungweisend sind. Sind denn die Wiederbelebung des religiösen Lebens in eurem Land in den verschiedenen Formen von Volksmissionen der Vergangenheit, die meines Wissens in einigen Diözesen Brasiliens neu aufleben, oder die Inthronisation des Kreuzes von Santo Domingo in vielen Heimen, um in den Katholiken missionarischen Geist und missionarische Verantwortung zu wecken, nicht Zeichen der trostvollen Gegenwart des Heiligen Geistes in den Herzen der Gläubigen? Die neue Evangelisierung fordert noch vor der Neuorganisation der pastoralen Strukturen und Aktivitäten als ersten und wichtigsten Schritt die Überzeugung, daß die Abkehr von Gott und von der geoffenbarten Lehre nur durch den ernsten Entschluß zur inneren Umkehr überwunden werden kann. Die wahre Evangelisierung muß das Herz für den Ruf Gottes öffnen: „Kehr um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 4,17). Es geht darum, die Gläubigen mit ihren tatsächlichen Verantwortungen im familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Bereich zu konfrontieren: Eine neue Umwandlung ist erforderlich, damit Christus in allen Brasilianern lebe und damit sein unverfälschtes Bild sich in ihrem persönlichen und sozialen Verhalten widerspiegle. Christus, der Erlöser des Menschen, möchte in den Herzen und in den Werken der Christen herrschen. Die neue Evangelisierung wird nur dann sinnvoll sein, wenn es ihr gelingt, das Evangelium Christi ohne irrige oder verkürzte Auslegung im Leben aller Menschen und Institutionen weiterzugeben. Einerseits muß derjenige, der dazu berufen ist, „Christus zu lehren“ davon überzeugt sein, daß „die Erkenntnis Jesu Christi ... alles übertrifft“ (Phil 3,8); anderseits wird ihn „das Bedürfnis (erfüllen), diesen Glauben immer besser kennenzulemen“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 428 und Nr. 429). Der verpflichtende Auftrag Christi: „Geht zu allen Völkern ... und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 29,19-20), ist an alle Männer und Frauen ohne Unterschied der Rasse, Kultur oder Lebensbedingungen gerichtet, an Reiche und Arme, an Betagte und Kinder. 7. Auch heute, ebenso wie einst, obliegt es den Bischöfen, mit ihren Priestern Herolde und Protagonisten dieser erneuernden Evangelisierung zu sein. Wie der Gute Hirt sollen sie sich dessen erinnern, was bereits der hl. Paulus sagte: „In allem erweisen wir uns als Diener Gottes“ (2 Kor 6,4). Zum Unterschied von der ersten sieht die neue Evangelisierung sich rasch verändernden menschlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten gegenüber. Denken wir z. B. an die Verstädterung und an das drastische Wachsen unserer Städte vor allem dort, wo - wie in den großen städtischen Ballungszentren Brasiliens - der 1356 AD-LIMINA-BESUCHE Bevölkerungszuwachs am stärksten ist. Heute gibt es, ähnlich wie zur Zeit des Völkerapostels (vgl. Apg 17,22-31), moderne Areopage, von denen ich besonders auf einen hinweisen möchte, damit ihm im Interesse der Bildung der Einzelpersonen, der Familien und der ganzen Gesellschaft vermehrte Aufmerksamkeit zuteil werde: auf die Mittel der sozialen Kommunikation. Mir sind einige Initiativen auf diözesaner und nationaler Ebene in eurem Land bekannt, die der entsprechenden Verwendung dieser Mittel besondere Aufmerksamkeit schenken möchten, da durch sie die Botschaft des Evangeliums alle Menschen erreichen kann, „so, daß sie immer den einzelnen innerlich zu treffen vermag, sich in das Herz eines jeden einsenkt, ... und ganz persönliche Zustimmung und Einsatzbereitschaft weckt“ (Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 45). Wie ich schon in der Enzyklika Redemptoris missio feststellte, spielen „die Mittel der sozialen Kommunikation ... eine derartig wichtige Rolle, daß sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind“ (Nr. 37). Die Träger der Pastoral müssen die Mittel der sozialen Kommunikation kennen und verwenden lernen, damit das Christentum, seine Werte und seine Botschaft nicht nur während der für religiöse Themen bestimmten Sendezeiten in Erscheinung treten, sondern auch die der Information, den wissenschaftlichen Themen, der Kunst und der gesunden Unterhaltung gewidmeten Sendungen beseelen. Die für die Mittel der sozialen Kommunikation Verantwortlichen müssen sorgsam jede Art von Fälschung der Wahrheit und der ethischen Werte vermeiden; darüber hinaus können persönliche Interessen oder fragwürdige Formen kulturellen oder künstlerischen Inhalts die Wertordnung umfunktionieren und die tiefsten Gefühle des Menschen verletzen. Die Bürger haben, ganz im Gegenteil, Anspruch auf Respekt für ihre ethischen und religiösen Überzeugungen, was übrigens der Hl. Stuhl immer wieder in Erinnerung gerufen hat (vgl. Päpstlicher Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel, Pastoralinstruktion Aetatis novae, 22. Februar 1992). Der Horizont der Evangelisierung schließt freilich alle Lebensbereiche ein, auch das für den einzelnen besonders verpflichtende soziale Gebiet: die gewöhnliche tägliche Arbeit. Gott, der Herr, ruft alle Männer und Frauen dieser Welt auf, ihre tägliche Arbeit zu heiligen und in eine dem Schöpfer wohlgefällige Gabe zu verwandeln. In der Arbeit hallt der göttliche Ruf wider, in allem Tun heilig zu sein, steht doch geschrieben: „Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden“ (1 Petr 1,15). Dieser Aufruf ist an alle gerichtet, die im zeitlichen Bereich tätig sind, damit sie, in ihrem Arbeitsmilieu als Kinder Gottes lebend, auch ihren Mitmenschen helfen, die Größe dieser Berufung zu entdecken. Die Laien können und sollen aufgrund ihrer Berufung „die Einrichtungen und Verhältnisse der Welt... so zu heilen versuchen, daß dies alles nach der Norm der Gerechtigkeit umgestaltet wird und der Ausübung der Tugenden eher förderlich als schädlich ist“ (Lumen Gentium, Nr. 36). Das Evangelium muß mit der Kraft 1357 AD-LIMINA -BES U CHE des Wortes und der Macht des aufrichtigen Glaubens, aber auch und vor allem mit der Glaubwürdigkeit verkündet werden, die einem entschlossenen Zeugnis des Lebens, insbesondere im Rahmen der Familie, entspringt. Wie könnte ich es in diesem Zusammenhang unterlassen, an die christliche Familie zu erinnern, die „evangelisierend und missionarisch“ wirkt (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2205)? 8. In diesem Jahr bereitet die Kirche in Brasilien auch den 5. Lateinamerikanischen Missionarischen Kongreß vor, der den Zweck verfolgt, den missionarischen Einsatz der christlichen Gemeinden zu stärken. Das nachdrückliche Verlangen der missionarischen Institutionen, die Kirche im Leben des gleichen Glaubens vereint und von den zahlreichen Ausdrucksformen des kulturellen und religiösen Lebens bereichert zu sehen, muß immer von der Gewißheit des „unergründlichen Reichtums Christi (vgl. Eph 3,8) ausgehen, den keine Kultur zu keiner Zeit verringern kann und zu dem wir Menschen immer unsere Zuflucht nehmen können, um uns zu bereichern. Dieser Reichtum ist vor allem die Person Christi selbst, da er unser Heil ist“ (Eröffnungsansprache der 4. Vollversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats, Nr. 6). 9. Erlaubt mir zum Schluß, an zwei große Säulen zu erinnern, auf denen das Gebäude der neuen Evangelisierung erbaut werden muß. Zwei sind die Kräfte, ohne die nichts Solides und Dauerhaftes gebaut werden kann: Die erste Kraft ist die Einheit von Geist und Herz innerhalb eures großen Episkopats. Ich weiß, daß ihr in der Vergangenheit schwierige Momente erlebt habt. Man kann nicht abstreiten, daß bestimmte Ideologien auch Menschen mit guten Absichten und gutem Glauben in ihren Bann gezogen haben. Es gab Unsicherheit und Betroffenheit und sogar Nachgiebigkeit, um nicht die kirchliche Gemeinschaft zu opfern. Die Jahre vergingen, und die Ideologien enthüllten ihr wahres Antlitz. Diese Ereignisse haben euch insofern bereichert, als sie eine Erfahrung waren, die eure Zukunft motivieren soll. Die Gemeinschaft der Bischöfe empfängt anderseits ihre echte Kraft des Zusammenhalts dann, wenn ihr Bezugspunkt das kirchliche Lehramt ist. Das ist auch einer der Gründe für eure weite Reise nach Rom: die Stärkung an den Quellen, die zwanzig Jahrhunderte der Evangelisierung belebten und ihnen das Siegel der Authentizität kraft des Wortes: „Stärke deine Brüder“ (Lk 22,32) aufdrückten. Stärkt euren Klerus im kindlichen Gehorsam dem Nachfolger Petri gegenüber. In diesem Sinn sollt ihr selbst in affektiver und effektiver Gemeinschaft mit dem Haupt des Bischofskollegs bleiben, dessen Mitglieder ihr seid. 10. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, ich bin überzeugt, daß dieser euer Aufenthalt in der Ewigen Stadt glücklich und nützlich sein wird. Rom ist immer bereit, die Nachfolger der Apostel, die hierherkommen, „videre Petrum“ („um Petri zu sehen“, Gal 1,18), mit offenen Armen aufzunehmen, wenn sie die verehrungswür-dige und sinnvolle Einrichtung des Ad-limina-Besuches hierherführt. 1358 AD-L1MINA-BESUCHE Ich möchte euch auffordem, treu und hingebungsvoll die zahlreichen Verpflichtungen zu erfüllen, die euch in euren Diözesen erwarten. Übermittelt den Priestern und Ordensleuten, euren Mitarbeitern und der ganzen Diözesangemeinde den Ausdruck meiner Achtung und Ermutigung. Während sich die große Feier des Ostergeheimnisses nähert, bitte ich die Jungfrau Maria - Stern der ersten und der neuen Evangelisierung, die das brasilianische Volk mit dem schönen Titel Unserer Lieben Frau von der Erscheinung verehrt sie möge mit ihrer Fürbitte die Entfaltung der Kirche als missionarische Gemeinschaft begleiten, damit durch sie das Antlitz des auferstandenen Christus besser sichtbar werde. Was mich betrifft, so spende ich euch gemeinsam mit meinen Gebeten, die ich immer für meine geliebten Mitbrüder im Bischofsamt zum Himmel sende, aus ganzem Herzen den Apostolischen Segen, den ich gerne auf eure Mitarbeiter und eure ganzen Diözesen ausdehne. Christliche Gemeinden sollen Salz der Erde und Licht der Welt sein Ansprache während des Ad-limina-Besuches an die brasilianischen Bischöfe der Region Nord 1 am 30. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude heiße ich euch heute herzlich willkommen, die Bischöfe der Region Nord 1 von Brasilien, anläßlich eures Ad-limina-Besuchs. Quelle meiner Freude bei der Begegnung mit euch ist das Amt des apostolischen Dienstes, das wir miteinander teilen, und der Gedanke an die tiefe Glaubenserfahrung, die ihr in den Kirchen, denen ihr vorsteht, weckt, damit sich das Reich Gottes in den unermeßlichen Weiten der Region am Amazonas verbreitet. Ich begrüße euch mit den Worten des hl. Paulus: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Phil 1,2). Genau wie Paulus mit seinen Brüdern in Philippi den „gemeinsamen Einsatz für das Evangelium“ geteilt hat (Phil 1,5), sind auch wir als Nachfolger der Apostel vereint in der wunderbaren Berufung und der Weihe, die uns vom Herrn zuteil wurde, um Diener der Frohbotschaft vom Heil zu sein. Dankbar für die liebenswürdigen Worte und die Empfindungen, die Bischof D. Antonio Possamani in eurem Namen ausgesprochen hat, versichere ich euch, daß ich mich täglich in meinen Gebeten und Sorgen für die Kirche mit euch beschäftige. 2. Im vergangenen Monat April habe ich mit den Bischöfen der Kirchenprovinzen Rio de Janeiro und Niteroi einige Gedanken über verschiedene Aufgaben ausgetauscht, vor denen ihr in eurem bischöflichen Dienste steht. Insbesondere habe ich an die bedeutsame Aufgabe erinnert, die die Missionare: Bischöfe, Priester und 1359 AD-LIMINA-BESUCHE Ordensleute, beim Beginn der Evangelisierung Brasiliens erfüllt haben. Diese Gedanken wollte ich für die neue Evangelisierung fruchtbar machen, bei der vor allem die gläubigen Laien ihre Verantwortung im Bereich der Familie, des Berufes und des Sozialen erkennen sollen. Bei dieser großen Aufgabe empfangt ihr Halt durch die vom Heiligen Geist empfangene Gnade der Bischofsweihe. Mit dieser Hilfe des Heiligen Geistes haben eure Vorgänger im Verlauf der fast 500 Jahre Geschichte eine kirchliche Überlieferung grundgelegt, die zur katholischen Identität eures Volkes beigetragen hat. Sie darf nicht verlorengehen oder gemindert werden, denn in ihr kommt eine grundlegende Treue zur apostolischen und universalen Gemeinschaft zum Ausdruck, die ihr sichtbares Haupt im Nachfolger des Petrus hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 18). Ein konkretes Zeichen für diese kirchliche Kraft wird sichtbar in dem großen Reichtum der Kirche in Brasilien: in den gläubigen Laien, Männern und Frauen mit gutem, einfachem und großem Herzen, die ganz und gar ihre Taufweihe leben. Ihre Präsenz und Tätigkeit im Leben der Kirche gewinnt in der ganzen Welt eine große Bedeutung, doch zumal in eurem Vaterland in diesen letzten Jahren unseres Jahrtausends. Unsere Zeit ist infolge eines ethischen Relativismus durch eine Abschwächung der christlichen Auffassung der Person gekennzeichnet. Dieser Relativismus öffnet die Tore für die Leugnung Gottes und infolgedessen für eine „Gesellschaftsordnung ohne Anerkennung der Würde und Verantwortung der menschlichen Person“ (Centesimus annus, Nr. 13). Dazu kommen die Wünsche, die der Konsumismus weckt, der den Vorrang der Ethik vor der Technik, den Primat der Person vor den Dingen und den Vorrang des Geistes gegenüber der Materie auf den Kopf stellt (vgl. Redemptor hominis, Nr. 16). Angesichts dieser Lage ist es unerläßlich, klar die moralischen Werte des Evangeliums und die transzendente Bestimmung des menschlichen Lebens, wie sie der Erlöser der Menschen geoffenbart hat, zum Ausdruck zu bringen. Andererseits muß, deutlich gekennzeichnet, die berechtigte Autonomie der irdischen Wirklichkeiten betont werden, wie es die Konzilskonstitution Gaudium et spes getan hat, wenn sie sagt, daß die „irdischen Wirklichkeiten und auch die Gesellschaften ihre eigenen Gesetze und Werte haben, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muß“ (36). Beide Situationen verlangen vom Menschen Haltungen voll Verantwortung, nicht nur um ein gerechtes und harmonisches soziales Zusammenleben zu gewährleisten, sondern auch, um daran zu erinnern, daß Gott ihn „der Macht der eigenen Entscheidung überlassen hat“ (Sir 15,14), so daß er seinen Schöpfer suche und aus freien Stücken zur Vollkommenheit gelange“ (Veritatis splendor, Nr. 39). 3. Das pastorale Wirken muß ferner Elemente anbieten können, welche den Zentralgedanken des nachsynodalen Schreibens Christifideles laici bekräftigen, nämlich die universale Berufung zur Heiligkeit. Wir sind von Gott von Ewigkeit her berufen, „heilig und untadelig vor Gott in Liebe zu wandeln“ (Eph 1,4). Diese Berufung zur Heiligkeit, die für alle gilt, wird 1360 AD-LIMINA-BESUCHE vor allem in den durch die Taufe wiedergeborenen Gläubigen Wirklichkeit, die „durch Jesus Christus seine Söhne werden“ und „die Erlösung, die Vergebung der Sünde (haben) nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph 1,5-7). Aus dieser Berufung zur Heiligkeit ergibt sich die Größe des königlichen Priestertums aller gläubigen Laien. Und gerade dieser priesterliche Charakter schenkt ihnen im Leib der Kirche einen besonderen Platz, begründet ihre Würde und beruft sie zur erlösenden Sendung, die nach dem Auftrag Christi in der Kirche aktuell bleibt und bis zur Vollendung der Zeiten gilt. Der gläubige Laie ist in seinem eigenen christlichen Leben und seinem Wirken in der Kirche keine bloße Hilfskraft des Bischofs oder des Priesters. Die Taufe verleiht ihm das Recht und damit auch die Pflicht, in seinem Leben das priesterliche Wirken Christi weiterzuführen. Daher kommt die berechtigte Autonomie des gläubigen Laien in dem, was ihm eigen ist: in jedwedem Lebensstand oder Lebensverhältnis besitzt eine jede Person innerhalb der Gesellschaft, unabhängig von ihrer Rasse und Kultur, ihren gebührenden Platz und ist „zur Ausübung der Sendung berufen, die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat“ (C/C, can. 204). Der spezifische Wirkungsraum des gläubigen Laien ist das Apostolat im weltlichen Bereich, wo er in die irdischen Wirklichkeiten eingefügt ist und als Christ an den Tätigkeiten teilnimmt, die zu seinem Lebensstand und zu seiner sozialen Arbeit gehören (ebd., 210; vgl. Christifideles laici, Nr. 17). Verwechslung - oder wenn wir es Konflikt nennen wollen - zwischen dem Wirken des Laien und dem kirchlichen Wirken ist also nicht möglich, zum mindesten wäre das ein „Anachronismus, wie ich zu erklären schon Gelegenheit hatte (Ansprache vom 10. Oktober 1990). Tatsächlich gilt es immer zu bedenken, was hierzu das II. Vatikanische Konzil gesagt hat: „Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt auf je besondere Weise am Priestertum Christi teil“ (Lumen Gentium, Nr. 10). Einerseits bezeichnet der Ausdruck „Priestertum des Dienstes oder hierarchisches Priestertum“ „den heiligen (in der Kirche von den Bischöfen und Priestern ausgeübten) Dienst zum Nutzen ihrer Brüder“ (Lumen Gentium, Nr. 13); andererseits ist das „allgemeine Priestertum der Gläubigen“ mit dem Sakrament der Taufe verbunden und besagt ebenfalls, daß ein solches Priestertum für den Christen als Inhalt und Ziel enthält, „in allen Werken eines christlichen Menschen geistliche Opfer darzubringen“ (Lumen Gentium, Nr. 10), oder daß es sich darum handelt, wie schon der hl. Paulus erklärt hat, „sich selbst als lebendiges und heiliges Opfer Gott darzubringen“ (Rom 12,1). So wird das christliche Leben als ein Gott dargebotener Lobgesang und als Gottesdienst verstanden, den die einzelnen Personen und die ganze Kirche darbringen (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 7). Das Zeugnis des Glaubens aber und die Verkündigung des Evangeliums (Lumen Gentium, Nr. 10), 1361 AD-LIMINA-BESUCHE die vom übernatürlichen Glaubenssinn ausgehen, an dem die Gläubigen Anteil haben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 12), sind ein Ausdruck dieses Priestertums. Dieses wird konkrete Wirklichkeit im täglichen Leben des Getauften, wenn es zur Hingabe seiner selbst wird, eingefügt in das Paschamysterium Christi. 4. Von diesen Voraussetzungen aus wird verständlich, daß das allgemeine Priestertum und das Dienstpriestertum der Bischöfe und Priester, obwohl unterschieden, doch untrennbar sind. Das allgemeine Priesterum erreicht die Fülle seines eigenen kirchlichen Wertes durch das Dienstpriestertum, insofern dieses im Hinblick auf das allgemeine Priestertum da ist. Bischöfe und Priester sind für das Leben der Kirche und der Getauften unerläßlich, doch auch die Bischöfe und Priester sind dazu berufen, das gleiche allgemeine Priestertum in Fülle zu leben, und sie verdeutlichen unter diesem Aspekt das Dienstpriestertum. „Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ“, sagt der hl. Augustinus (Serm 340,1). Doch noch mehr besteht, wie ich euch bei Gelegenheit gesagt habe, „ein organisches Zusammenwirken zwischen Hierarchie und gläubigem Volk. Natürlich bedeutet diese Zusammenarbeit nicht, daß der Laie den Platz des Klerikers einnimmt, um klerikale Funktionen zu vollziehen, auch nicht darin, daß der Kleriker die Rolle des Laien übernimmt, um Laienaufgaben zu erfüllen. Beide Teile wirken vielmehr zusammen, um die universale Aufgabe der Kirche zu erfüllen. Jeder Christ wird, vom Glauben getragen und von der Liebe bewogen, persönlich (in den Strukturen der zeitlichen Ordnung) dafür sorgen, daß Gerechtigkeit geschieht, und das wird für ihn häufig zu einer schweren moralischen Verpflichtung“ (Ansprache von 30. September 1990). Nicht selten weist man daraufhin, daß heute in Brasilien auf den verschiedenen Gebieten des weltlichen Lebens, in den Medien der sozialen Kommunikation oder im künstlerischen, literarischen, politischen und wissenschaftlichen Leben echte und konsequente Christen fehlen, die Fachwissen und Glaubwürdigkeit ihres öffentlichen Wirkens mit einem ausdrücklichen Glaubenszeugnis und entschiedener Verkündigung des Evangeliums verbinden. In anderen Zeiten hat es in eurem Land nicht an solchen katholischen Führungskräften aus dem Laienstande gefehlt, die eine glänzende Generation bildeten, die sich auszeichnete, zum Beispiel die Katholische Aktion Brasiliens. Das heißt nicht, es gäbe heute keine katholischen Laien im Land, aber zweifellos tritt ihr öffentliches Wirken nicht immer so hervor oder zeichnet sich nicht so aus, wie ihr wünschen möchtet und wie man auch hoffen dürfte in einem Land, das eine derart vom christlichen Glauben geprägte Überlieferung besitzt. Welches sind wohl die Gründe für diese geringe Sichtbarkeit des Apostolates der gläubigen Laien? Die Antwort findet sich an erster Stelle in der Bewertung der gläubigen Laien, die vorbildlich in die irdischen Wirklichkeiten eingefügt sind, in ihrer berechtigten Autonomie. Ihr seid gewiß mit mir darin einig, daß es nicht genügt, die Gläubigen zusammenzuschließen, damit sie bloß eine pastorale Arbeit übernehmen. Die 1362 AD-LIMINA-BESUCHE große Dringlichkeit der Evangelisierung und die ungenügende Zahl von geweihten Dienern drängen auf eine solche Mitarbeit der Laien. Doch ihr Wirken auf die Zusammenarbeit mit den Hirten zu beschränken erschöpft keineswegs die volle Verwirklichung ihrer eigenen spezifischen Sendung. Sie sind nicht lediglich Mitarbeiter und Helfer des geweihten Dieners. Sie sind vielmehr unter eurer pastoralen Leitung und in Achtung vor den von euch gebilligten rechtlichen Verfügungen (vgl. CIC, can. 212 § 1) aufgerufen, innerhalb der irdischen Wirklichkeit tätig zu werden und im Bereich ihrer eigenen Fähigkeiten zu wirken, nämlich beim Aufbau einer von den christlichen Werten durchdrungenen Gesellschaft. Ihr spezifisches Wirken besitzt dann auch eine durchaus andere Gestalt als das Wirken der Bischöfe. Das Kirchenrecht sichert den Laien dieses Recht zu, und seine Ausübung soll erleichtert und unterstützt werden (vgl. CIC, cann. 215-216). In diesem Sinn kann man im spontanen Aufblühen von alten und neuen religiösen Bewegungen ein besonderes Geschenk Christi an seine Kirche erblicken, ein unmißverständliches Zeichen des Heiligen Geistes, der das Leben des Mystischen Leibes Christi ist, in ihr wirkt und „einem jeden seine besondere Gabe zuteilt, wie er will“ (1 Kor 12,11). Solche religiösen Bewegungen und Verbände von gläubigen Laien, die natürlich notwendig und bereitwillig mit der eigenen Ortskirche und ihrem Bischof in Einheit leben müssen, besitzen eine Lebenskraft und oft eine Organisationsstruktur, die über die Grenzen eurer Einzelkirchen hinausreicht. Zum Recht auf Verbandsbildung gehört im einzelnen: das Recht, Verbände zu gründen, sich in bestehende einzuschreiben sowie Autonomie bezüglich Statuten und Leitung dieser Verbände (vgl. Apostolicam aktuositatem, Nr. 19). Es gibt in der Kirche einen großen Reichtum und eine Vielfalt an Gaben und Charismen, die in ihr diese enorme Verschiedenheit von geistlichen Angeboten entstehen läßt, und darin offenbart sich das Wirken des Heiligen Geistes. Die unverzichtbare lehrmäßige und geistliche Schulung des Gläubigen findet in diesen Angeboten konkrete und bestimmte Wege, die erprobt und von der zuständigen kirchlichen Autorität gebilligt sind. 5. Die Region, wo der Herr euch zu Hirten bestellt hat, umfaßt ein weites Gebiet brasilianischen Landes, reich an Wäldern und einem ausgedehnten Netz von Flußläufen, die, außer dem Luftweg, häufig die einzige Verbindung zwischen den verschiedenen Ortschaften bilden. Angesichts der geringen demographischen Dichte im Verhältnis zur Ausdehnung einer jeden Diözese müßt ihr auf der anderen Seite mit den Wanderungsströmen im Inneren fertig werden, mit dem Ansteigen der Bevölkerung in den Städten, die von den Entwicklungsmöglichkeiten angezogen wird, aber auch mit dem missionarischen Wirken in entfernten Urwaldregionen, die zuweilen hauptsächlich von Eingeborenen bewohnt werden. „Ich danke meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle“ {Rom 1,8). Wenn ich mir die Worte des Völkerapostels zu eigen mache, möchte ich euch danken für euren großen und opfervollen pastoralen Eifer, womit ihr der Sache des Evangeliums 1363 AD-LIMINA-BESUCHE dient. Zugleich richtet sich mein Dank an alle Missionare der modernen Zeiten, Ordensmänner und Ordensfrauen, die vereint mit vielen Laien der zahllosen kirchlichen Gemeinschaften euren pastoralen Zielen Leben geben. Könntet ihr nicht mit ihnen rechnen, so wären euch die Hände gebunden. Die Laien bilden nicht nur die Mehrheit des Volkes Gottes, mit noch mehr Grund sind sie der „aktive Teil im Leben und Tun der Kirche. Innerhalb der Gemeinschaften der Kirche ist ihr Tun so notwendig, daß ohne dieses auch das Apostolat der Hirten meist nicht zu seiner vollen Wirkung kommen kann“ (Apostolicam aktuositatem, Nr. 10). In euren Fünfjahresberichten war dieses Thema Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit, und gewiß habt ihr die Aufmerksamkeit auf diese Frage gelenkt, wegen der führenden Rolle der Laien in der Evangelisierung der Städte. Diese führende Stellung, die auch im Dokument von Santo Domingo betont wurde (Nm. 97 ff.), muß im Rahmen ihrer spezifischen Berufung gesehen werden. Wie kann man ihnen ihre besondere Sendung in der Kirche bewußt machen? Wie können sie sich in die Gesellschaft als „Sauerteig für das Ganze“ einfügen? Wie das II. Vatikanische Konzil lehrt, habt ihr kraft des hierarchischen Priestertums, mit dem ihr in der Person Christi, des Hauptes, tätig werdet, die schwere Pflicht, das priesterliche Volk zu heiligen, zu bilden und zu leiten (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 7). Die Wirksamkeit der Arbeit des gläubigen Laien ist an seine innere geistliche Grundlage geknüpft, sein persönliches und gemeinschaftliches Gebetsleben, den Empfang der Sakramente, zumal der Eucharistie und der Buße, und an seine rechte lehrmäßige Ausbildung. Die Gemeinschaft der Kirche versammelt sich um ihren Bischof und in seinem Namen um die Priesterschaft nicht zu einem bloßen Erfahrungaustausch oder um ein soziales Klima zu schaffen, sondern um das Wort der Wahrheit, das Evangelium Christi, zu hören, das unverfälscht und getreu vom Lehramt der Kirche übermittelt wird. Im Rahmen der weitgespannten Freiheit zu Initiativen, die dem Laien als einzelnem oder gemeinschaftlich zustehen, gibt es einen gemeinsamen Nenner, nämlich den bewußt bejahten eigenen Glauben, der sorgfältig gepflegt wird, den man nie beiseite lassen darf, will man nicht Gefahr laufen, die Echtheit des Glaubens, den man bekennt, zu verraten. Den gläubigen Laien kommt es vor allem zu, und sie müssen es sich vor Augen halten, daß sie am prophetischen Amt Christi Anteil haben, ,(Zeugnis zu geben vom christlichen Glauben als der einzigen und wahren Antwort... auf die Probleme und Hoffnungen, die das Leben heute für jeden Menschen ... einschließt“ (Christifideles laici, Nr. 34). Aus diesem Grunde habe ich kürzlich noch mit großer Hoffnung die (prophetische) Aufgabe betont, die die Frau beim Aufbau der Kirche zu erfüllen bemfen ist (vgl. Brief an die Priester 1995, Nr. 6). Wie sollte man hier nicht an das heroische und beharrliche Zeugnis so vieler Frauen denken - neben dem sehr wertvollen der Männer - als erste Übermittler des Glaubens im Bereich der Familie? 1364 AD-LIMINA-BES U CHE Unbedingt nennen muß ich hier auch mit unermeßlicher Dankbarkeit die geduldige und opferbereite Hingabe unzähliger Ordensschwestern und weiblichen Laien, die in der Katechese der Kinder in der Pfarrei tätig sind. Ich bete innig zu Gott, dem Vater, daß er sie überreich segne und ihnen alles vergelte! 6. Auf der anderen Seite sind mir die verschiedenen Initiativen bekannt, die in einigen Ortskirchen Brasiliens ergriffen wurden und die der spezifischen Ausbildung der Laien gelten. Ich weiß ferner, wie sehr sich in diesem Sinn einige religiöse Bewegungen und Verbände einsetzen, die in der gleichen Richtung wie ihre Bischöfe arbeiten und auch viele richtungslos gewordene Menschen wieder zur Kirche führen, nachdem sie durch die fortschreitende geistige Entleerung infolge der Übel der modernen Gesellschaft, von denen ich oben gesprochen habe, und die Verbreitung der Sekten ihr entfremdet worden waren. Dann möchte ich eure Aufmerksamkeit gern auf ein weiteres Gebiet lenken, das nicht weniger wichtig ist und wegen der kontinentalen Ausmaße eures Landes entscheidende Bedeutung gewinnt. Ich hatte bereits Gelegenheit, die Verantwortung hervorzuheben, die den pastoralen Mitarbeitern auf dem Gebiet der sozialen Kommunikation zukommt, wenn es um die rechte Verbreitung der ethischen Werte geht (vgl. Ansprache vom 1. April 1995). Heute gilt meine Aufmerksamkeit einigen führenden Momenten dieses Massenphänomens. Wir wissen alle, daß die Mentalität der Menschen dem entscheidenden Einfluß dieser Kommunikationsmedien unterliegt. Hier liegt der Schlüssel zur Welt der Werte, welche die Generationen von morgen beherrschen werden. Im Dekret Inter mirifica hat bereits das II. Vatikanische Konzil hervorgehoben: „Öffentliche Meinungen üben heute einen bestimmenden und richtunggebenden Einfluß auf das private und öffentliche Leben der Menschen ... aus. Daher müssen alle Glieder der Gesellschaft ihren Verpflichtungen zu Gerechtigkeit und Liebe auch in diesem Bereich nachkommen und ... ebenfalls zur Bildung und Verbreitung richtiger öffentlicher Meinungen beitragen“ (Nr. 8). Ihr müßt daher eure gläubigen Laien in der Evangelisierung der Medien der sozialen Kommunikation und in der Verbreitung der Kultur einsetzen und auch Programme zur Förderung des Menschen unterstützen, die freilich den Erfordernissen jedes sozialen Bereiches anzupassen sind und als Anregung zur christlichen Solidarität dienen. Als loumalisten, Berichterstatter, Artikelschreiber und Filmproduzenten für Kino und Fernsehen, als Schauspieler, Musiker oder plastische Künstler müßtet ihr eure persönlichen Talente, eure Kunst und euer Ansehen in dem Medium, mit dem ihr arbeitet, für ein unmißverständliches Zeugnis eures Glaubens an Jesus Christus einsetzen. Es kommt euch als Hirten zu, das apostolische Wirken innerhalb der Wirklichkeiten dieser so komplexen Welt, in der eure Gläubigen tätig sind, anzuregen, zu unterstützen und ihm Orientierung zu geben, damit sie durch die Kraft des Evangeliums in Wahrheit Salz der Erde und Licht der Welt werden können (vgl. Mt 5,3-14). 1365 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Ich möchte diese unsere Begegnung schließen, hebe Brüder, indem ich euch erneut meinen Dank und meine Wertschätzung ausspreche. Wenn ihr in eure Diözesen zurückkehrt, grüßt bitte herzlich eure Priester, Ordensleute und Laien. In Erwartung des Pfingstfestes, an dem wir uns an die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel erinnern, an den Beginn der Kirche und den Beginn der Sendung für alle Sprachen, Völker und Nationen, möchte ich euch einladen, noch einmal auf die Osterkerze zu blicken, das Licht, das als Symbol des auferstandenen Christus leuchtet. Angesichts der ungeheuren Größe der Sendung, die euch anvertraut ist, laßt euch nie von Müdigkeit oder Verzagtheit überwältigen. Jesus, der Erlöser der Menschen, geht den Weg mit euch und macht alle eure Bemühungen fruchtbar. Viele hochherzige Mitarbeiter teilen im übrigen eure apostolischen Anliegen: Kleriker, Ordensleute und viele Laien. Eure Aufgabe, liebe Brüder im Bischofsamt, ist es, dieses Volk Gottes zur Fülle einer getreuen Antwort auf den Plan Gottes hinzuführen. Begleiten möge euch auf diesem schweren, aber auch begeisternden Weg Maria, die Königin des Himmels, die „Christus in ihrem Schoß getragen hat“ (vgl. Regina caeli). Sie möge ihre mütterliche Sendung für die Gläubigen weiterführen und ihnen durch ihre Fürbitte das göttliche Leben des Auferstandenen vermitteln. Jedem einzelnen von euch wie auch den Priestern, den Ordensleuten und allen Laien eurer Gemeinschaften erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Priester sollten begeistern können Ansprache während des Ad-limina-Besuches an die brasilianischen Bischöfe der Staaten Minas Gerais und Spirito Santo am 13. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Brüderlich empfange ich euch anläßlich eures Ad-limina-Apostolorum-Besuchs und begrüße in euch herzlich die ganze Kirche Gottes, die sich in Brasilien befindet, zumal in den Staaten Minas Gerais und Espirito Santo. Mit eurem Besuch möchtet ihr bei den Säulen der Kirche, den hll. Aposteln Petrus und Paulus, Unterstützung finden für einen neuen Impuls in eurem pastoralen Dienst. Mir gestatten unsere Begegnungen ein besseres Kennenlemen eurer Sorgen und der Gründe für eure Hoffnungen, ferner eine Verstärkung der Bande, welche die Bischöfe mit dem Nachfolger des Petrus einen und die Einzelkirchen in Gemeinschaft mit der universalen Kirche bringen. Ich danke Gott durch Jesus Christus für euch alle, die ihr die Frohbotschaft im unermeßlich weiten „Land des heiligen Kreuzes“ verkündet, das brüderlich für Personen jeglicher Herkunft offen ist. 1366 AD-LIMINA-BES U CHE Die Entfernungen und die Kommunikationsschwierigkeiten hindern euch nicht, bis zu den entferntesten Gemeinden eurer Diözesen zu gelangen, um die Schafe der Herde kennenzulemen. Ihr offenbart eure Seele als Hirten durch das Zeugnis eines einfachen und oft persönlich armen Lebens, das mit dem eines Großteils eures Volkes übereinstimmt. Beim Hören auf eure Ausführungen wurde mir die Last eurer Aufgabe klar, doch zugleich lernte ich euren Eifer, die Lebenskraft eurer Gemeinschaften im Glauben und den selbstlosen Mut der Arbeiter kennen, die im Weinberg des Herrn arbeiten. Ich danke für die Worte des Bischofs von Guaxupe, Dom Geraldo Oliveira do Valle, der sich zum Wortführer eurer Gedanken gemacht und mir die Pläne und Hoffnungen vorgetragen hat, von denen eure apostolische Arbeit erfüllt ist. 2. Zur Feier der 30 Jahre seit der Veröffentlichung des Konzilsdokuments Pres-byterorum ordinis bietet dieses als Frucht der Überlegungen des II. Vatikanischen Konzils eine gute Gelegenheit, seine Lehre über das Dienstpriestertum erneut aufzugreifen. So möchte ich heute mit euch über die wichtige Frage der Ausbildung der künftigen Priester sprechen, die um so notwendiger ist, je größer und dringender die Erfordernisse der neuen Evangelisierung sind. Unsere Empfindungen müssen die gleichen sein wie die des Herrn, der „die vielen Menschen sah, Mitleid mit ihnen hatte“ und sprach: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter in seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,36-38). Die menschliche Schwäche verwandelt sich durch das Gebet mit Gottes Gnade in Kraft, denn wir vermögen alles in dem, der uns stark macht (vgl. Phil 4,13). Lobenswert und noch größerer Ermunterung würdig ist daher das Bemühen eurer Bischofskonferenz, durch Organe und Kommissionen des Klerus Mittel und Werkzeuge bereitzustellen, daß eure Priester die bestmögliche Vorbereitung erhalten. Lobenswert ist auch das Opfer der Bischöfe, die sich nicht scheuen, zeitweise auf einige ihrer Mitarbeiter zu verzichten, damit diese an den verschiedenen Universitäten, zumal an denen in Rom, eine akademische Ausbildung erhalten. 3. Mit froher Hoffnung stelle ich in eurem Land ein bescheidenes, aber ständiges Wachstum der Zahl von Berufungen für das Priestertum fest. Obwohl das noch nicht gleichartig für alle Regionen eurer Nation gilt, erfordert die Tatsache doch von allen Hirten eine besondere Aufmerksamkeit, um Elemente für eine pastorale Überlegung zu finden und eine sorgfältige Überprüfung der bereits entschiedenen Optionen wie auch die Ausarbeitung neuer Strategien und Weisungen einzuleiten. Wir könnten uns fragen, in welchen Gebieten die Berufungen zunehmen und welches die Ursachen für diese Zunahme sind. Wie entspricht dem die örtliche Beru-fungspastoral? Die gleiche Frage läßt sich auch umgekehrt stellen: Wenn es irgendwo an Berufungen fehlt, welche Gründe stehen dahinter? Die Berufung zum Priestertum ist ein Geschenk Gottes, durch das „die Priester für ihren Teil am Amt der Apostel teilnehmen und ihnen von Gott die Gnade verliehen wird, Diener Jesu 1367 AD-LIMINA-BESUCHE Christi unter den Völkern zu sein“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Wir wissen freilich, daß diese Gabe mit aufmerksamem Herzen, das für den Anruf aufgeschlossen ist, angenommen werden muß. Eine Berufungspastoral, die deutlich die Gestalt des katholischen Priestertums in all dem Radikalismus seiner Forderungen vor Augen stellt und den Jugendlichen hilft, sich dem Anruf des Herrn zu öffnen und auf ihn frei und mutig zu antworten in voller Treue zum Lehramt der Kirche und zum Nachfolger des Petrus, läßt die große Aufgabe der „neuen Evangelisierung, neu in ihrem Schwung, in ihren Methoden und Ausdrucksformen“, konkret werden (Ansprache an die Bischöfe des CELAM, 9. März 1983). Will man dieser so großen Aufgabe gerecht werden, ist wache Aufmerksamkeit für alle Phasen der Pädagogik notwendig, welche die Kirche für die Begleitung der Berufungen vorsieht, sowohl bei der Auswahl der Kandidaten wie in der Ausbildung und bei Erteilung der heiligen Weihen, endlich auch bei der ständigen Weiterbildung. All diese Bemühungen sind unerläßlich, wenn die ständige Wirksamkeit des Dienstes garantiert und die traurigen Erscheinungen des Abfalls vermieden werden sollen, die das Herz Christi und der Kirche tief verwunden. 4. Wenn die erstrangige Pflicht eurer pastoralen Sorge für die Pflege und Heranbildung der Berufungen neuen Impuls erhalten soll, ist eine besondere Aufmerksamkeit für die tieferen Motive notwendig, die einen jungen Menschen veranlassen, an die Pforte des Seminars zu klopfen. Wie sollte man hier nicht an die Krise der Familie als Umfeld denken, im dem der Jugendliche heranwächst und sich entwickelt und die zuweilen tiefreichende und nicht immer positive Spuren in seiner Persönlichkeit hinterläßt? Oder auch an Lebensauffassungen und Wertvorstellungen, wie sie von einer Kultur des Permissivismus und Hedonismus hervorgerufen werden, die gleichsam eine verbreitete Mentalität schaffen, die fremd, wenn nicht gar feindlich dem Geist der Entsagung und der bedingungslosen Hingabe entgegensteht, wie ihn das Priestertum fordert? Muß ferner nicht die oberflächliche und zerbrechliche Begeisterung derer geprüft werden, die sich von einer trügerischen Aussicht auf einen besseren sozialen und wirtschaftlichen Lebensstandard für die eigene Zukunft treiben lassen oder den Klerikerstand und die Ausübung seines Dienstes irrtümlich unter vorwiegend soziologischem Aspekt sehen, ihn im Sinn eines politischen Parteidenkens und den damit verbundenen Konflikten auffassen? Notwendig ist eine ständige Prüfung der Befähigung des jungen Menschen; eine Prüfung, die notwendig zu einem ständigen Prozeß psychologischer, menschlicher und geistlicher Ausbildung wird, die mit einer sehr sorgfältigen ersten Auswahl der Kandidaten beginnt. Die Kirche hat nicht nur eine Pflicht der Liebe, sondern auch eine Pflicht der Gerechtigkeit, jene nicht aufzunehmen, die deutlich erkennen lassen, daß ihre Persönlichkeit gestört ist. Wenn man dies während der Ausbildung nur oberflächlich einschätzt, kann das böse Folgen haben und das künftige Leben des geweihten Dieners Umstürzen. Die Überwindung der eigenen Schwierigkeiten 1368 AD-LIM1NA -BES UCHE mit der Übernahme des Dienstamtes und seinen vielfältigen Dimensionen im Apostolat muß in demütigem und weisem Erfahrungsaustausch mit anderen geschehen, ferner in gelehriger und vertrauensvoller Fühlungnahme mit den eigenen hierarchischen Autoritäten. Fürchtet euch nicht, bei der Auswahl als streng zu gelten: Das Wohl der Kirche und das der jungen Menschen erfordert es. Besser sind wenig Kandidaten, mit denen man aber einen ernsthaften Ausbildungsweg beginnen kann, als die Semina-rien voll von Kandidaten zu sehen, die bei ihren persönlichen Mängeln die eigene Ausbildung unmöglich machen und die anderen in Schwierigkeit bringen. In einem so weit ausgedehnten Land wie dem euren sind auch Kommunikationswege unter den für die Auswahl der Berufungen Verantwortlichen, den Seminar-leitem und den eigenen Bischöfen einzurichten, um zu verhindern, daß ein in einem Ausbildungshaus aus wichtigen und ernsthaften Gründen abgelehnter Kandidat in einem anderen aufgenommen wird, ohne die gebührende Information und die genaue Kenntnis seiner persönlichen Verhältnisse und die Gründe für seine frühere Abweisung zu besitzen. Besondere Aufmerksamkeit muß Kandidaten gelten, die aus einer anderen Region oder einem Gebiet kommen, das nicht zur eigenen Diözese gehört. Noch größere Strenge ist erforderlich bei Kandidaten, die kurz vor der Diakonatsoder Priesterweihe stehen. 5. In der Erkenntnis der neuen Herausforderungen, denen bei der Vorbereitung der Männer zu begegnen ist, die die Priester des dritten christlichen Jahrtausends sein werden, wurde das pastorale Schreiben Pastores dabo vobis veröffentlicht. Es hat das Ziel, den Hirten und allen Interessierten für ihre Aufgabe Hinweise zu geben, um die menschliche, geistliche, intellektuelle und pastorale Vorbereitung der Seminaristen lebendiger zu gestalten (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 42). Berücksichtigt man, daß der Priester „aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt ist zum Dienst vor Gott“ (Hebr 5,1), ist es notwendig, daß der künftige Diener seine Persönlichkeit so formt, „daß er für die anderen bei der Begegnung mit Jesus Christus, dem Erlöser des Menschen, zur Brücke und nicht zum Hindernis“ wird (Pastores dabo vobis, Nr. 43): Sein Sinn für Höflichkeit, für Achtung vor den anderen, für hochherzige Verfügbarkeit und gutes soziales Verhalten, alles muß letztlich so ausgerichtet sein, daß er in der Person Christi, des Hauptes, und im Namen der Kirche handeln kann (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1548-1553). Damit die neue Evangelisierung fruchtbar werde, wird die Kirche ihrerseits auf Priester dringen, deren geistliches Leben durch Aszese und innere Disziplin geformt ist, die ihnen gestattet, „in inniger Gemeinschaft“ (Optatam totius, Nr. 8) mit Jesus Christus zu leben. Deshalb wies das Konzil die Erzieher darauf hin, die Seminaristen zu unterweisen, „Christus zu suchen: in der gewissenhaften Meditation des Gotteswortes, in der aktiven Teilnahme an den heiligen Geheimnissen der Kirche, vor allem in der Eucharistie und im Stundengebet“ (ebd.). Tatsächlich ist 1369 AD-LIMINA-BES U CHE das ganze Leben des Priesters auf die Liturgie hingeordnet „als Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 10); daher ist „in den Seminarien und den Studien-häusem der Orden das Lehrfach Liturgiewissenschaft zu den notwendigen und wichtigen Fächern und an den Theologischen Fakultäten zu den Hauptfächern zu rechnen“ (ebci, Nr. 16). Anderseits hob das Konzil hervor:„Die Priester werden vom Bischof bei der Priesterweihe ermahnt, daß sie ,in der Wissenschaft erfahren1 seien ... Die Wissenschaft aber muß eine heilige sein; denn sie wird heiliger Quelle entnommen und ist auf ein heiliges Ziel hingeordnet“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 19). Dies ist bei der intellektuellen Ausbildung von großer Wichtigkeit, die ja das Verständnis des Glaubens fördern soll. Die gelehrte Philosophie aber sei wirklich Grundlage für das Studium der Theologie (vgl. Optatam totius, Nr. 15). Die Theologieprofessoren sollen sorgfältig ausgewählt werden und nicht einfach die herrschenden Meinungen vertreten, sondern Sorge tragen, diese in die Lehre der Kirche einzuordnen. Die künftigen Priester sind nicht dazu da, Verbreiter von theologischen Meinungen zu sein, sondern qualifizierte Zeugen des Glaubens, den wir aus dem Schatz der Kirche entnehmen und getreu weitergeben müssen. Wie schon gesagt wurde, „ist so vorzugehen, daß bei Priestertagungen (und dies gilt auch für die Vorbereitung künftiger Priester) die Dokumente des Lehramtes gemeinschaftlich studiert werden unter Anleitung einer zuständigen Autorität, so daß man in der di-özesanen Pastoral zu einheitlicher Auslegung und Praxis kommt, die das Werk der Evangelisierung so sehr unterstützt“ (Direktorium fiir Dienst und Leben der Priester, Nr. 77). Gestattet mir endlich, euch darauf aufmerksam zu machen, daß während der Seminarzeit das Studium vor der unerläßlichen Notwendigkeit pastoraler Praxis den Vorrang hat. Diese muß vielmehr als Folge der Studien und in diese integriert erfolgen und eine überwachte Zeit bedeuten, welche die künftige Aktivität des geweihten Dieners vorbereiten soll. Sie darf aber nie zur Entschuldigung dafür werden, daß man sich nicht gründlich den Studien widmet (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 51). 6. Ist ferner einmal in aller Sorgfalt die Auswahl der Berufenen erfolgt, wird es notwendig sein, mit nicht geringerem Eifer die Auswahl und Vorbereitung der Erzieher und Lehrer in den Seminaren und Noviziaten durchzuführen, damit eine ausgewogene und vorausschauende, gediegene und gründliche menschliche, geistige und aszetische Ausbildung erfolgt. Für eine gute Ausbildung zum pastoralen Dienst sind kulturell und fachlich gut vorbereitete Erzieher notwendig, die ständig zur Verfügung stehen und nicht vorläufig oder gelegentlich und nur zeitweise eingesetzt werden. Daher werden sie passend aus den Besten des Klerus genommen, selbst wenn wir deswegen andere Bereiche der diözesanen Pastoral zurücktreten lassen müssen. 1370 AD-LIMINA -BESUCHE Große Sorgfalt legt sich ferner bei der Auswahl der geistlichen Erzieher nahe. Sie müssen auch psychologisch befähigt sein, das Vertrauen und die Öffnung des Herzens der Kandidaten zu gewinnen, um sie mit Klugheit und ausgewogen anzuleiten. Obwohl die für die Disziplin Verantwortlichen sich nicht in den Gewissensbereich einmischen dürfen, so bleibt ihnen dennoch die Pflicht, zur spirituellen und aszetischen Ausbildung der Kandidaten beizutragen, indem sie ihnen methodisch die tatsächlichen moralischen und geistigen Pflichten klarmachen, die mit der Erfüllung des priesterlichen Dienstes verbunden sind. 7. Vor der Entscheidung endlich für die Zulassung zu den Heiligen Weihen ist, um moralisch sicher zu sein, zu gewährleisten, daß der Kandidat sich klar dessen bewußt ist, was sein künftiges Leben fordert, und er wirklich so weit ist, daß er frei und personal sich aufgrund der eigenen natürlichen Befähigung und mit Hilfe der Gnade entscheiden kann. Eine besondere Aufmerksamkeit ist ferner für die umfassende Prüfung des Kandidaten gefordert, zumal vor seiner Zulassung zu den Weihen, und dabei sind sorgfältig und gewissenhaft die sogenannten „Skrutinien“ durchzuführen (C/C, can. 1051), um seine vom Kirchenrecht vorgesehene Brauchbarkeit für den heiligen Dienst zu erweisen (ebd., can. 1029). Ein schrittweises Vorgehen bei der Ausbildung verlangt eine Erhöhung der Forderungen in dem Maße, wie man der endgültigen Entscheidung näherkommt. Hier nimmt das Diakonat als Eintritt in die Reihen der Kleriker eine Schlüsselstellung ein, zumal dabei auch die endgültige Entscheidung für den kirchlichen Zölibat fällig ist. In diesem Sinn muß besondere Aufmerksamkeit der Tugend der Keuschheit gelten sowie der Reife zur vollen Persönlichkeit bei den Auszubildenden. Die Festigung der geforderten Tugenden und Fähigkeiten erfolgt in der Überwindung der vorauszusehenden, mit der Einsamkeit verbundenen persönlichen Schwierigkeiten, durch beispielhafte Befolgung des zölibatären Lebens, das getragen und genährt wird durch Gebet, häufigen Sakramentenempfang, priesterliche Gemeinschaft und Hingabe an die pastorale Arbeit. Nicht ersparen kann ich euch den Hinweis auf die persönliche Verantwortung des Bischofs, wenn er einem Kandidaten die Hände zur Diakonats- oder Priesterweihe auflegt. Wir müssen uns vor Gott und der Kirche für die erteilten Weihen verantworten. In diesem Zusammenhang ist eine neue Bekräftigung der Notwendigkeit des Großen Seminars als Ort für die Priesterausbildung wichtig, als eigentliche Ausbildungsstätte und „als normaler, auch materieller Raum eines kommunitären und hierarchischen Lebens“ (Pastores dabo vobis, Nr. 60). Damit sind andere Formen der Ausbildung überwunden, die sich bereits als ungenügend und unbefriedigend erwiesen haben. 8. Berücksichtigt man ferner in rechtem Maße die oben erwähnten Schwierigkeiten, die den Schwung hemmen und schwerwiegend sind, nicht nur in bezug auf das Umfeld, sondern auch in bezug auf die charakteristischen Schwierigkeiten des „heiligen Dienstes“, so erweist es sich als notwendig, ehrwürdige Brüder, daß ihr 1371 AD-UMINA-BESUCHE weitblickend nicht nur das ins Auge faßt, was wir die anfängliche Ausbildung genannt haben, sondern auch die sogenannte ständige Weiterbildung der geweihten Diener. 1992 rechtfertigten die Synodenväter deren Notwendigkeit „als .Treue4 gegenüber dem priesterlichen Amt und als beständigen Bekehrungsvorgang“ (Pastores dabo vobis, Nr. 70). Ich weiß um viele Diözesen, die regelmäßige Begegnungen des Bischofs mit den jungen Priestern fördern, so daß diese auf verschiedene Weise während der ersten Jahre ihres Priestertums aus der Nähe begleitet werden, und ich möchte dazu meine Ermunterung und Unterstützung zum Ausdruck bringen. Das gleiche gilt für die Weiterbildung der Priester mit schon jahrelanger Erfahrung in ihrem Dienst sowie für die Alten: Sie zu begleiten ist eine Pflicht der Gerechtigkeit und ehrlicher Liebe, denn es geht ja darum, ihnen zu helfen, nicht nur ständig „eine Quelle neu zu entdecken, aus der die priesterliche Spiritualität erfließt“ (Direktorium,, 94), sondern auch den Sinn der persönlichen Weihe an Gott. Ein heiliger Priester wird auch die Herde heiligen, die ihm anvertraut ist; ein seine Pflichten nur schlecht erfüllender Priester aber wird sie mit seinem schlechten Beispiel zunächst zu religiöser Gleichgültigkeit veranlassen und dann, was Gott verhüten möge, zur Aufgabe der religiösen Praxis, die möglicherweise zum Verlust des Glaubens führt. Die Schlußerklärung des ersten lateinamerikanischen Kongresses für Berufungen im Jahre 1994 bekräftigte die Überzeugung, daß jede Berufung an erster Stelle ein Werk des Geistes Jesu Christi ist. Dies fordert von der Kirche und von den für die Berufungspastoral Verantwortlichen eine Gebetshaltung. Die Jungfrau Maria ist in ihrem Hören, ihrem Dasein und ihrer Antwort an Gott sowohl ein Vorbild des Berufenen als auch des Beauftragten für die Berufungspastoral. Kirche und Welt brauchen Priester, die von Eifer brennen und sich mit Leib und Seele der Sache des Reiches widmen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen, und wie sehr möchte ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49). Wir stehen an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends. Es wird Aufgabe der Priester sein, die Fackel des Lichtes, des Lebens und der Begeisterung, die aus dem Herzen Gottes kommen, voranzutragen. Die Aussage des Herrn: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8), ist noch weit von ihrer vollen Erfüllung entfernt. Daher ist es dringend notwendig, daß die Christen, von der Begeisterung unserer geweihten Diener getragen, vom Geist der neuen Evangelisierung erfüllt werden, um das Umfeld, in dem sie leben, umzuwandeln. 9. Liebe Brüder im Bischofsamt, kehrt in euer liebes Vaterland zurück mit der Gewißheit meiner Hochschätzung und meiner Verbundenheit mit eurem ganzen Volk. Versichert eure Priester, die Seminaristen, die Ordensleute und Laien meiner Liebe in Jesus Christus, und sagt ihnen, daß wir in Rom „Gott danken für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken“ (7 Thess 1,2). 1372 AD-LIMINA-BESUCHE Ich vertraue die Katholiken Brasiliens der liebevollen Fürbitte der Jungfrau von Aparecida an und erteile euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Einheit und des Friedens in ihrem göttlichen Sohn. Heiligkeit ist Auftrag und Ziel für alle Christen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe der Region West am 24. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich bin glücklich, euch bei Gelegenheit eures alle fünf Jahre üblichen Besuches bei den Gräbern der hll. Petrus und Paulus empfangen zu dürfen. Als Nachfolger der Apostel, deren Zeugnis für den auferstandenen Herrn das sichere Fundament der Verkündigung des Evangeliums durch die Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten ist, kommt ihr nach Rom, um eure Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe mit dem Nachfolger des Petrus zu bekräftigen. Ich begrüße in euch die Bischöfe der Regionen West 1 und 2 und umfange von Herzen zugleich die Priester, die Ordensleute und die gläubigen Laien in den Diözesen der Kirchenprovinzen Mato Grosso und Mato Grosso do Sul. Ich danke dem Erzbischof von Cuiaba, Dom Bonifacio Piccinini, für seine herzlichen Grußworte. Mit dem hl. Paulus „danke ich Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde ... Er wird euch auch festigen bis ans Ende“ {1 Kor 1,4.8). Gläubig betrachtet, bildet eure Pilgerfahrt zu diesem Hl. Stuhl eine Begegnung mit den Ursprüngen der Kirche: die Sendung der Apostel ist ihr Bekenntnis Jesu Christi als Sohn Gottes und Heiland der Welt. Nach dem Plan des Vaters besiegelten Petrus und Paulus in Rom ihre eigene Predigt mit dem beredtesten aller Zeugnisse in Nachahmung der freien Hingabe Christi: Petrus hier beim Vatikanischen Hügel, Paulus aber außerhalb der Mauern der Stadt am Weg nach Ostia. Wir, die wir die Nachfolger der Apostel sind, hören auf Christus, der uns den gleichen Auftrag erteilt wie ihnen: „Gehet hin und lehret alle Völker“ (Mf 28,19). Ich bete zu Gott, daß euer Ad-limina-Besuch euch in eurem Bekenntnis des Herrn und im Einsatz für seinen Dienst ermutigen möge. 2. „Seid vollkommen, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ {Mt 5,48). Ich möchte die heutige Begegnung benutzen, um gemeinsam mit euch, hebe Brüder im Bischofsamt, den Auftrag zu betrachten, in dem Christus nicht nur einen Wunsch oder einen Rat erteilt; im Gegenteil, er verwendet die Formel „seid“, was einen gebieterischen Auftrag ohne Grenzen bezeichnet, der sich an alle richtet: Als er diese Worte auf dem Feld verkündete, hörten ihn die Bauern und Hausfrauen, Handwerker und Bettler, kleine Kaufleute, Gesetzeslehrer, Kinder, Priester und Leidende ... Und hinter ihnen sah der Herr sämtliche Menschen aller Zeiten, Nationalitäten und Berufe. Er sah uns. 1373 AD-LIMINA-BESUCHE Die Welt, in der wir leben, macht einen bedeutsamen historischen Wandel durch. Es wandelt sich das Antlitz der Länder, und der technische Fortschritt macht gewaltige Schritte zur Verbreitung des Wohlstandes und der Annäherung unter den Völkern. Die Gesellschaften passen sich neuen Erfordernissen an, gemäß den unveräußerlichen Rechten eines jeden Menschen, aber an diesem gebieterischen Auftrag Christi ändert sich nichts, und er verliert auch nicht an Aktualität: „Seid vollkommen, wie es auch euer himmlischer Vater ist.“ Heute fühlt sich die Kirche durch die Kraft des Tröstergeistes aufgerufen, noch kräftiger diese Botschaft des Erlösers der Menschen zu verbreiten. Trotz der Stimmen von Propheten des Pessimismus möchte ich einmal mehr daran erinnern, daß das II. Vatikanische Konzil feierlich erklärt hat: „Alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges sind zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen. Durch diese Heiligkeit wird auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert“ (Lumen Gentium, Nr. 40). Die Heiligkeit, bereits in dem irdischen Abschnitt des Weges der Kirche präsent, ist kein Privileg von wenigen oder einer bestimmten Gruppe der Kirche, vielmehr ein Ruf, der sich an alle Mitglieder des Volkes Gottes ohne Ausnahme richtet: an Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien. 3. Jeder Ad-limina-Besuch ist stets eine besondere Stunde des Nachdenkens über die hauptsächlichen Themen, die man meiner Meinung nach aufgreifen sollte, oft gilt es auch, erneut weitere Botschaften zu bedenken, die sich an jede Einzelkirche in ihrer Besonderheit richten, denn „die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). Deswegen habe ich mit großer Hoffnung meine Homilie in Florianopolis bei Gelegenheit der Seligsprechung von Mutter Paulina geschlossen: „Brasilien braucht viele Heilige! Die Heiligkeit ist der klarste und überzeugendste Beweis für die Lebenskraft der Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten“ (18. Oktober 1991). Wie sollten wir hier nicht die Gestalt des „Apostels Brasiliens“ , des Seligen Jose de Anchieta, erwähnen, den ich, Gott Dank, bei meiner ersten Reise in euer Land seligzusprechen die Freude hatte? Wem diente seine unermüdliche apostolische Tätigkeit? „Er besaß eine Gesamtschau und einen Geist: eine Gesamtschau des mit dem Blut Christi losgekauften Menschen; den Geist eines Missionars, der alles tat, damit die Menschen ... zur Fülle des christlichen Lebens kämen“ (Ansprache vom 3. Juli 1980). Was wollte Jesus von Petrus, als er ihn berief, Fürst der Apostel zu sein? „Jesus richtete seine Augen auf ihn und sagte: Du bist Petrus, Sohn des Jonas, du sollst Kephas oder Felsen heißen“ {Joh 1,42). Das Evangelium läßt uns nicht die innersten Gedanken des künftigten Apostels erkennen, die im übrigen viel weniger nützlich wären als die Worte Christi. Es stellt sich Jesus ein Mensch vor, Jesus aber tritt an seine Seite, kommt ihm nahe, gibt ihm einen Namen, weiht ihn und nimmt in gewissem Sinne Besitz von ihm. In analoger Weise hat Gott seine Pläne mit jedem von uns gefaßt, weil wir alle, von Gott aus betrachtet, Objekt einer besonderen Berufung sind. Wenn er uns aber für eine bestimmte Sendung berief, hat 1374 AD-LIMINA -BES UCHE Gott unsere Tätigkeit nicht unterdrückt, er regt sie vielmehr an. Zweifellos ruft er uns, doch wir müssen antworten. Durch unsere Taufe sind wir alle zu Heiligen „auserwählt“, wie der hl. Paulus seine Brüder nannte. Wir wurden in jenem Augenblick freilich nicht „fertige“ Heilige, wohl aber zur Heiligkeit berufen und befähigt, sie zu erreichen. Der Herr fragt uns: „Willst du zum Leben eingehen?“ Willst du teilhaben an dem Plan, den der Urheber des Lebens gefaßt hat? Willst du deinerseits das göttliche Werk des Lebens verwirklichen? Willst du dein Leben begreifen und ihm Richtung geben, es zur Fülle bringen und dann die Fülle des Lebens empfangen? Liebe Brüder im Bischofsamt, welches andere Ziel könnte der Christ haben, wenn er ganz vom Geist Christi erfüllt ist? 4. Es ist klar, daß die Ordensleute in radikaler Weise zur Heiligkeit berufen sind. Der Weg der evangelischen Räte wird deswegen oft „Weg der Vollkommenheit“ genannt, und der Stand des gottgeweihten Lebens heißt „Stand der Vollkommenheit“. Die Ordensberufung ist das große Problem der Kirche in unserer Zeit. Gerade deswegen ist es notwendig, nachdrücklich zu bekräftigen, daß es zu jener geistlichen Fülle gehört, die der gleiche Geist - der Geist Christi - im Volk Gottes weckt und gestaltet. Ohne die religiösen Orden und ohne das „gottgeweihte“ Leben nach den Gelübden der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams wäre die Kirche nicht ganz sie selbst. Tatsächlich sagte Papst Paul VI.: „Durch ihr tiefstes Wesen fügen sie sich in den Dynamismus der Kirche ein, ergriffen vom Absoluten, das Gott ist, und zur Heiligkeit aufgerufen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 69). Im übrigen wollte die kürzlich stattgefundene „Synode über das gottgeweihte Leben“ auf verschiedene Weise bekräftigen, daß das gottgeweihte Leben das öffentliche Zeugnis für die Berufung zur Heiligkeit ist. Es lebt in der Kirche die Gemeinschaft für eine Sendung durch die ständige und frohe Verkündigung der Wahrheiten vom Reich, die lesus geoffenbart hat. Es ist daher angebracht, eure Aufmerksamkeit auf die Heiligung der normalen Gemeinden zu lenken, die das Volk Gottes bilden. Die uralte, im Evangelium verwurzelte kirchliche Überlieferung, die Heiligkeit als Recht und Pflicht aller Gläubigen zu betrachten, wurde in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts vertieft und bezeichnenderweise vom II. Vatikanischen Konzil so sehr wieder aufgegriffen, daß man sagen kann, daß die universale Berufung zur Heiligkeit gleichsam die zentrale Achse aller seiner Lehren bildet. „Daher sind in der Kirche alle, mögen sie zur Hierarchie gehören oder von ihr geleitet werden, zur Heiligkeit berufen gemäß dem Apostelwort: ,Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung1“ (1 Thess 4,3) (Lumen Gentium, Nr. 39). Ihr müßt als Hirten diese Wahrheit all euren Gläubigen einschärfen: In der Kirche gibt es eine hierarchische Abstufung und verschiedene Stände, doch zugleich eine radikale Einheit: das Recht und die Pflicht, für die eigene Heiligkeit zu sorgen, Gott zu lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus allen Kräften; denn 1375 AD-LIMINA-BES UCHE es wurde uns allen gesagt, Priestern, Ordensleuten und Laien: „Seid heilig, wie auch mein himmlischer Vater heilig ist.“ Kürzlich hatte ich Gelegenheit zu bekräftigen, daß wir als Priester „die Pflicht haben, die Heiligkeit zu erstreben, um ,Diener der Heiligkeit1 zu sein für die unserem pastoralen Dienst anvertrauten Männer und Frauen“ (Brief an die Priester 1995, Nr. 8). Ebenso habe ich den Wunsch ausgesprochen, daß sie jedes Jahr, möglichst am Fest des Heiligsten Herzens Jesu, über diesen ergreifenden Aufruf zu erhabenster Heiligkeit nachdenken, den Jesus an sie richtet, und zwar an einem „Tag zur Heiligung des Klerus“ (ebd.). Ich möchte hier nicht das Ordensleben berühren, denn angesichts seiner Wichtigkeit möchte ich ihm mehr Raum schenken beim Ad-limina-Besuch der nächsten Gruppe von Bischöfen. Heute soll den Laien ein besonderer Gedanke gewidmet sein, zumal sie ja die große Mehrheit des Volkes Gottes bilden. 5. Das II. Vatikanische Konzil sagt: „Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen ... Sache der Laien ist es, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen. Sie leben in der Welt, das heißt in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist“ (Lumen Gentium, Nr. 31). Ich möchte die Aufmerksamkeit auf etwas äußerst Bezeichnendes richten, das kurz darauf noch größeres Gewicht bekommt: „Alle Christgläubigen also werden in ihrer Lebenslage, ihren Pflichten und Verhältnissen und durch dies alles von Tag zu Tag mehr geheiligt“ (Lumen Gentium, Nr. 41). Die Ordensleute, die in der Welt leben, doch mit einer besonderen Weihe an Gott, können in keiner Weise meinen, die Laien könnten zur Heiligkeit streben trotz der schwierigen Situationen, denen sie in der Welt begegnen, im Gegenteil müssen sie festhalten, daß sie sich gerade durch diese Schwierigkeiten heiligen. Wie jede irdische Wirklichkeit innerhalb der Heilsökonomie von Christus angenommen ist, so ist in besonderer Weise die Arbeit eine sehr wichtige Form der Teilhabe am erlösenden Kreuz Christi. „Jede Arbeit - ob körperlich oder geistig - ist unvermeidlich mit Mühen verbunden“ (Laborem exercens, Nr. 27). Es ist für mich eine sehr große Freude, häufig allen Männern und Frauen, alten und jungen, die über Brasilien verstreut leben, in den verschiedensten Berufen tätig sind und sich in den verschiedensten Arbeiten heiligen: den Hausfrauen, die sich in Liebe den ermüdenden, oft monotonen und heute so wenig anerkannten Hausarbeiten widmen; den Studenten, die frohgemut ihre schulischen Aufgaben erfüllen und denen es oft so sehr an Anregung fehlt; den Grubenarbeitern, welche die verschmutzte Luft in den unterirdischen Stollen oder im Freien atmen müssen und täglich bereitwillig ihr Kreuz tragen; den Fischern, die sich voll Hoffnung den Gefahren des Meeres aussetzen; den Bauern, den Kurzarbeitern, den Viehzüchtern und zum Beispiel den Menschen auf dem 1376 AD-LIMINA-BESUCHE ungeheuer weiten zentralen Hochland oder in der sumpfigen Ebene; den Fabrikarbeitern, den Männern, die unter manchmal ungewöhnlich schwierigen Verhältnissen Instandsetzungsarbeiten vornehmen müssen; endlich jenen, die sich mit der intellektuellen Arbeit abmühen und bestrebt sind, Christus an die Spitze des menschlichen Wissens zu stellen, den Leidenden, die gegen den Schmerz kämpfen - auch das ist Arbeit - in Hospitälern, wo es zuweilen sehr an menschlicher Wärme fehlt, und die ihr Leiden für die Kirche auf opfern: ihnen allen in Erinnerung zu rufen, daß die Arbeit des Menschen „ein Stück vom Kreuz Christi“ in sich trägt und wenn man sie in Liebe tut, „ein Schimmer des neuen Lebens und des neuen Gutes (wird), gleichsam eine Ankündigung des ,neuen Himmels und der neuen Erde‘, die gerade durch die Mühsal der Arbeit hindurch dem Menschen und der Welt zuteil werden“ (Laborem exercens, Nr. 27). Nicht übergehen kann ich hier den Hinweis, daß der aller menschlichen Arbeit eigene Wert von der Gesellschaft und den Staaten anerkannt werden muß, die bestrebt sein müssen, in gerechten Gesetzen die Zentralstellung des Menschen gegenüber dem Kapital und dem Gewinn zu sichern und eine gerechte Entlohnung zu garantieren, die die Festigkeit einer gegründeten Familie, die Möglichkeit der Schulbildung für die Kinder und die Freude an berechtigter Erholung sicherstellt. Weil die Arbeit dem Menschen Würde schenkt, darf sie mit Recht nicht lediglich als Produktionsmittel betrachtet werden, wodurch der Arbeiter zur reinen Arbeitskraft erniedrigt wird. Auch hier ist es grundlegend, im Rahmen der Evangelisierung und des Zeugnisses der Kirche die gültigen Äußerungen der Soziallehre der Kirche wieder aufzugreifen, die schon wiederholt von meinen Vorgängern und von mir selber in einigen meiner Enzykliken entfaltet und vertreten wurden. 6. Hier erscheint in klarem Licht und in einer sehr weit gespannten Perspektive die Aufgabe des Bischofs als geistlichen Vaters des Volkes Gottes. Das II. Vatikanische Konzil sprach von der Hilfe, die die Kirche durch die Christen der Tätigkeit des Menschen zu leisten sich bemüht: Wenn die Kirche in all ihren Mitgliedern echt ist, „ist sie schon durch ihre bloße Gegenwart eine unerschöpfliche Quelle jener sittlichen Kräfte, deren die heutige Welt so sehr bedarf“ (Gaudium et spes, Nr. 43). Damit das aber geschieht, bedarf es zweier Dinge: des Zeugnisses vor allem der Hirten und ihre klare und ausdrücklichen Lehre. „Alle Seelsorger (Bischöfe, Priester) sollen bemüht sein, in ihrer Lebensführung und ihrem Berufseifer der Welt ein solches Antlitz der Kirche zu zeigen, daß die Menschen sich daran ein Urteil über die Kraft und Wahrheit der christlichen Botschaft bilden können“ (ebd.). Doch all dies hängt ab von einer Lehre ohne halbe Wahrheiten. Die Bischöfe, denen die Sendung anvertraut wurde, die Kirche zu leiten, „sollen mit ihren Priestern die Botschaft Christi so verkündigen, daß alle irdischen Tätigkeiten der Gläubigen von dem Lichte des Evangeliums erhellt werden“ {ebd.). Niemandem entgeht hier der gewaltige Umfang der Aufgabe der Evangelisierung, wie ihr gewiß verstehen werdet. Es lohnt sich, die Tatsache in Erinnerung zu rufen, daß „ohne Heiligkeit 1377 AD-LIMINA-BESUCHE des Lebens alle Talente und Unternehmungen, die der Verbreitung des Reiches Gottes dienen sollen, wenig wirksam sein werden“ (Ansprache vom 29. Oktober 1993). Doch wenn Glaube, Hoffnung und Liebe im menschlichen Herzen gut verwurzelt sind, wenn dazu ein konsequentes Leben kommt, dann lassen sie sich leicht ebenso natürlich wie wirksam vermitteln, wie der Lebenssaft im Baum hochsteigt. Inkulturieren bedeutet auch, von Herz zu Herz sprechen, vom Grund der Seele zum kulturellen Hintergrund, der das innere Sein des Menschen prägt. Jeden Tag kann man feststellen, daß die Vermittlung der Wahrheit die beste Methode der In-kulturierung ist, weil die Wahrheit an den tiefsten Wurzeln allen Menschseins steht, unabhängig von Rasse, Sprache oder Nation. Aus diesem Grund „ist es den Laien aufgegeben, eine lebensmäßige Synthese zwischen dem Evangelium und den täglichen Pflichten ihres Lebens zu schaffen. Diese wird zum leuchtendsten und überzeugendsten Zeugnis“ (Christifideles laici, Nr. 34) und ist das reichste und wirksamste Einzelapostolat. Meine Gedanken wenden sich nun der brasilianischen christlichen Familie zu. Trotz eurer Bemühungen in der Familienpastoral ist sie jeder Art von laizistischem Druck ausgesetzt, der aufs deutlichste das Auseinanderfallen jenes grundlegenden Kerns der Gesellschaft anzeigt. Ich muß hier daher die Aufgabe der Universitäten Brasiliens, zumal die der Katholischen Universitäten, erwähnen, die den Dialog zwischen dem Evangelium und der Gesellschaft von heute fördern müssen. Deshalb möchte ich erneut die Sendung von außergewöhnlicher Wichtigkeit betonen, welche die Katholischen Universitäten in der Verbreitung des Wertes der modernen Kultur besitzen in dem Maße, wie sie sich mit besonderen Studien um die Achtung der Familie bemühen, „der erstrangigen Zelle aller menschlichen Kultur“ (Apostolische Konstitution über die Katholischen Universitäten, 15. August 1990, 45). Ich erkenne das Bemühen des brasilianischen Episkopates an, wie ich bereits in Salvador de Bahin zu erklären Gelegenheit hatte (vgl. Ansprache vom 20. Oktober 1991), der eine ernsthafte Universitätspastoral und einen gründlichen Dialog zwischen Glaube und Kultur fördert. Angesichts des beunruhigenden Phänomens der Angriffe auf die Einheit der Familie und zumal auf das Leben ist jedoch eine aufmerksame Evangelisierung dringend notwendig, die „eine überzeugte und verantwortliche Teilnahme und Zugehörigkeit‘ zur Kirche als ,Glaubensgemeinschaft“ aufblühen und sich entfalten läßt“ (Veritatis splendor, Nr. 109). 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, bevor ich schließe, möchte ich sehr herzlich für eure Treue zu unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus danken und für euer tiefes Empfinden der Gemeinschaft mit der universalen Kirche. Seit meinem zweiten Besuch in eurem Land sind fast vier Jahre vergangen, aber diese Reise steht mir noch lebendig vor Augen. Es geschah auch nicht selten, daß ich Briefe aus Brasilien erhielt, die an jene Tage der Begegnung im Gebet erinnerten. Gestattet mir, daß ich heute erneut die Ver- 1378 AD-LIMINA-BES UCHE bundenheit erwähne, die eure Bischöfe mir zum Ausdruck brachten - im Namen des ganzen brasilianischen Episkopates nämlich „den lebendigen Wunsch nach Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus“. Ich danke euch für dieses Zeugnis des Glaubens und der Anhänglichkeit an den Sitz des Petrus und bete zu Gott, er möge es mehr und mehr in reichen Früchten aufblühen lassen. Der Geist möge in euch diesen anregenden Gedanken befestigen! Mit meinem Apostolischen Segen. Ordensleute im Spannungsfeld von Charisma und Dienst an der Ortskirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe der Region Nordost 2 am 11. Juli Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude heiße ich euch als Hirten der Region Nordost 2 anläßlich eures Ad-limina-Besuchs willkommen. Ich danke für euren Besuch, der ein Besuch an den Gräbern der Apostel ist. Voll Freude grüße ich einen jeden der hier anwesenden Bischöfe in ihrer Eigenschaft als Nachfolger der Apostel, die „aufgrund von Christi Stiftung und Vorschrift zur Sorge für die Gesamtkirche gehalten“ sind (Lumen Gentium, Nr. 23). Durch euch kann ich mich zugleich an die lieben Priester, Ordensleute und Laien der Kirchenprovinzen Maceiö, Natal, Paraiba, Olinda und Recife wenden, um ihnen meine geistliche Nähe und meine Verbundenheit zu versichern: ,Der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde preist“ (Rom 15,5-6). Ich danke von Herzen für die Worte, die Don Edvaldo Goncalves Amaral an mich gerichtet hat. Ich sehe darin den Widerschein eurer Gesinnungen der Verbundenheit und Einheit mit dem Stellvertreter Christi. Noch einmal, vielen Dank! 2. Dank dem Geist, der „den ganzen Leib der Kirche heiligt und leitet“ (Allgemeines Gebet am Karfreitag), sehe ich euch als „Führer zur Vollkommenheit“ in jeder eurer Einzelkirchen darauf bedacht, „die Heiligkeit der Kleriker, Ordensleute und Laien nach der Berufung eines jeden zu fördern“ (Christus Dominus, Nr. 15). Ihr bringt zur Begegnung mit dem Papst eure reiche Erfahrung mit, weil ihr alles berichtet, „was Gott mit euch zusammen getan hat“ (Apg 15,4). Diese unsere Begegnung gibt nicht nur Zeugnis von der Lebenskraft einer jeden Einzelkirche, von den zu meisternden Aufgaben und den Schwierigkeiten beim pastoralen Wirken; sie bildet zugleich eine bezeichnende Stunde. Tatsächlich bleibt in unserer Erinnerung noch die IX. Bischofssynode lebendig, die dem Thema galt „Das gottgeweihte Leben und seine Aufgabe in Kirche und Welt“. Gewiß erinnert ihr euch 1379 AD-LIMINA-BES U CHE alle an die Schlußbotschaft der Synodenväter, das gottgeweihte Leben möge sich weiter als „lebendige Gegenwart des Geistes erweisen ... als bevorzugter Raum der absoluten Liebe zu Gott und zum Nächsten, als Zeugnis für den Plan Gottes, aus der ganzen Menschheit innerhalb einer Kultur der Liebe eine große Familie von Kindern Gottes zu machen“. Daher beabsichtige ich nun, mir diese guten Wünsche zu eigen zu machen und mit euch einige der wichtigeren Aspekte dieses Geschenkes zu bedenken, welches das geweihte Leben für die Kirche bildet. 3. Vor allem verdient die Tatsache Erwägung, daß auf der Synode Bischöfe und Obere von männlichen und weiblichen religiösen Genossenschaften anwesend waren, die von allen Kontinenten kamen, um ihre Wertschätzung des gottgeweihten Lebens als einzigartiges Geschenk der Liebe Gottes an seine Kirche zum Ausdruck zu bringen. Es kamen dort auch nicht wenige Sorgen unserer heutigen Zeit mit ihrem Säkularismus, mit ihrem oft geschwächten Glauben und zuweilen auch mit dem Wunsch nach größerer Klarheit über die Identität des gottgeweihten Lebens zum Ausdruck. Auf der anderen Seite ließ sich auch bei vielen Teilnehmern die ergreifende Erfahrung der mitgemachten Leiden feststellen, die weitergehen infolge von Unterdrük-kung und jeder Form von Gewaltanwendung mit den damit verbundenen psychischen und physischen Leiden, ja sogar bis zur Hingabe des Lebens zahlloser Mitbrüder und -Schwestern. Wie sollte man hier nicht an die Erfahrung der Apostel denken, die nach Verlassen des Hohen Rates und des Kerkers „sich freuten, daß sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu leiden“? (Apg 5,41). Möge dieses Zeugnis als Anregung für die Länder dienen, die keine Verfolgung kennen, und wo nicht selten sogar unter vielen Geweihten die Freude und Glaubenskraft unter vielen Aspekten abzunehmen drohen. Zweifellos hat die Synode der ganzen Kirche eine Botschaft des Optimismus und des Vertrauens vermittelt. Ich selber hatte Gelegenheit, dies festzustellen in der großen Eucharistiefeier zum Abschluß der Synodenversammlung. Der Gedanke an die Gründer und Gründerinnen von Ordenskongregationen in der Vergangenheit, in den letzten Jahrhunderten und in unserer Gegenwart, von denen viele zur Ehre der Altäre erhoben wurden, bezeugt die immerwährende Lebenskraft der katholischen Kirche und bestätigt uns die nie fehlende Gegenwart des Geistes des Herrn, der beständig die Wege der Erlösung der Menschen fruchtbar macht. „Was wäre die alte und neue Welt ohne diese Gestalten - und die vieler anderer? Sie haben von Christus gelernt, daß ,sein Joch süß und seine Bürde leicht ist‘ (vgl. Mt 11,30) - und dies auch andere gelehrt“ (Ansprache vom 28. Oktober 1994, Nr. 3). Gerade deswegen möchte ich im Geist derer, die sich freuen mit den Freuenden (vgl. Röm 12,15), euch und die ganze Kirche Brasiliens einladen, mit lebendiger Hoffnung die uns eröffneten Perspektiven zu überdenken und die Initiativen einzuleiten, um in eurem Land dieses unschätzbare Geschenk Gottes, nämlich das gottgeweihte Leben, zu erneuern. 1380 AD-LIMINA-BES U CHE 4. Um die Kirche seines Sohnes zu stärken, ruft der Vater einige Gläubige zur engeren Teilnahme an der Heiligkeit und der Heilssendung Christi. Jene, die, von Jesus Christus angezogen, das gottgeweihte Leben wählen, wollen auf diese einzigartige Berufung durch den ewigen Vater antworten. Durch ihre Gelübde, die von der Kirche entgegengenommen und bekräftigt werden, binden sie sich enger an Jesus und versuchen durch ihr Zeugnis ihre Brüder und Schwestern anzuziehen, damit sie leichter zur Person Jesu Zugang finden und die Freude des Evangeliums leben. Unser verehrter Vorgänger Paul VI. hat gesagt, daß die gottgeweihte Keuschheit „die bevorzugte Liebe zum Herrn (bezeugt) und auf erhabenste und absolute Weise das Geheimnis der Einheit des Mystischen Leibes mit seinem Haupt symbolisiert, der Braut (Kirche) mit ihrem ewigen Bräutigam“ (Apostolisches Schreiben über die Erneuerung des Ordenslebens, 29. Juni 1971, Nr. 13). In dieser Form offenbaren die Ordensleute durch die gänzliche und bedingungslose Hingabe ihres Herzens und ihres Seins, daß Christus, den sie über alles lieben, der ewige Bräutigam der Kirche ist und allein fähig, der Liebe und Zuneigung absolute Bedeutung zu geben. In der freiwillig übernommenen Armut bezeugen sie ihre liebevolle Solidarität mit den Armen und Verlassenen; bevor sie noch eine Lebensbedingung ist, ist sie eine Option des Glaubens. Jesus war das authentische Vorbild des Armen, weil er in radikaler Weise sein Leben in die Hände des Vaters legte. So wurde seine Armut zugleich zu einem offenen Raum, in dem Gott frei wirken konnte. Als Option aus Liebe wird die Armut ein von unseren Zeitgenossen hochgeschätztes Signal, „nach dem sie die Ordensleute nachdrücklich fragen“ (Evange-lica testificatio, Nr. 16). Der Gehorsam schließlich ist ein Zeichen des Verzichts auf persönliche Pläne; er ist Freiheit, um Christus anzuhangen im ausschließlichen Suchen der Interessen, die die Werke des Vaters achten (vgl. Joh 10,25), und vor allem bedeutet er „ein Eintreten in die Pläne des Vaters und zugleich die Befähigung, sie zu erfüllen. Wer dem eigenen Urteil abstirbt, wird der Horizonte der Freiheit Gottes selber teilhaftig ... Wer sich die Interessen Christi zu eigen macht, muß sich notwendig, soweit wie möglich, für die Aufrichtung seines Reiches ein-setzen. In diesem Zusammenhang wäre Gehorsam im Sinn von Passivität oder Fehlen an Verantwortung schlechthin unsinnig“ (Instrumentum laboris, Nr. 54). Die Kirche, welche die Gelübde oder das Versprechen der Jungfräulichkeit entgegennimmt, sieht in der Weihe an Gott etwas, das zu ihrer innersten Natur gehört. Die äußeren Formen mögen sich ändern, aber die Kirche kann als Braut des göttlichen Wortes niemals davon ablassen, in ihrem Inneren die Radikalität des Glaubens und der Liebe zu pflegen, die in der Weihe an Gott zum Ausdruck kommen. Durch das Leben der Ordensleute und anderer Gottgeweihter ist die Kirche der Welt gegenüber deutlicher Zeichen und Sicherheit der künftigen Seligkeit und des Sieges über alle Formen der Täuschung und Versklavung. 1381 AD-L1MINA-BES UCHE 5. Anderseits hilft uns die Begegnung auf der Synode, auch die transzendente Bedeutung der Liturgie der Bischofsweihe zu verstehen. Der heilige Text erinnert nach der feierlichen Anrufung des Heiligen Geistes den Kandidaten an seine künftigen pastoralen Pflichten. Hier aber weist die Liturgie auf die Quelle hin, aus der die Vollmacht der Apostel, die Kraft der Märtyrer und die Treue der Heiligen stammt: alles kommt vom ewigen Vater her! So schließt der erwähnte Text: „Im Namen des Vaters, dessen Bild du vor den Gläubigen bist; im Namen des Sohnes, dessen Sendung als Lehrer, Priester und Hirte du ausübst; und im Namen des Heiligen Geistes, der der Kirche Christi Leben gibt und unsere Schwachheit stärkt.“ Mit Jesus und wie Jesus muß der Bischof inmitten der Gläubigen ein Bild des Vaters sein; gewiß wird er immer die inneren Anhegen einer jeden Ordensgemeinschaft achten, die in die Zuständigkeit der höheren Oberen fallen, oder das, was auf Grund der Exemtion direkt dem Papst untersteht. Indessen ist der Bischof nach göttlicher Anordnung der geistliche Vater des ganzen Volkes Gottes. ,Als Führer zur Vollkommenheit seien die Bischöfe darauf bedacht, die Heiligkeit der Kleriker, Ordensleute und Laien nach der Berufung eines jeden zu fördern. Dabei seien sie sich freilich bewußt, daß sie gehalten sind, das Beispiel der Heiligkeit in Liebe, Demut und Einfachheit des Lebens zu geben. Die ihnen anvertraute Kirche sollen sie so heiligen, daß in ihnen der Sinn für die ganze Kirche Christi voll aufleuchtet“ (Christus Dominus, Nr. 15). Unter diesen Voraussetzungen ist es nötig, daß wir uns mit aller übernatürlichen Hellsicht und Aufgeschlossenheit fragen, wie die Berufung zum Ordensstand heute unterstützt werden muß, damit sie sich ihrer selbst bewußt werde und reifen kann; wie muß das Ordensleben im Ganzen des Lebens der heutigen Kirche „funktionieren“? Ich hatte bereits Gelegenheit, die Notwendigkeit immer engerer Beziehungen zwischen den religiösen Orden und Kongregationen und dem Bischofskollegium, mit den Bischöfen einer jeden Diözese und mit den Bischofskonferenzen zu erwähnen {Ansprache vom 24. November 1978, Nr. 3). Auf der einen Seite üben „die Bischöfe, die den Teilkirchen vorstehen, als einzelne ihr Hirtenamt über den ihnen an vertrauten Anteil des Gottes Volkes aus ... Alle Bischöfe müssen nämlich die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen sowie die Gläubigen anleiten zur Liebe zum ganzen mystischen Leibe Christi“ {Lumen Gentium, Nr. 23). Anderseits befinden sich die Ordensleute mit ihrer Berufung „für die universale Kirche“ eben durch ihre Berufung „in einer bestimmten Ortskirche“. Daher verwirklicht sich die Berufung für die universale Kirche im Rahmen der Strukturen der Ortskirche. Ist dies nicht die Lehre des II. Vatikanischen Konzils? Wurde nicht in dieser großen Versammlung feierlich die Lehre bekräftigt, nach der die Einzelkirchen nach dem Bild der Gesamtkirche geformt sind und „die eine und einzige katholische Kirche in ihnen und für sie da ist“ {ebd.)l Daher müssen auch die Ordensleute ein immer klareres Bewußtsein ihrer „Einfügung“ entwickeln und sich so auf die uni- 1382 AD-LIMINA-BES U CHE versale Kirche ausrichten, daß sie auch im Namen der universalen Kirche bedeutsame Werkzeuge ständiger Erneuerung, der Heiligkeit und Einheit der Einzelkirchen werden; so vermeidet man die Versuchung, das Klima einer „parallelen Kirche“ zu schaffen am Rand der Einzelkirchen oder gar gegen den Bischof als ihren legitimen Hirten und Lehrer. Die Ordensleute müssen sich vielmehr affektiv und effektiv in diese Ortskirche einfügen. Mein Wunsch geht dahin, daß die Bischöfe und die höhren Oberen die Weisungen von Mutuae relationes wieder aufgreifen, um den Reichtum der Charismen zu fördern und allen Einzel- oder Gruppeninteressen das wahre Wohl der Einzelkirche und der universalen Kirche vorzuordnen. Die Einheit mit der universalen Kirche durch die Ortskirche: das ist euer Weg. 6. In der dogmatischen Konstitution über die Kirche erklärt das II. Vatikanische Konzil, daß das gottgeweihte Leben in seinen vielfältigen Formen „die wunderbare, unbegrenzte Macht des Heiligen Geistes in der Kirche aufzeigt“ (Lumen Gentium, Nr. 44). In gleicher Weise unterstreicht das Konzilsdekret über die Erneuerung des Ordenslebens: „Viele wählten unter dem Antrieb des Heiligen Geistes ein Einsiedlerleben, andere gaben den Anstoß zu religiösen Gemeinschaften, die von der Kirche kraft ihrer Vollmacht gern unterstützt und bestätigt wurden“ CPerfectae caritatis, Nr. 1). Wenn Jesus Christus in seiner Kirche Männer und Frauen zu seiner Nachfolge beruft, läßt er seine Stimme und Anziehungskraft durch das innere Wirken des Heiligen Geistes vernehmen, dem er zugleich die Aufgabe anvertraut, die Berufung verstehen zu lassen und den Wunsch nach einer Antwort auf sie zu wecken in einem Leben, das gänzlich Christus und seinem Reich gewidmet ist. Er entfaltet im Geheimnis des Herzens die Gnade der Berufung, indem er den geforderten Weg öffnet, damit die Gnade auch ihr Ziel erreicht. Er ist der hauptsächliche Führer der Berufungen. Er ist der Leitstern der gottgeweihten Seelen auf dem Weg der Vollkommenheit. So war es in der Vergangenheit, so ist es auch heute. Schon immer schenkt der Heilige Geist in der Kirche einigen das Charisma der Gründer. Schon immer bewirkt er, daß sich um den Gründer oder die Gründerin Personen sammeln, die die Ausrichtung ihrer Form des gottgeweihten Lebens oder ihre Lehre und ihr Ideal teilen, ihr Angezogenwerden durch die Liebe, den pastoralen Dienst und die Lehrtätigkeit. Schon immer schafft der Heilige Geist die Harmonie der gottgeweihten Personen, läßt sie wachsen und hilft ihnen, ein Gemeinschaftsleben zu entwickeln, das von der Liebe geprägt und nach dem besonderen Charisma des Gründers und seiner getreuen Nachfolger ausgerichtet ist. In dieser Perspektive stellte das Konzil fest, daß die Verschiedenheit der Ordensinstitute „wie ein Baum ist, der wunderbar und vielfältig auf dem Ackerfeld des Herrn Zweige treibt“ {Lumen Gentium, Nr. 43). Deshalb müssen die verschiedenen Charismen von den Jüngern und Jüngerinnen gelebt werden, indem sie diese mit Eifer bewahren, vertiefen und entfalten, einheitlich und beständig die Zeiten hindurch oder wie es die historischen Umstände 1383 AD-LIMINA-BESUCHE fordern. Jedes Institut besitzt ja „eigene Ziele und eigenen Charakter“ (C/C, can. 598), nicht nur, was die Beobachtung der evangelischen Räte angeht, sondern auch in allem, was zum Lebensstil ihrer Mitglieder gehört (vgl. ebd., can. 598 § 2). Wie euch gewiß bekannt ist, war dies eines der Themen, die ich bei meiner zweiten Pastoraireise in euer Land behandeln konnte. Bei dieser Gelegenheit sagte ich: „Bedenkt man, daß die anfängliche Ausbildung und die ständige Weiterbildung nach dem eigenen Charisma in den Händen des Institutes liegt, kann eine mehrere Kongregationen umgreifende Ausbildung nicht in vollem Maße die Aufgabe der ständigen Weiterbildung ihrer Mitglieder meistern. Diese muß unter vielen Aspekten vielmehr von den Eigenheiten des Charismas eines jeden Institutes geprägt sein“ (.Ansprache vom 18. Oktober 1991, Nr. 6). Die Bewahrung dieser Grundlinie des Ordenslebens und die sich daraus ergebenden Folgerungen begründen die Notwendigkeit, nochmals auf bestimmte Initiativen hinsichtlich der mehrere Kongregationen umgreifenden Ausbildung hinzuweisen, die eine Richtungsänderung fordern. Es gibt Fälle, nicht persönlicher Schwäche, sondern bei einer gewissen Institutionalisierung von Kriterien, die für die Ausbildung der jungen Ordensmänner und Ordensfrauen viel Sorge bereiten können. Kann man von „mehrere Kongregationen umgreifenden Kursen für Novizen oder Novizinnen“ sprechen, die voneinander getrennt sind, so darf man aber nicht von einem „interkongregationalen Noviziat“ sprechen. Vor allem darf kein höherer Oberer und keine höhere Oberin je die Pflicht aufgeben, für die Einführung der neuen Generationen in die wunderbare Gotteserfahrung, die den eigenen Gründern gegeben war, die Erstverantwortlichen zu sein. Es ist auch keine Zulassung von Zwischenorganisationen möglich, welche die heiligen Ideale des gottgeweihten Lebens anders ausrichten möchten. Die jüngste Praxis, die vom Codex des Kirchenrechtes in den Kanones 708 und 709 gutgeheißen wird, erkennt den großen Nutzen der Konferenzen der höheren Oberen an, die zusammentreten, um in vereintem Bemühen leichter das Ziel eines jeden Institutes zu erreichen und geeignete Wege zur Koordinierung und Zusammenarbeit untereinander und mit den Bischofskonferenzen und mit jedem Bischof im einzelnen vorzusehen. Zu bemerken bleibt aber, daß solche regionalen, nationalen oder internationalen Konferenzen keine höhere Leitungsinstanz für das gottgeweihte Leben bilden können, weil sie dazu ja keine juridische Vollmacht besitzen und daher der Autonomie eines jeden Institutes zu dienen und die eigenen und unübertragbaren Funktionen von deren jeweiligen Oberen zu achten haben. Bei keinem Unternehmen der Nationalkonferenz der Ordensleute können daher die höheren Oberen auf ihre erstrangige und volle Verantwortung als Wächter und Lehrer verzichten. So hat dann die nationale Konferenz der Ordensleute in Brasilien (CRB) nach den maßgebenden Normen von Mutuae relationes als Hauptaufgabe „die Förderung des Ordenslebens im Ganzen der Sendung der Kirche“ (21) zu fördern und kann sich so als große Hilfe bei der schönen Aufgabe der ständigen Weiterbildung erweisen. 1384 AD-L1MINA -BESUCHE Diese Hilfe darf weder die Lehre des Konzils über das gottgeweihte Leben noch die beständige Weisung des Lehramtes der Kirche mißachten. Im Gegenteil müssen die Tätigkeiten und Programme der Konferenz der Ordensleute sich auszeichnen durch ehrfürchtige Achtung und einen besonderen Gehorsam dem Nachfolger des Petrus und seinen Weisungen gegenüber, zumal ja alle Gottgeweihten ihm durch ihr Gehorsamsgelübde in besonderer Weise verbunden sind. Ferner müssen die Programme die spezifischen Charismen eines jeden Institutes berücksichtigen und sie voll achten. Eine Konferenz von Ordensleuten würde von ihrer ursprünglichen Zielsetzung abweichen, wenn sie zu einem Mechanismus würde, der Druck ausübt, um Elemente einzuführen, die den Überlieferungen und der berechtigten Identität eines jeden Institutes widersprechen und die rechtmäßigen Oberen oder die tatsächliche Leitung ihrer Ordensgemeinschaften übergehen. Die gemeinsam unternommenen Initiativen müssen zur treuen Beobachtung und Heiligkeit des geweihten Lebens beitragen. Nur so werden sie fruchtbar, weil vom Herrn, dem Quell alles Guten, gesegnet, in welchem allein die verschiedenen Charismen ihre Daseinsberechtigung haben. In diesem Zusammenhang ist es meine apostolische Pflicht, daran zu erinnern, daß alle Initiativen auf diesem wichtigen Gebiet, ob sie nun von der nationalen Konferenz oder anderen Strukturen der regionalen oder örtlichen Koordinierung getroffen werden, der Aufsicht und konkreten Verantwortung der höheren Oberen und des Diözesanbischofs oder des von den Bischöfen der Region delegierten Bischofs unterstehen. Diese besitzen eine objektive Verantwortung und müssen die Möglichkeit einer Kontrolle und einer tatsächlichen Begleitung haben. Bei der Ausbildung neuer Generationen von Ordensleuten oder anderen gottgeweihten Personen handelt es sich um etwas Erhabenes, daher gehört dazu der heilige Dialog zwischen der geheimnisvollen Gnade Gottes und dem Gewissen, das, vom Geist geleitet, sich den Anrufen Gottes öffnet. Eurer Autorität als Hirten einer „kleinen Herde“ kommt es zu, der Liebe und dem Leben in Gott zu dienen. Laßt euch daher nicht von einer falscher Rücksicht leiten, von eurer Autorität keinen Gebrauch zu machen, wo das geistliche Wohl es fordert. Die Bischöfe sollen immer die Ordensleute und Gottgeweihten lieben als solche, in denen die heilige Kirche als Braut des ewigen Wortes bevorzugt zum Ausdruck kommt. „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht ... Diese Gewalt, die sie im Namen Christi persönlich ausüben, kommt ihnen als eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt zu“ (Lumen Gentium, Nr. 27) und dient dem Aufbau der Herde Gottes in Wahrheit und Heiligkeit. 7. Ich möchte schließlich noch daran erinnern, daß die Ordenscharismen „besondere Gaben des Geistes für das Volk Gottes sind“ (Ansprache vom 26. November 1993, Nr. 7). 1385 AD-LIMINA-BESUCHE Die Schlußbotschaft der außerordentlichen Synode von 1985 bekräftigte, daß „eine Ekklesiologie der Gemeinschaft der Zentral- und Grundgedanke der Konzilsdokumente“ ist (II, c. 1). Eine intensivere kirchliche Gemeinschaft unter Ordensleuten, Klerus und Laien durch Verstärkung eines spezifischen und vielfältigen Austausches von geistlichen und apostolischen Werten wird diese Ekklesiologie der Gemeinschaft nicht wenig fördern. Besonders aber wird sie die religiösen Charismen einer jeden Kirche miteinander verbinden, in denen die Berufung und Sendung der Laien und des diözesanen Klerus zum Ausdruck kommen, um auch unter ihnen die Dynamik und die Werte zu wecken, mit denen die Ordensleute die Universalität der Kirche Vorleben. Ist nicht gerade dies eines der Anhegen des 5. lateinamerikanischen Missionskongresses, der bald in Belo Horizonte beginnt und der ein missionarische Begeisterung weckendes Ereignis sein möchte? Zugleich will er die Einzelkirche durch Förderung der Teilnahme des diözesanen Klerus und der missionarisch eingestellten Laien als Subjekt der universalen Sendung heraussteilen. 8. Liebe Brüder, ich möchte diese Begegnung abschließen, indem ich euch erneut meinen Dank und meine Wertschätzung ausspreche. Wenn ihr in eure Diözesen zurückkehrt, grüßt bitte herzlich eure Priester, die Ordensleute und die Gläubigen. Sagt ihnen, daß der Papst für alle betet, zumal für die am meisten Not Leidenden: für die Armen, die Alten, die Gefangenen und Leidenden; zugleich betet der Papst für die Autoritäten eurer Staaten, damit sie immer um das Gemeinwohl des Volkes eifrig bemüht sind und sich für den Frieden und das Wohlergehen einer jeden Gemeinschaft einsetzen, zumal für den Schutz des Lebens von seiner Empfängnis an. Ich bitte Gott, der euch zu Hirten seiner Herde berufen hat, er möge euch bei eurer Aufgabe zum Wohl seines Volkes unterstützen. Ich empfehle euch alle und die ganze Kirche eures großen Gebietes der Jungfrau Aparecida und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Erneuerung von Formen und Methoden der Verkündigung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe der Regionen I und IV am 5. September 1. Erwartungsvoll habe ich dieser Begegnung mit euch, den Bischöfen der Regionen Nordost 1 und 4, anläßlich eures Ad-limina-Besuches entgegengesehen und begrüße euch nun mit den Worten des hl. Paulus: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13). Mein Willkommensgruß gilt auch eurem Klerus, den Ordensleuten und Laien der Kirchenprovinzen von Fortaleza und Teresina. Aus ganzem Herzen danke ich für die warmherzigen Worte, die in eurem Namen der Kardinal-Erzbischof Aloisio Lorscheider an mich gerichtet und in deren Rahmen er 1386 AD-UMINA-BESUCHE auf kompetente Weise ein ausgeglichenes und hoffnungsvolles Bild vom Leben eurer Diözesen gezeichnet hat. Unsere Begegnung ist Ausdruck der tiefen spirituellen und sichtbaren Gemeinschaft, die zwischen euren Teilkirchen und der Weltkirche besteht, einer Gemeinschaft, die der Tatsache entspringt, daß wir in Christus „eingepfropft“ sind (vgl. Röm 11,17 ff.). Wir müssen uns unablässig jenem zuwenden, der der oberste Hirte ist (vgl. 1 Petr 5,4), um den „unergründlichen Reichtum“ (Eph 3,8) zu erfassen, mit dem er uns beschenkt hat, damit wir seine makellose Braut (vgl. Offb 19,7), die Kirche, aufbauen. Mit ihr schließt er einen unauflöslichen Bund, sie nährt und pflegt er (vgl. Eph 5,29; vgl. Lumen Gentium, Nr. 6). Unsere Gewißheit und unsere Hoffnung sind auf ihn und auf die Heilskraft seines Evangeliums gegründet (vgl. Röm 1,16). Während ihr die Ad-limina-Besuche eurer Mitbrüder des brasilianischen Episkopats fortsetzt, ruft eure Anwesenheit nicht nur die Ausdehnung eurer Diözesen in Erinnerung, sondern auch die zahlreichen Herausforderungen, denen ihr bei der Verkündigung des Evangeliums begegnet und die in diesem Jahr anläßlich der Versammlung eurer Bischofskonferenz in den ,Allgemeinen Richtlinien für die Evangelisierung in Brasilien“ hervorgehoben wurden. Gerade unsere früheren Begegnungen mit den Vertretern der Kirchenprovinzen von Parana und Säo Paulo haben die Gelegenheit geboten, über einige Aspekte ihrer pastoralen Sorge um die Kirche nachzudenken. Ich forderte sie auf, wachsame Hüter der Wahrheit zu sein, Hirten, die die Wahrheit von Christus und der Kirche verkünden und die geistliche Erneuerung fördern, deren Notwendigkeit in allen Bereichen eurer Teilkirchen spürbar ist (vgl. Ansprache vom 17.2.95). Heute wenden sich unsere Gedanken einigen anderen Aspekten eures Amtes zu. 2., Alle sollen eins sein ... wie wir eins sind“ (Joh 17,21-22). Diesen Worten des Apostels und Evangelisten Johannes möchte ich mich mit euch anschließen in der vordringlichen Absicht, den Glauben unserer Brüder und Schwestern in den Gremien der verschiedenen Diözesen, deren Hirten ihr seid, zu bekräftigen, damit die feierlichen Worte: ,AUe sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21) mehr und mehr Wirklichkeit werden. Bei verschiedenen Gelegenheiten hat es mir die Vorsehung erlaubt, auf die grundlegende Schlußaussage des II. Vatikanischen Konzils hinzuweisen, wo es heißt, daß „die Heilige Synode, ... bewegt von dem Wunsch nach der Wiederherstellung der Einheit unter allen Jüngern Christi ... diesem göttlichen Ruf und dieser Gnade Gottes entsprechen (möchte)“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Das sei das Zeichen, das bleibende Merkmal meines Pontifikats, das ich, wie euch bekannt, als klare Erinnerung an meine letzte Reise nach Brasilien hinterlassen wollte (vgl. Ansprache, 18.10.19 91). Ich hatte bereits - auch kürzlich - Gelegenheit, zu betonen, daß „es nicht darum (geht), das Glaubensgut zu modifizieren, die Bedeutung der Dogmen zu ändern, 1387 AD-LIMINA-BESUCHE wesentliche Worte aus ihnen zu streichen, die Wahrheit an den Zeitgeschmack anzupassen, bestimmte Artikel aus dem Credo zu streichen mit der falschen Vorgabe, sie würden heute nicht mehr verstanden. Die von Gott gewollte Einheit kann nur in der gemeinsamen Zustimmung zum unversehrten Inhalt des geoffenbarten Glaubens Wirklichkeit werden“ (Ut unum sint, Nr. 18). In meiner Ansprache an die Vertreter der Welt der Kultur in Salvador Bahia betonte ich, daß „die Inkulturation nicht in einer mehr oder weniger nützlichen Anpassung an die Werte der Kulturen, vielmehr in einer echten Inkamierung der Kultur (besteht), um sie zu reinigen und zu erlösen“ (.Ansprache, 20.10.1991, Nr. 4). Das gleiche gilt im ökumenischen Bereich. Tatsächlich läßt sich sowohl auf dem Gebiet des Ökumenismus als auch auf dem der Inkulturation eine gewisse Oberflächlichkeit feststellen, mit der Verständigung, Aufnahme und Sympathie in bezug auf andere religiöse Gruppen oder Konfessionen angestrebt wird, was zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen in der klaren Darlegung des Geheimnisses des katholischen Glaubens und im liturgischen Gebet oder zu unberechtigten Zugeständnissen bezüglich der objektiven Forderungen der katholischen Sittenlehre führt. Ökumenismus ist nicht Irenismus (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 4 und Nr. 11). Es handelt sich nicht darum, nach Einheit um jeden Preis zu trachten. Der ökumenische Dialog muß vom Gebet getragen sein, das vom II. Vatikanischen Konzil als Seele jeder ökumenischen Bewegung bezeichnet wurde. Dieser Dialog, der nur dann sinnvoll ist, wenn er der ehrlichen Suche nach der Wahrheit dient, kann von uns fordern, daß wir nebensächliche Elemente, die für unsere Brüder und Schwestern anderer Bekenntnisse ein psychologisches Hindernis darstellen könnten, beiseite lassen. Er ist jedoch weder ehrlich noch echt, wenn er auch nur die geringste Einbuße der Glaubenswahrheiten, das Aufgeben der rechtmäßigen Ausdrucksformen der herkömmlichen Volksfrömmigkeit, die Abschwächung der jahrhundertealten kirchlichen Disziplin oder der ehrwürdigen liturgischen Traditionen des Ostens, der römischen und der anderen Kirchen des Westens mit sich bringt. Im übrigen „wissen wir (heute), daß die Einheit nur dann von der Liebe Gottes verwirklicht werden kann, wenn die Kirchen dies bei voller Achtung der einzelnen Traditionen und der notwendigen Autonomie gemeinsam wollen“ (Orientale lu-men, Nr. 20). Soll hingegen ein echter Ökumenismus fruchtbar werden, erfordert er eine entsprechende ökumenische Ausbildung und pastorale Strukturen - z. B. ökumenische Kommissionen -, die im Interesse der vollen Einheit Zusammenarbeiten: Das 1993 veröffentlichte Direktorium zur Ausflihrung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus gibt genaue Hinweise, die auf die verschiedenen Situationen anwendbar sind. 3. In den lateinamerikanischen Ländern ist der ökumenische Dialog eine dringende Notwendigkeit geworden, da wir plötzlich dem ernsten Problem der Sekten 1388 AD -UMINA -BESUCHE gegenüberstehen; diese breiten sich wie ein Ölfleck aus und drohen die Struktur des Glaubens zahlreicher Nationen umzustürzen. Selbstverständlich beziehe ich mich in diesem Augenblick nicht auf jene anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften, die auf objektiver Basis, wenn auch unvollkommen, in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen. In ihnen finden sich, wie das II. Vatikanische Konzil erklärte, „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen“ (Lumen Gentium, Nr. 8). Und damit nicht genug: gerade weil „die ,universale Brüderlichkeit1 der Christen ... zu einer festen ökumenischen Überzeugung“ (Ut unum sint, Nr. 42) geworden ist, müssen wir unseren Glauben im Verlangen nach der Einheit aller Christen leben, anregen und bekräftigen. Zweifellos stellt die Ausbreitung der Sekten „eine Bedrohung für die katholische Kirche und für alle kirchlichen Gemeinschaften dar, mit denen sie einen Dialog führt“ (Redemptoris missio, Nr. 50). Mit gutem Recht legte der in Santo Domingo versammelte lateinamerikanische Episkopat auf lebhafte Weise die Herausforderung für die Pastoral dar, die die Sekten heute in ganz Lateinamerika darstellen. Das Schlußdokument enthält eine klare und genaue Beschreibung dieser Sekten und Bewegungen, legt ihre Kennzeichen und ihre Vorgangsweise dar, spricht offen von den an ihre Verbreitung über den ganzen Kontinent gebundenen politischen und wirtschaftlichen Interessen und weist auf die pastoralen Herausforderungen und auf die in diesem Bereich möglichen Vorgehens weisen hin (vgl. Schlußdokument der 4. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopates, 139-152). Es ist jetzt nicht meine Absicht, das zu wiederholen, was euch allen ohnehin gut bekannt ist. Die manchmal hitzköpfigen Absichten dieser Sekten, die die Gläubigkeit des Volkes untergraben wollen - insbesondere seine Verehrung für das Geheimnis der Eucharistie und für die Jungfrau Maria, seine Achtung für die Hierarchie, für den Primat Petri, der sich im weltumspannenden Hirtenamt des Bischofs von Rom fortsetzt, sowie die Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit -, hegen auf der Hand. Auch ist es klar, daß der Erfolg ihrer Tätigkeit seine Erklärung in den geringen religiösen Kenntnissen des Volkes findet, was wiederum zum guten Teil auf den Verlust der Religiosität in den kleinen Orten im Inneren der Länder zurückzuführen ist, die im Lauf eines fast immer schmerzlichen Prozesses der kulturellen Entwurzelung -nämlich der Auswanderung in die Randgebiete der Großstädte - verlorenging. 4. Mit dem Gesagten soll keine pessimistische Haltung angesichts der vorherrschenden Situation zum Ausdruck gebracht werden: Die katholische Kirche, diese makellose Braut Christi, trägt die Gewißheit der Unvergänglichkeit in sich, die ihr der Herr selbst zugesichert hat (vgl. Mt 28,19); im übrigen weiß sie, daß sie aufgrund des ausdrücklichen Willens Gottes die ganze Fülle der Heilsmittel (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3) besitzt, d. h., daß „die katholische Kirche mit dem ganzen Reichtum der Gnadenmittel beschenkt ist“, obwohl „ihre Glieder nicht mit der entsprechenden Glut daraus leben“ {ebd., Nr. 4). Ich bin überzeugt, daß diese 1389 AD-LIMINA-BES UCHE Feststellung des Konzils kein einfacher Euphemismus ist, sondern daß euer Volk, das die Transzendenz und die christlichen Werte der Frömmigkeit und der Ge-schwisterlichkeit so sehr schätzt, ihr jetzt in seiner alltäglichen Wirklichkeit gegenübersteht. Mehr als die kalten Zahlen der Statistik, die von einer Pendelbewegung, einem Hin und Her von oft widersprüchlichen Daten bezüglich der Zahl der praktizierenden Gläubigen bedingt ist, sollten wir uns das im Schlußdokument der außerordentlichen Bischofssynode von 1985 aufgeworfene Problem zu eigen machen: „Stellt die Verbreitung der Sekten nicht die Frage an uns, ob der Sinn für das Heilige genügend verbreitet wurde?“ (II, A. 1.). Nicht zu Unrecht seid ihr wegen der weitverbreiteten Unkenntnis der Glaubenslehre und wegen der religiösen Unwissenheit besorgt, die euer Volk zum Opfer gefährlicher Einflüsse einer Umwelt machen, in der der moralische Permissivis-mus vorherrscht. Diese Unkenntnis macht das Volk den Sekten und neuen religiösen Gruppen gegenüber äußerst verwundbar, und das vor allem dann, wenn diese, was die Disziplin betrifft, sich rigorose Normen aneignen. Das gleiche Klima des moralischen Relativismus, das äußerst leichtfertig über die Mittel der sozialen Kommunikation verbreitet wird, bewirkt, daß „der moderne Mensch in besorgniserregendem Ausmaß von einer Verdunkelung des Gewissens bedroht ist“ (Angelus■, 14.3.1982). Diese abwegige Mentalität, die im familiären Leben Scheidungen, irreguläre Verbindungen und andere Verfehlungen hervorruft, wird einfach hingenommen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 17). Deshalb ist es „dringend notwendig, das wahre Antlitz des christlichen Glaubens zurückzugewinnen und wieder bekannt zu machen; dieser ist ja nicht lediglich eine Summe von Aussagen, die mit dem Verstand angenommen und bestätigt werden müssen. Er ist vielmehr eine gelebte Kenntnis von Christus, ein lebendiges Gedächtnis seiner Gebote, eine Wahrheit, die gelebt werden muß“ (Veritatis splendor, Nr. 88). In diesem Zusammenhang ist euch eine Pflicht auferlegt, die euch niemand abnehmen kann: Eure Verantwortung ist es,,Lehrer des Glaubens“ zu sein. Die Lehrtätigkeit und gerade auch die Verbreitung des Katechismus der Katholischen Kirche zielt auf nichts anderes ab als auf die sorgsame Bewahrung der Einheit im Glauben und die Treue zur Lehre der Kirche. 5. Einige soziale Schichten sind jedoch besonders verwundbar. Einerseits besteht die Tendenz, glauben zu machen, es gäbe einfache Lösungen für die existentiellen Probleme, und ein positives Denken sei ausreichend, um die von Leid und Tod verursachten Konflikte zu beseitigen. Dabei wird vergessen, daß das menschliche Leid nicht vom Zusammenhang der Ursünde und ebensowenig „vom sündhaften Hintergrund also der persönlichen Handlungen und der sozialen Vorgänge in der Geschichte des Menschen“ (Salvifici doloris, Nr. 15) losgelöst werden kann. Im übrigen gibt es Menschen, die für all ihre Nöte - einschließlich der materiellen -einen augenblicklichen und einfachen Ausweg erwarten. Das Verlangen nach Gesundheit um jeden Preis, ohne Gewähr für die Quaütät der angewandten Methoden, ist ein Anreiz für den Beitritt zu einigen pseudo-religiösen Konfessionen. 1390 AD-LIMINA-BES UCHE In diesem Zusammenhang ist besorgniserregend, wie leicht neugewonnene Anhänger einer Sekte dem Betrug anheimfallen und sich sogar dem psychologischen Druck zu finanziellen Verpflichtungen unterwerfen, die ihre Möglichkeiten überschreiten. Diese Verpflichtungen werden kritiklos übernommen, da Erleichterung der Leiden oder Heilung mit ebenso unverstandenen wie unerprobten, mit dem Plan Gottes unvereinbaren Mitteln versprochen wird. Die Sekten rufen in ihren Anhängern ernste religiöse Schäden hervor. Es handelt sich nicht lediglich darum, daß man seinen Glauben aufgibt. Auch wenn die Begeisterung für die fiktiven Behandlungen abgeflaut ist, finden die Menschen nicht immer zum Glauben zurück, sondern verfallen oft der Gleichgültigkeit. Überdies führt die religiöse Gleichgültigkeit zu mangelnder Überzeugungstreue, und diese löst die irrige Meinung aus, man könne mit der Kirche, ihrem Geheimnis, ihrem Leben und ihrer Sendung innerlich verbunden bleiben, den Glauben -einschließlich des liturgischen und sakramentalen Lebens, des christlichen Dogmas und der christlichen Moral - ungetrübt bewahren und gleichzeitig an anderen Kulten teilnehmen und anderen Konfessionen angehören. So will man die Sakramente empfangen, obwohl man sich gleichzeitig an „Kirchen“, Kulten und menschfreundlichen Institutionen beteiligt, die z. B. die Reinkamation lehren, und diese Gruppen sogar finanziell unterstützt.Wo hat jedoch letzten Endes diese innere Gespaltenheit des Menschen ihren Ursprung? Oder, anders ausgedrückt, was mangelt der Evangelisierung, um die Treue des Volkes Gottes zu gewährleisten, das der ewigen Heimat entgegengeht? 6. Ich bin überzeugt, daß ihr mir bezüglich einiger Mängel im Evangelisierungsprozeß eurer Kirchen zustimmt. Sie wurden übrigens in diesem Jahr in Italci vom brasilianischen Episkopat hervorgehoben und als unübersehbar bezeichnet, als von der Neubelebung verschiedener Formen der Liturgiefeier und der Verkündigung des Wortes Gottes sowie von der Förderung und Erhaltung des pastoralen Wertes der Feier der Sakramente die Rede war (vgl. Allgemeine Richtlinien, 257). Gerade angesichts dieser Aktionspläne ist es angezeigt, einerseits von einem Verlust an Sichtbarkeit eurer Gemeinden und Beauftragten zu sprechen, anderseits von Mängeln in den zwischenmenschlichen Beziehungen und in der Aufnahme der Menschen. Und wie könnte man es schließlich unterlassen, auf eine gewisse Scheu und Tatenlosigkeit bei der Evangelisierung des Volkes hinzuweisen? Worin könnte dieser Mangel an Erkennbarkeit eurer Gemeinden und Beauftragten bestehen? Wir alle wissen, daß wir heute in einer Welt leben, in der die Kommunikation durch das Bild von größter Bedeutung ist. Die äußeren Zeichen des christlichen Lebens, vor allem die traditionsreichsten, bilden heute - ebenso wie gestern -einen bedeutsamen Aufruf an euer Volk, an die einfachen Menschen, deren kulturelle Grundlagen in den vier Jahrhunderten der Evangelisierung Brasiliens zutiefst vom katholischen Glauben geprägt waren. Bei einer meiner Pastoraireisen in euer Land - bei denen sich besonders das geliebte Volk von Piaul und Cereä meinem Gedächtnis eingeprägt hat - erwachte in 1391 AD-LIMINA-BES U CHE mir der Wunsch, dem Allmächtigen dafür zu danken, daß er im Herzen des Volkes Gottes in diesem Land so tief das Kreuz, die Eucharistie und die Verehrung der Gottesmutter „Aparecida“ verwurzelt hat (vgl. X. Eucharistischer Nationalkongreß, Fortaleza, 9.7.1980). Ihr versteht also, wie sehr dem Brasilianer an den äußeren Zeichen des Glaubens gelegen ist! Er möchte die Kirchen religiös gekennzeichnet sehen als echte Ausdrucksformen der sakralen Kunst, die die Frömmigkeit erwecken und zu Gebet, Sammlung und Betrachtung der göttlichen Geheimnisse einladen. Er möchte die Glocken eurer Kirchen freudig läuten hören als Einladung zu den liturgischen Feiern oder als Aufruf zum Morgen- oder Abendgebet zu Ehren der Jungfrau Maria! Das ist ein eindrucksvolles Zeichen, das einen Beweis für die Lebenskraft der Kirche trägt - und so viele verurteilen es zum Schweigen! Der Brasilianer möchte in euren Kirchen eine Musik vernehmen, die zum Lob Gottes, zur Danksagung, zum demütigen und vertrauensvollen Gebet einlädt; er fühlt sich nicht wohl, wenn die Texte dieser Gesänge eine politische oder rein irdische Botschaft beinhalten, wenn ihre Musik nicht die Kennzeichen der religiösen Musik in sich trägt, sondern, was Rhythmus, Melodie und instrumentale Begleitung betrifft, ausgesprochen profan ist. Euer Volk genießt die Schönheit und Würde der liturgischen Feiern, die ohne Prunk und Aufgebot, aber würdevoll und andächtig und wirklich im Einklang mit der gottesdienstlichen Handlung stehen sollen, gemäß der Definition des II. Vatikanischen Konzils: „So wird denn die Kirchenmusik umso heiliger sein, je enger sie mit der liturgischen Handlung verbunden ist, sei es, daß sie das Gebet inniger zum Ausdruck bringt oder die Einmütigkeit fördert, sei es, daß sie die heiligen Riten mit größerer Feierlichkeit umgibt“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 112). Sucht also den liturgischen Feiern ein die Andacht förderndes und würdiges Klima zu geben und die Heiterkeit auf die passenden Augenblicke zu beschränken - immer zur geistlichen Erbauung. Der Wortgottesdienst, der mit der Eucharistiefeier eng verbunden ist (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 56), soll immer, vom Anfang bis zum Ende, eine spirituelle Botschaft enthalten. Zweifellos haben viele Menschen nicht die Möglichkeit, ihren Hunger zu stillen, aber für gewöhnlich hat das Volk mehr Hunger nach Gott als nach Brot, denn es ist ihm klar: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ {Mt 4,4). Die Kirche muß als Kirche gesehen werden und nicht einfach als Förderin der sozialen Reform. Diese ist eine Pflicht, die dem Glauben entspringt, und nicht eine Vorbedingung für die Verkündigung des Evangeliums. So und nicht anders sind einige Worte des II. Vatikanischen Konzils aufzufassen: „Solche Kraft und Gewalt west im Worte Gottes, daß es für die Kirche Halt und Leben, für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unversieglicher Quell des geistlichen Lebens ist“ (Dei Verbum, Nr. 21). Euer Volk, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, möchte seine Väter als echte Diener Gottes sehen, auch in ihrer Kleidung und in ihrem äußeren Verhalten. Sie möchten 1392 AD-LIM1NA-BESUCHE in den Dienern seiner Kirche den Mann Gottes sehen, möchten in ihm etwas erkennen, was ihnen Liebe, Achtung und Vertrauen einflößt. Das Volk hat ein Recht darauf und kann das von seinen Hirten fordern. Was die Menschen verlangen und erwarten, ist der Priester, der mit dem Zeugnis seines Lebens und mit seinem Wort zu ihnen von Gott spricht. Das ihm mit dem Weihesakrament verliehene Prägmal erlaubt es dem Priester, „in der Person des Hauptes Christus (zu) handeln“ (Pres-byterorum ordinis, Nr. 2) und an der Autorität teilzuhaben, mit der Christus seine Kirche leitet; andererseits ist der Amtspriester berufen, „in der Gemeinschaft der Gläubigen heilige Weihevollmacht zu besitzen zur Darbringung des Opfers und zur Nachlassung der Sünden und das priesterliche Amt öffentlich vor den Menschen in Christi Namen (zu) verwalten“ (ebd., Nr. 2). Es ist angezeigt, diesen beiden Feststellungen stets die gebührende Beachtung zu schenken und im Auge zu behalten, daß „in einer säkularisierten, materialistisch ausgerichteten Gesellschaft (...) ganz besonders die Notwendigkeit wahrgenommen wird, daß der Priester -Mann Gottes und Verwalter seins Amtes - von der Gemeinschaft als solcher erkannt werden könne, auch dank seiner Kleidung, einem unverkennbaren Zeichen seiner Identität als Träger eines öffentlichen Amtes“ (Direktorium fiir Dienst und Leben der Priester, Nr. 66). 7. Es ist angezeigt, auch noch einen anderen, nicht weniger wichtigen Aspekt zu berücksichtigen: den der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Empfanges in euren Gemeinden. Die Kirche ist das Haus des Vaters. Das stärkste Band, das die Glieder der Kirche zusammenhält, ist die Liebe, die Liebe Gottes, die in der Nächstenliebe zum Ausdruck kommt. Gerade diese geschwisterliche Liebe war es, die den Gemeinden der Urkirche mit ihrem Zeugnis des gemeinsamen Lebens ihre ungeheure evangelisierende Kraft verliehen hat. Das, was für alle Völker gilt, ist für das eure von fundamentaler Bedeutung. Dieses Volk ist vor allem herzlich und möchte sich im Verlangen nach Herzenswärme geliebt und angenommen fühlen. Das Volk ist, was seine Umgebung betrifft, sehr empfindsam; es möchte Freude, Einfachheit und menschliche Wärme erfahren. Katholischsein erfordert, um so mehr angesichts der Verbreitung der Sekten, eine Haltung der Liebe: „Liebe gegenüber dem Gesprächspartner, Demut gegenüber der Wahrheit, die man entdeckt und die Revisionen von Aussagen und Haltungen erforderlich machen könnte“ (Ut unum sint, Nr. 36). Es geht nicht um persönliche Angriffe oder um Stellungnahmen, die dem Geist des Evangeliums widersprechen. In diesem Zusammenhang könnte richtungweisend sein, was euren Diözesen als Regel vorgeschlagen wurde: ,Aufnehmen, um zu evangelisieren.“ Es ist wichtig, allen, die sich an die Kirche wenden, persönliche Aufmerksamkeit zu schenken, als Zeichen der Wertschätzung Gesprächsbereitschaft zu zeigen und sich im spirituellen Bereich für alle Nöte offen und hilfsbereit zu zeigen. Zweifellos wird es für eure evangelisierende Tätigkeit von großem Vorteil sein, wenn in euren Gemeinden weiterhin das aktiviert wird, was ihr treffenderweise als „Empfangsdienst“ für die Menschen bezeichnet, also eine Verbesserung der Aufnahme, wo- 1393 AD-L1MINA -BES UCHE bei ihr von den Priestern und ihren Mitarbeitern eine ansprechbare und herzliche Haltung fordern könnt. 8. Wie kommt es schließlich, daß wir in der Verkündigung des Evangeliums Mangel an Eifer und Einsatzbereitschaft antreffen? Die Evangelisierung, zu der die Kirche am Ende des zweiten Jahrtausends berufen ist, muß, das habe ich oft wiederholt, von neuem Eifer, neuen Methoden und neuen Ausdrucksformen gekennzeichnet sein. Dieser Eifer setzt, wie ich in Santo Domingo sagte, „einen soliden Glauben, eine ausgeprägte seelsorgliche Liebe und eine standhafte Treue voraus, die, mit dem Wirken des Heiligen Geistes, eine Mystik, eine grenzenlose Begeisterung für die Verkündigung des Evangeliums her-vorrufen; um es mit dem Ausdruck des Neuen Testaments zu sagen, eine ,Parrhesia‘, die das Herz des Apostels entzündet“ (Eröffnungsansprache, Nr. 10). Ich lenke eure Aufmerksamkeit auf den Proselytismus um jeden Preis, auf den Fanatismus der Vertreter der Sekten und einiger pseudo-spiritueller Bewegungen. Wäre es nicht eine gewisse Bequemlichkeit, die Suche nach den Schafen zu unterlassen, die sich entfernt haben? Zum Unterschied vom Gleichnis des Evangeliums hat sich oft nicht nur das eine oder andere Schaf verirrt, sondern ein Teil der Herde. Deshalb möchte ich zum 25. Jahrestag des Konzilsdekretes Ad gentes betonen: „Die Verkündigung hat in der Mission jederzeit Vorrang ... In der komplexen Wirklichkeit der Mission spielt die erstmalige Verkündigung eine zentrale und unersetzbare Rolle, weil sie eine Einführung ist ,in das Geheimnis des Liebe Gottes, die zu einer engen persönlichen Beziehung in Christus ruft‘ und den Weg zur Bekehrung öffnet“ (Redemptoris missio, Nr. 44). „Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14), und eben deshalb ist sie „eine Frage des Glaubens, sie ist ein unbestechlicher Gradmesser unseres Glaubens an Christus und seine Liebe zu uns“ {Redemptoris missio, Nr. 11) Das beweist, liebe Mitbrüder, daß es nicht genügt, anzureden, zu rufen und dann zu hoffen, daß die Menschen kommen werden. Wie es in einem anderen Leitsatz für die Pastoral in einer eurer Diözesen heißt, muß „die Kirche dem Volk entgegengehen“! Die Kirche muß nach den Menschen Ausschau halten, darf sie nicht nur auf allgemeine Weise durch die Kommunikationsmittel rufen, sondern muß sie persönlich einladen, von Haus zu Haus gehend, von einer Straße zur anderen, unablässig, respektvoll, aber mit einer Präsenz, die sich auf alle Orte und alle Milieus erstreckt. Es ist deshalb wichtig, mit der Großzügigkeit der Laien rechnen zu können. Ich denke dabei speziell an jene unter ihnen, die ihre mit der Taufe empfangene Weihe auf besonders nachdrückliche Weise leben wollen, sei es persönlich, sei es in den traditionellen religiösen Vereinigungen und den neuen Laienbewegungen, die unter dem Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche entstehen. Zählt auf sie, respektiert ihren spirituellen Weg, aber unterlaßt es nicht, sie für die Evangelisierung heranzuziehen. 1394 AD-LIMINA-BESUCHE 9. Eure Aufgabe ist eine missionarische Herausforderung: die Kirche auf das dritte Jahrtausend vorzubereiten, indem ihr die Initiative für die neue Evangelisierung mit doppeltem Eifer ergreift. Im Licht des Gebotes der Liebe, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, seid unerschrockene Apostel der Wahrheit und Baumeister einer geschwisterlichen Gemeinschaft, und hört stets auf Jenen, der euch geweiht hat (vgl. Jes 61,1), damit ihr für das Erbarmen Gottes und sein Wohlwollen euch gegenüber Zeugnis ablegt. Der Geist des Erlösers, der euch bisher geleitet hat, wird euch in diesen Herausforderungen nicht allein lassen. Euer Ad-limina-Besuch bestätigt auf glückliche Weise eure Einheit mit dem Bischof von Rom und eure Zugehörigkeit zum Bischofskollegium: Gebe Gott, daß euch dies eine Stütze sei! Ich bitte euch, meine herzliche Ermutigung allen Dienern des Evangeliums in euren Diözesen zu überbringen: den Priestern, Ordensleuten und Laien, die Verantwortungen tragen und zahlreiche Aufgaben zum Wohl der Gemeinden erfüllen, sowie allen euren Gläubigen. Der jungfräulichen Mutter, Unserer Lieben Frau „Aparecida“, vertraue ich eure Pläne und Hoffnungen und die Schwierigkeiten an, die heute in eurer Nation bestehen. In diesem Sinn rufe ich auf euch, eure Priester, Ordensleute und Laien des mir so teuren Landes des Heiligen Kreuzes den Segen des Herrn herab. Inkulturation als bleibende Aufgabe der Verkündigung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe der Region Nord-Ost in am 29. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude heiße ich euch, die Bischöfe aus den Kirchenprovinzen Bahia und Aracajü, willkommen: „Gnade sei mit euch und Friede von Ihm, der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,4). Eure Anwesenheit bezeugt die Gemeinschaft in der Gnade, die euch in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche mit dem Bischof von Rom verbindet, der seit jeher sichtbarer Mittelpunkt der Einheit ist, und eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel dient dazu, euch dessen bewußt zu werden. Dabei erneuert ihr eure Überzeugung, daß die konkrete historische Wirklichkeit, welche die Kirche ist, ihren Ursprung in den zwölf Aposteln und in unserem Herrn Jesus Christus hat, der diesen lebendigen Leib als Sakrament des Heiles (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1) durch seinen Tod und seine Auferstehung für uns erworben hat. Ich danke für die Worte des Bischofs D. Paulo Lopes de Faria, die den Geist zum Ausdruck bringen, der eure Brüder im Bischofsamt begleitet, und sie spiegeln zugleich die Übereinstimmung wider, die eure gemeinsame Sendung als Hirten der Teilkirchen, die ihr vertretet, kennzeichnet. 1395 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Diese Gewißheit über die Kirche als wirksames Zeichen des Heiles bildet die Quelle eurer unermüdlichen Anstrengungen, das Evangelium all denen zu übermitteln, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind. Sie bildet zugleich die Grundlage der dringlichen Verpflichtung aller Hirten der Kirche, diese Bemühungen anzuregen und auszurichten auf die „plantatio Ecclesiae“ und die weitere Entfaltung der Braut Christi an allen Orten und in allen Kulturen. Kurz vor Anbruch des dritten Jahrtausends steht die apostolische Sendung, die euch anvertraut ist, vor den gewaltigen Aufgaben der Neuevangelisierung, bei der die Kultur eine erstrangige Bedeutung hat. Gerade auf der Linie dieser Gedanken habe ich bei der Teilnahme an den Gedenkfeiern zum 5. Jahrhundert der Evangelisierung Lateinamerikas mit besonderem Akzent die „christliche Kultur“ betont, durch die das Evangelium Christi, das den Menschen gebracht wird, einen jeden in seiner Kultur erreicht in der Hoffnung, daß der Glaube der Christen seinerseits die aufkommenden Kulturen befruchtet. Lateinamerika stellt fast die Hälfte aller Katholiken der Welt. Der Erfolg der Neuevangelisierung hängt daher davon ab, wie die Kirche - und zumal ihr, die ihr auf euren Schultern die schwere Last tragt, die Wege der euch anvertrauten Herde zu erhellen - diesen Dialog zwischen Kultur und Glauben aufrechtzuerhalten versteht. Um eure Bemühungen zu unterstützen und euch angesichts eurer Verpflichtungen Mut zu machen, wie ich es bereits bei Gelegenheit der Ad-limina-Besuche eurer Mitbrüder aus anderen Regionen getan habe, gestatte ich mir, einige Gedanken zu Themen vorzulegen, die viele von euch mit mir teilen und die zugleich zu den vorrangigen Zielsetzungen eures bischöflichen Dienstes gehören. In besonderer Weise möchte ich mich mit euch, den Bischöfen der Region Nord-Ost III, heute über den Stand der liturgischen Erneuerung in eurem immens großen Lande unterhalten sowie über die Aufgabe, zu einer römischen Liturgie zu gelangen, die auf richtige Weise einer Inkulturation in die Mentalität des brasilianischen Volkes Rechnung trägt. 3. Die Förderung des liturgischen Lebens im eben erwähnten Zusammenhang stellt mehr als eine Herausforderung dar. Ich weiß, daß in diesem Verantwortungsbereich durch euch schon viel geschehen ist, und dafür sollten wir Gott danken. Der Tisch des Wortes Gottes wurde für alle reich gedeckt mit für den liturgischen Gebrauch geeigneten Übersetzungen, und die kürzlich erfolgte Veröffentlichung des Missale und des Stundengebetes in der Sprache Brasiliens bietet nun für das Gebet der Kirche in Brasilien endgültige Bezugspunkte. Dieses Gebet, dessen Wurzeln im Schatz der Überlieferung der Kirche begründet sind und den Tag und die Arbeit heiligen wollen, muß die Sendung der Priester, Diakone und Ordensleute begleiten und immer mehr auch den Laien zugänglich sein. Die Sendung der Kirche und ihr apostolisches Wirken müssen nämlich wirklich mit unablässigem Gebet verbunden sein nach der Aufforderung und dem Beispiel Christi, um die Welt, die wir evangelisieren, zu Gott zu erheben (vgl. Mt 26,41 -Mk 6,46). 1396 AD-LIMINA-BESUCHE In diesem Sinn ist daher ein Wort notwendig bei Gelegenheit der kürzlichen Veröffentlichung der endgültigen Ausgabe des Stundengebetes in eurem Land, das nun vollständig vorliegt. Viele von euren Fünfjahresberichten haben die Notwendigkeit betont, dazu mitzuhelfen, daß die Priester neu die Wichtigkeit des Breviers für ihr geistliches Leben und ihren Dienst entdecken. Es ist nun die Stunde gekommen, alles, was möglich ist, zu unternehmen, um diesen Forderungen zu entsprechen und euren Priestern zu helfen, mit neuem Eifer und mit neuer Begeisterung, dazu im Geist liebevollen Gehorsams gegenüber dem Herrn, jene liturgische „Handlung“ zu vollziehen, die sie als Priester im Namen der ganzen Kirche und zusammen mit ihr darzubringen berufen sind. Die Pflicht zum integralen und täglichen Beten des Göttlichen Offiziums (Can. 276, § 2,3) darf nicht als kalte und nur mechanisch zu befolgende Norm verstanden werden, sondern als gebieterische Notwendigkeit des eigenen Seins, als Priester, „Deuter und Träger der universalen Stimme zu sein, die die Herrlichkeit Gottes lobpreist und um die Rettung des Menschen bittet“ (Generalaudienz vom 2.6.1993, Nr. 5; vgl. Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 50). Das Beten des Breviers soll sorgfältig vorbereitet werden, indem die Seminaristen bereits in Geschichte und Bedeutung des Breviers eingeführt werden; den jungen Priestern aber soll eine angemessene Begleitung angeboten werden im Rahmen der ständigen Weiterbildung, die auch ihrerseits eine heilige Pflicht ist (ebd., Nr. 82). 4. Als „Feiern der Kirche, die das .Sakrament der Einheit* ist“ dürfen die liturgischen Handlungen einzig von der zuständigen Autorität geregelt werden (Sacro-sanctum Concilium, Nr. 26), und von ihr einmal festgelegt, erfordern sie von seiten aller große und ehrfürchtige Treue zu diesen authentischen Riten und Texten {ebd., Nr. 22). Da die Liturgie, wie die nachkonziliare Erfahrung gezeigt hat, einen großen pastoralen Wert besitzt, wurde in verschiedenen liturgischen Büchern mit genauen Hinweisen in den Praenotanda ein Rahmen für Anpassungen an die Gemeinde und die Personen vorgesehen und damit eine Möglichkeit der Öffnung für die Besonderheit und Kultur der verschiedenen Völker geschaffen. Für euch ist nun die Stunde gekommen festzustellen, was bis heute auf diesem Gebiet geschehen ist und wodurch sich zugleich die Gelegenheit bietet, genau darüber nachzudenken, wie und in welcher Weise diesen Normen entsprochen werden soll. All dieses Bemühen soll den Riten jene edle Einfachheit schenken, die das Gleichgewicht zwischen den Möglichkeiten von leicht verständlichen Zeichen wahrt, ohne daß daraus eine Verarmung eben dieser Zeichen entsteht; sie sollten im Gegenteil die heiligen Wirklichkeiten, denen sie dienen müssen, ausdrucksvoller darstellen und im Ganzen zur Würde und Schönheit der Feier beitragen. Es ist Aufgabe eines jeden Bischofs als Leiter, Förderer und Aufseher über das gesamte liturgische Leben in der ihm anvertrauten Kirche, die Gnade Gottes fruchtbar werden zu lassen (vgl. Christus Dominus, Nr. 15), und daher ist jeder einzelne von euch verpflichtet, darüber zu wachen, daß die Normen und Weisungen sorgfältig und eifrig befolgt werden, welche die Feiern mit Ehrfurcht umgeben wollen, 1397 AD-LIMINA -BES U CHE sei es, daß sie allgemein für das ganze Territorium der Bischofskonferenz gelten oder für eine einzelne Diözese. Eine verfehlte Einsetzung der Kreativität und Spontaneität bei den Feiern kann zwar für zahlreiche Lebensäußerungen eures Volkes als typisch gelten, sie darf aber nicht zu einer Veränderung der Riten oder der Texte führen und erst recht nicht den Sinn des Mysteriums aufheben, das in der Liturgie gefeiert wird. Die kürzlich veröffentlichte Instruktion der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramente Varietates legitimae bietet euch alles, was für die Struktur und Ausrichtung, die Prüfung und Korrektur bei der Revision eurer liturgischen Bücher notwendig ist, so daß ihr sie dann zur endgültigen Billigung vorlegen könnt. 5. Es ist mir freilich auch nicht unbekannt, daß euer Wirken in der liturgischen Pa-storal im Dienst der Neuevangelisierung die Erfordernisse einer Gesellschaft berücksichtigen muß, die - wie die eurige - mehrere Kulturen umfaßt. Dank der Präsenz verschiedener kultureller Gruppen kommt es zu einer Bereicherung für die Katholizität der Kirche. Doch die geistliche Anleitung der Katholiken, die, wie ich zu sagen Gelegenheit hatte, „eine rassische und kulturelle Vermischung“ sind, die „die Verhaltens- und Ausdrucksweise des brasilianischen Volkes tiefreichend geprägt“ hat „und es weiter tun wird“ (Ansprache vom 20.10.1991), erfordert ein besonderes pastorales Engagement. Viele leben in den Stadtgebieten, einer neben dem anderen, und sie verwandeln die jeweilige Kultur des anderen; für andere bleibt der Grad der Integration beschränkt, andere wieder behalten ihre ursprüngliche Kultur weiter bei. Dieses besondere Phänomen erfordert eine besondere Aufgeschlossenheit und eine konkrete pastorale Antwort, die eurer Diskretion und eurer apostolischen Umsichtigkeit obliegt. Bei verschiedenen Gelegenheiten war ich Zeuge dieser Mischung der Rassen, die in jedem Bundesstaat harmonisch Zusammenleben. Dieses friedliche Zusammenleben ist anzuregen, wobei zugleich alles zu vermeiden ist, was Rassen und Kulturen mit verhärteten Haltungen der Gegensätzlichkeit oder Konfliktbereitschaft einander verfeindet. Die Eigenart eures Volkes, und zumal der Glaube, den die ersten Missionare, die nach Brasilien kamen, mitbrachten, festigte die Überzeugung, man müsse die Grundlagen für ein gegenseitiges Verständnis schaffen, das weiter für viele Nationen außerhalb als Beispiel dienen kann. Wie ich euch schon gesagt habe, bete ich darum, daß Brasilien einer häufig von Gegensätzen zwischen Völkern und Rassen beherrschten Welt eine wesentliche Lektion über echte Integration erteilen kann (vgl. Ansprache vom 1.7.1980). Ihr werdet verstehen, daß die Achtung für die unterschiedlichen Kulturen und eine entsprechende Inkulturation des Evangeliums Fragen aufwirft, die eine eigene Behandlung erfordern. Es ist freilich nicht möglich, hier die afro-brasilianische Kultur im weiteren Rahmen der Evangelisierung „ad gentes“ zu behandeln, die übrigens heute im theologischen und pastoralen Nachdenken eurer Einzelkirchen in Brasilien durchaus präsent ist. Es geht um die heikle Frage der Akulturation, insbesondere der liturgischen Riten und Ausdrücke, der musikalischen und körperli- 1398 AD-UMINA-BESUCHE chen Ausdrucksformen, wie sie für die afro-brasilianische Kultur typisch sind. Dieses sehr komplexe Thema erfordert aber einige Überlegungen. Zunächst muß man sich fragen, inwieweit es angebracht ist, dem liturgischen Gottesdienst ein afro-brasilianisches Antlitz zu geben, wie ich es bei einigen Gelegenheiten festgestellt habe, wo das schwarze Element schon ziemlich betont ist. Wir wissen alle, daß die Verquickung der Gewohnheiten und Überlieferungen der Weißen und der Daseinsweise der aus Afrika gekommenen Negersklaven dem Wortschatz, der Ausdrucksweise und dem Klang der in Brasilien gesprochenen portugiesischen Sprache ein eigenes Antlitz gegeben hat. Die Präsenz von schwarz-afrikanischen Elementen in der sakralen Kunst des Barocks in der Kolomalzeit hat zu sehr schönen Denkmälern der Architektur und der religiösen Skulptur und auch der geistlichen und weltlichen Musik geführt, die zumal bei den Festen der Volksfrömmigkeit wirkliche kulturelle Ausdrucksformen dieser vielrassigen Gesellschaft, die Brasilien darstellt, unverwechselbar zeigt. In dieser Geschichte sind bereits echte Formen der Inkulturation vorhanden, die, ohne die Wahrheit des Glaubens und der christlichen Offenbarung zu verraten, diese berechtigten Werte und Ausdrucksformen der Volkskultur zu integrieren verstanden und auf diese Weise evangelisiert wurden. Dadurch wird klar, daß man sich von der spezifischen Zielsetzung der Evangelisierung entfernen würde, wenn man eines dieser Elemente, welche die brasilianische Kultur geformt haben, ungebührlich hervorhebt und es damit aus dem so bereichernden Prozeß des Aufeinander-Einwirkens herauslöst, als ob es notwendig wäre, wieder eine neue Liturgie zu schaffen, die den Menschen der schwarzen Rasse eigen wäre. Noch mehr würde das gelten, wenn man sich daran machte, einem solchen liturgischen Ritus eine äußere Darbietungsform und Struktur zu geben - in den Kleidern und in der Sprache, im Gesang sowie in den liturgischen Zeremonien und Gegenständen -, um Elemente aufzunehmen, die von den sogenannten afro-brasiliani-schen Kulten herkommen, ohne vorher eine ernsthafte und gründliche Prüfung vorzunehmen, ob dies alles vereinbar ist mit der von Jesus Christus geoffenbarten Wahrheit. So wird man zum Beispiel mit Umsicht und dem rechten Maß gewisse Riten im Auge behalten müssen, die eine Annäherung an das erhabene Geheimnis der Dreifaltigkeit anregen möchten, dabei das Pantheon der Geister und Gottheiten der afrikanischen Kulte benutzen, wobei in bestimmten Fällen die sakramentalen Formeln in ihrem Bezug auf die Dreifaltigkeit verändert werden; noch mehr gilt es aufmerksam zu bleiben und passend die Einführung von Riten, Gesängen und Gegenständen zu korrigieren, die in den katholischen sakramentalen Ritus - die hl. Messe, aber auch bei anderen Sakramenten - eingeführt werden sollen, die ausdrücklich dem Universum der afro-brasilianischen Kulte angehören. Als notwendig und dringlich erweist sich daher eine mutige Wachsamkeit der Bischöfe, die klar und sofort solche Entgleisungen, wo immer sie sich zeigen, korrigieren. 1399 AD-L1MINA-BESUCHE Die katholische Kirche bringt den afro-brasilianischen Kulten aufrichtige Achtung entgegen, hält aber den konkreten Relativismus einer Praxis von beiden oder eine Mischung zwischen ihnen - wie wenn sie den gleichen Wert besäßen - für schädlich, denn das würde die Identität des katholischen christlichen Glaubens gefährden. Sie fühlt sich vielmehr zu der Aussage verpflichtet, daß der Synkretismus dann schädlich ist, wenn die Wahrheit des christlichen Ritus und die Ausdrucksform des Glaubens in den Augen der Gläubigen leicht aufs Spiel gesetzt werden können zum Schaden einer echten Evangelisierung. Euch Bischöfen ist in ständigem und vertrauensvollem Dialog mit dem Apostolischen Stuhl die Verantwortung übertragen, daß ihr die Zeiten und Formen zu erkennen wißt, wie die Inkulturation des Glaubens durch liturgische Feiern gefördert werden kann, die denselben zum Ausdruck bringen und stützen in dem Bewußtsein, daß diese Zeiten und Formen geduldiges und ernsthaftes Überlegen erfordern, das sich auf eine echte Theologie stützt, die eine geistliche Erneuerung zum Ziel hat und sich an den katholischen Grundsätzen der Inkulturation orientiert. Daher können wir nicht von geistlicher Erneuerung eurer Diözesen reden, ohne aufmerksam auch die Situation des Glaubens und der Beteiligung an der Eucharistie zu überprüfen, wie sie sich bei euren Gläubigen zeigen; die Eucharistie ist die Quelle, der Mittelpunkt und zugleich der Höhepunkt des Lebens der Kirche (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11; Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 1324-1327). Die aufrichtige Hingabe seiner selbst, die Jesus Christus vollzogen und am Kreuz dargebracht hat, wird in der Eucharistie vergegenwärtigt und zugewandt: Die Priester vereinigen „die Gebete der Gläubigen mit dem Opfer ihres Hauptes“; im „Meßopfer ... vergegenwärtigen“ sie „das einzige Opfer des Neuen Bundes“ und wenden es zu {Lumen Gentium, Nr. 28). Die Verwaltung dieses großen Geheimnisses ist daher eines der höchsten Privilegien und Verantwortlichkeiten eures bischöflichen Amtes. Unglücklicherweise kann es geschehen, daß die Liturgie ernsthaft verfälscht wird durch unerlaubte Auslassungen oder Beifügungen zum approbierten Text. Unter solchen Verhältnissen ist es „die Aufgabe der Bischöfe, dies zu unterbinden, da die Regelung der Liturgie im Rahmen des Rechts vom Bischof abhängt“ {Vicesimus quintus annus [4.12.1988], 13). Das echte Verhältnis zwischen den Feiern des Paschamysteriums und einer bestimmten Kultur wird in dem Augenblick konkret, wo diese dem Evangelium gestattet, in das eigentliche Leben der Kultur einzudringen, „indem es deren kulturelle Elemente, die mit dem Glauben und mit dem christlichen Leben nicht vereinbar sind, überwindet und ihre Werte in das Heilsmysterium, das von Christus kommt, integriert“ {Pastores dabo vobis, Nr. 55). Die Aufgabe der Anpassung und Inkulturation ist für die Zukunft der Erneuerung des liturgischen Lebens wichtig. Die Liturgiekonstitution verkündete das Prinzip (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nm. 37-40) und gab die ersten Hinweise zum Vorgehen. Die Instraktion über „Römische Liturgie und Inkulturation“ vertiefte das Thema und verdeutlichte die Vorgehensweisen, denen die Bischofskonferenzen im 1400 AD-LIM1NA-BESUCHE Lichte des Kirchenrechtes zu folgen haben, wobei auch die Erfahrung der ersten 25 Jahre nach der Liturgiereform zu berücksichtigen ist (vgl. Varietates legitimae, Nm. 62. 65-68). 6. In Weiterführung des notwendigen Bemühens, die römische Liturgie in den verschiedenen Kulturen zu verwurzeln, müssen die Bischöfe, unterstützt durch fachkundige Personen, die den Weisungen des Lehramtes treu sind und die Disziplin der Gesamtkirche achten, darauf schauen, daß die Bewahrung des „wahren und authentischen Geistes der Liturgie ... unter Beachtung der wesentlichen Einheit des römischen Ritus, wie sie in den liturgischen Büchern festgelegt ist“ (Vicesimus quintus annus, Nr. 16) stets sichergestellt ist. Es sei mir gestattet, euch einige Anregungen zum Nachdenken vorzuschlagen, vor allem, was den „wahren und echten Geist der Liturgie“ angeht, und dann zum Sinn des Ausdrucks „unter Wahrung der Einheit des römischen Ritus im wesentlichen“, wie sie in den liturgischen Büchern festgelegt ist (Sacrosanctum concilium, Nm. 37. 38). Was den „Geist der Liturgie“ angeht, können wir nicht daran zweifeln, daß das Zweite Vatikanische Konzil sich auf eine Wirklichkeit bezieht, die in der Kirche immer vorhanden war, obwohl sie nicht immer mit der gleichen Deutlichkeit gelebt wurde. Einerseits sind da die lebendigen Akzentsetzungen, die mit demselben „Geist“ die Westkirche und die Ostkirche die verschiedenen Kulturepochen hindurch im Volk Gottes betont und gefördert haben; andererseits ist da „der Geist der Liturgie“ in seinem grundlegenden und ursprünglichen Kem. Dieser „Geist“ kommt nicht von den äußeren Formen her, die größtenteils aus den Kulturen stammen, in denen sich das Christentum verbreitet hat, sondern liegt ihnen vielmehr zugrunde als etwas, das ihr Sein bestimmt, als Werkzeug und äußeres Zeugnis für das Zusammentreffen des Wirkens Christi und seiner Kirche auf der Ebene der unsichtbaren Gnade. Es ist außerdem daran zu erinnern, daß die Konzilsväter, wenn sie sich auf den „wahren und echten Geist der Liturgie“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 37) bezogen, vor Augen hatten, was die Konstitution über die Heilige Liturgie in ihrer Einleitung (1-4) und im ersten Teil des ersten Kapitels (5-13) sagt. Wenn die Liturgiereform auch die Bedingungen und Mittel geschaffen hat, um im Volk Gottes einen tieferen Sinn für die „Kirche im Gebet“ und das „Gebet der Kirche“ zu wek-ken, so bleibt doch noch viel zu tun, um jenes Ziel zu erreichen, das alle Gläubigen in jedweder Kultur empfänglich macht. Viele haben sich zuweilen mit Schwung dem Neuen zugewandt, sich aber des Alten entledigt. Andere blieben an äußere Formen gebunden und zogen sogar die Notwendigkeit einer Erneuerung in Zweifel, die doch wesentlich evidenter war und nicht mit den Entgleisungen verwechselt werden durfte, die sowohl von der zuständigen Autorität als auch von der Mehrheit der Gläubigen abgelehnt wurden. Würde die Liturgie die Gläubigen nicht dazu anleiten, das Heilsgeheimnis des Gottmenschen Christus und die echte Natur der wahren Kirche im Leben sichtbar zu machen, und zwar „so, daß dabei 1401 AD-UMINA-BESUCHE das Menschliche auf das Göttliche hingeordnet und ihm untergeordnet ist, das Sichtbare auf das Unsichtbare, die Tätigkeit auf die Beschauung, das Gegenwärtige auf die künftige Stadt, die wir suchen“ (ebdNr. 2), könnte man gar nicht von der Anwendung des „wahren und echten Geistes der Liturgie“ reden. Wir müssen deutlich verstehen, daß, wenn es unsere wichtige Aufgabe ist, nach Formen zu suchen, in denen eine Inkulturation der Liturgie möglich und notwendig ist, es noch wichtiger und notwendiger bleibt, daß das Erlösungswerk Christi, das in seiner Kirche und zumal in den liturgischen Handlungen präsent ist, in jedem Volk und in jeder Sprache zum Ruhm Gottes und zur Heiligung der Menschen verstanden, vollzogen und gelebt wird (vgl. ebd,., Nr. 7). Es ist eure Pflicht, das euch an vertraute Volk anzuleiten, das wie alle Völker des lateinamerikanischen Kontinents ausdrucksvolle Zeichen braucht wie Gesang, Gefühlsäußerungen und äußere Frömmigkeitsformen, um den echten liturgischen Geist mit seiner echten Religiosität und ihrer tiefsten Seele zu verbinden. Man darf diese beiden Wirklichkeiten nicht einander entgegensetzen, sondern muß sie vielmehr aufgreifen und dafür sorgen, daß eine sich in den Dienst der anderen stellt. 7. Das Zweite Vatikanische Konzil verwendet den Ausdruck „unter Wahrung der Einheit des römischen Ritus“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 38) und wollte damit betonen, daß die in Frage stehende Inkulmration in ihrem normativen Teil sich wieder in das einfügt, was sich nur auf den römischen Ritus bezieht, und daß ein Teil von diesem Ritus auch weiter jede neue angepaßte und inkulturierte Form bilden soll gemäß dem Recht und der Billigung des Apostolischen Stuhles. In Übereinstimmung mit dem Konzil habe ich in Vicesimus quintus annus (Nr. 16) jenen Text wieder aufgegriffen und ihn den liturgischen Büchern als Bezugspunkt beigefügt. In der Folge hat dann die Instruktion über Römische Liturgie und Inkulturation das Thema wieder aufgegriffen und in angebrachter Weise darauf hingewiesen, daß die Aufmerksamkeit auf die wesentliche Einheit des römischen Ritus mit vollem Recht zu den .Allgemeinen Grundsätzen“ gehört, die jede Untersuchung und jede den römischen Ritus inkulturierende Aktion leiten muß, weil das mit der eigentlichen Zielsetzung der Inkulturation und der Beziehung zur zuständigen Autorität zusammenhängt (vgl. Varietates legitimae, Nm. 34-36 und Nr. 70). Wie es im Bereich einer Ortskirche über die Unterschiede hinaus - die innerhalb des Volkes Gottes, unter Mitgliedern der Hierarchie und Laien, unter Gruppen und Kulturen bestehen - immer die Liturgie ist, die die eine Ortskirche sichtbar machen und einen muß (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 41), so müssen noch viel mehr jene Kirchen, die aus der apostolischen Überheferung der römischen Tradition entstanden sind, trotz der verschiedenen Sprachen und Kulturen in der Liturgie sich als geeint empfinden und begegnen. Die Notwendigkeit und Erfordernis der Einheit, die eines der Kennzeichen der Kirche ist, muß weiterhin und heute mehr denn je im Bereich des römischen Ritus präsent sein, um das innere Leben der Kirche und ihr Verhältnis zu der evangelisierungsbedürftigen Welt zu fördern. 1402 AD-UMINA-BESUCHE Bei der Inkulturation bestimmter Formen, die als notwendig und nützlich gelten, geht es nicht darum, sich von Formen anregen zu lassen, die bereits in anderen Riten da waren oder da sind; denn die Kirche achtet und ehrt sie in vollem Maße als Teil ihres eigenen Erbes. Man muß vielmehr in der religiösen Erfahrung als Teil der Kultur eines Volkes die Ausdrucksformen suchen, die mit dem römischen Ritus im Rahmen seiner besonderen Ausdrucksform harmonisiert werden können. Das Ergebnis dieser Fusion sollte möglichst nicht ein einfaches und äußerliches Nebeneinanderstellen von Elementen sein, sondern vielmehr eine neue Synthese, die immer als Teil des Ritus zu erkennen bleibt, der mit der Evangelisierung eingeführt wurde. Der römische Ritus besitzt nach der vom Konzil gewünschten Reform ferner in seinen liturgischen Ausdrucksformen eine Vitalität, die durchaus in der Lage ist, das Empfinden und die Ausdruckskraft der verschiedenen Kulturen in Betracht zu ziehen, selbst derjenigen, die am meisten von dem Raum entfernt sind, in dem er ursprünglich entstand und sich entwickelt hat. Wenn man nicht von jeder Kultur alles übernehmen kann, dann deswegen, weil sich mit den kulturellen Ausdrucksformen häufig eine Art Synkretismus verbindet, die mit der christlichen Botschaft sowie mit dem wahren und authentischen Geist der Liturgie unvereinbar ist. Das soll heißen, daß, wenn man die Zielsetzung und innere Struktur einer jeden liturgischen Feier zum Nutzen der Kanalisierung der Formen und Ausdrucksweisen im Rahmen der göttlichen Mysterien achtet, man jene Formen und rimeilen Formen ausklammem muß oder erst gar nicht aufgreifen darf, die nicht der Natur des Geheimnisses entsprechen, das man feiert, zumal wenn es um die Menschwerdung, das Leiden und den Tod Jesu Christi geht, um andere Erlösungsgeheimnisse unerwähnt zu lassen. Wenn es auf der einen Seite einer bestimmten Kultur gegenüber respektlos wäre, in den liturgischen Riten Ausdrucksformen beizubehalten, die zu den kulturellen Ausdrucksformen der Gläubigen in offensichtlichem Gegensatz stehen, so könnte es ebenso der wesentlichen Einheit des römischen Ritus gegenüber respektlos erscheinen, würde man bei der Inkulturation eine andere Dynamik einführen, die eventuell sogar das religiöse Empfinden des christlichen Volkes verletzen würde. Was ich euch, den Bischöfen von Brasilien, wünsche, ist, daß ihr in euren Gläubigen konstruktive Mitarbeit findet, die euch bei der Wahrnehmung der euch übertragenen Verantwortung helfen kann. Wenn wir die Türen für eine schrittweise Inkulmration des römischen Ritus in Brasilien öffnen, dienen wir der Fülle, der Lebenskraft und der Gemeinschaftlichkeit der Teilnahme der Gläubigen an den liturgischen Feiern (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 23) derart, daß sie immer mehr zum heiligen Tempel des Herrn und zur Wohnstätte des Heiligen Geistes werden, bis die Vollreife in Christus erreicht ist. Der Apostolische Stuhl ist sich bewußt, daß er euch in eurem pastoralen Wirken helfen und stärken muß, und so ist er zur Mitarbeit im Geist des Vertrauens bereit und teilt mit euch die Verantwortung. 1403 AD-LIMINA-BESUCHE 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, wir stehen kurz vor dem Ende des zweiten christlichen Jahrtausends. Das Klima der Vorbereitungen auf das Große Jubiläum der erlösenden Menschwerdung unseres Herrn wird immer intensiver. Daher geht es vor allem darum, in den verschiedenen Bereichen und Situationen des pastora-len Lebens einen neuen Eifer der Heiligkeit in den Priestern, den Ordensleuten und den Laien zu wecken und zu stärken (vgl. Redemptoris missio, Nr. 90). Als Hirten nach dem Herzen Gottes (vgl. Jer 3,15) sollt ihr die katholischen Gläubigen zu den Quellen des Lebens hinführen: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3). Ich rufe die Fürbitte Unserer Lieben Frau von der Empfängnis „Aparecida“ auf euch herab, auf daß sie dank ihrem mütterlichen Schutz alle Menschen anleite und erleuchte, die eurer pastoralen Sorge anvertraut sind, und ich erteile euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Sozialwissenschaft und Theologie — Möglichkeiten und Grenzen einer Zusammenarbeit Ansprache beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe der Regionen Süd III und IV am 18. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich entbiete euch mein aufrichtiges Willkommen bei eurem Besuch der Ewigen Stadt und der Gräber der Apostel Petrus und Paulus. Euch ist die Verantwortung für die Kirche in den Diözesen eines Landes übertragen, das an der Schwelle des XXI. Jahrhunderts den 500. Jahrestag seiner Entdeckung feiert und daher für die unermeßlichen Aufgaben bereit sein muß, die das Volk Gottes von seinen Hirten erwartet. So gewinnt euer Ad-limina-Besuch eine gefüllte historische Bedeutung: Die Wege Gottes sind unerforschlich, doch weil sie den normalen Ablauf der Ereignisse achtet, ruft euch die Vorsehung auf, die kommenden Generationen von Brasilianern als Herolde der Wahrheit zu erleuchten, wenn ihr „unerschütterlich und unbeugsam am Glauben festhaltet und euch nicht von der Hoffnung abbringen laßt, die euch das Evangelium schenkt“ (Kol 1,23). In Dankbarkeit gegen Gott denke ich an die gnaden vollen Tage von 1991, als ich, eurer brüderlichen Einladung folgend, meinen zweiten Pastoralbesuch in Brasilien durchführen konnte. Ich bewahre noch eine lebendige Erinnerung an das Glaubenszeugnis zahlreicher Männer, Frauen und Kinder, an die herzliche und freudige Aufnahme an allen Orten eures unermeßlich großen Landes. Im ganzen konnte ich echte Bemühungen um das Gute und Wahre in einem Klima des Vertrauens und der Achtung für seine Hirten feststellen. In den Briefen, die ständig nach Rom kommen, um Licht, Stärkung und Hilfe zu erbitten, zeigt sich echte Ergebenheit 1404 AD-LIMINA-BESUCHE gegenüber dem Nachfolger des Petrus, und darin spüre ich die „Seele“ des Brasilianers. Ihr selbst öffnet, wenn ihr mir schreibt, das Herz, und schildert getreu Situation und Leben eurer EinzelMrchen. Es ist daher mein lebhafter Wunsch, euch zu ermuntern und euer oftmals mühsames Wirken voller Herausforderungen zu stützen. Mit der Hilfe Gottes könnt ihr eure Prüfungen meistern, wenn ihr im brüderlichem Geist einig seid und offen eure Gemeinschaft mit dem Papst und den Brüdern im Bischofsamt bezeugt. Ich begrüße von Herzen den Erzbischof Don Altamiro Rossato, der als Vertreter der Kirchenprovinzen, welche die Regionen Süden 3 und 4, also Rio Grande do Sul und Santa Catarina, umfassen, das allgemeine Bild eurer Diözesen mit ihren Bestrebungen und Sorgen dargelegt hat. Ich bin ihm sehr dankbar. Möge das Licht des göttlichen Trösters euch immer anregen, wenn ihr mit Glauben und Vertrauen auf die Vorsehung euer bischöfliches Amt ausübt. 2. Die Fünfjahresberichte bieten ein objektives Bild des Zustands eurer Diözesen, der schönen Fortschritte und auch einiger Entwicklungen, die ein sorgfältiges Bedenken erfordern. Das, was sich heute irgendwo in der Kirche ereignet, hat Auswirkungen auf die Gesellschaft als ganze. In einer Welt, die sich auf Einheit hinbewegt, wird die Verantwortung aller für alle zur direkten Erfahrung. Erfüllt daher euren bischöflichen Dienst gewissenhaft und gekonnt; möge er immer zugleich ein Dienst für die Einheit der universalen Kirche sein und damit beitragen zur Einheit der Glaubens- und Morallehre, so wie sie das Lehramt verbindlich vorträgt. Die Kirche bewahrt nämlich eine Wahrheit, eine Lehre, Weisheit und Erfahrung, die die Menschen für ihren Weg zu wahrer Befreiung und zum wahren Wohl nötig haben. Dies ist der Kontext, in dem die Enzyklika Veritatis splendor verstanden werden muß. Ich wollte sie veröffentlichen angesichts der Dringlichkeit, das Licht des Evangeliums und die autorisierte Lehre der Kirche darzubieten gegenüber der ungesunden Verwirrung, die viele Menschen bezüglich grundlegender Fragen nach Gut und Böse und nach dem, was richtig und was falsch ist, empfinden. Die Bekräftigung der Morallehre der Kirche - die beständig bleibt und zugleich immer neu ist - ist die notwendige Antwort des Lehramtes auf die verbreitete ethische Krise, die die heutige Gesellschaft erfaßt hat. Es hat mich bei der kürzlichen Begegnung mit der europäischen Jugend in Loreto besonders ergriffen, so viele Jugendliche zu sehen, die eifrig bemüht sind, Christus zu lieben und ihm in seiner Kirche zu dienen. Dessen bin ich sicher, weil ich schon Gelegenheit hatte, die innere Dynamik kennenzulemen, die es auch in eurem Vaterland gibt. Diese Männer und Frauen des dritten Jahrtausends hoffen, daß ihre Bischöfe und Priester ihnen helfen, gemäß der Wahrheit zu leben, die das kostbare Geschenk ist, das Christus für sie bereithält (vgl. Gal 5,1). Die Gläubigen hören auf die Bischöfe der Kirche als auf „Glaubensboten, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer, die dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben verkünden“ (Lumen Gentium, Nr. 25). Als erfahrene Hirten seid ihr euch tief der einschneidenden Folgen der erwähnten Krise für 1405 AD-UMINA-BESUCHE das täglich Leben der Menschen bewußt, und ihr kennt zugleich eure eigene Verantwortung, die darin besteht, pastorale Weisungen anzubieten, die mit dem Geiste Christi und der Kirche übereinstimmen. Angesichts der zweifellos schmerzlichen Herausforderung, daß Glauben und Moral in den christlichen Ländern aufgegeben werden, müssen wir in uns ständig jenes Charisma der Wachsamkeit erneuern, womit der hl. Augustinus die Schwere unserer Verantwortung in die Worte faßte: Ich bin zwar Christ ... bin aber auch verantwortlich, und deswegen muß ich Gott über mein Dienstamt Rechenschaft geben (vgl. Sermo 46: Über die Hirten, 2). 3. Im Mittelpunkt der Botschaft von Veritatis splendor steht die neue Bekräftigung der wesentlichen Beziehung zwischen Wahrheit und Freiheit (vgl. Nr. 32). Die universale Wahrheit über das Gut der menschlichen Person und die immer gültigen Normen, die den Schutz dieses Gutes sichern, sind der menschlichen Vernunft tatsächlich zugänglich; wir dürfen ja an der Erkenntnis Gottes selbst über das, was wir sein und tun müssen, teilhaben, um uns zu dem Ziel zu erheben, für das wir geschaffen wurden. Es ist daher eine dringliche Forderung, den Männern und Frauen zu helfen, „den untrennbaren Zusammenhang zwischen Wahrheit und Freiheit“ (ebd., Nr. 99) wieder neu zu entdecken, sowie die dringende Aufgabe unseres pastoralen Dienstes als einzelne wie als Gemeinschaft. Wenn wir ihnen die klare Lehre über die Grundwahrheiten, welche die Morallehre der Kirche bietet, zusichem, fördern wir zugleich eine neue Bekräftigung der Würde der menschlichen Person und ein korrektes Verständnis des Gewissens, das als einzige gediegene Grundlage für die Ausübung der menschlichen Freiheit gilt und als Grundlage für ein Gemeinschaftsleben in Solidarität und bürgerlicher Harmonie. All dies ist ein grundlegender Dienst am Gemeinwohl. Wie kann die moderne Gesellschaft der wachsenden Dekadenz ihres zerstörerischen Verhaltens entgehen - ohne den unverletzlichen Charakter der moralischen Normen zurückzugewinnen, die immer und überall das menschliche Verhalten ausrichten müssen (vgl. ebd., Nr. 84)? Es ist bekannt, daß unsere Zeit ein besonders lebendiges Verständnis der Freiheit gewonnen hat. Dieses Verständnis fand freilich vielfältige Ausdrucksformen, die sich zuweilen von der Wahrheit des Menschen entfernen. In einigen Strömungen des Denkens wird die Freiheit derart herausgestellt, daß sie zu einem absoluten Wert wird. So wird auch dem individuellen Gewissen der Rang einer obersten Instanz für das moralische Urteil zugesprochen. Die Forderung nach Wahrheit entschwand dabei so sehr, daß es zu einer radikal subjektiven Auffassung des moralischen Urteils kam. Wenn aber der Gedanke an eine universale Wahrheit über das Gute verlorengeht, kommt man dahin, dem Gewissen des einzelnen das Privileg zuzugestehen, autonom die Kriterien für Gut und Böse aufzustellen und entsprechend zu handeln. Diese Sicht verbindet sich dann mit einer individualistischen Ethik, bei der sich ein jeder mit „seiner Wahrheit“ konfrontiert sieht, die sich von der Wahrheit der anderen unterscheidet; daher verstehen sich auch die Schwierig- 1406 /ID - LIM INA -BESUCHE keiten, die sich bei der kürzlich in Peking stattgefundenen Konferenz über die Frau für eine klare und unmißverständliche Betonung der universal geltenden Werte ergaben, die ins Herz eines jeden Menschen eingeschrieben sind. Immer, zumal aber im heutigen kulturellen Zusammenhang, bleibt es unsere Pflicht, den Bezug auf die menschliche Würde als Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens herauszustellen und damit für die Familie den Begriff der Mutterschaft und die Verantwortung der Eltern für die Erziehung der Kinder zu wahren. Diese Themen sind dermaßen wichtig, daß sie nicht beiseite gelassen werden dürfen. Die Kirche wird niemals aufhören, die Gläubigen und alle Menschen guten Willens vor allen Angriffen auf die Würde des Mannes und der Frau zu warnen, zugleich aber stets mit dem gebührenden pastoralen Mut die immerwährenden Werte des Naturgesetzes, die von Christus im Evangelium bekräftigt wurden, zu verkündigen. 4. Einige heutige kulturelle Tendenzen stehen am Ursprung vieler ethischer Orientierungen, die in das Zentrum ihres Denkens einen vorausgesetzten Konflikt zwischen Freiheit und Gesetz stellen. Es sind Lehren, die dem Individuum oder sozialen Gruppen die Fähigkeit zuschreiben, über Gut und Böse zu entscheiden. Diese falsche Auffassung von der Autonomie übt gleichzeitig ihren Einfluß auf die katholische Moraltheologie aus, und einige vertreten in der Theorie eine vollständige Souveränität der Vernunft gegenüber den moralischen Normen zur rechten Ordnung des Lebens in dieser Welt. Als Folge gelangt man dahin, im Gegensatz zur Lehre der Heiligen Schrift und zur ständigen Lehre der Kirche zu leugnen, daß das Naturgesetz Gott zum Urheber hat und daß der Mensch durch seine Vernunft am ewigen Gesetz teilhat, das nicht durch sie aufgestellt wurde (vgl. Verita-tis splendor, Nr. 36). Eine derart aufgefaßte Autonomie versagt der Kirche und ihrem Lehramt eine spezifische lehrmäßige Zuständigkeit bei konkreten moralischen Normen, die zum sogenannten „Gut des Menschen“ gehören. Es muß daher beständig daran erinnert werden, daß die Freiheit als Urteilsfähigkeit, getrennt von Wahrheit und Gutem aufgefaßt, eine Freiheit, die von den Geboten Gottes getrennt wird, zu einer Bedrohung für Mann und Frau wird und zur Sklaverei, denn sie richtet sich gegen das Individuum und die Gesellschaft. Die Kirche, die immer für die Verteidigung der Rechte des Menschen eingetreten ist, kann selbst auf die Gefahr des Verlustes ihrer Popularität hin hier nicht schweigen. Das Konzil lehrt uns: „Durch kein menschliches Gesetz können die personale Würde und Freiheit des Menschen so wirksam geschützt werden wie durch das Evangelium Christi, das der Kirche anvertraut ist“ (Gaudium et spes, Nr. 41). Ich sage Gott Dank wegen der jüngsten Nachrichten über neue Initiativen auf dem Gebiet der Medien der sozialen Kommunikation, sei es von seiten der Kirche, sei es von seiten einzelner Gruppen, um mit neuem missionarischem Schwung die geoffenbarte Wahrheit zu verkündigen. Es genügt daher nicht, zu den oft unterschiedlich ausgerichteten großen Massen zu sprechen, wenn man nicht auch indi- 1407 AD-LIMINA-BES U CHE viduell die Menschen anspricht in dem Wissen, daß Christus sein kostbares Blut für jeden einzelnen im besonderen vergossen hat. Die Freiheit muß daher durch das gut informierte Gewissen geleitet werden, das in der Lage ist, das Gute und Böse zu unterscheiden, und das Gute in allen Situationen herauszugreifen versteht. Die Freiheit ist kein moralischer Relativismus, sie gründet sich vielmehr auf klare und durchsichtige Kriterien. Die Brasilianer von heute müssen daher durch ihre Hirten gut angeleitet werden, um Tendenzen zu widerstehen, die ihnen von vielen Seiten als modern nahegelegt werden, und von einer angeblichen Befreiung, die in Wirklichkeit oft ohne echte moralische Grundsätze dasteht. 5. Die Evangelisierung ist zweifellos die größte und erhabenste Aufgabe, der die Kirche zu entsprechen berufen ist. Die Stunde, in der wir leben, ist vor allem ein Aufruf zu einer „neuen Evangelisierung“, neu in ihrem Schwung, in ihren Methoden und Ausdrucksformen, doch diese Evangelisierung „schließt auch die Verkündigung und das Anbieten einer Moral ein“ (Veritatis splendor, Nr. 107), die in der Heiligkeit zahlreicher Mitglieder des Volkes Gottes gelebt wird. Im Kontext der neuen Evangelisierung, die den Glauben wecken und nähren muß, vermögen wir auch den Ort zu verstehen, den in der Kirche die Theologie in bezug auf das moralische Leben ausfüllen muß, so wie wir zugleich die Sendung und Verantwortung der Moraltheologen erkennen. Wenn die Neuevangelisierung alle erfassen muß, kommt diesen zumal eine besondere Verantwortung zu. Damit die Kirche ihre prophetische Sendung erfüllen kann, ist eine immer noch tiefere Reflexion des Glaubens unter der Führung des Heiligen Geistes notwendig. In den Dienst dieser Reflexion und dieses Suchens aber gehört die Berufung des Theologen in der Kirche. Daher mache ich mir jene Verdeutlichungen zum Lehramt der Kirche zu eigen, dessen Aufgabe es ist, „durch für das Gewissen der Gläubigen normgebende Urteile jene Akte zu bezeichnen, die in sich selber mit den Forderungen des Glaubens übereinstimmen und seine Anwendung im Leben fördern, aber auch jene Akte, die aufgrund ihres inneren Schlechtseins mit diesen Forderungen unvereinbar sind“ (Donum veritatis, 24. Mai 1990, Nr. 16). Allen, die im Auftrag der rechtmäßigen Hirten Moraltheologie lehren, rufe ich die schwere Pflicht in Erinnerung, den Gläubigen - zumal den künftigen Priestern -eine Lehre zu bieten, welche die Kirche autoritativ erklärt. Wir alle müssen uns besonders für die Organisation des Studiums der Theologie sowie für das fruchtbare Wirken der Fakultäten und der höheren Institute für Theologie einsetzen. In dem postsynodalen Schreiben Pastores dabo vobis habe ich die grundlegenden Prinzipien für die wissenschaftlich-intellektuelle und geistliche Ausbildung der Kandidaten für das Priestertum dargelegt: „Die intellektuelle Ausbildung der Priesteramtskandidaten findet ihre charakteristische Rechtfertigung in der Natur des geweihten Dienstes selbst und beweist ihre aktuelle Dringlichkeit angesichts der Herausforderung der ,Neu-Evangelisierung‘, zu welcher der Herr die Kirche an der Schwelle des dritten Jahrtausends aufruft“ (Nr. 51). 1408 AD-LIM1NA-BESUCHE Ich empfehle euch vor allem eine besondere Wachsamkeit bei dem, was die Ausbildung eurer Seminaristen auf dem Gebiet der Moraltheologie angeht. Sie werden ja die künftigen Bildner der christlichen Gewissen sein als Beichtväter, Seelenführer und Anreger der Gemeinschaften. Sie müssen daher vorbereitet sein, diese wichtige Aufgabe ihres Priestertums in völliger Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche zu erfüllen. Daher ist es unverzichtbar, daß Lehrbücher und Professoren der Moraltheologie sorgfältig ausgewählt werden, damit in die Seminare und kirchlichen theologischen Fakultäten keinerlei Form des Dissenses eindringt, was für ein derart grundlegendes Gebiet zur Sorge Anlaß gäbe. Was bei der theologischen Ausbildung der künftigen Priester, Professoren und aller, die beim Religionsunterricht mitarbeiten, interessiert, ist nicht nur die wissenschaftliche Qualität der eigenen intellektuellen Vorbereitung, sondern auch das „Empfinden mit der Kirche (sentire cum ecclesia)“ bei Professoren und Studenten. Es kann nie deutlich genug gesagt werden, daß es zumal die Moraltheologen angeht, die Lehre der Kirche darzulegen und das Beispiel einer loyalen inneren und äußeren Treue zu den Verlautbarungen des Lehramtes auf dem Gebiet des Dogmas und der Moral zu geben (vgl. Veritatis splendor, Nr. 110). Die Theologen, welche die Morallehre der Kirche vortragen, sind intellektuell, geistlich und pastoral dafür verantwortlich, sie unverfälscht vorzutragen. Ein Widerspruch zur Morallehre, der in Angriffen und Polemiken durch die Medien der sozialen Kommunikation geäußert wird, widerspricht der kirchlichen Gemeinschaft und dem rechten Verständnis der hierarchischen Verfassung des Volkes Gottes. Opposition gegen die Lehre der Kirche kann nicht als Ausdruck der christlichen Freiheit und der Verschiedenheit der Gaben des Geistes gelten: Alle Gläubigen - Laien, Ordensleute und Priester -besitzen ja das Recht, die katholische Lehre in ihrer Reinheit und Integrität zu empfangen, was in diesem Fall die Hirten durchsetzen müssen. Diese Voraussetzungen werden um so aktueller, wenn wir heute den Einfluß des Lehramtes der Kirche betrachten, das im Licht des Evangeliums den gemeinsamen Weg für die Entwicklung und die integrale Befreiung des Menschen darlegt. Offensichtlich setzt die Formulierung von moralischen Urteilen über Situationen, soziale Strukturen und Systeme eine aufmerksame und sorgfältige Abwägung voraus, und so hat sich die Kirche auch wiederholt zur Verteidigung und Förderung der Rechte des Menschen ausgesprochen. Ich selbst aber habe es in der Enzyklika Centesimus annus erneut bekräftigt (vgl. Nr. 22). Es bleibt aber immer passend, die Worte hervorzuheben, die ich an die Seminaristen Brasiliens bei meiner letzten Pastoraireise in euer Land gerichtet habe: „Haltet für die Studien immer am authentischen und universalen Lehramt der Kirche als Führung fest. Nur wenn das Lehramt gelehrig und im Geist des Glaubens angenommen wird ..., können die Versuchungen einer oberflächlichen Begeisterung über theologische Strömungen und Moden vermieden werden, welche die Wahrheit verfälschen und verdunkeln“ (.Ansprache vom 15. Okt. 1991, Nr. 5). Bei der Erarbeitung der theologischen Lehre kann eine soziologische Analyse niemals 1409 AD-L1MINA-BES U CHE oberste Instanz sein. Mit ihren Verknüpfungen, Ursächlichkeiten und Fakten objektiv erarbeitet, können diese Daten ein nützliches Werkzeug zur besseren Kenntnis der menschlichen Wirklichkeit werden, doch es ist die Offenbarung in sich selbst und nur sie, die dem Theologen das notwendige Licht für ein immer tieferes Verständnis der Wahrheit über den Menschen bieten kann, die innerlich mit der Wahrheit Gottes und der Wahrheit über Gott verbunden ist. Nur so läßt sich die Gefahr einer ideologischen Instrumentalisierung der Theologie vermeiden. Daher wünscht die Kirche - wie passend erklärt wurde -, daß die Professoren der Zentren kirchlicher Ausbildung, „denen die Ausbildung des Klerus anvertraut wird, unter den Besten ausgewählt werden und daß sie ein solides Wissen und eine angemessene pastorale Erfahrung besitzen neben einer guten geistlichen und pädagogischen Ausbildung“; gleichzeitig ist notwendig, „eine enge Zusammenarbeit mit den Professoren der Moraltheologie, der Dogmatik und Pastoral zu fördern, um den Zusammenhang, die Einheit und die Solidität des Unterrichts zu garantieren“ (Leitlinien fiir das Studium und den Unterricht der Soziallehre der Kirche in der Priesterausbildung, Rom 1988, Nr. 67). Euch, liebe Brüder im Bischofsamt, wurde die Wachsamkeit über die Übermittlung der theologischen Lehre anvertraut, und ihr müßt die geeigneten Mittel ergreifen, damit die Gläubigen vor jeder Lehre und Theorie bewahrt werden können, die ihr entgegensteht. Bei dieser Aufgabe werden die Bischöfe von den Theologen unterstützt, doch die theologischen Meinungen stellen weder eine Regel noch eine Norm ihrer Lehre dar; es gilt hier der Grundsatz, nach dem die Lehre des Lehramtes - dank des göttlichen Beistandes - mehr gilt als rein menschliches Überlegen. Ja noch mehr, der theologische Pluralismus, der zuweilen unkritisch angesprochen wird, „ist nicht legitim und nur in dem Maß berechtigt, wie er die Einheit des Glaubens in seiner objektiven Bedeutung wahrt“ (Dei Verbum, Nr. 34). 6. Angesichts einer Gesellschaft, die sich auf ein Leben unabhängig von den moralischen Werten versteift und gekennzeichnet ist von Haltungen, die nicht so sehr gegen diese Werte gerichtet sind, sondern ihnen gleichgültig gegenüberstehen, so daß zustandekommt, was allgemein „Kultur des Todes“ heißt, wird die Kirche nicht müde, nachdrücklich diese moralischen und unabänderlichen Normen zu verteidigen, weil sie aus dem Gesetz der eigenen Natur hervorgehen und für die Existenz der Freiheit die Voraussetzung bilden. Der Kultur des Todes stellt die Kirche eine Kultur der Liebe entgegen. Nur durch die Beobachtung dieser Normen wird alles innerlich Böse verhindert und ein gerechtes und friedliches Zusammenleben der Menschen geregelt, und es wird zugleich eine gute Entwicklung der sozialen Struktur, des öffentlichen Wohles als solchem und die persönliche Harmonie des Menschen möglich. Eben deswegen sind die Worte des Apostels Paulus in unseren Tagen wieder so aktuell: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht ...Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt“ 1410 AD-LIMINA-BESUCHE (2 Tim 4,2-3). Daher muß die Kirche bei ihrer Sendung immer die moralische Norm erklären und sie allen Männern und Frauen guten Willens vorlegen, ohne ihre Forderungen und Ansprüche zu verbergen ... Auch wenn die wahre Lehre unpopulär ist, ist es nicht erlaubt, eine leicht zu gewinnende Popularität zu suchen. Es ist offensichtlich, daß die Kirche als Mutter und Lehrerin in ihrer ständigen Sorge für die Gläubigen stets die konfliktreichen und äußerst komplexen Situationen des Lebens des Menschen und der heutigen Gesellschaft vor Augen hat, deren moralischer Weg häufig angesichts der Schwierigkeiten, Schwächen und schmerzlichen Situationen Müdigkeit zeigt (vgl. Veritatis splendor, Nr. 95). Daher kann die Kirche in ihrer pastoralen Sorge nicht vergessen, daß echtes Mitleid und wirkliches Verständnis Liebe zur Person, zum höchsten Gut und zur wahren Freiheit bedeuten, die man unmöglich von der fundamentalen Option für das höchste Gut trennen kann. So läßt sich auch die wahre Moral niemals abschwächen, und die Kirche kann nicht die wahren Werte beiseite lassen, welche sie in ihrer Sendung zum Wohl des Menschen hochhält. 7. Gehorsam dem Herrn, der nicht kam, um zu richten, sondern um zu retten, muß die Kirche Barmherzigkeit gegenüber den Menschen zeigen, ohne damit auf den Grundsatz der Wahrheit und auf die Folgerichtigkeit zu verzichten, in der man nicht Böses gut und Gutes böse nennen darf. Die unverkürzte Darlegung der heilbringenden Lehre Christi bildet eine hervorragende Form der Liebe zu den Seelen. Wir können nicht nachlassen, alle Jahrhunderte hindurch uns vor Augen zu halten, daß die Kraft der Kirche im Zeugnis der Heiligen besteht, das heißt derer, die sich die Wahrheit Christi zu eigen gemacht haben. Auf die Frage: „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu erlangen“ {Mt 19,16), antwortet die Kirche mit Maria: „Was er euch sagt, das tut“ {Joh 2,5). Gewiß kommen uns allen, und zumal euch Bischöfen von Santa Catarina, die Tage der Seligsprechung von Mutter Paulina in den Sinn, die ich nach Fügung der Vorsehung vornehmen durfte. Bei dieser Gelegenheit habe ich euch gesagt, daß die „Kirche in Brasilien ... heute mehr denn je Heilige braucht“ (Ansprache vom 18. Okt. 1991, Nr. 5). Aber gerade deswegen braucht die moderne Gesellschaft dringend notwendig Wahrheit, denn nur auf dem Fundament der Wahrheit kann man in sicherer Weise das Gebäude des moralischen und asketischen Lebens errichten. Nur aus der Wahrheit entspringt die echte, objektive und universale Moral. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich euch in eurem persönlichen Dienst für die Kirche bestärken, die Mutter, in deren Schoß wir „alles gelernt“ haben, die zugleich das Jerusalem oben, das bereits in unserer Mitte präsent ist, vorausbildet. Unter allen Heiligen teilte auch die heiüge Jungfrau Maria unser menschliches Dasein, aber in voller Offenheit für die Gnade Gottes. Sie versteht den sündigen Menschen und liebt ihn mit mütterlicher Liebe. Eben deswegen steht sie an der Seite der Wahrheit und trägt die Last der Kirche mit, alle unablässig an die Forde- 1411 AD-LIMINA-BESUCHE nmgen des Glaubens zu erinnern. Voll Hoffnung bitte ich die Jungfrau Maria, der ihr den schönen Namen Unserer Lieben Frau „da conceicao Aparecida“ gegeben habt, daß sie alle Tage bei ihrem Sohn für euch alle Fürbitte einlegt, damit eure Sendung euch mit viel Freude erfüllt. Von Herzen spende ich euch meinen Apostolischen Segen, aber auch den Priestern, den Ordensleuten, den euch anvertrauten Gläubigen und eurem Land, damit es Beispiel und Zeuge der Neuen Evangelisierung eines in Christus erneuerten Lateinamerika sein kann. Familie und Jugend als Zukunftsträger der Kirche Brasiliens Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region Nordost V beim Ad-limina-Besuch am 23. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Als Bischof von Rom heiße ich euch bei eurem diesjährigen Ad-limina-Besuch recht herzlich willkommen. In euch, den Oberhirten der Kirchenprovinz Maran-hao, die zur Region Nordost V der nationalen Bischofskonferenz Brasiliens gehört, grüße ich alle Priester, Ordensleute und Gläubigen, die ihr vertretet. Das erste Anliegen des Ad-limina-Apostoloram-Besuches ist ein erneutes Nachdenken über die Sendung und die Aufgaben, die mit eurem bischöflichen Dienst verbunden sind, und zwar durch den Besuch am Grab der großen Apostel Petras und Paulus und durch die persönliche Begegnung mit dem Nachfolger des Petrus. Ich freue mich, euch zu empfangen, denn es ist im Leben der Bischöfe eine intensive Stunde, in der die Vorsehung uns Gelegenheit schenkt, unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen und uns über den apostolischen Dienst auszutauschen, der uns gemeinsam ist und der uns zu Nachfolgern der Apostel macht. Dieser „affectus collegialis“ (kollegiale Verbundenheit) eint uns im Gebet, in der Eucharistiefeier und im gegenseitigen Verständnis, so daß wir uns auch eins fühlen in den Freuden und Schwierigkeiten unserer Sendung und zugleich die Aufrufe des Herrn erkennen, um immer noch mehr den Erwartungen zu entsprechen, die er uns gegenüber hat. Daher möchte ich für die herzlichen Worte danken, die Erzbischof D. Paulo Eduardo Andrade Ponte an mich gerichtet hat, und ich versichere euch, daß ich euer täglich in meinen Gebeten und meiner Sorge für die Kirche gedenke. 2. Zu euren Diözesen gehört ein Volk, dessen hervortretende Besonderheit seine Jugend ist, abgesehen von seiner besonderen Lage, die mit den Herausforderungen der Armut und den Problemen von Gesundheit und Schulbildung verbunden sind. Ich konnte mich 1991 persönlich davon überzeugen bei meinem Pastoralbesuch in eurem Land, an das ich seither eine lebendige, frohe und dankbare Erinnerung bewahre. 1412 AD-LIMINA-BESUCHE Brasilien gilt als „Land der Zukunft“. Und so wird in euren Diözesen die Schmiede dieser Zukunft die Jugend sein, die ich zu meiner Freude vom Norden bis zum Süden des Landes betrachten konnte - ein Meer von immer neuen Gesichtem, fröhlich, optimistisch, voll Hoffnung und ausschauend nach Wahrheit -, und diese jungen Menschen werden ohne Zweifel „die ersten Vorkämpfer des dritten Jahrtausends“ sein (Ansprache vom 16. Oktober 1991, Nr. 2). Ihr wißt recht gut, daß die Jugend „nicht nur ein Lebensabschnitt ist, der einem bestimmten Alter entspricht“ (Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, Nr. 19), sondern eine Eigenschaft der Seele, gekennzeichnet von einem Idealismus, der sich dem Morgen öffnet. In der Zeit, die man gewöhnlich „Jugend“ nennt, sucht der Jugendliche - wie der im Evangelium - „eine Antwort auf seine grundlegenden Fragen; er sucht nicht nur allgemein den Sinn des Lebens, sondern er entwirft auch ein konkretes Projekt, um sein Leben aufzubauen. Dies ist sogar die wesentlichste Eigenart der Jugend“ (ebd.). An euch hegt es, ihnen die Antworten zu geben, indem ihr ihrem Leben das schönste Ideal vorstellt, das sich in der unvergleichlichen Liebe zu Christus zusammenfassen läßt. „Wenn sich der Mensch in jedem Abschnitt seines Lebens bestätigt sehen und Liebe erleben möchte, so verlangt er in der Jugend noch intensiver danach. Doch dazu brauchen die Jugendlichen Führer (...), die mit ihnen gehen auf den Wegen, denen sie folgen möchten“ (ebd.). Mögt ihr, liebe Brüder, diese Führer sein, die ihnen wie der Gute Hirt vorangehen in der Bereitschaft, das eigene Leben für die Schafe hinzugeben, indem ihr an erster Stelle jene Tugenden ausprägt, denen sie dann später folgen sollen und - unabhängig von eurem Alter verliert nicht die „gute Form“ der Jugend, die geistige Lebendigkeit, die Begeisterung und Echtheit eurer apostolischen Ideale. 3. Der Hirte muß zugleich auch Erzieher, Künstler und Bildhauer sein. Er muß als Mitarbeiter mit der Gnade des Heiligen Geistes und durch die Mühe ständiger Weiterbildung die Züge Christi in der auszubildenden Persönlichkeit zu gestalten wissen. So wird sie dann jene große Liebe finden: Christus, wie ihn der hl. Paulus angesprochen hat: „Für mich ist Christus das Leben“ (Phil 1,21). Schont keine Mühe, um der Jugend als Frucht eurer Liebe zu Christus die katholische Lehre getreu zu übermitteln, die einzige, die ihren Durst nach Wahrheit und Liebe stillen kann. Lehrt sie, sich innerlich die grundlegenden Lehren des christlichen Glaubens zu eigen zu machen. Hier gilt, was ich der Jugend in Denver 1993 gesagt habe: „Ohne ein auf Wahrheit gegründetes Wertsystem erziehen heißt, junge Menschen moralischer Verwirrung, persönlicher Unsicherheit und leichter Manipulation preisgeben“ (Ansprache am Flughafen von Denver am 12. August 1993, Nr. 4). Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, daß das Verhältnis des Menschen zu Gott und das Verlangen nach einer religiösen „Erfahrung“ Brennpunkt einer tiefen Krise sind, die den menschlichen Geist befallen hat. In dem Maß, wie die Säkularisierung sehr vieler Aspekte des Lebens voranschreitet, wird eine neue „Spiritualität“ notwendig. Das wird deutlich im Aufkommen zahlreicher religiöser Bewe- 1413 AD-L1MINA-BESUCHE gungen, die eine Antwort auf die Weitekrise in der heutigen Gesellschaft anbieten. Wenn man unter Säkularisierung den Verlust des Ausblicks auf das ewige Leben versteht, also so lebt, als ob es dieses nicht gäbe, als ob Gott nicht da wäre, so lassen sich doch auf der anderen Seite nicht die tiefen Sehnsüchte übersehen, die heute die Menschenherzen erfüllen. Trotz der negativen Anzeichen dürsten doch viele Menschen nach echter und Mut machender Spiritualität. Es gibt „eine neue Entdeckung Gottes in seiner transzendenten Wirklichkeit als imendlicher Geist“ (Dominum et vivificantem, Nr. 2), und zumal die Jugendlichen brauchen ein solides Fundament, um darauf ihr Leben aufzubauen. Die Jugendlichen Brasiliens hoffen, daß ihr sie zu Christus führt, der die „einzige Antwort auf die im Herzen jedes Menschen vorhandene Sehnsucht nach Glück, Wahrheit und Leben“ ist (Centesimus annus, Nr. 24). Sie hoffen, daß ihre Hirten Meister des echt christlichen Gebetes sind, die zur Teilnahme am kindlichen Dialog des eingeborenen Sohnes mit dem Vater hinführen in Übereinstimmung mit der wunderbaren Formulierung des hl. Paulus im Brief an die Galater: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft ,Abba, Vater4“ (Gal 4,6). Die echte Erneuerung eurer Diözesen erfordert ein Apostolat des Gebetes, verwurzelt im Glauben, gestärkt durch das sakramentale und liturgische Leben und tätig in der Liebe (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2558). 4. Wie ihr dem geistigen Leben der jungen Generation - Männern und Frauen -Nahrung bieten müßt, so ist es auch eure Aufgabe, ihnen „die Fülle der Wahrheit, die Gott uns über sich selbst zur Kenntnis gebracht hat, zu verkünden“ (Redemp-toris missio, Nr. 5). Offensichtlich finden die ideologischen Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte bei ihnen keinerlei Interesse. Sie inspirieren sich nicht an einem verfälschten Evangelium oder einem, das nur scheinbar leicht wird. Es sind alle Bemühungen zu unternehmen, um sicherzustellen, daß die Programme für katechetische und religiöse Bildung, die Schulen und höheren katholischen Institutionen und zumal der Gebetsdienst der Kirche ruhig und überzeugt - ohne alle Verwirrung oder Kompromisse - unverkürzt den Schatz der Lehre der Kirche darbieten. Ferner möchte ich euch ermutigen, weiter die Ausbildung der Lehrer für den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen zu fördern in Erfüllung der Norm der Verfassung Brasiliens, nach welcher „der fakultative Religionsunterricht ein Fach des normalen Stundenplans der öffentlichen Grundschulen ist“ {Art. 210,2). Übrigens wird „die Gewissensbildung aufs Spiel gesetzt, wenn eine gründliche religiöse Erziehung fehlt. Wie soll ein Jugendlicher voll die Erfordernisse der Menschenwürde verstehen, wenn er sie nicht auf den Schöpfergott als eigentliche Quelle dieser Würde zurückführt? In dieser Hinsicht wird die Aufgabe der Familie, der katholischen Kirche, der christlichen Gemeinschaften und der übrigen religiösen Institutionen entscheidend, der Staat aber, der sich an die Normen der internationalen Erklärungen hält, muß auf diesem Gebiet ihre Rechte sichern und 1414 AD-LIMINA-BESUCHE erleichtern“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1991, III). Es herrscht bereits ein gegenseitiges und harmonisches Verständnis zwischen den verschiedenen religiösen Konfessionen, und trotz verschiedener kürzlich aufgetauchter Gegensätze zu institutionellen Organen einiger Staaten der Föderation bin ich sicher, daß man immer zu einem Übereinkommen finden wird, das auf loyaler Zusammenarbeit beruht und möglich macht, jeden Mann und jede Frau nach dem Plan Gottes auszurichten. In diesem Sinn bildet der neue Katechismus der Katholischen Kirche nicht nur, wie es natürlich ist, einen „sicheren und authentischen Bezugstext für die Darlegung der katholischen Lehre“ (Einl.) in den Händen der eigentlichen Lehrkräfte, sondern ist auch für euch ein Werkzeug von hohem Wert für die integrale Heranbildung der Persönlichkeit des Jugendlichen: Angefangen bei der ersten Katechese, die in der „Hauskirche“ erlernt werden sollte, über die notwendige Vorbereitung auf die Erstkommunion und das Sakrament der Firmung, die entferntere und nähere Vorbereitung auf die Eheschließung, die Ausrichtung der menschlichen Liebe und Sexualität, bis zu vielen anderen für dieses pastorale Bemühen unverzichtbaren Kapiteln, wird alles ausführlich und gründlich im neuen Katechismus behandelt. Der Mangel an christlicher Erziehung ist manchmal das größte Übel, das unsere Jugend trifft. Notwendig ist daher ein wirksames Bemühen, um eine tiefreichende Erziehungsarbeit in diesem Altersabschnitt zu leisten, in dem der Mensch die Ideale für die Zukunft entwirft. 5. Diese Bemerkungen lehren uns erneut, wie wichtig die Aufmerksamkeit ist, die ihr den pastoralen Prioritäten der Familie und der Jugend widmen müßt. Daher empfehle ich euch, daß diese beiden innerlich verbundenen Themen ein ständiges Anliegen eurer apostolischen Initiativen bleiben. Die Zukunft der Kirche in Brasilien und das Wohl auch der nationalen Gemeinschaft hängen in hohem Maße von der Festigung des Institutes Familie - gegründet auf die unauflösliche Ehe - und von der Heranbildung einer Jugend ab, die in den idealen Werten, welche die katholische Überlieferung eurem Vaterland geschenkt hat, verwurzelt ist. Obwohl wahr bleibt, daß in eurem Volk glücklicherweise weiter ein gediegener Sinn für die Familie herrscht, ein Wissen, ein Bewußtsein und hohe Achtung für ihren Wert, so ist euch doch nicht verborgen, daß wir in der heutigen Situation auch einige „Schatten“ feststellen müssen, die ich in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio beschrieben habe und die zu den negativen Zeichen der heutigen Kultur gehören: „die steigende Zahl der Ehescheidungen, das weit verbreitete Übel der Abtreibung, die immer häufigere Sterilisierung, das Aufkommen einer regelrechten empfängnisfeindlichen Mentalität“ (Nr. 6). Mehr noch schwächen die häufigen Scheidungen und die Scheidungsmentalität, die infolge der schlechten Beispiele und des schädlichen Einflusses gewisser Medien der sozialen Kommunikation zunehmen, in den Jugendlichen die Überzeugung, daß die Ehe - ihrer 1415 AD-UMINA-BESUCHE eigenen Natur und dem Willen Christi nach - ein Bund der Treue und für immer ist. Damit wird aber die Zukunft des Institutes Familie und der Bestand einer Gesellschaft selber gefährdet, die doch harmonisch und echt menschlich sein soll. Es ist wohlbekannt, daß ein Brach des Familienlebens zerstörerische Wirkungen auf die Kinder hat, die zu den ersten Opfern werden. Das leider mit dem ziemlich häufigen Phänomen verbundene Elend der affektiven und geistlichen Verlassenheit der Jugendlichen, die sich tatsächlich „ohne Familie“ fühlen, bildet die Ursache für sehr schwerwiegende Übel, die eine integrale Entwicklung der Jugend eines Landes aufs Spiel setzen: Es fehlen ihnen die Werte und Lebensnormen, sie sind desorientiert, wollen nicht arbeiten und sind verwundbar angesichts einer Umgebung des Hedonismus, der moralischen Korruption, des Alkoholismus, der Droge und der Straffälligkeit. Ich hatte bereits Gelegenheit, den Bischöfen von Parana bei ihrem ersten Ad-limina-Besuch zu sagen, daß die Rettung der Familie ein ständiges pastorales Ziel für euch bilden muß. In diesem Sinn möchte ich euch ermahnen, mit allem Eifer auf diesem Gebiet weiterzuarbeiten, indem ihr sie zu konkreten Schritten anleitet. Es geht darum, einer organischen und ständigen Familienpastoral Leben zu geben und dafür die notwendigen Mittel bereitzustellen und geeignete pastorale Mitarbeiter für dieses Ziel unter euren Priestern, Ordensleuten und Laien vorzubereiten durch eine spezifische Ausbildung in den dazugehörigen Materien. So bekommt ihr Hilfe, um diese Aufgabe schöpferisch und wirksam aufzugreifen. 6. Nicht weniger wichtig ist eine Jugendpastoral, die immer - unter eurer eifrigen und ständigen Überwachung - für die Bildungsaufgaben an den Jüngsten aufgeschlossen ist. Dazu möchte ich bemerken, daß eine massive und begeisterte Antwort der Jugendlichen nicht genügt. Notwendig ist es auch, ihnen eine gediegene und anspruchsvolle Ausbildung zu geben, die sie fähig macht, ihre Aufgabe als „aktive Subjekte, Protagonisten der Evangelisierung und Erbauer der sozialen Erneuerung“ (Christifideles laici, Nr. 46) zu übernehmen. In diesem Sinn ist es notwendig, den Problemen auf den Grand zu gehen, vom Menschlichen zum Göttlichen zu gelangen, von den gemütsmäßigen Anregungen zu den tiefen religiösen Überzeugungen. Das erfordert Zeit und beharrliche Mühe. Die Jugendpastoral muß die Jugend ferner in ihrem politischen Bewußtsein gemäß den im Katechismus der Katholischen Kirche aufgezeigten Richtlinien formen, wo klar ausgesprochen wird, daß „die Kirche sich mit der politischen Gemeinschaft keineswegs deckt“ (Nr. 2245). Eine solche Ausbildung wird motiviert durch einen sehr positiven Aspekt der Persönlichkeit des Jugendlichen, die zwar vorübergehend gefährliche Entgleisungen ertragen kann; dann aber empört sich ihr Geist und ihr Verlangen nach Gerechtigkeit. Wenn sie sich dagegen in Funktion der menschlichen und christlichen Werte entfaltet, ein echtes Ideal vor Augen, dann ist ihr Nein zum Konformismus wie eine reinigende Kraft, die den Fortschritt und die Solidarität anregt. 1416 AD-LIMINA-BES U CHE Aber, und darauf habe ich bereits 1980 die Jugendlichen in Belo Horizonte aufmerksam gemacht, es kann die Gefahr bestehen, daß dieses edle Nein zum Konformismus für parteibezogene politische Zielsetzungen mißbraucht wird. Die Jugendpastoral darf niemals ein bestimmtes politisches Zeichen oder Motto tragen. Die Kirche würde den Menschen verraten, wenn sie, selbst mit den besten Absichten, ihm sozialen Wohlstand anbieten, aber das verweigern oder nur spärlich geben würde, worauf er ein Recht hat, wonach er am meisten ausschaut (zuweilen ohne es klar zu wissen), was er von der Kirche erhofft und was nur sie ihm geben kann: nämlich als verbürgte Treuhänderin ihm das geoffenbarte Wort übermitteln; ihm das Absolute Gottes verkünden; die Seligpreisungen und die Werte des Evangeliums mitteilen und zur Bekehrung einladen; den Menschen das Geheimnis der Gnade Gottes in den Sakramenten des Glaubens enthüllen und diesen Glauben festigen, mit einem Wort: evangelisieren und evangelisierend das Reich Gottes aufbauen. Daher darf die Jugendpastoral auch nicht ihre apostolische Identität verlieren. Wenn sie den erwähnten Geist des Widerspruchs - dieses tiefe Verlangen nach Gerechtigkeit, das die Jugend kennzeichnet - verfälschen würde zugunsten politischer Ziele, die, weil sie parteibezogen sind, spalten, verkürzen und das, was wesentlich weitgespannt, universal, katholisch ist, aufteilen, dann würde man das, was für die Botschaft Christi am wesentüchsten und was zugleich das Schönste und Echteste im Idealismus der Jugend ist, um seine Kraft bringen. In diesem Zusammenhang muß ich unbedingt einen wichtigen Teil der Jugendpastoral erwähnen, der zu grundlegender Bedeutung an der Schwelle zum dritten Jahrtausend berufen ist. Ich denke an die Pastoral der Universität, die in eurem Land sehr wichtig ist wegen der großen Zahl der Jugendlichen, die dort höhere Studien absolvieren, und wegen ihrer Bedeutung für die zukünftigen Geschicke der Gesellschaft. In dem Maß, wie sie den weitgespannten Horizont der Wissenschaften und die tiefen Fragen erfassen, die sie dem Menschen stellen, müssen die Universitätsstudenten in der Kirche ein günstiges und einladendes Umfeld finden, einen Raum des Nachdenkens, der ihnen im Licht der göttlichen Offenbarung hilft, die Vernunft und die aus ihr abgeleiteten Wissenschaften zu erhellen, um klar das letzte Ziel sowie den vollen Sinn des Menschseins zu erkennen. Als besonderer Ort des offenen und aufrichtigen Dialogs zwischen Wissen und Glauben, zwischen Forschung und wissenschaftlichen Beobachtungen auf der einen und religiöser Weisheit auf der anderen Seite, ist die Universitätspastoral, wenn sie ihrer besonderen Identität und ihrer Sendung zur Evangelisierung treu ist, aufgerufen, bei der neuen Evangelisierung eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, wenn die Kirche die Herausforderungen der modernen Gesellschaft aufgreifen soll. Die Jugendlichen sind aber nicht nur Evangelisierte, sie sind zugleich auch selbst Evangelisierer, die das Evangelium zu ihren Altersgenossen tragen, auch zu denen, die sich von der Kirche gelöst, und zu jenen, die die Frohbotschaft noch nicht vernommen haben. 1417 AD-LIMINA-BESUCHE Ich weiß bereits, daß seit einiger Zeit sich das Wirken innerhalb der Gemeinschaften steigert, die hochherzig und opferbereit das Wort Gottes weitertragen und das sakramentale Leben fördern. Ebenso nimmt die karitative Hilfe zu und die Förderung des Menschen für jene Bevölkerungskreise, die pastorale Hilfe am meisten brauchen. Ich möchte alle ermutigen, die diese verdienstvolle Arbeit der Kirche durchführen, diese Gesten der Gemeinschaftlichkeit weiterzuführen und zu verstärken, auch zwischen den verschiedenen Diözesen. Hierher gehört zweifellos auch die Dynamik der Jugend. Viele Jugendlichen besitzen ein gewaltiges Potential an Hochherzigkeit, Bereitschaft zu Hingabe und Einsatz, und sie fühlen sich von Formen freiwilliger Arbeit angezogen, zumal wenn es sich um Hilfe für die Notleidenden handelt. In Verbindung mit diesem wichtigen Zeichen christlicher Solidarität gehen meine Gedanken mit größter Dankbarkeit zu den Jugendlichen - und wir wollen natürlich auch Gott herzlich danken -, die sich zu Vorkämpfern der Sendung berufen fühlen. Das Bewußtsein von ihrer apostolischen Verpflichtung, das seine Wurzeln im Sakrament der Taufe hat (vgl. Brief an die Jugendlichen der ganzen Welt, Nr. 9), ließ mich ihnen überzeugt sagen: „Vor allem ihr Jugendlichen seid berufen, zu Missionaren der neuen Evangelisierung zu werden und täglich das Wort des Heiles zu bezeugen“ (Botschaft zum IX. und X. Welttag der Jugend vom 21. November 1993, Nr. 3). Die gewöhnlichen Äußerungen dessen, was wir den „Dienst der Jugend“ nennen könnten - und dessen Brennpunkt die Pfarrei ist -, müssen weitergehen, damit sich die Laien nicht von der größeren Gemeinschaft isoliert fühlen. Doch bleibt es, wie auch eure eigenen Erfahrungen es bestätigen, häufig nützlich, dieses Wirken durch Verbände und Bewegungen, besondere Zentren und Gruppen anzuregen, die ihren besonderen Bedürfnissen gerecht werden (vgl. Re-demptoris missio, Nr. 37). 7. Zum Abschluß bitte ich euch, liebe Brüder, daß ihr euch der Heranbildung der Jugend mit allem Eifer widmet. Mit besonderer Sorgfalt soll die Katechese auf allen Altersstufen, zumal bei den Heranwachsenden, euch ein Anliegen sein, so daß diese sich wirklich „mitgerissen fühlen wie der zwölfjährige Jesus im Tempel“ {Brief an die Kinder vom 13. Dezember 1994). Der Jugendliche ist wesentlich ein Mensch in der Ausbildung, ihr aber seid ihre großen Erzieher. So lehrt sie, daß sich die Zukunft in dem Maß verwirklicht, als sie ihrer göttlichen Berufung treu bleiben und voll annehmen, „was ein jeder von euch ist, um das zu werden, was er werden soll: für sich - für die Menschen - für Gott“ {Schreiben an die Jugendlichen in der Welt vom 31. März 1985, Nr. 9); lehrt sie, daß sich diese Berufung zunächst im Gebet zeigt, dann sich in der Eucharistie verstärkt; lehrt sie ferner die wirkliche Bedeutung der Geschlechtlichkeit und der Liebe, von Freude und Schmerz, von Leben und Tod; lehrt sie die Botschaft der Solidarität und der Gerechtigkeit, damit sie getreue Fortsetzer des Werkes Gottes auf Erden sein können; lehrt sie den richtigen Gebrauch der eigenen Freiheit, vor allem, daß die größte Freiheit in der vollen Hingabe seiner selbst besteht. Lehrt sie 1418 AD-LIMINA-BES U CHE ebenso, keine Furcht zu haben vor der Evangelisierung auf den Gassen und Straßen, wie es die ersten Apostel getan haben, und Christus in den modernen Großstädten bekannt zu machen. Jetzt ist wirklich nicht die Stunde, sich der Bezeugung des Evangeliums zu schämen (vgl. Röm 1,16) „auf den Dächern“ {Mt 10,27; vgl. die Homilie der Schlußmesse des VIII. Welttags der Jugend, Denver, 15. August 1993). 8. Durch euch, Hirten und Brüder im Bischofsamt, vertraue ich die brasilianische Jugend Maria an, Unserer Lieben Frau Aparecida, der Patronin Brasiliens und Mutter der schönen Liebe; ihr, die ein unvergängliches Zeichen der Jugend und Schönheit in sich trägt, das nie vergeht. Ich wünsche und bitte euch, daß ihr die Jugendlichen dieser liebenswürdigen Mutter zuführt, daß ihr ihr das Leben anvertraut, das sich vor ihr mit einer glänzenden Zukunft öffnet, und daß sie Maria mit der ganzen Glut ihres jugendlichen Herzens lieben (vgl. Generalaudienz vom 2. Mai 1979, Nr. 4). Der Papst erhofft sich von Brasilien einen neuen Frühling der Berufungen zum Priester- und Ordensstand durch das Vorbild jener, die das lebendige Bild der vollen Hingabe an Gott ist! Zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich meine brüderliche Wertschätzung für euch wiederholen und euch bitten, bei der Rückkehr in eure Diözesen allen euren Diözesanen die Grüße und Verbundenheit des Papstes auszurichten, den christlichen Familien, den Priestern und den Ordensleuten, die mit Hingabe und in hochherzigem Einsatz die frohe Botschaft vom Heil verkünden und das Zeugnis der Dienstbereitschaft, der Treue und des apostolischen Geistes geben. Auf euch und auf eure Gläubigen rufe ich den Schutz des Allerhöchsten herab und erteile euch meinen Segen. Bezug auf Rom bedeutet nicht Vatikanisierung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe der Region Nord II am 28. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich heute euch, die Bischöfe der Region Nord II von Brasilien, in kollegialer Begegnung, mit der für dieses Jahr die Ad-limina-Be-suche des brasilianischen Episkopates zu Ende gehen. Ich möchte Erzbischof D. Vicente Joaquim Zico meine Dankbarkeit aussprechen für die Grußworte, die er eben im Namen seiner Mitbischöfe in der Region an mich gerichtet und sich zugleich zum Sprecher von euch allen und den Gläubigen eurer Diözesen gemacht hat. Ihr steht an der Spitze von Diözesen, die sich über die Staaten Para und Amapä verteilen. Sie haben eine wirtschaftlich-soziale Lage und eine pastorale Situation gemeinsam: Ständig stellen sich neue Aufgaben angesichts der Entfernungen einer 1419 AD-LIM1NA-BESUCHE Gemeinde von der anderen und der zahllosen Probleme, denen ihr zu begegnen habt: die Verkündigung des Wortes Gottes, zu der eine lebendige und zur Tat drängende sakramentale Wirklichkeit gehört; die Organisation des diözesanen Lebens in seinen vielfältigen strukturellen und Hilfe fordernden Aspekten, die Sorge für das Wachsen der „Samenkörner des Wortes“ in den unterschiedlichen Kulturen des Volkes, das nach Gott dürstet - die Eingeborenen nicht ausgenommen - und das nach neuen Horizonten des Friedens, der Gerechtigkeit und des Wohlstandes ausschaut. Diesen Kirchen gelten nun meine Gedanken, aber auch euren Priestern, Ordensleuten und gläubigen Laien. Für sie hat ja der Herr euch als „wahre und authentische Lehrer des Glaubens“ bestellt (Christus Dominus, Nr. 2). In dieser Stunde intensiver geistlicher Gemeinschaft möchte ich euch meine Dankbarkeit für die unermüdliche pastorale Arbeit aussprechen, die ihr in euren Kirchen und zugleich für die universale Kirche leistet. Der Nachfolger des Apostels Petrus möchte euch bei dieser besonderen Gelegenheit des Ad-limina-Besuches in den Mühen eures bischöflichen Dienstes stärken und so den Auftrag des obersten Hirten erfüllen. 2. Das II. Vatikanische Konzil griff eine lichtvolle Überlieferung wieder auf und „hat sich entschlossen, die Lehre von den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, die mit dem Nachfolger Petri, dem Stellvertreter Christi und sichtbaren Haupt der ganzen Kirche, zusammen das Haus des lebendigen Gottes leiten, vor allem zu bekennen und zu erklären“ (Lumen Gentium, Nr. 18). Es gehört zur Natur der Bischöfe, „Nachfolger der Apostel“ (ebd., Nr. 20) zu sein. Sie nehmen an der .Hülle des Weihesakramentes“ teil (ebd., Nr. 21) und sind Glieder „der Körperschaft der Bischöfe ... durch die sakramentale Weihe und die hierarchische Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums“ (ebd., Nr. 22). Die Gestalt des Bischofs ist durch das dreifache Amt gekennzeichnet, das er inmitten seiner Gemeinschaft innehat, nämlich zu lehren, zu heiligen und zu leiten (vgl. ebd., Nm. 25-27). Diese Trilogie gibt seiner Sendung die Form, so daß er tatsächlich in seiner Gemeinschaft der Garant der vollen Geltung der Person Christi ist. Diese unermeßlich große Aufgabe wird erfüllt durch das lehrmäßige und prophetische Wirken in der Verkündigung des Evangeliums, im priesterlichen Wirken in der Feier der Sakramente und durch das pastorale Wirken, in dem er sein Leben in den Dienst der Menschen stellt. Was Christus für alle Menschen war, ist der Bischof für das Volk seiner Diözese, für Gläubige und Nichtgläubige. Durch den Geist sind die Bischöfe die lebendige und aktuelle Präsenz Jesu, des „Hirten und Bischofs eurer Seelen“ (1 Petr 2,25). Sie sind Stellvertreter der Person Christi (Lumen Gentium, Nr. 27) und nicht nur seines Wortes. Sie stellen das sichtbare Werkzeug dar, das der Herr verwendet, um in der Zeit weiter wirken zu können. Die Zwölf, die er zu Beginn berief, als er am Meer von Galiläa entlangging, die er später zur Predigt des Reiches aussandte und zu einem 1420 AD-LIM1NA-BES UCHE festen Kollegium bildete, waren gleichsam das menschliche Antlitz des Herrn, wenn sie durch die Städte und Dörfer Palästinas zogen und nach dem Pfingstfest begannen, sich in der ganzen Welt zu verbreiten, „damit sie in Teilhabe an seiner Gewalt alle Völker zu seinen Jüngern machten“ (ebd., Nr. 19). Die Autorität der Bischöfe, „mit und unter Petrus“ vollzogen (Ad gentes, Nr. 38), hat als Ziel, die Gestalt des Herrn in der Zeit fortzusetzen, welche durch die ganze Kirche gebildet wird, doch in besonderer Weise sollen sie sorgen, daß nichts von Seinen wesentlichen Zügen und Seinen spezifischen Eigenarten verfälscht wird, die Ihn unter allen Gestalten der Erde zu einer einmaligen machen. Liebe Brüder, welch schwere Aufgabe ist uns anvertraut! Doch wir wissen gut, daß der Herr uns den Tröstergeist sendet und uns seinen ständigen Schutz versichert (vgl. Mt 28,20), damit wir bis an die Enden der Erde seine Zeugen sein können und zugleich Hilfe empfangen, um das Antlitz Christi in der heiklen und schwierigen Situation zu erkennen, in der sich zumal die Diözesen befinden, deren Hirten ihr seid. Bei dieser Mühe der Unterscheidung sind für euch die Entschließungen der IV. Konferenz des lateinamerikanischen Episkopates von Santo Domingo, die die Entschließungen der voraufgehenden Konferenzen von Rio de Janeiro, Medellin und Puebla wieder aufgreifen, eine große Hilfe. Ich kenne gut eure Hingabe und euren apostolischen Eifer, den ihr in der Ausübung eures pastoralen Dienstes zeigt, zumal unter den widrigen Verhältnissen der weit ausgedehnten Gegenden, die ihr gewöhnlich zu betreuen habt, und ich sehe eure Autorität als echten Dienst, der dem Auftrag Christi entspricht, seine Familie zu leiten. Diese pastorale Gewalt, die ihr im Namen Christi ausübt, kommt euch „als eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt zu, auch wenn ihr Vollzug letztlich von der höchsten kirchlichen Autorität geregelt wird“ (Lumen Gentium, Nr. 27). Der Bischof ist das Prinzip und sichtbare Fundament der Einheit in der Einzelkirche, die seinem pastoralen Dienst anvertraut ist (ebd., Nr. 23,1), vor allem, damit jede Einzelkirche im Vollsinn Kirche sei, in der als besonderes Element die höchste Autorität der Kirche präsent sein muß: das Bischofskollegium „in Verbindung mit seinem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne ihn“ (ebd., Nr. 22,2) (vgl. Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche zu einigen Aspekten der Kirche als Communio vom 28. Mai 1992, Nr. 13). Aus dieser fundamentalen Wahrheit folgt die volle und unverkürzte Gewalt des Hirten in jeder Diözese. Es ist nicht möglich, sie mit dem Einfluß der Herde auf die Leitung des kirchlichen Lebens zu verwechseln. Es können keine einseitigen Akzentsetzungen zugelassen werden, die unter unterschiedlichen theologischen Einflüssen eine These verteidigen, nach der eine im Namen Christi versammelte Gemeinschaft bereits „eine Gemeinschaft wäre, die alle Vollmachten der Kirche besitzt, einschließlich derer, die die Eucharistie betreffen; die Kirche würde nach den Worten einiger ,von der Basis her sich aufbauen“ (ebd., Nr. 11). 1421 AD-LIMINA-BESUCHE Wie ihr verstehen werdet, meine ich hier nicht die bereits anerkannte und passende Mitarbeit der kirchlichen Gemeinschaften im Leben einer jeden Diözese oder Pfarrei; die Dynamik dieses Beitrags gewinnt immer mehr den Wert einer echten kirchlichen Gemeinsamkeit beim Aufgreifen des missionarischen Impulses „ad gentes“ (vgl. Christifideles laici, Nr. 27). Es muß aber erneut betont werden, daß „die Einheit und Unteilbarkeit des eucharistischen Leibes des Herrn die Einzigartigkeit seines Mystischen Leibes einschließt, der die eine und unteilbare Kirche ist“ (Schreiben vom 28. Mai 1992, Nr. 11). In der Person der Bischöfe, denen die Priester zur Seite stehen, ist inmitten der Gläubigen und durch eine besondere Ausgießung des Heiligen Geistes Jesus Christus gegenwärtig; es sind die Bischöfe, denen aufgrund ihrer Bischofsweihe die Vollmachten, zu heiligen, zu lehren und zu leiten übertragen sind, immer dann, wenn sie in hierarchischer Gemeinschaft mit dem obersten Hirten und den Mitgliedern des Bischofskollegiums ausgeübt werden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 21). Es soll euch mit heiligem Stolz erfüllen, liebe Brüder im Bischofsamt, daß euch die Erfüllung derart erhabener Aufgaben von oben her übertragen wurde und daß ihr in besonderer und eindrucksvoller Form Christus selber, den Lehrer, Hirten und Bischof, darstellt. Tragt daher diese Bürde mit Demut und Milde, doch zögert auch nicht, mutig eure Autorität zu bekräftigen, um die Gläubigen sowohl zur apostolischen und missionarischen Arbeit zu ermutigen als auch zur Treue gegenüber der von Gott geoffenbaren Lehre der Kirche. 3. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ {Mt 18,10). Eine Begegnung von Hirten und zumal eine sorgfältig und mit vollem und einzigartigem Interesse für die Kirche vorbereitete Begegnung wird unbedingt auch zur fast greifbaren Präsenz des Meisters unter uns. So muß ich unbedingt aussprechen, wie es mich freut und stärkt, zu sehen und zu wissen um das Bemühen, das ihr zur Förderung der Einheit und Gemeinschaft im Schoß der ganzen Kirche unternehmt und zumal als die zahlreichen Angehörigen der Bischofskonferenz, deren Mitglieder ihr seid, mit dem einzigen Ziel, die gleichen Gesinnungen wie Christus in euch zu tragen (vgl. Phil 2,5). Wie ich es immer tue, so möchte ich mich heute an alle wenden, um im Lichte des Herrn diese Bande der Einheit und der Liebe zu stärken, die unter den Mitgliedern der Brasilianischen Bischofskonferenz (CNBB) herrscht. Wir wissen alle um die grundlegende Wichtigkeit des Zeugnisses, das die Bischöfe für ihre gegenseitige Einheit und Zusammenarbeit geben müssen, aber auch für ihre brüderliche Liebe und wirksame Solidarität. Dieses Zeugnis ist ebenso für die Wirksamkeit eurer pastoralen Arbeit unverzichtbar. Der Gemeinsamkeit in den Gesinnungen und Affekten muß eine effektive Gemeinschaft entsprechen, die mutig die Probleme, wie sie im kirchlichen Leben aufsteigen können, die Versuchungen und eventuellen Entgleisungen aufgreift, um jene Einheit an Weisungen und Orientierungen zu gewinnen, mit denen die Ein- 1422 AD-LIMINA-BESUCHE zelkirchen immer mehr ihre Treue zur Lehre Christi in voller Gemeinschaft mit der ganzen universalen Kirche leben. Die Ordnung der Bischöfe ist ihrer Natur nach kollegialer Art, und deshalb muß jeder Bischof, obwohl er in seiner Diözese die volle und höchste Jurisdiktion innehat, lebhaft um die universale Kirche besorgt sein. Diese Dimension der Kollegialität äußert sich in verschiedenen Formen, deren eine die Bischofskonferenz darstellt. Es geht hier um einen institutioneilen Ausdruck nicht der Kollegialität im engen Sinn, sondern des „affectus collegialis“ (kollegiales Verbundenheitsgefühl) (Lumen Gentium, Nr. 23), oder des Bewußtseins der Einheit mit dem Bischof von Rom und untereinander, das die Diözesanbischöfe in Wahrnehmung ihrer Aufgabe leben müssen. So haben nach der Feststellung des II. Vatikanischen Konzils die Bischofskonferenzen die Aufgabe, „das höhere Gut, das die Kirche den Menschen bietet, zu fördern, besonders durch Formen und Methoden des Apostolates, die auf die gegebenen Zeitumstände in geeigneter Weise abgestimmt sind“ (Christus Dominus, Nr. 38). Die kollegiale Verbundenheit wird so zum gemeinsamen pastoralen Wirken, zumal angesichts der gemeinsamen Aufgaben, die die verschiedenen Diözesen des gleichen Gebietes betreffen, wo ihr lebt. Es geht um eine brüderliche Beziehung, die zwar in gewisser Weise die eigene Jurisdiktion eines jeden Bischofs ersetzt oder einschränkt, aber dafür die Übereinstimmung in der pastoralen Betreuung des Volkes Gottes fördert. Das zeigt sich klar, wenn der Bischof oder die Bischofskonferenz in ihren Entscheidungen einer höheren Autorität folgen, nämlich der des Bischofs von Rom und des Hl. Stuhls. Jede Situation besitzt ihre besonderen Kennzeichnen, die jeder Bischof und jede Konferenz mit ihrem Stil und ihrer eigenen Aufgeschlossenheit aufgreifen muß; doch die letzten Kriterien müssen zumal bei neuen Problemen, wie zum Beispiel der Inkulturation, immer „in Übereinstimmung stehen mit den objektiven Forderungen des Glaubens und der Öffnung für die Gemeinsamkeit mit der universalen Kirche“. Daher habe ich euch im Zentrum eurer Zusammenkünfte in Natal gesagt: „Im Licht dieser Wahrheit ist deutlich, daß die Einheit in den notwendigen Dingen die unerläßliche Voraussetzung für eine berechtigte Freiheit ist und zugleich Bedingung dafür, daß die Einheit unter den Mitgliedern der Bischofskonferenz ein Ausdruck der Liebe ist“ (Ansprache vom 13. Oktober 1991, Nr. 7). 4. Diese Kriterien helfen auch bei der Lösung des besonderen Problems einer jeden Einzelkirche und der universalen Kirche mit; es geht um das Problem der Zentralisierung oder Dezentralisierung. Es gibt ein objektives Erbe, das die Kirche vom Herrn durch die Offenbarung empfangen hat, über das sie also nicht Herrscherin ist, dem sie vielmehr gehorcht. Dieses Erbe kennzeichnet die „katholische“, die eine Kirche, die über die ganze Welt verbreitet ist; dieses Zentrum ist nicht soziologischer, politischer oder verwaltungsmäßiger Art, sondern dogmatisch bestimmt, es entspricht also dem Inhalt 1423 AD-LIMINA-BESUCHE des Glaubens. Der gleiche Inhalt und das gleiche Zentrum leben in der ganzen Welt, und sie koexistieren in den verschiedensten Situationen. Sie greifen in ursprünglicher Weise die unterschiedlichen Aufgaben auf, welche die historischen Umstände stellen. Es hätte also keinen Sinn, von einer „Vatikani-sierung“ oder „Romanisierung“ der in der ganzen Welt draußen verbreiteten Kirche zu sprechen: Romanisierung meint nicht Vatikanisierung, sondern von Rom aus wird die ursprüngliche universale Aufgabe der Kirche angeregt. In diesem Sinn ist die Anpassung der einen identischen Erfahrung an die verschiedenen örtlichen Umstände vollauf berechtigt, so daß die Kirche das Antlitz der Völker annimmt, wo sie lebt, und zugleich versucht, dieses Antlitz im Licht der Verkündigung Christi umzugestalten, doch ohne je die Universalität der Kirche aus dem Blick zu verlieren, deren Garant Rom ist. 5. Im Rahmen dieser Bemerkungen ergibt sich ein weiterer Gedanke, den ich euch bei dieser brüderlichen Begegnung vorlegen möchte: Es geht um das Wiederaufgreifen des Wertes des kanonischen Rechtes im pastoralen Leben der Diözese. Tatsächlich ist das kanonische Recht eine Verfügung der gesetzgeberischen Vollmacht der Kirche, die als oberstes Ziel die „salus animarum“, das Heil der Seelen, hat (can. 1752). Das Ziel der „magna disciplina“, des großen Rechtswesens der Kirche, ist das Wohl der Personen und der Gemeinschaft der Kirche. Alle Canones und Gesetze der Kirche haben stets eine pastorale Funktion für die Verbreitung des Reiches Gottes und die Auferbauung des Leibes Christi. Weit davon entfernt, den Primat der Gnade, der Liebe und der Charismen im Leben der Gläubigen ersetzen zu wollen, möchte das kanonische Recht in der Gemeinschaft der Kirche jene Ordnung schaffen, welche die beste Entwicklung, sei es der Personen oder sei es der Gemeinschaften in ihrer Ganzheit, möglich macht. Auf diese Weise ist die rechtliche Ordnung in der Kirche, die sich aus dem derzeitigen Codex des Kirchenrechtes ergibt, den ich zu meiner Freude 1983 veröffentlichen konnte, nur eine Übersetzung der Lehre des II. Vatikanischen Konzils in die Rechtssprache. Daher wachen die Hirten darüber, daß die Priester und das Volk Gottes die kirchlichen Gesetze nicht mißachten, weil sie diese für unnütz, dem Glaubensleben fremd oder schlicht für unterdrückerisch halten. In diesem Punkt bezahlen wir auch im Leben der Kirche den Preis für die derzeitige Mentalität, die jede Art von Norm als der Freiheit und der Autonomie des Menschen entgegengesetzt ansehen möchte. „Wie ich zu sagen bereits Gelegenheit hatte, handelt es sich nicht um die Anpassung der göttlichen Norm, auch nicht um ein Nachgeben gegenüber der Willkür des Menschen, denn das würde ja Leugnung und Erniedrigung der göttlichen Norm bedeuten: Es geht darum, den Menschen von heute zu verstehen und ihn mit den unverzichtbaren Forderungen des göttlichen Gesetzes zu konfrontieren“ {Ansprache zum Beginn des Rechtsjahres am 23. Januar 1992, Nr. 3). Tatsächlich tritt schon im Neuen Testament und dann in den Paulusbriefen klar die Wichtigkeit der Disziplin für die Praxis der Botschaft des Evangeliums hervor. 1424 AD-L1M1NA-BESUCHE Das einzige Gesetz des „neuen Menschen“ (Eph 4,24), welches die Liebe ist, enthält als Eigenart die Befolgung des Auftrags Christi und der Kirche in all seinen Aspekten. Anderseits wäre bei diesem anspruchsvollen Bemühen der Gegenüberstellung, bei dem die kanonische Ordnung sichtbar die innere Seele der Gemeinschaft zum Ausdruck bringt - jener Gemeinschaft, die zugleich äußerlich sichtbar, doch immer mystisch übernatürlich bleibt, wie es bei der Kirche der Fall ist -, dieser Text „nicht das Werkzeug, das er bei der Heilssendung der Kirche sein muß, wenn jene, denen es zukommt, seine Anwendung nicht sorgfältig steuern würden“ (ebd.). Eine solche Anwendung erfordert daher stets sowohl die korrekte Interpretation des gesetzgeberischen Textes als auch das geistliche Wohl der Seelen. Dinge, die zum Beispiel die Zulassung von Kandidaten zum Priestertum betreffen; die Erwägung der Hindernisse, die in der kanonischen Gesetzgebung typisiert sind und das Ja zur Ehe ungültig machen können; die korrekte Anwendung der liturgischen Normen in Übereinstimmung mit dem Römischen Ritus - oder je nach dem Einzelfall mit dem orientalischen Ritus; die Erlaubnis, das Bußsakrament unter bestimmten und genau umschriebenen Umständen kollektiv zu spenden, um andere zu übergehen, verlangen von eurer Seite eine Abwägung, die „schwer wiegt und vor dem Gewissen verantwortet werden muß“, da hier Gründe der Gerechtigkeit und der Liebe für das gläubige Volk Zusammentreffen. Daher, liebe Brüder im Bischofsamt, bestärkt die Priester und das ganze Volk Gottes auf dem Weg der freien und frohen Befolgung des Gesetzes des Herrn, damit Christus in allem und über alles geliebt wird. Dann möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die Frage der kanonischen Vorbereitung der künftigen Priester lenken. Eine lange Zeit hindurch befand sich der alte gesetzgeberische Text, der Piobenediktinische Codex, in einem Zustand ständiger Veränderung bei der Anwendung der Weisungen der Konzilstexte. Dies konnte beim Studium des Kirchenrechtes Schwierigkeit bereiten. Mit der Veröffentlichung des jetzigen Codex muß der Ausbildungskurs am Seminar in seinem Lehrplan genügend Raum bieten, um den Priesteramtskandidaten mit dem Geist der jetzigen Normengebung vertraut zu machen, doch zugleich mit ihrer konkreten Kenntnis und praktischen Anwendung. Notwendig wird hier auch die Überwachung der Vorbereitung guter Professoren in Übereinstimmung mit der pastoralen und zugleich juridischen Ausrichtung unseres Codex. So sind sowohl die Inhalte als auch die Zeiten, die dem Kirchenrecht im Schulplan gewährt werden, zu überprüfen. Dann noch ein Wort zu den kirchlichen Gerichtshöfen, die in eurem Land regional geordnet sind. Sie sind das gültige Werkzeug der gerichtlichen Tätigkeit, die dem Bischof zusteht, der bei ihnen durch seinen rechtlich zuständigen Stellvertreter den Vorsitz führt. Wie sollte man nicht erkennen, daß ihre Tätigkeit eine wichtige pastorale Dimension besitzt? Die Gerichtshöfe dürfen nichts von ihrer wissenschaftlichen Strenge und der getreuen Anwendung der gerichtlichen Verfahrens- 1425 AD-LIMINA-BES UCHE normen verlieren, wenn sie sich ihrer Aufgabe gemäß mit verschiedenen Bereichen der Kirche beschäftigen, von den Ehefragen bis zu den schweren Straf- oder Disziplinarproblemen als Ausdruck der Gerechtigkeit in Verteidigung der wirklichen Rechte der Christen oder der Institution Kirche selbst. Wichtig und notwendig ist, daß die Bischöfe aufmerksam und interessiert jenen zur Seite stehen, die in ihrem Namen und mit ihrer Autorität den Dienst der Gerechtigkeit ausüben, indem sie ihnen die Möglichkeit einer angemessenen Ausbildung bieten, über die korrekte Erfüllung ihrer Aufgabe wachen und ihnen die geeigneten Mittel zur Verfügung stellen, damit sie auch mit der gebührenden Schnelligkeit handeln können. 6. Angesichts der ungeheuer großen Sendung, die euch anvertraut ist, laßt euch nicht durch Ermüdung und Mutlosigkeit überwältigen. Der Auferstandene geht euch zur Seite und macht alle eure Bemühungen fmchtbar. Dazu geht es um die Weiterführung einer bereits begonnenen Arbeit, deren Hauptakteur der Herr ist; es geht darum, demütig und völlig verfügbar den eigenen täglichen Beitrag anzubieten, damit das Reich Gottes kommt und Gottes Wille geschieht. In dieser Stunde eilen meine Gedanken zu allen Brasilianern und zumal zu euren Priestern, euren Ordensleuten, den Mitgliedern der Institute und Bewegungen der Laien und zu allen Gläubigen. Allen sage ich mit dem hl. Apostel Paulus: „Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn“ (Eph 6,10). Laßt nicht nach, sondern setzt in eurer Arbeit und noch mehr in eurem Zeugnis volles Vertrauen auf die Gnade Gottes, und macht Christus in allen Umständen eures Lebens präsent. Mein Wunsch ist: „Jesus Christus, unser Herr, und Gott, unser Vater, der uns seine Liebe zugewandt und uns in seiner Gnade ewigen Trost und sichere Hoffnung geschenkt hat, tröste euch und gebe euch Kraft zu jedem guten Werk und Wort“ (2 Thess 2,16-17). Liebe Brüder, wenn ihr nun in eure Diözesen zurückkehrt, wißt, daß euch meine herzliche Dankbarkeit für eure Arbeit begleitet und meine Zuneigung, mein ständiges Gebet und der Apostolische Segen, den ich euch von Herzen erteile. Maria, der Mutter des Erlösers, die ihr unter dem Titel der Aparecida als Patronin der Brasilianer anruft, empfehle ich innig euch, eure Einzelkirchen und eure ganze Nation. Sinnvolle pastorale Planung gefragt Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Regionalen Chinesischen Bischofskonferenz am 19. August Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Liebe im Herrn begrüße ich euch Bischöfe von Taiwan anläßlich eures Ad-limina-Besuchs. Im vergangenen Jahr wurde in Peking die Siebenhundertjahrfeier der Ankunft des ersten Boten des Evangeliums in dieser Region, des 1426 AD-LIMINA-BES UCHE Franziskaners Johannes von Montecorvino, begangen. Laßt uns vor allem Gott danken für die großartigen Dinge, die dieser Missionar - angetrieben von einer unerschütterlichen Liebe zu Christus - vollbracht hat, um das Reich Gottes im heutigen China auszubreiten. Ich bitte, daß euer Besuch bei den Apostelgräbem von Petrus und Paulus und diese Begegnung mit dem Nachfolger Petri, dem besonders die Sorge um alle Kirchen anvertraut ist (vgl. 2 Kor 11,28), euch in derselben Sendung, der Verkündigung des Evangeliums und der Führung der Herde Gottes, stärken mögen. Schätzt mehr denn je die Gnade Gottes, die in der Kirche wirkt, und ihre Macht, viel mehr zu tun, als wir erbitten oder ausdenken können (vgl. Eph 3,20-21). 2. Dieses Vertrauen in die außerordentliche Macht der Gnade Gottes soll im Leben der Christen immer offensichtlicher werden, während sich die Kirche dem dritten Jahrtausend nach der Geburt Christi nähert. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 bedeutet auf der ganzen Welt die Jubelfeier über die Auferstehung, die der Menschheit durch die Menschwerdung des einzigen Sohnes des Vaters gewährt wurde. Mit dem Ostergeheimnis Christi wurde die Einheit der ganzen Menschheit endgültig erlangt, und die Kirche, gegründet als Sakrament der Einheit mit Gott und als Zeichen der Einheit der ganzen Menschheit (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1), wurde ausgesandt, um der Welt Versöhnung und Hoffnung, wie sie uns das Evangelium lehrt, zu verkünden. Im Rahmen dieses Jubiläums lädt die Kirche alle ihre Mitglieder ein, sich über die Frohbotschaft der Rettung durch Jesus Christus zu freuen und auf immer wirksamere Weise die Voraussetzungen zu schaffen, diese Heilskräfte allen Völkern und Kulturen mitzuteilen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 16). Es freut mich zu wissen, daß die Notwendigkeit einer Neuevangelisierung in dem Neunjahresprogramm für das Große Jubiläum, das von der katholischen regionalen Bischofskonferenz von China geplant wurde, hervorgehoben und daß das kommende Jahr 1996 besonders den Themen Katechese und Evangelisierung gewidmet ist. In diesem Zusammenhang stellt die Übersetzung des Katechismus der Katholischen Kirche ins Chinesische einen großen Reichtum dar. Der Katechismus vermittelt einen tiefen Sinn von Einheit und Verbundenheit der christlichen Botschaft - einer Botschaft, die direkt an die Herzen und an den Geist der Menschen jeden Alters und in jeder Situation gerichtet ist. Die außergewöhnliche Antwort auf den Katechismus läßt den großen Durst nach Gott und spirituellem Leben erkennen, der auch in der stark säkularisierten Gesellschaft besteht. Wenn wir die Leere und die Teilnahmslosigkeit eines großen Teils des modernen Lebens betrachten, können wir nicht umhin, an diesem Interesse ein weiteres Zeichen zu erkennen, wonach in der heutigen Zeit „Gott der Kirche die Horizonte einer Menschheit öffnet, die für den Samen des Wortes der Frohbotschaft leichter empfänglich ist“ (Redemptoris missio, Nr. 3). 1427 AD-LIMINA-BES UCHE 3. Als Hirten des Gottesvolkes in Taiwan seid ihr mit aller Kraft darum bemüht, euer Volk zu ermutigen, zu beten und in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche zu arbeiten, damit die spirituelle und materielle Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Heiligen Jahres 2000 in allen Getauften Früchte tragen möge in einer inneren Erneuerung und im Wachsen eines wahren missionarischen Geistes. Ich bin sicher, daß die Bischöfliche Kommission für die Feier der 2000 Jahre seit der Geburt Christi bemüht sein wird, mit der Begehung dieser Feierlichkeiten in der ganzen Kirche in Taiwan einen immer lebendigeren Sinn der Verbundenheit mit der Universalkirche gemeinsam mit den anderen Ortskirchen und mit diesem Apostolischen Stuhl zu erwecken. In dieser Zeit des Heils für die ganze Kirche sollen sich auch die katholischen Chinesen zutiefst für die Neuevangelisierung und für die Verkündigung des Evangeliums ad gentes einsetzen. Diese beiden Aspekte des missionarischen Auftrags sind grundlegend für eine echte kirchliche Erneuerung. Asien wartet, das Wort Gottes zu hören, und vor allem die Asiaten sollen sicherstellen, daß es sich tief mit den alten Kulturen des Kontinents verwurzelt. In eurem Fall muß die Verwurzelung des Evangeliums in eurer eigenen Kultur zeigen, daß es keine Gegensätze oder Unvereinbarkeit geben kann, um gleichzeitig wahrer Katholik und echter Chinese zu sein. 4. Gerade aus diesem Grund lade ich euch ein, alle Katholiken von Taiwan in das Werk der Evangelisierung einzubeziehen. Ich denke vor allem an den wichtigen Beitrag, der geleistet werden kann von den Frauen, den Jugendlichen, den Ordensleuten, der katholischen Universität und den Seminaren, den katholischen Berufstätigen im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich sowie in der sozialen Kommunikation. Die gläubigen Laien sollen ermutigt werden, jede Form des Gegensatzes zwischen ihrem Glauben an Christus und in ihrem täglichen Tun zu Hause, in Arbeit und Gesellschaft (vgl. Christifideles laici, Nr. 34) zu erkennen und zu überwinden. Auf jeder Ebene des kirchlichen Lebens soll das Evangelium als befreiende Gabe gelebt und angesehen werden, die es den Männern und Frauen ermöglicht, mit Freude und in Frieden zu leben, die Versöhnung zu fördern und mit opferbereiter Nächstenliebe für das geistliche und materielle Wohl der anderen zu wirken. Es ist nicht nötig zu betonen, daß dem Diözesan- und Ordensklerus in diesem großen Werk der Erneuerung eine unersetzbare Rolle zukommt. Heute mehr denn je sollen die Priester eine missionarische Mentalität und ein missionarisches Herz haben vor allem in Anbetracht jener, die Christus noch nicht kennen (vgl. Re-demptoris missio, Nr. 67). Es ist sehr wichtig, daß der missionarische Geist bei der Ausbildung in den Seminaren und in den fortdauernden Bildungsprogrammen gefördert und ausgeprägt wird, damit das Leben und das Priesteramt die Dringlichkeit der Mission wiedergeben, wie es in den wohlbekannten Worten des hl. Paulus zum Ausdruck kommt: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Im Mittelpunkt jeder priesterlichen Spiritualität sollen die ständige 1428 AD-LIMINA-BESUCHE Neubelebung der durch die Heilige Weihe empfangenen Gnade, eine immer größere Gleichgestaltung mit Christus und eine immer stärkere Teilhabe an der glühenden Liebe seines Heiligen Herzens stehen. Euer Vorbild und eure Führung mögen eure Priester inspirieren, die Tugend der pastoralen Nächstenhebe zu pflegen. Somit werdet ihr und eure Mitarbeiter die Erwartungen, Bedürfnisse, Probleme und Situationen der Menschen, in deren Dienst ihr steht, immer mehr verstehen und auf wirksame Weise allen das Evangelium verkünden (vgl. Pastores dabo vo-bis, Nr. 70). 5. Ich unterstreiche die Notwendigkeit eines erneuerten Engagements in der Evangelisierung, denn ihr selbst seid euch der Schwierigkeiten, die sie mit sich bringt, bewußt, besonders wenn ihr die rückläufigen Zahlen der Priesterberufungen und das Wachsen der pastoralen Bedürfnisse der Gläubigen - besonders jener, die noch jung im Glauben sind - betrachtet. Diese Situation verlangt einfallsreiche Lösungen, die fachkundige Verwaltung der vorhandenen Mittel und eine sinnvolle pastorale Planung für die Zukunft. Es ist dringend notwendig, Priester- und Ordensberufungen zu fördern und die beachtenswerten Bemühungen, die bereits gemacht werden, zu intensivieren, um den Jugendlichen zu helfen, den Ruf Gottes zu erkennen und auf ihn zu antworten. Die zahlreichen Ordensgemeinschaften in Taiwan waren und sind weiterhin ein großer geistlicher und materieller Schatz für das Leben der Kirche. Überall um euch herum gibt es Zeichen eines im Heiligen Geist aufblühenden Lebens. Als Hirten habt ihr die Aufgabe, jede neue Gabe und jede Hoffnung klar zu erkennen, auszubauen und zu entwickeln. 6. Als Mitglieder der großen chinesischen Familie fühlen sich die Katholiken von Taiwan liebevoll ihren Brüdern und Schwestern des Kontinents im Glauben nahe. Ihr nehmt gern eure Verantwortung wahr, ihnen in ihrer schwierigen geistlichen Situation nahezustehen. Mehr noch als die Katholiken in anderen Ländern fühlt ihr euch als Schwesterkirche jener katholischen Gemeinschaft, vor allem, wenn unter ihren Mitgliedern die Erkenntnis wächst, daß sie sich mehr als Teil der katholischen Universalkirche fühlen müssen. Meinerseits weiß ich, daß die katholische Gemeinschaft in ganz China, im Glauben vereint mit der übrigen katholischen Kirche, für den Papst betet und damit die spezifische Natur des Petrusamtes als grundlegenden Aspekt des Planes Christi für seine Kirche anerkennt. Jedenfalls hat der Großteil der chinesischen Katholiken -um diese Treue in Fülle zu leben - den Weg des Leidens und des Schweigens gewählt. Erfüllt von Dankbarkeit für ihr großzügiges und heldenhaftes Beispiel, wenden sich unsere Herzen mit tiefer Zuneigung diesen unseren Brüdern und Schwestern zu, die großen Härten ausgesetzt sind. Hoffen und beten wir, daß auch die anderen mit erneuertem Glauben und erneuerter Kraft für eine vollkommene Gemeinschaft und Einheit mit der Universalkirche und mit dem Nachfolger Petri wirken. 1429 AD-LIMINA -BES UCHE Ich bin mir der Tatsache voll bewußt, daß die jetzige Situation der katholischen Gemeinschaft Grund zu schmerzlicher Besorgnis für alle katholischen Chinesen ist. Jeder von ihnen hat einen vorrangigen Platz in meinem Herzen, dem Herzen des Hirten der Universalkirche, und für alle bitte ich den Herrn, dessen Wunsch es war, daß die Kirche nur eine sei unter der Führung eines einzigen Hirten. Heute wiederhole ich vor euch den Aufruf, den ich im vergangenen Januar von Manila aus an sie richtete: „Ich lade alle sehr herzlich ein, Wege der Gemeinschaft und der Versöhnung zu finden, Wege, die Licht und Inspiration aus der Wahrheit selbst erfahren: Jesus Christus“ (Radiobotschaft an die chinesischen Katholiken am 14. Januar 1995). Ich weiß, daß sich viele fragen, wie diese Versöhnung zustande kommen kann. Alle müssen sich in Bewegung setzen; alle müssen sich Christus zuwenden, der uns zu Einheit und Gemeinschaft aufruft. Jeder muß die Schritte entdecken, die zur Versöhnung führen. Jeder soll sein ganzes Selbst einbringen, seine Vergangenheit, seine Momente des mutigen Zeugnisses und der Schwäche, seine augenblicklichen Leiden und seine Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Das, wovon wir sprechen, ist eine lange und schwierige Reise. Das Ziel ist ziemlich klar, aber der Weg, der dahin führt, scheint noch verdunkelt. Wir wollen das Licht des Geistes erflehen und uns von seiner Inspiration leiten lassen. Ihr Bischöfe von Taiwan seid aufgerufen, alles zu tun, was ihr könnt, um die Harmonie, die Ausdauer, das Verständnis, die brüderliche Liebe und die Wiederversöhnung unter allen Katholiken der großen chinesischen Familie zu fördern, im Geist der Nächstenliebe und in voller Achtung vor der wachsenden Kirche auf dem Kontinent. In diesem heiklen Augenblick bitte ich euch alle, darum unaufhörlich zu beten. 7. Liebe Brüder, unsere Begegnung bringt uns allen Gläubigen näher, die eurer pa-storalen Sorge anvertraut sind und denen ich mich sehr nahe fühle. Ich bitte euch, die Priester, Ordensleute und Laien, die euren Ortskirchen von Taiwan angehören, meiner tiefen Zuneigung im Herrn zu versichern. Gleichzeitig erneuere ich meine Liebe, meine Ermutigung und meine Wünsche an alle katholischen Mitglieder der größeren chinesischen Familie. Wenn diese unsere Brüder und Schwestern bereits für den Papst beten und auf irgendeine Weise in ihm das besondere Petrusamt anerkennen, wieviel Zeit soll dann noch vergehen, bis er sie umarmen und im Glauben und in der Einheit stärken kann? Mit diesen Gefühlen empfehle ich euch und die ganze Kirche von Taiwan der liebenden Fürsprache Marias, Königin des Friedens, und erteile euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 1430 AD-UMINA-BESUCHE Mit Umkehr und geistlicher Erneuerung dem Säkularismus begegnen, der die großen geistigen Traditionen Indiens bedroht Ansprache beim Ad-limina-Besuch der indischen Bischöfe der Regionen Tamil Nadu und Kamataka am 16. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit inniger Freude begrüße ich einen jeden von euch, Hirten der Kirche in Indien aus den Regionen Tamil Nadu und Kamataka, zum ersten dieser Reihe von Ad-limina-Besuchen der Bischöfe eures riesigen Landes. Mit den Worten des heiligen Paulus „danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle ... Unablässig denke ich an euch in allen meinen Gebeten ..., damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben“ (Rom 1,8-12). Als ich 1986 euer Land besuchte, sagte ich in meiner Ansprache an die Bischöfe, „unsere gemeinsame Aufgabe ist es, das Geheimnis der Kollegialität in Szene zu setzen“ (Ansprache an die Bischöfe, Neu Delhi, 1. Februar 1986). Dieses Geheimnis der Gemeinschaft im Bischofskollegium wollen wir hier miteinander bezeugen, feiern und stärken. Diese Gemeinschaft bedeutet, daß wir ein Herz und eine Seele sind in Liebe und Gehorsam zu unserem Herrn Jesus Christus, dem obersten Hirten der Kirche (vgl. 1 Petr 5,4), und daß wir den uns anvertrauten Dienst erfüllen in der starken und mitreißenden Eintracht von Glaube und kirchlichem Auftrag.. 2. Die dogmatische Konstitution Lumen Gentium erinnert uns daran, daß es Gottes Plan ist, „die Menschen nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung, zu heiligen und zu retten, sondern sie zu einem Volke zu machen“ (Nr. 9). Und der Konzilstext fährt fort mit der Ausage, daß dieses messianische Volk „zum Haupte Christus hat. ... Seinem Stande eignet die Würde und die Freiheit der Kinder Gottes, in deren Herzen der Heilige Geist wie in einem Tempel wohnt. Sein Gesetz ist das neue Gebot (vgl. Joh 13,34), zu heben, wie Christus uns geliebt hat. Seine Bestimmung endlich ist das Reich Gottes. ..., das sich weiter entfalten muß, bis es am Ende der Zeiten von ihm auch vollendet werde“ (ebd.). Es kann daher nie genügend betont werden, daß die Sendung der Kirche transzendent ist und zuallererst darin besteht, den Menschen Anteil zu geben am Geheimnis der Selbstmitteilung Gottes durch Gnade. Davon hängt alles andere im Leben der Kirche ab. Ungeachtet dessen, wie dringend andere Anliegen, einschließlich der Sorge um die menschliche Entwicklung, um Gerechtigkeit und die Verteidigung der Menschenwürde, um die Bedürfnisse der Armen - und niemand kann leugnen, daß euer Engagement in diesen Bereichen tatkräftig und konsequent sein muß -, auch sein mögen, die Bischöfe dürfen die von Christus selbst kommende Aufforderung nicht unbeachtet lassen: ,Euch 1431 AD-LIMINA-BESUCHE aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ {Mt 6,33). Es wäre erstaunlich, wenn gerade in Indien, dem Land der Satyagraha (der geistlichen „Macht der Wahrheit“, die gewaltlos kämpft) und der Rhisis (der heiligen Männer), Bischöfe, Priester, Ordensleute und engagierte Laien - Männer und Frauen - es nicht fertigbrächten, das ganze geistliche Potential der rettenden Gnade unseres Erlösers zur Entfaltung zu bringen. Deshalb müßt ihr als Hirten, als Diener der Geheimnisse Gottes, weder in eurem eigenen Leben noch in eurem Umgang mit euren Priestern, mit den Or-densmännem und Ordensfrauen, die mit euch die Last des Apostolats teilen, in eurem gesamten Dienst an den gläubigen Laien und in euren missionarischen Bemühungen um die Verbreitung des Evangeliums ein Anhegen stets in eurem Herzen und in eurem Tun gegenwärtig haben: die Förderung des echten Glaubens und der Heiligkeit des Lebens unter den Mitgliedern der Kirche. 3. Geistliche Führer und Lehrer eures Volkes zu sein, ist eine ernste und anspruchsvolle Aufgabe. Das schließt auf persönlicher Ebene eurerseits eine radikale Antwort an Christus ein. Da - wie der heilige Paulus an Timotheus schrieb - „das Ziel der Unterweisung Liebe ist aus reinem Herzen, gutem Gewissen und unge-heucheltem Glauben“ (vgl. 1 Tim 1,5), folgt daraus, daß „der Bischof ein Mann ohne Tadel sein soll“ (ebd. 3,2). Ohne tiefen Glaubenseifer, ohne ständiges Gebet und selbstlose „Hirtenliebe“ ist es nicht möglich, den Guten Hirten zu verkörpern, der sein Leben hingibt für die Schafe (vgl. Joh 10,11). In eurem Apostolat seht ihr euch vielen Herausforderungen gegenüber. Dazu gehört nicht zuletzt die zunehmende Säkularisierung, ein weitverbreiteter, mächtiger Trend, der selbst die tiefverwurzelten, für die Geschichte und Kultur Indiens charakteristischen geistlichen Traditionen unterminiert. Der alt-vedische Begriff der „rita“, Ordnung - also das, was im Universum und in der menschlichen Gesellschaft richtig und angemessen ist -, lenkte die indische Kultur auf das Streben nach Harmonie, auf eine Ethik der Verantwortlichkeit für die in allem Seienden erscheinende göttliche Ordnung. Später betonten die Upanischaden den Begriff des „dharma“ und stellten damit die Aneignung der „Rechtschaffenheit“ durch die Hochhaltung von Religion, Gesetz und Pflicht ins Zentrum der Bestrebungen des Lebens. Auf der Basis dieser Einstellungen, die für jede religiöse Erfahrung grundlegend sind, wurde Indien zur Wiege einer an humanitären und religiösen Werten reichen Zivilisation. In diesen Boden wurde die Saat des Glaubens von Anfang an gepflanzt und ließ blühende Gemeinden entstehen, die durch alle Wechselfälle der Geschichte getragen wurden von ihrem Glauben an Jesus Christus, den Gottmenschen, den Gekreuzigten und Auferstandenen, die Hoffnung der Menschheit, der allein die tatsächliche Größe und Würde der menschlichen Person und ihrer Bestimmung voll zu enthüllen vermag (vgl. Ansprache an die Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen, Manila, 15. Januar 1995, Nr. 4). Nun aber macht sich bei vielen eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Wahrheiten und Werten breit, weil man sie als bedeutungslos für den wirtschaftli- 1432 AD-LIM1NA-BESUCHE chen und technologischen Fortschritt hält, was schließlich zu einer Schwächung der geistigen und sittlichen Grundlagen der Gesellschaft führt. Diese Vorgänge lassen die katholische Gemeinschaft nicht gleichgültig. Wie in allen Teilen der Welt muß sich die Kirche auch in Indien durch ein stärkeres Bemühen um Umkehr und geistliche Erneuerung dieser Herausforderung stellen. 4. Aus einer erneuerten Bindung an Christus, den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen (vgl. 1 Tim 2,5) und aus einem neu belebten geistlichen Leben wird ein größerer Sinn für die Einheit und Gemeinschaft unter allen Mitgliedern der Kirche erwachsen. Die katholische Gemeinschaft stellt auf dem indischen Subkontinent eine winzige Minderheit dar, obwohl ihre Präsenz und Rolle dank der Lebenskraft ihres Zeugnisses und des Umfangs ihres Dienstes weit über reine Statistiken hinausgehen. Und diese religiöse Minderheit ist ihrerseits durch eine große Vielfalt gekennzeichnet: eine Vielfalt von Riten, eine in jeder Region unterschiedliche Evangelisierungsgeschichte und, auf der Negativseite, die ständige Drohung, daß es unter dem starken Dauereinfluß ethnischer, sozialer und kultureller Unterschiede zu einer Zersplitterung kommt. In dieser Hinsicht gehört zu eurer Sendung das klare und nachdrückliche Bemühen um die Herstellung und Festigung der Gemeinschaftsbande zwischen den Gliedern der Kirche. Wir sprechen von der Einheit, die ihre Quelle im dreieinigen Gott und ihren Dynamismus in der göttlichen Gnade hat. Die koinonia, zu deren Förderung ihr berufen seid, ist zumindest ein Teilnehmen an der wahren Gemeinschaft, die zwischen dem Vater und dem Sohn im Geist der Liebe besteht (vgl. 1 Joh 1,3). Es ist eine Einheit, die über alle menschliche Verschiedenheit hinausgeht und trotz aller Unterschiede in Aussehen und Verhalten fortbesteht, denn „es ist ein Leib und ein Geist..., ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller“ (Eph 4,4-6). In der Apostelgeschichte lesen wir von den Mitgliedern der christlichen Urgemeinde: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten.“ (Apg 2,42) Mit dem Ausdruck „sie hielten fest“ (_aav 7ipoaKapT£po_VTSi;) wird die fortwährende, beharrliche Treue angedeutet. Er weckt die Vorstellung eines lebendigen Glaubens, der Begeisterung für ein Leben in völliger Beziehung zum auf erstandenen Herrn und des Eifers für die Verbreitung der Frohen Botschaft. Diese innere Haltung befähigt uns, wenn wir sie aus vollem Herzen angenommen haben, die koinonia zu leben und damit den eigentlichen Sinn der Zugehörigkeit zur und der Verantwortung für die Gemeinschaft der Anhänger Christi zu erfahren. 5. Liebe ist die Gestaltungskraft der Gemeinschaft. Der heilige Paulus faßt die ganze ,Neuheit“ der christlichen Annäherung in den kurzen Satz: „Denn die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). Alles im Leben eines Bischofs muß von Liebe geleitet und inspiriert sein. Wenn ihr eure Worte und euer Tun von dem allumfassenden Gebot der evangelischen Liebe, vom Geist der Seligpreisungen formen laßt, ist dies die Gewähr dafür, daß euer Dienst echte Früchte der Evangelisierung und des Wachstums der Kirche tragen wird. 1433 AD-LIM1NA-BES U CHE Ich ermutige euch, jener evangelischen Liebe zuallererst unter euch selbst Ausdruck zu verleihen, in der Wertschätzung und Achtung füreinander, in dem für das Gedeihen der Kirche so wesentlichen brüderlichen Zusammenwirken und in eurer Konferenz. Nur so werdet ihr in der Lage sein, das Evangelium zu verkündigen, vor allem aber werdet ihr nur auf diese Weise den ernsten Schwierigkeiten begegnen können, die aus der katholischen Gemeinde selbst kommen, wenn die Verbreitung anfechtbarer Lehren sogar bezüglich der fundamentalen Glaubenslehren und der sittlichen Anforderungen christlichen Lebens zugelassen wird. Ihr müßt diesen Schwierigkeiten mit Intelligenz und Mut und vor allem in gegenseitiger Einigkeit gegenübertreten. Laßt eure gegenseitigen Beziehungen niemals von Kriterien bestimmen, die im Gegensatz zum Evangelium stehen, wie zum Beispiel Rücksichtnahme auf Kaste, ethnische Herkunft oder traditionelle Kulturen. „... liebt einander!“ (Kol 3,14) und laßt euer gemeinsames Zeugnis vor der ganzen Gemeinschaft leuchten als einen Anreiz für Priester, Ordensleute und Laien! Seid Baumeister von Eintracht und Frieden unter euren Priestern; schenkt ihnen die Aufmerksamkeit, die sie mit Recht von euch erwarten dürfen! Hört euch ihre Bedürfnisse und Bestrebungen gewissenhaft an, habt steten Kontakt mit ihnen. Wenn manche von ihnen entmutigt sind, steht ihnen umgehend hilfreich bei. Wenn ihr sie einmal an ihre priesterlichen Pflichten erinnern müßt, soll dies als ein Akt liebevoller väterlicher Sorge empfunden werden. Was die Ordensmänner und Ordensfrauen betrifft, deren Apostolat in euren Diözesen oft größte Bedeutung zukommt, laßt euch in allem von tiefer Achtung vor ihrer Würde und ihrem Charisma leiten, indem ihr ihnen in Gerechtigkeit und Wahrheit begegnet und euch dabei gewissenhaft nach Geist und Buchstaben an das Dokument Mutuae Relatio-nes haltet. Die gläubigen Laien schließlich sollen in ihrem Bischof einen Gottesmann, einen geistlichen Führer, einen wahren Vater und Bruder finden, dem ihr Wohl am Herzen liegt und der bereit ist, den Preis dafür zu zahlen, daß er der Gute Hirt seiner Herde ist. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt, euer Ad-limina-Besuch findet zu einem Zeitpunkt statt, wo die ganze Kirche mit besonderen Vorbereitungen auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 beginnt. Genau in diesem historischen , Advent“, wenn wir uns auf das Gedenken des Geburtstages unseres Herrn Jesus Christus vor zweitausend Jahren freuen, ruft er - der Herr - uns mit den Worten des Konzils auf, uns „seinen Spuren folgend und seinem Bild gleichgestaltet, dem Willen des Vaters in allem folgsam, sich mit ganzem Herzen der Ehre Gottes und dem Dienst des Nächsten hinzugeben.“ (Lumen Gentium, Nr. 40) Diese Synthese der christlichen Berufung ist die Gnade, die ich auf euch und auf eure bischöflichen Brüder in Indien herabrufe. Während ich zu euch spreche, fühle ich mich euch ganz nahe und kann euch nur in allem ermutigen, was ihr vollbringt für den Aufbau und die Stärkung der Kirche in Indien in der Einheit des Glaubens und der Harmonie der Liebe, die aus der Fülle eines nach den Maßstäben des Evangeliums gelebten christlichen Lebens fließt. 1434 AD-LIMINA-BES UCHE Als Bischöfe müssen wir uns immer daran erinnern, daß der Herr uns lehrte, das Wesen echter Jüngerschaft im wirksamen und demütigen Dienst an den Brüdern zu sehen (vgl. Joh 13,15). Ich empfehle euch der Fürbitte Marias, Mutter des Erlösers. Möge sie jeden von euch auf dem Pilgerweg des Lebens im getreuen Dienst ihres göttlichen Sohnes begleiten. Dazu erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Vielfalt der Ortskirchen - Zeichen reicher indischer Tradition Ansprache beim Ad-limina-Besuch der indischen Bischöfe am 28. August Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In der Liebe unseres Herrn Jesus Christus begrüße ich euch, die Hirten der Kirchenprovinzen Bhopal, Kalkutta, Cuttack-Bhubaneswar, Dehli und Ranchi. Euer Ad-limina-Besuch drückt die innige Verbundenheit von Nächstenliebe und Frieden aus, die die einzelnen Teilkirchen Indiens mit dem Apostolischen Stuhl vereinigt, geheiligt durch das Martyrium der hll. Petrus und Paulus. Meine letzte Enzyklika Ut unum sint beschreibt die Sendung des Nachfolgers Petri innerhalb des Bischofskollegiums als „Wächter“, der seine Brüder im Bischofsamt bestärkt, so daß dank der Hirten „in allen Teilkirchen die wirkliche Stimme des Hirten Christus zu hören ist“ (Nr. 94). Ich danke daher dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, daß er uns die Möglichkeit gegeben hat, unsere „Gemeinsamkeit im Evangelium“ (vgl. Phil 1,5) zu erleben, um voneinander gegenseitig Kraft und Ermutigung zu gewinnen gemäß dem „überfließenden Reichtum seiner Gnade“ (Eph 2,7). 2. Seit ihrer Geburt am Pfingsttag im Abendmahlssaal ist die Kirche das sichtbare Zeichen und die wirksame Einrichtung der Gemeinschaft Gottes mit der Menschheit. Als Hirten der Kirche Gottes in Indien seit ihr gerufen, in euren Lokalgemeinden die Pfingstgnade fortbestehen zu lassen und die Treue zum Evangelium, das brüderliche Leben und das eifrige Gebet, das für die Gemeinschaft der Apostel typisch war (vgl. Apg 2,24), von Generation zu Generation zu fördern. Auch nach 2000 Jahren ist die Kirche immer noch aufgerufen, sich selbst nach dem Bild der ersten Jüngergemeinde zu erneuern. Wie ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente gesagt habe, besteht die beste Vorbereitung auf das neue Jahrtausend darin, eine erneuerte Verpflichtung einzugehen, so getreu wie möglich die Lehre des Zweiten Vatikanums auf das Leben jedes einzelnen und der ganzen Kirche anzuwenden (vgl. Nr. 20). Hierin liegt das Programm unseres geistlichen Amtes - auf persönlicher Ebene und als Mitglieder des Bischofskollegiums. Das Konzil bietet Reichtümer von Lehre und Spiritualität und gibt Richtlinien für die Bildung, die seelsorgerische Tätigkeit und die praktische Organisation des 1435 AD-LIMINA-BESUCHE kirchlichen Lebens, die weiterhin viele positive Auswirkungen in Evangelisierung und Dienst haben sollen. Die Jahre, die uns von dem Großen Jubiläum trennen, sollen dazu dienen, die Mitglieder der Kirche, insbesondere ihre Amtsträger, anzu-spomen, Herz und Seele zu öffnen für das, was der Heilige Geist vollbringt, um uns „in die ganze Wahrheit“ (Joh 16,13) zu führen. 3. Eine der großen Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils war die Stärkung der bischöflichen Kollegialität, „als (bevorzugter) Ausdruck des von den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri ausgeführten pastoralen Dienstes“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 19). Die indische Kirche ist besonders begnadet, weil sich in ihr die Traditionen von Ost und West vereinen, um vor der ganzen Welt das „von Gott geoffenbarte und ungeteilte Erbgut der Gesamtkirche“ (Orientale lumen, Nr. 1) zu verkünden. Ich bin überzeugt, daß das Zeugnis der Harmonie und der Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Riten in Indien ein wichtiger Teil der Realisierung des geheimnisvollen und gnädigen Willens ist, immer mehr Menschen aus eurem großartigen Land zum Licht des Evangeliums zu führen. Zu welchem Ritus der Bischof auch immer gehören mag, er ist zuerst und vor allem ein Sohn der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Aus diesem Grund wird die Katholische Bischofskonferenz Indiens - das wichtigste Forum, durch das eure Kollegialität zum Ausdruck kommt - durch das Zusammenkommen von Bischöfen verschiedener Riten nicht geschwächt, sondern gestärkt. Wenn Mißverständnisse oder Schwierigkeiten entstehen, sollten die Lösungen gemäß dem Geist Christi gesucht werden. Ein Geist, der - wie uns der hl. Paulus sagt - frei von Ehrgeiz und Prahlerei ist, immer bereit, zuerst auf das Wohl der anderen zu achten (vgl. Phil 2,3-5). Mögen die Worte des Ersten Petrusbriefes in den Herzen all derer widerhallen, die die Bürde des bischöflichen Amtes tragen: „Seid alle eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, seid barmherzig und demütig“ (3,8). Ich habe volles Vertrauen, daß alle Bischöfe erkennen, daß sie untereinander verbunden sind und daß jeder zusammen mit seinen Brüdern im Bischofsamt für die ganze Kirche verantwortlich ist (vgl. Christus Dominus, Nr. 6). 4. In einer sehr schönen Äußerung des hl. Ignatius von Antiochien wird der Bischof „das Abbild des Vaters“ genannt (Ad Trall., 3,1; An die Trallianer, in: Die Apostolischen Väter, Bibliothek der Kirchenväter Bd. 35, München 1918, S. 132). Ihr bringt diese geistige Vaterschaft dadurch am stärksten zum Ausdruck, daß ihr die Gabe des Heiligen Geistes in der Priesterweihe übertragt und auf diese Weise die Priester, diözesane und Ordensleute, mit eurem Presbyterat verbindet. Das Zweite Vatikanische Konzil bestätigt: „Die Bischöfe sollen wegen dieser Gemeinschaft die Priester als ihre Brüder und Freunde betrachten“ (Presbyterorum ordi-nis, Nr. 7). Um diese Bande der Gemeinschaft zu stärken, sollt ihr euch darum bemühen, wahre geistliche Führerschaft zu zeigen, Offenheit, Verständnis und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit euren Mitbrüdern im Priesteramt, die mit euch die Bürde des Amtes tragen. 1436 AD-L1MINA-BES U CHE Ein klares Zeichen der Lebenskraft eurer Ortskirchen ist die Frucht an Priester-und Ordensberufungen, die viele von euch erfahren. Da dies ein großer Segen, aber auch eine Verantwortung ist, kann ich euch nur ermutigen, die Kandidaten, die ihr in den Priesterstand erhebt, mit Sorgfalt auszuwählen, über die lehrmäßigen Grundlagen der Studienprogramme zu wachen und die geistige und pastorale Formung eurer Seminaristen zu sichern. Ihr werdet ebenfalls die Ordensoberen einladen, in bezug auf die Mitglieder ihrer Institutionen dasselbe zu tun. Obwohl er von vielen anderen in großherziger Art und Weise unterstützt wird, trägt der Bischof für die priesterliche Ausbildung der Kandidaten seiner eigenen Diözese eine Verantwortung, die er nicht vernachlässigen darf. Es ist besonders wichtig, daß die zukünftigen Priester klar und realistisch den Wert zölibatärer Keuschheit und ihre Beziehung zum priesterlichen Amt verstehen. Auf diese Art werden sie lernen, „den Zölibat in seinem eigentlichen Wesen und in seinen wahren Zielsetzungen, also in seinen evangeliumsgemäßen geistlichen und pastoralen Begründungen, kennenzulemen, zu achten, zu lieben und zu leben“ (Pastores dabo vobis, Nr. 50). Wo eine säkularisierte und materialistische Lebensanschauung im Vormarsch ist, sind alle Amtsträger der Kirche aufgerufen, „Zeichen des Widerspruchs“ zu sein, insbesondere durch den praktischen Lebensvollzug der Tugend der Buße - die Disziplin, Abtötung, Selbstaufopferung und Großmut anderen gegenüber einschließt. Ein einfaches Leben in der Gemeinschaft erfüllt die Priester mit Freude und erleichtert - wenn sie durch gegenseitiges Vertrauen gestärkt werden - den bereitwilligen Gehorsam, den jeder Priester seinem Bischof schuldet. Die Einheit einer Ortskirche wird gestärkt, wenn die bischöfliche Autorität als selbstloser Dienst ausgeübt und der priesterliche Gehorsam als bereitwillige Zusammenarbeit gelebt wird. 5. Auch die gläubigen Laien sehen auf ihre Bischöfe hinsichtlich wahrer und wirksamer geistlicher Führung. Das Konzil erklärt: ,3ei der Erfüllung ihrer Vater- und Hirtenaufgabe seien die Bischöfe in der Mitte der Ihrigen wie Diener, gute Hirten, die ihre Schafe kennen und deren Schafe auch sie kennen, wahre Väter, die sich durch den Geist der Liebe und der Sorge für alle auszeichnen“ (Christus Dominus, Nr. 16). Ein wirksamer seelsorglicher Dienst verlangt eine tiefe Würdigung der Tatsache, daß die Mitglieder der Kirche mit unterschiedlichen Charismen „für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,12) vom Geist beschenkt werden. Jedem wird vom Geist etwas geschenkt; jeder braucht Geschenke der anderen (vgl. 1 Kor 12,4-31). Ich lade euch und eure Priester zum Gebet und zur engen Zusammenarbeit mit den gläubigen Laien ein, damit jeder das gute Werk zur Vollendung bringt, das Gott in ihm begonnen hat (vgl. Phil 1,6). 6. Die Gemeinschaft mit Gott und den anderen wird in euren Kirchen verstärkt, wenn das Evangelium treu verkündet wird und die Sakramente im Glauben und gemäß den geltenden liturgischen Normen gefeiert werden. Hierdurch ermöglicht 1437 AD-LIMINA-BESUCHE es Christus seiner Kirche, die Kraft des österlichen Geheimnisses zu vermitteln. Die Eucharistie - das Sakrament der Einheit - ist der Kern jedes Pfarreilebens. Die Gegenwart Gottes in der Gemeinde ist „die lebendige Wurzel ihres Wachstums sowie das sakramentale Band ihrer Communio mit der gesamten Kirche“ (Christi-fideles laici, Nr. 26). Niemand, der „von diesem Brot ißt und von diesem Kelch trinkt“, kann den Ruf zur Heiligkeit und zum Apostolat überhören, der im Innersten der evangelischen Botschaft liegt. Im weiteren wird beim Heiligen Mahl die Bedeutung der Unterschiede von Rasse, Nationalität, Kultur, Kaste und sozialem Status in wahrem Licht enthüllt. Hier wird diese „Einheit in Jesus Christus“, die für alle Getauften (vgl. Gal 3,27-28) Geltung hat, bestätigt und vertieft. Die Kirche vertritt resolut die Ansicht, daß Diskriminierung nicht nur die fundamentale Gleichheit aller nach Gottes Ebenbild Geschaffenen und durch seines Sohnes Blut Erlösten untergräbt, sondern auch die Gemeinschaft derer gefährdet, die im Leib Christi versammelt sind. Es ist notwendig für uns, das Übel der Diskriminierung beim Namen zu nennen, wo auch immer es existiert, und es als eine „Struktur der Sünde“.zu betrachten. Es sind „Strukturen“, die „in persönlicher Sünde ihre Wurzeln haben und daher immer mit konkreten Taten von Personen Zusammenhängen, die solche Strukturen herbeiführen, sie verfestigen und es erschweren, sie abzubauen“ (Solllicitudo rei socialis, Nr. 36). Nur ein starkes Engagement zu Umkehr und Gebet um ein „neues Herz“ kann den schleichenden Einfluß von Formen der Diskriminierung innerhalb der Kirche ausrotten. 7. Genährt durch die Eucharistie, sind die indischen Katholiken aufgerufen, über Gottes Liebe für alle Zeugnis abzulegen. Wahre Solidarität mit dem Nächsten wurzelt in der Überzeugung, daß Christus sich durch die erlösende Menschwerdung mit jedem einzelnen Menschen vereinigt hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Die Jungfrau Maria, die so tief erfüllt war vom Geist der Armut des Herrn, führt die Kirche zum wachsenden Bewußtsein, „daß man die Wahrheit über Gott, der rettet, über Gott, die Quelle jeglicher Gabe, nicht von der Bekundung seiner vorrangigen Liebe für die Armen und Niedrigen trennen kann“ (Redemptoris Mater, Nr. 37). Ich unterstütze eure Bemühungen, sicherzustellen, daß das riesige Netzwerk der katholischen Bildungs- und Gesundheitsinstitutionen in Indien wirksam den Randgruppen und den Bedürftigsten unter euch dient. Es ist meine inbrünstige Hoffnung, daß die Katholiken der Kirchenprovinzen von Bhopal, Kalkutta, Cut-tack-Bhubaneswar, Delhi und Ranchi auch weiterhin , jene vorrangige Liebe für die Armen“ zeigen werden, die „ein besonderer Vorrang in der Weise ist, wie die christliche Liebe ausgeübt wird; eine solche Option wird von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 42). Wenn die Christen die Tugend der Barmherzigkeit ausüben in der spezifischen Form der Solidarität mit dem „Letzten der Brüder“, der das unzerstörbare Bildnis Christi trägt (vgl. Mt 25,46), ruft die Unentgeltlichkeit dieser Liebe Gottes reichlichen Segen auf die Ortskirchen herab. 1438 AD-LIMINA-BESUCHE 8. Liebe Brüder im Bischofsamt! Wenn ihr nun zurückkehrt in eure Diözesen, bitte ich euch, meine freundlichen Grüße an alle Priester, Ordensleute und Laien, mit denen und für die ihr euer Amt trägt, zu überbringen. Gemeinsam baut ihr Gottes Kirche in Indien auf und bereitet dadurch den großen Frühling der Christenheit vor, der im Dritten Jahrtausend vor uns liegt und ein wichtiges Thema sein wird bei der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien, die derzeit vorbereitet wird. Ich vertraue euch Maria, der Mutter des Erlösers, an und bete, daß durch ihre mütterliche Fürsprache die ganze Gottesfamilie in Indien bereit sei, den Herrn zu empfangen, der da kommen wird. Mit meinem Apostolischen Segen. Inkulturation — Ziel einer Begegnung von Kulturen und Offenbarung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der indischen Bischöfe aus den Provinzen Agra, Guwahati, Imphal und Shillong am 25. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In der Reihe der Ad-limina-Besuche der indischen Bischöfe heiße ich heute die Hirten der Kirchenprovinzen Agra, Guwahati, Imphal und Shillong herzlichst willkommen: „Gnade sei mit euch und Friede von Ihm, der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,4). Während das liturgische Jahr zu Ende geht, konzentriert sich die heilige Kirche wiederum auf das glorreiche Kommen des Herrn der Geschichte, der zur gegebenen Zeit das verheißene Reich zur Erfüllung bringen wird. Bis zu diesem Tag schreitet das Volk Gottes auf Erden im Glauben zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf seinem Pilgerweg dahin und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Die Nachfolger der Apostel, „untereinander mit dem Bischof von Rom im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens“ (ebd., Nr. 22) verbunden, sind die Führer der Gläubigen auf dieser Pilgerschaft. Wir sind heute hier versammelt, um über das Amt nachzudenken, das uns der Geist durch die bischöfliche Weihe anvertraut hat, und um uns diesem Amt im vollem Vertrauen auf die Gnade unseres Herrn Jesus Christus neu zu verpflichten. 2. Die indischen Ortskirchen sind insoweit kirchliche Realitäten, als sie in und aus der Universalkirche entstehen (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Commu-nionis notio, Nr. 9). Durch die Anerkennung des Apostolischen Amtes des Bischof skollegiums, das jenes einzigartige Charisma einschließt, das Christus dem Petrus als dem Hirten seiner Herde anvertraute (vgl. Joh 21,15-17), ist jede Teilkirche das getreue Abbild der einen und einzigen Kirche Christi. Der petrinische Dienst an der Einheit erstreckt sich seinem Wesen nach auf jede Ortskirche: , Alle Kirchen befinden sich in voller und sichtbarer Gemeinschaft, weil alle Hirten in Gemeinschaft mit Petrus und so in der Einheit mit Christus sind“ (Ut unum sint, 1439 AD-LIMINA -BES U CHE Nr. 94). So wie der Bischof von Rom der erste Hüter der Einheit der Kirche ist, verlangt sein Amt von ihm auch, der wichtigste Verteidiger ihrer Katholizität zu sein, was gewisse Formen der Bindung an die eigene kulturelle, regionale oder nationale Identität ausschließt, die jene universale Offenheit und Liebe beeinträchtigt, die die Anhänger Christi inspirieren sollten. Daher sehe ich mit ganz besonderer Freude, wie eure Diözesen durch den Austausch von Gaben - vor allem spiritueller und menschlicher Natur - versuchen, das in die Tat umzusetzen, was das Zweite Vatikanische Konzil folgendermaßen darlegte: „... so daß das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit Zusammenwirken“ (Lumen Gentium, Nr. 13). 3. In wenigen Tagen feiern wir das dreißigjährige Bestehen des Konzilsdekrets über die Missionstätigkeit der Kirche. Nach den Worten dieses denkwürdigen Dokuments ist die Sendung der Kirche, jeder Nation das Licht des Evangeliums zu bringen, in der ewigen Liebe der Heiligen Dreifaltigkeit begründet: „Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach ,missionarisch1 (d. h. als Gesandte unterwegs), da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemäß dem Plan Gottes des Vaters“ (Ad gentes, Nr. 2). Als Hirten der indischen Kirche muß es eure persönliche Aufgabe sein, das durch den Erlösungstod und die Auferstehung des Herrn entfachte Feuer der Liebe auflodern zu lassen. Immerfort müßt ihr euch fragen: Wie können wir die Menschen auf wirksamere Weise zur Entdeckung und tieferen Erfahrung des „unergründlichen Reichtums Christi“ (Eph 3,8) führen? 4. Die katholische Gemeinde in Indien steht einer zweifachen Herausforderung gegenüber. Einerseits drängt der Heilige Geist euch, die Frohbotschaft all denen zu bringen, die sie noch nicht kennen. Andererseits ist jede Teilkirche, jede Pfarrge-meinde und jedes Ordensinstitut aufgerufen, sich mit neuem Eifer der Neuevangelisierung zu öffnen. Möget ihr die Gläubigen inspirieren, damit sie ihre Aufmerksamkeit auf das vorrangige Ziel des Großen Jubiläums des Jahres 2000 richten: „eine echte Sehnsucht nach Heiligkeit..., ein starkes Verlangen nach Umkehr und persönlicher Erneuerung in einem Klima immer intensiveren Betens und solidarischer Annahme des Nächsten, besonders des am meisten Bedürftigen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 42). Durch euren Einsatz für die Neuevangelisierung wird der Heilige Geist zweifellos eine reiche Ernte reifen lassen können, wenn diese Bestrebungen auf einer festen christologischen, soteriologischen und ekkle-siologischen Gmndlage beruhen, auf authentischer Inkulturation, unermüdlicher Hingabe derer, die sich um die Evangelisierung bemühen, und auf der Effizienz der ihr dienenden Strukturen. 5. Angesichts unserer Verantwortung gegenüber dieser großen Herausfordemng müssen wir gemeinsam über die Tatsache nachdenken, daß die Kirche verpflichtet ist - immer und überall -, die Wahrheit über ihren Bräutigam, die Wahrheit, die allein die Menschen befreien wird (vgl. Joh 8,32), gewissenhaft zu schützen. Eine 1440 AD-LIM1NA-BES UCHE der wesentlichen Pflichten der Bischöfe ist es, für die Wahrung jenes rechtmäßigen Anspruchs aller Menschen - das Hören des in seiner Ganzheit und Integrität verkündeten Evangeliums Christi - Sorge zu tragen. Ich denke hier vor allem daran, wie wachsam ihr sein müßt gegenüber jenen Lehren, die die universale Bestimmung des Evangeliums mindern und den einzigartigen Charakter der Offenbarung abschwächen, die im neuen und endgültigen, durch das Blut Christi besiegelten Bund ihren Höhepunkt erreicht und durch die Jahrhunderte hin im Glauben und Lehramt der Kirche treu bewahrt wurde. Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, ist das eine, vollkommene, endgültige und unüberbietbare Wort des Vaters. Er ist der „Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung“ (Del Verbum, Nr. 2), der alleinige Erlöser der Menschheit. „Die Menschen können demnach nicht mit Gott in Verbindung kommen, wenn es nicht durch Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes geschieht“ (Redemptoris missio, Nr. 5). Ebenso ist die Kirche das allumfassende Sakrament des Heils, das von Gott auserwählte Zeichen und Mittel, durch das die erlösende Liebe Christi allen zuteil wird. Damit die Kirche Indiens standhaft bleiben möge in ihrer Treue zum Herrn, ist es wichtig, daß vor allem in Seminaren, Schulen und höheren Bildungseinrichtungen Harmonie, Schönheit und Macht der Glaubenswahrheiten verstanden und geliebt werden. 6. Gleichzeitig hängt die Wirksamkeit der Neuevangelisierung wie auch der Mission „ad gentes“ von einer überzeugenden und zweckdienlichen Verkündigung „der Wahrheit des Evangeliums“ (Gal 2,14) ab. Die Evangelisierung ist untrennbar mit dem tiefgreifenden, sich stufenweise vollziehenden und anspruchsvollen Inkulturationsprozeß verbunden, ein Prozeß, der die Kirche in allen Teilen der Welt permanent herausfordert. Die Heilsbotschaft muß in den verschiedenen Kulturen eures riesigen Subkontinents „Gestalt annehmen“, damit jedes Volk in seiner eigenen Sprache Gott loben kann. Wirkliche Inkulturation wird nur dort erreicht, wo Wahrheiten und Werte der Offenbarung den Kern einer Kultur erleuchten und festigen und wo die Menschen in treuer Nachfolge Christi, der ewigen Weisheit, dem Ruf nach Heiligkeit entsprechen durch ihre Treue zu Christus, der ewigen Weisheit. Er wandelt alle Aspekte des Lebens um, auch einschließlich unser kulturelles und gesellschaftliches Erbe. Pastorale Bemühungen zur Förderung der Inkulturation dürfen sich nicht lediglich auf Äußerlichkeiten beschränken, als ob es um eine eilige oder oberflächliche Anpassung der Sitten und Werte jener ginge, an die das Wort Gottes gerichtet ist. Eure Bestrebungen auf diesem Gebiet müssen vielmehr dem Aufbau solcher Gemeinschaften dienen, deren eigentliche Existenz und Einheit dem von Glauben erfüllten Gebet, der freudigen Feier der Sakramente und einem in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Evangeliums gelebten Leben entspringt. Die Inkulturation ist besonders dort erfolgreich, wo Eheleute und Familien die christliche Sichtweise ihrer Berufung und Verantwortungen verkörpern. Die Bischöfe müssen durch ihr aufmerksames Hören, ihren Dialog mit der Gemeinde und ihre Einsicht dafür Sorge tragen, daß die Art und Weise, wie 1441 AD-LIMINA-BESUCHE das Evangelium in der Gemeinde zum Ausdruck kommt und gelebt wird, mit dem apostolischen Glaubensgut und der Gemeinschaft mit der Gesamtkirche voll zu vereinbaren ist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 54). 7. Wie in vielen eurer Fünfjahresberichte erwähnt wird, hat die Erfahrung eurer Teilkirchen euch davon überzeugt, daß der Erfolg der kirchlichen Mission in Indien ein gemeinschaftliches Zeugnis für Christus im Rahmen eines pastoralen So-lidaritätsprogramms erfordert. Die Menschen schauen in zunehmendem Maße zunächst auf die Verkünder, auf die Glaubwürdigkeit ihrer Lebensführung, bevor sie sich der Botschaft selbst zuwenden. Als der Herr im Abendmahlssaal den Jüngern sein neues Gebot gab, offenbarte er, wie er die Menschen an sich ziehen würde: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander hebt“ (Joh 13,35). Das aus dem Frieden, dem Geist der Gemeinschaftlichkeit und Heiligkeit geborene Zeugnis innerhalb jeder einzelnen christlichen Gemeinde wie auch in ihren Beziehungen zu anderen fördert die Wirksamkeit der Kirche als Zeichen der Liebe Gottes. Dieses vor allem in der brüderlichen Einheit der Bischöfe erkennbare Zeugnis ist unentbehrlich, wenn der Evangehsierungsauftrag nach dem Willen Gottes ausgeführt werden soll. Möge sich die ganze indische Kirche einer dem Evangelium entspringenden Liebe weihen, damit - das Beispiel der in selbstloser Einsatzbereitschaft und Solidarität lebenden Anhänger Christi vor Augen - auch diejenigen, die die Frohbotschaft noch nicht angenommen haben, gläubig werden (vgl. Joh 17,21-23)! 8. In eurem großen Land bilden die Christen eine kleine und oft bedrängte Minderheit. Dennoch sind sie berufen, der Sauerteig der Welt (vgl. Mt 13,33) und ein Licht auf dem Leuchter (vgl. Mt 5,15-16) zu sein. Trotz großer Schwierigkeiten haben viele Priester, Ordensleute und Laien auf heroische Weise ihre Treue zum Herrn bewiesen. Ich hoffe, daß der Heilige Geist, „die Hauptperson für die ganze kirchliche Sendung“ (Redemptoris missio, Nr. 21), weiterhin im Volk Gottes Indiens jenen Mut und Eifer wie auch jene Begeisterung wecken möge, durch die sich die ersten christlichen Gemeinden auszeichneten! Ich bestärke die Eltern, die Priesterschaft, die Katecheten und alle, die dem Gottesvolk dienen, sich zur Wiederbelebung der Liebe für ein neues Streben nach Heiligkeit einzusetzen. Ihrerseits leisten die Ordensinstitute, insbesondere die vielen erfolgreichen Frauengemeinschaften, einen unerläßlichen Beitrag für die Weitergabe der Frohbotschaft an die Männer und Frauen von heute, vor allem an die Armen und diejenigen, die sich, oft ohne es zu wissen, nach der Fülle des Lebens sehnen (vgl. Kol 2,10). So sehr es für Ordensleute von Bedeutung ist, sich nach besten Kräften für ihre apostolische Arbeit einzusetzen, so besteht ihr Beitrag zur Evangelisierung doch vor allem in ihrer Ganzhingabe an den Herrn. Sie selbst müssen sich unaufhörlich tiefer evangelisieren lassen, damit das Licht Christi in ihre Herzen eindringen und ihnen die Fähigkeit geben kann, dieses Licht auszustrahlen und es an andere weiterzugeben. Sollten nicht jene, die sich auf die evangelischen Räte verpflichtet haben, die besonderen Zeugen einer Spiritualität sein, die in liebender Kontemplation, Loslösung von der Welt und Opfersinn verwurzelt ist? 1442 AD-LIMINA-BESUCHE 9. Wie mir viele von euch berichtet haben, sind sich die Laien in euren Teilkirchen in zunehmendem Maße bewußt, daß sie kraft ihrer Taufe und Firmung eine besondere Sendung für den Aufbau des Leibes Christi haben. Einesteils dürfen wir nicht vergessen, daß „die Berufung der Laien zur Heiligkeit es mit sich bringt, daß das Leben nach dem Geist vor allem in ihrem Einbezogensein in den weltlichen Bereich und in ihrer Teilnahme an den irdischen Tätigkeiten zum Ausdruck kommt“ (Christifideles laici, Nr. 17), aber anderseits ist es auch wahr, daß die Laien strukturell in das Leben jeder Pfarrgemeinde und Diözese einbezogen werden sollten. Wenn Laien manchmal den Eindruck haben, ihr Anspruch auf aktive Teilnahme am kirchlichen Leben würde übersehen, dann sollten die Bischöfe sich um ein Klima des Vertrauens und der Partnerschaft unter allen Gliedern des Leibes Christi bemühen. 10. Liebe Brüder in Christus, seid versichert, daß ich jeden einzelnen von euch persönlich und alle euch anvertrauten Menschen in mein unablässiges Gebet zum Herrn einschließe. Auf der Schwelle des dritten Jahrtausends sollten wir wissen, daß die beste Vorbereitung auf das Große Jubeljahr „nur in dem erneuerten Einsatz für eine möglichst getreue Anwendung der Lehre des II. Vatikanums auf das Leben jedes einzelnen und der ganzen Kirche Ausdruck finden kann“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 20). Das ist es, was der Geist zur Kirche in Indien sagt (vgl. Offb 2,7-8)! Ich empfehle euch alle - gemeinsam mit den eurer pastoralen Sorge anvertrauten Priestern, Ordensleuten und Laien - der mütterlichen Fürsprache Mariens, die euch auf eurer Pilgerschaft in die Fülle des Reiches liebevoll lenkt. Mit meinem Apostolischen Segen. Erneuerung kirchlichen Lebens auf allen Ebenen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der indischen Bischöfe der Kirchenprovinzen Bombay, Goa, Hyderabad, Nagpur und Verapoly am 13. Dezember Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit „der herzlichen Liebe, die Jesus Christus zu euch hat“ (Phil 1,8), begrüße ich die Hirten der Kirchenprovinzen von Bombay, Goa, Hyderabad, Nagpur und Verapoly zu ihrem Ad-limina-Besuch. Ihr seid hier, um an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus zu beten, an dem Ort, wo sie die Wahrheit und Fruchtbarkeit des Evangeliums durch ihr Martyrium bekräftigten. Hier haben sie den gekreuzigten und auferstandenen Christus gepredigt und „das gute Bekenntnis“ (1 Tim 6,13) des Glaubens abgelegt. Durch das Zeugnis ihres Blutes haben sie diese Kirche geheiligt und so ihren Nachfolgern, den Bischöfen von Rom, ein Erbe überantwortet, in deren Amt „alle Bischöfe sich vereint in Christus anerken- 1443 AD-UMINA-BESUCHE nen und alle Gläubigen die Stärkung ihres Glaubens finden“ (Ut unum sint, Nr. 97). Im Band der Einheit, der Liebe und des Friedens sind wir Mitglieder des Bischofskollegiums, das Christus eingesetzt hat, um sein Heilswerk durch alle Zeiten fortzusetzen. Jeder trägt, dem Geschenk Gottes entsprechend, die Verantwortung für die ihm anvertrauten Schafe einer bestimmten Diözese. Gleichzeitig haben wir eine kollegiale Verantwortung für die gesamte Kirche (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22). Wie der Apostel Petrus sind wir uns unserer Schwäche und Sündhaftigkeit bewußt, aber ebenso wie er finden auch wir Trost in den Worten des Herrn: „Fürchte dich nicht!“ (Lk 5,10). Wie der hl. Paulus wollen wir uns „viel lieber unserer Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf uns herabkommt“ (vgl. 2 Kor 12,9). Durch unser bischöfliches Amt führt der auferstandene Herr in der Kraft des Heiligen Geistes seine Kirche immerfort auf dem Weg zum Vater. Da „Gott uns geprüft und uns das Evangelium anvertraut hat“ (1 Thess 2,4), sind wir fähig, jenen apostolischen Mut zu zeigen, der keine Furcht kennt. An euch und alle Bischöfe Indiens richte ich folgende brüderliche Bitte: Habt stets den Mut, das Evangelium Gottes zu verkünden, ganz gleich wie hart ihr auch kämpfen müßt (vgl. 1 Thess 2,2). 2. Der gleiche Geist, der „durch die Wunden der Kreuzigung“ (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 24) der Kirche geschenkt ist, begleitet euch auf dem Weg eurer Sendung als Hirten des Gottesvolkes und Verkünder des Evangeliums für diejenigen, die es noch nicht kennen. Er wird euch im Band der Einheit und der Liebe stärken, damit die Bischöfe Indiens alle eines Herzens und eines Sinnes sind, um, wirksame pastorale Solidarität übend, jenen Herausforderungen zu begegnen, denen die katholische Gemeinschaft eures Landes auf der Schwelle des neuen Jahrtausends gegenübersteht. Eine dieser Herausforderungen ist das Wiederaufleben einer Mentalität, die die Menschheit aus sozialen und ethnischen Gründen spaltet. Es ist traurig, feststellen zu müssen, daß diese Probleme auch in der christlichen Gemeinschaft in Form von Diskriminierungen bestehen, die gegen die wahre Natur der Botschaft des Evangeliums verstoßen, einer Botschaft, die von der grenzenlosen Liebe Gottes zu all seinen Kindern „ohne Unterschied“ (Apg 11,12), spricht. Uns alle verpflichten die Worte des Apostels Paulus: Ich ermahne euch, „ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging ... und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4,1-3). Das Gebet Christi im Abendmahlssaal, das oft auf die ökumenischen Beziehungen zu anderen Christen angewandt wird, muß in erster Linie im Leben der katholischen Gemeinde zum Ausdruck kommen, in jeder Pfarrgemeinde, bei jedem Gemeindetreffen der Gläubigen: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). 1444 AD-LIM1NA-BES UCHE 3. Im Abendmahlssaal gab der Herr seinen Jüngern das neue Gebot der gegenseitigen Liebe (vgl. Joh 13,34) und setzte die Eucharistie als das Sakrament ein, das die Einheit all seiner Anhänger begründet und darstellt. In der Eucharistie erbaut Christus seinen Leib, die Kirche, und bewirkt der Heilige Geist „eine Zunahme an Kraft und Stärke im Innern der Menschen“ (vgl. Eph 3,16). In Indien wie in Rom und an jedem anderen Ort der Welt ist das Urbild der Glaubensgemeinschaft das in der Apostelgeschichte beschriebene: die Gläubigen „hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42). Alle Bischöfe müssen dieses Vorbild stets vor Augen haben bei ihren Bemühungen, den ihrer Sorge anvertrauten Teil der Kirche in diesem Geist der Einheit und Harmonie zu festigen. Als Hohepriester des heiligen Kults und „Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4,1) haben die Bischöfe das liturgische Leben in ihren Diözesen - der Lehre und der Disziplin der Gesamtkirche entsprechend - zu fördern. Da die Liturgie der Ausdruck des Glaubens der Kirche ist, muß es unsere heilige Pflicht sein, über die Art und Weise, sie zu feiern, zu wachen. Die Bischöfe sind dafür verantwortlich, daß die „lex orandi“ jeder Teilkirche die „lex credendi“ der universalen „koinonia“ widerspiegelt. 4. Die Eucharistie gibt uns die Kraft, das christliche Leben in all seiner Fülle zu leben, und bestärkt uns, dieses Leben mit anderen zu teilen. Der eucharistische Herr sendet euch auf die Straßen und Plätze eures Landes, um zum Ruhme Gottes „die Zivilisation der Liebe zu schaffen, die sich auf die universalen Werte des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Freiheit gründet, die in Christus ihre volle Verwirklichung finden“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 52). Für die Bischöfe und ihre Mitarbeiter - Priester, Ordensleute und engagierte Laien - schließt diese Aufgabe die Unterweisung in der kirchlichen Soziallehre, die Verkündigung des Evangeliums vom Leben und die Förderung interreligiöser Beziehungen und der Zusammenarbeit ein. 5. „Die Verkündigung und Verbreitung der Soziallehre gehört wesentlich zum Sendungsauftrag der Glaubensverkündigung der Kirche, sie gehört zur christlichen Botschaft“ (Centesimus annus, Nr. 5). Angesichts der Gegebenheiten eures Apostolats verlangt die Soziallehre der Kirche mutige Einsatzbereitschaft für den Aufbau einer gerechteren und ausgleichende Gesellschaft und eine wirkliche Liebe zu den Armen, die in jener Solidarität zum Ausdruck kommt, die ihnen helfen wird, selbst in ihrer eigenen menschlichen Entwicklung voranzukommen. In euren Ad-limina-Berichten habt ihr auf gewisse Situationen aufmerksam gemacht, die eure Gemeinden stark belasten. Gemeint sind unter anderem die alten und neuen Bedrohungen für das menschliche Leben - Gefahren, die manchmal unter dem Deckmantel des Mitleids verborgen sind und sich gegen ungeborenes Leben, behinderte, schwer kranke und sterbende Menschen richten. Immer wenn Würde und Rechte von Einzelpersonen oder Völkern bedroht sind, sollte die prophetische Stimme der Kirche zum Dienst am Leben aufrufen. 1445 AD-LIMINA-BESUCHE Die „Verschwörung gegen das Leben“ (Evangelium vitae, Nr. 17) nimmt in der heutigen Gesellschaft viele Ausdrucksformen an. Dazu gehören von rassischer und religiöser Diskriminierung geschürte Gewalttätigkeit, die Ausbeutung von Frauen und Kindern sowohl am Arbeitsplatz als auch durch sexuelle Freizügigkeit und Pornographie, Druck zur Verwendung gewisser Methoden zur Geburtenkontrolle, eine allgemeine Schwächung des Verantwortungsbewußtseins für das Gemeinwohl bei denen, die in der Wirtschaft und im öffentlichen Leben die Macht haben. Eine gerechte Gesellschaft kann nur auf dem Sittengesetz begründet sein. Insbesondere sollten die Laien darin bestärkt und ausgebildet werden, sich für eine Gesellschaft einzusetzen, die jene ethischen Werte achtet und fördert, die in die Herzen der Menschen geschrieben (vgl. Röm 2,15) und durch Gottes Weisheit und Liebe offenbart sind, Werte, die größtenteils im Sittenkodex der großen Weltreligionen enthalten sind. Trotz der Schwierigkeiten einer weitgehend nichtchristlichen Gesellschaft seid ihr als Bischöfe „dazu angehalten, unermüdliche Verkünder des Evangeliums vom Leben zu sein“ (Evangelium vitae, Nr. 82). Ich bin sicher, daß ihr die Priester, Theologen, Lehrer, Katecheten, Eltern und alle Gläubigen ermahnen, formen und ermutigen werdet, damit sie sich immer mehr ihrer Verantwortung verpflichtet fühlen, ein Volk für das Leben zu sein. 6. Ein weiterer Bereich, der der Kirche in Indien Sorge macht und sie veranlaßt zu handeln, ist die Stellung der Frau innerhalb der Gesellschaft und der kirchlichen Gemeinschaft. Zweifellos ist es Sache der gesamten Gesellschaft, sich mit einer so großen Herausforderung zu befassen wie dem Problem der historischen Unterdrückung der Frauen. Aber ihrerseits kann die katholische Gemeinschaft durch ihre Institutionen, durch die Einstellung und das Verhalten ihrer Mitglieder, insbesondere der über fünfundsechzigtausend Ordensfrauen, viel tun, um das Bewußtsein von der Gleichheit der Würde von Mann und Frau, die grundlegenden Rechte der Frauen und der gegenseitigen Ergänzung von Mann und Frau im Plan Gottes zu fördern. Es ist ermutigend, festzustellen, daß eure Bischofskonferenzen und viele Diözesen bereits konkrete Schritte unternommen haben, um die Interessen und Hoffnungen von Frauen wahrzunehmen und Möglichkeiten zur Besserung ihrer Situation zu finden. Ich erneuere hiermit den im vergangenen September an die ganze Kirche gerichteten Aufruf zur Bereitschaft, auch Frauen in jeder Weise am internen Leben der Kirche teilhaben zu lassen mit Ausnahme jener Aufgaben, die ordnungsgemäß den Priestern Vorbehalten sind, um so von jenem breiten Raum Gebrauch zu machen, den das Kirchenrecht für den Einsatz von Laien und Frauen vorsieht (vgl. Angelus, 3. September 1995). Indem ihr die Achtung für die wahre Würde der Frau fördert, tragt ihr dazu bei, jene Reserven der Weisheit und Sensibilität freizusetzen, die die Kirche und die Gesellschaft dringend brauchen. 7. In einer Gesellschaft wie die Indiens, in der zahlreiche Religionen vertreten sind, soll die christliche Gemeinschaft anderen Menschen guten Willens die Hand reichen zur Verteidigung gemeinsamer menschlicher und geistlicher Werte und 1446 AD-UM1NA-BESUCHE zur Förderung einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung. Die katholische Kirche in Indien muß auf die Herausforderungen des militanten religiösen Fundamentalismus durch die Förderung des interreligiösen Dialogs antworten. Dieser Dialog wird Achtung vor den unter den Völkern und Religionen Indiens ausgestreuten „Samenkörnern des Wortes Gottes“ hervorbringen in aufrichtiger Anerkennung der authentischen „geistlichen Reichtümer“ ihres „Gebets und ihrer Kontemplation, ihres Glaubens und der Art und Weise ihrer Suche nach Gott oder dem Absoluten“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 53). Der,Dialog über das Leben“ mit den Nichtchristen wird zeigen, daß authentischer religiöser Glaube eine Quelle gegenseitigen Verständnisses, brüderlicher Solidarität und sozialen Friedens ist. 8. Liebe Brüder, mit großer Erwartung bereitet sich die gesamte Kirche auf die Feier des zweitausendsten Jahrestages der erlösenden Menschwerdung des Herrn im Schoße der Jungfrau Maria vor. Außer den bedeutenden Ereignissen, die für das Jubiläum vorbereitet werden, wie die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien, sind alle Bischöfe aufgerufen, in ihren Diözesen - in Zusammenarbeit mit Gläubigen aus allen Bereichen - eine eingehende innere Erneuerung auf jeder Ebene des kirchlichen Lebens zu fördern. Das ist jene geistliche radikale Umkehr, von der euer Amt in Übereinstimmung mit der Ermahnung des hl. Paulus erfüllt sein sollte: „Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Die auf das Jubiläum hinführenden Jahre sollten für die Kirche Indiens eine Zeit der Hoffnung sein! Im Licht der Auferstehung durchdringt die Hoffnung die Dunkelheit des Leidens. Die Bischöfe, die den Fußstapfen des „Hirten und Bischofs eurer Seelen“ folgen (I Petr 2,25), sind die Ikonen dieser Hoffnung für ihr Volk. Voll freudiger Dankbarkeit für das „Große“ (vgl. Lk 1,49), das Gott an der Kirche in Indien getan hat, empfehle ich euch, eure Priester, Ordensleute und Laien der Obhut Marias, Jungfrau des neuen Advents und Morgenstern, der das Volk Gottes zu ihrem Sohn, Christus, dem Erlöser, geleitet. Mit meinem Apostolischen Segen. Auftrag der Kirche in einer säkularen Gesellschaft Ansprache beim Ad-limina-Besuch der japanischen Bischöfe am 25. Februar Lieber Kardinal Shirayanagi, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist für mich ein Anlaß zu tiefer Genugtuung, den Bischöfen Japans anläßlich ihres Ad-limina-Besuches zu begegnen. Dieser Besuch hat das Ziel, die Bande hierarchischer Gemeinschaft zwischen den Hirten der Teilkirchen und dem Nach- 1447 AD-LIMINA -BES U CHE folger Petri auszudrücken und zu festigen, im Dienste des Evangeliums, „dem Ursprung jedweden Lebens für die Kirche“ (Lumen Gentium, Nr. 20). Durch euch begrüße ich alle katholischen Gläubigen in eurem Land, die ich in unserem Herrn Jesus ermutige: „In ihm haben wir den freien Zugang durch das Vertrauen, das der Glaube an ihn schenkt“ (Eph 3,12). Ich habe während der letzten Wochen in besonderer Weise für all jene gebetet, die von dem großen Erdbeben, das die Gegend von Kobe verwüstet hat, getroffen wurden. Vereint mit der Kirche auf der ganzen Welt, habe ich die Opfer Gott empfohlen und für die Überlebenden um seinen Trost und seine Stärke gebeten, daß sie mit Hilfe der ganzen Nation die Folgen dieser schrecklichen Tragödie bald überwinden mögen. 2. Die Erinnerung an meine letzte Pastoraireise nach Asien und dem Femen Osten ist in meinem Gedächtnis noch sehr lebendig. In Manila hat der Weltjugendtag die außerordentliche Fähigkeit junger Leute, ihren eigenen, wichtigen Platz innerhalb des Evangelisierungsauftrags der Kirche einzunehmen, deutlich gemacht. Junge Leute sind für die Idee und die Wirklichkeit des pilgernden Gottesvolks besonders zugänglich. Dieses Volk bewegt sich durch die Geschichte der Menschheit und stellt sich dabei ihren Schwierigkeiten und Herausforderungen zu jeder Zeit und an jedem Ort, bis es die Fülle des Lebens in Christus erreicht (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9). Bei jedem Weltjugendtag haben die jungen Leute gezeigt, daß sie bereit sind, dem Aufruf Christi zu folgen. Sie verlangen danach, zusammen im Glauben den Pfad des Lebens zu beschreiten, im Dienst an ihren Brüdern und Schwestern. Ich bin zuversichtlich, daß unter eurer Führung und Leitung auch junge japanische Katholiken aus den Möglichkeiten, einander zu treffen, Gewinn ziehen werden, um gemeinsam über die Anforderungen des Evangeliums für ihr Leben nachzudenken. Als Hirten seid ihr euch der enormen Herausforderung bewußt, in einer Kultur wie der eurigen die Einzelnen und die Gesellschaft anzuregen, den tieferen Fragen über das Leben und seine Bedeutung mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ganz besonders seid ihr euch über die Schwierigkeit, den Glauben an die jüngere Generation weiterzugeben, im klaren. Im Laufe eurer seelsorglichen Tätigkeit begegnen euch oft Fälle, bei denen das christliche Leben die Erfahrung von nur einer Generation darstellt, in dem Sinne, daß Erwachsene, die sich zum Glauben bekehrt haben und diesen Glauben mit Überzeugung und Großmütigkeit leben, es trotzdem sehr schwierig finden, den Glauben an ihre Kinder weiterzugeben. Ich ermutige euch dazu, sowohl die üblichen, erprobten Wege der katechetischen Unterweisung und christlichen Ausbildung wiederzubeleben, als auch neue und kreative Weisen zu finden, um junge Leute besser in das Leben der kirchlichen Gemeinschaft einzubeziehen. 3. Eine allezeit gegenwärtige Priorität eurer bischöflichen Sendung besteht in der Erneuerung der katholischen Gemeinschaft im Glauben und in der Heiligkeit des Lebens. Diese Erneuerung ist nichts anders als eine eifrigere Bekehrung zu Christus, eine tiefere Kenntnis und Liebe seiner Person und seiner Botschaft, sowie 1448 AD-LIMINA-BES U CHE eine immer wachsende Treue der Mitglieder der Kirche gegenüber den Anforderungen des Evangeliums. Angefangen mit den Bischöfen und Priestern, und unterstützt durch männliche und weibliche Ordensleute, ist die katholische Gemeinschaft in Japan aufgerufen, sich auf das große Jubiläum des Jahres 2000 vorzubereiten. Dies beinhaltet eine vollständigere Unterweisung im Glauben mit Hilfe des Katechismus der Katholischen Kirche, eine wiederbelebte Praxis des Sakraments der Versöhnung, eine neuerliche Betonung der Wichtigkeit des Gebets im Leben der Christen und eine intensivere Praxis des liturgischen und persönlichen Betens. Der ganze Zweck der Feier des Jubeljahres besteht darin, daß man sich „über die Rettung freut“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 16). Aus diesem Grund ist es für die Jünger Christi notwendig, ihren Geist und ihr Herz zu erneuern, damit ihre Freude tief, aufrichtig und vollständig sei. Viele praktische Aspekte dieser kirchlichen Erneuerung sind schon von der ,Nationalen Konferenz über Anregungen für die Evangelisierung“ ermittelt worden. Bei diesem Treffen, das zuerst in Kyoto im Jahr 1987 und dann 1993 in Nagasaki stattgefunden hat, habt ihr der Familie, als häusliche Kirche und grundlegende missionarische Einheit, besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ich ermutige euch, weiterhin die Gläubigen zu einem gesteigerten Bewußtsein hinsichtlich ihrer persönlichen Pflicht, die Mission der Kirche voranzutreiben, aufzurufen. Ich möchte dabei die Ermahnung des hl. Paulus wiederholen: „Seid standhaft und unerschütterlich, nehmt immer eifriger am Werk des Herrn teil, und denkt daran, daß im Herrn eure Mühe nicht vergeblich ist“(I Kor 15,58). 4. Der Evangelisierungsauftrag der Kirche enthält viele verschiedene Aspekte: Vor-Evangelisierung, d. h. Tätigkeiten mit dem Ziel, das Interesse in bezug auf religiöse Fragen zu wecken und die Menschen darauf vorzubereiten, die christliche Botschaft zu hören; Verkündung des Heiles in Jesus Christus; Katechese, die Kenntnis und Ausbildung im Glauben vermittelt. In all diesen Tätigkeitsbereichen spielen die Laien ihre eigene, besondere Rolle und tragen Verantwortung. Es ist eure Aufgabe und die Krönung eurer Sendung, sie dazu anzuspomen, ein vollkommen christliches Leben zu führen, damit sie eher durch ihr Beispiel als durch bloße Worte vor ihren Landsleuten für Christus Zeugnis ablegen. Ein nochmaliges Lesen von Christifideles laici wird zeigen, daß die Laien eine besondere Aufgabe haben, indem sie beweisen, daß der christliche Glaube die einzige und wahre Antwort auf die Probleme und Hoffnungen, die das Leben heute für jeden Menschen und für jede Gesellschaft einschließt, darstellt (vgl. Nr. 34). „Wenn wir uns in der Tat“, wie ich neulich zu den Mitgliedern der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen sagte, die in Manila zusammengekommen waren, „die Zukunft der Evangelisierung auf diesem Kontinent vorzustellen suchen, sehen wir sie dann nicht in der Ausstrahlung eines dynamischen, lebendigen Glaubens, den einzelne Christen und große oder kleine christliche Gemeinschaften - die mit wenigen Ausnahmen eine „kleine Herde“ unter den zahlenmäßig überlegenen „Hörern“ des Wortes bilden - praktizieren und bekennen?“ (ebd., 5. Januar 1995). 1449 AD-L1MINA-BESUCHE 5. Die Teilkirchen, denen ihr in Liebe vorsteht, sind in einer Phase tiefgreifender Veränderungen begriffen, wegen der Ankunft von einer großen Zahl an Gastarbeitern in eurem Land, unter denen viele Katholiken sind. Die Erklärung eures Konferenzkomitees für Soziale Tätigkeit (5. November 1992) hat die vielen menschlichen und sozialen Probleme hervorgehoben, die mit diesem Phänomen verbunden sind, und die seelsorgerischen Möglichkeiten, die es mit sich bringt. Die Anwesenheit von so vielen Brüdern und Schwestern aus anderen kulturellen Gruppen unter euch sollte von den japanischen Katholiken als eine Gelegenheit gesehen werden, um die Universalität und Katholizität der Kirche auf vollständigere Art auszudrücken. In dieser Situation ergibt sich auch ein Paradoxon, denn obwohl diese Einwanderer auf große Schwierigkeiten stoßen und manchmal ungerecht behandelt werden, weckt ihre Situation bei vielen Leuten doch ein verstärktes Bewußtsein in bezug auf die Anforderungen der Gerechtigkeit und die daraus folgenden Konsequenzen hinsichtlich der Achtung der allgemeinen Menschenrechte. 6. Auf einer anderen Ebene bietet das moderne Japan viele Gelegenheiten für einen ernsten und fruchtbaren interreligiösen Dialog mit den Anhängern anderer Religionen, vor allem des Schintoismus und des Buddhismus. Die Katholiken müssen darauf bedacht sein, diesen Dialog zu fördern, sowohl weil wir alle einen gemeinsamen Ursprung als von Gott gewollte Kreaturen und ein gemeinsames Schicksal in seiner ewigen Liebe haben, als auch weil die Sendung der Kirche in der Welt eine Sendung der Fürsorge für die ganze Menschheitsfamilie ist, und zwar besonders im Hinblick auf ihre Suche nach Wahrheit, Glück und Solidarität mit all denen, die leiden oder in Not sind. Der Dialog zwischen den Katholiken und den Anhängern anderer religiöser Traditionen ist lebenswichtig. Dieser Dialog folgt ganz natürlich aus der Gegenwart der Kirchenmitglieder im sozialen Gefüge, vor allem in der Ausbildung, der Sozialarbeit und den gesellschaftlichen Beziehungen. Besonders die Laien sollten sich der Wichtigkeit ihres Zeugnisses und Beispiels bei der Förderung von Verständnis und Zusammenarbeit zwischen allen Menschen guten Willens bewußt sein. Was euch als Hirten betrifft, so ist es notwendig, weiter über die schwierigen, jedoch lebenswichtigen Fragen nachzudenken, die von der Inkulturation des Glaubens aufgeworfen worden sind. Es handelt sich darum, den Weisungen weiter zu folgen, die ihr schon in dem Büchlein „Richtlinien für Katholiken hinsichtlich der Ahnen und der Toten“ aufgestellt habt. Vielleicht ist der interreligiöse Dialog der richtige Kontext, in dem die Kirche Japans auf die weitverbreitete „Zivilisationskrise“ eingehen kann. Diese Krise, wie ich in meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente angemerkt habe, zeichnet sich vor allem in den technisch hochentwickelten, aber durch das Vergessen oder das An-den-Rand-Drängen Gottes innerlich verarmten Gesellschaften ab (vgl. Nr. 52). Viele Menschen haben begonnen, ihre einseitige Hingabe an den „wirtschaftlichen Erfolg um jeden Preis“ zu überdenken, da sie den zu 1450 AD-LIMINA-BESUCHE hohen Preis in menschlicher und geistiger Hinsicht eingesehen haben. In euren Fünfjahresberichten habt ihr auch von der geistigen Leere berichtet, die die Menschen dazu treibt, neue religiöse Erfahrungen zu suchen, manchmal in Gruppen, die keine feste Grundlage im Christentum besitzen. Hierin liegt eine doppelte Herausforderung für die katholische Gemeinschaft: auf einfache Art und Weise zugänglich und verfügbar zu sein für jene, die ein ehrliches Interesse an der Botschaft der Kirche zeigen, und mit anderen Gläubigen zusammenzuarbeiten, um eine Zivilisation der Liebe aufzubauen, die sich auf die universalen Werte des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Freiheit gründet, die in Christus ihre volle Verwirklichung finden (vgl. ebd.). 7. Fünfzig Jahre sind vergangen, seitdem Hiroshima und Nagasaki durch die tödlichsten Waffen aller Zeiten zerstört worden sind. Auch heute noch sind die Narben jener schrecklichen Momente im Leben vieler Japaner wahrnehmbar. Ich bin sicher, daß die Kirche in Japan dabei helfen wird, bei euren Landsleuten die Notwendigkeit lebendig zu erhalten, weiter für eine friedliche Welt zu arbeiten, d.h. für eine Welt der Gerechtigkeit und der Solidarität in den Beziehungen zwischen den einzelnen Völkern und Nationen. Wie ich schon bei meinem Besuch des Friedensdenkmals in Hiroshima im Jahr 1981 sagte: „Sich auf die Vergangenheit besinnen heißt, sich der Zukunft verpflichten ... (in der) Überzeugung, daß der Mensch, der Krieg führt, auch erfolgreich Frieden stiften kann“ (Ansprache in Hiroshima, 25. Februar 1981, Nm. 1-2). Trotz der andauernden Spannungen und Konflikte in vielen Teilen der Welt, darf die internationale Gemeinschaft nie vergessen, was sich in Hiroshima und Nagasaki ereignet hat, als Mahnung und als Ansporn, tatsächlich wirksame und friedliche Maßnahmen zur Lösung von Spannungen und Streit zu entwickeln. Fünfzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg dürfen die Verantwortlichen der Nationen nicht selbstzufrieden werden; sie müssen im Gegenteil ihren Einsatz zugunsten der Abrüstung und der Achtung aller Kernwaffen erneuern. Es ist für die internationale Gemeinschaft, heute mehr denn je, dringend nötig, ein funktionstüchtiges System für Verhandlungen, ja sogar für Schiedssprüche zu entwickeln, und zwar auf der Grundlage einer allgemeinen Achtung für das menschliche Leben und für die Würde und Rechte jedes menschlichen Wesens. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt! Dies sind einige der Gedanken, zu denen euer Besuch mich veranlaßt. Ich fordere euch herzlich auf, weiterhin der Kirche mit Eifer und Hingabe zu dienen und bitte euch, meine herzlichen Grüße an eure Priester, eure engsten Mitarbeiter im seelsorglichen Amt, zu überbringen. Ich spreche meine Unterstützung im Gebet all den Ordensleuten, Männern und Frauen, aus, die durch ihr Zeugnis und ihr Apostolat eine so wichtige Rolle im Leben eurer Teilkirchen spielen. Ich bete dafür, daß die ganze katholische Gemeinschaft Japans sich stärker der Notwendigkeit bewußt wird, für die Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben zu beten und diese zu fördern. Seid immer „wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1 Kor 16,13-14). Mit meinem Apostolischen Segen. 1451 AD-LIMINA-BESUCHE In der Sorge um die Einheit die Seelsorge auf die Welt der Jugend ausrichten Ansprache beim Ad-limina-Besuch der griechisch-katholischen Bischöfe von Rumänien am 24. März Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. „Wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole, dann werdet ihr erkennen, daß ich der Herr bin. Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig, und ich bringe euch wieder in euer Land. Dann werdet ihr erkennen, daß ich der Herr bin. Ich habe gesprochen, und ich führe es aus“ (Ez 37,13-14). Wenn wir die vergangenen Jahre im Leben der Kirche mit den Augen des Glaubens betrachten, erfaßt uns Staunen über das, was geschehen ist: Menschliche Kräfte und Lähigkeiten allein genügen nicht, um es zu erklären. Das gilt auch besonders für eure Kirche, die das schmerzliche Los anderer Gemeinschaften östlicher Riten in Mittel- und Osteuropa geteilt hat und, von dem damaligen totalitären Regime offiziell aufgehoben, jetzt wieder ersteht und immer reichlichere Erachte trägt. Wir sind Zeugen davon, daß der Geist Christi aufs neue „durch verschlossene Türen hindurch“ eingedrungen ist und sich als „der Herr, der das Leben gibt“, erwiesen hat. 2. In dieser kostbaren Zeit der wiedererlangten Lreiheit seid ihr nun schon zum dritten Mal zum Sitz des Petras gekommen, um mich an euren Hoffnungen und Sorgen teilnehmen zu lassen und mir von dem, was ihr unternommen habt, zu berichten. Ich weiß, daß das Hauptmotiv dieses eures Besuches in der Ewigen Stadt der Wunsch ist, den gemeinsamen Dank und die Lreude eurer Kirche - welche die griechisch-katholische genannt wird - über die Ernennung des neuen Metropoliten und dreier weiterer Bischöfe zum Ausdruck zu bringen. Es ist tatsächlich ein Ereignis von besonderer Bedeutung für das Leben der einzelnen Erwählten wie für das der ganzen Kirche. Es ist eine besondere Gnade für das ganze Gottesvolk, denn jeder Bischof ist ja ein Bild Christi und „Pneumatdphöros“ - Träger des Heiligen Geistes. Deshalb heißt es in den pastoralen Richtlinien Ecclesiae imago, daß der Bischof „wahrhaft der Angelpunkt, die Schlüsselfigur, die ausstrahlende und verbindende Lebensmitte der Diözese“ ist, die er „in sichtbarer Harmonie aufbaut“ (Enchiridion Vaticanum 4, 1483). Sucht diese eure Berufung ganz zu leben in der Feier der sakramentalen Geheimnisse, in der Verkündigung des Heilswortes und im Ausüben der Charismen, die dem Bischofsamt eigen sind. Denkt daran, daß ein reiches Erbe an Glauben und Opfer in eure Hände gelegt ist, eine wahrhaft kostbare Perle, auf die die ganze Kirche stolz ist. Davon muß heute 1452 AD-LIM1NA-BESUCHE eine neue Etappe auf dem Weg des Zeugnisses für das Evangelium des Herrn ihren Ausgang nehmen. 3. Dir, ehrwürdiger Bruder Lucian Muresan, Metropolitanerzbischof von Fagaras und Alba Julia, obliegt die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit den anderen Brüdern im Bischofsamt die ganze griechisch-katholische rumänische Kirche zu einen und ihr die notwendige Lebendigkeit sowie eine wiedererstarkte kanonische und liturgische Identität zu vermitteln, damit dieser Teil des Gottesvolkes beständig zu einem geistigen Gebäude heranwachse, in welchem die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Gottes wahrhaft gegenwärtig und wirksam ist. Dieses Werk läßt nicht nur die gebührende Treue zur Tradition und zu den gegenwärtigen kirchenrechtlichen Normen geraten scheinen, sondern auch die Bildung eines tiefen Bewußtseins, daß gemeinsames Handeln und der Austausch von Ideen und Energien noch reichlichere Früchte bringt. „Du, mein Sohn, sei stark in der Gnade, die dir in Christus Jesus geschenkt ist. Was du vor vielen Zeugen von mir gehört hast, das vertrau zuverlässigen Menschen an, die fähig sind, auch andere zu lehren“ (2 Tim 2,1-2). Ich bewahre noch lebhaft euren Besuch vom vergangenen Jahr im Gedächtnis und die Beschlüsse, die ihr damals ausgearbeitet habt, um den derzeitigen Prozeß des Wiedererstehens und der Erneuerung eurer Kirche „sui iuris“ wirksamer und in besserer Übereinstimmung mit den allgemeinen Leitlinien der Universalkirche zu gestalten. Es wurde bei anderer Gelegenheit bereits auf einige Prioritäten hingewiesen, die diesen erfreulichen Frühling eurer Kirche leiten müssen, nämlich: das Sicherstellen einer angemessenen Ausbildung des Klerus mit Hilfe von zuverlässigen Lehrern des Glaubens, Experten der östlichen Tradition; größte Aufmerksamkeit für die Heihge Liturgie, vor allem eine bessere Kenntnis und vorbildliche Feier derselben wie auch das Bereitstellen der liturgischen Bücher; Einsatz auf dem Gebiet des Ökumenismus, um die volle Einheit unter den Christen wiederherzustellen; eine Seelsorge, die auf die Welt der Jugend ausgerichtet ist, auf die jungen Menschen, die das Herz voller Erwartungen haben und berufen sind, die Zukunft der Kirche und eures rumänischen Vaterlandes zu sein. In diesen Tagen habt ihr bei einem neuen Treffen, das im Vatikan von der Kongregation für die Orientalischen Kirchen veranstaltet wird, Gelegenheit, gemeinsam zu sehen, was seither schon getan wurde und wieviel noch dringend auf seine Verwirklichung wartet. Sehr bedauert wird z. B. das Fehlen von Stätten für den Gottesdienst, da bisher die ersehnte Rückgabe aller eurer Kathedralkirchen noch nicht erfolgt ist. 4. Mit wirklicher Freude habe ich die Berichte über die Begegnungen und Arbeitsbeziehungen zwischen eurer Kirche und der Orthodoxen Kirche Rumäniens vernommen. Ich bin überzeugt, daß dieser Weg - wenn er auch notwendigerweise von beiden Seiten Demut, Mut und Liebe erfordert - die einzige Art und Weise ist, um Wunden der Vergangenheit zum Heilen zu bringen und ,jene brüderlichen Bande der Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe, ... die zwischen Lokalkir- 1453 AD-LIMINA-BES U CHE chen als Schwesterkirchen bestehen müssen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 14), neu zu beleben. Kardinal Achille Silvestrini möchte ich meine Wertschätzung für alle Initiativen zum Ausdruck bringen, die die Kongregation für die Orientalischen Kirchen im vergangenen Jahr zugunsten der Ausbildung des griechisch-katholischen rumänischen Klerus unternommen hat: sowohl für die Vorbereitung der Priesterkandidaten als auch für die Weiterbildung der Priester und für die Erneuerung der Liturgie. Eine intensive Zusammenarbeit der rumänischen Hierarchie mit dem Dikaste-rium für die orientalischen Katholiken möge - das ist mein Wunsch - das Erreichen so sehr ersehnter Ziele beschleunigen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß die jungen Männer, die sich bei euch auf das Priestertum vorbereiten, ihre Ausbildung nach der von der Kongregation ausgearbeiteten Studienordnung absolvieren können. Das wird eine weitere Anstrengung erfordern, aber die Ergebnisse werden sicherlich fruchtbar sein, vor allem im Hinblick auf jene volle orientalische Identität, an der uns so viel hegt. 5. Im vergangenen Jahr hat auch ein Ereignis von großer Bedeutung stattgefunden: die neunte Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode, die dem gottgeweihten Leben und seiner Sendung in Kirche und Welt gewidmet war. Auch euer verehrter Metropolit hat an den Arbeiten der Synode teilgenommen. Die göttliche Vorsehung hat die rumänische griechisch-katholische Kirche mit dem kostbaren Geschenk der Anwesenheit zahlreicher orientalischer und lateinischer Ordensinstitute bereichern wollen. Sie sollen mit allen Mitteln unterstützt werden, damit sie nach ihrer eigenen Art und spezifischen Berufung leben und sich unbesorgt entfalten können stets im Dienst der Gemeinschaften, für die sie arbeiten, und in voller Beachtung der Identität eurer Kirche. Zugleich meine ich, ein neues Aufblühen des monastischen Lebens als grundlegendes Element der orientalischen Identität und ökumenische Brücke zur orthodoxen Kirche mit ihrer blühenden monastischen Präsenz wäre ein großes Geschenk. In diesem Sinn bitte ich euch, das vielversprechende Interesse für das Mönchtum, das in euren Gemeinschaften zu keimen beginnt und das die vergangene Bischofssynode über das gottgeweihte Leben so lebhaft gewünscht hat (vgl. Nuntius, VII), anzunehmen und zu nutzen. 6. Um zu euren Eparchien zurückzukehren, bitte ich euch nun, allen meine herzlichen Grüße zu übermitteln - mit einem besonderen Gedanken an den geliebten Kardinal Alexandra Todea, der mit seinem stillen Gebet und seinem Leiden Zeuge eurer apostolischen Bemühungen ist und in großer Treue daran Anteil nimmt. Überbringt auch euren Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen, den Seminaristen und den Gläubigen der geschätzten griechisch-katholischen Kirche meinen Graß. Mein herzliches und beständiges Gebetsgedenken gilt allen Einwohnern Rumäniens. Mit diesen Gefühlen tiefer Gemeinschaft erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen. 1454 Erklärungen der Kongregationen und der Räte KONGREGATIONEN Mitteilung der Kongregation für die Glaubenslehre betreffend Vassula Ryden vom 6. Oktober Viele Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien wenden sich an diese Kongregation mit der Bitte um ein maßgebendes Urteil über die Tätigkeit der in der Schweiz ansässigen griechisch-orthodoxen Frau Vassula Ryden, die weltweit in katholischen Gebieten ihre Worte und ihre Schriften als angeblich vom Himmel offenbarte Botschaften verbreitet. Eine von dieser Kongregation vorgenommene aufmerksame und objektive Untersuchung in der Absicht, „die Geister zu prüfen, ob sie aus Gott sind“ (vgl. 1 Joh 4,1), hat - neben positiven Aspekten -ein Gesamtbild von wesentlichen Elementen gezeigt, die im Licht der katholischen Lehre als negativ betrachtet werden müssen. Abgesehen davon, daß der verdächtige Charakter der Art und Weise, mit der diese angeblichen Offenbarungen geschehen, im Auge zu halten ist, ist es geboten, auch einige in ihnen enthaltene doktrinäre Irrtümer hervorzuheben. Unter anderem wird in zweideutiger Ausdrucksweise von den Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit gesprochen. Das geht so weit, daß die kennzeichnenden Namen und Funktionen der göttlichen Personen verwechselt werden. In diesen angeblichen Offenbarungen wird eine drohende Periode der Vorherrschaft des Antichristen innerhalb der Kirche angekündigt. In chiliastischer Weise wird ein entscheidendes und glorreiches Eingreifen Gottes prophezeit, der im Begriff sei, auf Erden noch vor der endgültigen Ankunft Christi ein Zeitalter des Friedens und des allgemeinen Wohlergehens zu errichten. Im übrigen wird in nächster Zukunft eine Kirche erwartet, die eine Art panchristlicher Gemeinschaft wäre im Gegensatz zur katholischen Lehre. Die Tatsache, daß in den späteren Schriften der Ryden die obengenannten Irrtümer nicht mehr erscheinen, ist ein Zeichen dafür, daß es sich bei den angeblichen „himmlischen Botschaften“ nur um die Frucht privater Meditationen handelt. Im übrigen ruft Frau Ryden, die gewöhnlich an den Sakramenten der katholischen Kirche teilnimmt, obschon sie griechisch-orthodox ist, mancherorts in katholischer Umgebung nicht wenig Verwunderung hervor. Sie scheint sich über jede kirchliche Jurisdiktion und jede kirchenrechtliche Regelung zu stellen und verursacht faktisch eine ökumenische Unordnung, die bei nicht wenigen Autoritäten, Geistlichen und Gläubigen ihrer eigenen Kirche Mißfallen hervorruft, da sie sich außerhalb der Disziplin dieser Kirche stellt. In Anbetracht dessen, daß, trotz einiger positiver Aspekte, die Aktivitäten von Vassula Ryden sich negativ auswirken, ersucht diese Kongregation, daß die Bischöfe entschreiten, ihre Gläubigen angemessen informieren und in ihren Diözesen keine Ausbreitung der Ryden'sehen Ideen gestatten. Sie fordert schließlich alle Gläubigen auf, die Schriften und die Interventionen von Frau Vassula Ryden 1457 KONGREGATIONEN nicht als übernatürlich zu betrachten und den Glauben, den der Herr der Kirche anvertraut hat, rein zu bewahren. Aus der Vatikanstadt, den 6. Oktober 1995 Antwort auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis vorgelegten Lehre Kongregation für die Glaubenslehre vom 28. Oktober Zweifel: Ob die Lehre, die im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis als endgültig zu haltende vorgelegt worden ist, nach der die Kirche nicht die Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, als zum Glaubensgut gehörend zu betrachten ist. Antwort: Ja. Diese Lehre fordert eine endgültige Zustimmung, weil sie, auf dem geschriebenen Wort Gottes gegründet und in der Überlieferung der Kirche von Anfang an beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und universalen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 25,2). Aus diesem Grund hat der Papst angesichts der gegenwärtigen Lage in Ausübung seines eigentlichen Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), die gleiche Lehre mit einer förmlichen Erklärung vorgelegt in ausdrücklicher Darlegung dessen, was immer, überall und von allen Gläubigen festzuhalten ist, insofern es zum Glaubensgut gehört. Papst Johannes Paul II. hat in der dem Unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz die vorliegende Antwort, die in der ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden war, gebilligt und zu veröffentlichen angeordnet. Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, den 28. Oktober 1995, am Fest der Hll. Apostel Simon und Judas. + Joseph Kardinal Ratzinger, Präfekt + Tarcisio Bertone SDB em. Erzbischof von Vercelli, Sekretär 1458 KONGREGATIONEN Zur Antwort der Glaubenskongregation über die im Apostolischen Schreiben ÖRDINATIO Sacerdotalis vorgelegte Lehre Anläßlich der Veröffentlichung der Antwort der Kongregation für die Glaubenslehre zu einem Zweifel bezüglich des Grundes, dessentwegen die im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis dargelegte Lehre als endgültig zu haltende („definitive tenenda“) zu betrachten ist, scheinen einige Überlegungen angebracht. Die ekklesiologische Bedeutung des genannten Apostolischen Schreibens wurde schon durch das Datum der Veröffentlichung unterstrichen: An diesem Tag, dem 22. Mai 1994, kehrte das Pfingstfest wieder. Diese Bedeutung konnte man aber vor allem in den abschließenden Worten des Schreibens entdecken: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (Nr. 4). Das Eingreifen des Papstes war notwendig geworden nicht bloß, um die Gültigkeit einer Disziplin, die von der Kirche von Anfang an befolgt worden war, einzuschärfen, sondern um eine Lehre (vgl. Nr. 4) zu bestätigen, die „von der beständigen und umfassenden Überlieferung der Kirche bewahrt“ und „vom Lehramt in den Dokumenten der jüngeren Vergangenheit mit Beständigkeit gelehrt worden ist“ - eine Lehre, die „die göttüche Verfassung der Kirche selbst betrifft“ (ebd.). In diesem Sinn wollte der Heilige Vater klären, daß man die Lehre über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe nicht für „diskutierbar“ halten und daß man dieser Entscheidung der Kirche nicht „lediglich eine disziplinäre Bedeutung“ {ebd.) zuschreiben dürfte. In der Zeit, die seit der Veröffentlichung des Schreibens verstrichen ist, haben sich dessen Früchte gezeigt. Viele Gewissen, die sich guten Glaubens vielleicht sehr vom Zweifel der Unsicherheit erschüttern ließen, haben dank der Lehre des Heiligen Vaters die innere Ruhe wiedergefunden. Doch ist die Unschlüssigkeit nicht geringer geworden - nicht nur von seiten jener, die dem katholischen Glauben femstehen und das Bestehen einer Lehrautorität in der Kirche, nämlich des sakramental mit der Autorität Christi ausgestatteten Lehramtes (vgl. Lumen Gentium, Nr. 21), nicht annehmen, sondern auch von einigen Gläubigen, die nach wie vor der Meinung sind, daß der Ausschluß vom Amtspriestertum eine Ungerechtigkeit oder eine Diskriminierung den Frauen gegenüber darstelle. Manche wenden ein, aus der Offenbarung gehe nicht hervor, daß ein derartiger Ausschluß Wille Christi für seine Kirche gewesen sei; und andere fragen sich, welche Zustimmung der Lehre des Schreibens geschuldet ist. Gewiß können die Gründe, deretwegen die Kirche nicht die Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, noch vertieft werden; Gründe wurden bereits vor- 1459 KONGREGATIONEN getragen zum Beispiel in der von Paul VI. gebilligten Erklärung Inter insigniores (15.10.1976) von der Kongregation für die Glaubenslehre und in verschiedenen Dokumenten von Johannes Paul II. (wie etwa im Apost. Schreiben Christifideles laici, Nr. 51; und im Apost. Schreiben Mulieris dignitatem, Nr. 26) sowie im Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1577. In jedem Fall darf aber nicht vergessen werden, daß die Kirche als eine absolut fundamentale Wahrheit christlicher Anthropologie die gleiche personale Würde von Mann und Frau lehrt - sowie die Notwendigkeit, „jede Art von Diskriminierung in den fundamentalen Rechten“ (Konst. Gaudium et spes, Nr. 29) überwinden und zu beseitigen. Im Ficht dieser Wahrheit kann man versuchen, die Fehre besser zu verstehen, gemäß der die Frau die Priesterweihe nicht empfangen kann. Eine korrekte Theologie kann weder von der einen noch von der anderen Lehre absehen, sondern muß beide zusammensehen; nur dann wird sie die Pläne Gottes über die Frau und über das Priestertum -und dann auch über die Sendung der Frau in der Kirche - vertiefen können. Wenn jedoch jemand, der sich vielleicht zu sehr von der Mode oder vom Zeitgeist bestimmen läßt, die Behauptung aufstellte, die beiden Wahrheiten widersprächen einander, wäre der Weg eines Fortschrittes in der Erkenntnis des Glaubens verloren. Im Schreiben Ordinatio sacerdotalis richtet der Papst seine Betrachtung in para-digmatischer Weise auf die Person der seligen Jungfrau Maria, der Mutter Gottes und Mutter der Kirche: Die Tatsache, daß sie „nicht den eigentlichen Sendungsauftrag der Apostel und auch nicht das Amtspriestertum erhalten hat, zeigt mit aller Klarheit, daß die Nichtzulassung der Frau zur Priesterweihe keine Minderung ihrer Würde und keine Diskriminierung ihr gegenüber bedeuten kann“ (Nr. 3). Die Verschiedenheit in bezug auf die Sendung verletzt nicht die Gleichheit in der personalen Würde. Um zu verstehen, daß es sich hier nicht um eine Ungerechtigkeit oder Diskriminierung den Frauen gegenüber handelt, muß man zudem auch die Natur des prie-sterlichen Amtes betrachten, das ein Dienst ist und nicht eine Position menschlicher Macht oder eines Vorranges über andere. Wer, ob Mann oder Frau, das Priestertum als persönliche Bestätigung, als Ziel oder gar als Ausgangspunkt einer menschlichen Erfolgskarriere versteht, unterliegt einem grundlegenden Irrtum, denn die wahre Bedeutung des christlichen Priestertums - sowohl des gemeinsamen Priestertums der Gläubigen als auch in ganz besonderer Weise des Amtsprie-stertums - kann man nur in der Hingabe der eigenen Existenz in Vereinigung mit Christus zum Dienst am Nächsten finden. Das priesterliche Amt kann nicht das allgemeine Ideal und noch weniger das Ziel des christlichen Lebens sein. In diesem Sinn ist es nicht überflüssig, noch einmal zu wiederholen, daß „das einzige höhere Charisma, das sehnlichst erstrebt werden darf und soll, die Liebe ist (vgl. 1 Kor 12-13)“ (Erklärung Inter insigniores, VI). Was die Grundlage in der Heiligen Schrift und in der Tradition anbelangt, weist Johannes Paul H. darauf hin, daß Jesus nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes 1460 KONGREGATIONEN nur Männer, und nicht Frauen, zum Weiheamt berief, und daß die Apostel „das gleiche taten, als sie Mitarbeiter wählten, die ihnen in ihrem Amt nachfolgen sollten“ (Apost. Schreiben Ordinatio sacerdotalis, Nr. 2; vgl. 1 Tim 3,1 ff., 2 Tim 1,6; Tit 1,5). Es gibt gültige Argumente dafür, daß die Vorgehensweise Christi nicht durch kulturelle Gründe bedingt war (vgl. Ordinatio sacerdotalis, Nr. 2), so wie auch hinreichende Gründe dafür vorhanden sind, daß die Tradition die vom Herrn getroffene Wahl als für die Kirche aller Zeiten bindend ausgelegt hat. Hier stehen wir aber bereits vor der wesentlichen gegenseitigen Abhängigkeit von Heiliger Schrift und Tradition, einer Wechselbeziehung, die diese beiden Arten der Weitergabe des Evangeliums zu einer untrennbaren Einheit verbindet - zusammen mit dem Lehramt, das wesentlicher Bestandteil der Tradition und authentische Interpretationsinstanz des geschriebenen und überlieferten Wortes Gottes ist (vgl. Konst. Dei Verbum, Nm. 9. 10). Im spezifischen Fall der Priesterweihen haben die Nachfolger der Apostel stets die Norm befolgt, die Priesterweihe nur Männern zu spenden, und mit dem Beistand des Heiligen Geistes lehrt uns das Lehramt, daß dies nicht aus Zufall, nicht aus gewohnheitsmäßiger Wiederholung, nicht aus Abhängigkeit von den sozialen Bedingtheiten und noch weniger aus einer angeblichen Unterlegenheit der Frau kommt, sondern weil „die Kirche stets als feststehende Norm die Vorgehensweise ihres Herrn bei der Erwählung der zwölf Männer anerkannt hat, die er als Grundsteine seiner Kirche gelegt hatte“ (Apost. Schreiben Ordinatio sacerdotalis, Nr. 2). Bekanntlich gibt es Angemessenheitsgründe, mit denen die Theologie die Vernünftigkeit des Willens des Herrn zu verstehen suchte und sucht. Solche Gründe, die man etwa in der Erklärung Inter insigniores dargelegt findet, haben ohne Zweifel ihren Wert, sind aber nicht entworfen oder angewandt, als ob sie logische Aufweise oder zwingende Ableitungen von absoluten Prinzipien wären. Es ist jedoch wichtig, sich vor Augen zu halten, daß der menschliche Wille Christi nicht bloß nicht willkürlich ist, wie diese Angemessenheitsgründe in der Tat zu verstehen helfen, sondern daß er zutiefst mit dem göttlichen Willen des ewigen Sohnes vereint ist, von dem die ontologische und anthropologische Wahrheit der Schöpfung der beiden Geschlechter abhängt. Angesichts des klaren Lehraktes des Papstes, der ausdrücklich an die ganze katholische Kirche gerichtet ist, haben alle Gläubigen ihre Zustimmung zur darin enthaltenen Lehre zu geben. Diesbezüglich hat die Kongregation für die Glaubenslehre mit päpstlicher Billigung eine offizielle Antwort über die Natur dieser Zustimmung vorgelegt. Es handelt sich um eine volle definitive, d. h. unwiderrufliche Zustimmung zu einer von der Kirche unfehlbar vorgelegten Lehre. Wie nämlich die Antwort erklärt, leitet sich dieser endgültige Charakter von der Wahrheit der Lehre selber ab, denn - im geschriebenen Wort Gottes gegründet und von der Tradition der Kirche beständig bewahrt und angewandt - ist sie unfehlbar vom ordentlichen universalen Lehramt vorgetragen worden (vgl. Konst. Lumen Gentium, Nr. 25). Darum klärt die Antwort, daß diese Lehre zum Glaubensgut der Kir- 1461 KONGREGATIONEN che gehört. Es wird also unterstrichen, daß der endgültige und unfehlbare Charakter dieser Lehre der Kirche nicht dem Schreiben Ordinatio sacerdotalis entspringt. Wie ebenso die Antwort der Kongregation für die Glaubenslehre erläutert, hat der Papst in diesem Schreiben angesichts der gegenwärtigen Lage diese Lehre durch eine förmliche Erklärung bekräftigt - in neuerlicher Darlegung dessen, was immer, überall und von allen zu halten ist, insofern es zum Glaubensgut gehört. In diesem Fall bekundet ein Akt des ordentlichen päpstlichen Lehramtes, der in sich selbst nicht unfehlbar ist, den unfehlbaren Charakter der Darlegung einer Lehre, die die Kirche schon besitzt. Schließlich wurde in einigen Kommentaren zum Schreiben Ordinatio sacerdotalis behauptet, daß dieses ein weiteres und nicht angebrachtes Hindernis auf dem ohnedies schwierigen Weg der ökumenischen Bewegung bilde. Diesbezüglich darf nicht vergessen werden, daß der authentische ökumenische Einsatz, den die katholische Kirche nicht abbrechen will und nicht abbrechen kann, gemäß dem Buchstaben und dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (vgl. Dekret Uni-tatis redintegratio, Nr. 11) volle Aufrichtigkeit und Klarheit in der Darlegung der Identität des eigenen Glaubens verlangt. Zudem muß betont werden, daß die im Schreiben Ordinatio sacerdotalis wieder vorgelegte Lehre nicht anders als hilfreich sein kann bei der Suche nach der vollen Gemeinschaft mit den orthodoxen Kirchen, die in Übereinstimmung mit der Tradition dieselbe Lehre in Treue gewahrt haben und wahren. Die einzigartige Originalität der Kirche und des Amtspriestertums in ihrem Inneren erfordert genaue und klare Kriterien. Konkret darf man nie aus den Augen verlieren, daß die Kirche die Quelle des eigenen Glaubens und der eigenen konstitutiven Struktur nicht in den Prinzipien des sozialen Lebens eines jeden geschichtlichen Momentes findet. Obwohl die Kirche mit Aufmerksamkeit auf die Welt blickt, in der sie lebt und für deren Heil sie wirkt, ist sie sich bewußt, Trägerin einer höheren Treue zu sein, an die sie gebunden ist. Es handelt sich um die radikale Treue zum Wort Gottes, das sie von derselben Kirche empfangen hat, die Jesus Christus bis zum Ende der Zeiten gegründet hat. Indem dieses Wort Gottes den wesentlichen Wert und die ewige Bestimmung jeder Person verkündet, offenbart es das letzte Fundament der Würde jedes Menschen, jeder Frau und jedes Mannes. 1462 KONGREGATIONEN Internationales Symposion zum 30. Jahrestag des Konzilsdekrets Presbyterorum Ordinis Schlußbotschaft an alle Priester der Welt Kongregation für den Klerus vom 28. Oktober Seit dreißig Jahren kennzeichnet das Konzilsdekret Presbyterorum ordinis den Weg der Kirche, um die Identität, den Dienst und das Leben der Priester auf der ganzen Welt zu definieren und spiegelt die Freuden, die Hoffnungen, die Schwierigkeiten und Beunruhigungen der Priester wider, die ihr Leben Christus, dem Haupt und Ewigen Hohenpriester, sowie der Kirche geweiht haben. Durch den Wunsch des Heiligen Vaters ermutigt, haben wir Teilnehmer an diesem von der Kongregation für den Klerus anläßlich des 30. Jahrestages der Promulgation des Konzilsdekretes Presbyterorum ordinis veranstalteten Internationalen Symposions über die Gestalt des Priesters nachgedacht, der sich an der Schwelle des dritten Jahrtausends für die Neuevangelisierung einsetzt. In Gebet, Reflexion und gegenseitigem Gedankenaustausch - cum Petro et sub Petro - haben wir an alle Priester gedacht, die in stiller täglicher Arbeit mit Freude ihr Priesteramt im Dienst der christlichen Gemeinden ausüben. Vor allem waren uns jene Priester im Herzen und in Gedanken gegenwärtig, die einsam, von Krankheit oder Alter geprüft sind, die Priester, die verfolgt werden oder Opfer von Krieg und Gewalt sind, und die Priester, die aus irgendwelchen Gründen unter mancherlei Schwierigkeiten ihren Dienst für Gott und die Kirche leben. Die Anwesenheit der Vorsitzenden der Bischofskommissionen für den Klerus auf der ganzen Welt und der von diesen Bischofskonferenzen delegierten Priester hat unser Vertrauen auf Christus, den Herrn und Meister, den Mittelpunkt und das Ziel der Geschichte und den Herrn der Zeit erneuert. Wir sind uns bewußt, es fehlt nicht an Schwierigkeiten und Herausforderungen. Das Zeitgeschehen der letzten dreißig Jahre und das Nahen des dritten Jahrtausends der christlichen Ära ruft alle Priester auf den Plan, Boten der Neuevangelisierung und unerschrockene Zeugen der Liebe zu werden, mit der Gott jedes Geschöpf liebt, und sich bereitwillig und freudig in täglicher Treue dem Herrn der Ernte zur Verfügung zu stellen. Wir bekräftigen, daß die Arbeit der Priester in der Kirche und in der Welt unersetzlich und notwendig ist. Als Diener der Eucharistie, Spender der Barmherzigkeit Gottes im Sakrament der Versöhnung, Trostspender für die Seelen und Führer für alle Gläubigen in den Stürmen und Schwierigkeiten des Lebens handeln die Priester im Auftrag und „ in persona Christi Capitis Bei diesem Symposion ist es uns noch mehr zum Bewußtsein gekommen, daß wir beständig weitergehen müssen auf dem Weg zur vollkommenen Verwirklichung unserer priesterlichen Identität. Unsere Spiritualität drängt uns dazu, in Gott unseren Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu erneuern. 1463 KONGREGATIONEN Wir sind überzeugt, daß die dauernde Weiterbildung eine vorrangige und dringende Aufgabe ist. Als beauftragte Diener müssen wir im Worte Gottes verwurzelt von Tag zu Tag an Glauben und Gnade zunehmen um echte Zeugen des Evangeliums zu sein. Als Diener an der Gemeinschaft müssen wir uns persönlich und-gemeinsam beständig mehr in den Dienst der Kirche integrieren, die die Familie der Gotteskinder ist. Als gesandte Diener sind wir berufen, mit großem Eifer auf die Zeichen der Zeit Antwort zu geben und zu versuchen, nach den Unterscheidungsmerkmalen des Evangeliums die kulturellen und sozialen Verhältnisse, die einem raschen Wechsel unterliegen und unsere Sendung zum Dienst an der ganzen Menschheit herausfordem, zu verstehen und zu beurteilen. In unserer hochherzigen, ernsthaften und ständigen Hingabe werden wir stets die Gewißheit haben, daß uns die Berufung in unserem Leben unverdient zuteil geworden ist, und wir werden entdecken, daß Entmutigung nicht am Platz ist und daß unser Dienst immer ein freudvolles Geschenk bildet, das die Liebe und den Segen Gottes herabruft. Deshalb - danken wir, Bischöfe und Priester, Vertreter der Bischofskonferenzen der Welt, die wir hier im Vatikan versammelt sind, um des 30. Jahrestages der Promulgation des Konzilsdekretes Presbyterorum ordinis zu gedenken, für die uns vom Heiligen Vater und von der Kongregation für den Klerus gebotene Gelegenheit, uns in vertiefender Weise mit dem Konzilsdokument zu beschäftigen und dabei den Weg des Lehramtes in diesen dreißig Jahren im Auge zu behalten, - stellen wir mit Freude fest, daß die Arbeiten sich in einer Atmosphäre echter Gemeinschaft und priesterlicher Brüderlichkeit vollzogen haben und daß die behandelten Themen reich an theologischem, spirituellem und pastoralem Lehrgehalt waren, - wenden wir uns mit der folgenden Botschaft an alle Priester der Welt und schlagen ihnen folgende Punkte zum Überdenken vor: Identität des Priesters Da das Amt der Priester dem Bischofsstand verbunden ist, nimmt es an der Vollmacht teil, mit der Christus selbst seinen Leib auferbaut, heiligt und leitet. Darum setzt das Priestertum der Amtspriester zwar die christlichen Grundsakramente voraus, wird aber durch ein eigenes Sakrament übertragen. Dieses zeichnet die Priester durch die Salbung des Heiligen Geistes mit einem besonderen Prägemal und macht sie auf diese Weise dem Priester Christus gleichförmig, so daß sie in der Person des Hauptes Christus handeln können. Presbyterorum Ordinis, Nr. 2 1464 KONGREGATIONEN Das Wissen um das Wesen und die Sendung des priesterlichen Dienstamtes ist die unverzichtbare Voraussetzung und zugleich die sicherste Führung und der entschiedenste Ansporn, um in der Kirche den pastoralen Einsatz für die Förderung und das Erkennen der Priesterberufe und für die Ausbildung der bereits zum geweihten Amt Berufenen zur Entfaltung zu bringen. Pastores dabo vobis, Nr. 11 Daher macht das Amtspriestertum das eigene Tun Christi, des Hauptes, greifbar und bezeugt damit, daß Christus seine Kirche nicht verlassen hat, sie vielmehr mit seinem immerwährenden Priestertum weiterhin belebt. Direktorium für Dienst und Leben der Priester, Nr. 1 Damit der Priester in den augenblicklichen sozialen und kulturellen Verhältnissen Salz und Sauerteig sein kann, erscheint ein vertieftes Bewußtsein von der priesterlichen Identität angebracht. Das klare und beständige Bewußtsein der eigenen Identität bestimmen die Ausgeglichenheit im Priesterleben und die daraus folgende Fruchtbarkeit des pastoralen Dienstes. Auf dieses Ziel hin werden folgende Vorschläge gemacht: 1. Vor allem fordern wir die Priester auf, sie mögen in einer Atmosphäre innerer Stille vor Gott über die Tatsache nachdenken, daß ihre Berufung ein Geschenk und ein Geheimnis ist: ein Geschenk, für das es zu danken, und ein Geheimnis, das es zu entdecken und zu schätzen gilt. 2. Zur Erfüllung dieser Berufung ist es wesentlich notwendig, sich dem Bild Christi, des Priesters, gleichzugestalten, dessen besondere Züge sichtbar werden im Erweis der Treue und in der freudigen Selbsthingabe im Dienst. 3. Ein wichtiger und entscheidender Aspekt der priesterlichen Identität ist die kirchliche Dimension, deren Ausdruck die geistliche Gemeinsamkeit und die sakramentale Brüderlichkeit ist, die das Priestertum mit dem trinitarischen Leben, mit dem Bischof und den Mitbrüdem im Dienstamt in sichtbarer und bezeichnender Form in Gemeinschaft bringt. Eine Communio also, die als solche nicht auf Grund menschlichen Einvernehmens zustande kommt, sondern von Dem her, der die Wahrheit und die Liebe ist. 4. Die Bischöfe mögen ihren Priestern immer mehr Gelegenheiten zur Besinnung auf ihre priesterliche Identität anbieten und dazu die zu diesem Zweck am besten geeigneten Mittel benutzen: Einkehrtage, Tage zur Vertiefung und zur brüderlichen Begegnung, Konferenzen und Förderung einer ebenso achtungsvollen wie liebevollen Vertrautheit mit ihren Priestern. Besondere Aufmerksamkeit empfiehlt sich hinsichtlich angemessener Vorstellung aller die Priester betreffenden päpstlichen Dokumente und Dokumente der Dikasterien des Heiligen Stuhls sowie hinsichtlich der sorgfältigen Wahl der jeweiligen Referenten. 1465 KONGREGATIONEN 5. Die Lehre über die Sakramententheologie der Priesterweihe muß vertieft werden, sowohl im Seminar wie in den Programmen zur ständigen Weiterbildung. So erlangt der Priester nicht nur ein theoretisches Wissen, sondern auch eine konkrete Kenntnis seiner Identität, so daß die Theorie mit den Anforderungen des täglichen Lebens in Übereinstimmung kommt. 6. In diesen Zeiten des Lebens der Kirche und der Welt erhalten die evangelischen Räte Armut, Gehorsam und Keuschheit besondere Bedeutung. Hinsichtlich des Zölibats möchten wir anerkennen, daß er als Geschenk und Charisma angenommen und gelebt werden muß. Er ist nämlich von der gesamten Tradition geschätzt und es ist providentiell, daß ihn die lateinische Kirche als notwendige Voraussetzung für die Zulassung zum Presbyterat übernommen hat. Es handelt sich um ein wertvolles Geschenk, das der Herr seiner Kirche macht. Die Vertiefung seiner biblischen, theologischen und pastoralen Grundlagen in der vom Lehramt jüngst vorgegebenen Linie muß integrierender Bestandteil des Studiums und der Lehre über Identität und Spiritualität des Priestertums sein. Jene, die zu diesem Charisma berufen sind, sollen es mit Freude und im Geist der Dankbarkeit an den Herrn und der Ganzhingabe an die Mitmenschen leben. 7. In dieser Perspektive wird die kommende Vollversammlung der Kongregation für den Klerus über den Ständigen Diakonat dazu beitragen können, die Beziehung der Priester zu den anderen Weihegraden klarer zu umreißen. Auf diese Weise, werden sich weitere Elemente für die Darstellung und das Verständnis der Identität des Priesters ergeben. 8. Erfordert ist eine vertiefte theologische Reflexion, die sich die Traditionen hinsichtlich der Identität, der Spiritualität und des Pastoraldienstes der Priester der katholischen Kirche und der ehrwürdigen Kirchen des Ostens vergegenwärtigt, damit auch auf diesem Gebiet der erwünschte Austausch der Gaben und die Gemeinsamkeit der Absichten zustande komme. 9. Zur Zeit ist es dringend notwendig, auf theologischer und praktischer Ebene den Unterschied zwischen dem Priestertum der Getauften und dem Weihepriestertum tiefer zu klären. Da in manchen Ländern wegen des Priestermangels immer mehr Diakone, Ordensleute und Laien an der Leitung von Pfarrgemeinden beteiligt sind, ist es notwendig, Normen zum richtigen Verständnis und zur Anwendung von Canon 517,2 des CIC auszuarbeiten. Diesbezüglich ist ein klares, kurzes und praktisches Dokument erwünscht, das in voller Bewertung jeder Berufung und der notwendigen Integralität des priesterlichen Dienstes die apostolische Fruchtbarkeit der Neuevangelisierung sicherstellt. 10. Unter Anerkennung der von verdienstvollen Ordensangehörigen geleisteten wertvollen Arbeit ist im Bereich der Ausbildung der zukünftigen Diözesanpriester, soweit möglich - und mit Rücksicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse -eine stärkere Präsenz des Diözesanklerus im Ausbilderteam angemessen, um ein 1466 KONGREGATIONEN persönliches und lebendiges Zeugnis vom Geist und dem besonderen Charisma der in eine bestimmte Diözese eingefügten Priesterschaft zu gestatten. Die Sendung und der Dienst des Priesters in der Kirche und in der sich wandelnden Welt zu einer Neuevangelisierung Die Priester üben entsprechend ihrem Anteil an der Vollmacht das Amt Christi, des Hauptes und Hirten, aus. Sie versammeln im Namen des Bischofs die Familie Gottes, die als Gemeinschaft von Brüdern nach Einheit verlangt, und führen sie durch Christus im Geist zu Gott dem Vater. Wie zu den übrigen priesterlichen Ämtern wird auch zu diesem eine geistliche Vollmacht verliehen, die zur Auferbauung gegeben wird (Vgl. 2 Kor 10,8; 13,10). Presbyterorum Ordinis, Nr. 6 Darum sind die Priester aufgerufen, die Gegenwart Christi, des einen Hohenpriesters, dadurch fortzusetzen, daß sie seinen Lebensstil mit ihrem Leben bezeugen und in der ihnen anvertrauten Herde gleichsam an sich selbst transparent werden lassen. Pastor es dabo vobis, 15 Der Priester ist als sichtbare Weiterführung und sakramentales Zeichen Christi, der selbst sowohl der Kirche als auch der Welt als dauernder und immer neuer Ursprung des Heils gegenübersteht, in die trinitarische Heilsdynamik mit einer besonderen Verantwortung eingefügt. Seine Identität entspringt dem „ ministerium verbi et sacramentorum “. Direktorium, Nr. 4 Im Blick auf die Ekklesiologie der Gemeinschaft, in der der priesterliche Dienst gesehen werden muß, wurden einige Vorschläge gemacht, um das missionarische Handeln, das bei der Neuevangelisierung an der Schwelle des dritten Jahrtausends geboten ist, wirksamer zu gestalten. 1. Ein apostolisches Bemühen, das nachhaltig wirken soll, erfordert ein schöpferisches, für die Pläne des Herrn wirklich offenes Arbeitsprogramm. Dieses Programm müßte auf der Ebene sowohl der Bischofskonferenzen wie der Diözesen, der Pfarreien und Gemeinschaften durchgeführt werden. Wenn einmal die Linien für die Arbeit in Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche bestimmt sind, ist es ebenso unerläßlich, genaue Termine für das Erreichen der abgesteckten Ziele festzulegen und die Fortschritte, die gemacht wurden, periodisch zu überprüfen. 2. Im Kontext jeder pastoralen Tätigkeit muß die Berufungspastoral einen bevorzugten Platz einnehmen. Darum wird vorgeschlagen, daß in jeder Diözese einige Priester sich hauptamtlich den für das Kleine Seminar wie auch den für das Große 1467 KONGREGATIONEN Seminar bestimmten Berufungen widmen. Das alles in dem tiefen Bewußtsein der Tatsache, daß die Berufungen ein Geschenk Gottes sind, die das ganze Volk Gottes in beständigem Gebet erflehen muß und das vor allem durch die Heiligkeit des Klerus, die Beichtpastoral und die geistliche Leitung zu fördern ist (vgl. Direktoriumfiir den Dienst und das Leben der Priester, Nm. 53-54). 3. Um eine gegenseitige Anteilnahme im Apostolat zu begünstigen und um die gegenseitige Hilfe unter den Priestern in der Erfüllung ihrer Sendung anzuregen, wird vorgeschlagen, diözesane und interdiözesane (wenn möglich auch nationale und internationale) Strukturen von beispielhafter Treue gegenüber dem Lehramt und der kirchlichen Disziplin zu schaffen, die jedem Priester helfen, sich als Teil der Universalkirche zu fühlen. 4. In einer kulturellen Situation der Schwächung des Sinnes für ethische Unterscheidung ist die Bildung des Gewissens der Getauften grundlegender Bestandteil der pastoralen Sendung. Die Priester sollen sich besonders dafür einsetzen, mit Klarheit die Lehren der Kirche über Ehescheidung, Abtreibung und Euthanasie weiterzugeben. Demgemäß ist niemandem erlaubt, menschliches Leben zu töten, das als solches vom Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu betrachten ist. 5. Was das Verhältnis zu den Laien angeht, wird vorgeschlagen: a. in der Ausbildung der Priester: sie ganz besonders zur Teamarbeit vorzubereiten, die sie zusammen mit Laien zu verrichten haben. b. einige Priester zu bestimmen, die die Bildung der Laien übernehmen und sie in das apostolische Leben einfügen zur Animation im zeitlichen Bereich, und die ihnen beständig geistliche Aufmerksamkeit widmen; c. jeder Pfarrer möge ferner Personen ausfindig machen, vor allem unter der Jugend, die er zur Zusammenarbeit in der Pfarrei für geeignet hält. Dieses System erleichtert einerseits die Arbeitslast und bietet andererseits eine wertvolle Gelegenheit, solchen, die dafür empfänglich sind, ihre Verantwortung als Getaufte deutlicher bewußt zu machen oder auch gottgeweihtes Leben besser kennenzu-lemen. 6. Auf dem Gebiet der Massenmedien: Um aus diesem wirkmächtigen Mittel zur Evangelisierung Nutzen zu ziehen, müssen die Bischofskonferenzen bemüht sein, dazu besonders geeigneten Priestern und Laien berufsmäßig und wissenschaftlich die zur Ausübung dieses Dienstes notwendige Vorbereitung zu vermitteln. 7. In jeder Diözese und Pfarrei vergegenwärtige man sich all jene Erfordernisse, die eine ständig sich verändernde Gesellschaft kennzeichnen: Einwanderung, Tourismus, Kriegssituationen und Gewalt im allgemeinen, die verschiedenen Arten der Armut, angefangen bei der geistigen Armut, usw. Sie erfordern eine angemes- 1468 KONGREGATIONEN sene pastorale Antwort, immer in deutlicher Entsprechung zu der Heilssendung, die der Erlöser seiner Kirche übertragen hat. 8. Ohne jemals die Authentizität der Botschaft des Evangeliums aus den Augen zu verlieren und mit der nötigen Klugheit sollen jene Formen der Inkulturation im Licht der vollen Offenbarung in Christus gesucht werden, die die kulturellen Werte und die Charakteristiken jedes Volkes ausmachen. Die priesterliche Spiritualität „Ihr aber sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Mt 5,48). Als Priester sind sie jedoch in besonderer Weise zum Streben nach dieser Vollkommenheit verpflichtet. Denn im Empfang des Weihesakramentes Gott auf neue Weise geweiht, sind sie lebendige Werkzeuge Christi des Ewigen Priesters geworden, damit sie sein wunderbares Werk, das mit Kraft von oben die ganze menschliche Gesellschaft erneuert hat, durch die Zeiten fortzuführen vermögen. Jeder Priester vertritt also, seiner Weihestufe entsprechend, Christus. Darum erhält er auch die besondere Gnade, durch den Dienst an der ihm anvertrauten Gemeinde und am ganzen Volk Gottes besser der Vollkommenheit dessen nachzustreben, an dessen Stelle er steht, und für die Schwäche seiner menschlichen Natur Heilung in der Heiligkeit dessen zu finden, der für uns ein „heiliger, unschuldiger, unbefleckter, von den Sünden geschiedener“ Hoherpriester (Hebr 7,26) geworden ist. Presbyterorum Ordinis, Nr. 12 Durch das Weihesakrament wird der Priester Jesus Christus als dem Haupt und Hirten der Kirche gleichgestaltet (...). Dank dieser vom Geist bei der Spendung des Weihesakramentes bewirkten Heilsgnade wird das geistliche Leben des Priesters von jenen Grundhaltungen und Ausdrucksweisen geprägt, geformt und gekennzeichnet, die Jesus Christus als Haupt und Hirt der Kirche eigen und in seiner Hirtenliebe zusammengefaßt sind. Pastores dabo vobis, Nr. 21 Die Priester werden ihren Dienst lebendig erhalten durch ein spirituelles Leben, dem sie den absoluten Vorrang einräumen, indem sie vermeiden, es wegen diverser Aktivitäten zu vernachlässigen. Gerade um den pastoralen Dienst fruchtbar gestalten zu können, braucht der Priester den besonderen und tiefen Einklang mit Christus, dem guten Hirten, der allein der eigentliche Protagonist jeder pastoralen Tätigkeit bleibt. Direktorium, Nr. 38 1469 KONGREGATIONEN Mittel zur geistlichen Vervollkommnung 1. Im Bewußtsein, daß die innere Verbundenheit mit Gott dringend notwendig ist, wird der Priester sich Zeiten für das persönliche Gebet, die geistliche Lesung und das Rosenkranzgebet Vorbehalten müssen. Auch die regelmäßige Beichte und die geistliche Leitung sind unerläßliche Mittel, um im eigenen geistlichen Leben Fortschritte zu machen, wie auch die kontemplative Dimension der Anbetung und der tiefen Vertrautheit mit dem Herrn, in der Eucharistie und in den Heiligen Schriften. 2. Besondere Aufmerksamkeit soll der Verehrung der Mutter Gottes gewidmet werden. Als Mutter der Priester muß sie in der Sendung und im geistlichen Leben der Priester immer gegenwärtig sein. 3. Ebenso soll man bemüht sein, Einkehrtage und Tage priesterlicher Brüderlichkeit auf örtlicher, diözesaner, nationaler und internationaler Ebene anzuregen (vgl. Direktorium, Nm. 81. 85). Der priesterliche Dienst als Mittel zu persönlicher Heiligung 4. Die Priester üben ihren Dienst als Mittel zu persönlicher Heiligung aus, wenn sie um das Gleichgewicht zwischen Innerlichkeit und Pastoraltätigkeit bemüht sind und aus ihrer Pastoralarbeit ein echtes Gebet machen. 5. Sie sollen es verstehen, mit großmütigem Herzen alles Gott darzubringen, bereit, jedes Opfer, das ihre Aufgabe mit sich bringt, hochherzig anzunehmen. Die pastorale Nächstenliebe 6. Die Priester sollen ihre Verantwortung leben in Verbundenheit mit Christus, dem Guten Hirten, der Quelle der Nächstenliebe. Das eucharistische Leben, täglich und zutiefst gelebt, ist ein Antrieb zu hochherziger Hingabe an den Dienst für die eigene Diözese im weiten Atem der universalen Kirche. 7. Sie sollen in der pastoralen Nächstenliebe geschult werden, um allen gegenüber aufnahmebereit und voll Erbarmen zu sein, besonders gegenüber Mitbrüdem in Schwierigkeiten und gegenüber denen, die, weil sie noch nicht die Wahrheit kennen, nicht nur das Brot der materiellen Hilfe, sondern auch und vor allem Christus, der Weg, Wahrheit und Leben ist, empfangen sollen. Die Gemeinschaft und die Brüderlichkeit unter den Priestern Die Priester, die durch die Weihe in den Priesterstand eingegliedert wurden, sind in inniger sakramentaler Bruderschaft miteinander verbunden. Besonders in der Diözese, deren Dienst sie unter dem eigenen Bischof zugewiesen werden, bilden sie das eine Presbyterium. Trotz ihrer verschiedenen Ämter leisten sie für den Menschen den einenpriesterlichen Dienst (...) In dem einen kommen sie alle über- 1470 KONGREGATIONEN ein: in der Auferbauung des Leibes Christi, die besonders in unserer Zeit vielerlei Dienstleistungen und neue Anpassungen erfordert. Deshalb ist es von großer Bedeutung, daß alle, Welt- und Ordenspriester, einander helfen, damit sie stets Mitarbeiter der Wahrheit sind (Vgl. 3 Joh 8). Presbyterorum Ordinis, Nr. 8 Das geweihte Amt kann auf Grund seiner Natur nur erfüllt werden, weil der Priester durch die sakramentale Einbeziehung in den Priesterstand mit Christus verbunden ist und sich somit in hierarchischer Gemeinschaft mit seinem Bischof befindet. Das geweihte Amt hat eine radikale Gemeinschaftsform und kann nur als „Gemeinschaftswerk“ erfüllt werden. (...) Jeder Priester, ob Welt- oder Ordenspriester, ist mit den anderen Mitgliedern dieses Presbyteriums auf Grund des Weihesakramentes durch besondere Bande der apostolischen Liebe, des Dienstes und der Brüderlichkeit verbunden. Pastores dabo vobis, Nr. 17 Er ist ja eingefügt in den „Ordo Presbyterorum“, der jene Einheit bildet, die sich als eine wahre Familie verstehen kann, in der die Bande nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus der Weihegnade kommen. Direktorium, Nr. 25 1. Als erster Punkt wird auf die Bedeutung des Bischofs hingewiesen als maßgebende Gestalt eines Vaters und Freundes, stets fähig, seine unübertragbaren Verantwortungen zu übernehmen. a. Er ist es, der die Gemeinschaft unter den Priestern fördert. Es wird vorgeschlagen, regelmäßiges Zusammensein, Versammlungen, Zeiten brüderlichen Mitteilens, des Gebetes und gegenseitiger Solidarität zu organisieren. Diese Treffen müssen offen sein für Diözesan- und Ordenspriester, junge und alte, einschließlich derer aus neuen Bewegungen, in einer Perspektive der Annahme und Achtung der von der Kirche anerkannten Charismen. b. Der Bischof muß jeden ihm anvertrauten Priester persönlich kennen: In den kleinen Diözesen ist ihm das unmittelbar möglich; in den größeren Diözesen kann man einige Priester ernennen, die sich in engster Beziehung und Gemeinschaft mit dem Bischof der geistlichen Sorge für ihre Brüder im Priesteramt widmen. Es wurde aber auch eine territoriale Revision dieser großen Diözesen empfohlen, um deren Ausdehnung auf menschlichere Dimensionen zurückzuführen. , c. Er muß über seine Priester wachen, d. h. er muß sich vergewissern, daß keiner von ihnen in Situationen der Gefahr sich selbst überlassen sei, wie z. B. in bedrückender Einsamkeit, in moralischer und geistlicher Erschlaffung usw. Es wurde einhellig darum gebeten, bei der Übergabe von Pfarreien daran zu den- 1471 KONGREGATIONEN ken, daß nach Möglichkeit und nach Maßgabe des Kanonischen Rechts Priestergemeinschaften gefördert werden. 2. Der Priester seinerseits kann die Begegnung als Sohn und als Bruder mit seinem Bischof und mit seinen Mitbrüdem auch begünstigen durch beständiges Bemühen um gegenseitiges Wohlwollen, darum stets darauf bedacht, von den guten Initiativen Gebrauch zu machen, die in den verschiedenen Diözesen unternommen wurden, um eine gute kirchliche Atmosphäre zu schaffen. Die ständige Weiterbildung In allen Lebenslagen sollen die Priester die Einheit mit Christus pflegen. Sie erfreuen sich dazu, außer der bewußten Erfüllung ihres Dienstes, allgemeiner und besonderer Mittel, neuer und alter, zu denen der Heilige Geist im Volk Gottes unaufhörlich Anstoß gab und welche die Kirche zur Heiligung ihrer Glieder empfiehlt, ja bisweilen sogar befiehlt. Presbyterorum Ordinis, Nr. 18 Die Geistgabe setzt die Freiheit des Priesters nicht außer kraft, sondern regt sie an, mit ihr in verantwortlicher Weise zusammenzuwirken und in der Weiterbildung eine ihm übertragene Aufgabe zu sehen. Auf diese Weise ist die Weiterbildung Ausdruck und Anspruch der Treue des Priesters seinem Amt und, mehr noch, seinem eigenen Sein gegenüber. Sie bedeutet also gleichermaßen Liebe zu Jesus Christus und Einklang mit sich selbst. Aber sie ist auch ein Liebeshandeln gegenüber dem Volk Gottes, zu dessen Dienst der Priester bestellt ist. Mehr noch, sie ist Handeln echter und wirklicher Gerechtigkeit: Er steht gegenüber dem Gottesvolk in der Pflicht, insofern er gerufen ist, ihm jenes grundlegende „Recht“ zuzuerkennen und in ihm zu bestärken, nämlich Empfänger des Wortes Gottes, der Sakramente und des Liebesdienstes zu sein, was der ursprüngliche und unaufgebbare Gehalt im pastoralen Dienst des Priesters ist. Die Weiterbildung ist notwendig dafür, damit der Priester diesem Recht des Volkes in der erforderlichen Art und Weise Genüge tun kann. Pastores dabo vobis, Nr. 70 Die Weiterbildung erweist sich für den Priester von heute als notwendiges Mittel, um den Sinn seiner Berufung zu erfüllen: den Dienst für Gott und sein Volk. Praktisch besteht sie darin, allen Priestern zu helfen, großzügig dem Einsatz zu entsprechen, wie ihn die Würde und die Verantwortung erfordern, die Gott ihnen durch das Weihesakrament übertragen hat; im Bewahren, Verteidigen und Entfalten ihrer spezifischen Identität und Berufung; in der Heiligung ihrer selbst und der anderen durch die Ausübung ihres Dienstes. Direktorium, Nr. 71 1472 KONGREGATIONEN 1. Wir betonen erneut die Priorität der ständigen Weiterbildung und halten eine solide philosophische und theologische Grundlage für notwendig. Es wird vorgeschlagen, daß eine möglichst große Anzahl von Priestern die Lizenz in Philosophie und in Theologie erwerbe: Dazu wird es erforderlich sein, in das Studium einige Jahre Pastoraldienst nach der Priesterweihe einzuschalten. Das Streben nach akademischen Titeln muß jedoch vermieden werden, man soll vielmehr mit allem Emst um die integrale Bildung bemüht sein. 2. Die Bischöfe mögen bemüht sein, als ein direktes Erfordernis für das Sakrament der Priesterweihe von den ersten Seminarjahren an eine bildungsoffene Mentalität zu fördern. Sie mögen im übrigen einige der kompetentesten Priester mit der ständigen Weiterbildung betrauen. Konkret wird vorgeschlagen, Teams zu bilden, die auf diesem Gebiet unmittelbar und zuverlässig mit dem Bischof Zusammenarbeiten. 3. Wir halten es für zweckmäßig, regionale Einrichtungen für die ständige Weiterbildung zu schaffen, die die Übereinstimmung mit den Anweisungen des Heiligen Stuhls sicherstellen. In der Zwischenzeit können Gruppen von reisenden Formato-ren angeboten werden. 4. Auf nationaler und kontinentaler Ebene sollen Organe für die Planung und Koordination der verschiedenen Programme zur ständigen Weiterbildung (spirituelle, intellektuelle, humane und pastorale) geschaffen werden. 5. In Wahrnehmung ihrer Kompetenz zur Förderung des Lebens und Dienstes der Priester, setzt sich die Kongregation für den Klerus nachhaltig für die ständige Weiterbildung ein, einerseits durch eingehendes Studium der von den Bischofskonferenzen vorgeschlagenen Projekte oder durch diesbezügliche Anregungen bzw. gegebenenfalls durch effektive Zusammenarbeit, andererseits durch das vom Dikasterium in Rom geführte Institut „Sacrum Ministerium“ zur Ausbildung künftiger Formatoren in der ständigen Weiterbildung, schließlich durch die Zeitschrift „Sacrum Ministerium“, die zur Weiterbildung des Klerus gedacht ist. 6. Die Bischöfe mögen die dringende Notwendigkeit erwägen, gut qualifizierte und kompetente Dozenten für eine angemessene ständige Weiterbildung zur Verfügung zu stellen. Im übrigen mögen sie ihre Priester auffordem, sich der geistigen Nahrung durch speziell bildende und ausgewählte Lektüre zu bedienen. Man soll nicht vergessen, in den Bereichen der Wissenschaft und der Kultur auf entsprechende Weiterbildung zu achten, die zur Vorbereitung des Dialogs mit der heutigen Welt und zu ihrer Evangelisierung dazugehört. 7. Es sollen womöglich Zentren priesterlicher Spiritualität gebildet werden, Häuser zu geistlicher Einkehr und Gebet, in denen Priester Rat, Freundschaft, geistliche und bildende Hilfe finden können und in denen sie Unterstützung finden im gegenseitigen Austausch ihrer Erfahrungen und Nöte. 1473 KONGREGATIONEN 8. Im übrigen ziehen wir in Erwägung, daß jedem Neupriester ein erfahrener Priester zugewiesen werden sollte, der ihm Vater, Freund und bildender Helfer in den ersten Jahren seines Priesterdienstes sei. 9. Es wird auch darum gebeten, auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen: universal, national und regional, Schulen, Dienste und Hilfen einzurichten, die imstande sind, die Ausbilder der Priester zu bilden und zu unterstützen. 10. Aufgrund positiver Erfahrungen einiger Diözesen schlagen wir als Fundament für eine fortdauernde Bildung vor, im Seminar vor Beginn der kirchlichen Studien ein propädeutisches Jahr einzuführen, das speziell dem geistlichen Leben gewidmet ist, um das Leben der Verbundenheit mit Gott zu stärken und einen Mindestgrad an katechetischer Bildung zu erlangen. Schlußwort Die Teilnehmer am Internationalen Symposion, Kardinäle und Erzbischöfe der Römischen Kurie, Obere und Offiziale der Kongregation für den Klerus, Bischöfe, die in den einzelnen Bischofskonferenzen für den Klerus verantwortlich sind, Priester, die den Klerus aus aller Welt vertreten, mitarbeitende Ordensfrauen und Laien, alle, die wir hier versammelt sind, denken mit großer Herzlichkeit an Euch, Priester der ganzen Welt. Wir wollen uns zur Stimme der ganzen Kirche machen, um Euch zu danken. Dankfiir Euer Leben, von Christus durch die Handauflegung Eurer Bischöfe geweiht, gezeichnet vom sakramentalen Charakter, der Euch seinsmäßig Christus, dem Hirten und Bräutigam der Kirche, gleichgestaltet, und der Euch, eingefügt in die Kirche und ihr gegenüber, zu sichtbaren Zeichen seiner heilbringenden Liebe und seines heiligenden Wirkens macht. Dank Euch, Priester, die Ihr Euch der Sorge für die Seelen widmet, in den Pfarreien und Gemeinschaften, in Bereichen der Kultur, der Arbeit, des Leidens, überall, wo der Mensch lebt und Gott sucht, auch wenn er es nicht weiß. Dank für die im Beichtstuhl zugebrachten Stunden, für die Zeit, die ihr den Menschen widmet, um ihnen zu begegnen, sie anzuhören, ihnen zu helfen, die Pläne Gottes zu entdecken und ihnen zu entsprechen. Dank für die Verwaltung der Sakramente, für die treue und fromme Feier der heiligen Messe, Dank dafür, daß Ihr Euch zur Stimme der Kirche und der ganzen Schöpfung macht in der täglichen Feier des Göttlichen Offiziums. Dank für Eure Hingabe, gelebt in der Alltäglichkeit der zahllosen Arbeiten und Eures Mühens. Wir denken an Euch alle, da, wo die verminderte Zahl von Priestern die tägliche Last beträchtlich vermehrt und Euch Großmut, manchmal bis zum Heroismus, abfordert. 1474 KONGREGATIONEN Dank Euch, Priester, Bekenner des Glaubens, die Ihr an Eurem Leib die Zeichen der Passion Christi und der Kirche tragt. Ihr seid für uns ein beständiger Aufruf zum Wesentlichen der wahren Liebe: das Leben für das Werk Christi hinzugeben. Dank Euch, Missionare, die Ihr Christus, das einzige Heil, bis an die äußersten Enden der Erde und an die äußersten Grenzen des menschlichen Herzens tragt. Dank Euch, Mitglieder der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens, die Ihr Euer Priestertum im Reichtum der Charismen Eurer Gründer lebt. Und Euch, kontemplative Priester, die Ihr in den Klöstern das Herz der Welt schlagen laßt, Dank! Dank Euch, junge Priester, die Ihr mit eurem Ja Christus und der Kirche Euer junges Leben angeboten habt. Möge Euer Eifer sich Tag für Tag und in allen Umständen Eures Lebens erneuern. Dank Euch, Ihr alten und Ihr kranken Priester, die Ihr, trotz des Nachlassens Eurer Kräfte, Euren Dienst in neuen Situationen des Daseins voll und ganz lebt. Dank Euch, Priester, die Ihr geleitet von der Soziallehre der Kirche und in Gemeinschaft mit ihr Zeugnis gebt durch besonderen Einsatz für Gerechtigkeit zugunsten der Armen, der indigenen Völker, der Migranten und Heimatlosen und aller Ausgegrenzten. Dank Euch, Priester, die Ihr in einer von der Kultur des Todes geprägten Zeit, mutig die Kultur und den Wert des Lebens von seinem Beginn bis zu seinem natürlichen Ende hochhaltet und verteidigt. Dank Euch, Priester, die Ihr starkmütig jeder Herausforderung der Welt begegnet und in heiligem Stolz auf Eure Identität auch deren äußeres Zeichen mit Liebe tragt als Hinweis auf den pastoralen Dienst und Zeugnis in einer säkularisierten Welt. Dank Euch, Männer und Frauen, die Ihr Eure Priester mit Eurer Zuneigung und mit Eurem Gebet ermutigt und sie bei ihrer Arbeit durch die rechte Zusammenarbeit mit dem Priesteramt unterstützt. Ganz besondere Dankbarkeit Euch, Mütter und Väter der Priester! Dank Dir, Petrus, der Du durch das Beispiel Deines Priesterlebens und Deine Lehre die Priester, Deine Brüder, stärkst in ihrer Zugehörigkeit zu Christus und ihrem hochherzigen Dienst an der Kirche und gerade darum auch am Menschen. Ein besonders hebevoller Gedanke gilt allen Priestern, die schwierige Zeiten der Einsamkeit, der Ermüdung und Entmutigung durchleben. Eine Gewißheit soh Euch begleiten: Ihr seid nicht allein! Die Gegenwart Christi wird sichtbar in der Brüderlichkeit der Priesterschaft und im Antlitz Eurer Kirche. 1475 KONGREGATIONEN Wir möchten uns um Gebet und Buße im Horizont der pastoralen Liebe für jene Mitbrüder bemühen, die das Amt aufgegeben haben. Wir stehen an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Uns erwartet die große Aufgabe, die Neuheit von der Person Jesu und seiner Botschaft einer von Widersprüchen gezeichneten Welt zu bringen, indem wir selbst glaubwürdige, sichtbare Zeichen Christi, des Guten Hirten, in eben dieser Welt sind. Das ist das wunderbare gottmenschliche Abenteuer, zu dem wir berufen wurden. Maria, die Mutter Christi und der Kirche, die wir in unser Haus aufnehmen wollen und der wir alles anvertrauen, helfe uns auf diesem Weg. Dieser Text wurde von allen Teilnehmern des Symposions am 28. Oktober 1995 zum Abschluß der Arbeiten einmütig gutgeheißen. Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung Orientierungshilfen für die Erziehung in der Familie Päpstlicher Rat für die Familie vom 8. Dezember Einleitung Situation und Problematik 1. Zu den vielfältigen Schwierigkeiten, mit denen sich Eltern heutzutage konfrontiert sehen - wobei man natürlich das jeweilige kulturelle Umfeld gebührend in Betracht ziehen muß -, zählt sicherlich auch die, den Kindern eine angemessene Vorbereitung auf das Erwachsenenalter bieten zu können, vor allem, wenn es darum geht, ihnen in der Erziehung die wahre Bedeutung von Sexualität zu vermitteln. Die Gründe für diese Schwierigkeit, die im übrigen nicht ganz neu ist, sind unterschiedlich. In früheren Zeiten gab es zwar von der Familie aus noch keine eigentliche geschlechtliche Erziehung, doch war die Allgemeinbildung vom Respekt vor den grundlegenden Werten geprägt und somit auch geeignet, diese in objektiver Weise zu schützen und zu erhalten. Seit die traditionellen Modelle in großen Teilen der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung verlieren, und zwar in den entwickelten ebenso wie in den Schwellenländem, suchen die Jugendlichen vergebens nach einer eindeutigen und konkreten Orientierung, während die Eltern sich häufig außerstande sehen, die richtigen Antworten zu geben. Ferner verschärft sich diese neuartige Situation noch dadurch, daß die Wahrheit über den Menschen vor unseren Augen verdunkelt wird, und zwar unter anderem aufgrund einer Tendenz zur Banalisierung der Geschlechtlichkeit. Und so hat sich eine Kultur entwickelt, in der die Gesellschaft und die Massenmedien dem Betrachter in den meisten Fällen 1476 KONGREGATIONEN eine unpersönliche, oberflächliche, häufig pessimistische Form der Information bieten, die außerdem die unterschiedlichen Bildungs- und Entwicklungsstufen der Kinder und Jugendlichen nicht berücksichtigt, und dies alles unter dem Einfluß einer verzerrten Auffassung von Individualität und in einem Umfeld, dem sämtliche grundlegenden Wertbegriffe vom Leben, von der menschlichen Liebe und von der Familie verlorengegangen sind. Die Schule schließlich, die sich bereit erklärt hat, Programme zur sexuellen Aufklärung zu entwickeln, tritt dabei häufig an die Stelle der Familie, und zwar in aller Regel mit rein informativen Absichten. Und so kommt es zuweilen zu einer regelrechten Verbildung des Gewissens. Die Eltern selbst haben in vielen Fällen wegen der Schwierigkeit und mangelnder Vorbereitung darauf verzichtet, ihrer Aufgabe in diesem Bereich nachzukommen, oder sie sind damit einverstanden, sie anderen zu überlassen. In dieser Lage wenden sich zahlreiche katholische Eltern an die Kirche, damit sie es übernimmt, Richtlinien und Anregungen für die Erziehung der Kinder anzubieten, die sich vor allem auf die Phase der Kindheit und Jugend beziehen sollen. In manchen Fällen äußern die Eltern selbst ihr Unverständnis insbesondere gegenüber den Informationen, die in der Schule erteilt und dann von den Kindern mit nach Hause gebracht werden. So ist der Päpstliche Rat für die Familie wiederholt und dringend darum gebeten worden, den Eltern einen Leitfaden an die Hand zu geben, der geeignet ist, sie in diesem heiklen Bereich der Erziehung zu unterstützen. 2. Unser Dikasterium ist sich der Rolle bewußt, die die Familie bei der Erziehung zur Liebe und zum richtigen Umgang mit der eigenen Sexualität spielt, und wir beabsichtigen daher, einige Leitlinien seelsorgerischer Art vorzulegen. Wir werden dabei aus der Weisheit schöpfen, die dem Wort des Herrn entströmt, und aus den Werten, von denen die Lehre der Kirche erleuchtet ist, und wir werden auch die „Erfahrung mit der menschlichen Natur“ bedenken, die der Gemeinschaft der Gläubigen eigen ist. Wir wollen diese Orientierungshilfe also vor allem in den Zusammenhang der grundlegenden Aussagen zur Wahrheit und Bedeutung der Geschlechtlichkeit stellen und sie in eine ursprüngliche und reiche Anthropologie einbetten. Wenn wir diese Wahrheit anbieten, so ist uns bewußt, daß , jeder, der aus der Wahrheit ist“ (Joh 18,37), auf das Wort Dessen hört, der in Person die Wahrheit schlechthin ist (vgl. Joh 14,6). Dieser Leitfaden versteht sich weder als eine moraltheologische Abhandlung noch als ein Handbuch der Psychologie, sondern er will in gebührendem Maße die Errungenschaften der Wissenschaft, das sozio-kulturelle Umfeld der Familie und die Wertvorstellungen des Evangeliums berücksichtigen, die sich jeder Altersstufe als erfrischende Quelle und als Gelegenheit darbieten, sie in die konkrete Wirklichkeit umzusetzen. 1477 KONGREGATIONEN 3. Einige unbezweifelbare Gewißheiten dienen der Kirche auf diesem Gebiet als Stütze und waren auch bei der Abfassung des vorliegenden Dokuments richtungweisend. Die Liebe, die im Zusammenkommen von Mann und Frau ihre Nahrung und ihren Ausdruck findet, ist ein Geschenk Gottes; deshalb ist sie eine positive Kraft, die an die Reife der Persönlichkeit gebunden ist; sie ist aber auch erhabene Zurückhaltung in der Hingabe des eigenen Selbst, zu der alle, Männer und Frauen, aufgefordert sind, wenn sie in dem Lebensbereich, der für jeden einzelnen eine Berufung darstellt, Glück und Selbstverwirklichung finden wollen. Denn der Mensch ist als Geist im Fleisch, das heißt als Seele und Leib in der Einheit der Person, zur Liebe berufen. Die menschliche Liebe schließt ja den Leib mit ein, und der Leib bringt auch die geistige Liebe zum Ausdruck. <650> Folglich ist die Geschlechtlichkeit nichts rein Biologisches, sie betrifft vielmehr den innersten Kern der Person. Sexualität als physische Hingabe ist dann verwirklicht und erfüllt ihren eigentlichen Sinn, wenn sie Ausdruck der personalen Hingabe von Mann und Frau bis an ihr Lebensende ist. Diese Liebe allerdings ist wie das ganze Leben des Menschen der Hinfälligkeit ausgesetzt, die eine Folge der Erbsünde ist, und sie wird in vielen sozio-kulturellen Bereichen als negativ, zuweilen auch als abwegig und traumatisch eingestuft. Doch das Erlösungswerk des Herrn hat den positiven Umgang mit der Keuschheit zu einer realen Möglichkeit und einem Grund zur Freude gemacht. Dies gilt sowohl für die zur Ehe Berufenen - sei es vorher, in der Vorbereitung, oder nachher, im Verlauf des ehelichen Lebens - als auch für die, die das Geschenk einer besonderen Berufung zum gottgeweihten Leben erhalten haben. <650> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio vom 22. November 1981: AAS74(1982)105, Nr. 21. 4. Unter dem Blickwinkel der Erlösung und im Rahmen der Entwicklung der Heranwachsenden und Jugendlichen wird die Tugend der Keuschheit, die in der Mäßigung enthalten ist - eine der Kardinaltugenden, die bei der Taufe durch das Wirken der Gnade emporgehoben und bereichert worden ist -, nicht als eine Einschränkung verstanden, sondern im Gegenteil als das Sichtbarmachen und zugleich das Bewahren eines kostbaren und reichen Geschenkes, der Liebe, die man empfangen hat im Hinblick auf die Selbsthingabe, die sich in der besonderen Berufung eines jeden verwirklicht. Die Keuschheit ist demnach jene „geistige Kraft, die die Liebe gegen die Gefahren von Egoismus und Aggressivität zu schützen und zu ihrer vollen Entfaltung zu führen versteht“ <651>. <651> Ebd., Nr. 33. Im Katechismus der Katholischen Kirche wird die Keuschheit so beschrieben und in gewisser Hinsicht auch definiert: „Keuschheit bedeutet die geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person und folglich die innere Einheit des Menschen in seinem leiblichen und geistigen Sein“ <652>. <652> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2337. 1478 KONGREGATIONEN 5. Die Anleitung zur Keuschheit im Rahmen der Erziehung der Jugendlichen zur Selbstverwirklichung und Selbsthingabe setzt voraus, daß insbesondere die Eltern auch bei der Ausbildung anderer Tugenden mitwirken wie etwa der Mäßigung, der Tapferkeit und der Klugheit. Die Keuschheit als Tugend kann nicht bestehen ohne die Fähigkeit zum Verzicht, zum Opfer, zum Warten. Indem sie das Leben weitergeben, arbeiten die Eltern mit der Schöpferkraft Gottes zusammen und empfangen das Geschenk einer neuartigen Verantwortung; diese besteht für sie nicht allein darin, ihre Kinder zu ernähren und ihre materiellen und kulturellen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern vor allem darin, ihnen die gelebte Wahrheit des Glaubens zu vermitteln und sie zur Gottes- und Nächstenliebe zu erziehen. Dies ist ihre erste Aufgabe im Schoße der „Hauskirche“ <653>. <653> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 11; vgl. Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 11. Die Kirche hat immer daran festgehalten, daß die Eltern das Recht und die Pflicht haben, die ersten und eigentlichen Erzieher ihrer Kinder zu sein. In Anlehnung an das Zweite Vatikanische Konzil mahnt der Katechismus der Katholischen Kirche: „Jugendliche sollen über die Würde, die Aufgaben und den Vollzug der ehelichen Liebe am besten im Kreis der Familie selbst rechtzeitig in geeigneter Weise unterrichtet werden“. <654> <654> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1632; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 49. 6. Von den Provokationen, die aus der heutigen Mentalität und dem gesellschaftlichen Umfeld kommen, dürfen sich Eltern nicht entmutigen lassen. Zum einen dürfen wir nicht vergessen, daß die Christen seit den Anfängen der Evangelisierung mit ähnlichen Herausforderungen des materialistischen Hedonismus zu kämpfen hatten. Und zum anderen „müßte sich unsere Zivilisation, obschon so viele positive Aspekte auf materieller wie auf kultureller Ebene zu verzeichnen sind, bewußt werden, daß sie unter verschiedenen Gesichtspunkten eine kranke Zivilisation ist, die tiefgreifende Entstellungen im Menschen erzeugt. Warum kommt es dazu? Der Grund liegt darin, daß unsere Gesellschaft sich von der vollen Wahrheit über den Menschen losgelöst hat, von der Wahrheit über das, was der Mann und die Frau als Personen sind. Infolgedessen vermag sie nicht angemessen zu begreifen, was die Hingabe der Personen in der Ehe, eine dem Dienst der Elternschaft verantwortliche Liebe, die authentische Größe der Elternschaft und der Erziehung wirklich sind“ <655>. <655> Johannes Paul II., Brief an die Familien Gratissimam sane vom 2. Februar 1994: AAS86(1994)917, Nr. 20. 7. Deshalb ist das erzieherische Wirken der Eltern unersetzlich, die „im Weiterschenken des Lebens am Schöpfungswerk Gottes teilnehmen“; sie haben „vermittels der Erziehung Anteil an seiner väterlichen und zugleich mütterlichen Erziehung (...) Durch Christus wird alle Erziehung, innerhalb der Familie wie außerhalb, in die heilschaffende Dimension der göttlichen Pädagogik hineingestellt, die 1479 KONGREGATIONEN auf die Menschen und auf die Familien ausgerichtet ist und ihren Gipfel findet im österlichen Geheimnis von Tod und Auferstehung des Herrn“ <656>. <656> Ebd., Nr. 16. Die Eltern dürfen sich also bei ihrer zuweilen schwierigen und heiklen Aufgabe nicht entmutigen lassen, sondern auf die Hilfe Gottes, des Schöpfers, und Christi, des Erlösers, vertrauen und daran denken, daß die Kirche für sie betet mit den Worten, die Papst Klemens I. an den Herrn richtete für alle, die in Seinem Namen Autorität ausüben: „Gib ihnen, Herr, Gesundheit, Frieden, Eintracht, Beständigkeit, damit sie die von dir ihnen gegebene Herrschaft untadelig ausüben! Denn du, himmlischer Herr, König der Äonen, gibst den Menschenkindern Herrlichkeit und Ehre und Gewalt über das, was auf Erden ist; du, Herr, lenke ihren Willen nach dem, was gut und wohlgefällig ist vor dir, damit sie in Frieden und Milde frommen Sinnes die von dir ihnen gegebene Gewalt ausüben und so deiner Huld teilhaftig werden!“ <657> <657> Klemens von Rom, Epistula ad Corinthios, 61, 1-2; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1900. Darüber hinaus verfügen die Eltern, die das Leben in einem Klima der Liebe geschenkt und empfangen haben, über eine erzieherische Kraft, wie sie niemand sonst in sich trägt: in einzigartiger Weise kennen sie ihre eigenen Kinder in ihrer unwiederholbaren Einmaligkeit, und aus Erfahrung besitzen sie die Geheimnisse und die Schätze der wahren Liebe. I. Zur wahren Liebe berufen 8. Der Mensch als Ebenbild Gottes ist geschaffen, um zu lieben. Diese Wahrheit ist uns im Neuen Testament in aller Deutlichkeit offenbart worden, und zwar im Zusammenhang mit dem Geheimnis des Lebens innerhalb der Dreifaltigkeit: „Gott ist Liebe (7 Joh 4,8) und lebt in sich selbst ein Geheimnis personaler Liebesge-meinschaft. Indem er den Menschen nach seinem Bild erschafft (...), prägt Gott der Menschennatur des Mannes und der Frau die Berufung und daher auch die Fähigkeit und die Verantwortung zu Liebe und Gemeinschaft ein. Die Liebe ist demnach die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen“ <658>. Der ganze Sinn der persönlichen Freiheit und der aus ihr folgenden Selbstbeherrschung ist also auf die Selbsthingabe in der Gemeinschaft und der Freundschaft mit Gott und den Menschen ausgerichtet. <659> <658> Eamiliaris consonio, Nr. 11. <659> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem vom 15. August 1988: AAS80(1988)1667 und 1693, Nm. 7 und 18. Die menschliche Liebe als Selbsthingabe 9. Der Mensch ist also zu einer höheren Form der Liebe fähig: nicht der Begierde, die ihr Gegenüber einzig als Objekt zur Befriedigung der eigenen Triebe betrachtet, sondern der Freundschaft und Opferbereitschaft, die die Menschen um ihrer 1480 KONGREGATIONEN selbst willen zu lieben und zu achten vermag. Es ist eine Liebe, die großzügig sein kann, ähnlich wie die Liebe Gottes; man ist dem anderen zugetan, weil man erkennt, daß er würdig ist, geliebt zu werden. Es ist eine Liebe, die zur Gemeinschaft zwischen den Menschen führt, weil jeder das Gute im anderen als sein eigenes betrachtet. Es ist Selbsthingabe an die Person, die uns liebt, eine Selbsthingabe, in der unsere eigene Güte sich zeigt und erfüllt in der Gemeinschaft und in der man lernt, was es bedeutet, geliebt zu werden und zu lieben. Jeder Mensch ist berufen zur freundschaftlichen und aufopfernden Liebe; und er wird durch die Liebe der anderen von seiner Neigung zum Egoismus befreit: zunächst von den Eltern oder ihren Stellvertretern und letztlich von Gott, von dem jede wahre Liebe ausgeht und in dessen Liebe allein der Mensch erkennen kann, wie sehr er geliebt wird. Hier liegt die Wurzel der erzieherischen Kraft des Christentums: „Gott liebt den Menschen! Diese einfache und erschütternde Verkündigung ist die Kirche dem Menschen schuldig“ <660>. So hat Christus dem Menschen seine wahre Identität enthüllt: „Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“. <661> Die von Christus offenbarte Liebe, „welcher der Apostel Paulus im Brief an die Korinther sein Hoheslied gewidmet hat (...), ist gewiß eine anspruchsvolle Liebe. Doch genau darin besteht ihre Schönheit: in der Tatsache, daß sie anspruchsvoll ist, denn auf diese Weise baut sie das wahre Gute des Menschen auf“ <662> und läßt es auch auf die anderen ausstrahlen. Deshalb ist sie eine Liebe, die die Person des einzelnen respektiert und erhöht, denn „die Liebe ist wahr, wenn sie das Gute der Personen und der Gemeinschaften hervorruft, es hervorruft und es an die anderen weitergibt“ } <663> <660> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici vom 30. Dezember 1988: A4S81(1989)456, Nr, 34. <661> Gaudium etspes, Nr. 22. <662> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 14. <663> Ebd. Liebe und menschliche Geschlechtlichkeit 10. Der Mensch ist in seiner Einheit aus Körper und Geist zur Liebe und Selbsthingabe berufen. Weiblichkeit und Männlichkeit sind einander ergänzende Gaben, die der menschlichen Geschlechtlichkeit bedürfen als eines wesentlichen Bestandteils der konkreten Fähigkeit zur Liebe, die Gott in Mann und Frau angelegt hat. „Die Geschlechtlichkeit ist eine grundlegende Komponente der Persönlichkeit; sie ist eine ihrer Weisen zu sein, sich kundzutun, in Beziehung zu anderen zu treten, menschliche Liebe zu empfinden, auszudrücken und zu leben“ <664>. Diese Fähigkeit zur Liebe als Selbsthingabe ist also unter anderem „verkörpert“ in der ehelichen Veranlagung des Leibes, in der die Männlichkeit und die Weiblichkeit der ,5 Kongregation für das katholische Bildungswesen, Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe vom 1. November 1983, Nr. 4. 1481 KONGREGATIONEN Person ihre Bestimmung haben. „Der menschliche Körper mit seiner Geschlechtlichkeit, seiner Männlichkeit und Weiblichkeit, ist, vom Geheimnis der Schöpfung her gesehen, nicht nur Quelle der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung wie in der gesamten Naturordnung, sondern umfaßt von ,Anfang’ an auch die Eigenschaft des ,Bräutlichen’, das heißt die Fähigkeit, der Liebe Ausdruck zu geben: jener Liebe, in der der Mensch als Person Geschenk wird und - durch dieses Geschenk - den eigentlichen Sinn seines Seins und seiner Existenz verwirklicht“ <665>. Jede Form der Liebe wird stets an diese Begriffe des Männlichen und des Weiblichen gebunden sein. <665> Johannes Paul IL, Generalaudienz vom 16. Januar 1980: L’Osservatore Romano (italienische Ausgabe), 17. Januar 1980, S. 1. 11. Die menschliche Geschlechtlichkeit ist folglich ein Gut: Teil jenes Schöpfungsgeschenkes, von dem Gott sah, daß es „sehr gut“ war: er schuf den Menschen nach seinem Bilde und ihm ähnlich, und „als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Die Geschlechtlichkeit ist ein Weg, sich dem anderen zu nähern und zu öffnen, und somit ist ihr eigentliches Ziel die Liebe, genauer gesagt, die Liebe als Geschenk und Annahme, als Geben und Nehmen. Das Verhältnis zwischen einem Mann und einer Frau ist seinem Wesen nach ein Verhältnis der Liebe: „Die Geschlechtlichkeit, welche Ausrichtung, Überhöhung und Ergänzung von der Liebe erfährt, wird zu etwas wahrhaft Menschlichem“ <666>. Wenn eine solche Liebe sich in der Ehe erfüllt, bringt die leibliche Selbsthingabe die Wechselseitigkeit und Ganzheit der Hingabe zum Ausdruck; die eheliche Liebe wird also zu einer Kraft, die die Personen bereichert und weiterentwickelt, und zugleich trägt sie dazu bei, die Zivilisation der Liebe zu fördern; wenn dagegen Sinn und Bedeutung der Geschlechtlichkeit verlorengehen, tritt an ihre Stelle „eine Zivilisation der ,Dinge’ und nicht der ,Personen’; eine Zivilisation, in der von .Personen’ wie von ,Dingen’ Gebrauch gemacht wird. Im Zusammenhang mit der Zivilisation des Genusses kann die Frau für den Mann zu einem Objekt werden, die Kinder zu einem Hindernis für die Eltern“. <667> <666> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 6. <667> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 13. 12. Eine große Wahrheit und grundlegende Tatsache muß im Mittelpunkt des christlichen Gewissens der Eltern und Kinder stehen: das Geschenk Gottes. Es handelt sich um das Geschenk, das Gott uns gemacht hat, als er uns zum Leben berief und zum Dasein als Mann oder Frau in einer unwiederholbaren Existenz, die unerschöpfliche Möglichkeiten geistiger und moralischer Entwicklung in sich trägt: „Das menschliche Leben ist ein Geschenk, um seinerseits weitergeschenkt zu werden“. <668> .Denn das Sich-Schenken bringt sozusagen ein besonderes Kennzeichen der personalen Existenz, ja des eigentlichen Wesens der Person zum Ausdruck. Wenn Gott (Jahwe) sagt, es sei .nicht gut, daß der Mensch allein bleibe’ (Gen 2,18), bestätigt er, daß der Mensch .allein’ dieses Wesen nicht vollständig <668> Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae vom 25. März 1995, Nr. 92. 1482 KONGREGATIONEN verwirklicht. Er verwirklicht es nur, wenn er ,mit irgend jemandem’ lebt, und noch tiefer und vollkommener, wenn er ,für irgend jemanden’ da ist“. <669> Wenn der Mensch sich dem anderen öffnet und sich ihm schenkt, erfüllt sich die eheliche Liebe in der Form völliger Selbsthingabe, die dem Ehestand eigen ist. Und auch die Berufung zum gottgeweihten Leben, „einer hervorragenden Weise, sich leichter mit ungeteiltem Herzen allein Gott hinzugeben“ <670>, um ihm in der Kirche besser dienen zu können, erhält ihren Sinn in der von einer besonderen Gnade getragenen Selbsthingabe. In jeder Umgebung und Lebenssituation aber wird diese Hingabe noch wunderbarer durch das Wirken der befreienden Gnade, durch die wir „an der göttlichen Natur Anteil“ erhalten (2 Petr 1,4) und berufen sind, gemeinsam die übernatürliche Liebesgemeinschaft mit Gott und den Brüdern zu leben. Auch in den schwierigsten Situationen dürfen christliche Eltern nicht vergessen, daß am Anfang der gesamten personalen und häuslichen Entwicklung das Geschenk Gottes steht. <669> Johannes Paul II., Generalaudienz vom 9. Januar 1980: UOsservatore Romano (italienische Ausgabe), 10. Januar 1980, S. 1. <670> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2349. 13. „Als Geist im Fleisch, das heißt als Seele, die sich im Leib ausdrückt, und als Leib, der von einem unsterblichen Geist durchlebt wird, ist der Mensch in dieser geeinten Ganzheit zur Liebe berufen. Die Liebe schließt auch den menschlichen Leib ein, und der Leib nimmt an der geistigen Liebe teil“ <671>. Ebenso muß die Bedeutung der Geschlechtlichkeit als Beziehung von Person zu Person im Licht der christlichen Offenbarung betrachtet werden: „Die Geschlechtlichkeit kennzeichnet Mann und Frau nicht nur im Biologischen, sondern auch im Psychologischen und Geistigen und prägt sie in jedem Vollzug ihres Lebens. Diese Verschiedenheit zusammen mit der gegenseitigen Ergänzung der beiden Geschlechter entspricht voll und ganz dem Plan Gottes je nach der Berufung eines jeden“ <672>. <671> Familiaris consortio, Nr. 11. <672> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 5. Die eheliche Liebe 14. Wenn die Liebe in der Ehe gelebt wird, schließt sie die Freundschaft in sich ein und geht über sie hinaus, und sie wird verwirklicht zwischen einem Mann und einer Frau, die sich in der Ganzheit ihrer eigenen Männlichkeit und Weiblichkeit hingeben und mit dem Ehebund jene Gemeinschaft der Personen begründen, die Gott gewollt hat, damit in ihr das menschliche Leben empfangen, geboren und zur Entfaltung gebracht werde. Zu dieser ehelichen Liebe und nur zu ihr gehört die sexuelle Hingabe, die „auf wahrhaft menschliche Weise nur vollzogen wird, wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos einander verpflichten“ <673>. Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es: „In der Ehe wird die leibliche Intimität der Gatten zum Zeichen und Unterpfand <673> Familiaris consortio, Nr. 11. 1483 KONGREGATIONEN der geistigen Gemeinschaft. Das Eheband zwischen Getauften wird durch das Sakrament geheiligt“ <43>. <43> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2360. Die für das Leben offene Liebe 15. Ein deutliches Kennzeichen für die Echtheit der ehelichen Liebe ist ihre Offenheit für das Leben: „In ihrer tiefsten Wirklichkeit ist die Liebe wesenhaft Gabe, und wenn die eheliche Liebe die Gatten zum gegenseitigen ,Erkennen’ führt (...), erschöpft sie sich nicht in der Gemeinschaft der beiden, sondern befähigt sie zum größtmöglichen Geben, zum Schenken des Lebens an eine neue menschliche Person, wodurch sie zu Mitarbeitern Gottes werden. Während sich die Eheleute einander schenken, schenken sie über sich selbst hinaus die Wirklichkeit des Kindes: lebender Widerschein ihrer Liebe, bleibendes Zeichen ihrer ehelichen Gemeinschaft, lebendige und unauflösliche Einheit ihres Vater- und Mutterseins“ <44>. Ausgehend von dieser Gemeinschaft der Liebe und des Lebens gelangen die Eheleute zu jenem menschlichen und geistigen Reichtum und jener positiven Atmosphäre, die es ihnen ermöglicht, ihren Kindern durch eine Erziehung zur Liebe und zur Keuschheit beizustehen. <44> Familiaris consortio, Nr. 14. II. Wahre Liebe und Keuschheit 16. Sowohl die jungfräuliche als auch die eheliche Liebe, die, wie wir später noch ausführen werden, die beiden Lormen sind, in welchen sich die Berufung der Person zur Liebe verwirklicht, setzen, um sich entfalten zu können, voraus, daß ein jeder sich seinem Stand entsprechend zur Keuschheit verpflichtet. Die Geschlechtlichkeit - so formuliert es der Katechismus der Katholischen Kirche -„wird persönlich und wahrhaft menschlich, wenn sie in die Beziehung von Person zu Person, in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von Mann und Lrau eingegliedert ist“ <45>. Es versteht sich von selbst, daß das Wachsen in der Liebe, insofern es die aufrichtige Selbsthingabe einschließt, gefördert wird von jener Zügelung der Empfindungen, der Leidenschaften und der Gefühle, die uns zur Selbstbeherrschung hinführt. Niemand kann etwas geben, was er nicht besitzt: wenn der Mensch nicht Herr seiner selbst ist - aufgrund der Tugenden und, konkret, aufgrund der Keuschheit -, dann gehört er nicht sich selbst und kann sich mithin auch nicht verschenken. Die Keuschheit ist die geistige Kraft, die die Liebe von Egoismus und Aggressivität befreit. In dem Maße, in dem die Keuschheit im Menschen nachläßt, wird seine Liebe zunehmend egoistischer, das heißt, sie ist nicht länger Selbsthingabe, sondern Befriedigung einer Lust. <45> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2337. 1484 KONGREGATIONEN Die Keuschheit als Selbsthingabe 17. Die Keuschheit ist das frohe Bekenntnis dessen, der die Selbsthingabe frei von jeder Knechtschaft des Egoismus zu leben vermag. Dies setzt voraus, daß der Mensch gelernt hat, die Person des anderen wahrzunehmen, sich auf sie einzulassen und dabei ihre Würde in der Andersartigkeit zu achten. Der keusche Mensch kreist weder um sich selbst, noch sind seine Beziehungen zu anderen Personen egoistischer Natur. Die Keuschheit bringt die Persönlichkeit zur Harmonie, läßt sie reifen und erfüllt sie mit innerem Frieden. Diese Reinheit des Geistes und des Körpers hilft uns, zu echter Selbstachtung zu finden, und befähigt uns gleichzeitig dazu, die anderen zu achten, denn in ihnen zeigt sie uns Personen, die Anspruch haben auf unsere Ehrerbietung, weil sie nach dem Bilde Gottes geschaffen und durch die Gnade Kinder Gottes sind, neugeschaffen von Christus, „der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (i Petr 2,9). Die Selbstbeherrschung 18. „Die Keuschheit erfordert das Erlernen der Selbstbeherrschung, die eine Erziehung zur menschlichen Freiheit ist. Die Alternative ist klar: entweder ist der Mensch Herr über seine Triebe und erlangt so den Frieden, oder er wird ihr Knecht und somit unglücklich“ <46>. Jeder weiß, auch aus Erfahrung, daß die Keuschheit es erforderlich macht, gewisse sündhafte Gedanken, Worte und Werke von sich zu weisen, wozu der heilige Paulus uns häufig genug in aller Deutlichkeit ermahnt (vgl. Röm 1,18; 6,12-14; 1 Kor 6,9-11; 2 Kor 7,1; Gal 5,16-23; Eph 4,17-24; 5,3-13; Kol 3,5-8; 1 Thess 4,1-18; 1 Tim 1,8-11; 4,12). Deshalb bedarf es einer Fähigkeit und einer Bereitschaft zur Selbstbeherrschung, die Zeichen von innerer Freiheit und Verantwortung sich selbst und den anderen gegenüber sind und zugleich von gläubigem Bewußtsein zeugen; diese Selbstbeherrschung besteht darin, daß man entweder die Gelegenheiten meidet, die zur Sünde herausfordem und verleiten, oder daß man die triebhaften Regungen der eigenen Natur zu beherrschen vermag. <46> Ebd., Nr. 2339. 19. Wenn die Familie wertvolle erzieherische Hilfe leistet und zur Übung aller Tugenden ermutigt, dann wird die Erziehung zur Keuschheit erleichtert und von inneren Konflikten befreit, auch wenn die Jugendlichen in bestimmten Augenblicken in besonders heikle Situationen geraten können. Für einige, in deren Umfeld die Keuschheit beleidigt und beschimpft wird, kann das keusche Leben ein harter, zuweilen heroischer Kampf sein. Doch mit der Gnade Christi, die seiner Liebe zur Kirche als seiner Braut entströmt, können alle keusch leben, auch wenn sie sich in einer dafür wenig günstigen Lage befinden. Die Tatsache, daß alle zur Heiligkeit berufen sind, wie das Zweite Vatikanische Konzil erklärt, macht es leichter begreiflich, daß man in Situationen geraten kann 1485 KONGREGATIONEN - ja, es gerät tatsächlich jeder einmal in irgendeiner Weise für kürzere oder längere Zeit in eine solche in denen heroische Akte der Tugend unumgänglich sind. <674> Und so birgt auch das Leben in der Ehe einen freudenreichen und anspruchsvollen Weg zur Heiligkeit in sich. <674> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des Seminars über „Verantwortliche Elternschaft durchgefiihrt von der Katholischen Universität Sacro Cuore und dem Institut Johannes Paul II., 17. September 1983: Insegnamenti, VI, 2, S. 564. Die eheliche Keuschheit 20. „Verheiratete sind berufen, in ehelicher Keuschheit zu leben; die anderen leben keusch, wenn sie enthaltsam sind“ <675>. Eltern wissen, daß die wirksamste Voraussetzung einer Erziehung ihrer Kinder zur keuschen Liebe und zur Heiligkeit des Lebens dann gegeben ist, wenn sie selbst die eheliche Keuschheit leben. Das heißt, sie sind sich dessen bewußt, daß in ihrer Liebe die Liebe Gottes gegenwärtig ist und daß deshalb auch ihre geschlechtliche Hingabe in der Ehrfurcht vor Gott und Seinem Plan der Liebe vollzogen werden muß, in Treue, Ehre und Großzügigkeit dem Ehepartner und dem Leben gegenüber, das vielleicht aus ihrem Akt der Liebe hervorgehen wird. <675> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2349. Nur so wird diese Hingabe zu einem Ausdruck der Caritas <676>; deshalb ist der Christ in der Ehe dazu berufen, sie im Rahmen seiner eigenen, persönlichen Beziehung zu Gott zu vollziehen - als Ausdruck seines Glaubens und seiner Liebe zu Gott und folglich auch mit der Treue und der reichen Fruchtbarkeit, die Kennzeichen der göttlichen Liebe sind. <677> <676> Siehe unten, Nr. 55. <677> Vgl. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae vom 25. Juli 1968: A4560(1968)485-486, Nm. 8-9. Nur so wird sie der Liebe Gottes und seinem Willen gerecht, den wir mit Hilfe der Gebote erkennen können. Es gibt keine rechtmäßige Liebe, die nicht in ihrer höchsten Form auch Liebe Gottes wäre. Den Herrn lieben heißt, seine Gebote erfüllen: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Joh 14,15). <678> <678> Dies nicht zu tun, ist immer eine Täuschung, wie der heilige Johannes von Avila bemerkt: manche sind so verblendet, daß „sie glauben, wenn ihr Herz sie zu irgendeinem Tun veranlaßt, so müßten sie dem nachgeben, auch wenn es den Geboten Gottes zuwiderläuft (...); sie behaupten, ihn so zu lieben, daß sie seine Liebe auch dann nicht verlieren, wenn sie seine Gebote brechen. Damit vergessen sie, daß der Sohn Gottes in eigener Person genau das Gegenteil gepredigt hat: Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt (,Joh 14,21): Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten {Joh 14,23). Und: Wer mich nicht liebt, hält an meinen Worten nicht fest. So gibt er uns in aller Deutlichkeit zu verstehen, daß der, der seine Worte nicht befolgt, weder seine Freundschaft noch seine Liebe hat. Wie der heilige Augustinus sagt: ,Niemand kann den König lieben, wenn er seine Gebote verabscheut’“ (Audifilia, Kap. 50). 21. Um in Keuschheit zu leben, bedürfen Mann und Frau der immerwährenden Erleuchtung durch den Heiligen Geist. „Im Mittelpunkt der Ehespiritualität steht (...) die Keuschheit nicht nur als (von der Liebe geformte) sittliche Tugend, sondern ebenso als Tugend, die mit den Gaben des Heiligen Geistes verbunden ist -vor allem mit der Gabe der Ehrfurcht vor allem, was von Gott kommt (Gabe der Frömmigkeit - donum pietatis) (...) So ist also die innere Ordnung des ehelichen I486 KONGREGATIONEN Zusammenlebens, die es den ,Liebesäußemngen’ gestattet, sich in ihrem richtigen Ausmaß und in ihrer Bedeutung zu entfalten, nicht nur Frucht der Tugend, in der sich die Eheleute üben, sondern auch der Gaben des Heiligen Geistes, mit dem sie Zusammenwirken“ <679>. <679> Johannes Paul n., Generalaudienz vom 14. November 1984: Insegnamenli, VH, 2, S. 1208. Die Eltern, die davon überzeugt sind, daß ihr eigenes keusches Leben und ihre Bemühungen, im Alltag Zeugen der Heiligkeit zu sein, die Voraussetzung und die Bedingung für ihr erzieherisches Wirken darstellen, müssen andererseits auch jeden Angriff auf die Tugend und die Keuschheit ihrer Kinder als eine Gefährdung ihres eigenen Glaubenslebens und als drohende Beeinträchtigung ihrer eigenen Gemeinschaft des Lebens und der Gnade betrachten (vgl. Eph 6,12). Die Erziehung zur Keuschheit 22. Durch die Erziehung der Kinder zur Keuschheit sollen drei Ziele erreicht werden: a) in der Familie ein positives Klima der Liebe, der Tugend und der Ehrfurcht vor den Gaben Gottes, insbesondere der Gabe des Lebens, zu bewahren; <680> b) den Kindern schrittweise den Wert der Geschlechtlichkeit und der Keuschheit begreiflich zu machen und sie in ihrem Erwachsenwerden durch Unterweisung, vorbildliches Verhalten und Gebet zu unterstützen; c) ihnen dabei zu helfen, unter Berücksichtigung ihrer Anlagen, Neigungen und Geistesgaben und im Einklang mit diesen die eigene Berufung zur Ehe oder zur gottgeweihten Jungfräulichkeit im Dienste des Himmelreiches zu begreifen und zu entdecken. <680> Vgl. Evangelium vitae, Nr. 97. 23. Bei dieser Aufgabe können andere Erzieher zwar Hilfestellung leisten, doch können sie sie den Eltern nicht abnehmen, es sei denn aus schwerwiegenden Gründen wie etwa physischer oder moralischer Unfähigkeit. Zu diesem Punkt hat sich das kirchliche Lehramt klar geäußert, <681> und zwar in bezug auf die Kindererziehung insgesamt: „Ihr (der Eltern) Erziehungswirken ist so entscheidend, daß es dort, wo es fehlt, kaum zu ersetzen ist. Den Eltern obliegt es, die Familie derart zu einer Heimstätte der Frömmigkeit und Liebe zu Gott und den Menschen zu gestalten, daß die gesamte Erziehung der Kinder nach der persönlichen wie der gesellschaftlichen Seite hin davon getragen wird. So ist die Familie die erste Schule der sozialen Tugenden, deren kein gesellschaftliches Gebilde entraten kann“ <682>. Die Erziehung ist Aufgabe der Eltern, denn das Erziehungswirken ist eine Fortsetzung der Zeugung und ein Schenken ihrer Menschlichkeit, <683> zu der sie sich feierlich bei ihrer Eheschließungszeremonie verpflichtet haben. „Die Eltern sind die ersten und hauptsächlichen Erzieher der eigenen Kinder und haben auch in diesem Bereich grundlegende Zuständigkeit: sie sind Erzieher, weil sie Eltern sind. <681> Vgl. Familiaris consortio, Nm. 36-37. <682> Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Nr. 3. <683> Vgl. Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 16. 1487 KONGREGATIONEN Sie teilen ihren Erziehungsauftrag mit anderen Personen und Institutionen wie der Kirche und dem Staat; dies muß jedoch immer in korrekter Anwendung des Prinzips der Subsidiarität geschehen. Dieses impliziert die Legitimität, ja die Verpflichtung, den Eltern Hilfe anzubieten, findet jedoch in deren vorgängigem Recht und in ihren tatsächlichen Möglichkeiten aus sich heraus seine unüberschreitbare Grenze. Das Prinzip der Subsidiarität stellt sich also in den Dienst der Liebe der Eltern und kommt dem Wohl der Familie in ihrem Innersten entgegen. In der Tat sind die Eltern nicht in der Lage, allein jedem Erfordernis des gesamten Erziehungsprozesses zu entsprechen, insbesondere was die Ausbildung und das breite Feld der Sozialisation betrifft. So vervollständigt die Subsidiarität die elterliche Liebe, indem sie deren Grundcharakter bestätigt, denn jeder andere Mitwirkende am Erziehungsprozeß kann nur im Namen der Eltern, auf Grund ihrer Zustimmung und in einem gewissen Maße sogar in ihrem Auftrag tätig werden“ <47>. 35 Ebd., Nr. 16. 24. Insbesondere im Hinblick auf Geschlechtlichkeit und wahre, zur Selbsthingabe fähige Liebe muß sich die erzieherische Absicht mit einer positivistisch orientierten Kultur auseinandersetzen, wie es der Heilige Vater in seinem Brief an die Familien darlegt: „Die Entwicklung der modernen Zivilisation ist an einen naturwissenschaftlich-technologischen Fortschritt gebunden, der sich oft als einseitig erweist und demzufolge rein positivistische Wesensmerkmale aufweist. Der Positivismus hat bekanntlich auf theoretischem Gebiet den Agnostizismus und auf praktischem und sittlichem Gebiet den Utilitarismus zum Ergebnis (...) Der Utilitarismus ist eine .Zivilisation’ der Produktion und des Genusses, eine Zivilisation der Dinge und nicht der .Personen’; eine Zivilisation, in der von .Personen’ wie von .Dingen’ Gebrauch gemacht wird (...) Um sich davon zu überzeugen“, - so führt der Heilige Vater weiter aus - „braucht man nur manche Programme der Sexualerziehung zu prüfen, die häufig trotz gegenteiliger Meinung und des Protestes vieler Eltern in den Schulen eingeführt werden“ <48>. <48> Ebd., Nr. 13. In einer solchen Situation ist es notwendig, daß die Eltern unter Rückbesinnung auf die Lehre der Kirche und mit ihrer Unterstützung die ihnen zustehende Aufgabe wieder übernehmen; daß sie sich, wo immer es nötig oder hilfreich ist, zusammenschließen und so eine erzieherische Tätigkeit entfalten, die auf die wahren Werte der Person und der christlichen Liebe ausgerichtet ist und durch klare Positionen den ethischen Utilitarismus zu überwinden vermag. Damit die Erziehung den objektiven Anforderungen der wahren Liebe entsprechen kann, muß sie der Eigenverantwortlichkeit der Eltern überlassen werden. 25. Auch bezüglich der Vorbereitung auf den Stand der Ehe sagt das kirchliche Lehramt, daß diese erzieherische Aufgabe in erster Linie Sache der Familie bleiben muß. <49> Gewiß, „die inzwischen eingetretenen Veränderungen im sozialen Ge- <49> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 66. 1488 KONGREGATIONEN füge fast aller modernen Staaten erfordern jedoch, daß nicht nur die Familie, sondern auch die Gesellschaft und die Kirche daran mitwirken, die jungen Menschen auf die Verantwortung für ihre Zukunft richtig vorzubereiten“. Gerade deshalb gewinnt die Erziehung durch die Familie schon in frühester Kindheit noch größere Bedeutung: „Die entferntere Vorbereitung beginnt schon in der Kindheit mit einer klugen Familienerziehung, deren Ziel es ist, die Kinder dahin zu führen, sich selbst als Menschen zu entdecken, die ein reiches und vielschichtiges seelisches Leben und eine besondere Persönlichkeit mit je eigenen Stärken und Schwächen besitzen“. ni. Vor dem Hintergrund der Berufung 26. Die Familie spielt eine entscheidende Rolle bei der Entfaltung und Entwicklung aller Berufungen, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Aus diesem Ehebund nämlich geht die Familie hervor, in der die neuen Bürger der menschlichen Gesellschaft geboren werden, die durch die Gnade des Heiligen Geistes in der Taufe zu Söhnen Gottes gemacht werden, um dem Volke Gottes im Fluß der Zeiten Dauer zu verleihen. In solch einer Art Hauskirche sollen die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein und die einem jeden eigene Berufung fördern, die geistliche aber mit besonderer Sorgfalt“ <50>. Ja, gerade die Tatsache, daß die Berufungen sich frei entfalten können, ist ein Zeichen für eine angemessene Seelsorge in der Familie: „Wo es eine erleuchtete und wirksame Seelsorge durch die Familie gibt, ist es ebenso natürlich, daß das Leben freudig willkommen geheißen wird, wie es leichter ist, daß die Stimme Gottes erklingt und größere Aufmerksamkeit erhält“ <51>. <50> Lumen Gentium, Nr. 11. <51> Johannes Paul II., Ansprache an die XVI. Vollversammlung der C.E.I., 15. Mai 1979: L’Osservatore Romano (italienische Ausgabe), 17. Mai 1979, S. 2. Ob es sich nun um Berufungen zur Ehe oder zu Jungfräulichkeit und Zölibat handelt, immer sind es Berufungen zur Heiligkeit. Denn im Dokument Lumen Gentium legt das Zweite Vatikanische Konzil seine Lehre von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit dar: „Mit so reichen Mitteln zum Heile ausgerüstet, sind alle Christgläubigen in allen Verhältnissen und in jedem Stand je auf ihrem Wege vom Herrn berufen zu der Vollkommenheit in Heiligkeit, in der der Vater selbst vollkommen ist“ <52>. <52> Lumen Gentium, Nr. 11. 1. Die Berufung zur Ehe 27. Die Erziehung in der wahren Liebe ist die beste Vorbereitung auf die Berufung zur Ehe. In der Familie können die Kinder und Jugendlichen lernen, die menschli- 1489 KONGREGA TIONEN che Geschlechtlichkeit in der Kraft und dem Sinnzusammenhang eines christlichen Lebens zu leben. Schritt für Schritt entdecken sie, daß ein fester christlicher Ehebund nicht als das Ergebnis von Übereinkünften oder bloßer sexueller Anziehung betrachtet werden kann. Aufgrund der Tatsache, daß sie eine Berufung ist, kann die Ehe nicht ohne eine wohlüberlegte Entscheidung, das Eingehen einer gegenseitigen Verpflichtung vor Gott und die ständige Anrufung seiner Hilfe im Gebet zustande kommen. Zur ehelichen Liebe berufen 28. Die christlichen Eltern, die verpflichtet sind, ihre Kinder zur Liebe zu erziehen, können sich dabei vor allem auf das Bewußtsein ihrer eigenen ehelichen Liebe stützen. Wie es die Enzyklika Humanae vitae formuliert, „zeigt sich uns (die eheliche Liebe) in ihrem wahren Wesen und Adel, wenn wir sie von ihrem Quellgrund her sehen; von Gott, der ,Liebe ist’ (vgl. 1 Joh 4,8), von ihm, dem Vater, ,nach dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen trägt’ (vgl. Eph 3,15). Weit davon entfernt, das bloße Produkt des Zufalls oder Ergebnis des blinden Ablaufs von Naturkräften zu sein, ist die Ehe in Wirklichkeit vom Schöpfergott in weiser Voraussicht so eingerichtet, daß sie in den Menschen seinen Lie-besplan verwirklicht. Darum streben Mann und Frau durch ihre gegenseitige Hingabe, die ihnen in der Ehe eigen und ausschließlich ist, nach jener personalen Gemeinschaft, in der sie sich gegenseitig vollenden, um mit Gott bei der Weckung und Erziehung neuen menschlichen Lebens zusammenzuwirken. Darüber hinaus hat für die Getauften die Ehe die hohe Würde eines sakramentalen Gnadenzeichens und bringt darin die Verbundenheit Christi mit seiner Kirche zum Ausdruck“ <684> <685>. <684> Humanae vitae, Nr. 8. <685> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 7. In seinem Brief an die Familien betont der Heilige Vater: „Die Familie ist tatsächlich eine Gemeinschaft von Personen, für welche die spezifische Existenzform und Art des Zusammenlebens die Gemeinsamkeit ist: communio personaruniA%\ und unter Berufung auf die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils weist der Heilige Vater darauf hin, daß eine solche Gemeinschaft „eine gewisse Ähnlichkeit“ in sich birgt „(...) zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe“ <686>. „Diese besonders reichhaltige und prägnante Formulierung stellt vor allem heraus, was für die tiefste Identität jedes Mannes und jeder Frau entscheidend ist. Diese Identität besteht in der Fähigkeit, in der Wahrheit und in der Liebe zu leben; ja, noch mehr, sie besteht im Verlangen nach Wahrheit und Liebe als bestimmende Dimension des Lebens der Person. Dieses Verlangen nach Wahrheit und Liebe macht den Menschen sowohl offen für <686> Gaudium et spes, Nr. 24. 1490 KONGREGATIONEN Gott wie für die Geschöpfe: es macht ihn offen für die anderen Menschen, für das Leben ,in Gemeinschaft’, vor allem für die Ehe und die Familie“ <687>. <687> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 8. 29. Die eheliche Liebe hat nach Aussage der Enzyklika Humanae vitae vier Merkmale: sie ist menschliche Liebe (sinnenhaft und geistig), sie ist uneingeschränkte, treue und fruchtbare Liebe. <688> <688> Vgl. Humanae vitae, Nr. 9. Diese Merkmale stützen sich auf die Tatsache, daß ,Mann und Frau sich in der Ehe so innig miteinander vereinen, daß sie - nach den Worten der Genesis - ,ein Fleisch’ werden (Gen 2,24). Die zwei Menschenwesen, die auf Grund ihrer physischen Verfassung männlich und weiblich sind, haben trotz körperlicher Verschiedenheit in gleicher Weise teil an der Fähigkeit, ,in der Wahrheit und der Liebe’ zu leben. Diese Fähigkeit, die für das menschliche Wesen, insofern es Person ist, charakteristisch ist, hat zugleich eine geistige und körperliche Dimension (...) Die aus dieser Vereinigung hervorgegangene Familie gewinnt ihre innere Festigkeit aus dem Bund zwischen den Ehegatten, den Christus zum Sakrament erhoben hat. Sie empfängt ihren Gemeinschaftscharakter, ja ihre Wesensmerkmale als .Gemeinschaft’ aus jener grundlegenden Gemeinsamkeit der Ehegatten, die sich in den Kindern fortsetzt. ,Seid ihr bereit, in Verantwortung und Liebe die Kinder, die Gott euch schenken will, anzunehmen und zu erziehen?’ — fragt der Zelebrant während des Trauungsritus. Die Antwort der Brautleute entspricht der tiefsten Wahrheit der Liebe, die sie verbindet“ <689>. Und mit derselben Formel der Eheschließungszeremonie verpflichten sich die Brautleute und versprechen, „einander ihr Leben lang treu zu bleiben“ <690>, eben deswegen, weil die Treue der Eheleute aus jener Gemeinschaft der Personen hervorgeht, die verankert ist im Plan des Schöpfers, in der Liebe der Dreifaltigkeit und im Sakrament, das die treue Einheit Christi mit der Kirche zum Ausdmck bringt. <689> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 8. <690> Rituale Romanum, Ordo celebrandi matrimonium, Nr. 60. 30. Die christliche Ehe ist ein Sakrament, das die Geschlechtlichkeit in einen Weg der Heiligkeit einbindet, mit einem Band, das durch die untrennbare eheliche Einheit noch verstärkt wird: „Das Geschenk des Sakraments ist für die christlichen Ehegatten zugleich Berufung und Gebot, einander über alle Prüfungen und Schwierigkeiten hinweg für immer treu zu bleiben, in hochherzigem Gehorsam gegen den heiligen Willen des Herrn: ,Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen’“ <691>. <691> Familiaris consortio, Nr. 20, darin zitiert Mt 19,6. Die Eltern stehen vor einer besorgniserregenden aktuellen Situation 31. Auch in den christlichen Gesellschaften haben Eltern heutzutage leider allen Grund, sich um die Beständigkeit der zukünftigen Ehen ihrer Kinder zu sorgen. 1491 KONGREGATIONEN Und doch müssen sie trotz der steigenden Scheidungsrate und der sich verschärfenden Krise in den Familien mit Optimismus reagieren und daraus für sich die Verpflichtung ableiten, die eigenen Kinder zutiefst christlich zu erziehen, damit sie in der Lage sind, die mannigfaltigen Schwierigkeiten zu überwinden. Konkret gesprochen begünstigt die Liebe zur Keuschheit, die sie in ihnen erwecken können, die gegenseitige Achtung zwischen Mann und Frau und befähigt zu Mitgefühl, Zärtlichkeit, Toleranz, Großzügigkeit und vor allem zu jener Opferbereitschaft, ohne die keine dauerhafte Liebe möglich ist. Und so werden die Kinder mit jenem klugen Realismus in den Stand der Ehe eintreten, von dem der heilige Paulus spricht, der uns lehrt, daß jeder Ehepartner die Liebe des anderen ständig neu gewinnen muß und daß ihr Umgang miteinander von wechselseitiger Zuneigung und Geduld getragen sein soll (vgl. 1 Kor 7,3-6; Eph 5,21-23). 32. Durch diese früheste Erziehung zur Keuschheit in der Familie lernen die Her-anwachsenden und die Jugendlichen, die Geschlechtlichkeit in ihrem Bezug auf die Person zu leben, das heißt, jegliche Trennung der Geschlechtlichkeit von der -als Selbsthingabe verstandenen - Liebe und jegliche Trennung der ehelichen Liebe von der Familie abzulehnen. Die Achtung der Eltern vor dem Leben und dem Geheimnis der Fortpflanzung bewahrt das Kind oder den Jugendlichen vor der irrigen Annahme, man könne die beiden Dimensionen des ehelichen Akts, also die Vereinigung und die Fortpflanzung, nach eigenem Gutdünken voneinander trennen. Somit wird die Familie als fester Bestandteil der Berufung zur Ehe erkannt. Eine christliche Erziehung zur Keuschheit in der Familie darf nicht verschweigen, wie schwer es moralisch gesehen wiegt, die beiden Dimensionen der Vereinigung und Fortpflanzung innerhalb des ehelichen Lebens voneinander zu trennen, was vor allem bei der Empfängnisverhütung und der künstlichen Befruchtung geschieht: im ersten Fall sucht man die sexuelle Lust und greift in die Erfüllung des ehelichen Akts ein, um eine Empfängnis zu verhindern; im zweiten Fall sucht man die Empfängnis und ersetzt den ehelichen Akt durch einen technischen Vorgang. Beides steht im Gegensatz zur wahren Bedeutung der ehelichen Liebe und zur völligen Gemeinschaft der Eheleute. Deshalb muß die Erziehung der Jugendlichen zur Keuschheit Vorbereitung auf die verantwortungsvolle Elternschaft sein, die „direkt den Augenblick betrifft, wo der Mann und die Frau dadurch, daß sie sich zu ,einem Fleisch’ vereinen, Eltern werden können. Es ist ein an besonderem Wert reicher Augenblick, sei es für ihre interpersonale Beziehung, sei es für ihren Dienst am Leben: sie können Eltern -Vater und Mutter - werden und das Leben an ein neues menschliches Wesen weitergeben. Die beiden Dimensionen der ehelichen Vereinigung, nämlich Vereinigung und Zeugung, lassen sich nicht künstlich trennen, ohne die tiefste Wahrheit des ehelichen Akts selbst anzugreifen“ <692>. <692> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 12; vgl. Humanae vitae, Nr. 12; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2366. 1492 KONGREGATIONEN Es ist auch notwendig, den Jugendlichen die noch schlimmeren Folgen vor Augen zu halten, die aus der Trennung von Geschlechtlichkeit und Fortpflanzung erwachsen, wenn es zur Sterilisierung oder Abtreibung kommt oder dazu, daß man die Sexualität vor und neben der Ehe getrennt von der ehelichen Liebe praktiziert. Von diesem erzieherischen Moment, das im Plan Gottes, in der Struktur der Geschlechtlichkeit an sich, im innersten Wesen der Ehe und der Familie festgeschrieben ist, hängt ein großer Teil der sittlichen Ordnung und der ehelichen Harmonie innerhalb der Familie ab - und somit auch das wirkliche Wohl der Gesellschaft. 33. Die Eltern, die ihrem ureigenen Recht und ihrer Pflicht nachkommen, ihre Kinder zur Keuschheit zu erziehen, können versichert sein, daß sie diesen helfen, ihrerseits dauerhafte und einträchtige Familien zu gründen und so die Freuden des Paradieses, soweit dies möglich ist, vorwegzunehmen: „Wie vermag ich das Glück jener Ehe zu schildern, die von der Kirche geeint, vom Opfer gestärkt und vom Segen besiegelt ist, von den Engeln verkündet und vom Vater anerkannt? (...) Die beiden Eheleute sind wie Geschwister, sie dienen einander, ohne daß es eine Trennung zwischen ihnen geben kann, weder im Fleisch noch im Geist (...) In ihnen freut Christus sich und sendet ihnen seinen Frieden; wo zwei sind, da ist auch Er, und wo Er ist, da kann das Böse nicht mehr sein“ <693>. Vgl. Tertullian, Ad uxorem, II, VIII, 6-8: CCL 1, 393-394; vgl. Familiaris consortio, Nr. 13. 2. Die Berufung zur Jungfräulichkeit und zum Zölibat 34. Die christliche Offenbarung stellt uns zwei Berufungen zur Liebe vor Augen: die Ehe und die Jungfräulichkeit. In einigen Gesellschaften der Gegenwart befinden sich neben Ehe und Familie nicht selten auch die Bemfungen zum Priestertum und zum Ordensleben in einer Krise. Die beiden Bereiche sind nicht voneinander zu trennen: „Ohne Achtung für die Ehe kann es auch keine gottgeweihte Jungfräulichkeit geben; wenn die menschliche Sexualität nicht als ein hoher, vom Schöpfer geschenkter Wert betrachtet wird, verliert auch der um des Himmelreiches willen geleistete Verzicht auf sie seine Bedeutung“ <694>. <694> Familiaris consortio, Nr. 16. Auf den Zerfall der Familie folgt der Mangel an Berufungen; wo aber die Eltern in großzügiger Weise das Leben annehmen, da sind auch die Kinder eher bereit, wenn es darum geht, es Gott zu weihen: „Die Familien müssen zu einer hochherzigen Liebe zum Leben zurückkehren und sich in seinen Dienst stellen, vor allem dadurch, daß sie mit Verantwortungsbewußtsein, das fest verbunden ist mit frohem Vertrauen, die Kinder annehmen, die der Herr ihnen schenken möchte“; und daß sie diese Bereitschaft, die Kinder anzunehmen, vollenden, nicht nur „durch fortgesetztes erzieherisches Handeln (...), sondern auch durch die gebotene, manchmal vielleicht vernachlässigte Aufgabe, vor allem den heranwachsenden jungen Menschen zu helfen, daß sie die berufliche Dimension jedes Lebens nach dem Plan Gottes auffassen (...) Das menschliche Leben kommt zu seiner vollen 1493 KONGREGATIONEN Erfüllung, wenn es zur Hingabe seiner selbst wird: einer Hingabe, die in der Mutterschaft, in der gottgeweihten Jungfräulichkeit, in der Hingabe an den Nächsten um eines Ideals willen, in der Entscheidung für das Priestertum zum Ausdruck kommen kann. Die Eltern werden dem Leben ihrer Kinder einen wirklichen Dienst erweisen, wenn sie ihnen helfen, aus ihrem Leben eine Gabe zu machen, und wenn sie ihre reifen Entscheidungen achten und mit Freude jede Berufung fördern, auch die zum Ordensleben und Priesterdienst“ <695>. <695> Johannes Paul TT., Ansprache an die Teilnehmer am Treffen über „Familie im Dienst am Leben“, durchgeführt von der Bischöflichen Kommission der C.E.I., 28. April 1990: Insegnamenti, XIII, 2, S. 1055-1056. Im Zusammenhang mit der Geschlechtserziehung betont Papst Johannes Paul II. daher in seinem Schreiben Familiaris consortio: „Die christlichen Eltern werden sogar - sollten sie die Zeichen einer göttlichen Berufung erkennen - der Erziehung zur Jungfräulichkeit eine besondere Aufmerksamkeit und Sorge widmen und in ihr die höchste Form jener Selbsthingabe sehen, welche den Sinn der menschlichen Geschlechtlichkeit bildet“ <696>. <696> Familiaris consortio, Nr. 37. Die Eltern und die Berufungen zum Priester- und Ordensstand 35. Deshalb sollen die Eltern sich freuen, wenn sie in einem ihrer Kinder Anzeichen dafür erkennen, daß Gott es ausersehen hat zur höchsten Berufung der Jungfräulichkeit oder des Zölibats aus Liebe zum Reich Gottes. Also müssen sie die Erziehung zur keuschen Liebe den Bedürfnissen solcher Kinder anpassen, indem sie sie ermutigen, ihren Weg zu gehen bis zum Eintritt ins Seminar oder Ordenshaus, oder sie müssen diese besondere Berufung zur Selbsthingabe mit ungeteiltem Herzen in den Kindern zur Reife bringen. Sie müssen ferner die Freiheit jedes ihrer Kinder respektieren und anerkennen und sie in ihrer persönlichen Berufung bestärken, ohne ihnen eine bestimmte Berufung aufdrängen zu wollen. Das Zweite Vatikanische Konzil weist ausdrücklich auf diese besondere und ehrenvolle Aufgabe der Eltern hin, die in ihrem Wirken von den Lehrern und den Geistlichen unterstützt werden: „Die Eltern sollen eine Berufung ihrer Kinder zum Ordensleben durch eine christliche Erziehung pflegen und schützen“ <697>. „Berufe zu fördern ist Aufgabe der gesamten christlichen Gemeinde (...) Den wichtigsten Beitrag dazu leisten einmal die Familien; durchdrungen vom Geist des Glaubens, der Liebe und der Frömmigkeit werden sie gleichsam zum ersten Seminar; zum anderen die Pfarrgemeinden, an deren blühendem Leben die Jugendlichen selbst teilnehmen“ <698>. „Die Eltern, Lehrer und alle, die in irgendeiner Weise an der Unterweisung der Jugend und der jungen Männer beteiligt sind, sollen diese so erziehen, daß sie die Sorge des Herrn für seine Herde erkennen, die Erfordernisse der <697> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 24. <698> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam totius, Nr. 2. 1494 KONGREGATIONEN Kirche erwägen und bereit sind, wenn der Herr ruft, mit dem Propheten hochherzig zu antworten:,Hier bin ich, sende mich’ (Jes 6,8)“ <699>. <699> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyteromm ordinis, Nr. 11. Diese für das Reifen der Berufungen zum Ordens- und Priesterstand notwendige familiäre Umgebung gemahnt uns an die insbesondere in bestimmten Ländern sehr ernste Situation vieler Familien, in denen nur wenig Leben herrscht, weil sie gewollt entweder gar keine Kinder oder nur ein einziges Kind haben, und wo ein Aufkeimen von Berufungen und auch eine angemessene soziale Erziehung nur schwerlich möglich ist. 36. Ferner wird eine wirklich christliche Familie imstande sein, den Wert der christlichen Ehelosigkeit und Keuschheit auch denjenigen ihrer Kinder begreiflich zu machen, die nicht verheiratet oder aus Gründen, die außerhalb ihres eigenen Willens liegen, nicht zur Ehe fähig sind. Wenn sie von Kindheit an und im Jugendalter richtig unterwiesen werden, dann sind sie eher in der Lage, sich ihrer eigenen Situation zu stellen. Mehr noch, sie können in dieser Situation den Willen Gottes recht erkennen und so in ihrem eigenen Leben einen Sinn der Berufung und des Friedens finden. <700> Diese Menschen sind, insbesondere wenn sie unter körperlichen Beeinträchtigungen leiden, dazu bestimmt, die großen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung und der geistigen Fruchtbarkeit zu entdecken, die mit Hilfe des Glaubens und der Liebe Gottes dem offenstehen, der sich für seine ärmeren und bedürftigeren Brüder einsetzt. <700> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 16. IV. Vater und Mutter als Erzieher 37. Gott, der den Eheleuten das Vorrecht und die große Verantwortung der Elternschaft verliehen hat, schenkt ihnen auch die Gnade, ihre Sendung in angemessener Weise zu erfüllen. Außerdem sind die Eltern bei ihrer Aufgabe der Kindererziehung erleuchtet von „zwei grundlegenden Wahrheiten (...): die erste ist, daß der Mensch zum Leben in der Wahrheit und in der Liebe berufen ist; die zweite Grundwahrheit besagt, daß sich jeder Mensch durch die aufrichtige Flingabe seiner Selbst verwirklicht“ <701>. <701> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 16. Als Eheleute, Eltern und Verwalter der sakramentalen Gnade der Ehe werden die Eltern Tag für Tag von Jesus Christus, der die Kirche, Seine Braut, liebt und ernährt, mit besonderen geistigen Kräften unterstützt. Als Eheleute, die durch das Band der Ehe „ein Fleisch“ geworden sind, teilen sie sich in die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen in bereitwilliger Zusammenarbeit und lebendigem wechselseitigem Dialog, der „eine neue und spezifische Quelle im Ehesakrament hat, das sie für eine wahrhaft christliche Erziehung der Kinder weiht, das heißt dazu beruft, an der Autorität und der Liebe Gottes, des Vaters und Christi, des Göttlichen Hirten, wie auch an der mütterlichen Liebe der Kirche teil- 1495 KONGREGATIONEN zunehmen, und sie mit der Gabe der Weisheit, des Rates, der Stärke und jeder anderen Gabe des Heiligen Geistes ausstattet, damit sie den Kindern in ihrem menschlichen und christlichen Reifungsprozeß beistehen können“ <53>. <53> Familiaris consortio, Nr. 38. 38. Im Zusammenhang mit der Erziehung zur Keuschheit umfaßt die „Vater-Mutterschaft“ selbstverständlich auch den Alleinerziehenden und die Adoptiveltern. Die Aufgabe des Alleinerziehenden ist gewiß nicht leicht, weil ihm die Unterstützung des anderen Ehepartners fehlt und damit die Rolle und das Beispiel eines Eltemteils anderen Geschlechts. Gott aber steht den alleinerziehenden Eltern mit besonderer Liebe bei und ruft sie dazu auf, sich dieser Aufgabe mit derselben Großzügigkeit und Feinfühligkeit zu stellen, mit der sie ihre Kinder in den anderen Bereichen des Familienlebens lieben und umsorgen. 39. Es gibt noch weitere Personen, die in manchen Fällen dazu berufen sind, den Platz der Eltern einzunehmen: jene, die beispielsweise bei Waisen oder bei ausgesetzten Kindern auf Dauer eine Eltemrolle übernommen haben. Ihnen fällt die Aufgabe zu, die Kinder und Jugendlichen in allen Bereichen, auch in dem der Keuschheit, zu erziehen, und sie werden die Standesgnade erhalten, um dies nach denselben Prinzipien zu tun, denen auch die christlichen Eltern folgen. 40. Die Eltern dürfen sich in ihren Bemühungen niemals alleingelassen fühlen. Die Kirche unterstützt und ermutigt sie, weil sie zuversichtlich glaubt, daß sie besser als jeder andere in der Lage sind, diese Aufgabe zu erfüllen. Gleichermaßen bestärkt sie diejenigen Männer und Frauen, die elternlosen Kindern häufig unter großen Opfern eine Form von elterlicher Liebe und von Familienleben schenken. In jedem Fall aber müssen sich alle dieser Aufgabe nahem in einem Geist des Gebets, der Offenheit und des Gehorsams gegenüber den moralischen Wahrheiten des Glaubens und der Vernunft, die die Lehre der Kirche ergänzen, und dabei müssen sie die Kinder und Jugendlichen als Personen betrachten, als Kinder Gottes und Erben des Reiches. Die Rechte und Pflichten der Eltern 4L Ehe wir auf die praktischen Details der Erziehung der Jugendlichen zur Keuschheit zu sprechen kommen, ist es von größter Wichtigkeit, daß die Eltern sich ihrer Rechte und Pflichten bewußt sind, vor allem einem Staat und einer Schule gegenüber, die dazu neigen, auf dem Gebiet der sexuellen Aufklärung die Initiative zu ergreifen. In seinem Schreiben Familiaris consortio bekräftigt der Heilige Vater Johannes Paul II.: „Das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung sind als wesentlich zu bezeichnen, da sie mit der Weitergabe des menschlichen Lebens verbunden sind; als unabgeleitet und ursprünglich, verglichen mit der Erziehungsaufgabe anderer, aufgrund der Einzigartigkeit der Beziehung, die zwischen Eltern und 1496 KONGREGATIONEN Kindern besteht; als unersetzlich und unveräußerlich, weshalb sie anderen nicht völlig übertragen noch von anderen in Beschlag genommen werden können“ <54>; der oben erwähnte Fall körperlichen oder seelischen Unvermögens bildet natürlich eine Ausnahme. <54> Familiaris consortio, Nr. 36. 42. Diese Lehre stützt sich auf das Zweite Vatikanische Konzil <55> und ist auch in der Charta der Familienrechte formuliert worden: „Weil sie ihren Kindern das Leben geschenkt haben, besitzen die Eltern das ursprüngliche, erste und unveräußerliche Recht, sie zu erziehen; sie (...) haben das Recht, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen und dabei die kulturellen Traditionen ihrer Familie zu berücksichtigen, die Wohl und Würde des Kindes fördern; sie sollten auch die notwendige Hilfe und Unterstützung der Gesellschaft erhalten, um ihre Erziehungsaufgabe richtig zu erfüllen“ <56>. <55> Vgl. Gravissimum educationis, Nr. 3. <56> Charta der Familienrechte, vorgelegt vom Heiligen Stuhl am 22. Oktober 1983, Art. 5. 43. Der Papst betont, daß dies insbesondere für die Geschlechtlichkeit gilt: „Die Geschlechtserziehung, Grundrecht und -pflicht der Eltern, muß immer unter ihrer sorgsamen Leitung erfolgen, sei es zu Hause, sei es in den von ihnen für ihre Kinder gewählten Bildungsstätten, deren Kontrolle ihnen zusteht. In diesem Sinn betont die Kirche das Prinzip der Subsidiarität, das die Schule beobachten muß, wenn sie sich an der Geschlechtserziehung beteiligt; sie hat sich dabei vom gleichen Geist leiten zu lassen wie die Eltern“ <57>. <57> Familiaris consortio, Nr. 37; s. Charta der Familienrechte, Art. 5 c. Der Heilige Vater fügt hinzu: „Aufgrund der engen Verbindungen zwischen der geschlechtlichen Dimension der Person und ihren ethischen Werten muß die Erziehung der Kinder dazu führen, die sittlichen Normen als notwendige und wertvolle Garantie für ein verantwortliches persönliches Wachsen in der menschlichen Geschlechtlichkeit zu erkennen und zu schätzen“ <58>. Niemand vermag die sittliche Erziehung auf diesem schwierigen Gebiet besser durchzuführen als die Eltern, wenn sie in gebührender Weise darauf vorbereitet sind. <58> Familiaris consortio, Nr. 37. Die Bedeutung der elterlichen Pflicht 44. Dieses Recht schließt auch eine erzieherische Aufgabe mit ein: wenn Eltern ihren Kindern keine angemessene Erziehung zur Keuschheit zuteil werden lassen, kommen sie einer klar umrissenen Pflicht nicht nach; und ebenso würden sie sich schuldig machen, wenn sie es zuließen, daß ihre Kinder außerhalb ihres Zuhauses eine unsittliche oder unangemessene Erziehung erhalten. 45. Besonders schwierig ist diese Aufgabe heute auch wegen der über die sozialen Kommunikationsmittel ausgestrahlten Pornographie, die sich nach kommerziellen Kriterien richtet und das Zartgefühl der Heranwachsenden abstumpft. Dagegen 1497 KONGREGATIONEN müssen sich die Eltern in zweifacher Hinsicht zur Wehr setzen: durch eine vorbeugende und kritische Erziehung den Kindern gegenüber und durch energische Beschwerden bei der Staatsgewalt. Die Eltern haben als einzelne oder zu mehreren das Recht und die Pflicht, für das Wohl ihrer Kinder Sorge zu tragen und von der Staatsgewalt Gesetze zu verlangen, die es unterbinden und verhindern, daß auf Kosten des Zartgefühls der Kinder und Jugendlichen solche Geschäfte gemacht werden. <702> <702> Ein weiteres schwieriges und vielschichtiges Problem, mit dem sich dieses Dokument nicht hinreichend aus-einandersetzen kann, ist die Übertragung von AIDS durch Drogengebrauch oder Geschlechtsverkehr. Die Ortskirchen engagieren sich in zahlreichen Hilfswerken zur Unterstützung der Betroffenen und zur Vorbeugung. Insbesondere im Hinblick auf den Schutz vor AIDS muß der Wert einer geregelten und auf die Familie ausgerichteten Sexualität hervorgehoben werden, und das Urteil, das die auf dem sogenannten „safer sex“ und dem (prophylaktischen) Gebrauch von Schutzmitteln basierenden Informationskampagnen verbreiten, bedarf einer Richtigstellung. Dieser Ansatz, der schon an sich der Moral zuwiderläuft, ist zudem trügerisch und führt letztendlich zu einem Anwachsen der Promiskuität und der freizügigen Beziehungen unter falschen Voraussetzungen hinsichtlich der Sicherheit. Objektive und streng wissenschaftliche Untersuchungen haben den hohen Prozentsatz der Unzuverlässigkeit solcher Mittel nachgewiesen. 46. Der Heilige Vater unterstreicht diese Aufgabe der Eltern und umreißt sie in ihrer Richtung und Zielsetzung: ,Angesichts einer Kultur, die in weiten Kreisen die menschliche Geschlechtlichkeit ,banalisiert’, weil sie diese in verkürzter und verarmter Weise interpretiert und lebt, indem sie sie einzig mit dem Leib und dem egoistisch verstandenen Vergnügen in Verbindung setzt, muß der erzieherische Dienst der Eltern entschieden auf eine Kultur der Geschlechtlichkeit hinzielen, die wahrhaft und vollmenschlich ist; die Geschlechtlichkeit ist ja ein Reichtum der ganzen Person - Leib, Gemüt und Seele - und zeigt ihre tiefste Bedeutung darin, daß sie die Person zur Hingabe ihrer selbst in der Liebe führt“ <703>. <703> Familiaris consortio, Nr. 37. 47. Wir dürfen keinesfalls vergessen, daß es sich bei der Geschlechtserziehung um ein Pflicht-Recht handelt, das die christlichen Eltern früher nur wenig wahrgenommen und ausgeübt haben, vielleicht, weil das Problem nicht so ernst war wie heute; oder weil ihre Bemühungen teilweise ersetzt wurden durch den Einfluß der herrschenden gesellschaftlichen Leitbilder und außerdem durch die ergänzende Arbeit, die die Kirche und die katholische Schule auf diesem Gebiet leisteten. Es ist heutzutage für die Eltern nicht leicht, diese erzieherische Aufgabe zu übernehmen, weil sie sich als sehr vielschichtig erweist und selbst die Möglichkeiten der Familie übersteigt und weil es in den meisten Fällen nicht möglich ist, auf dem erzieherischen Wirken der eigenen Eltern aufzubauen. Deswegen hält die Kirche es für ihre Pflicht, auch mit diesem Dokument dazu beizutragen, daß die Eltern das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten wiedergewinnen, und ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe beizustehen. 1498 KONGREGATIONEN V. Wegweiser zur Erziehung im Schoß der Familie 48. Die familiäre Umgebung ist also der normale und übliche Ort, um die Kinder und Jugendlichen zur Festigung und Übung in den Tugenden der Liebe, der Mäßigung, der Tapferkeit und folglich auch der Keuschheit heranzubilden. Als Hauskirche ist die Familie in der Tat die Schule reich entfalteter Humanität. <704> Dies gilt insbesondere für die sittliche und geistige Erziehung, vor allem in einem so schwierigen Punkt wie dem der Keuschheit: in ihr nämlich kreuzen sich körperliche, seelische und geistige Aspekte, freiheitliche Bestrebungen und Einflüsse gesellschaftlicher Leitbilder, natürliche Scham und heftige Triebe, die in der Leiblichkeit des Menschen angelegt sind; alle diese Faktoren stehen in Zusammenhang mit dem möglicherweise nur im Unterbewußtsein vorhandenen Wissen um die Würde der menschlichen Person, die berufen ist zur Zusammenarbeit mit Gott und doch zugleich auch gezeichnet von ihrer eigenen Zerbrechlichkeit. In einem christlichen Haushalt haben die Eltern die Kraft, die Persönlichkeit ihrer Kinder im christlichen Sinne zur Reife zu führen, in der Nachfolge Christi und innerhalb seines mystischen Leibes, der Kirche. <705> <704> Vgl. Gaudium et spes. Nr. 52. <705> Vgl. Familiaris consortio, Nm. 39 und 51-54. Obwohl die Familie über diese Kräfte verfügt, bedarf sie doch auch der Unterstützung durch Staat und Gesellschaft gemäß dem Subsidiaritätsprinzip: „Es kommt jedoch vor, daß die Familie, wenn sie bereit ist, ihrer Berufung voll zu entsprechen, ohne die nötige Unterstützung von seiten des Staates bleibt und daher nicht über ausreichende Mittel verfügt. Es ist dringend notwendig, nicht nur die Familienpolitik, sondern auch die Sozialpolitik zu fördern, deren Hauptziel die Familie selbst sein muß. Ihr muß durch die Gewährung entsprechender Hilfsmittel und wirksamer Formen der Unterstützung bei der Erziehung der Kinder wie bei der Sorge für die alten Menschen geholfen werden“ <706>. <706> Johannes Paul II.. Enzyklika Centesimus annus vom 1. Mai 1991: 4458311991 )S.855. Nr. 49. 49. In Anbetracht dessen und angesichts der unübersehbaren Schwierigkeiten, die für die Jugendlichen heutzutage in nicht wenigen Ländern bestehen, vor allem dann, wenn Faktoren des moralischen und sozialen Verfalls zum Tragen kommen, sollten die Eltern den Mut haben, mehr vorzuschlagen und mehr zu verlangen. Sie dürfen sich nicht damit zufriedengeben, daß nichts Schlimmeres geschieht - daß die Kinder keine Drogen nehmen, daß sie keine Verbrechen begehen -, sondern sie müssen alles geben, um sie zu den wahren, in den Tugenden von Glauben, Hoffnung und Liebe erneuerten Werten der Person zu erziehen: Freiheit, Verantwortung, Vaterschaft und Mutterschaft, Dienen, die Arbeit im Beruf, Solidarität, Ehrlichkeit, Kunst, Sport, die Freude, Kinder Gottes und damit Brüder aller Menschen zu sein usw. 1499 KONGREGATIONEN Die besondere Bedeutung der häuslichen Umgebung 50. In ihren jüngsten Resultaten stimmen Psychologie und Pädagogik mit der Erfahrung dahingehend überein, daß sie die entscheidende Bedeutung unterstreichen, die das liebevolle Klima in der Familie für eine harmonische und segensreiche Geschlechtserziehung hat, und zwar vor allem in den ersten Jahren des Kleinkind- und des Kindesalters und vielleicht auch schon vor der Geburt, also in den Zeitabschnitten, in denen sich die Gefühlswelt der Kinder in ihrer Dynamik und Tiefe ausprägt. Ausgeglichenheit, Akzeptanz und Verständnis zwischen Mann und Frau werden in ihrer Bedeutung hervorgehoben. Man betont ferner den Wert einer ungetrübten Beziehung zwischen den Eheleuten, ihrer positiven Gegenwart - der des Vaters ebenso wie der der Mutter - in den für den Identifikationsprozeß entscheidenden Jahren und ihrer vertrauenerweckenden Liebe zu den Kindern. 51. Gewisse schwerwiegende Mängel oder Unausgeglichenheiten im Verhältnis der Eltern zueinander (beispielsweise die Nichtbeteiligung eines oder beider Eltern am Familienleben, erzieherisches Desinteresse oder übertriebene Strenge) rufen in den Gefühlen und Emotionen der Kinder Störungen hervor, die in ihrer Jugend zu ernsten Beeinträchtigungen führen und sie zuweilen für ihr ganzes Leben zeichnen können. Es ist nötig, daß die Eltern die Zeit finden, um mit ihren Kindern zusammenzusein und sich ihnen im Gespräch zu widmen. Die Kinder, Geschenk und Verpflichtung, sind ihre wichtigste Aufgabe, mag auch diese Aufgabe dem Anschein nach nicht immer sehr einträglich sein: sie ist wichtiger als der Beruf, wichtiger als das Vergnügen, wichtiger als die gesellschaftliche Stellung. In solchen Gesprächen muß man - und zwar mit den Jahren in immer höherem Maße -aufmerksam zuhören können, man muß sich bemühen, die Kinder zu verstehen, und in der Lage sein, die Berechtigung, die in manchen Formen der Auflehnung enthalten sein kann, anzuerkennen. Es geht nicht darum, bestimmte Verhaltensweisen durchzusetzen, sondern die übernatürlichen und menschlichen Gründe aufzuzeigen, die diese Verhaltensweise nahelegen. Den größten Erfolg werden diejenigen Eltern haben, die ihren Kindern ihre Zeit widmen und sich liebevoll und wirklich in sie hineinversetzen. Erziehung in der Gemeinschaft des Lebens und der Liebe 52. Die christliche Familie ist in der Lage, eine von jener Liebe zu Gott durchdrungene Atmosphäre zu schaffen, die eine echte wechselseitige Hingabe ermöglicht. <707> Kinder, die diese Erfahrung machen, sind eher bereit, nach den sittlichen Wahrheiten zu leben, die sie im Leben der Eltern verwirklicht sehen. Sie vertrauen auf sie und lernen jene Liebe kennen - nichts befähigt so zur Liebe wie das Wissen, daß man geliebt wird -, die alle Furcht besiegt. So wird das Band der gegen- <707> Vgl. Familiaris consortio, Nm. 18 und 63-64. 1500 KONGREGATIONEN seitigen Liebe, die die Eltern ihren Kindern gegenüber bezeugen, zu einem sicheren Schutz ihrer ungetrübten Gefühlswelt. Dieses Band verfeinert den Intellekt, den Willen und die Emotionen und hält alles fern, was das Geschenk der menschlichen Geschlechtlichkeit entwürdigen oder herabsetzen könnte, denn in einer Familie, in der die Liebe herrscht, wird die menschliche Geschlechtlichkeit immer begriffen als ein Teil der Berufung zur Selbsthingabe in der Liebe zu Gott und den anderen: Die Familie ist die erste und grundlegende Schule sozialen Verhaltens: als Gemeinschaft der Liebe findet sie in der Selbsthingabe das Gesetz, das sie leitet und wachsen läßt. Die von der Liebe der Ehegatten zueinander angeregte Selbsthingabe dient als Vorbild und Norm der Selbsthingabe, die sich in den Beziehungen zwischen Geschwistern und zwischen den unterschiedlichen Generationen vollzieht, die in der Familie Zusammenleben. Und die Tag für Tag zu Hause gelebte Gemeinschaft und Anteilnahme in freudigen und schwierigen Momenten stellt die anschaulichste und wirksamste Vorbereitung auf die aktive, verantwortungsvolle und erfolgreiche Eingliederung der Kinder in den größeren Raum der Gesellschaft dar. <708> <708> Ebd., Nr. 37. 53. Schließlich lehrt die Erziehung in der wahren Liebe - und wahr kann sie nur sein, wenn sie gütig ist -, die geliebte Person anzunehmen und ihr Wohl als das eigene zu betrachten, und deshalb ist sie naturgemäß auch Erziehung zum richtigen Umgang mit den anderen. Den Kindern, den Heranwachsenden und den Jugendlichen muß beigebracht werden, wie sie ein unbefangenes Verhältnis zu Gott, zu ihren Eltern, zu ihren Geschwistern, zu ihren Kameraden gleichen oder anderen Geschlechts und zu den Erwachsenen finden können. 54. Man darf auch nicht vergessen, daß die Erziehung in der Liebe eine allumfassende Wahrheit ist: es ist nicht möglich, im richtigen Umgang mit einer Person Fortschritte zu machen, ohne daß sich dies auch auf jede beliebige andere Person auswirkt. Wie bereits erwähnt, ist die Erziehung zur Keuschheit als Erziehung zur Liebe zugleich eine Ausbildung des Geistes, der Sensibilität und der Gefühle. Die Einstellung zu anderen Menschen hängt nicht zuletzt davon ab, in welche Bahnen man die spontanen Gefühle ihnen gegenüber lenkt, wie man die einen zum Wachsen bringt und die anderen unterdrückt. Die Keuschheit als Tugend beschränkt sich niemals allein auf die Frage nach der Fähigkeit, Dinge zu tun, die äußeren Verhaltensmaßregeln entsprechen, sondern sie verlangt die Freisetzung und Entfaltung von Kräften der Natur und der Gnade, die das wichtigste und immanente Element bilden bei unserer Entdeckung des göttlichen Gesetzes, das Wachstum und Freiheit garantiert. <709> <709> Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I-n, q. 106, a. 1. 55. Es ist daher hervorzuheben, daß die Erziehung zur Keuschheit untrennbar mit der Aufgabe verbunden ist, auch alle anderen Tugenden zu pflegen, vor allem die 1501 KONGREGATIONEN christliche Liebe, die gekennzeichnet ist von Respekt, Selbstlosigkeit und Dienst, und die man, alles einschließend, Caritas nennt. Die Geschlechtlichkeit ist ein Gut von großer Wichtigkeit, das gemäß den Weisungen der vom Glauben erleuchteten Vernunft geschützt werden muß: „Je wichtiger etwas ist, um so mehr muß man dabei die Ordnung der Vernunft beobachten“ <710>. Daraus ergibt sich, daß es bei der Erziehung zur Keuschheit „Selbstbeherrschung braucht, welche Tugenden wie Schamhaftigkeit, Zucht und Maß, Achtung vor sich selbst und den anderen sowie Aufgeschlossenheit für den Nächsten voraussetzt“ <711>. <710> Ebd., II-II, q. 153, a. 3. <711> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 35. Und auch die Tugenden, die die christliche Tradition als die kleineren Schwestern der Keuschheit bezeichnet hat (Bescheidenheit, Bereitschaft zur Aufopferung der eigenen Launen), sind wichtig und werden vom Glauben und einem Leben im Gebet gestärkt. Die Schamhaftigkeit und die Bescheidenheit 56. Das Üben von Schamhaftigkeit und Bescheidenheit in Wort, Tat und Kleidung ist sehr wichtig, um ein der Entfaltung der Keuschheit angemessenes Klima zu schaffen, doch muß es gut in der Achtung vor dem eigenen Leib und vor der Würde der anderen verankert sein. Wie bereits erwähnt, müssen die Eltern darüber wachen, daß gewisse unsittliche Modeströmungen und Einstellungen das Zuhause in seiner Unversehrtheit nicht antasten, was vor allem durch einen falschen Umgang mit den Massenmedien geschehen kann. <712> Der Heilige Vater hat in diesem Zusammenhang betont, wie notwendig es ist, „eine engere Zusammenarbeit zwischen den Eltern, denen an erster Stelle die Erziehungsaufgabe zukommt, den Verantwortlichen der Kommunikationsmittel auf verschiedener Ebene und den öffentlichen Behörden zu schaffen, damit die Familien nicht in einem wichtigen Sektor ihrer Erziehungsaufgabe sich selbst überlassen bleiben (...) Angebote, Inhalte und Programme gesunder Unterhaltung und solche, die der Information und Erziehung dienen und hierbei die Rolle der Familie und der Schule ergänzen, muß man wirklich anerkennen. Doch dies macht es leider nicht ungeschehen, daß vor allem in einigen Ländern Darbietungen und Schriften verbreitet werden, in denen sich jede Art von Gewalt häuft und die einen geradezu bombardieren mit Botschaften, die die moralischen Prinzipien untergraben und ein angemessenes Klima unmöglich machen, das es gestattet, Werte zu vermitteln, die der menschlichen Person würdig sind“ <713>. <712> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 76; vgl. auch Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 68; vgl. Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, Pornographie und Gewalt in den Kommunikationsmedien: Eine pastorale Antwort, 7. Mai 1989: L’Osservatore Romano (italienische Ausgabe), Supplem. A, 17. Mai 1989, Nr. 7. <713> Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Ratfiir die Familie und dem Päpstlichen Ratfiir die sozialen Kommunikationsmittel veranstalteten Treffens über „Die Rechte der Familie und die sozialen Kommunikationsmittel“, 4. Juni 1993: L’Osservatore Romano (italienische Ausgabe), 5. Juni 1993, S. 5. 1502 KONGREGATIONEN Auch auf den Gebrauch des Fernsehens hat der Heilige Vater eigens Bezug genommen: „Die Lebensweise - besonders in den hochindustrialisierten Nationen -führt häufig dazu, daß sich die Familien ihrer Erziehungsverantwortlichkeit entledigen, indem sie in der Mühelosigkeit der Flucht (im Haus vor allem verkörpert durch das Fernsehen und bestimmte Publikationen) die Möglichkeit finden, die Kinder beschäftigt zu halten. Niemand kann leugnen, daß das bis zu einem gewissen Grad auch gerechtfertigt ist, da es ja nur allzuoft an ausreichenden Strukturen und Infrastrukturen fehlt, um die Freizeit der Kinder sinnvoll zu erschließen und auszubauen und ihre Kräfte in eine bestimmte Richtung zu lenken“ <714>. Ein weiterer erleichternder Umstand ist in der Tatsache gegeben, daß beide Eltern auch außer Haus mit Arbeit beschäftigt sind. „Unter den Folgen all dessen haben gerade diejenigen zu leiden, die in der Entwicklung ihrer verantwortlichen Freiheit’ am nötigsten Hilfe brauchen. Da ergibt sich nun - besonders für die Gläubigen, für die Frauen und Männer, welche die Freiheit lieben - die Pflicht, vor allem die Kinder und Jugendlichen vor den Aggressionen zu schützen, die sie auch durch die ,Massenmedien’ erfahren. Niemand versäume diese Pflicht, indem er allzu bequeme Gründe für ihre Nichteinlösung anführt!“ <715>; „die Eltern als Empfänger (müssen) aktiv mitwirken im maßvollen, kritischen, wachsamen und klugen Umgang mit den Medien“ <716>. <714> Johannes Paul II., Botschaft zum 15. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 10. Mai 1981: Messaggi del Papa, Libreria Editrice Vaticana, S. 73. <715> Ebd., S. 73. <716> Familiaris consortio, Nr. 76. Die berechtigte Intimität 57. In engem Zusammenhang mit der Schamhaftigkeit und der Bescheidenheit, die eine spontane Abwehrhaltung der Person sind, die nicht will, daß man sie als Lustobjekt sieht und behandelt, statt sie um ihrer selbst willen zu achten und zu heben, muß auch die Achtung vor der Intimität betrachtet werden: wenn ein Kind oder ein Jugendlicher sieht, daß man seine berechtigte Intimität respektiert, dann wird er erkennen, daß man auch von ihm dasselbe Verhalten anderen gegenüber erwartet. Auf diese Weise lernt er, seinen eigenen Verantwortungssinn Gott gegenüber zu pflegen, das heißt, sein inneres Leben und sein Bewußtsein für die innere Freiheit zu entwickeln, die es ihm ermöglichen, Gott und den Nächsten in besserer Weise zu lieben. Die Selbstbeherrschung 58. Allgemeiner gesprochen erfordert all dies die Selbstbeherrschung, die eine notwendige Voraussetzung der Fähigkeit zur Selbsthingabe ist. Die Kinder und die Jugendlichen müssen dazu ermutigt werden, Selbstkontrolle und Zurückhaltung hochzuschätzen und zu üben, ein geregeltes Leben zu führen und persönliche 1503 KONGREGATIONEN Opfer zu bringen in einem Geist der Liebe zu Gott, der Achtung vor sich selbst und der Großzügigkeit gegenüber den anderen, wobei sie ihre Gefühle und Neigungen nicht unterdrücken, sondern in ein tugendhaftes Leben einbetten sollen. Die Eltern als Vorbilder für ihre Kinder 59. Das gute Beispiel und die „Führungsrolle “ der Eltern ist wesentlich, wenn es darum geht, die Erziehung der Jugendlichen zur Keuschheit zu unterstützen. Eine Mutter, die um den Wert ihrer mütterlichen Berufung und ihrer Stellung im Blaus weiß, leistet einen großen Beitrag dazu, in ihren Töchtern die Qualitäten der Fraulichkeit und Mutterschaft zu entfalten, und stellt ihren Söhnen ein deutliches, starkes und edles Beispiel der Frau vor Augen. <717> Ein Vater, der seinem Verhalten den Stil männlicher Würde aufprägt, ohne sich Vorrechte nach Art des „Machismo“ anzumaßen, wird seinen Söhnen ein wirksames Vorbild sein und in seinen Töchtern Respekt, Bewunderung und ein Gefühl der Sicherheit erwecken. <718> Vgl. Mulieris dignitatem, Nm. 18-19. <718> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 25. 60. Dies gilt auch für die Erziehung zur Opferbereitschaft in den Familien, die heute mehr denn je den Einflüssen des Materialismus und des Konsumdenkens ausgesetzt sind. Nur so werden die Kinder aufwachsen „in angemessener Freiheit gegenüber den materiellen Gütern, indem sie sich einen einfachen und anspruchslosen Lebensstil aneignen in der Überzeugung, daß ,der Wert des Menschen mehr in dem liegt, was er ist, als in dem, was er hat’. In einer Gesellschaft, die aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Individualismen und Egoismen von Spannungen und Konflikten erschüttert und zerstritten ist, müssen die Kinder sich nicht nur ein Gespür für wahre Gerechtigkeit aneignen, die allein die Achtung der personalen Würde eines jeden Menschen gewährleistet, sondern auch und vor allem das Gespür für wahre Liebe als aufrichtige Sorge und selbstlosen Dienst für die anderen, besonders für die Ärmsten und Bedürftigsten“ <719>; „somit ordnet sich die Erziehung vollkommen in den Horizont der Zivilisation der Liebe’ ein; von ihr hängt sie ab und trägt in hohem Maße zu ihrem Aufbau bei“ <720>. <719> Ebd., Nr. 37; vgl. auch Nm. 47-48. <720> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 16. Ein Heiligtum des Lebens und des Glaubens 61. Wer darüber hinwegsieht, daß für die Eltern die erste und größte Möglichkeit, ihren Kindern Hilfe und Vorbild zu sein, in der Großzügigkeit besteht, mit der sie das Leben annehmen, der vergißt zugleich auch, daß sie ihnen so zu einem einfacheren Lebensstil verhelfen und daß es außerdem „gewiß weniger wichtig ist, ihren Kindern einen bestimmten Komfort oder materielle Vorteile zu verschaffen, als sie der Existenz von Geschwistern zu berauben, die ihnen beim Reifen als 1504 KONGREGATIONEN Menschen und bei der Wahrnehmung der Schönheit des Lebens in allen seinen Phasen und seiner ganzen Vielfalt helfen können“ <721>. <721> Johannes Paul II., Predigt beim Gottesdienst vor dem Kapitoi in Washington DC, USA, 7. Oktober 1979: L’Osservatore Romano (italienische Ausgabe), 8./9. Oktober 1979, Beilage, S. LXXVII. 62. Und schließlich wollen wir uns daran erinnern, daß die Familie, um alle diese Ziele erreichen zu können, vor allem anderen ein Haus des Glaubens und des Gebets sein muß, in dem man die Gegenwart Gottvaters wahmimmt, das Wort Jesu hört, das Band der Liebe spürt, das ein Geschenk des Geistes ist, und in dem man die reinste Gottesmutter liebt und zu ihr betet. <722> Der besondere Inhalt eines solchen Lebens im Glauben und im Gebet „ist das Familienleben selbst, das in all seinen verschiedenen Situationen als Anruf Gottes verstanden und als kindliche Antwort auf diesen Anruf vollzogen wird: Freude und Leid, Hoffnung und Enttäuschung, Geburten, Geburtstage und Hochzeitstage, Abschiede, Getrenntsein und Wiedersehen, wichtige und einschneidende Entscheidungen, Todesfälle im Kreis der Lieben und ähnliches mehr - all das sind Marksteine der Begegnung der Liebe Gottes mit der Geschichte der Familie, wie sie auch Anlaß zur Danksagung sein sollen, des Bittens, der vertrauensvollen Überantwortung der Familie an den gemeinsamen Vater im Himmel“ <723>. <722> Vgl. Familiaris consortio, Nm. 59-61; Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik Persona humana, 29. Dezember 1975: L’Osservatore Romano (italienische Ausgabe), 16. Januar 1976, S. 1, Nr. 12. <723> Familiaris consortio, Nr. 59. 63. In einer solchen Atmosphäre des Gebets und des Wissens um die Gegenwart und die Väterlichkeit Gottes werden die Wahrheiten des Glaubens und der Moral mit Ehrfurcht gelehrt, begriffen und verinnerlicht werden, und das Wort Gottes wird man mit Liebe lesen und leben. Dann wird die Wahrheit Christi eine Familiengemeinschaft aufbauen, die auf dem Vorbild und der Leitung der Eltern beruht: so „erreichen sie die Herzensmitte ihrer Kinder und hinterlassen dort Spuren, die von den Ereignissen des späteren Lebens nicht ausgelöscht werden können“ <724> <725>. <724> Vgl. ebd., Nr. 60. <725> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 48. VI. Die Schritte in der Erkenntnis 64. Pflicht der Eltern ist es vor allem, ihre Kinder mit den Geheimnissen des menschlichen Lebens vertraut zu machen, denn die Familie ist „das beste Umfeld, um der Pflicht, eine stufenweise Erziehung des geschlechtlichen Lebens sicherzustellen, nachzukommen. Sie hat einen Gefühlsreichtum, der geeignet ist, ohne seelische Wunden zu hinterlassen, auch die heikelsten Wirklichkeiten annehmbar zu machen und sie harmonisch in eine ausgeglichene und reife Persönlichkeit zu in-tegneren . Diese der Familie vorbehaltene Aufgabe, von der wir bereits gesprochen haben, beinhaltet für die Eltern das Recht, daß ihre Kinder nicht verpflichtet werden kön- 1505 KONGREGATIONEN nen,in der Schule den Unterrichtsstunden zu diesem Thema beizuwohnen, wenn sie mit ihren eigenen religiösen und moralischen Überzeugungen nicht übereinstimmen. <726> Es ist nämlich nicht Sache der Schule, die Familie zu ersetzen, sondern vielmehr „die Bemühungen der Eltern zu fördern und zu vervollständigen durch Vermittlung einer Sicht der Geschlechtlichkeit als Wert und Aufgabe der ganzen Person, die als Mann und Frau nach dem Bild Gottes geschaffen wurde“ <727>. <726> Vgl. Charta der Familienrechte, Art. 5 c. <727> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 69. Hierzu wollen wir hinweisen auf das, was der Heilige Vater in seinem Schreiben Familiaris consortio lehrt: „Die Kirche wendet sich entschieden gegen eine gewisse, vielfach verbreitete Art sexueller Information; losgelöst von sittlichen Grundsätzen, ist sie nichts anderes als eine Einführung in die Erfahrung des Vergnügens und ein Anreiz, der den Kindern - schon in den Jahren der Unschuld -ihre Unbefangenheit nimmt und den Weg des Lasters öffnet“ <728>. <728> Familiaris consortio, Nr. 37. Es ist also erforderlich, vier allgemeine Grundsätze vorzustellen und im Anschluß daran auf die verschiedenen Entwicklungsphasen der Kinder einzugehen. Vier Prinzipien zur Geschlechtserziehung 65.1. Jedes Kind ist eine einzigartige und unwiederholbare Person und muß eine individualisierte Erziehung erhalten. Weil die Eltern jedes ihrer Kinder in seiner Unwiederholbarkeit kennen, verstehen und heben, sind sie am besten in der Lage zu entscheiden, welcher Zeitpunkt geeignet ist, um ihnen entsprechend ihrer körperlichen und geistigen Reife die jeweiligen Informationen zu geben. Niemand darf gewissenhaften Eltern diese Urteilsfähigkeit absprechen. <729> <729> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 37. 66. Der Reifeprozeß jedes Kindes verläuft unterschiedlich, und deshalb müssen ihm die biologischen wie emotionalen Aspekte, die seine Intimität am meisten berühren, in einem auf seine Persönlichkeit ausgerichteten Dialog mitgeteilt werden. <730> In einem auf Liebe und Vertrauen basierenden Dialog mit jedem ihrer Kinder teilen die Eltern etwas mit von ihrer eigenen Selbsthingabe, die sie in die Lage versetzt, von der gefühlsbedingten Seite der Geschlechtlichkeit zu sprechen, die den Kindern auf anderem Wege nicht vermittelt werden kann. <730> Vgl. Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 58. 67. Die Erfahrung zeigt, daß dieser Dialog sich besser entwickelt, wenn der El-temteil, der die biologischen, emotionalen, moralischen und geistigen Informationen weitergibt, dasselbe Geschlecht hat wie das betreffende Kind oder der Jugendliche. Weil sie sich der Rolle, der Gefühle und der Probleme des eigenen Geschlechts bewußt sind, haben die Mütter eine besondere Bindung an ihre Töchter und die Väter an ihre Söhne. Diese natürliche Bindung muß respektiert werden; daher muß ein alleinerziehender Eltemteil sehr behutsam Vorgehen, wenn er mit einem Kind anderen Geschlechts spricht, und er kann sich entscheiden, die intime- 1506 KONGREGATIONEN ren Einzelheiten einer Vertrauensperson zu überlassen, die dasselbe Geschlecht hat wie das Kind. Für diese Unterstützung subsidiärer Art können die Eltern erfahrene und gut ausgebildete Erzieher aus dem schulischen Bereich, der Gemeinde oder kathohschen Vereinigungen heranziehen. 68. 2. Die sittliche Dimension muß stets Teil ihrer Erklärungen sein. Die Eltern können hervorheben, daß die Christen dazu berufen sind, das Geschenk der Geschlechtlichkeit gemäß dem Plan Gottes, der die Liebe ist, zu leben, daß heißt untrennbar verbunden mit der Ehe, der gottgeweihten Jungfräulichkeit oder auch dem Zölibat. <731> Sie müssen den positiven Wert der Keuschheit betonen, die wahre Liebe zu den Menschen erzeugt: dies ist ihr ursprünglicher und wichtigster sittlicher Aspekt; nur wer zur Keuschheit fähig ist, ist auch fähig zur Liebe in Ehe oder Jungfräulichkeit. <731> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 16. 69. Vom zartesten Kindesalter an können die Eltern eine beginnende Beschäftigung des Kindes mit seinen Geschlechtsteilen beobachten. Es kann nicht als Unterdrückung betrachtet werden, wenn man diese Gewohnheiten, die später sündhaft werden können, sanft korrigiert und, wann immer es nötig ist, das Kind seiner Entwicklung entsprechend zu sittsamem Verhalten anleitet. Es ist immer wichtig, die moralische Ablehnung gewisser Verhaltensweisen, die der Würde der Person und der Keuschheit widersprechen, zu rechtfertigen anhand angemessener, gültiger und überzeugender Begründungen auf der Ebene der Vernunft wie auch des Glaubens, das heißt eingebettet in eine positive Einstellung und eine hohe Meinung von der persönlichen Würde. Viele elterliche Belehrungen sind bloße Zurechtweisungen oder Ermahnungen, die in den Augen der Kinder aus der Angst vor bestimmten Konsequenzen für den sozialen Status oder das öffentüche Ansehen erwachsen und nicht aus einer Liebe, die auf ihr wahres Wohl bedacht ist. „Daher, bitte ich, lasset uns doch ernstlich alle diese Verkehrtheiten bessern und die Leidenschaften, die sich je nach dem Alter in uns regen, ins Gegenteil verwandeln. Wenn wir aber auf jeder Stufe unseres Lebens den Mühen, welche die Tugend fordert, ausweichen, dann werden wir überall Schiffbruch leiden, werden ohne geistliche Schätze in den Hafen einlaufen“ <732>. <732> Johannes Chrysostomus, Homiliae in Matthaeum, 81,5: PG 58, 737. 70. 3. Die Erziehung zur Keuschheit und die jeweils angebrachten Hinweise zur menschlichen Sexualität müssen im größeren Zusammenhang der Erziehung zur Liebe erteilt werden. Es reicht nicht aus, Informationen über die Geschlechtlichkeit gemeinsam mit objektiven moralischen Grundsätzen zu vermitteln. Vielmehr bedarf auch das Wachstum des geistlichen Lebens der Kinder ständiger Unterstützung, damit die biologische Entwicklung und die Triebe, die sich zu regen beginnen, begleitet sind von einer wachsenden Liebe zu Gott, dem Schöpfer und Erlöser, und von einem zunehmend größeren Bewußtsein der Würde 1507 KONGREGATIONEN jeder menschlichen Person und ihres Leibes. Im Licht des Geheimnisses Christi und der Kirche können die Eltern die positiven Werte der menschlichen Geschlechtlichkeit im Kontext der in der Person angelegten Berufung zur Liebe und der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit erklären. 71. In den Gesprächen mit den Kindern dürfen also niemals die Ratschläge fehlen, die ihnen helfen, in der Liebe zu Gott und dem Nächsten zu wachsen und die Schwierigkeiten zu überwinden: „Zucht der Sinne und des Geistes, Wachsamkeit und Klugheit, um die Gelegenheiten zur Sünde zu vermeiden, Wahrung des Schamgefühls, Maß im Genuß, gesunde Ablenkungen, eifriges Gebet und häufiger Empfang der Sakramente der Buße und der Eucharistie. Vor allem die Jugend soll die Verehrung der unbefleckt empfangenen Gottesmutter eifrig pflegen“ <59>. 101 Persona humana, Nr. 12. 72. Damit die Kinder lernen, das Umfeld, in dem sie sich bewegen, in kritischer und wirklich selbständiger Einstellung zu beurteilen, und sich an einen unabhängigen Umgang mit den Massenmedien gewöhnen, müssen die Eltern ihnen durch ihr Verhalten immer positive Vorbilder und angemessene Möglichkeiten vor Augen stellen, wie man die eigene Tatkraft im Sinne der Freundschaft und Solidarität auf dem weiten Feld der Gesellschaft und der Kirche einsetzen kann. Angesichts abnormer Neigungen und Verhaltensweisen, denen man mit größter Vorsicht und Klugheit begegnen muß, um die Lage richtig zu erkennen und zu bewerten, können die Eltern sich auch an wissenschaftlich und moralisch qualifizierte und verläßliche Fachleute wenden, um hinter den Symptomen die Ursachen zu erforschen und den Betreffenden bei der Überwindung der Schwierigkeiten zu helfen. Die pädagogische Handlungsweise soll sich eher den Ursachen als der sofortigen Unterdrückung des Phänomens <60> widmen und - wenn es nötig wird -auch bei qualifizierten Personen Hilfe suchen wie Ärzten, Pädagogen oder Psychologen von rechtgläubiger christlicher Einstellung. <60> Vgl. ebd-, Nr. 9; Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 99. 73. Ziel des erzieherischen Wirkens ist es für die Eltern, den Kindern die Überzeugung zu vermitteln, daß die Keuschheit in ihrer eigenen Lebenssituation möglich ist und Freude bringt. Die Keuschheit entspringt dem Bewußtsein der Reife und Harmonie des eigenen Gefühlslebens, das als Geschenk Gottes und Geschenk der Liebe dazu bestimmt ist, die Selbsthingabe innerhalb der eigenen Berufung zu verwirklichen. Der Mensch nämlich, das einzige Geschöpf auf Erden, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat, kann „sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden“ <61>. „Christus hat gemeinschaftliche Gesetze für alle gegeben (...) Ich hindere dich nicht zu heiraten, noch verbiete ich dir, dich zu vergnügen; aber ich will, daß es in Ehrbarkeit geschehe, nicht in jener schamlosen Weise, die Vorwürfe und tausendfachen Tadel verdient. Ich gebiete <61> Gaudium et spes, Nr. 24. 1508 KONGREGATIONEN dir nicht, dich auf Berge und in Wüsten zurückzuziehen, sondern gütig, bescheiden und ehrbar zu sein, während du mitten in der Stadt wohnst“ <62>. <62> Johannes Chrysostomus, Homiliae in Matthaeum, 7,7: PG 57, 80-81. 74. Die Hilfe Gottes wird uns nie fehlen, wenn jeder den notwendigen Einsatz bringt, um der Gnade Gottes zu entsprechen. Die Eltern, die das Gewissen ihrer Kinder unterstützen, bilden und respektieren, müssen dafür sorgen, daß sie mit Andacht die Sakramente empfangen, indem sie ihnen mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn die Kinder und Jugendlichen in den Sakramenten die Wirkungen der Gnade und Barmherzigkeit Gottes erfahren, werden sie in der Lage sein, die Keuschheit als Geschenk Gottes zu leben, zu seinem Ruhm und als Ausdruck der Liebe zu Ihm und den anderen Menschen. Eine notwendige und in übernatürlicher Weise wirksame Hilfe bietet das Sakrament der Wiederversöhnung, insbesondere wenn man sich dabei stets an denselben Beichtvater wenden kann. Die geistliche Leitung oder Führung ist, auch wenn sie nicht unbedingt mit der Rolle des Beichtvaters zusammenfällt, eine wertvolle Hilfe bei der mit zunehmender Reife fortschreitenden Unterweisung und der moralischen Unterstützung. Von großer Hilfe ist ferner die Lektüre ausgewählter und empfohlener Bücher, sei es, um die Bildung zu erweitern und zu vertiefen oder um auf dem Weg der Tugend Beispiele und Zeugnisse anzuführen. 75. Da die Ziele der Geschlechtserziehung nun festgelegt sind, sollen, ausgehend vom Kindesalter, die geeigneten Zeitpunkte und Methoden näher bestimmt werden. 4. Die Eltern müssen diese Belehrung mit größtem Zartgefühl, aber unmißverständlich und zum geeigneten Zeitpunkt vornehmen. Sie wissen genau, daß die Kinder individuell verschieden behandelt werden müssen, entsprechend den persönlichen Umständen ihrer körperlichen und seelischen Entwicklung und unter gebührender Berücksichtigung auch des kulturellen Umfeldes und der Erfahrungen, die der Heranwachsende im täglichen Leben macht. Um beurteilen zu können, wie sie mit jedem ihrer Kinder sprechen müssen, ist es wichtig, daß sie zunächst selbst im Gebet den Herrn um Erleuchtung bitten und miteinander darüber reden, damit ihre Worte weder zu deutlich noch zu ungenau sind. Es ist der Sache abträglich, dem Kind gegenüber zu sehr ins Detail zu gehen, doch es ist auch unklug, die ersten Informationen zu sehr hinauszuzögem, weil jeder Mensch in dieser Hinsicht eine natürliche Neugier entwickelt und sich früher oder später Fragen stellt, vor allem in einer Kultur, in der man auch nebenbei allzuviel erfahren kann. 76. Im allgemeinen betreffen die ersten Hinweise auf die Geschlechtlichkeit, die einem kleinen Kind gegeben werden, nicht den sexuellen Verkehr, sondern die Schwangerschaft und die Geburt eines Bruders oder einer Schwester. Die natürliche Neugierde eines Kindes wird angeregt, wenn es beispielsweise an seiner Mutter die Anzeichen der Schwangerschaft wahmimmt und begreift, daß sie ein 1509 KONGREGATIONEN Kind erwartet. Die Eltern können sich diese freudige Erfahrung zunutze machen, um dem Kind einige einfache Tendenzen zur Schwangerschaft mitzuteilen, doch immer im tieferen Zusammenhang mit dem Wunder des schöpferischen Wirkens Gottes, der es so eingerichtet hat, daß das neue, von Ihm geschenkte Leben im Leib der Mutter und in der Nähe ihres Herzens behütet wird. Die wichtigsten Phasen in der Entwicklung des Kindes 77. Es ist wichtig, daß die Eltern berücksichtigen, was für ihre Kinder in den verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung wichtig ist. In dem Bewußtsein, daß jedes Kind eine individuelle Behandlung erfahren muß, können sie die einzelnen Schritte der Erziehung in der Liebe nach den besonderen Bedürfnissen jedes Kindes ausrichten. 1. Die Jahre der Unschuld 78. Vom Alter von etwa fünf Jahren bis zur Pubertät - deren Beginn für den Zeitpunkt anzusetzen ist, da die ersten Veränderungen am Körper des Jungen oder des Mädchens auftreten (sichtbares Ergebnis einer gesteigerten Produktion von Sexualhormonen) - sagt man, daß das Kind in einer Phase ist, die nach den Worten Johannes Paul H. als „die Jahre der Unschuld“ <733> bezeichnet wird. Diese Zeit der Ruhe und der Unbefangenheit darf keinesfalls von einer unnötigen sexuellen Information getrübt werden. In diesen Jahren, bevor eine physische geschlechtliche Entwicklung sichtbar wird, ist es normal, daß das Interesse der Kinder auf andere Lebensbereiche gerichtet ist. Die rudimentäre, instinktive Sexualität des Kleinkindes ist verschwunden. In diesem Alter sind die Jungen und Mädchen an sexuellen Fragen nicht sonderlich interessiert und ziehen den Kontakt mit Kindern des eigenen Geschlechts vor. <733> Familiaris consortio, Nr. 37. Die Eltern werden erkennen, daß, um diese wichtige natürliche Wachstumsphase nicht zu stören, in dieser Zeit eine vorsichtige Erziehung zur keuschen Liebe nur indirekt geschehen kann, als Vorbereitung auf die Pubertät, in der dann eine direkte Information vonnöten sein wird. 79. In dieser Entwicklungsphase fühlt sich das Kind normalerweise wohl in seinem Körper und dessen Funktionen. Es akzeptiert die Notwendigkeit der Sittsam-keit im Verhalten und in der Art, sich zu kleiden. Obwohl es sich der physischen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern bewußt ist, zeigt das heran-wachsende Kind im allgemeinen wenig Interesse für die Geschlechtsteile und ihre Funktionen. Die Entdeckung der Wunder der Schöpfung, die diese Altersstufe begleitet, und die dahingehenden Erfahrungen zu Hause und in der Schule müssen auch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft mit den verschiedenen Phasen der Katechese und der Hinführung zu den Sakramenten verknüpft werden. 1510 KONGREGATIONEN 80. Und doch hat auch diese Periode der Kindheit ihre Bedeutung für die psychisch-sexuelle Entwicklung. Das heranwachsende Kind, Junge oder Mädchen, lernt am Beispiel der Erwachsenen und durch die Erfahrungen in der Familie, was es bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein. Selbstverständlich sollte man die Jungen nicht daran hindern, eine natürliche Zärtlichkeit und Sensibilität an den Tag zu legen, noch sollte man umgekehrt die Mädchen von körperlichen Aktivitäten ausschließen, die eine gewisse Kraft erfordern. Andererseits jedoch sollten sich die Eltern in manchen Gesellschaften, die unter ideologischem Druck stehen, auch davor hüten, sich dem, was man als „Rollenstereotypisierung“ bezeichnet, allzusehr entgegenzustellen. Man sollte die tatsächlichen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern nicht leugnen oder bagatelüsieren, und in einer gesunden familiären Umgebung werden die Kinder lernen, daß es natürlich ist, wenn diesen Unterschieden eine gewisse Verschiedenheit in den normalen familiären und häuslichen Rollen von Männern und Frauen entspricht. 81. In dieser Phase entfalten die Mädchen im allgemeinen ein mütterliches Interesse für die kleineren Kinder, für die Mutterschaft und den Haushalt. Unter ständigem Hinweis auf das Vorbild der Mutterschaft der allerseligsten Jungfrau Maria sollten sie dazu ermutigt werden, die eigene Fraulichkeit als Wert zu begreifen. 82. Ein Junge ist in dieser Phase in einem verhältnismäßig ruhigen Stadium seiner Entwicklung. Dies ist oft der am besten geeignete Zeitabschnitt, um ein gutes Verhältnis zum Vater herzustellen. In dieser Periode sollte er lernen, daß seine Männlichkeit, auch wenn sie als göttliches Geschenk zu betrachten ist, kein Zeichen der Überlegenheit gegenüber den Frauen darstellt, sondern eine Berufung Gottes, gewisse Rollen und bestimmte Arten der Verantwortung zu übernehmen. Der Junge sollte daran gehindert werden, eine übertriebene Aggressivität zu entwickeln oder seine Männlichkeit mit körperlichen Heldentaten unter Beweis stellen zu wollen. 83. Dennoch können im Zusammenhang mit der geschlechtlichen und sittlichen Erziehung auch in dieser Phase der Kindheit verschiedene Probleme auftreten. Es gibt heute in einigen Gesellschaften programmatische und zielgerichtete Bestrebungen, den Kindern eine verfrühte sexuelle Aufklärung aufzuzwingen. In diesem Entwicklungsstadium aber sind sie noch nicht in der Lage, die gefühlsbedingte Seite der Geschlechtlichkeit in ihrer vollen Bedeutung zu begreifen. Sie können das Bild der Sexualität nicht verstehen und nicht mit einem entsprechenden Rahmen von sittlichen Normen umgeben, das heißt, sie können eine vorzeitige Sexualaufklärung nicht mit dem erforderlichen moralischen Verantwortungsbewußtsein aufnehmen. Eine solche Information droht also die Entwicklung ihrer Gefühlswelt und ihrer Bildung zu beeinträchtigen und die natürliche Unbefangenheit dieses Lebensabschnitts zu stören. Die Eltern sollten solche Versuche, die Unschuld ihrer Kinder zu verletzen, freundlich aber bestimmt ablehnen, weil derartige Bestrebungen die geistige, sittliche und gefühlsmäßige Entfaltung der Per- 1511 KONGREGATIONEN sonen gefährden, die im Wachsen begriffen sind und ein Recht auf diese Unschuld haben. 84. Ein weiteres Problem stellt sich, wenn die Kinder von seiten der Massenmedien oder von irregeleiteten oder vorzeitig aufgeklärten Gleichaltrigen verfrühte Informationen zur Geschlechtlichkeit erhalten. Unter diesen Umständen sind die Eltern gezwungen, mit einer klar begrenzten sexuellen Aufklärung zu beginnen, und zwar in der Regel, um falsche Informationen zu korrigieren oder eine unanständige Ausdrucksweise einzudämmen. 85. Nicht selten werden Kinder sexuell mißbraucht. Die Eltern müssen ihre Kinder schützen, das heißt, sie müssen sie vor allem zu Sittsamkeit und Zurückhaltung gegenüber Fremden anhalten und sie ferner in angemessener Weise über die Geschlechtlichkeit informieren, ohne jedoch Einzelheiten vorwegzunehmen, die sie verwirren oder erschrecken könnten. 86. Wie in den ersten Lebensjahren müssen die Eltern ihre Kinder auch während der Kindheit im Geist der Zusammenarbeit, des Gehorsams, der Großzügigkeit und der Opferbereitschaft bestärken und außerdem die Anlagen zur Selbstbeherrschung und Sublimierung fördern. Denn es ist charakteristisch für diese Entwicklungsphase, daß intellektuelle Tätigkeiten einen starken Reiz ausüben: und aus der intellektuellen Bewältigung kann das Kind die Kraft und die Fähigkeit gewinnen, die umgebende Wirklichkeit - und in naher Zukunft auch die Triebe des Körpers -so zu beherrschen, daß sie in intellektuelle und rationale Aktivität umgesetzt werden können. Ein unbeherrschtes oder verzogenes Kind neigt später zu einer gewissen Unreife und moralischen Schwäche, weil die Keuschheit schwerlich aufrechtzuerhalten ist, wenn ein Mensch egoistische oder ungeordnete Gewohnheiten annimmt und nicht in der Lage ist, den anderen mit Interesse und Achtung zu begegnen. Die Eltern müssen objektive Normen dessen bieten, was richtig oder falsch ist, und so eine sichere moralische Lebensgrundlage schaffen. 2. Die Pubertät 87. Die Pubertät, die die erste Phase der Jugend darstellt, ist eine Zeit, in der die Eltern dazu aufgerufen sind, in besonderem Maße auf die christliche Erziehung ihrer Söhne und Töchter zu achten: in dieser Zeit entdeckt der Mensch „sich selbst und die Welt seines eigenen Inneren, er entwirft hochherzige Pläne, erwacht zum Empfinden der Liebe, wie er andererseits den biologischen Trieben der Sexualität begegnet; er erfährt den Wunsch nach Zusammensein und eine besonders tiefe Freude, die mit der berauschenden Entdeckung des Lebens verbunden ist. Oft ist dies aber auch das Alter der tiefer dringenden Fragen, des angstvollen Suchens, das sogar vergeblich erscheinen kann, eines gewissen Mißtrauens gegen die anderen, eines gefährlichen Sichzurückziehens auf sich selber; es ist zuweilen das Alter der ersten Niederlagen und Enttäuschungen“ <734>. <734> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae vom 16. Oktober 1979: AAS11 (1979)S. 1309, Nr. 38. 1512 KONGREGATIONEN 88. Die Eltern müssen der Entwicklung ihrer Kinder und ihren körperlichen und seelischen Veränderungen, die für die Reife der Persönlichkeit entscheidend sind, ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. Zwar sollen sie keine Ängstlichkeit, Furcht und übertriebene Besorgnis an den Tag legen, aber sie dürfen auch nicht zulassen, daß Feigheit und Bequemlichkeit ihrer Einflußnahme im Wege stehen. Selbstverständlich ist dies eine wichtige Etappe in der zum Wert der Keuschheit hinführenden Erziehung, die sich ja auch in der Art und Weise der sexuellen Information bewähren muß. In dieser Phase betreffen die erzieherischen Anforderungen auch den Aspekt der Genitalität und seine Erläuterung auf der Ebene der Werte wie auch auf der Ebene der ganzheitlich begriffenen Wirklichkeit; dazu gehört überdies, daß man den Zusammenhang mit Fortpflanzung, Ehe und Familie erkennt, ein Zusammenhang, der innerhalb einer echten Geschlechtserziehung niemals außer acht gelassen werden darf. <735> <735> In manchen Kulturen ist eine solch positive Einstellung fest verwurzelt, und die Pubertät wird mit „Übergangsriten“ oder Zeremonien der Einweihung zum Erwachsenenleben gefeiert. Die Katholiken können unter der aufmerksamen Leitung der Kirche das, was an solchem Brauchtum gut und wahr ist, übernehmen, wenn sie es von allem reinigen, was daran unangemessen oder unsittlich ist. 89. Ausgehend von den Veränderungen, die ihre Töchter und Söhne am eigenen Körper erfahren, ist es an den Eltern, detailliertere Erklärungen zur Geschlechtlichkeit zu geben, wann immer - in einem Verhältnis von Vertrauen und Freundschaft - die Mädchen sich ihrer Mutter und die Jungen sich ihrem Vater anvertrauen. Der Grundstein eines solchen Verhältnisses von Vertrauen und Freundschaft wird bereits in den ersten Lebensjahren gelegt. 90. Eine wichtige Aufgabe der Eltern besteht darin, die physiologische Entwicklung der Töchter zu begleiten und ihnen dabei zu helfen, die Entwicklung der Fraulichkeit in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht freudig anzunehmen. <736> Dabei wird man in der Regel auch von den Fruchtbarkeitszyklen und ihrer Bedeutung sprechen können; es wird jedoch noch nicht notwendig sein, es sei denn auf ausdrücklichen Wunsch, die sexuelle Vereinigung im einzelnen zu erklären. <736> Vgl. Mulietis dignitatem, Nr. 17 ff. 91. Es ist sehr wichtig, daß auch den Jugendlichen männlichen Geschlechts dabei geholfen wird, die Stufen der physischen und physiologischen Entwicklung der Geschlechtsorgane zu verstehen, ehe sie diese Dinge von Spielkameraden oder von ungeeigneten Personen erfahren. Hinweise auf die physiologischen Gegebenheiten der männlichen Pubertät müssen in ungezwungenem, positivem und zurückhaltendem Ton erfolgen und in die Perspektive Ehe-Familie-Vaterschaft eingebettet sein. Die Unterweisung der Jugendlichen, der Mädchen ebenso wie der Jungen, muß demnach auch eine den Umständen angepaßte und ausreichende Information über die körperlichen und seelischen Eigenarten des anderen Geschlechts beinhalten, auf das sich die Neugierde in zunehmendem Maße richtet. 1513 KONGREGATIONEN Auch der informative Beistand eines gewissenhaften Arztes und ebenso der eines Psychologen kann für die Eltern auf diesem Gebiet von Nutzen sein, wenn diese Informationen nicht aus dem Bezug zum Glauben und dem erzieherischen Wirken des Priesters herausgelöst werden. 92. Durch einen vertrauensvollen und offenen Dialog können die Eltern ihre Töchter nicht nur darauf vorbereiten, jeder emotionalen Verwirrung zu begegnen, sondern auch den Wert der christlichen Keuschheit dem anderen Geschlecht gegenüber vertreten. Die Mädchen und Jungen müssen dahingehend erzogen werden, daß sie die Schönheit der Mutterschaft und die wunderbare Wirklichkeit der Fortpflanzung ebenso erkennen wie den tiefen Sinn der Jungfräulichkeit. Auf diese Weise hilft man ihnen, sich dem heute in vielen Bereichen herrschenden Hedonismus zu widersetzen und vor allem in einem so entscheidenden Lebensabschnitt jener heute unglücklicherweise so weit verbreiteten „empfängnisfeindlichen Mentalität“ vorzubeugen, mit der sich die Mädchen auch später, in der Ehe, noch auseinandersetzen werden müssen. 93. Während der Pubertät kann die psychische und emotionale Entwicklung des männlichen Jugendlichen ihn für erotische Phantasien anfällig werden lassen und ihn der Versuchung aussetzen, sexuelle Erfahrungen zu machen. Die Eltern müssen ihren Söhnen beistehen und die Neigung zu einem hedonistischen und materialistischen Genuß der Geschlechtlichkeit korrigieren. Sie werden ihnen also das Geschenk Gottes ins Bewußtsein rufen, das sie empfangen haben, um mit Ihm zusammenzuwirken und „im Laufe der Geschichte den Ursegen des Schöpfers zu verwirklichen“; und sie bestärken sie somit in dem Bewußtsein, daß „die Fruchtbarkeit Ausfluß und Zeichen der ehelichen Liebe ist, das lebendige Zeugnis der gegenseitigen Ganzhingabe der Ehegatten“ <737>. Auf diese Weise lernen die Jugendlichen auch die der Frau gebührende Achtung. Das informierende und belehrende Wirken der Eltern ist nicht deshalb notwendig, weil die Jugendlichen die geschlechtlichen Gegebenheiten nicht auch anders erfahren könnten, sondern damit sie sie im rechten Licht kennenlemen. 1,0 Famiüaris consortio, Nr. 28; vgl. auch Gaudium et spes, Nr. 50. 94. In positiver und kluger Weise werden die Eltern das tun, was die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils fordern: „Jugendliche sollen über die Würde, die Aufgaben und den Vollzug der ehelichen Liebe am besten im Kreis der Familie selbst rechtzeitig in geeigneter Weise unterrichtet werden, damit sie, an keusche Zucht gewöhnt, im entsprechenden Alter nach einer sauberen Brautzeit in die Ehe eintreten können“ <738>. <738> Gaudium et spes, Nr. 49. Diese positive Belehrung über die Geschlechtlichkeit wird stets einzubetten sein in einen Bildungsplan, der jenen christlichen Zusammenhang herstellt, in dem sämtliche Informationen über das Leben, über die sexuelle Aktivität, über Anato- 1514 KONGREGATIONEN mie und über Hygiene gegeben werden sollten. Die Dimensionen des Geistigen und des Sittlichen müssen daher immer Vorrang haben und auf zwei besondere Ziele ausgerichtet sein: die Vermittlung der göttlichen Gebote als eines Lebensweges und die Bildung eines redhchen Gewissens. Dem jungen Mann, der ihn fragt, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen, antwortet Jesus: „Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote“ {Mt 19,17); und nachdem er diejenigen aufgezählt hat, die sich auf die Nächstenliebe beziehen, faßt er sie in der griffigen Formel zusammen: „Du sollst deinen Nächsten heben wie dich selbst“ {Mt 19,19). Es ist sehr wichtig, das Wesen der Gebote als Geschenk Gottes (vom Finger Gottes geschrieben, vgl. Ex 31,18) und Ausdruck des Bundes mit Ihm aufzuzeigen, damit der Jugendhche sie nicht losgelöst von ihrem Bezug auf ein innerlich reiches und von Egoismen befreites Leben betrachtet. <739> <739> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2052 ff. 95. Als Ausgangspunkt für die Gewissensbildung ist ein erleuchtetes Wissen erforderlich: das Wissen um den Plan der Liebe, den Gott mit jedem einzelnen Menschen hat, um die positive und befreiende Bedeutung der sittlichen Normen, um die von der Sünde herrührende Hinfälligkeit ebenso wie um die Gnadenmittel, die den Menschen auf seinem Weg zum Guten und zum Heil stärken. „Im Innersten der Person wirkt das Gewissen“ - das „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen“ ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil es formuliert. <740> „Es gebietet zum gegebenen Zeitpunkt, das Gute zu tun und das Böse zu unterlassen. Es urteilt auch über die konkreten Entscheidungen, indem es den guten zustimmt, die schlechten mißbilligt. Es bezeugt die Wahrheit im Hinblick auf das höchste Gut, auf Gott, von dem der Mensch angezogen wird und dessen Gebote er empfängt“ <741>. <740> Gaudium et spes, Nr. 16. 1,4 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. Ylll. Denn „das Gewissen ist ein Urteil der Vernunft, in welchem der Mensch erkennt, ob eine konkrete Handlung, die er beabsichtigt, gerade ausführt oder schon getan hat, sittlich gut oder schlecht ist“ <742>. Also erfordert die Bildung des Gewissens Erleuchtung hinsichtlich der Wahrheit und des göttlichen Plans und darf nicht mit einem unklaren subjektiven Empfinden oder der persönlichen Meinung verwechselt werden. <742> Ebd., Nr. 1778. 96. Wenn sie auf die Fragen ihrer Kinder antworten, müssen Eltern wohlüberlegte Argumente für den Wert der Keuschheit bereithalten und die intellektuelle und menschliche Haltlosigkeit derjenigen Theorien deutlich machen, die zu zügellosem und hedonistischem Verhalten anregen; ihre Antworten sollen klar verständlich sein, und sie sollen weder der Problematik krankhaften sexuellen Verhaltens allzu große Bedeutung beimessen noch der falschen Auffassung, daß die Ge- 1515 KONGREGATIONEN schlechtlichkeit etwas Schändliches oder Schmutziges sei, da sie ja ein großes Geschenk Gottes ist, der im Körper des Menschen die Zeugungsfähigkeit angelegt hat und ihn so an seiner Schöpferkraft teilhaben läßt. Mehr noch, sowohl in der Schrift (vgl. Hld 1-8; Hos 2; Jer 3,1-3; Ez 23 etc.) als auch in der Tradition christlicher Mystik ist die eheliche Liebe stets als Symbol und Abbild der Liebe Gottes zu den Menschen betrachtet worden. <743> <743> Vgl. Theresia von Avila, Gedichte, 5-9; Johannes vom Kreuz, Gedichte, 10. 97. Da ein Junge oder ein Mädchen während der Pubertät für emotionale Einflüsse besonders anfällig ist, haben die Eltern die Pflicht, ihre Kinder durch das Gespräch und durch ihren Lebensstil im Widerstand gegen negative Einflüsse von außen zu bestärken, die sie vielleicht veranlassen könnten, die christliche Lebensgestaltung in Liebe und Keuschheit unterzubewerten. Vor allem in den vom Konsumrausch mitgerissenen Gesellschaften müssen die Eltern sich zuweilen - ohne dies allzusehr merken zu lassen - um die Beziehungen ihrer Kinder zu Jugendlichen des anderen Geschlechts kümmern. Mögen sie auch von der Gesellschaft akzeptiert werden, so sind doch manche Gepflogenheiten in der Sprechweise und der Wahl der Kleidung in moralischer Hinsicht unschicklich und dienen dazu, die Geschlechtlichkeit zu banalisieren, das heißt, sie auf einen bloßen Konsumgegenstand zu reduzieren. Die Eltern müssen ihren Kindern also den Wert christlicher Zurückhaltung, sittsamer Kleidung und der notwendigen Selbständigkeit gegenüber Modeströmungen vermitteln, die kennzeichnend ist für einen Mann oder eine Frau mit einer reifen Persönlichkeit. <744> <744> Vgl. Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 90. 3. Die Jugendzeit innerhalb des Lebensentwurfs 98. Die Jugend stellt innerhalb der Entwicklung des Individuums die Phase des Selbstentwurfs und somit der Entdeckung der eigenen Berufung dar: Diese Phase dauert heute - sei es aus physiologischen, sei es aus sozio-kulturellen Gründen -im allgemeinen länger als früher. Die christlichen Eltern müssen „die Kinder so für das Leben formen, daß jedes entsprechend der von Gott empfangenen Berufung seine Aufgabe ganz erfüllen kann“ <745> <746>. Es handelt sich hierbei um eine Verpflichtung von allergrößter Wichtigkeit, die im Grunde den Höhepunkt der elterlichen Sendung bildet. Diese Wichtigkeit besteht immer, doch in besonderem Maße während dieser Periode im Leben der Kinder: „Im Leben eines jeden Laien gibt es besonders bedeutende und entscheidende Momente, den Ruf Gottes zu erkennen: (...) dazu zählen die frühe Jugend und die Jugend.“™. <745> Familiaris consortio, Nr. 53. <746> Christijideles laici, Nr. 58. 99. Es ist sehr wichtig, daß die Jugendlichen bei der Suche nach ihrer persönlichen Berufung nicht alleine sind. Der Rat der Eltern und der Beistand eines Priesters oder anderer entsprechend ausgebildeter Personen - in den Pfarreien, den 1516 KONGREGATIONEN Verbänden, den neuen und fruchtbaren kirchlichen Bewegungen etc. die ihnen helfen können, den gottgewollten Sinn ihrer Existenz und die mannigfaltigen Formen der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit zu entdecken, ist von zuweilen sogar entscheidender Bedeutung, denn „der Ruf Christi,Folge mir nach’ läßt sich auf verschiedenen Wegen vernehmen, auf denen Jünger und Bekenner des göttlichen Erlösers gehen“ <747>. <747> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben an die Jugendlichen in der Welt Parati semper vom 31. März 1985: AAS77(1985)S.602,Nr. 9. 100. Jahrhundertelang war der Begriff der Berufung einzig dem Priester- und Ordensstand Vorbehalten. Eingedenk der Lehre des Herrn - „ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ {Mt 5,48) - hat das Zweite Vatikanische Konzil den allgemeinen Aufruf zur Heiligkeit erneuert: <748> „Diese nachdrückliche Einladung zur Heiligkeit“ - so schrieb wenig später Paul VI. - „ist ein besonderer Zug der Lehre gerade dieses Konzils und gleichsam seine letzte Zielsetzung“ <749>; und Johannes Paul U. bekräftigt: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat Entscheidendes über die universelle Berufung zur Heiligkeit gesagt: Man kann sogar behaupten, daß dieser der wichtigste Auftrag eines Konzils, das die Erneuerung des christlichen Lebens im Sinn des Evangeliums zum Ziel hatte, an alle Söhne und Töchter der Kirche ist. <750> Er ist nicht lediglich eine moralische Ermahnung, sondern eine unausweichliche Forderung, die sich aus dem Geheimnis der Kirche ergibt“ <751>. <748> Vgl. Lumen Gentium, Kap. 5. <749> Paul VI., Motu proprio Sanctitatis clarior vom 19. März 1969: AAS61(1969)S.149. <750> Siehe hierzu insbesondere das fünfte Kapitel von Lumen Gentium, Nm. 39-42, das von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit in der Kirche handelt. <751> Christißdeles laici, Nr. 16. Gott beruft alle Menschen zur Heiligkeit, und für jeden von ihnen hat er klar um-rissene Pläne: eine persönliche Berufung, die jeder erkennen, annehmen und entfalten muß. Für alle Christen - Priester und Laien, Verheiratete und Ledige - gelten die Worte des Völkerapostels: „Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen“ {Kol 3,12). 101. Folglich darf weder in der Katechese noch in der innerhalb und außerhalb der Familie erteilten Erziehung jemals das fehlen, was das kirchliche Lehramt nicht nur von der herausragenden Bedeutung der Jungfräulichkeit und des Zölibats, <752> sondern auch von der Berufung zur Ehe sagt, die von einem Christen nie als bloßes menschliches Abenteuer betrachtet werden kann: „Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche“, so sagt der heilige Paulus {Eph 5,32). Ob es gelingt, den Jugendlichen diese feste Überzeugung zu vermit- <752> Vgl. Tertullian, De exhortatione castitatis, 10: CChL 2, 1029-1030; Cyprian, De habitu virginum, 3 u. 22: CSEL 3/1, 189 u. 202-203; Athanasius, De virginitate: PG 28, 252-281; Johannes Chrysostomus, De virginitate: SCh 125; Pius XII., Apostolisches Mahnschreiben Menti nostrae vom 23. September 1950: AAS42(1950)S.682; Johannes XXHI., Ansprache an die Teilnehmer des Ersten Internationalen Kongresses über „Die Berufungen zum Stand der Vollkommenheit in der Welt von heute", durchgeführt von der Religiosenkongregation, 16. Dezember 1961: 4AS'54( 1962)S.33; Lumen Gentium, Nr. 42; Familiaris consortio, Nr. 16. 1517 KONGREGATIONEN teln, die für das Wohl der Kirche und der Menschheit von transzendentaler Bedeutung ist, hängt „großenteils von den Eltern und vom Familienleben ab, das sie in ihrem Heim entfalten“ <753>. <753> Johannes Paul U., Predigt bei der Messe in Limerick (Irland) vom 1. Oktober 1979: VOsservatore Romano (italienische Ausgabe), 1./2. Oktober 1979, Beilage, S. XX. 102. Die Eltern müssen sich stets bemühen, mit ihrem eigenen Leben Beispiel und Zeugnis zu geben von der Treue Gottes und der gegenseitigen Treue im ehelichen Bund. Doch besonders entscheidend ist ihr Beispiel in der Jugend, einer Phase, in der die Heranwachsenden nach gelebten und ansprechenden Vorbildern fiir ihr Verhalten suchen. Da in dieser Zeit oft auch die sexuellen Probleme zum Tragen kommen, müssen die Eltern sie mit Rat und Klugheit lehren, die Schönheit und Kraft der Keuschheit zu lieben; dabei sollen sie ihnen erklären, daß sie, um keusch zu leben, im Gebet und im häufigen und heilsamen Empfang der Sakramente, insbesondere der persönlichen Beichte, über eine unschätzbare Hilfe verfügen. Ferner müssen sie in der Lage sein, ihren Kindern nach Bedarf eine positive und ausgeglichene Erläuterung der Fixpunkte der christlichen Moral zu geben wie etwa der Unauflöslichkeit der Ehe und der Zusammenhänge zwischen Liebe und Fortpflanzung, doch auch der Verwerflichkeit des vorehelichen Verhältnisses, der Abtreibung, der Empfängnisverhütung und der Selbstbefriedigung. Hinsichtlich dieser letzteren unmoralischen Verhaltensweisen, die dem Sinn der eheüchen Hingabe zuwiderlaufen, ist es auch hilfreich, auf folgendes hinzuweisen: ,J0ie beiden Dimensionen der ehelichen Vereinigung, nämlich Vereinigung und Zeugung, lassen sich nicht künstlich trennen, ohne die tiefste Wahrheit des eheüchen Aktes selbst anzugreifen“ <754>. Hierbei wird eine gründliche und eingehende Kenntnis der kirchlichen Dokumente, die diese Probleme behandaln, für die Eltern eine wertvolle Hilfe sein. <755> <754> Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 12. <755> Neben Gaudium et spes, Nm. 47-52, Humanae vitae und Familiaris consortio stehen weitere wichtige Dokumente der Kongregation für die Glaubenslehre zur Verfügung wie Persona humana und Die Seelsorge fiir homosexuelle Personen vom 1. Oktober 1986: L’Osservatore Romano (italienische Ausgabe), 21. Oktober 1986, S. 5 und der Kongregation für die katholische Erziehung, Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe in Verbindung mit der Lehre des Katechismus der Katholischen Kiche, Nm. 2331-2400 u. Nm. 2514-2533. 103. Insbesondere die Selbstbefriedigung stellt eine schwere, in sich selbst rechtswidrige Verfehlung dar, die moralisch nicht gerechtfertigt werden kann, auch wenn zu bedenken ist, „wie mangelnde Reife in der Adoleszenz, die zuweilen auch nach dem Pubertätsalter anhalten kann, wie ein gestörtes seeüsches Gleichgewicht oder wie übernommene Gewohnheit auf das Verhalten Einfluß nehmen, die FreiwiHigkeit der Handlungen herabmindem und dadurch bewirken, daß subjektiv gesehen nicht immer eine schwere Schuld vorliegt“ <756>. Den Jugendlichen muß folglich bei der Überwindung der sich in dieser Weise äußernden Verirrungen geholfen werden, die häufig für diese Entwicklungsstufe kennzeichnend und <756> Persona humana, Nr. 9. 1518 KONGREGATIONEN überdies Ausdruck innerer Konflikte und nicht selten auch einer egoistischen Sichtweise der Geschlechtlichkeit sind. 104. Eine spezielle Problematik, die sich im Verlauf des Reife- und Selbstfindungsprozesses ergeben kann, ist die der Homosexualität, die sich im übrigen in den urbanisierten Zivilisationen immer mehr ausbreitet. Dieses Phänomen ist im Rahmen einer ausgewogenen Beurteilung im Lichte der kirchlichen Dokumente darzulegen. <757> Die Jugendlichen benötigen Hilfe, um die Begriffe von Normalität und Anomalie, subjektiver Schuld und objektiver Unordnung unterscheiden zu lernen; dabei muß vermieden werden, daß in ihnen eine ablehnende Haltung entsteht, und andererseits ist die ordnende und ergänzende Ausrichtung der Geschlechtlichkeit auf die Realitäten der Ehe, der Fortpflanzung und der christlichen Keuschheit klarzustellen. „Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt“ <758>. Man muß die Neigung, die angeboren sein kann, unterscheiden von den homosexuellen Handlungen, die „in sich nicht in Ordnung“ <759> sind und dem natürlichen Gesetz widersprechen. <760> <757> Dokumente der Kongregation für die Glaubenslehre Persona humana und Die Seelsorge fitr homosexuelle Personen; Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 2357-2359. <758> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2357. <759> Persona humana, Nr. 8. <760> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2357. In vielen Fällen kann, insbesondere wenn die Praxis homosexueller Handlungen nicht verfestigt ist, eine geeignete Therapie zu positiven Ergebnissen führen. Auf jeden Fall ist den Personen, die in dieser Lage sind, mit Achtung, Anstand und Feingefühl zu begegnen, unter Vermeidung jeglicher Form von ungerechter Zurücksetzung. Die Eltern ihrerseits sollten sich, wenn sie ihre Söhne und Töchter in der Kindheit oder Jugend über das Vorkommen solcher Neigungen oder entsprechender Verhaltensweisen unterrichten, von erfahrenen und kompetenten Personen helfen lassen, um jede Möglichkeit der Unterstützung auszuschöpfen. Für den größten Teil der homosexuellen Menschen bedeutet diese Situation eine Prüfung: „Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen“ <761> <762>. „Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen“ <763>. <761> Ebd., Nr. 2358. <762> Ebd., Nr. 2359. <763> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2357. 105. Das Wissen um die positive Bedeutung der Geschlechtlichkeit für die Harmonie und die Entwicklung der Persönlichkeit wie auch hinsichtlich der Berufung 1519 KONGREGATIONEN des Menschen in Familie, Gesellschaft und Kirche bildet stets den größeren Zusammenhang, in den die Erziehung in den jeweiligen Entwicklungsphasen des Heranwachsenden gestellt werden muß. Man darf nie vergessen, daß ein ungeordneter Genuß der Sexualität die Fähigkeit der Person zur Liebe nach und nach zu zerstören droht, indem er die Lust - anstelle der uneingeschränkten Selbsthingabe -zum Ziel der Geschlechtlichkeit macht und die anderen Menschen zu Objekten der eigenen Befriedigung herabwürdigt: so schwächt er ebenso den Sinn für die - dem Leben immer offene - wahre Liebe zwischen Mann und Frau wie auch die Familie selbst und führt Schritt für Schritt zur Mißachtung des menschlichen Lebens, das empfangen werden könnte und das nur noch als ein Übel betrachtet wird, welches in bestimmten Situationen die persönliche Lust zu beeinträchtigen droht. <764> „Die Banalisierung der Sexualität gehört zu den hauptsächlichen Faktoren, in denen die Verachtung des werdenden Lebens ihren Ursprung hat: nur eine echte Liebe vermag das Leben zu hüten“ <765>. <764> Dies macht ebenso wie das Wissen um die Kraft der Libido - die die Erforschung der menschlichen Psyche ans Licht gebracht hat - die Lehre der Kirche vom schwerwiegenden Charakter jeglichen ungeordneten Genusses der Geschlechtlichkeit begreiflich: „Nach der christlichen Überlieferung (...) und nach dem Zeugnis der gesunden Vernunft beinhaltet die sittliche Ordnung der Sexualität Werte von so großer Bedeutung für das menschliche Leben, daß jede direkte Verletzung dieser Ordnung objektiv schwerwiegend ist“ (Persona humana, Nr. 10). Man bemerke, daß die Kirche den objektiv schwerwiegenden Charakter der Handlung lehrt, doch das Fehlen schwerer Schuld aufgrund eines nur unvollkommenen Wollens nicht ausschließt; ja, sie erklärt sogar unter derselben Nummer der Schrift Persona humana, daß eine solche Unvollkommenheit gerade in diesem Bereich möglich ist. <765> Evangelium vitae, Nr. 97. 106. Man muß auch bedenken, daß die Heranwachsenden in den Industriegesellschaften gänzlich in Anspruch genommen und zuweilen verwirrt werden von den Problemen der Selbstfmdung, der Entdeckung des eigenen Lebensentwurfs und der Schwierigkeit, eine Integration der Sexualität in eine reife und positiv eingestellte Persönlichkeit zu erreichen, doch auch von dem Problem, sich selbst und den eigenen Körper anzunehmen. Gegenwärtig entstehen spezielle Anlaufstellen und Zentren für Jugendliche, die häufig von rein hedonistischen Absichten gekennzeichnet sind. Eine vernünftige Körperkultur, die dazu führt, daß man sich selbst annimmt als Geschenk und als Verkörperung eines für Gott und für die Gesellschaft offenen Geistes, muß die Erziehung in dieser in hohem Maße konstruktiven, doch nicht risikolosen Phase begleiten. Angesichts der Perspektiven eines lustbetonten Zusammenkommens, die vor allem in den Wohlstandsgesellschaften geboten werden, ist es also von größter Wichtigkeit, den Jugendlichen die Ideale menschlicher und christlicher Solidarität vor Augen zu stellen ebenso wie die konkreten Möglichkeiten des Engagements in den kirchlichen Verbänden und Bewegungen und im freiwilligen katholischen und missionarischen Dienst. 107. In dieser Phase sind Freundschaften besonders wichtig. Je nach den Umständen und sozialen Gepflogenheiten der Umgebung, in der man lebt, ist die Jugend eine Zeit, in der die Heranwachsenden größere Freiheiten in den Beziehungen zu 1520 KONGREGATIONEN anderen und innerhalb des familiären Tagesablaufs genießen. Ohne ihnen ein richtiges Maß an Selbständigkeit zu nehmen, müssen die Eltern ihren Kindern gegenüber in der Lage sein, nein zu sagen, wo es notwendig ist, <766> und gleichzeitig in ihnen den Sinn zu erwecken für das, was schön, wahr und edel ist. Ferner müssen sie ein Gespür haben für die Selbstachtung des Jugendlichen, die eine Phase der Verwirrung und Unklarheit bezüglich der Bedeutung der persönlichen Würde und der mit ihr verbundenen Anforderungen durchlaufen kann. <766> Es genügt, allein an die Mißbräuche zu denken, die in manchen Diskotheken schon bei Kindern unter 16 Jahren Vorkommen. 108. Durch die Ratschläge, die Liebe und Geduld ihnen eingeben, werden die Eltern die Jugendlichen davon abhalten, sich in übertriebenem Maße in sich selbst zu verschließen, und sie werden sie lehren, ihren Weg, wenn nötig, entgegen den sozialen Gepflogenheiten zu gehen, die die wahre Liebe und die Wertschätzung der geistigen Wahrheiten zu ersticken drohen: „Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens! Wißt, daß eure Brüder in der ganzen Welt die gleichen Leiden ertragen müssen! Der Gott aller Gnade aber, der euch in Christus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit leiden müßt, wiederaufrichten, stärken, kräftigen und auf festen Grund stellen“ (1 Petr 5,8-10). 4. Erwachsen werden 109. Es liegt nicht in der Absicht dieses Dokuments, von der unmittelbaren Vorbereitung auf die Ehe zu sprechen, einer Forderung christlicher Erziehung, die in diesen Zeiten besonders geboten ist und von der Kirche angemahnt wird. <767> Auf jeden Fall muß man sich vergegenwärtigen, daß die Sendung der Eltern nicht mit Erreichen der Volljährigkeit ihres Kindes, die zudem in den verschiedenen Kulturen und Gesetzgebungen variiert, beendet ist. Besondere und bedeutsame Momente im Leben der jungen Menschen sind auch der Eintritt ins Berufsleben oder in die höhere Schule, wenn sie - durch einen zuweilen schroffen, doch vielleicht auch segensreichen Übergang - mit anderen Verhaltensmustem und mit Situationen in Berührung kommen, die im wahren und eigentlichen Sinne eine Herausforderung darstellen. <767> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 66. 110. Indem die Eltern auch weiterhin einen vertrauensvollen Dialog aufrechterhalten, der das Verantwortungsgefühl fördert und zugleich die berechtigte und notwendige Selbständigkeit respektiert, sollen sie durch ihren Rat wie durch ihr Beispiel immer ein Bezugspunkt für ihre Kinder sein, damit sie im Laufe des weiteren Sozialisationsprozesses die Möglichkeit haben, zu einer reifen und innerlich wie auch gesellschaftlich gefestigten Persönlichkeit zu finden. In besonderer Weise ist dafür Sorge zu tragen, daß die Kinder die gläubige Beziehung zur Kirche und zu 1521 KONGREGATIONEN kirchlichen Aktivitäten nicht abbrechen, sondern sie sogar intensivieren; daß sie sich für ihr zukünftiges Denken und Leben die richtigen Lehrer zu wählen wissen; und daß sie auch in der Lage sind, sich als Christen auf kulturellem und sozialem Gebiet einzusetzen, ohne Furcht, sich als solche zu bekennen und ohne bei der Suche nach der eigenen Berufung die Richtung zu verlieren. In der Zeit, die auf die Verlobung hinführt oder auf die Entscheidung für jene besondere Zuneigung, die in die Gründung einer Familie münden kann, darf die Rolle der Eltern nicht darin bestehen, bloße Verbote auszusprechen oder dem oder der Verlobten eine Entscheidung aufzuzwingen, sondern sie müssen ihren Kindern dabei helfen, die notwendigen Voraussetzungen einer ernsthaften, ehrlichen und vielversprechenden Bindung zu bestimmen, und ihnen beistehen auf ihrem Weg, auf dem sie Zeugnis ablegen für christliche Treue in der Beziehung zu einer Person des anderen Geschlechts. 111. Sie müssen sich davor hüten, die landläufige Meinung zu bestätigen, wonach die Töchter in jeder Weise zur Tugend und zum Wert der Jungfräulichkeit zu ermahnen seien, während man dies von den Söhnen nicht verlangen müsse, gleichsam als wäre ihnen alles erlaubt. Für das christliche Gewissen, für die Perspektive der Ehe und der Familie und im Hinblick auf jede Art der Berufung gilt die Ermahnung des heiligen Paulus an die Philippen „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht“ (Phil 4,8). VII. Praktische Richtlinien 112. Es ist also innerhalb der Erziehung zu den Tugenden Aufgabe der Eltern, eine wirkliche Erziehung ihrer Kinder in der Liebe zu fördern: der ersten Zeugung eines menschlichen Lebens im Akt der Fortpflanzung muß naturgemäß die zweite Zeugung folgen, im Rahmen derer die Eltern dem Kind bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit beistehen. Daher sollen nun in den folgenden Paragraphen Empfehlungen ausgesprochen werden, die zusammenfassend das bisher Gesagte auf der Ebene der konkreten Umsetzung wieder aufgreifen. <768> <768> Die folgenden Empfehlungen wurden formuliert: a) auf der Grundlage des Rechts jeder Person, den katholischen Glauben zu bekennen und zu praktizieren: vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nm. 1, 2, 5, 13, 14; Charta der Familienrechte, Art. 7; b) im Rahmen der Rechte der Freiheit und der Würde der Familie: vgl. Präambel der Charta der Familienrechte; Dignitatis humanae, Nr. 5; Familiaris consortio, Nm. 26, 42, 46. Empfehlungen für die Eltern und die Erzieher 113. Es wird den Eltern empfohlen, sich ihrer erzieherischen Rolle bewußt zu sein und dieses vorrangige Pflicht-Recht zu verteidigen und auszuüben. <769> Daraus <769> Vgl. Gravissimum educationis, Nr. 3; Familiaris consortio, Nr. 36; Charta der Familienrechte, Art. 5. 1522 KONGREGATIONEN folgt, daß jede erzieherische Handlung, auch im Hinblick auf die Erziehung in der Liebe, durch Personen, die nicht zur Familie gehören, dem Anspruch der Eltern unterzuordnen ist und nicht als Ersatz, sondern als Unterstützung ihres Wirkens betrachtet werden muß: denn „die Geschlechtserziehung, Grundrecht und -pflicht der Eltern, muß immer unter ihrer sorgsamen Leitung erfolgen, sei es zu Hause, sei es in den von ihnen für die Kinder gewählten Bildungsstätten, deren Kontrolle ihnen zusteht“ <770>. Häufig fehlt es den Eltern weder am Bewußtsein noch an der Kraft. Doch sie sind zu sehr auf sich gestellt, schutzlos und beladen mit Schuldgefühlen. Sie brauchen nicht nur Verständnis, sondern den Beistand und die Hilfe von Gruppen, Verbänden und Institutionen. <770> Familiaris consortio, Nr. 37. 1. Empfehlungen für die Eltern 114.1. Es wird den Eltern empfohlen, sich mit anderen Eltern zusammenzuschließen, nicht allein zu dem Zweck, ihre Rolle als vorrangige Erzieher ihrer Kinder, insbesondere auf dem Gebiet der Erziehung in der Liebe, <771> zu verteidigen, aufrechtzuerhalten oder zu vervollkommnen, sondern auch, um gegen schädliche Formen der sexuellen Aufklärung vorzugehen und sicherzustellen, daß die Kinder nach christlichen Grundsätzen und in Übereinstimmung mit ihrer persönlichen Entwicklung erzogen werden. <771> Vgl. Charta der Familienrechte, Art. 8 a und 5 c; Codex des kanonischen Rechtes vom 25. Januar 1983, can. 215, can. 223, § 2, can. 799; Brief an die Familien Gratissimam satte, Nr. 16. 115. 2. Eltern, die bei der Erziehung ihrer Kinder in der Liebe von anderen unterstützt werden, wird empfohlen, sich genau über die Inhalte und die Art zu informieren, in der diese ergänzende Erziehung durchgefiihrt wird. <772> Niemand kann die Kinder oder die Jugendlichen zu Stillschweigen über Inhalt und Methode des außerhalb der Familie erteilten Unterrichts verpflichten. <772> Diese Empfehlung leitet sich her aus der Charta der Familienrechte, Art. 5 c, d, e, weil das Recht auf Wissen die Überprüfung und Kontrolle durch die Eltern einschließt. 116. 3. Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß es für Eltern schwierig und oft auch unmöglich ist, in vollem Umfang an jeglichem außerhalb von zu Hause erteilten ergänzenden Unterricht teilzunehmen; doch wir machen geltend, daß sie dazu berechtigt sind, über Aufbau und Inhalte des Programms auf dem laufenden gehalten zu werden. In keinem Fall darf man ihnen das Recht verweigern, den Zusammenkünften beizuwohnen. <773> <774> <773> Diese Empfehlung leitet sich her aus der Charta der Familienrechte, Art. 5 c, d, e, weil die Teilnahe es den Eltern erleichtert, die Erziehung ihrer Kinder in der Liebe zu überprüfen und zu kontrollieren. 117. 4. Es wird den Eltern empfohlen, mit Aufmerksamkeit jede Form der sexuellen Information zu verfolgen, die ihren Kindern außerhalb von zu Hause erteilt wird, und sie davon femzuhalten, wenn diese ihren eigenen Grundsätzen nicht 1523 KONGREGATIONEN entspricht} Diese Entscheidung der Eltern darf jedoch kein Anlaß zur Zurücksetzung der Kinder sein. <63> <64> Andererseits haben die Eltern, die ihre Kinder aus einem solchen Unterricht herausnehmen, die Pflicht, ihnen eine angemessene, an das Entwicklungsstadium des jeweiligen Kindes oder Jugendlichen angepaßte Aufklärung zu erteilen. <63> Diese Empfehlung leitet sich her aus der Charta der Familienrechte, Art. 5 c, d, e, weil das Recht, die Kinder aus sexualkundlichem Unterricht herauszunehmen, den Eltern die Freiheit läßt, von ihrem Recht, ihre Kinder im Einklang mit ihrem Gewissen zu erziehen, Gebrauch zu machen (Art. 5 a). <64> Vgl. Charta der Familienrechte, Art. 7. 2. Empfehlungen an alle Erzieher 118. l.Da jedes Kind oder jeder Jugendliche die eigene Geschlechtlichkeit in Übereinstimmung mit den christlichen Grundsätzen leben und dabei folglich auch die Tugend der Keuschheit üben soll, darf kein Erzieher - auch nicht die Eltern -dieses Recht antasten (vgl. Mt 18,4-7). <65> <65> Vgl. ebd., Art. 4 e. 119. 2. Es wird empfohlen, das Recht des Kindes oder des Jugendlichen auf angemessene Information zu den Fragen der Sittlichkeit und der Geschlechtlichkeit zu respektieren; diese Information soll ihm von seinen Eltern in einer Weise erteilt werden, die sein Verlangen, keusch zu sein und in der Keuschheit erzogen zu werden, fördert. <66> Dieses Recht wird näher bestimmt vom Entwicklungsstadium des Kindes, von seiner Fähigkeit, sittliche Wahrheit und geschlechtliche Information miteinander zu vereinbaren, und von der Rücksicht auf seine Unschuld und seinen inneren Frieden. <66> Diese Empfehlung leitet sich her aus der Erklärung Gravissimum educationis, Nr. 1. 120. 3. Es wird empfohlen, das Recht des Kindes oder des Jugendlichen, sich von jeglicher Form außerfamiliären sexualkundlichen Unterrichts femzuhalten, zu respektieren. <67> Aufgrund einer solchen Entscheidung dürfen weder sie noch andere Familienmitglieder in irgendeiner Weise zur Rechenschaft gezogen oder benachteiligt werden. <67> Diese Empfehlung ist die praktische Anwendung des Rechts des Kindes, keusch zu sein, s. o. Nr. 118, und entspricht dem Recht der Eltern, s. o. Nr. 117. Vier handlungsbezogene Grundsätze und ihre speziellen Regeln 121. Auf der Basis dieser Empfehlungen kann die Erziehung in der Liebe in vier handlungsbezogenen Grundsätzen Gestalt annehmen. 122.1. Die menschliche Geschlechtlichkeit ist ein heiliges Geheimnis, das entsprechend der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche und unter ständiger Berücksichtigung der Folgen der Erbsünde dar gestellt werden muß. Dieser auf der Lehre der Kirche beruhende Grundsatz muß, in Ehrfurcht und christlichem Realismus angewandt, jeden Augenblick der Erziehung in der Liebe 1524 KONGREGATIONEN bestimmen. In einer Zeit, da die menschliche Geschlechtlichkeit ihres Mysteriums beraubt worden ist, müssen die Eltern sich in ihren Belehrungen und bei der von anderen angebotenen Hilfe vor der Banalisierung der Geschlechtlichkeit hüten. Insbesondere muß eine tiefe Achtung der Unterschiedlichkeit von Mann und Frau gewahrt werden, in der sich die Liebe und Schöpferkraft Gottes selbst widerspiegelt. 123. Zugleich müssen bei der Vermittlung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zur Geschlechtlichkeit die dauerhaften Folgen der Erbsünde berücksichtigt werden, das heißt die menschliche Schwäche und die Notwendigkeit der Gnade Gottes, um den Versuchungen widerstehen und die Sünde meiden zu können. Zu diesem Zweck bedarf jeder Mensch einer klaren, genauen und mit den geistigen Werten übereinstimmenden Gewissensbildung. Die katholische Sittenlehre jedoch beschränkt sich nie auf eine Anleitung, wie man die Sünde meiden soll; ihr geht es auch um das Wachsen in den christlichen Tugenden und darum, daß sich die Fähigkeit zur Selbsthingabe innerhalb der Berufung des eigenen Lebens entfalten kann. 124. 2. Den Kindern und Jugendlichen dürfen nur solche Informationen geboten werden, die der jeweiligen Stufe ihrer individuellen Entwicklung angepaßt sind. Von diesem Grundsatz des geeigneten Zeitpunkts war bereits die Rede bei der Beschäftigung mit den verschiedenen Entwicklungsphasen der Kinder und Jugendlichen. Die Eltern und alle, die sie unterstützen, müssen ein Gespür haben: a) für die verschiedenen Entwicklungsphasen, vor allem die „Jahre der Unschuld“ und die Pubertät, b) für die Art, in der jedes Kind oder jeder Jugendliche die unterschiedlichen Lebensabschnitte wahmimmt, c) für die jeweils mit diesen Abschnitten verbundenen spezifischen Probleme. 125. Anhand dieses Grundsatzes läßt sich auch heraussteilen, wie wichtig der richtige Zeitpunkt gerade in bezug auf die spezifischen Probleme ist. a) In der späten Jugendzeit müssen die Heranwachsenden zunächst mit den Anzeichen der Fruchtbarkeit und dann mit der natürlichen Empfängnisregelung vertraut gemacht werden, doch ausschließlich im Zusammenhang mit der Erziehung in der Liebe, mit der ehelichen Treue und mit Gottes Plan der Fortpflanzung und der Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben. b) Über die Homosexualität wird nicht vor dem Jugendalter gesprochen, es sei denn, es entsteht in einer besonderen Situation ein spezifisches, schwerwiegendes Problem. <68> Dieses Thema darf nur erörtert werden in den Begriffen der Keuschheit, des Heils und „der Wahrheit über die menschliche Geschlechtlichkeit in ihrer Beziehung zum Familienleben (...), so wie die Kirche sie lehrt“ <69>. <68> Vgl. Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nm. 101-103. <69> Die Seelsorge fiir homosexuelle Personen, Nr. 17. 1525 KONGREGATIONEN c) Die sexuellen Perversionen, die verhältnismäßig selten sind, sollen nicht behandelt werden, es sei denn, daß die Eltern mit individuellen Ratschlägen auf tatsächliche Probleme eingehen müssen. 126. 3. Kinder oder Jugendliche gleich welchen Alters dürfen auf keinen Fall, weder einzeln noch in der Gruppe, mit Materialien erotischer Art konfrontiert werden. Dieser Grundsatz der Schicklichkeit soll die Tugend der christlichen Keuschheit schützen. Daher muß bei der Vermittlung sexueller Informationen im Rahmen der Erziehung in der Liebe die Unterweisung stets „positiv und klug“ <775> <776> und „klar und taktvoll “1M sein. Diese vier von der katholischen Kirche verwandten Begriffe schließen jede Form von unannehmbaren Inhalten in der Geschlechtserziehung aus. <777> <775> Gravissimum educationis, Nr. 1. <776> Familiaris consortio, Nr. 37. <777> Zum Beispiel: a) visuelle erotische Materialien, b) schriftliche oder mündüche erotische Darstellungen (vgl. Orientierung zur Erziehung in der menschiichen Liebe, Nr. 76), c) unanständige oder grobe Ausdrucksweise, d) unschicklicher Humor, e) die Verunglimpfung der Keuschheit und f) Versuche, die Schwere der Sünde gegen diese Tugend zu bagatellisieren. Außerdem müssen graphische und realistische Darstellungen der Geburt, beispielsweise in einem Film, auch wenn sie nicht erotisch sind, den jungen Männern und Frauen schrittweise zu Bewußtsein gebracht werden, um in ihnen keine Angst und Ablehnung gegenüber der Fortpflanzung aufkommen zu lassen. 127. 4. Niemand darf jemals dazu aufgefordert, geschweige denn dazu verpflichtet werden, sich in einer Weise zu verhalten, die objektiv gegen den Anstand verstoßen oder subjektiv sein Feingefühl oder seinen Sinn für die „Privatsphäre“ verletzen kann. Dieser Grundsatz der Rücksichtnahme gegenüber dem Kind schließt jede ungeeignete Form des Miteinbeziehens der Kinder oder Jugendlichen aus. Unter anderem lassen sich auch die folgenden Methoden mißbräuchlicher Sexualaufldärung dazu zählen: a) jede „dramatisierte“ Darstellung, also Gebärden- oder ,,Rollen spiele“, die Sachverhalte aus dem genitalen oder erotischen Bereich beschreiben, b) die Herstellung und Verwendung von Bildern, Tafeln, Modellen, etc. dieser Art, c) die Aufforderung, zu Fragen der Sexualität persönliche Informationen zu geben <778> oder familiäre Angelegenheiten offenzulegen, d) mündüche oder schriftliche Prüfungen zu Fragen des genitalen oder erotischen Bereichs. <778> Dabei ist der Zusammenhang einer klugen und angemessenen Unterweisung zur natürlichen Empfängnisregelung ausgenommen. Die einzelnen Methoden 128. Diese Grundsätze und Regeln können den Eltern und allen, die sie unterstützen, als Orientierung dienen, wenn sie die verschiedenen Methoden anwenden, die erfahrene Eltern und Experten für die geeigneten halten. Wir werden nun dazu 1526 KONGREGATIONEN übergehen, diese empfohlenen Methoden vorzustellen und außerdem auch auf die zu meidenden Methoden samt den Ideologien hinzuweisen, von denen sie hervorgebracht oder angeregt werden. a) Empfohlene Methoden 129. Die normale und grundlegende Methode, die in diesem Leitfaden bereits vorgeschlagen wurde, ist der persönliche Dialog zwischen Eltern und Kindern, das heißt die individuelle Erziehung im Schoß der Familie. Der vertrauensvolle und offene Dialog mit den eigenen Kindern, der nicht nur die Entwicklungsstufen, sondern auch die Person des Jugendlichen selbst als Individuum berücksichtigt, ist tatsächlich nicht zu ersetzen. Wenn jedoch die Eltern andere um Hilfe bitten, gibt es verschiedene nützliche Methoden, die empfohlen werden können aufgrund der Erfahrungen, die Eltern gemacht haben, und auch, weil sie mit der christlichen Vernunft zu vereinbaren sind. 130. 1. Als Paar oder als Einzelpersonen können die Eltern sich mit anderen treffen, die auf die Erziehung in der Liebe vorbereitet sind, um von ihrer Erfahrung und Kompetenz zu profitieren. Diese können ihnen außerdem von den kirchlichen Autoritäten approbierte Bücher und andere Hilfsmittel erklären und zur Verfügung stellen. 131. 2. Die Eltern, die nicht immer darauf vorbereitet sind, sich mit Fragen auseinanderzusetzen, die die Erziehung in der Liebe betreffen, können gemeinsam mit ihren Kindern an Versammlungen teilnehmen, die von erfahrenen und vertrauenswürdigen Personen geleitet werden, wie etwa Ärzten, Geistlichen oder Erziehern. Aus Gründen einer größeren Unbefangenheit in der Äußerung scheint es in manchen Fällen geraten, solche Versammlungen jeweils nur mit Jungen und nur mit Mädchen stattfinden zu lassen. 132. 3. In bestimmten Situationen können die Eltern einen Teil der Erziehung in der Liebe einer anderen Person ihres Vertrauens übergeben, wenn Fragen auf-kommen, die eine besondere Kompetenz oder in Einzelfällen seelsorgerischen Beistand erfordern. 133. 4. Die Katechese zu Fragen der Moral kann von anderen Vertrauenspersonen erteilt werden, wobei der Sexualethik während der Pubertät und der Jugendzeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muß. Die Eltern müssen sich mit der Moralkatechese befassen, die ihre Kinder außerhalb der Familie erhalten, und ihre eigene erzieherische Arbeit darauf aufbauen; eine solche Katechese darf jedoch nicht die intimsten biologischen oder emotionalen Aspekte der Geschlechtlichkeit beinhalten, die Sache der Einzelerziehung in der Familie sind. <779> <779> Vgl. Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 58. 1527 KONGREGATIONEN 134. 5. Die religiöse Bildung der Eltern selbst, insbesondere die solide katecheti-sche Vorbereitung der Erwachsenen in der Wahrheit der Liebe, bildet das Fundament eines reifen Glaubens, von dem sie sich bei der Erziehung ihrer Kinder leiten lassen können. <780> Diese Erwachsenenkatechese ermöglicht nicht nur ein vertiefendes Verständnis der ehelichen Lebens- und Liebesgemeinschaft, sondern auch eine verbesserte Kommunikation mit den eigenen Kindern. Außerdem werden die Eltern, während sie ihrer Pflicht nachkommen und ihre Kinder in der Liebe erziehen, für sich selbst viel dabei gewinnen, weil sie entdecken werden, daß durch diesen Liebesdienst „das Bewußtsein des Geschenks lebendig bleibt, das ihnen ständig in den Kindern zuteil wird“ <781>. Um die Eltern in die Lage zu versetzen, ihr erzieherisches Werk durchzuführen, kann man in Zusammenarbeit mit Experten spezielle Fortbildungskurse anbieten. <780> Vgl. ebd., Nr. 63. <781> Familiaris consortio, Nr. 21. b) Zu meidende Methoden und Ideologien 135. Heutzutage müssen die Eltern sich vor Bestrebungen in acht nehmen, ihren Kindern mit Hilfe verschiedener Methoden eine unsittliche Erziehung zu vermitteln. Solche Methoden werden von Gruppierungen gefördert, deren Positionen und Interessen der christlichen Moral zuwiderlaufen. <782> Es ist nicht möglich, auf sämtliche unannehmbaren Methoden hinzuweisen; daher sollen hier nur einige der am weitesten verbreiteten Arten vorgestellt werden, die die Rechte der Eltern und das sittliche Leben ihrer Kinder bedrohen. <782> Vgl. Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 13. 136. An erster Stelle müssen die Eltern die säkularisierte und geburtenfeindliche Sexualaufklärung ablehnen, die Gott an den Rand des Lebens stellt und die Geburt eines Kindes als Gefahr betrachtet; sie wird von den großen Organisationen und internationalen Vereinigungen in Umlauf gebracht, die der Abtreibung, Sterilisierung und Empfängnisverhütung das Wort reden. Diese Organisationen wollen gegen die Wahrheit der menschlichen Geschlechtlichkeit einen falschen Lebensstil durchsetzen. Solche Vereinigungen arbeiten auf nationaler oder regionaler Ebene und versuchen, unter Kindern und Jugendlichen die Angst vor der „drohenden Überbevölkerung“ aufkommen zu lassen, um so die empfängnisfeindliche Mentalität, das heißt die „anti-life-Einstellung“ zu verbreiten; sie bringen falsche Auffassungen von der „zeugungsbezogenen Gesundheit“ und den „sexuellen und zeugungsbezogenen Rechten“ der Jugendlichen in Umlauf. <783> Zudem unterstützen manche geburtenfeindlichen Organisationen jene Art von Kliniken, die den Jugendlichen unter Verletzung der Rechte der Eltern Abtreibung und Empfängnisverhütung zusichem, wodurch die Promiskuität und demzufolge auch eine stei- <783> Vgl. Päpstlicher Rat für die Familie, „Instrumentum laboris“, Demographische Entwicklungen. Ihre ethischen und pastoralen Dimensionen vom 25. März 1994, Nr. 28 und 84, Libreria Editrice Vaticana; Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 62. 1528 KONGREGATIONEN gende Zahl von Schwangerschaften unter den Jugendlichen begünstigt wird. „Wie kann man im Blick auf das Jahr 2000 nicht an die jungen Menschen denken? Welchen Vorschlag macht man ihnen? Eine Gesellschaft von ,Dingen’ und nicht von ,Personen’. Das Recht, von ihrer frühesten Jugend an alles grenzenlos zu tun, aber mit der größtmöglichen ,Absicherung’. Die Gabe der Selbstlosigkeit, die Beherrschung der Triebe, der Sinn für Verantwortung sind Vorstellungen, die man als einer anderen Zeit zugehörig betrachtet“ <784>. <784> Brief des Heiligen Vaters an die Staatsoberhäupter vor der Konferenz von Kairo vom 19. März 1994: VOsservatore Romano (italienische Ausgabe), 15. April 1994, S. 1. 137. Schon vor Beginn der Jugend kann nach und nach der unmoralische Charakter der chirurgisch oder chemisch durchgeführten Abtreibung in den Begriffen der katholischen Moral und der Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben erklärt werden. <785> <785> Vgl. Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 62. Was die Sterilisierung und die Empfängnisverhütung betrifft, so dürfen diese Themen nicht vor dem Jugendalter und nur in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche erörtert werden. <786> Dabei sollen der sittliche, geistige und gesundheitliche Gehalt der natürlichen Empfängnisregelung unterstrichen und zugleich die Gefahren und die ethischen Aspekte der künstlichen Methoden hervorgehoben werden. Man wird vor allem auf den wesentlichen und tiefgreifenden Unterschied zwischen den natürlichen und den künstlichen Methoden hinweisen, sowohl was den Plan Gottes zur Ehe als auch was die Verwirklichung des „vorbehaltlosen gegenseitigen Sichschenkens der Gatten“ <787> und die Offenheit für das Leben betrifft. <786> <787> Familiaris consortio, Nr. 32. 138. In einigen Gesellschaften sind berufliche Verbände von Sexualerziehern, -beratem und -therapeuten tätig. Da ihre Arbeit nicht selten auf schädlichen Theorien ohne wissenschaftlichen Wert basieren, die sich gegenüber einer echten Anthropologie verschließen und die wahre Bedeutung der Keuschheit verkennen, sollten die Eltern sich mit großer Umsicht über solche Verbände Gewißheit verschaffen, gleich welche Art offizieller Anerkennung ihnen auch zuteil geworden sein mag; und dies vor allem, wenn deren Standpunkt mit den Lehren der Kärche nicht zu vereinbaren ist, was nicht nur in ihrem Handeln, sondern auch in ihren Veröffentlichungen deutlich wird, die in verschiedenen Ländern weit verbreitet sind. 139. Ein anderer Mißbrauch hegt dann vor, wenn man die geschlechtliche Erziehung in Form einer auch graphischen Belehrung der Kinder über sämtliche intimen Einzelheiten des genitalen Verkehrs durchführen will. Dies geschieht heutzutage häufig in der Absicht, eine Erziehung zum „risikolosen Geschlechtsverkehr“ anzubieten, vor allem im Hinblick auf die Ausbreitung von AIDS. In diesem 1529 KONGREGATIONEN Zusammenhang müssen die Eltern auch die Befürwortung des sogenannten „safe sex“ oder „safer sex“ ablehnen, einer gefährlichen und unmoralischen Politik, die auf der irrigen Meinung basiert, das Präservativ könne einen angemessenen Schutz vor AIDS gewährleisten. Die Eltern müssen auf der Enthaltsamkeit außerhalb und der Treue innerhalb der Ehe beharren - das ist die einzig wahre und sichere Erziehung, um einer solchen Ansteckung vorzubeugen. 140. Ein weiterer sehr gebräuchlicher Ansatz, der jedoch schädlich sein kann, wird mit dem Begriff „Klärung der Werte“ bezeichnet. Die Jugendlichen werden dazu ermuntert, mit der größten Selbständigkeit über moralische Fragen nachzudenken, sich Klarheit zu verschaffen und Entscheidungen zu treffen, wobei sie allerdings weder die objektive Wahrheit der allgemeinen sittlichen Normen kennen noch die Gewissensbildung zu den spezifischen, vom Lehramt der Kirche bestätigten christlichen Moralvorschriften berücksichtigen. <788> Man vermittelt den Jugendlichen die Vorstellung, ein moralischer Kodex sei etwas von ihnen selbst Geschaffenes, gleichsam als wäre der Mensch Quelle und Maßstab der Moral. <788> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor vom 6. August 1993: AAS85(1993)S.1208-1210, Nm. 95-97. Die Methode der Klärung der Werte hemmt jedoch die wirkliche Freiheit und Selbständigkeit der Jugendlichen in einer unsicheren Phase ihrer Entwicklung. <789> In der Praxis wird nicht nur die Meinung der Mehrheit als richtig hingestellt, sondern die Jugendlichen werden außerdem mit moralisch gesehen sehr komplexen Situationen konfrontiert, die weit entfernt sind von den sittlichen Entscheidungen, die sie im Alltag zu treffen haben und in denen das Gute und das Böse leicht zu erkennen sind. Diese unannehmbare Methode steht dem moralischen Relativismus sehr nahe und führt zu Gleichgültigkeit gegenüber den sittlichen Normen und zu Permissivität. <789> Vgl. ebd., Nr. 41, über die wahre sittliche Autonomie des Menschen. 141. Die Eltern müssen auch auf Bestrebungen achten, sexualkundliche Themen in die im Grunde sinnvolle Behandlung anderer Stoffe emfließen zu lassen (zum Beispiel: Gesundheit und Hygiene, die persönliche Entwicklung, das Familienleben, die kindgerechte Lektüre, soziale und kulturelle Studien etc.). In solchen Fällen ist es schwieriger, den Inhalt der sexuellen Unterweisung zu kontrollieren. Diese einbeziehende Methode wird insbesondere von den Befürwortern der auf die Geburtenkontrolle ausgerichteten sexuellen Aufklärung verwendet oder in Ländern, wo die Regierung die Rechte der Eltern auf diesem Gebiet nicht respektiert. Doch auch die Katechese wäre im Unrecht, wenn die untrennbare Einheit von Religion und Moral als Vorwand benützt würde, um in die religiöse Unterweisung diejenigen geschlechtlichen, biologischen und emotionalen Informationen einzubeziehen, die die Eltern aufgrund ihrer eigenen, klugen Entscheidung zu Hause erteilen sollten. <790> <790> Vgl. Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 58. 1530 KONGREGATIONEN 142. Schließlich sei zur allgemeinen Orientierung darauf hingewiesen, daß alle diese unterschiedlichen Methoden der Geschlechtserziehung von den Eltern auf der Grundlage der Prinzipien und sittlichen Normen der Kirche beurteilt werden müssen, die Ausdruck der menschlichen Werte im alltäglichen Leben sind. <791> Auch die negativen Auswirkungen sind zu bedenken, die manche Methoden auf die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen haben können. <791> Vgl. ebd,, Nr. 19; Familiaris consortio, Nr. 37. Die Inkulturation und die Erziehung in der Liebe 143. Eine wirkliche Erziehung in der Liebe muß das kulturelle Umfeld, in dem Eltern und Kinder leben, berücksichtigen. Als Verbindung von Glaubensbekenntnis und konkretem Leben besteht die Inkulturation darin, Glauben und Kultur in Einklang zu bringen, wobei Christus und sein Evangelium unbedingten Vorrang vor der Kultur haben. „Weil er jegliche natürliche und kulturelle Ordnung übersteigt, ist der christliche Glaube einerseits mit allen Kulturen in den Punkten vereinbar, in denen sie der wahren Vernunft und dem guten Willen entsprechen, und andererseits ist er selbst ein Tatbestand, der die Kultur ganz erheblich dynamisiert. Ein Prinzip ist es, das die Gesamtheit der Beziehungen zwischen Glauben und Kultur erhellt: die Gnade achtet die Natur, heilt sie von den Wunden der Sünde, stärkt und erhöht sie. Die Überhöhung hin zum göttlichen Leben ist die eigentüche Zweckbestimmtheit der Gnade, doch sie ist nicht möglich, ohne daß die Natur geheilt wird und ohne daß die Erhöhung zur übernatürlichen Ordnung die Natur auf der ihr eigenen Bahn zur Fülle der Bildung geleitet“ <792> <793>. Deshalb ist es auf keinen Fall zu rechtfertigen, daß den Kindern im Namen einer vorherrschenden weltlichen Kultur eine frühzeitige und detaillierte Sexualerziehung erteilt wird. Andererseits müssen die Eltern ihre Kinder dahingehend erziehen, daß sie die Kräfte dieser Kultur begreifen und sich mit ihnen auseinandersetzen, damit sie immer dem Weg Christi folgen können. <792> Internationale Theologische Kommission, Glauben und Inkulturation, I, 10, 3.-8. Oktober 1988: Omnis Terra, Jahrgang VII, Nr. 21, September-Dezember 1989, S. 220. 144. In den traditionellen Kulturen müssen die Eltern der christlichen Moral entgegengesetzte Gepflogenheiten nicht akzeptieren, beispielsweise im Rahmen der mit der Pubertät verbundenen Riten, die zuweilen in der Einführung der Jugendlichen in sexuelle Praktiken oder in Handlungen bestehen, die sich gegen die Unversehrtheit und die Würde der Person richten, wie etwa die Verstümmelung der Geschlechtsteile bei den jungen Mädchen. Es ist folglich die Aufgabe der Kirche zu beurteilen, ob das lokale Brauchtum mit der christlichen Moral zu vereinbaren ist. Die Traditionen der Sittsamkeit und Zurückhaltung auf dem Gebiet der Geschlechtlichkeit, die Kennzeichen mancher Gesellschaften sind, müssen jedoch überall respektiert werden. Zugleich soll das Recht der Jugendlichen auf eine angemessene Information bestehenbleiben. Außerdem muß man die besondere Rolle 1531 KONGREGATIONEN der Familie in einer solchen Kultur berücksichtigen, <70> ohne irgendwelche westlichen Modelle der geschlechtlichen Erziehung durchsetzen zu wollen. <70> Vgl. Familiaris consortio, Nr. 66. VIII. Schlußfolgerang Beistand für die Eltern 145. Es gibt verschiedene Wege, den Eltern bei der Erfüllung ihres grundlegenden Pflicht-Rechts, ihre Kinder in der Liebe zu erziehen, zu helfen und beizustehen. Den Eltern beizustehen bedeutet jedoch niemals, ihnen ihr erzieherisches Pflicht-Recht zu nehmen, denn dieses bleibt „unabgeleitet und ursprünglich“, „unersetzlich und unveräußerlich“ <71>. Deshalb ist die Rolle, die andere zur Unterstützung der Eltern übernehmen können, (a) subsidiär, weil die erzieherische Rolle der Familiengemeinschaft immer vorrangig ist, und (b) untergeordnet, das heißt, der aufmerksamen Führung und Kontrolle der Eltern unterworfen. Alle müssen die richtige Rangfolge beachten bei der Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den Eltern und denjenigen, die sie in ihrer Aufgabe unterstützen können. Es versteht sich von selbst, daß der Beistand der anderen sich im wesentlichen auf die Eltern und nicht auf die Kinder bezieht. <71> Vgl. Familiaris consortio, Nm. 36 und 40; Brief an die Familien Gratissimam sane, Nr. 16. 146. Diejenigen, die dazu berufen sind, den Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder in der Liebe zu helfen, müssen von ihrer Einstellung und von ihrer Vorbereitung her in der Lage sein, dies in Übereinstimmung mit der gesamten authentischen Sittenlehre der katholischen Kirche zu tun. Zudem müssen es reife Personen sein von gutem moralischen Ruf, die, gleich ob verheiratet oder ledig, Laien, Ordensleute oder Geistliche, dem Stand, den sie sich für ihr christliches Leben gewählt haben, treu bleiben. Ihre Vorbereitung darf sich nicht nur auf die Einzelheiten der sittlichen und geschlechtlichen Information erstrecken, sondern sie müssen auch ein Gespür haben für die Rechte und die Rolle der Eltern und der Familie, ebenso wie für die Bedürfnisse und Probleme der Kinder und Jugendlichen. <72> Auf diese Weise haben sie sich auf der Basis der Grundsätze und Inhalte der vorliegenden Richtlinien „vom gleichen Geist leiten zu lassen wie die Eltern“ <73>; wenn die Eltern jedoch glauben, die Erziehung in der Liebe in angemessener Weise leisten zu können, sind sie nicht verpflichtet, ihre Hilfe anzunehmen. <72> Personen, die den Eltern behilflich sind, können die Prinzipien anwenden, die in der Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe für Erzieher aufgeführt sind, Nm. 79-89. <73> Familiaris consortio, Nr. 37. Wertvolle Quellen für die Erziehung in der Liebe 147. Der Päpstliche Rat für die Familie ist sich der Tatsache bewußt, daß ein großer Bedarf besteht an geeigneten Materialien, die in Übereinstimmung mit den im 1532 KONGREGATIONEN vorliegenden Leitfaden erörterten Grundsätzen speziell für die Eltern konzipiert sind. Diejenigen Eltern, die sich dazu in der Lage fühlen und von diesen Grundsätzen überzeugt sind, müssen das Ihre zur Bereitstellung solcher Materialien beitragen. So können sie ihre eigene Erfahrung und Weisheit zur Verfügung stellen, um anderen bei der Erziehung ihrer Kinder in der Keuschheit zu helfen. Die Eltern werden auch den Beistand und Schutz deijenigen kirchlichen Autoritäten erhalten, die dafür zuständig sind, geeignete Materialien herauszubringen und andere zu entfernen oder zu korrigieren, die mit den in diesem Wegweiser dargelegten Grundsätzen zur Lehre, zum geeigneten Zeitpunkt, zu Inhalten und Methoden einer solchen Erziehung nicht zu vereinbaren sind. <74> Diese Grundsätze gelten auch für alle modernen Kommunikationsmittel. In besonderem Maße vertraut der Päpstliche Rat auf die Arbeit der Bischofskonferenzen zur Sensibilisierung und Unterstützung der Eltern, die, wo immer dies nötig ist, auch gegenüber staatlichen Programmen auf dem Gebiet der Erziehung die Rechte und den eigenen Wirkungsbereich der Familie und der Eltern zu behaupten werden wissen. <74> Siehe oben, Nm. 65-76; 121-144. Solidarität mit den Eltern 148. Bei der Erfüllung ihres Liebesdienstes an den eigenen Kindern sollten die Eltern auf die Unterstützung und Mitarbeit anderer Mitglieder der Kirche zurückgreifen können. Die Rechte der Eltern müssen anerkannt, geschützt und aufrechterhalten werden, nicht nur, um die gründliche Erziehung der Kinder und Jugendlichen sicherzustellen, sondern auch, um die richtige Rangfolge bei der Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den Eltern und denjenigen, die ihnen in ihrer Aufgabe beistehen können, zu gewährleisten. In derselben Weise müssen die Kleriker und Ordensleute in den Pfarreien oder in den anderen Bereichen des Apostolats die Eltern in ihren Bemühungen um die Erziehung ihrer Kinder unterstützen und ermutigen. Die Eltern ihrerseits müssen bedenken, daß die Familie nicht die einzige oder ausschließliche erzieherische Gemeinschaft ist. Deshalb sollen sie herzliche und lebendige Beziehungen zu anderen Personen pflegen, die ihnen helfen können, ohne dabei jedoch die eigenen, unveräußerlichen Rechte zu vergessen. Hoffnung und Vertrauen 149. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen an die christliche Keuschheit bleiben die den Eltern geschenkten Gaben der Natur und der Gnade die sicherste Basis, auf der die Kirche ihre Söhne und Töchter heranbildet. Die Erziehung in der Familie erfolgt großenteils indirekt, eingebettet in ein Klima der Herzlichkeit und Zärtlichkeit, das durch die Gegenwart und das Vorbild der Eltern hervorgebracht wird, wenn ihre Liebe rein und großzügig ist. Wenn man den Eltern bei ihrer Aufgabe der Erziehung in der Liebe Vertrauen schenkt, dann werden sie den 1533 KONGREGATIONEN Mut finden, die Herausforderungen und Probleme unserer Zeit mit der Kraft ihrer Liebe zu überwinden. 150. Der Päpstliche Rat für die Familie ermahnt deshalb die Eltern, die sich von den Gaben Gottes unterstützt wissen, ihre Rechte und Pflichten bezüglich der weisen und bewußten Erziehung ihrer Kinder mit Zuversicht wahrzunehmen. Bei dieser ehrenvollen Aufgabe mögen die Eltern durch das Gebet zum Heiligen Geist, dem barmherzigen Tröster, dem Spender alles Guten, ihr Vertrauen stets auf Gott setzen. Mögen sie die mächtige Fürsprache und den Schutz der Unbefleckten Jungfrau Maria erflehen, der Mutter der schönen Liebe und dem Vorbild der getreuen Reinheit. Mögen sie auch den heiligen Josef anrufen, ihren gerechten und keuschen Bräutigam, und seinem Beispiel der Treue und Reinheit des Herzens folgen. <794> Mögen die Eltern stets auf die Liebe bauen können, die sie ihren Kindern schenken, eine Liebe, die „alle Furcht vertreibt“, denn „sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand“ (1 Kor 13,7). Diese Liebe ist auf die Ewigkeit gerichtet und muß auf sie gerichtet sein, auf jene ewige Glückseligkeit, die Unser Herr Jesus Christus all denen verheißen hat, die ihm nachfolgen: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen“ {Mt 5,8). <794> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Redemptoris custos vom 15. August 1989: AAS&2(\990)33, Nr. 31. Vatikanstadt, 8. Dezember 1995. Alfonso Cardinal Lopez Trujillo + S.E. Mons. Elio Sgreccia Präsident des Päpstlichen Rates Sekretär für die Familie 1534 VI. Anhang ANHANG Gemeinsamer Einsatz für eine menschenwürdige Umwelt Botschaft zum Id Al Fitr-Fest zum Ende des Ramadans 1415/1995 von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, vom 24. Februar Liebe muselmanische Freunde, Frieden und Segen sei mit Euch! 1. Es ist mir eine große Freude, euch alle nun am Ende des Fastenmonats im Namen der Mitglieder der katholischen Kirche zu grüßen. Diese Zeit des Fastens, des Betens und Teilens gibt uns Gelegenheit, die Beziehungen zu Gott, dem Schöpfer des Menschengeschlechts, und den Menschen, seinen Geschöpfen, weiter zu entwickeln. 2. Denn schließlich ist es Gott, dem der Mensch sein Fastenopfer darbringt. Mit dieser Geste verkündigt der Gläubige die Herrschaft des Allerhöchsten, er erniedrigt sich vor ihm und bittet um die Vergebung seiner Sünden. Es ist ein Werk der Reinigung, das den Menschen Gott, dem allein Heiligen, näherbringt. 3. Durch sein Streben nach einer engeren Gemeinschaft mit Gott kommt der Mensch auch seinen Mitbrüdem näher und wird mitleidsvoller ihnen gegenüber. Denn derjenige, der sich Gott, dem Schöpfer, nähert, wird aus dem gleichen Grund dem menschlichen Wesen, jenem geliebten Geschöpf des barmherzigen und mitleidsvollen Gottes, größere Aufmerksamkeit entgegenbringen. Um das göttliche Erbarmen erfahren zu können, sind alle Männer und Frauen eingeladen, sich in gleicher Weise ihrem Nächsten gegenüber zu verhalten. Wenn Christus in der Bibel von den Initiativen zur Unterstützung der Hilfsbedürftigen spricht, sagt er: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). 4. Gemeinsam mit Euch danken wir Gott für diese Zeit der Gnade, und voller Freude über das, was zu erfüllen Euch gegeben ist, wünschen wir Euch von ganzem Herzen ein frohes Fest, „Id Fitr Said“. 5. Die Fastenzeit lehrt uns auch, von materiellen Gütern sinnvoll Gebrauch zu machen. Dieses Thema geht uns alle an, da wir Bewohner des gleichen Planeten sind, insbesondere aber, weil wir an „den einen Gott glauben, der alles geschaffen hat... die sichtbare und unsichtbare Welt“, dem alles „im Himmel und auf Erden“ gehört. Er hat den Menschen als seinen „Stellvertreter“ in dem von ihm erschaffenen Universum eingesetzt und ihn zum verantwortungsvollen Teilhaber seines schöpferischen Wirkens in der Welt machen wollen. 6. Mit Bedauern stellen wir fest, daß wir nicht immer jener Rolle treu entsprechen, die der Schöpfer uns zugewiesen hat. Wir bringen es sogar fertig, die Ressourcen der Erde nicht dem Plan Gottes entsprechend, nicht in dem gebührenden Maß und mit der erforderlichen Weisheit zu nutzen. Daher kommt es zu katastrophalen 1537 ANHANG Auswirkungen: die fortschreitende Zerstörung der Ozonschicht, die Luft- und Wasserverschmutzung, die Verseuchung des Erdbodens, die übermäßige Abholzung der Wälder, das Aussterben von Pflanzen- und Tiergattungen. Unsere Welt läuft Gefahr, einige ihrer naturgegebenen Energiequellen versiegen zu sehen. Man müßte auf die Bedrohung der Industrie- und Nuklearabfälle hinweisen. Es ist sicherlich nicht übertrieben, von einer ökologischen Krise und von einem Mangel an Sicherheit in der Umwelt zu sprechen, die Anlaß zu Besorgnis geben. Außerdem ist die ökologische Krise auch ein Problem einer moralischen Ordnung. 7. Angesichts solcher Zustände können wir nicht untätig bleiben. Die Menschheit ist gefährdet, und es fehlt auch jene Achtung, die wir unserem Schöpfer schuldig sind. Die Gläubigen und die Menschen guten Willens müssen reagieren. Der Einsatz des Gläubigen für die Erhaltung einer gesunden Umwelt entspringt seinem Glauben an den Schöpfergott: er muß demzufolge denken und handeln. In einigen Ländern nämlich haben Hedonismus und eine übersteigerte Konsummentalität negative Auswirkungen auf die Lebensweise; weit entfernt davon, gleichgültig zu bleiben, tut der gläubige Mensch gut daran, Strenge, Mäßigkeit, Disziplin und Opferbereitschaft zu üben. Das Fasten kann zur Verwirklichung dieser Tugenden eine große Hilfe sein. 8. Die Erhaltung der Umwelt und der natürlichen Energiequellen betrifft die gesamte menschliche Gemeinschaft: Einzelpersonen, Vereinigungen, Staaten, internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Liegt hierin nicht ein Wert, den die Gläubigen aller Religionen, insbesondere Muselmanen und Katholiken, teilen? Können wir uns nicht gemeinsam für das Wohl der zukünftigen Generationen einsetzen, um die Vollkommenheit der Erde, die Reinheit von Luft und Wasser und unsere Bodenschätze zu wahren? Wäre es nicht angebracht, sogar notwendig, das Interesse der öffentlichen Meinung und vor allem der verantwortlichen Politiker zu wecken? Eine Erziehung zu umweltbewußtem Verhalten und zur Achtung des Familienlebens in den Schulen und in den Medien könnte eine wertvolle Hilfe für die Jugendlichen aller Religionen sein, die somit, der Entwicklung ihres Umweltbewußtseins entsprechend, zum Nachdenken und Handeln angeregt würden. Solch eine neue Solidarität würde auch die friedliche Koexistenz der Nationen fördern, denn viele ethische Werte, die mit dem respektvollen Verhalten der Umwelt gegenüber verbunden sind, haben für die Entwicklung einer in Frieden lebenden Gesellschaft große Bedeutung. 9. Das, hebe muselmanische Freunde, sind die Gedanken, die ich mit Euch teilen möchte. Mit meinen besten Wünschen zum Ende des Ramadans möge Euch Frieden und Wohlstand beschieden sein. 1538 ANHANG Die Bekämpfung der Armut Weltgipfelkonferenz für Soziale Entwicklung in Kopenhagen Intervention von Msgr. Diarmuid Martin, Leiter der Delegation des Hl. Stuhls am 7. März Herr Präsident, sehr geehrte Delegierte! 1. Falls unserer Arbeit in diesen Tagen Erfolg beschieden ist, wird dieser Weltgipfel und die Stadt Kopenhagen in die Geschichte eingehen als ein bedeutender Augenblick im Kampf der Menschheit zur Überwindung der Geißel der Armut. Falls aber unsere Arbeit in diesen Tagen scheitern sollte, dann wird dieser Gipfel bald vergessen sein als nur ein weiteres, zwar gutgemeintes, doch fruchtloses Ereignis. Die Entscheidung liegt bei uns. Wir haben die Verantwortung. Ich gratuliere Ihnen, Herr Präsident, im Namen meiner Delegation zu Ihrer Wahl zum Präsidenten unserer Aktivitäten, und durch Sie möchte ich die dankbare Anerkennung des Hl. Stuhls für all jene, die bei der Vorbereitung dieses Gipfeltreffens mitgearbeitet haben, zum Ausdruck bringen. Ein besonderes Wort der Anerkennung gilt Herrn Botschafter Juan Somavia, der unsere Arbeit im Laufe der vergangenen Jahre nicht nur geleitet, sondern auch inspiriert hat. Die dänische Regierung und das dänische Volk haben sich außerdem uns gegenüber sehr gastfreundlich gezeigt. Ich habe meine einleitenden Worte mit Bedacht gewählt, Herr Präsident, denn in vielen recht skeptischen Medienkommentaren zu diesem Gipfel ist die Aufgabe, auf die Beseitigung der Armut hinzuarbeiten, als etwas Unrealistisches abgetan worden. Unsere Vorhaben sollten selbstverständlich realistisch sein. Wenn überhaupt, sollten wir diese Aufgabe mit einer gewissen Demut angehen, da wir aus früheren Erfahrungen wissen, daß unsere Pläne nicht immer Frucht getragen haben. Aber Skepsis allein, gepaart mit dem Mangel an konkreten Aktionen, wäre angesichts des Ausmaßes extremer Armut in der heutigen Welt einfach der Menschheit unwürdig. 2. Die meisten von uns werden vor ihrer Reise hierher gefragt worden sein: „Was soll der Gipfel von Kopenhagen schon verändern?“ Die Antwort auf diese Frage findet sich hoffentlich in einem Schlüsselwort, das wir überall in unserer Erklärung verwenden. Es ist das Wort Verpflichtung. Die Führungskräfte der Nationen der Welt kommen zu diesem Gipfeltreffen zusammen, nicht nur um die Armut, Möglichkeiten der produktiven Beschäftigung und soziale Integration zu studieren, zu untersuchen, darüber nachzudenken und zu diskutieren. Sie kommen, sowohl einzeln als auch gemeinsam, um sich zu verpflichten, um sich öffentlich zu verpflichten. Sie werden jener Milliarde Menschen in der heutigen Welt, die in bitterster Armut leben, das Versprechen geben, daß sie etwas Konkretes und Endgültiges hinsichtlich ihrer Situation unternehmen werden. Die Maßnahmen, die wir vorschlagen, müssen natürlich auf die spezifischen Bedürfnisse und Situationen in den einzelnen Ländern abgestimmt werden. Aber sie können ohne die Un- 1539 ANHANG terstützung aller, ohne die Unterstützung der Staatengemeinschaft nicht verwirklicht werden. Wir alle wissen, wie frühere Aktionen oder versäumtes Handeln zum Mangel an sozialer Entwicklung und zu den gegenwärtigen Ungerechtigkeiten beigetragen haben. Durch unsere Verpflichtung versprechen wir jetzt, das in Gang zu setzen, was Papst Johannes Paul II. in seinen Reden der vergangenen zwei Sonntage bezüglich dieses Gipfels „eine neue Phase auf dem Weg der Menschheit“ nannte. Die Hoffnung dieses Gipfels hängt von der Art und der Kraft unserer Verpflichtung ab. 3. Unsere heutigen Gedanken beziehen sich vor allem auf die Thematik der Armut. Dies ist die zentrale Frage, die vielleicht mehr als jede andere die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung auf sich gezogen hat. Die Dokumente des Gipfeltreffens haben die Verbindung zwischen Armut und wirtschaftlichen Faktoren richtig erkannt. Wir müssen uns die Art des wirtschaftlichen Umfelds ansehen, das wir schaffen wollen. Armut beseitigen bedeutet, unter anderem, allen Menschen, vor allem Frauen und Behinderten, die Möglichkeit zu geben, aktiv an der Wirtschaft und dem gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Wirksamkeit unserer Wirtschaftssysteme hinsichtlich ihrer Eignung, den Bedürfnissen der Menschen zu entsprechen, muß ständig überprüft werden. Ein System, das grundlegende Bereiche einer Nation oder einer Randgruppe nicht in die Lage versetzt, aktiv ihre Talente zum Wohl der Gesellschaft und der Wirtschaft einzusetzen, hat diese Leute im Stich gelassen. Darüber hinaus, auch wenn wir alle Betrachtungen moralischer Art außer acht lassen, ist ein solches System auch wirtschaftlich nicht recht sinnvoll. Im Abschnitt e) unserer ersten Verpflichtung, ein wirtschaftliches Umfeld für soziale Entwicklung zu ermöglichen, werden wir gewisse grundsätzliche Aspekte eines Wirtschaftssystems, das auf die Beseitigung der Ursachen der Armut ausgerichtet ist, billigen. Wir anerkennen den Wert und die Wichtigkeit der dynamischen, offenen und freien Märkte, sehen aber auch die Notwendigkeit eines angemessenen Maßes an Intervention, um einen auf Ethik gegründeten juristischen Rahmen zu schaffen. Innerhalb dieses Rahmens soll der Markt dann funktionieren. Wir unterstreichen die Rolle der Regierungen in bezug auf die Harmonisierung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, speziell durch einen grundlegenden sozialen Schutz. Schließlich sehen wir die Notwendigkeit, mehr zu tun, damit in Armut lebende Menschen in die Lage versetzt werden, ihren eigenen Beitrag zu liefern. All diese Faktoren müssen zusammen gefördert werden in einem System, das im Dienst eines vertretbaren Fortschritts steht, der die Person zum Mittelpunkt hat. Menschen, die in Armut leben, haben die gleiche Würde wie jeder andere auch. Menschen, die in Armut leben, haben auch ein eigenes Potential, und sie haben ein Recht auf Anerkennung. Sehr oft wissen die in Armut lebenden Leute selbst am besten, wie sie ihre wirtschaftliche Situation verbessern könnten. Aber es wird nicht auf sie gehört, oder sie haben keinen Zugang zu Krediten oder Ausbildung. Dies trifft vor allem für Frauen in vielen Gebieten zu. Es gibt in allen Ländern Menschen, die in Armut leben, und solche, die im Überfluß leben, und es 1540 ANHANG gibt einen Norden und einen Süden in jedem Land, in jeder Stadt, in jeder Gemeinschaft. Armut und nicht mehr vertretbarer Überfluß existieren nebeneinander. Allzuoft ist dies eine Frage des Nebeneinanderlebens ohne jeglichen Kontakt. Eine unsichtbare Linie teilt viele unserer Gesellschaften und Gemeinschaften, und die Leute auf der einen Seite kennen nur selten die Lebensbedingungen der anderen. Zuweilen weist sogar die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen, die von denselben Führungsgremien angeboten werden, krasse Gegensätze auf, d. h. die Dienste, die den Ärmsten angeboten werden, sind gegenüber denen für die anderen minderwertig. 4. So wie den in Armut lebenden Menschen die Gelegenheit gegeben werden muß, Mitgestalter der Wirtschaft und der Gesellschaft zu werden, müssen auch die ärmsten Länder in die Lage versetzt werden, ihren Platz als wirkliche Partner in internationalen wirtschaftlichen Transaktionen und dem internationalen Leben einzunehmen. Unsere Dokumente erwähnen die besonderen Bedürfnisse der Staaten in Afrika und Südostasien, wo große Teile der Bevölkerung in Armut leben, sowie die Staaten, deren Wirtschaft sich in einer Übergangsphase befindet, und die in Entwicklung befindlichen Inselstaaten. Jede dieser Gruppen hat ihre spezifischen Probleme, die die Unterstützung von seiten der Staatengemeinschaft benötigen. Unsere Texte beleuchten zu Recht zwei besondere Aspekte des wirtschaftlichen Lebens, die mit der Armut, und zwar speziell mit der Situation der armen Länder, verbunden sind. Der erste Aspekt betrifft die Auslandsschulden. Wir haben bisher noch keine vollständige Einigung über die Art, wie dieses Problem abschließend zu behandeln ist, erzielt. Wir alle aber kennen die Geschichte der gegenwärtigen internationalen Schuldensituation. Es ist nämlich eine Geschichte mit einem bestimmten Anfang, der in besonderen wirtschaftlichen Umständen stattgefunden hat. Wir müssen erkennen, daß diese Geschichte unter anderem von unverantwortlichen Ausgaben gezeichnet ist, aber auch von unverantwortlichen Darlehen. Genauso wie diese Situation einen bestimmten Anfang hatte, müssen wir uns jetzt anstrengen, um sie bald zu einer endgültigen Lösung zu bringen. Es müssen die bestmöglichen Bedingungen angewandt werden - und schnell angewandt werden -, damit normale Strukturen für Kredite, Darlehen und Investitionen, vor allem im sozialen Bereich, wiederhergestellt werden können. Die Lösung des internationalen Schuldenproblems ist sicherlich eine ökonomische Frage, es ist aber auch eine Frage des politischen Willens. Dieser Wille kann mit Sicherheit gefunden werden. Das Schuldenproblem hat auch mit dem Problem der Anpassung zu tun, die ihrerseits mit der Übergangssituation verbunden ist. Ihrem Wesen nach weisen diese beiden Worte auf etwas hin, auf ein wichtiges Ziel, auf das wir hinarbeiten. Übergang und Anpassung müssen also in einer Art und Weise, die die Menschen zum Mittelpunkt hat, betrachtet werden. Wir möchten demokratischen, sozialorientierten Marktwirtschaften näherkommen, damit den Bedürfnissen der Menschen besser entsprochen werden kann und damit die Menschen das ihnen eigene Potential am besten ausschöpfen können. Die Menschen sind bereit, Entbehrungen auf sich 1541 ANHANG zu nehmen, wenn sie wissen, daß sie auf dem Weg zu einem besseren Leben sind. Aber wenn der beginnende ungedämpfte Zusammenprall mit der gewünschten Wirklichkeit eine Situation mit sich bringt, in der die Ärmsten auch die Ersten sind, die mehr leiden müssen, dann dürfen wir uns nicht wundem, wenn das Ziel, auf das wir hinarbeiten, in ihren Augen unglaubwürdig wird. Anpassung oder Übergang bedeutet auch, daß jenen, die in den alten Systemen ausgegrenzt waren, eine Ausbildung zuteil werden muß, die es ihnen erlaubt, am neuen System als Mitgestalter teilzunehmen. 5. Zum Abschluß, Herr Präsident, möchte ich einen Blick auf das Verhältnis zwischen Familie und Armut werfen. Die Familie als Institution muß umfassenden Schutz und Unterstützung erhalten. Die Rechte, Fähigkeiten und Verantwortung der einzelnen Familienmitglieder können in der Tat durch die Erfahrung dieser ersten Gemeinschaft, dieser ersten Schule für soziale Werte gefördert werden. Den Eltern muß dabei geholfen werden, und sie müssen hinsichtlich ihres unersetzlichen Beitrags, den sie für die Gesellschaft leisten, unterstützt werden. Heutzutage kann ihre Aufgabe außerordentlich schwierig sein. Aber ohne den Beitrag der Eltern wäre die Gesellschaft ärmer. Eltern wollen das Beste für ihre Kinder, und ihre Rechte sollten geschützt werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte jenen Familien geschenkt werden, die ältere oder behinderte Familienmitglieder pflegen, sowie den Familien mit nur einem Eltemteil, vor allem alleinstehenden Müttern, die oft äußerst kritischen Situationen ausgesetzt sind. Herr Präsident, der Hl. Stuhl setzt sich mit Nachdruck ein für die Grundgedanken, die diesen Weltgipfel inspiriert haben. Zu einer Zeit, da wir in vielen Bereichen einer Abnahme der finanziellen Ressourcen für Sozial- und Entwicklungsprogramme gegenüberstehen, ist es ermutigend, festzustellen, daß die Fürsorgeeinrichtungen der katholischen Kirche wie auch jene anderer religiöser und freiwilliger Organisationen, von seiten der Gemeinschaft ständige und großzügige Unterstützung erfahren. Trotz der Anzeichen eines Rückgangs der Solidarität und einer gewissen Ermüdung ist dieses Netz von Einrichtungen seinem Solidaritätsprogramm fest verpflichtet. Diese Organisationen, Zeugen einer aktiven und teilnahmsvollen Gesellschaft, verpflichten sich hiermit, Herr Präsident, zur Verwirklichung und Erfüllung der Ziele dieses Gipfeltreffens zum Wohle aller Menschen. 1542 ANHANG Bekämpfung der Armut durch Förderung der Familien Weltgipfelkonferenz für Soziale Entwicklung in Kopenhagen Ansprache von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano am 12. März Herr Präsident, verehrte Staatsoberhäupter und Regierungschefs, Herr Generalsekretär der Vereinten Nationen, meine Damen und Herren! Die Menschheit ist daran, ein Jahrhundert hinter sich zu lassen, das von zwei Weltkriegen, dem Kalten Krieg und zahlreichen regionalen und lokalen bewaffneten Konflikten gekennzeichnet ist, die bedeutende menschliche und materielle Ressourcen zerstört haben. Sie hat ein dringendes Bedürfnis nach einem dauerhaften Frieden. Und um diesen zu erreichen, bedarf sie einer gerechten und harmonischen Verteilung der Güter der Erde, die nach dem Plan Gottes für alle Menschen bestimmt sind. Wir dürfen die Erwartungen der Völker nicht enttäuschen! Unsere Welt nähert sich einem neuen Jahrtausend, zugleich hat sie bedeutende technische Mittel zur Verfügung: eine wirklich außerordentliche Gelegenheit in der Geschichte der Menschheit, Aktionen zur Bekämpfung der Armut zu unternehmen, die auf vielerlei Weise unsere Welt heute noch zeichnet. Dieser Weltgipfel bildet den Höhepunkt einer Bewegung, bei der die Staaten, die zivile Gesellschaft und zahlreiche Bürger sich einsetzen sollen, um das Grandprinzip Wirklichkeit werden zu lassen, das wir in den Dokumenten dieses Treffens unablässig wiederholen, nämlich: „Der Mensch steht im Mittelpunkt der Entwicklung.“ Gruß des Papstes 1. Seit der ersten Ankündigung dieses Sozialgipfels hat Papst Johannes Paul II. seine volle Unterstützung dafür bekundet. Heute hat er mich beauftragt, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und allen seinen Mitarbeitern, die dieses historische Treffen der Staats- und Regierungschefs organisiert haben, seine Anerkennung auszusprechen. Meine Erkenntlichkeit gilt besonders Herrn Botschafter Juan Somavia, der die Anregung zu diesem Gipfel gegeben und dessen Vorbereitung geleitet hat. Unsere Dankbarkeit gilt auch den dänischen Behörden für die Aufnahme, die uns in diesen Tagen zuteil geworden ist. Beitrag der Kirche 2. Es ist allgemein bekannt, daß die Sendung der katholischen Kirche von religiöser Art ist. Dennoch vernachlässigt sie die konkreten Situationen, in denen die Männer und Frauen unserer Welt leben, nicht, sondern setzt sich entschlossen damit auseinander, vor allem mit den Situationen, die die transzendente Würde des 1543 ANHANG Menschen verletzen. Dies bezeugen mehr als 270 000 kirchliche Einrichtungen überall auf den fünf Kontinenten, die auf den Gebieten der Erziehung und der sozialen Werke tätig sind. Diese Einrichtungen werden auch unterstützt von zahlreichen Gruppen und Bewegungen, die sich alle für die menschliche Besserstellung und den Fortschritt der Freiheit der Personen und der Völker einsetzen. Dieses Netzwerk von Institutionen betrachtet den Sozialgipfel als ein wichtiges, an Bedeutungen reiches und dazu geeignetes Ereignis, den erneuerten Einsatz für die soziale Entwicklung allgemein werden zu lassen. Die christliche Auffassung von Entwicklung 3. Eine Gesellschaft, die nicht in soliden Werten wurzelt, ist eine Gesellschaft ohne Sinn, eine Gesellschaft, die der wesentlichen Grundlage entbehrt, worauf sie aufbauen und die erwünschte soziale Entwicklung gründen könnte. Daher freut es den Hl. Stuhl, daß von der Formulierung der Prinzipien der Erklärung dieses Gipfels an die Verpflichtung unterstrichen wurde, eine „politische, wirtschaftliche, ethische und geistige“ Auffassung von sozialer Entwicklung (Declaration, Principes et objectifs, 22) zu fördern. Diese Bestätigung steht erfreulicherweise mit dem im Einklang, was Papst Paul IV. schon 1967 in einer der bedeutsamsten Äußerungen seines Lehramtes, der Enzyklika Populorum progressio, sagte: „Entwicklung ist nicht einfach gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Wachstum. Wahre Entwicklung muß umfassend sein, sie muß jeden Menschen und den ganzen Menschen im Auge haben“ (Nr. 14). Beitrag der Gläubigen 4. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, an das zu erinnern, was hinsichtlich der Achtung vor den religiösen Werten der Personen und der Völker wiederholte Male in den Dokumenten des Gipfels gesagt wird. Die gemeinsamen Werte der großen Religionen sind eng mit den tiefsten Werten der Menschheit verbunden: die geistige und transzendente Dimension des Menschen; die Fähigkeit, sich hinzugeben; die Solidarität unter den Völkern und die Harmonie, die unter den Menschen wie auch zwischen den Menschen und der Schöpfung bestehen soll. Die Achtung vor den religiösen Werten besteht nicht allein in der Toleranz. Sie muß auch zum Ziel haben, daß die Gläubigen ihren Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft mit dem Sinn für das Religiöse, der ihr kostbarstes Gut ist, leisten können. Selbst die jüngere Geschichte bezeugt, daß der Einsatz der Gläubigen für Hilfe und Trost in den verschiedensten Situationen von Armut und sozialer und kultureller Ausgrenzung wirklich beeindruckend ist. Dieser Einsatz erlaubt den Verarmten, zu Gestaltern ihrer eigenen Entwicklung zu werden. 1544 ANHANG Mobilisierung aller 5. Wenn man wirklich großzügig für die soziale Entwicklung unserer Gesellschaften arbeiten will, erfordert das die Mobilisierung aller. Die Entscheidungen, die die Regierungen treffen werden, werden einen wesentlichen Rahmen der sozialen Entwicklung bilden. Wenn die getroffenen Maßnahmen aber nicht von einer starken Teilnahme der zivilen Gesellschaft begleitet sind, werden sie eine geringe Wirkung haben. Diesbezüglich muß man den Gemeinsinn wiederfinden, den Sinn für die gegenseitige Abhängigkeit und Solidarität unter den einzelnen, den Generationen, den Familien und den Völkern. Und die Solidarität ist, wie Papst Johannes Paul II. gesagt hat, „nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Enzyklika Sollicitudo rei socialis [zwanzig Jahre nach der Enzyklika Po-pulorum progressio], Nr. 38). Die Anwesenheit einer so großen Zahl nichtstaatlicher Organisationen auf unserem Gipfel zeigt, daß viele Menschen den Sinn für Solidarität besitzen. Der Hl. Stuhl ist Zeuge all der Großzügigkeit, die zum Ausdruck kommt in der Antwort auf die Solidaritätsaufrufe zugunsten der dramatischen Leidenssituationen, die in der heutigen Welt vorhanden sind. Die Behörden sollen sich durch diese Zeichen ermutigt fühlen und in ihnen die Orientierung für einen festen politischen Willen finden. Sie dürfen sich nicht durch den Druck von Gruppen entmutigen lassen, die die Solidarität ablehnen oder von isolationistischen Tendenzen geleitet sind. Insbesondere der übertriebene Nationalismus ist heute eines der großen Hindernisse für die Entwicklung. Beitrag der Familie 6. Deshalb muß man vor allem die Institutionen schützen, die eine wirksame Solidarität unter den Menschen, unter den Generationen und unter den Völkern fördern. Die erste dieser Institutionen ist ohne jeden Zweifel die Familie, grundlegende Zelle der Gesellschaft. Die auf die Ehe gegründete Familie ist eine Institution, die zum Urerbe der Menschheit gehört. Sie muß verteidigt und gefördert werden. Es ist angebracht, neu Vertrauen in die Familie zu setzen und ein kulturelles Klima zu schaffen, das ihr die notwendige Stabilität bietet, um ihre Sendung der Erziehung der Kinder und deren Eingliederung in die Gesellschaft zu erfüllen. Die Mittelpunktsstellung des Menschen Die Staaten sollten den Familien dringend eine dem sozialen Wert ihrer Anstrengungen angemessene Anerkennung bieten, wo nötig über die wirtschaftliche Unterstützung. Wenn die Gesellschaft so sehr auf den Erziehungsauftrag der Eltern zählt, muß sie deren Aufgabe erleichtern, besonders auf dem Gebiet der Weiter- 1545 ANHANG gäbe der Werte und bei der so schwierigen Pflicht, die Kinder auf den Weg eines ehrenhaften und verantwortlichen Verhaltens in der Gesellschaft zu führen. 7. Ferner muß das Prinzip, wonach „der Mensch im Mittelpunkt einer dauerhaften Entwicklung steht“, auch in den Gesetzen der Wirtschaft seine Anwendung finden. Noch vor der Logik des Austausches und des Marktes gibt es, wie Papst Johannes Paul II. sagt, „etwas, das dem Menschen als Menschen zusteht, das heißt auf Grund seiner einmaligen Würde“ (Enzyklika Centesimus annus, Nr. 34). Es muß vermieden werden, daß man Wirtschaftssysteme auf der Schaffung trügerischer Bedürfnisse oder der arglistigen Ausbeutung der Hilflosigkeit der Schwachen beruhen läßt. Internationale Zusammenarbeit 8. Um die internationale Verbreitung der wirtschaftlichen Entwicklung zu gewährleisten, ist ebenfalls eine internationale Integration nötig nach einer Logik der Zusammenarbeit, aufgrund deren die Nationen akzeptieren, ihre wechselseitigen Kapazitäten in bezug auf die Teilnahme an der weltweiten Entwicklung anzuerkennen. Es ist daher nötig, daß die verschiedenen Völker tatsächlich imstande sind, sich am System des internationalen Austausches zu beteiligen und dort eine aktive Rolle zu spielen. Diesbezüglich hat der Hl. Stuhl das Konzept der „Beteiligung“, das ein Schlüssel zum Verständnis der Dokumente dieses Gipfels werden kann, sehr geschätzt. Herr Präsident, ich möchte daran erinnern, daß der für die wirtschaftliche Entwicklung gewiß wichtige Grundsatz der Freiheit, auf den man sich heute auf internationaler Ebene so sehr beruft, nicht nur auf den Kapital- oder Güterverkehr angewandt werden darf. Dieser Grundsatz ist auch für die menschliche Mobilität gültig, die ein Phänomen unserer Zeit ist. Menschen sind nicht einfach Instrumente der Wirtschaft. Die Wanderarbeiter und ihre Familien genießen Grundrechte, und ihrer Arbeit, die zum wirtschaftlichen Fortschritt des Gastlandes und zum Wohlstand seiner Einwohner beiträgt, muß jederzeit ein gerechter Sozialschutz zugute kommen. Rolle der Frau 9. Die Rolle der Frau hat während des ganzen Gipfels im Vordergrund gestanden. Die Entwicklung wird erst dann verwirklicht, wenn die Frauen, vor allem durch einen vermehrten Zugang zur Ausbildung, als gleichberechtigte Partner der Männer voll am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Allerdings müssen noch mehrere Hindernisse überwunden werden. Das ist der Grund, weshalb der Hl. Stuhl auf diesem Gipfeltreffen und während der ganzen Vorbereitungsarbeiten gewisse Vorschläge vertreten und entschlossen unterstützt hat, die den Schutz der Frauen und der Kinder vor Ausbeutung, vor Menschenhandel und vor grausamen und entwürdigenden Praktiken bezweckten. Der Hl. Stuhl hat ebenfalls für eine soziale und ökonomische Anerkennung der unbezahlten Arbeit der Frauen plädiert. 1546 ANHANG Ohne Frieden keine Entwicklung 10. Anläßlich dieser Konferenz muß das Thema der Geißel des Krieges zur Sprache kommen. In verschiedenen Teilen der Welt beeinträchtigt der Krieg weiterhin die Würde vieler Menschen und fügt - weit davon entfernt, zur Integration der Menschen beizutragen - tiefe und heimtückische Wunden zu, die zahlreiche Generationen brauchen werden, um zu heilen. Durch den Gebrauch der Waffen lassen sich keine Beziehungen des Friedens und der Harmonie unter den Völkern her-stehen. Wie viele Male werden heute die Menschen mit ihren grundlegendsten Bedürfnissen kalt und grausam als Werkzeuge des bewaffneten Kampfes mißbraucht! Man hat geschrieben, daß allein im Lauf des letzten Jahres mehr als fünf Milhonen Menschen auf der Welt infolge der Konflikte gestorben sind. Ohne Frieden wird die Entwicklung der Völker niemals möghch sein. Ebenso wird es ohne Entwicklung niemals Frieden geben. Es sind dies sind zwei untrennbare Elemente der gegenwärtigen internationalen Situation. Schlußfolgerung 11. Herr Präsident: Anzuerkennen, daß der Mensch im Mittelpunkt der Entwicklung steht, ist auch ein Akt des Vertrauens in den Menschen und in die Fähigkeiten, die er besitzt, um mit der Hilfe Gottes die Mächte des Bösen zu überwinden und die notwendigen materiellen und geistigen Ressourcen zu finden, um auf die von diesem Gipfeltreffen lancierte Herausforderung zu antworten. Der Hl. Stuhl hat den Weltgipfel über die soziale Entwicklung, seit er angekündigt wurde, unterstützen wollen. Er reiht sich nun an die Seite aber Staaten und aller Menschen guten Willens, um eine neue Zusammenarbeit im Hinblick auf die integrale Entwicklung der Menschheit in Angriff zu nehmen. Menschenrechte und Menschenwürde im Leben der Frau Intervention von Erzbischof Renato R. Martino, Apostolischer Nuntius und Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen am 16. März in New York, bei der 39. Tagung der Kommission über die Situation der Frau zur Vorbereitung der 4. Weltkonferenz über die Frauen im September in Peking Sehr geehrte Frau Präsidentin, mit großer Freude nimmt die Delegation des Hl. Stuhls diese Gelegenheit wahr, sich an die Kommission für die Situation der Frau zu wenden im Hinbhck auf die Vorbereitungen der Kommission für die 4. Weltkonferenz über die Frauen. In Anbetracht der Wichtigkeit der vor uns hegenden Aufgabe können wir uns glücklich schätzen, unter ihrer Leitung und Weisung arbeiten zu können. Die Delegation des 1547 ANHANG Hl. Stuhls möchte ihre Anerkennung aussprechen gegenüber dem Konferenzsekretariat und all denen, die dieses Treffen so eifrig vorbereitet haben. Der Anlaß der 4. Weltkonferenz über die Frauen sollte international ein Grand zum Feiern, Nachdenken und zur Motivation sein: Feiern als Anerkennung aller Frauen, Würdigung ihres Beitrags in der Welt und des Fortschritts, der schon erzielt wurde; Nachdenken über all jene Gebiete, auf denen die Hoffnungen und Erwartungen der Frauen noch verwirklicht werden müssen, so wie über jene Bereiche, in denen sich ihre Situation leider sogar verschlechtert hat; Motivation, um diese Bereiche mit konkreten und realistischen Lösungen anzugehen, zum Wohle der Frauen selbst, ihrer Familien, unserer Gesellschaften und unserer Welt. Anerkennung und Schätzung der Frau in jedem Lebensbereich Am 1. Januar 1995 hat Papst Johannes Paul H. seine alljährliche Botschaft anläßlich des Weltfriedenstages dem Thema „Die Frau: Erzieherin zum Frieden“ gewidmet und darin die Teilnahme der Frauen an den verschiedenen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens besonders hervorgehoben. „Wenn die Frauen die Möglichkeit haben, ihre Gaben voll an die ganze Gemeinschaft weiterzugeben, erfährt die Art und Weise, wie sich die Gesellschaft versteht und organisiert, eine positive Veränderung und spiegelt so die wesentliche Einheit der Menschheitsfamilie besser wider ... Jener Prozeß der wachsenden Präsenz von Frauen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene ist daher ein heilsamer Prozeß. Die Frauen haben das volle Recht, sich aktiv in sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens einzuschalten, und ihr Recht ist... zu bestätigen und zu schützen“ (O.R.,dt„ Nr. 50, 1994, S. 8). Die Qualität des öffentlichen Lebens hängt generell von den Erfahrungen jedes einzelnen, seiner Erziehung and seinem Wohlergehen im Privatleben, besonders in der Familie, ab. Aus diesem Grand muß die Rolle der Frau innerhalb der Familie anerkannt und hochgeschätzt werden, vor allem die Rolle jener Frauen, die für die Fürsorge und Ausbildung ihrer Kinder zuständig sind. Viele von uns haben den Einfluß ihrer Mütter auf das eigene Leben klar erkannt und wissen, daß es keinen Ersatz für die Zuwendung und Liebe einer Mutter gibt, die sich für das persönliche Wachstum und die Entwicklung ihrer Kinder einsetzt. Leider gibt es auch viele in unserer Gesellschaft, die aus vielerlei Gründen die umfassende Liebe einer Mutter nicht erfahren haben. Nicht nur sie als einzelne, sondern unsere Gesellschaften im ganzen haben darunter gelitten. In gleicher Weise ist die Gesellschaft in dem Maße benachteiligt, als Frauen davon ausgeschlossen werden, ihre Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten zu anderen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens beizutragen, und die Frauen selbst kritisieren mit Recht diesen willkürlichen Ausschluß. Lim aber in verantwortungsvoller Weise beteiligt sein zu können, braucht jeder Mensch, auch die Frauen, ein Minimum an Unterstützung von seiten der Gesellschaft. Dieses Minimum enthält eine Ausbildung, einen sicheren Ort als Heim mit 1548 ANHANG sauberem Wasser und sanitären Anlagen, Zugang zu Gesundheitsdiensten und die Nutzung von Ressourcen für die eigene Entwicklung. Es ist eine schmerzliche Diskrepanz, daß während man auf internationaler Ebene sehr darum bemüht ist, die Teilnahme der Frauen an der Leitung und der Entscheidungsfindung zu erhöhen, den grundlegendsten Bedürfnissen so vieler Frauen immer noch nicht Rechnung getragen wurde. Der Analphabetismus unter Frauen ist weiterhin unannehmbar hoch, die Anzahl der in Armut lebenden Frauen nimmt zu, und viele Frauen müssen auch heute noch befürchten, an Geburten oder medizinisch vorbeugbaren und heilbaren Krankheiten zu sterben, weil sie nicht einmal mit den einfachsten Gesundheitsdiensten versorgt werden. Der Entwurf für das Aktionsprogramm schenkt mit Recht der Lösung dieser Probleme eine große Aufmerksamkeit. Meine Delegation hofft, daß diese Aktionen zugunsten der Benachteiligten und der Armen nicht einfach leere Worte bleiben, sondern daß auch die zu ihrer Umsetzung notwendigen politischen und finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Eine Frau hat das Recht, die nötige Unterstützung und den nötigen Schutz nicht nur von seiten der zuständigen Behörden, sondern auch innerhalb ihres Heims zu erwarten. Eltern haben die Pflicht und Verantwortung, für ihre Töchter so wie für ihre Söhne aufzukommen und zu sorgen. Die internationale Gemeinschaft sollte sich Gedanken machen über die zunehmende Anzahl der Skandale, in die Mädchen von frühester Jugend an verwickelt sind, einschließlich Verwahrlosung, physischen und psychischen Mißbrauchs, Kinderarbeit, Bevorzugung von Söhnen, Prostitution und Pornographie. In dieser Hinsicht ermutigt die Delegation des Hl. Stuhls die Hinzunahme eines Dokumentes über die kritische Bestandsaufnahme der Situation junger Mädchen und würde sie mittragen, so wie es von anderen Delegationen schon vorgeschlagen worden ist. Rolle der Männer innerhalb der Familie Obwohl die entscheidende Rolle der Mütter hinsichtlich der Ausbildung und der Sorge um ihre Kinder allgemein anerkannt wurde, wird die Rolle der Männer in bezug auf ihre Verantwortung als Ehepartner und Väter weiterhin meistens vernachlässigt oder nur auf die Beschaffung der finanziellen Mittel beschränkt. Allein schon die Statistiken enthüllen die Gefahr, die in der Nichtbeachtung der Rolle der Männer innerhalb der Familien liegt. Eine steigende Zahl von Haushalten, die von alleinstehenden Frauen geführt werden, kämpft mit der Armut, und in einigen Gesellschaften ist die Zunahme an Jugendkriminalität, Drogenabhängigkeit und Gewalt mit der Tatsache verbunden, daß eine wachsende Anzahl von Kindern ohne Vater aufwächst. Jugendliche, und zwar Jungen und Mädchen gleichermaßen, sollten auf ihre natürliche Würde aufmerksam gemacht werden und lernen, die Bedeutung der Achtung ihrer eigenen Person und die der anderen richtig zu schätzen. Zu diesem Zweck sollte den Jugendlichen die Bedeutung der Enthaltsamkeit vor der Ehe klargemacht werden, nicht nur um das eigene und fremde physische, 1549 ANHANG psychische und geistige Wohlbefinden zu erhalten, sondern auch als Verantwortung hinsichtlich der Schöpfung neuen Lebens. Wenn ein Mann Vater wird, ist er verpflichtet, gemeinsam mit der Mutter zu lernen, wie den verschiedenen Bedürfnissen des Kindes am besten entsprochen werden kann, und er muß die Verantwortung für die Berücksichtigung dieser Bedürfnisse teilen. Auch die Regierungen sollten sich aufmerksam gegenüber den Problemsituationen zeigen, die für Frauen auftauchen, wenn ihre Ehepartner auf Grund des Mangels an Arbeitsplätzen in ihrer Wohngegend oder infolge von Krieg oder Menschenrechtsverletzungen aus-fallen. Frauen müssen wegen der Auflösung der Familien viel leiden, und die Gesellschaft muß der Familienlebens größere Priorität geben und sich mehr für die Erhaltung der Einheit und Stabilität der Familie einsetzen, zugunsten jedes einzelnen ihrer Mitglieder. Verantwortung der Regierungen gegenüber den Frauen Die Regierungen haben zum Beispiel die Möglichkeit, zur Sicherung der Frauen, einschließlich der Einheit der Familie, beizutragen, indem sie den internationalen Waffenhandel und die Militärausgaben erheblich reduzieren. Die inner- und außerstaatliche Gewalt, die unsere Welt zum Schauplatz hat, sowie die erzwungenen Wanderbewegungen von Flüchtlingen und Vertriebenen beruhen nicht nur auf der Gewalt und dem Haß einzelner. Die starke Zunahme von Tod, Verschandelung und Zerstörung wäre nicht möglich, wenn nicht die verwendeten Waffen, besonders jene, die am schädlichsten sind und unterschiedslos alle treffen, in einigen Gegenden der Welt hergestellt und verkauft und dann in anderen Gegenden auf Kosten des friedlichen Fortschritts und der sozialen Bedürfnisse gekauft würden. Frauen, die Mitglieder ihrer Familien verloren, die Verbannung und große Not erlitten, die Verstümmelungen, Folter und Tod kennengelemt haben, haben ein Recht darauf, ein Einhalten des übertriebenen Waffenhandels zu verlangen - und sie haben ein Recht darauf, gehört zu werden. Die internationale Gemeinschaft wird sich immer mehr der Tatsache bewußt, daß Frauen Gewalt nicht nur in Krieg und kriegsähnlichen Situationen erleben, sondern auch in den eigenen vier Wänden. Die Gesetzessysteme einiger Länder haben Gewaltanwendung in der Familie als Verletzung der Menschenrechte der Frauen anerkannt und sie als solche unter Strafe gestellt. Dies sollte jedoch in allen Ländern eingeführt werden, und es muß weiterhin versucht werden, die wirklichen Gründe für Gewaltanwendung in der Familie zu beseitigen. In vielen Fällen wird es sich dabei nicht nur um Erziehung zur Achtung der Rechte und der Würde der Frauen handeln, sondern auch um Behandlung von Alkoholikern und Drogensüchtigen sowie Beratung und Maßnahmen, um mit dem Streß, der durch Arbeitslosigkeit und Armut verursacht wird, fertigzuwerden. Die Erziehung in ihrem weitesten Sinne bildet eine entscheidende Grundlage dafür, wie Frauen von anderen eingestuft und behandelt werden. Diese Erziehung 1550 ANHANG findet heutzutage zu einem großen Teil durch die Medien statt und enthält auch jene negativen Werte, die international weitergegeben werden, wie z. B. Verherrlichung von Gewalt und sexueller Unverantwortlichkeit, die Angriffe der Pornographie gegen die Würde der Frauen, mit Pornographie zusammenhängende Gewalt und Ausbeutung der Frauen in der Werbung. Die passive Aufnahme dieser Darstellungsart der Frau auf Femsehschirmen, in der Musik und in Zeitschriften führt zu einer mutmaßlichen Annahmebereitschaft im täglichen Leben. Die Medien sollten nicht nur positive Darstellungen von Frauen zeigen und die Beteiligung der Frauen erhöhen, sondern die Verantwortlichen für den Inhalt der Medien sollten wegen des negativen Einflußes, den diese Inhalte auf das Leben der Frauen haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Sehr geehrte Frau Präsidentin, es ist richtig, daß vielen Menschenrechten von Frauen heute eine größere Aufmerksamkeit geschenkt wird, aber auch die Rechte der Frauen hinsichtlich Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sollten eine größere Achtung erfahren. Eine abnehmende Beachtung dieses letzten Rechts kann in vielerlei Hinsicht wahrgenommen werden, z. B. im Widerwillen mancher Leute in säkularisierten Gesellschaften, die Tatsache anzuerkennen, daß die Religion im Leben der Frauen eine positive und wichtige Rolle spielen kann und sie auch tatsächlich spielt. Auch die Gewissensfreiheit der Frauen ist wichtig und sollte von der internationalen Gemeinschaft nicht außer acht gelassen werden. Die Delegation des Hl. Stuhls hofft, daß hinsichtlich der Maßnahmen zur Lösung dieser und anderer Probleme im Laufe der kommenden Wochen eine Einigung erzielt werden kann, und sagt hiermit, Frau Präsidentin, ihre uneingeschränkte Mitarbeit im Hinblick auf dieses Ziel zu. Frau Präsidentin, ich danke Ihnen. Sich nicht mit den Zuständen der Vergangenheit zufriedengeben, sondern den Lauf der Geschichte ändern Erklärung des Leiters der Delegation des Hl. Stuhls, Erzbischof Jean-Louis Tauran, Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten bei der Europäischen Stabilitätskonferenz in Paris am 20. und 21. März Herr Präsident! 1. Vor weniger als einem Jahr ist der Prozeß des Europäischen Stabilitätspaktes in die Wege geleitet worden. Seither haben die direkt betroffenen Länder sich an zwei regionale Verhandlungstische gesetzt, um eine Harmonisierung ihrer Beziehungen zu suchen und die aus der Geschichte resultierenden Schwierigkeiten einer Lösung nahezubringen. Heute ernten wir die Früchte dieser Arbeit. Diese Konferenz bietet den feierlichen, angemessenen Rahmen, um den Willen Europas auszudrücken, sich nicht mit aus der Vergangenheit ererbten Zuständen zufriedenzu- 1551 ANHANG geben, sondern dafür zu arbeiten, daß der Lauf der Geschichte sich ändern und eine europäische Staatengemeinschaft entstehen kann, die die Vielfalt achte und die Solidarität fördere. 2. Die „gute Nachbarschaft“ zwischen den Staaten ist gewiß ein einfaches Konzept, erfordert aber von seiten jedes Volkes und jeder nationalen Gruppe Opfer und den Willen zum Zusammenleben. Die im Stabilitätspakt enthaltenen bilateralen und multilateralen Abkommen behandeln die verschiedensten Aspekte des Lebens. Sie bekunden den Willen derer, die sie abgeschlossen haben, in Achtung vor dem internationalen Recht und den Unterzeichneten Verpflichtungen die Sicherheit, das Vertrauen und die Harmonie zu festigen. Die Balkankrise hat den tragischen Beweis erbracht, daß das Fehlen eines Willens in einer gegebenen Gesellschaft, unter allen ihren Teilen Beziehungen aufzubauen, die auf Achtung vor dem anderen und Solidarität beruhen, die Differenzen verschärft, alte Feindschaften anfacht und zum Krieg führt. Der Stabilitätspakt, der hier geschlossen wird, ist Ausdruck einer Anstrengung zur Überwindung des historischen Determinismus und zum Aufbau einer friedlichen Nationengemeinschaft. 3. Die Probleme, die die Existenz nationaler Minderheitengruppen in der Vergangenheit gestellt hat, müssen heute auf neue Weise gelöst werden: Die nationalen Gesellschaften können sich nicht länger abkapseln; sie müssen fähig sein, untereinander Beziehungen herzustellen, die zur Zusammenarbeit und zur solidarischen Verantwortung führen. Der Hl. Stuhl hofft, daß die Philosophie des Paktes allen direkt in das Drama auf dem Balkan verwickelten Nationen als Beispiel dient. Er möchte alle daran erinnern, daß einem militantem Nationalismus dort der Nährboden genommen wird, wo man sich auf ziviler, politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene für die grundlegenden Menschenrechte einsetzt. Insbesondere die volle Beachtung der Religionsfreiheit und der Minderheitenrechte ist wesentlich. 4. Mit dem Beschluß, in den Pakt eine Vielzahl von Abkommen aufzunehmen, wissen sich die Staaten, die sie unterzeichnen, vor allen feierlich verpflichtet, die Streitigkeiten, die sie künftig entzweien könnten, auf friedlichem Wege zu lösen: und das mit den geeigneten Mitteln, die die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ihnen anbietet. Ja, alle mögen „nein“ zu den Feindschaften der Vergangenheit sagen können, um besser ,ja“ zum Dialog und zur gegenseitigen Ergänzung sagen zu können! Herr Präsident, der Hl. Stuhl möchte durch mich die Absichten friedlichen Aufbaus begrüßen, die die Behörden der am Pakt beteiligten Länder bekundet haben. Mögen sie auf immer vermeiden können, daß Machtverhältnisse die Beziehungen unter den Nationen bestimmen! Vor ein paar Jahrhunderten hatte einer der berühmtesten Denker unseres Gastlandes, Montesquieu, keine Bedenken zu schreiben: „Mit Europa verhält es sich so, daß alle Staaten voneinander abhängen ... Europa ist ein Staat, bestehend aus mehreren Provinzen“ (Mes pensees, conquetes et traites)! 1552 ANHANG Auf der Pilgerschaft zur Einheit Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. am 29. Juni „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3)- 1. Wir sagen Gott Dank auch für diese unsere brüderliche Begegnung, verwirklicht in seinem Namen und mit der demütigen und überzeugten Absicht, seinem Willen zu gehorchen, damit seine Jünger eins seien (vgl. Joh 17,21). Diese unsere Begegnung ist zustandegekommen in der Wegrichtung der anderen großen Ereignisse, die unsere Kirchen ihren Willen bekunden ließen, die alten Exkommunikationen in die Vergessenheit zu verweisen und sich auf den Weg zu machen zur Wiederherstellung der vollen Einheit. Unsere verehrten Vorgänger Athenagoras I. und Paul VI. sind als Pilger nach Jerusalem aufgebrochen, um sich im Namen des Herrn ebendort zu begegnen, wo der Herr mit seinem Tod und seiner Auferstehung den Menschen die Vergebung und das Heil gebracht hat. In der Folge haben ihre Treffen im Phanar und in Rom diese neue Tradition der brüderlichen Besuche eröffnet, um den wahren Dialog der Liebe und der Wahrheit zu fördern. Diese wechselseitigen Besuche wurden während der Amtszeit des Patriarchen Dimitrios weitergeführt, als unter anderem auch der theologische Dialog für eröffnet erklärt wurde. Die wiedergefundene Brüderlichkeit im Namen des einen Herrn hat uns zu einer unbefangenen Diskussion gebracht, zum Dialog, der das Verständnis und die Einheit sucht. 2. Dieser Dialog hat sich durch die gemischte internationale Kommission als ergiebig erwiesen und konnte grundsätzliche Fortschritte machen. Es ergab sich daraus eine gemeinsame sakramentale Konzeption der Kirche, durch die Zeit hindurch getragen und überliefert aufgrund der Apostolischen Sukzession. In unseren Kirchen ist die Apostolische Sukzession grundlegend für die Heiligung und die Einheit des Volkes Gottes. In Anbetracht dessen, daß in jeder Ortskirche sich das Geheimnis der göttlichen Liebe realisiert, und daß auf diese Weise die Kirche Christi ihre wirksame Gegenwart in jeder von ihnen ausdrückt, konnte die gemischte Kommission erklären, daß unsere Kirchen sich als Schwesterkirchen wiedererkennen, gemeinsam verantwortlich für die Bewahrung der einen Kirche Gottes in der Treue zum göttlichen Plan, in ganz besonderer Weise hinsichtlich der Einheit. Von ganzem Herzen sagen wir dem Herrn der Kirche Dank, weil er durch diese gemeinsam abgegebenen Bestätigungen nicht nur den Fortschritt zur Lösung der bestehenden Schwierigkeiten beschleunigt, sondern Katholiken und Orthodoxe von nun an auch fähig macht, ein gemeinsames Glaubenszeugnis abzugeben. 1553 ANHANG 3. Das ist ein besonders passender Zeitpunkt am Vorabend des dritten Jahrtausends, an dem zweitausend Jahre nach der Geburt Christi alle Christen sich anschicken, eine Gewissensprüfung darüber zu halten, wie Seine Heilsankündigung in der Geschichte und unter den Menschen verlaufen ist. Wir wollen dieses Große Jubiläum feiern, während wir auf der Pilgerschaft zur vollen Einheit sind und zu jenem gesegneten Tage, von dem wir erbitten, daß er nicht fern sei: der Tag, an dem wir in der einen Eucharistie des Herrn am selben Brot und am selben Kelch teilnehmen können. Wir laden unsere Gläubigen ein, diese Pilgerschaft zum Jubiläum im Geiste gemeinsam zu machen. Die Reflexion, das Gebet, der Dialog, die gegenseitige Vergebung und die gegenseitige brüderliche Liebe werden uns dem Herrn noch näher bringen und uns helfen, seinen Willen für die Kirche und die Menschheit besser zu verstehen. 4. Unter diesem Gesichtspunkt ermutigen wir unsere Gläubigen, Katholiken und Orthodoxe, den Geist der Brüderlichkeit zu stärken, der aus der einen Taufe und der Teilnahme am sakramentalen Leben hervorgeht. Im Lauf der Geschichte und der jüngsten Vergangenheit hat es gegenseitige Beleidigungen und Übergriffe gegeben. Da wir uns nun bereit machen, in dieser Lage vom Herrn seine große Barmherzigkeit zu erbitten, laden wir alle ein, sich gegenseitig zu vergeben und den festen Willen zu bekunden, eine neue Beziehung der Brüderlichkeit und der praktischen Zusammenarbeit herzustellen. Ein solcher Geist sollte Katholiken und Orthodoxe, vor allem dort, wo sie Seite an Seite Zusammenleben, zu einer noch intensiveren Zusammenarbeit im kulturellen, geistlichen, pastoralen, erzieherischen und sozialen Bereich ermutigen, und dabei soll jede Versuchung zu ungebührlichem Eifer für die eigene Gemeinschaft, der zu Lasten der anderen ginge, vermieden werden. Immer möge das Wohl der Kirche Christi den Ausschlag geben! Die gegenseitige Unterstützung und der Austausch der Gaben kann die Pasto-ralarbeit selbst nur wirksamer und das Zeugnis für das Evangelium, das man verkündigen will, nur transparenter machen. 5. Wir sind der Ansicht, daß eine aktivere und abgestimmte Zusammenarbeit auch den Einfluß der Kirchen für den Frieden und die Gerechtigkeit in den Zonen politisch oder ethnisch begründeter Konflikte fördern kann. Der christliche Glaube hat ungeahnte Lösungsmöglichkeiten für die Spannungen und Feindseligkeiten der Menschheit. 6. Der Papst von Rom und der Ökumenische Patriarch haben bei ihrer Begegnung um die Einheit aller Christen gebetet. Sie haben in ihr Gebet alle eingeschlossen, die als Getaufte in Christus eingegliedert sind, und sie haben für die verschiedenen Gemeinschaften um eine immer tiefergehende Treue zu seinem Evangelium gebetet. 7. Sie tragen die Sorge um die ganze Menschheit in ihren Herzen, unabhängig von jeder Diskriminierung aufgrund von Rasse, Farbe, Sprache, Ideologie und Reli- 1554 ANHANG gion. Damm regen sie den Dialog an, nicht nur zwischen den christlichen Kirchen sondern auch mit den verschiedenen Religionen, vor allem den monotheistischen. Das alles bildet ohne Zweifel einen Beitrag und eine Voraussetzung für die Festigung des Friedens in der Welt, um den unsere Kirchen unablässig beten. In diesem Geist erklären wir ohne Zögern, daß wir für die Einheit unter den Völkern und für ihre Zusammenarbeit einstehen, besonders in dem, was uns unmittelbarer betrifft, und wir beten um die unverzügliche volle Verwirklichung der europäischen Union und wünschen dabei, ihre Grenzen mögen noch weiter nach Osten ausgedehnt werden. Zu gleicher Zeit richten wir einen Appell an alle, sich mit größter Aufmerksamkeit für das brennende ökologische Problem einzusetzen, um die große Gefahr zu bannen, die heute aufgrund des Mißbrauchs der Ressourcen, die ein Geschenk Gottes sind, die Welt durchzieht. Möge der Herr die Wunden heilen, die heute die Menschheit plagen, und unsere Gebete und die unserer Gläubigen um den Frieden in den Kirchen und in der ganzen Welt erhören. Anregungen zur Humanisierung der Arbeitswelt Intervention des Apostolischen Nuntius, Erzbischof Paul F. Tabet, Leiter der Delegation des Hl. Stuhles, bei der 82. Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf am 13. Juni Herr Präsident! 1. Der Heilige Stuhl ist erfreut darüber, daß der Generaldirektor in seinem Jahresbericht das Problem der Beschäftigung in den Mittelpunkt der Hauptsorgen der Internationalen Arbeitsorganisation gestellt hat. Offensichtlich nimmt die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern zu, so wie sie die Welt insgesamt heimsucht und Armut und Ausschluß mit sich bringt. Das ist eine an die Verantwortlichen unserer Gesellschaften gerichtete Herausforderung. Weit davon entfernt, sich wie ein Verhängnis darzustellen, ist diese Herausforderung in Wirklichkeit eine Aufforderung, konkrete Lösungen zu suchen und zu finden, die nicht nur ein kurzfristiger Notbehelf, sondern Vermittler eines zielstrebigengagierten Vorhabens sind. Dieses Bestreben besteht darin, Gesellschaften aufzubauen, in denen Wirtschaftsfragen ausdrücklich bedacht, ausgerichtet und durchgeführt werden im Hinblick auf die Menschen, für welche die Staaten, die Unternehmer und die Verantwortlichen von Arbeiterorganisationen gemeinsam die Verantwortung tragen. Vor drei Jahren hat Papst Johannes Paul H. in seiner Sozialenzyklika Centesimus annus (Nr. 48) nachdrücklich daran erinnert, daß es der bürgerlichen Gesellschaft zukommt, Reformen einzuleiten, damit jeder Mann, jede Frau und vor allem jeder Jugendliche ihre Rechte ausüben können, sich durch die Arbeit zu verwirklichen, das heißt anders gesagt: angemessen, redlich und menschlich leben zu können. Der Generaldirektor hebt in der Einleitung zu seinem 1555 ANHANG Bericht hervor, daß „die Beschäftigung die absolute Priorität der internationalen Gemeinschaft werden müßte“. Andererseits verdeutlicht er, daß „die neue wirtschaftliche Gegebenheit — vor allem die Liberalisierung des Handels und des Investitionsflusses und die Produktion auf Weltebene — ein Sprungbrett für die Zunahme der Beschäftigungsmöglichkeiten und zur Arbeitsbeschaffung ist“ (Einleitung, VI). Es versteht sich, daß wir unsere Unterstützung zu diesem Plan geben müssen. Damit dieses Ziel aber keine bloße Utopie, kein unerfüllbarer Wunsch bleibt, wäre es von Nutzen, zu erklären, was nun wirklich auf welche Weise erstrebt wird. Es gibt in der Tat Beschäftigungen, auch solche mit Entlohnung, die weder zur Höherbewertung der Menschen beitragen noch das Entstehen gesellschaftlicher Bindungen begünstigen. Dagegen müßte es möglich sein, vielfältige menschliche Tätigkeiten einzurichten, die für die Gesellschaft nützlich und für die einzelnen Menschen bereichernd wären. Mit anderen Worten, welches auch immer die Maßnahmen technischer Art sein mögen, die in Aussicht genommen und angewandt werden, um den Arbeitsablauf besser zu organisieren -, eine politische und soziale Intuition, die fähig ist, alle in der Gesellschaft handelnden Personen zum Einsatz zu bringen, erweist sich als unverzichtbar und dringend notwendig. 2. Von ihrem Auftrag her hat die IAO die schwierige und anspruchsvolle Mission, eine Sozialordnung zu entwickeln und umsetzbar zu gestalten, die auf Gerechtigkeit, Solidarität und Teilnahme gegründet ist. Der Kampf für die soziale Gerechtigkeit besteht ja in der Tat nicht nur darin, Wachstum in der Weltwirtschaft zu begünstigen. Der Kampf, den die IAO zu führen berufen ist, ist umfassender und anfordemder. Er beinhaltet die Integration einer höheren Zielsetzung, die sich in folgender Frage zusammenfassen läßt: Steht der freie Markt, der sich heute in der Welt entwickelt, wirklich im Dienst des Menschen, aller Menschen, und zwar im Hinblick auf „ihren materiellen Fortschritt und ihre geistige Entwicklung in Freiheit und Würde“, wie es mit Recht in der Deklaration von Philadelphia niedergelegt ist? Dank ihrer besonderen Eigentümlichkeit, nämlich: daß sie den sozialen Dialog durch das Dreigruppensystem in Gang zu bringen weiß, befindet sich die IAO in der bevorzugten Lage, unter den Sozialpartnern der ganzen Welt eine erforderliche ethische Reflexion zur Förderung der Beschäftigung in die Wege zu leiten. Die Fragen, die die Delegation des Hl. Stuhles Ihrer Vollversammlung zu stellen sich gestattet, sind in der Tat von der Lebensweisheit und der auf praktischer Erfahrung begründeten Erkenntnis Ihrer Organisation veranlaßt. Ist dies also für die Mitgliedsstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation nicht der Augenblick, sich zu fragen, ob ihre Regierungen genügend Mittel und Maßnahmen ergreifen, um die Verantwortlichen in der Welt der Arbeit zu sensibilisieren und dazu anzuregen, einen für die Entwicklung der Bürger günstigen Rahmen auszuarbeiten und zu bestimmen? Ist kein Grand vorhanden, mit den nationalen und internationalen Unternehmern eine praktische Überlegung über gewisse nachteilige Folgen der Wettbewerbsfähigkeit anzustellen, die im heutigen Wirtschaftsleben die Oberhand hat? Es kommt der IAO auch zu, die Aufmerksamkeit der Arbeits- 1556 ANHANG Organisationen darauf zu lenken, daß sie die Alltagswirklichkeit von Millionen von Männern und Frauen in Betracht ziehen, die in der Welt der Arbeit beständig ohne Stimme sind, und daß sie auch nicht die legitimen Bestrebungen der Ausgeschlossenen des „informellen Sektors“ unberücksichtigt lassen. Der soziale Dialog, den die Arbeiter der ganzen Welt erwarten - daran wollen wir entschieden erinnern -, beschränkt sich nicht auf die Verteidigung von begrenzten Lohneinstufungsinteressen. Er betrifft alle die Männer und Frauen, die keinen anderen Wunsch haben, als aktive Partner im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben zu werden. Der Auftrag der IAO scheint unseres Erachtens genau der zu sein, diesen Schritt zu ermöglichen. 3. Um das Erarbeiten einer neuen Sozialpolitik in der Arbeitswelt zu fördern, halten wir es für nützlich, auf folgenden Zielsetzungen zu bestehen: - In der augenblicklichen Wirtschaftslage ist es in erster Linie wichtig, die Beschäftigungsfragen zu überprüfen und sie in enge Beziehung zu den tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu setzen. Von Beschäftigung sprechen, heißt ja in der Tat vom Menschen sprechen mit all dem, was zu ihm gehört, vor allem die soziale Integration jedes Menschen. Es gibt wirklich auch heute noch Tätigkeiten, die den Menschen nicht in all seinen Dimensionen respektieren. - Außerdem scheint es uns bei aller Förderung technischen Fortschritts und der verbesserten Rationalisierung des Umsatzes unbedingt notwendig zu sein, daran zu erinnern, daß nicht nur die Logik der Wirtschaft und der Konkurrenz den Vorrang haben sollte, wäre es auch im Sinne der Beschäftigungsförderung. Der Tradition Ihrer Organisation gemäß wollen wir wiederholen: „Die Arbeit ist keine Ware“, die Arbeit behält den Vorrang gegenüber dem Kapital, die Spekulation ohne sozialen Nutzen ist eine ernste Bedrohung für die Arbeitswelt. Der Zweck des sozialen Dialogs muß unbedingt die auf den Menschen hin orientierte Zielsetzung einer Produktion der Güter dieser Welt zum Nutzen einer größtmöglichen Anzahl von Menschen bleiben. - Damit sich schließlich dieses realistische Vorgehen auf intertnationaler Ebene vollziehen könne, hat die IAO die Aufgabe, die zweckdienlichen Rechtswege vorzuschlagen, um ein Gleichgewicht zwischen dem internationalen Handelsrecht und den sozialen Erfordernissen der Länder und der Regionen, vor allem der ärmsten, herzustellen. Dank der anerkannten Erfahrung der IAO sind schon eine Anzahl sozialer Schwierigkeiten in der Arbeitswelt überwunden worden. In der Situation der gegenseitigen Abhängigkeit, die nunmehr die Weltwirtschaft kennzeichnet, bereitet sich ein anderes Sozialverständnis vor, jenes, das die Vorteile von gewissen Gruppen einschränkt, damit alle in Würde und Menschlichkeit davon Gewinn haben können. Möge Ihre Organisation aktiv dazu beitragen können. Ich danke Ihnen. 1557 ANHANG Gemeinsamer Einsatz für gemeinsame Werte Botschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Francis Kardinal Arinze, an die Hindus aus Anlaß des Diwali-Festes am 23. Oktober, vom 13. September Liebe Hindu-Freunde, möge euch allen Frieden und Segen beschieden sein! 1. Es ist mir eine große Freude, euch im Namen des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog im Vatikan anläßlich eures Deepavali-Festes (Diwali), mit dem ihr den Triumph des Lichtes über die Dunkelheit und des Guten über das Böse feiert, diese Glückwünsche übermitteln zu können. Ich denke insbesondere an das Hindu-Dharma, wodurch „die Menschen das göttliche Geheimnis erforschen und es in einem unerschöpflichen Reichtum von Mythen und in tiefdringenden philosophischen Versuchen zum Ausdruck bringen“ (vgl. Nostra aetate, Nr. 2). Heute möchte ich an eurer Freude teilhaben und über einige Lehren des Hinduismus nachdenken, die wir auch im christlichen Evangelium wiederfinden. Ich denke da vor allem an jene, die sich mit ahimsa (Gewaltlosigkeit), lokasam-graha (allumfassende Brüderlichkeit) und vasudhaiva kutum-bakam (die menschliche Familie) befassen. Das Hindu-Dharma hat stets das Miteinander-Verbunden-Sein aller Menschen vertreten und gelehrt, daß das ganze Universum mit all seinen pranimatre (Lebewesen) eine einzige Familie ist, in der jedoch der Mensch als Persönlichkeit aus christlicher Sicht einen besonderen Platz einnimmt. 2. Unkenntnis derartiger Lehren unserer jeweiligen Religionen und die Nichtbeachtung ihrer Gebote in unserer Welt haben zu gewissen negativen Folgen geführt: die fortschreitende Zerstörung der Ozonschicht, Luft- und Wasserverschmutzung, die Verseuchung unserer Erde, übermäßige Entwaldung und das mögliche Aussterben von Pflanzen- und Tiergattungen. Unsere Welt läuft Gefahr, der Erschöpfung einiger ihrer natürlichen Ressourcen entgegenzugehen. Auch die durch Industrie- und Atommüll entstehenden Gefahren sollten hier erwähnt werden. Verschiedentlich wird schon von ökologischem Notstand und Umweltrisiko gesprochen. Eine derartige ökologische Krise ist auch ein moralisches Problem. 3. Angesichts einer solchen Situation kann man nicht untätig bleiben. Gläubige aller Religionen und alle Menschen guten Willens müssen sich mit diesen Problemen befassen. Hedonismus und ein übersteigerter Konsumdrang haben negative Auswirkungen auf unsere Lebensweise. Weit davon entfernt, diesen Dingen mit Gleichgültigkeit gegenüberzustehen, hat das Hindu-Dharma in Jahrtausenden immer wieder das Praktizieren von Enthaltsamkeit, Mäßigung, Disziplin und Opfersinn betont. Auch das Christentum schärft diese Tugenden ein. 4. Der Schutz der Umwelt und unserer natürlichen Ressourcen betrifft die gesamte menschliche Gemeinschaft: den einzelnen Menschen, Vereinigungen, Staaten, in- 1558 ANHANG temationale Organisationen, sowohl Regierungs- als auch Nichtregierungs-Orga-nisationen. Könnten wir nicht für das Wohl der kommenden Generationen Zusammenarbeiten, um das zu achten, was das Hindu-Dharma panchamahabhuta (die grundlegenden Elemente des Lebens) nennt: Erde, Luft, Wasser usw.? Wäre es nicht angebracht oder sogar notwendig, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und vor allem der politischen Verantwortlichen zu wecken? Erziehung zu ökologischer Verantwortung und die Achtung des Lebens in der Familie, der Schule und durch die Medien wäre eine wertvolle Hilfe für die Jugendlichen aller Religionen, indem sie ihnen geistige Anregung und Motivation für ihr Handeln wie gleichzeitig für die Entwicklung ihres Umweltbewußtseins bietet. Eine neue Solidarität würde auch das friedliche Zusammenleben der Nationen fördern, denn viele ethische mit der Achtung der Umwelt verbundene Werte sind für die Entwicklung einer Gesellschaft in Frieden und Eintracht von großer Bedeutung. 5. Liebe Hindu-Freunde, dies sind die Gedanken, von denen ich einige bei ähnlichen Anlässen mit Muslimen und Buddhisten ausgetauscht habe und die ich nun auch mit euch teilen möchte. Von ganzem Herzen wünsche ich euch Freude und Wohlergehen für euer Diwali-Fest. Möge Gott euch allen seinen Segen spenden. Rom, den 13. September 1995 Francis Kardinal Arinze, Präsident 1559 REGISTER Wortregister Abendmahl(s) - Einsetzung der Eucharistie 1006 - Letztes 125,154,228 f„ 363,778, 784, 788, 1006 - sonntägliche A.feier 923 f. - Worte/Gebet J. Chr. beim Letzten 125, 228 f., 357-360, 363, 484, 610, 976 Abendmahlssaal 22, 103 - Apostel im 21 f., 389 f., 442 - Marias Anwesenheit im 158 f., 256, 426, 986 - Worte J. Chr. im 21 f„ 183, 351 f., 357-360,363, 389,789 Absolution 651 f. Abtreibung(s) 57, 543, 657, 666, 670,710-717,722,734 f„ 738, 967, 1026, 1261,1468 - A.gesetz 674, 711 f„ 726, 728 f„ 1145-1148 - Brief an die deutschen Bischöfe über 1145-1148 - eugenische/selektive 667 f., 716 f. - Frauen und 753,1145-1148 - Recht auf 722 f. Achtung - der menschl. Person 254, 307, 693,1000 f. - der Rechte u. Bedürfnisse aller 922 f. - des menschl. Lebens 28,487, 543, 691 f„ 706, 727, 731 f. - des Rechts auf Leben 963-968 - gegenseitige 433,467, 625 - Selbsta. 558 - vor anderen Kulturen 519, 817 f. - vor den Menschenrechten 592, 1200 - vor der Wahrheit des göttl. Plans 175 Adoption 746,1496 Adoptivkinder - Gottes 245,261,574,587,779 Advent(s) 204,218 - A.aktionen 1163-1165 - der neue 303 Aggiomamento - und ökumenische Öffnung 906 f. AIDS 1131,1529 f. Akademie - Päpstl. A. der Wissenschaften 869-872 - Päpstl. A. für das Leben 751 f., 1258-1262 Allerheiligen 183 f., 1223-1225 Allerseelen 183 f. Alphabetisierung 622-624 Alte(n) 57,698,741 Amt(s)/Ämter - A.priestertum 783 f., 1030 - des Bischofs v. Rom 953 - Lehre über das geweihte 346 Andacht(en) - Mariena. 192 - Rosenkranza. 387 f. Anthropologie - christliche 302, 612, 1278 - ganzheitliche 182 Apostel(n) 397 f., 401, 430, 598 - als Zeugen/Augenzeugen 22, 338 f„ 434,1038 f. - amPfingsttag 361, 389 f. - Autorität der A. von Christus übermittelt 118,153,1034 - Berufung der 1034 1561 REGISTER - empfangen Macht, Sünden zu vergeben 389 - Glaube des A.kollegiums 1032-1035 - im Abendmahlssaal 21 f., 389 f., 442 - Jesus und die 11, 21 f., 77, 417 f. - Maria in der Gemeinschaft der 428 f. - Paulus 16,1032-1035 - Petrus 417, 1032-1035 - Sendung der A. (durch J. Chr.) 11, 21 f., 73,418 - und Heiliger Geist 360 f. - und ihre Nachfolger 363,417, 584 - vonSriLanka 311,317-322 Apostelgeschichte 126,475 - Maria in der 158 f. - Pfingstereignis in der 390 Apostolat(s) 232,581,1148-1150 - Bibela. 647 - das einem Ordensinstitut eigene 5, 7,12 f. - Gesellschaft des Katholischen 797-801 - Laiena. 277, 1361-1366 Apostolische Pönitentiarie 651-655 Apostolisches Schreiben - Christifideles laici 302, 314,421 - Ecclesia in Africa 164,468,480, 486,493, 499 f„ 1065 -1145 - Euntes in mundum 929 - Evangelii nuntiandi 267,421,955 - Mulieris dignitatem 50,110,115, 124, 129, 206, 302, 448, 777, 984, 1023 - Ordinatio sacerdotalis 1458-1462 - Orientale Lumen 811-840 - Orientalium Dignitas 811 - Pastores dabo vobis 313, 784 f., 1369-1373 - Salvifici doloris 616 - Tertio millennio adveniente 15, 94, 172 f., 272, 368, 373 f„ 432 f., 634, 636, 655 - zur 400-Jahrfeier der Union von Brest 1236-1246 Arbeit(s) 46 f., 146, 327, 770, 1348 - Ethik der 773-775 - Evangelium von der 333,497 - und Mensch 47,328,333,411, 773 - Würde der A./der berufl. Tätigkeit 327, 657, 773-775 Arbeiter 326-330 - Hl. Familie als Vorbild der 325 f. Arbeitslosigkeit 47, 327, 381 Arbeitswelt 325-330, 334, 343,423, 657 - Humanisierung der 1555-1557 Arme(n) 641, 659, 685 f., 873, 890-892, 1015 f. - Dienst an den 398 - Evangelisierung der 891,1294 f. - Hospiz für die 879 - Liebe zu den 301,800 - Reiche und 47,49, 504 - Solidarität der A. untereinander 558 Armut 30,43 f„ 46 f., 54, 413 f., 530, 622, 874,1130,1163,1199-1203,1232,1381,1468 f. - Bekämpfung der 173,1207-1210, 1539-1547 - der Frauen 1549 - evangelische 29 f., 34 f. - Familie und 1542 - in Afrika 1089, 1092 - in Argentinien 1337 f. - Jesus lebt die 686 - Ursachen der 1540 f. - Welttag der Bekämpfung der 173 1562 REGISTER Arzt/Ärzte 618, 680,742, 1272 f. Aschermittwoch 44 - Predigt am 632 f. Askese 34 Atheismus 442 Atomwaffe(n) - A.-Sperrvertrag 981 - A.bombe 859,1041 - über Hiroshima u. Nagasaki 139, 1040 Aufbau - der slowakischen Nation 410 - des Friedens 33, 617, 1040 - des Reiches Gottes 11,310,377, 469,1125-1136 - einer neuen Kultur des Lebens 1000-1003 - Europas 382,451-454 Auferstehung 389,702, 796, 1047 - Eucharistie verkündet 338-342 - Herrlichkeit der 758 f. - Hoffnung auf 721 f. - Jesu Christi 71,75,228,244,288, 301, 374, 529, 533, 537, 994, 1046 - Zeugen der 796, 882, 998 - Zeugnis von dar 959,1136 Aufgabe(n) - der Christen 1001 f. - der Erzieher 847 f. - der Evangelisierung/Neuevang. 1377 f„ 1396 f. - der Kirche 77 f„ 420,469-471, 870,1014 - der Ordensleute 11 f., 49, 51 - des Bischofs 1397 f. - neue seelsorgliche 422 - Petri 833 f„ 951 Auftrag - der Kirche 77,85,267,288,499, 1447-1451 - des Bischofs v. Rom 952 - Jesu an die Apostel/Kirche 77, 85 Augustiner-Rekollektinnen v. Herzen Jesu 851, 868 Augustinerorden 1153-1155 Ausbeutung - Afrikas 481 - von Frauen 570, 967 - von Kindern 967 Ausbildung(s) 1109 - A.programme 330 - der Kandidaten des Ordenslebens 54,1154 - der Laien 422,1349,1365,1468 - der Priester/des Klerus 204, 238 f., 313,422 f„ 1366-1373, 1453 f. - der Professen (Ordensleute) 581, 1384 - der Religionslehrer 1414 f. - der Träger der Evangelisierung 1093 f. - von Mädchen u. Frauen 1052 f. Auschwitz 20, 42, 856 Ausländer - A.seelsorge 424 f. Auswanderern) - Integration von 37 Autonomie 672, 723 - absolute 673 Autorität - der Apostel von Christus übermittelt 118, 153, 1034 - der Kirche 614 - des Lehramtes 1262-1265 Barmherzigkeit/Erbarmen 207, 891 - Gottes 44 f., 75, 154, 331, 550, 652, 663 f„ 1009 f. 1563 REGISTER Baum - als Symbol 452 Bedrohung(en) - des menschlichen Lebens 62 f., 617, 657-659, 664 f„ 670, 686, 712, 722, 757 f. - für den Frieden 861 Befreiung(s) 492, 887 - B.prozeß der Frau 1026 - die durch J. Chr. kommt 498 f. Begegnung - Papst Pauls VI. u. Patriarch Athenagoras I. 927 f. Behinderte 599 Beichte 397 f., 1470 Beichtvater/-väter 651-655 Bekehrung 152, 917,1330 - des Herzens 136, 905, 909, 913 - Dialog der 917, 946 f. - Erneuerung und 905 - Ökumenismus und 905 Beratung - von Frauen in Konfliktsituationen 1145-1148 Berg - der heilige 255 Beruf(e) 774 - des Arztes 742 f. - Sorge um geistliche 340 Berufsausbildung 467 Berufung(s/en) 7, 11, 232, 253, 387, 529, 773 f., 820, 826, 847 f., 1489-1495 - allgemeine B. zur Heiligkeit 23, 88,102, 208,312, 364 f„ 391, 991 f„ 1181, 1360 f„ 1443 - christliche 28, 299, 364 f„ 599 - der Apostel 1034 - der Eltern 496 - der Familie 501,711,810 - der Frau 43, 143, 448 f„ 1023 - der Jugendlichen 1516 f. - der Kirche 732, 761,1015, 1140 f. - der Laien 209 f., 642, 1443 - der Missionare 809 - der Ordensleute 12, 33 f., 822, 884 - des Menschen 86,112,574,594, 611,656, 827, 875,989, 1348 - des Priesters 1465 f. - Familie und 1489-1495 - Förderung von B. zum Dienst 741, 869 - Gebet um 204 f. - Gnade der 53, 59 - „Salz der Erde“ u. „Licht der Welt“ zu sein 240 - zum gottgeweihten Leben 301, 1092 - zum kontemplativen Leben 460 f. - zum Ordensleben/O.stand 779 f., 1382, 1436 f. - zum priesterlichen Dienst/Priestertum 33 f., 199 f., 584, 779 f., 1092,1214,1334-1336, 1367 f„ 1436 f. - zur Ehe 779 f., 1489-1493 - zur Ehelosigkeit 781 - zur Jungfräulichkeit u. Zölibat 1493-1495 - zur Liebe 242, 749, 1480 - zur Mutterschaft 448 Berufungspastoral 238 f., 845-849, 1013-1016,1334-1336, 1367 f., 1467 f. Besitz - Gier u. Sucht nach 638 f. - von Grund u. Boden 1349 f. Beten - siehe auch: Gebet - und Fasten 754 1564 REGISTER Bettelorden 38 Bevölkerung(s) - afrikanische 491 f. - B.entwicklung 91, 623 - B.Wachstum 669,744 - römische 626 - Weltb. 82 Bewegung(en) 1123 - (zur soz. Sensibilisierung) für das Leben 680,1171-1174 - Fokular-B. 628 f. - Laienb. 422 - ökumenische 17 f., 130-137, 900 f„ 906, 937, 943 f. - Pax-Cristi-B. 979-982 - pseudoreligiöse 1333 - religiöse 1363,1414 f. Beziehung(en) - diplomatische B. mit dem Hl. Stuhl 477, 588 - katholisch-lutherische 646 f. - kirchliche 940-943 - Urb. zwischen Mutter u. Kind 448, 570, 870 - wechselseitige B. der Nationen 591 f. - zu den alten Kirchen des Orients 935 f. - zwischen Franziskanerorden u. Muslimen 1050 f. - zwischen kath. u. orthodoxer Kirche 1032 f. - zwischen Mensch u. Gott 826-828 - zwischen Norden u. Süden 521 - zwischen staatl. Gesetz u. Sittengesetz 722-730 - zwischen Wahrheit u. Freiheit 1406-1408 - zwischenmenschliche 678 Bibel 185, 647 f. - B.apostolat 647 - ökumenische B.Übersetzungen 923 Bibelgesellschaft(en) - Weltbund der 647 f. Bildung(s) - B.projekte 491 f. - christliche 774,799 - Freiheit u. Wahrheit in 1249-1253 - Kongregation für das Kath. B.wesen 1249-1253 - religiöse B. der Eltern 1528 - Zugang zur 623 Biologe 695 Bischof(s)/Bischöfe 9, 838, 953, 1014,1122, 1377,1382,1420-1426 - als Erstverantwortliche für die Evangelisierung 398 - Aufgabe des 1397 f. - aus Missionsländem 1181 f. - authentische Lehrer des kath. Glaubens 312 - Dienst des 1359 f. - Gemeinschaft der 962 - in Indien 1436 f. - Österreichs 1060-1062 - Verantwortung der B. für die Gemeinschaft 194 f. - Verkünder des Evangeliums vom Leben 735 - von Rom 898 f., 949-956 Bischofsamt 584 Bischofskollegium(s) - brüderl. u. hierarchische Dimension des 194, 628,1073 f. Bischofskonferenz(en) - Afrikas u. Madagaskars 1067 - Belgische 397-400 - Brasilianische B. (CNBB) 1422 f. - der Philippinen 235-239 - Föderation Asiatischer B.en 266-273 - Italienische 958-963 - Papua-Neuguineas 284-288 1565 REGISTER - Slowakische 420-425 - von Kenia 493 - von Ostafrika (AMECEA) 493 - von Sri-Lanka 311-315 Bischofssynode 603, 1073 - siehe auch: Synode - Das geweihte Leben u. seine Sendung in Barche u. Welt (9. ordentliche B. 1994) 299,301, 882 f„ 1379 f. - Sonderversammlung der B. für Afrika 164, 466,468,473, 476, 478, 480,485 f„ 489-491,498-503, 617, 889,1065-1145 - Sonderversammlung der B. für den Libanon 200,1281-1283,1307-1309 Bischofsweihe 584, 786,1382 - Gnade der 1360 Bistum/-tümer - 400-Jahrfeier des Erzb. Manila 225 f., 235, 251-255 - Errichtung des B. Görlitz 993 - Presov 122 Blut - Christi 678 f. Botschaft(en) - siehe auch: Froh- u. Heilsb. - an das Generalkapitel des Zisterzienserordens 1063 f. - an den Päpstl. Rat Cor Unum 1163-1165 - an die Catholic Relief Services 556-558 - an die chinesischen Katholiken 240 f. - an die Jugendlichen 228 f., 387, 452-454 - an die Katholiken Frankreichs 1309-1311 - an die Klausurschwestem Italiens u. der Welt 460-462 - an die Vollversammlung des Päpstl. Rates für die Familie 1159-1162 - an Kongressteilnehmer über Säkularismus und Religionsfreiheit 1296-1299 - aus Anlaß des Gedenkkonzertes 50 Jahre nach der Tragödie v. Hiroshima u. Nagasaki 1040 f. - biblische B. über die Frau 114 f. - christl. B. über das Leben 682-703 - christliche 29,248,399,470 - der hl. Birgitta v. Schweden 27 - der Hoffnung 97 f. - der Ursprünge des Christentums 976 - des Engels an Maria 10 - für die Fastenzeit 622-624 - Schlußb. an alle Priester 1463-1476 - UrbietOrbi 795-797 - Video-B. an die Philippiner 225 f. - Weihnachtsb. 1320-1322 - zum 29. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 972-975 - zum 32. Weltgebetstag um Geistl. Berufe 845-849 - zum 50. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs 853-866, 979, 992 - zum 50. Jahrestag der Gründung der UNESCO 1183-1185 - zum Id Al Fitr (Ende des Ramadan) 1537 f. - zum Jubiläum von Radio Veritas 249-251 - zum Weltfriedenstag 26 f., 37, 43, 488, 567-573, 965 - zum Weltjugendtag 767 - zum Weltmissionstag 997-1000 - zum Welttag des Kranken 616-619 - zur 200-Jahrfeier der Geburt des hl. Vinzenz Pallotti 797-801 1566 REGISTER Böse(n) 662 - Kampf zwischen dem Guten u. dem 1047 - Mächte/Rräfte des 757 f. Brief - an den Bischof v. Nola zum Jubiläum 878-881 - an den Orden der Barmherzigen Brüder zum Jubiläum 604 f. - an die Bischöfe Österreichs 1060-1062 - an die deutschen Bischöfe (Abtreibung) 1145-1148 - an die Familien 220 f., 237 f., 267, 546, 660,712 - an die Frauen 123 f., 146 f., 488, 1023-1031 - an die Kinder 462 - an Generalsekretärin der 4. Weltkonferenz der UNO über die Frauen 963-968 - des hl. Paulus (corpus paulinum) 1033 f. - erster B. an die Korinther 536 f. - erster Petrusb. 511 Brot - Bitte um das tägliche 368 - brechen 1314 Brüdergemeinschaft(en) - B./laikale Gemeinschaften 38-41 Brüderlichkeit 125,458,1163-1165 - in Christus 912 f. - in einer Gesellschaft 445 - universale B. der Christen 921 Buch/Bücher - der Offenbarung 341 - Exodus 330 f. - Genesis 115 Buddhismus 14,306,315 Bund(es) - alter B. Gottes mit seinem Volk 331,770, 788 - Gottes mit dem Menschen 333, 441, 705 f. - mit der ganzen Schöpfung 995 - neuer, endgültiger 332,433,441, 789 Buße 44 f„ 652 - Akte der/drei Bestandteile der 633, 653 - körperliche 654 - Sakrament der 651 f., 654 Caritas - International^ 872-874 - kath. C.-Organisationen 560 f. Charisma/Charismen 12, 54, 511 - besonderes Ch. der Ordensleute 313,821 - der Laien 209 f. - der Passionisten 596 - Gründungsch. 54, 578 f., 643, 883 - Treue zum 578 - Vielfalt/Verschiedenheit der 55, 415 Charta - der menschlichen Grundrechte 170 - der Vereinten Nationen 168-172, 516, 521 f., 964 Chiliasmus 989 Cholera 599 f. Chrisam - Chrisammesse 68, 785-787 Christ(en) 113, 524, 921, 924, 941 f. - Aufgabe der 1001 f. - Begriff der Freiheit für 418 - Christsein 132, 371 f., 816, 1212 - des Ostens u. Westens 120 1567 REGISTER - Einheit der 15 f., 18,128,131 f., 295, 348, 358 f., 396, 579, 636, 647 f„ 761, 763, 813 f„ 896-958, 1005,1253-1256,1553-1555 - gemeinsames Gebet der 910 - Gemeinschaft aller 15, 17, 154, 166, 479, 579, 926 - Heiligkeit aller 364 f„ 1373-1379 - in Papua-Neuguinea 273 - Juden und 560, 608 f. - Muslime und 560,1050 f., 1102 f. - orientalischer 815 f. - Religionsfreiheit für C. im Islam 114 - Sendung eines jeden 418,922 - Spaltungen unter den 126,131, 152,154, 902 f. - und Nichtchr. 82, 90 - universale Brüderlichkeit der 921 - Versöhnung der 993 - Zeugnis des 1002, 1212 - Zusammenarbeit aller 941-943 Christentum(s) 94, 107 f., 306, 315, 336 f„ 469 f., 472 - 2000 Jahre 97,243,456 - Grundwahrheitendes 137 - im Femen Osten 24 - neuer Frühling des 279 - Ursprünge des 976 Christologie 179, 936 Communio - und Sendung 844 Dekalog 705 f. Demokratie(n) 316, 483, 673, 724, 755, 1001 - Forderung nach 592 - sittl. Charakter der 724 - Vorbild der 176,562 Demut 340,511 Diagnose(n) - vorgeburtliche 667 f., 716 Diakon(s/e) 502,1121 - ständige 1284-1288 Diakonat - Ständiger 1284-1288,1466 Diakonie 836, 873 - Geist der 1011-1013 Dialog(s) 33,137,171,445, 514 f„ 524, 914-916, 1044, 1101-1103, 1112,1142,1267,1298 f. - als Gewissensprüfung 916 f. - Aufruf zum 471 - Bereitschaft zum 979-982 - D.-Kommissionen 944 - der Bekehrung 917, 946 f. - des Geistes 471 - interkonfessioneller 897 - interreligiöser 85,176, 269 f., 306, 314 f„ 322,470 f„ 490, 559, 580, 636 f„ 989,1050 f„ 1127, 1265-1268,1447,1450,1537 f„ 1553-1555,1558 f. - islamisch-christlicher 637, 1050 f„ 1102 - katholisch-lutherischer 646 f. - mit anderen Kirchen u. kirchl. Gemeinschaften 926 f., 936 f. - multilateraler 939 - ökumenischer 132, 134-137, 148-150, 373,483, 559 f., 831, 914-958, 1091,1101 f„ 1240,1253-1256, 1388 f. - Päpstl. Rat für den Interreligiösen 269 f„ 1265-1268, 1537 f„ 1558 f. - theologischer 18,939,1253-1256 - zwischen Christen u. Juden 608 f. - zwischen Christen u. Muslimen 1050 f., 1102 f. - zwischen den Völkern 625 - zwischen Eltern u. Kindern 1527 f. 1568 REGISTER - zwischen Gottvater und Sohn 257, 367 - zwischen kath. Kirche u. Juden 560 - zwischen kath. Kirche u. Muslimen 560 - zwischen kath. u. assyrischen Kirche 1272 - zwischen Kirche u. Welt 181 f., 1177 - zwischen Mensch u. Gott 805 f. Diaspora - D.gebiete der Ostkirchen 838 f. Didache 706 f. Dienst - am Frieden 42 f., 399, 608 f., 862 - am Gemeinwohl 304,414,486, 491 f„ 593,1347 - an den Armen u. Kranken 398, 599 f„ 893 f., 1288-1290 - an der Gemeinschaft 234 - an der Gerechtigkeit 608 f., 611 - an der Menschenfamilie/Menschheit 250, 922 - an der Universalkirche 579 - bischöflicher 1359 f. - der Kirche 486, 560 - der Ministranten 1053-1055 - des Bischofs von Rom an der Einheit 898 f., 949-956 - des Wortes 1215 f. - diakonischer 1286 - Freiwilligend. 742 - für das/am Leben 11,453,733, 1146 - im D. der Kirche 11-14 - priesterlicher 34, 40, 88, 199 f., 413 f„ 782, 885, 1467-1469 - Samariterd. 1274-1278 - Vielfalt/Verschiedenheit der 11 f., 415 Diktatur - kommunistische 356, 413, 445 Diözesansynode - vonTrivento 329 Diözese(n) - erste D. der Slowakei 416 - Österreichs 1060-1062 Diplomatisches(e) Korps - das beim Hl. Stuhl akkreditierte 588-593 Direktorium - zur Ausführung der Prinzipien u. Normen über den Ökumenismus 647 f. Diskriminierung 378,990 f. - von Frauen 147, 966 - von Jungen u. Mädchen 571 Dogma/Dogmen - der Gottesmutterschaft (Konzil v. Ephesus 431 n. Chr.) 162 - des Konzils v. Trient (1545 n. Chr.) 347 f. - Grundd. des christl. Glaubens 140 - von der leibl. Aufnahme Mariens in den Himmel (Pius XII. 1950) 186-189 - von der Unbefleckten Empfängnis (Pius IX. 1854) 186-189 Dogmatik 344 Dokument(e) - Gründungsd. der Vereinigten Staaten 562 - Schlußd. der afrikan. Synode 476 Dornbusch - derbrennende 331 Droge(n) 260 - D.abhängigkeit 1019-1021 Egoismus/Selbstsucht 298 - der reichen Länder 671 1569 REGISTER Ehe 124,213,534,781, 1114 f., 1231,1415 f. - als Sakrament 1491 f. - Berufung zur 779 f., 1489-1493 - christliche 1091 - E.berater 741 - ehel.Akt 677 - eheliche Liebe 1483 f. - Heiligkeit der 282 - Unauflöslichkeit der 1341 f. - Ungültigkeit der 612,615 Ehelosigkeit - Berufung zur 781 - freiwillige 11 Ehepaar(e)/Eheleute 320, 495, 679, 695, 745 f., 1495 f. Eid - hippokratischer 742 Einheit 9,132, 135, 351 f., 358, 812 f., 829,901, 957 f„ 977,1444 - aller Getauften 943 f. - aller Gläubigen 809, 977 - der Christen 15 f., 18, 128, 131 f., 295, 348, 358 f., 396, 579, 636, 647 f„ 761,763, 813 f„ 896-958, 1005, 1253-1256, 1553-1555 - der Jünger 125 - der Kirche 117, 152-155, 813 f„ 829-831, 835, 1242 f., 1387-1395, 1440 - der Menschheit Christi mit Gott im Hl. Geist 1042 f. - der Menschheitsfamilie 169,557, 571 - des Glaubens 118,944,1387-1395 - des Leibes Christi 117 f., 394, 880 - Dienst des Bischofs von Rom an der 898 f„ 949-956 - ein Geschenk des Herrn an seine Kirche 125, 610, 759 f., 762 - Erfahrungen der 833-835 - Gebet um die 610, 939 f. - göttliche 117 - in Verschiedenheit 116-119 - in Vielfalt 439,831,934 - Kirche als Sakrament der 33, 528, 610, 628, 899 - Liebe ist die Quelle der 977 - Päpstl. Rat für die Förderung der 15, 647 f., 1253-1256 - Petrusamt als Fundament u. Zeichen der 240 f., 949 f. - Spaltung der E. v. Abendland u. byzantinischem Osten 1237 - Taufe als sakramentales Band der 149, 610 - Teilkirchen in der 930 f. - und Evangelisierung 955 f. - volle E. (Glaube, Sakramente, kirchl. Struktur) 18,437 f., 931, 1012 - von Glauben u. Leben 1273 f. - von Mann u. Frau 124 - von Spiritualität u. Theologie 827 - Weg zur 373, 471, 560 - Werkzeuge der 479, 610 - Zeugnis der 955 Einwohner - Ure. Australiens 297 Ekklesiologie 85 - des Zweiten Vat. Konzils 629 Eltern 546 f„ 570, 695, 1164, 1476-1534 - Adoptiveltern 1496 - als erste Lehrer im Glauben 259 f., 320 - als Erzieher 548,1495-1498, 1545 f. - Berufung der 496 - christliche 746 - Rechte u. Pflichten der 1496-1498 - religiöse Bildung der 1528 - und Kinder 1504, 1527 f. 1570 REGISTER - Verantwortung der 496, 741, 1492 f. Emanzipation 201 f. Embargo 591 Embryo(nen) - menschliche 712 f. - überzählige 667 - Versuche an 716 Empfängnis - unbefleckte 1300 Empfängnisverhütung 666, 670, 1529 Entchristlichung 634 f. Entführung 115 f. - der Ordensschwester 36,57 Enthaltsamkeit 44 f. Entwicklung - des Kindes 1510 - Erziehung und 623 - ganzheitliche E. der Gesellschaft 323 - gesamtmenschliche 305,491 - soziale 1544 - Vorbild demokratischer 562 - Weltgipfelkonferenz für Soziale 43 f„ 46-49, 592,1539-1547 Entwicklungsgebiet(e) 521 Entwicklungshilfe 1199-1203 - umfassende E. für Afrika 492 Enzyklika/Enzyliken - Leo XIII. (1878-1903) - Rerum novarum 333, 659 - Pius XI. (1922-1939) - Casti connubii 714 f. - Johannes XXIII. (1958-1963) - Pacem in terris 726, 996 - Johannes Paul 13. (seit 1978) - Centesimus annus 854 f. - Dominum et vivificantem 614, 987 - Evangelium Vitae 56 f., 62 f., 67 f., 400, 538, 655-759 (Text), 770, 806, 871,1171-1174,1258-1262 - Laborem exercens 325 - Mulieris dignitatem 201 - Redemptoris Mater 59-61,302, 777,1299 f. - Redemptoris missio 77, 80-82, 90, 99,108, 249 f„ 269, 808-810 - Slavorum apostoli 929 - Sollicitudo rei socialis 333, 557 - Utunumsint 116,142,150, 438, 896-958 (Text) - Veritatis splendor 400, 614, 805-807 Epiphanie - als Bewegung Gottes auf den Menschen zu 582-584 Episkopat 9 - belgischer 103 f. Erbe - christliches u. kulturelles 337, 379 f., 439 - der Heiligen 948 - des hl. Philipp Neri 977 - neues Glaubense. 442 - reiches geistl. E. Sri Lankas 306 Erklärung - Allgemeine E. der Menschenrechte 170, 514, 516 f., 671, 863,996 - christologische E. (assyr. Kirche des Ostens u. der röm.-kath. Kirche) 18 - Gemeinsame E. von Papst J.P.II. u. dem Ökum. Patriarchen B.I. 1553-1555 Erlöser(s) 533 - Heilsmacht des 254 - Jesus Christus der 369,798,988 1571 REGISTER Erlöserorden 27 Erlösung 301, 532, 537 - aller Menschen 145 - durch Jesu Christi 17,793 - Mysterium/Geheimnis der 430, 850,1098 f. - Quelle vollkommener 678 Erlösungsopfer - Jesu Christi 30 f., 117 Ernährung - natürliche 869-872 Erneuerung - der Familie 305, 423 - der Gesellschaft 294,305,423, 754 f. - der Kirche auf den Philippinen 258 f. - der Pfarrei 421 f. - des christlichen Lebens 285,423 - des Glaubenslebens 908 - des Ordenslebens (nach dem Konzil) 213 f., 603 f., 893 - geistliche 1330 f. - innerliche E. kath. Gemeinschaften in Afrika 478 - kirchlichen Lebens 1443-1447 - moralische u. geistige 292 - persönliche 294 - und Bekehrung 905 - von Formen u. Methoden der Verkündigung 1386-1395 Erster Weltkrieg 395 f., 859 - siehe auch: Krieg/Zweiter W. Erwachsene(n) - E.katechese 423 - E.katechismus 960 - junge 1521 f. Erzieher 751, 1524 - Alleinerziehende 1496 - Aufgabe der 847 f. - Ehemals 548,1495-1498,1545 f. - im Priesterseminar 764 f. Erziehung(s) 535, 623, 1173 f., 1184,1550 f. - christliche E. (der Jugend) 41, 310, 1119 - der Kinder 570,746 - durch Frauenorden 51 - E.arbeit 749 f„ 1028 - Freiheit u. Wahrheit in 1249-1253 - Geschlechtse. 1506-1510 - in der Familie (Orientierungshilfe: Menschl. Sexualität) 1476-1534 - in der Liebe 1500-1502,1524-1526,1531-1534 - missionarische 1109 - religiöse 81,467,559,570,1160 - und Entwicklung 623 - zum Frieden 567 f., 570 f. - zum Glauben 81 - zur Keuschheit 1487-1489, 1492 f„ 1501 f., 1507 f. - zur Sexualität u. Liebe 750, 1507 f., 1526-1531 Eschatologie 819 f. Ethik 805-807 - Bioethik 752, 1173 f., 1258-1262 - der Arbeit 773-775 - hippokratische 1277 f. Eucharistie 69, 149, 351, 401, 816, 822, 832, 851, 887, 903, 944 f„ 1006-1009, 1215, 1343, 1400, 1438 f„ 1445 f. - als Danksagung der ganzen Schöpfung 787-789 - Einsetzung der 69,426, 778, 788, 1006 f. - ist Aufruf zur Einheit 832 f. - Konzilsdekret über die 345 f. - Sakrament der 679 - verkündet Auferstehung 338-342 - zwischen Wort und 821 f. 1572 REGISTER Eucharistiefeier 6, 484, 926 - gemeinsame E. (kath. u. orthodox) 933 - mit Jugendlichen in Loreto 454-458 - zum 50. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs 105 f. Eugenik - E.-Mentalität 667 f., 716 f. Europa(s) 97, 169, 373, 385,453, 589, 929, 1551 f. - bauen 382,451-454 - christliches 1196 - Frieden in 1004 - Heilige 457 - Jugendliche 451-454 - Präsenz des Evangeliums in 456 f. - und Hoffnung (Eur-Hope) 454 - Versöhnung in 1044 - Zukunft 337 Euthanasie 57, 657, 668-670,717-722, 734 f„ 738, 1261, 1468 - Gesetz zur Freigabe der 674, 726 - Recht auf 722 f. Evangelisierung 85, 90, 99,268-270, 285, 472 f., 500, 624, 732, 905, 984, 988,1181 f„ 1204,1274 f., 1394 f., 1408 - aller Völker/Welt 12,77,1302 - als Aufgabe der Kirche 1014 f. - Aufgabe der 1377 f. - Ausbildung der Träger der 1093 f. - Bischöfe als Erstverantwortliche für die 398 - Brasiliens 1352-1359 - der Armen 891,1294 f. - der Familie 1112-1116 - der Sinti u. Roma 991 - der Welt der Kommunikationsmittel 1135, 1235,1365 - Einheit und 955 f. - Familie als erster Ort der 423, 496 - Geschichte u. Zukunft der 76-79, 1080-1089 - Hingabe/Leidenschaft für die 599, 997 f. - in Afrika 165,1067 f„ 1080-1089 - in Asien 269 - in China 1426-1430 - in Manila/der Philippinen 226, 253 - Kongregation für die Evangelisierung der Völker 807-811, 1181 f. - Maria Stern der 167, 273 - moderne Mittel der 90-92, 975 - Sinn der 889 f. - Strukturen der 1122-1125 - Trägerder 1117-1122 - und Inkulturation 1094-1107 Evangelisierungsauftrag 391, 581, 748 - der Kirche 111-113,470,1449 - der Kirche in Afrika {siehe: Apostol. Schreiben: Ecclesia in Africa) 1065-1145 Evangelist(en) 187 Evangelium(s) 228, 367, 375, 552, 659, 701,1004 - siehe auch: Froh- u. Heilsbotschaft - der Liebe 497 - des Kreuzes 533 - des Lebens/vom Leben 56 f., 67 f„ 71,75, 362,497,501,538, 795, 961 f„ 1277 - ein einziges, unteilbares 656 f. - Enzyklika: Evangelium Vitae (Wortlaut) 655-759 - Inkulturation des 117, 166, 1398 f. - Inspiration aus dem 1024 - J. Chr. erster Verkünder des 581, 733, 1013 1573 REGISTER - Kultur/Moral des 453 f., 939 - Präsenz des E. in Europa 456 f. - Sauerteig des 24, 298, 396 - Seligpreisungendes 31 - Treue zum 409 - und Gebot 704 - unvergängliche Werte des 336 f. - Verbindung zwischen E. u. Leben 453, 734 f., 885 - Verkündigung des 71 f., 76-78, 248-251, 320,421,473,480, 732, 782,818, 999,1394 f. - von der Arbeit 333, 497 - von der Familie 362 - von der Versöhnung 955 - von Maria u. Marta v. Betanien 5 - Zeugendes 319, 362,431,768 f. Exegese 185 Exerzitien - geistliche 644 f. Existenz - Koe. von Völkern 478,483 - Recht der Nation auf 518 Exkommunikation 715 Exodus 684 Familie(n) 47,112,459 f„ 495, 522, 534, 545, 625-627, 665, 679, 746, 751,871,873,975,1118 f., 1164, 1222 £, 1231,1271,1314, 1339-1344, 1415 f., 1545 f. - afrikanische 501, 1091,1112-1116 - als erster Ort der Katechese/Evangelisierung 423, 496 - als grundlegende Schule des Lebens 462,571 - als Hauskirche 221,381,464,495, 535, 745 f., 763, 852,1118 f. - als Heiligtum des Lebens 660, 741, 745-747 - als Institution 623 - Berufung der 501,711,810 - Brief an die 220 f„ 237 f„ 267, 546, 660, 712 - christliche 49,496, 501,1378 - Erneuerung der 305,423 - Erziehung in der f. (Orientierungshilfe: Menschl. Sexualität) 1476-1534 - Evangelisierung/Neuev. der 341, 1112-1116 - Evangelium von der 362 - F.berater 741 - F.leben 497,1505 - F.politik 744 - Frau in f. u. Gesellschaft 569, 964,1548 f. - Gebet im Kreis der 547, 746 - Gewalt in der 1550 f. - Gottes 779 - Hingabe an die 867 f. - katholische 547 - Kirche als 111,177,470,484, 490, 1100,1115-1117 - Krisen der 571 - Rechte der 112 - Schutz der 237-239 - und Armut. 381,1542 - und Berufungen 1489-1495 - und Gesellschaft 307, 371, 1339 f. - Woche der 28 Familienpastoral 287 f., 747,1340 f., 1416 Fasten(s) 640, 654 - Beten und 754 - F.aktionen 1163-1165 - F.prediger 645 - Jesu in der Wüste 637-641 Fastenzeit 44-46,48, 330-334, 637, 1537 f. 1574 REGISTER - als Zeit der Umkehr u. Versöhnung 632 f. - Botschaft für die 622-624 Feier(n) - siehe auch: Jahrfeier/Jahrestag - des liturgischen Jahres 737 f. - Verkündigung als 736 Feminismus 752 Fest/Hochfest(e) - Allerheiligen 183 f„ 1223-1225 - Christi Himmelfahrt 97 f. - Christkönigsf. 199 f., 1281-1283 - der Aufnahme Mariens in den Himmel 144 -146,1045-1049 - der Darstellung des Herrn 600-604 - der Erscheinung des Herrn 10, 582-585 - der Hl. Familie 220 f. - der hll. Petrus u. Paulus 16,119 - der Immakulata 1299-1303 - der Mutter Gottes 573-576 - der Taufe Jesu 10 f., 586 f. - der Unbefleckten Empfängnis 208 - der Verkündigung des Herrn 56 f. - des Friedens (Weihnachten) 215-217 - des hl. Franz v. Assisi 512 - des hl. Josef 325 f. - Diwali-Fest 1558 f. - Hochf. der Heiügsten Dreifaltigkeit 994-997 - zum Ende des Ramadans 1537 f. Feuer - und Sturm 390 Film(e) - F.kunst 648-650 - Kinof. 649 f., 972-975 - soziale Komponenete des Mediums 975 - Verantwortung in 650 Firmung 319,423 - Sakrament der 640 Flüchtling(s/e) 482,497,1133,1200, 1211 - F.kinder 463 - Josef, Maria u. Jesus als 462 f. - ruandische u. burundische 151 Fokolare 98, 628 f. Folter 657 Forschung(en) - biomedizinische 742,1258-1262 - ethische u. philosophische 805-807 - Freiheit wissenschaftlicher 233-235 - genetische 712 - theologische 579 Fortpflanzung - Techniken künstlicher 667 - verantwortliche 750 Fortschritt(s) 445, 534 f., 1028 - der Völker 532 - gesellschaftlicher 491 f. - materieller 307 - Weg des wahren 445, 535 - wissenschaftlich-technologischer 657,770 Frage(n) - grundsätzliche dogmatische 344 - ökologische 694 Franziskaner-Konventualen 1003-1005,1050 f. Frau(en) 43, 50, 134, 189, 325 f., 570, 752, 871,1025,1211,1218 - 4. Weltfrauenkonferenz in Peking (UNO) 109, 156 f., 459, 572, 963-968,1023,1051-1053,1547-1551 - als erste Zeugen der Auferstehung 796 1575 REGISTER - als Erzieherin zum Frieden 3, 26 f„ 32 f., 37,133 f., 488, 567-573, 576 - als Hüterin des Lebens 448 f. - als Objekt 203 - als Person 110,569 - Armut der 1549 - Ausbeutung/Diskriminierung der 147, 570, 966 f., 967 - Befreiungsprozeß der 1026 - Berufung der 43, 143, 448 f., 1023 - Brief an die 123 f., 146 f., 488, 1023-1031 - F.sein 43, 51 f., 109 f., 145, 302, 448 f. - freiwillige Hilfsdienste der 143 f. - Genius der 129, 138 f„ 302, 511, 1029, 1031 - gottgeweihtes Leben der 49-52 - Haltung J. Chr. gegenüber 1024 f. - im Bereich von Wirtschaft u. Arbeit 146 f. - im Plan Gottes 129,1027 f. - in Afrika 487,1134 - in den Ländern Ex-Jugoslawiens 151 - in der Kirche 156 f., 1460 - in Familie u. Gesellschaft 569, 964, 1548 f. - in Indien 1446 - kulturelle Möglichkeiten der 138 f. - Mann und 114 f., 124, 205, 495, 568 f„ 1027 f„ 1342 f„ 1460 - Maria Idealbild der 145, 156 f., 202,1029 - Priesterweihe für 1458-1462 - Rechte/Menschenrechte der 43, 963, 1547-1551 - Rolle/öffentl. Rolle der 128 f., 201, 302, 572, 576, 963-968,1546 - Selbständigkeit der 114 f. - Selbsthingabe der 50 - Selbstverständnis der f. aus marianischer Sicht 201-203, 206 - Sendung der 206,302, 576,1023, 1460 - und Abtreibung 753,1145-1148 - und Politik 150f. - und Priester 776-785 - Vorurteile gegenüber 202 - Würde/Person würde/Wert der 109 f., 114 f., 201, 302, 569, 572, 963,1027,1051-1053,1113 f„ 1134,1342 f., 1547-1551 Frauenbewegung 201 f., 205 Freiheit 176,418,453, 515 f„ 520, 649, 672, 674,730, 763, 806 f„ 887, 1296 f. - im Gehorsam 301 - individualistische Auffassung der 807 - künstlerische 649, 973 f. - Leben und 749 - menschliche/jedes Menschen 242, 388,458,1347 - und Gesetz 614, 676 - und Wahrheit 554,673,688,749, 1249-1253,1406-1408 - Verletzung/Mißbrauch der 105, 525 - wahre 445,458,763,887 - wiedergewonnene 355,381,410 - wissenschaftlicher Forschung 233 -235 Freiheitsstatue 530 Fremder(e) - Sorge um 693 Freude - christliche 75,1143 f. Freundschaft(en) 1520 f. 1576 REGISTER Frieden(s) 27,106,151,446,490, 567, 591, 623, 996, 1044,1125 f., 1184, 1547, 1554 f. - als Geschenk Gottes 3,84,485 - als Wert 625 f. - aufbauen 33, 617, 1040 f., 1054 - Aufruf zum 1059 - Bedrohung für den 861 - Dienst am/Einsatz für 42 f., 399, 608 f., 862 - Erziehung/Heranbildung zum 567 f„ 570 f. - F.mission der hl. Birgitta 27 - F.pädagogik 37 - F.prozeß im Nahen Osten 591 - Frau als Erzieherin zum 3, 26 f., 32 f„ 133 f„ 488, 567-573,576 - für Afrika 492 - für den Balkan 195 - für die ganze Menschheit 447 f., 549 - für Sri Lanka 321 - für Tschetschenien 16 - Gebet für den 89,110,463 - im Libanon 1281-1283, 1307-1309 - in Europa 1004 - in Südosteuropa (Bosnien-Herzegowina) 42, 56,110,125, 157, 162, 199,215 f„ 943, 1189 f. - innerer 304, 569 f. - Kultur des 625 f., 860, 981,1060, 1184 f. - ökumenisches Interesse für den 942 f. - Quelle/Ursprung des 617, 980 - Rompreis für f. u. humanitäre Aktion 625 - Sehnsucht nach 395 - und Sicherheit 1200 - universale f.botschaften 974 - wahrer 485 f., 755 - „Weg zum F.“ (Stiftung 1991) 549 - Weihnachten als Fest des 215-217 - Weltf. 549 - Weltgebetstag für den F. (1986/1993 in Assisi) 862 f„ 943 Friedensstaffette - italienische 1005 f. Frohbotschaft 71 - siehe auch: Heilsb. u. Evangelium - Inkulturation der 107, 469 - Verkündigung der 12,71,78,81, 248, 528, 582-585, 648 f. Fronleichnam(s) 1006-1009 - F.prozession 1007 Fundamentalismus - muslimischer 1050 f. - religiöser 1447 Gabe(n) - Austausch der 136,402, 890 - der geistlichen Führung 825 - der Laien 209 f. - des Geistes 959 - Geheimnis der eucharistischen Opferg. 876,1054 f. - Jungfräulichkeit als G. Gottes 984 - verschiedene Gnadeng. 393 f., 781,987 Gastarbeiter 1450 Gastfreundschaft 447, 1321 Gebet(s) 6, 52,149, 426, 461, 640 f., 653,753 f., 774, 808, 829, 909-914, 916, 957,1244,1330,1388 f. - Amen - Schlußformel des 369 - betrachtendes 4f. - der bitteren Reue 632 f. - der Kirche 823 - des Mönchs 822, 825 f. - für den Frieden 89,110,463 - für die Kirche 7, 358 - für die Verstorbenen 1223-1225 1577 REGISTER - G. woche für die Einheit der Christen 15 1, 131 1, 295, 911, 943 - Gemeinschaftsg./gemeinsames 6, 357, 910 - großes G. des Gottesvolkes 961 - im Kreis der Familie 547, 746 - Jesu 6,125,357-360,610,1042 - Kern christl. Lebens 45 - liturgisches 189 f., 823 - Marieng./Ave Maria/Rosenkranzg. 162,167 f., 191,428,440, 542, 547,7581,1045,11441 - notwendiger Bestandteil des Ordenslebens 4-8, 13, 578 - ökumenisches 911,913 - persönliches 6, 301, 547,1470 - Priester ein Mann des 1215 1, 1470 - Stundeng. 401,550,13961 - um die Einheit 610, 939 1 - um Priesterberufe 2041 - Vaterunser 167,367-369,427, 493, 5421 Gebot(es/e) 730 - der Gottesliebe 301,294,447, 706, 884 - der Nächstenliebe 447, 692, 706, 872 - Du sollst nicht töten 704-732 - Evangelium und 704 - Gottes 230,700,730 - neues/der Liebe 15,2461,404 - Teilen ein G. gelebten Glaubens 1163-1165 - Vater u. Mutter zu ehren 260,747 - von der Unantastbarkeit des Lebens 693 - Zehn 601 - zweites 294 Geburtenrückgang 669 Gegenwart - Gottes 461 - Jesu Christi 30, 299, 528,10541 Geheimnis(se) - siehe auch: Mysterium - Christi u. der Kirche 51,10471 - der Aufnahme Mariens in den Himmel 10461 - der Dreifaltigkeit 66 - der Erlösung 850,10981 - der eucharistischen Opfergaben 876,10541 - der Gottheit Jesu 976 - der Heimsuchung 4401 - der Himmelfahrt 971 - der Kirche 66,177 - der Menschwerdung des Sohnes Gottes 10,247,456,460 - des Kreuzes J. Chr. 378 - des Menschen 182, 5191, 806 - des Todes 717 - des Todes u.der Auferstehung J. Chr. 228 - Gottes 534 - Osterg. 528 - Taufg. 794 Gehörsam(s) 30, 35,54, 6141 - Freiheit im 301 - G.gelübde 35 - gegenüber Gott 718 - gegenüber staatl. Autoritäten 728 - Glaubensg. Josefs 333 - Glaubensg. Marias 59 1, 333 - Jesu 463 1, 1042 - Tugend des 413 f. Geist(es) 54,703,731,957,987 - siehe auch: Hl. Geist - der Diakonie 1011-1013 - der Solidarität 377 - der Wahrheit 996 - Dialog des 471 - einen 118,3931,987 1578 REGISTER - Gabe des 959 - Gottes 999 - Kraft/Macht des 64, 948 - ökumenischer 347 - von Assisi 1004 Gelübde - Gehorsamsg. 35 - Ordensg. 34 Gemeinde(n) 1117,1375 - christliche 78 f., 740,748, 847, 1359-1366 - erste Christeng. 126, 959 - niederländische 1246-1249 Gemeinschaft(en) 54, 81, 301, 862 - aller Kirchen 953 f. - aller Teilkirchen mit Kirche v. Rom 954 - als Geschenk Gottes 610 - bischöfliche 962 - christliche 15,17,166,479,926 - der ersten Jünger 243 - der Gläubigen 196 f. - der Heiligen 357 - der Priester 1470-1472 - der Schwestern v. Heiligsten Herzen Jesu u. v. den Hl. Engeln 596 - des apostolischen Lebens 881-884 - Dienst an der 234 - eucharistische 401 - evangelisch-lutherische 372-374 - internationale 16,465, 549, 589, 591,623 - italienischer Verband der Therapeutischen 1019-1021 - katholische 240 f„ 315 f„ 501 - kirchliche 148, 295, 399, 830, 1011,1013, 1073 - kontemplative 276 f. - Leben in 34 f. - nachreformatorische 937 f. - ruthenische 763 - Spiritualität der 628 f. - Verantwortung der Bischöfe für die 194 f. - volle u. sichtbare aller Christen 154,579 - zwischen griech. kath. und lat. kath. Kirche 437 f. - zwischen Orient u. Abendland 934 Gemeinwohl(s) 47, 113, 307, 327, 377,411,419,467,726,964 - der Menschen 858 f. - der Menschheitsfamilie 498 f., 511,549 - Dienst am 304,414,486,491 f., 593, 1347 - Einsatz für das 557 Genealogie 695 Generation(en) 260,464 - Vertrag zwischen den 747 Gerechtigkeit 322 f., 967, 1125 f., 1554 f. - Dienst an der 608 f., 611 - für Bosnien-Herzegowina 125 - Gottes 663 f. - Sehnsucht nach 279 - soziale 333,1199-1203,1556 - und Gewissen 611,614 Geschichte 700, 818, 966,1024, 1028 - Amerikas 530, 559 - der Ausbeutung Afrikas 481 - der Evangelisierung 76-79, 1080-1089 - der Kirche/n 96, 297, 830 - der Menschheit 76, 529,988, 1023 - der slowakischen Nation 121 f., 410 - des Kampfes zwischen dem Guten u. dem Bösen 1047 f. - Einbruch der Sünde in die 689, 1579 REGISTER - Israels 701 - menschliche 529, 988 - Polens 379 f. - Trients/des Trentino 335-337 - Wirken der Frauen in der 1025 Geschlechtlichkeit 1478,1512-1516 - Liebe u. menschliche 1481-1483 Geschlechtserziehung 1506-1510 Gesellschaft(s/en) 254, 350, 530, 673,1001 - afrikanische 490,495 - amerikanische 508, 529 - Brüderlichkeit in einer 445 - christl. Laien als Sauerteig der 310 f., 1355 - demokratische 554 - der Menschen/menschliche/ menschenwürdige 533,754 f., 857 f„ 961 - der Missionare Afrikas 889 f. - des Katholischen Apostolates 797-801 - eine gerechtere 372,1344-1351 - Erneuerung der 294, 305, 423, 754 f. - Familie und 307, 371,1339 f. - Frau in Familie und 569 - ganzheitliche Entwicklung der 323 - Gewissen der 678 - Industrieg. 328 - Kircheund 236 f., 420, 424, 483, 529,1447-1451 - Kongregation der G. Jesu 577-582 - Konsumg. 350 - multi-ethnische/multi-kulturelle 38, 490 f„ 508 - philippinische 237 - slowakische 410 - Solidarität innerhalb der 279,515, 557 - srilankische 316 - Veränderung/Umwandlung der 146, 301, 967 - Werte einer 233-235, 567 f. Gesetz(es/e) 592,723 f., 731, 743 - der Liebe 733,999 - ewiges 727 - Freiheit und 614,676 - G.gebung 658, 723 - in Jesus erfüllt sich das 701 - kirchliche G.gebung 613 - Liebe und 826 f. - Naturg. 724 f., 727 - Sitteng. 515, 722-730 - staatliches 722-730 - ungerechtes 727-729, 743 f. - universales Moralg. 524, 807 - vom Leben 701 - von der göttl. Barmherzigkeit 663 f. - Zivilg. 807 - zur Freigabe der Abtreibung u. Euthanasie 674,726,1145-1148 Gesundheit(s) 1275 f. - siehe auch: Krankenpastoral - G.zentren 467 - Pastoral im G.wesen 894, 1015 f. Getaufte(n) 921 - Einheit aller 943 f. Gewalt 27, 307, 321,459, 463, 572, 591,664, 726, 857 f., 980 - des Krieges 572 - G.bereitschaft 1001 f. - gesetzgebende, ausführende u. richterliche 615 - in der Familie 1550 f. - Opfer der 4, 26, 57, 1041 - sexuelle 1026 - Waffeng. 859 Gewissen(s) 559, 614, 658, 678, 724, 728, 743, 748 - der Gesellschaft 678 1580 REGISTER - Einspruch aus G.gründen 730 - Gerechtigkeit und 611,614 - inneres Heiligtum des 677 f. - Kirche als Sprecher des menschl. 614, 525 - Prüfung des 916 f., 989 - Treue zum eigenen 376 f., 431 f. - Wissenschaft und 233-235 Gewissensbildung 529,749,1173, 1468 Gewissensfreiheit 373,467, 614 - Recht auf 519 Gewissensurteil 614 f. Gläubige(n) 861 f„ 865,1038 - allgemeines Priestertum der 783 f„ 1030,1361-1366 - Einheit aller 809, 977 - Gemeinschaft der 196 f. - katholische 902, 946 - katholische u. orthodoxe 1270 Glaube(ns) 72,81,290,298,369, 442, 552, 739-745, 942,1090 f„ 1152,1160, 1364 - an Christus 373, 393,417 f„ 682, 1185 - christlicher 140,552 - der eine, heilige, katholische u. apostolische 285, 312 - der Kirche 935,1262-1265 - des Apostelkollegiums 1032-1035 - des Petrus 417 - Einheit des 118,944,1387-1395 - G./Glaubensweg Marias 59,196-198,442 - G.bildung 1110 f. - G.zeugnis 39 f., 234, 440-444, 552 - Inkulturation des 501,581,960, 1111 f„ 1398 f. - persönliche G.erfahrung 799, 815-817 - Samenkorn des 279 - Teilen ein Gebot gelebten 1163-1165 - und Kultur 234,453,960,1183-1185 - und Leben 908,1273 f. - und Volkstum 342 - Vernunft und 1278 - Weitergabe des G. in der Familie 1159-1162 - Wissenschaft und 1231, 1278 Glaubensbekenntnis(se) - nizäno-konstantinopolitanisches 64, 1032 Glaubensgut (depositum fidei) 907 f„ 946 Glaubenslehre - katholische 150, 345 - Kongregation für die 1262-1265, 1457-1462 Gleichberechtigung - der menschlichen Person 1025 - der Völker 522 - zwischen Frau u. Mann 114 f. Gleichgültigkeit - religiöse 298,421,798,986-990 Gleichnis(se) - des Sämanns 251 - vom barmherzigen Samariter 693, 1276-1278 - vom Weinstock 16 f., 476 - von der Hochzeit zu Kana 495 f. Gnade 101 - der Berufung 53, 59 - der Bischofsweihe 1360 - der evangelischen Räte 30, 34 - der Gotteskindschaft 261 - der Vergebung 62 - Fülle der göttl. Gnade 205 - Sünde und 653 1581 REGISTER - verschiedene Gnadengaben 393 f., 781,987 - Zeit der 841 Golgota - der heutigen Welt 856 Gott(es) 393 f„ 553, 583, 768, 819, 821, 893 - absolute Transzendenz 29, 828 - Adoptivkinder 245, 261, 574,587, 779 - als Quelle (des Guten,...) 369, 678, 701, 909 - als Vater 367,463,798 - als Verteidiger/Herr des Lebens 660 f„ 678, 685,705, 707, 753 f. - Barmherzigkeit/Güte 44 f., 75, 154, 331,550, 652 f., 663 f., 1009 f. - Bund G. mit seinem Volk/mit dem Menschen/mit der Schöpfung 16, 331-333, 432 f„ 441,705 f., 770, 788, 995 - der Schöpfer 185,850,1027 - die übernatürliche u. transzendente Majestät 29 - einen 393 f. - Familie 470,779 - G.vater und Sohn 257, 367 - Gabe 984 - Gebot 230,700,730 - Gegenwart 461 - Geheimnis 534 - Gehorsam gegenüber 728 - Geist 999 - Gerechtigkeit 663 f., 675 - Geschenk 3, 84,485, 583,1478 - Herrlichkeit 443, 687-689 - ist Liebe 105,891 - Königtum 875 - Leben 690, 703 - Liebe 216,656,799,869,976, 1393 - Liebe zu G./Gebot der G.liebe 30 f„ 447,706, 884 - Macht 393,691 - Menschund 350,360,582-584, 594, 660 f., 674-678, 687 f., 694 f„ 697, 713 f., 755, 805 f., 826-828, 850, 996 f., 1020, 1348 - Menschwerdung 1214,1299-1301 - Offenbarung 29,184 f. - Plan/Heilsplan 59,63, 69, 72, 77 f„ 86,129, 135, 145,175, 202, 205 f., 208,228,438, 499, 533, 551,568, 583,679, 689, 691, 696 f., 705, 756, 899 f„ 949,1006, 1027 f., 1031,1049,1079 f. - Ruf 232, 387 f„ 398, 820 - Selbsthingabe an 302 - Suche nach 5,350,989,1183-1185 - Treue 145,597 - Wahrheit G./über 700, 834 - Weihe an 4-8,11-14,28-31,38-41,49-52,177,214, 299, 301, 546, 600-604, 867 f„ 893,1092,1454 - Weisheit 536 f. - wer ist Gott? 350 - Wille 368,377,922,947 - Wort 22 f„ 45,184 f„ 346, 840, 923,1094 f. - Zeugnis geben von 610 Gottesdienst - an Fronleichnam 1006-1009 - G.reform 189 f. - Wortg. 1392 - Wortg. für die Kranken 288 Gotteskindschaft 82,458, 574,576 - Gnade der 261 Gottessohnschaft 161,216,787 Grab(es) - Christi 795-797 Gründonnerstag 68, 88, 784 f., 1006 - als Fest des Priestertums 785 1582 REGISTER - Predigten am G. (Chrisam; Abendmahl) 785-789 - Schreiben an die Priester zum 776-785 Grundrecht(e) - siehe auch: Recht - auf Leben 727 - Charta der menschl. 170 - des Menschen 90, 726 Grundwert(e) - siehe auch: Wert - menschliches Leben als 57 Gut/Güter 744, 1350 - christliche 924 f. - das Leben ist ein 684, 687 - Kulturgüter 1177-1180 Gute(n) 377,700 - Gott als Quelle des 369 - Kampf zwischen dem G. u. Bösen 1047 Häresie(n) 126 Handwerker 326-330 Haus - Hl. H. von Loreto/von Nazaret/Marias 210,451-464 Hauskirche(n) - Familie als 221,381,464,495, 535,7451,763,852,11181 Hedonismus 421 Heil(s) 825 - außerhalb der Kirche gibt es kein 101 - Christus ist das H. der Welt 85, 120, 882 - endzeitliches 111 - Weg zum 474 Heilige Woche 771 Heilige(n) 50, 183, 299, 357, 362, 3641, 374,470,597, 817, 849, 869, 878, 947 1 - Afrikas 10831 - als Fürsprecher 392 - als Ordensgründer 642 - als Wegweiser der Heilsgeschichte 429 - als Zeugen Christi 23 1 - Beitrag der H. zum Aufbau Europas 382 - der Slowakei 429-434 - Erbe der 948 - Europas 457 - Gemeinschaft der 357 - Zeugnis der 359-363, 392, 978 Heilige(n) Familie 4621,497 - als Vorbild 3251,3421,4961, 1113 - Fest der 2201 - von Nazaret 2201, 325 1,459, 462 Heilige(n) Schrift(en) 6, 148, 185, 647,713,9441, 1097 - grundlegendes Band der Einheit zwischen den Christen 647 1 - Maria im Licht der 186-189 - und Kirche 938 Heiliger(n) Geist(es) 103, 131, 188, 245, 287, 357,393,418, 540,698, 761,8121,835, 897, 901,905, 945 1, 977 1, 987,1096, 1383 - siehe auch: Geist - als Beistand/Paraklet 361, 485, 8121 - Apostel und 3601 - Führung durch den 3941 - Herabkunft des 389 1, 826 - innerhalb der Dreifaltigkeit 1033 - ist der Hauch des göttl. Lebens 140, 8161, 978 - ist Lebensquelle der Kirche 1033 1583 REGISTER - Kommen des 22, 390,978 - Kraft des 29,74,360,363,789, 851 f. - Sendung des 574 - Theologie vom 531 f. - und Maria 542 - und Ordensleben 12 f., 53-55 - Wirkendes 12 f„ 53-55, 74, 117, 360,418, 544, 599,1099 Heiliger(n) Stuhl(es) 861, 953 f., 963, 1023 - Delegation des Hl. S. bei der 4. Weltfrauenkonferenz 1051-1053 - diplomatische Beziehungen mit dem 477, 588 - dt. Botschafter beim 1000-1003 - und UNO 513 f., 548 f., 592 f. Heiliges Triduum 68-70, 791 Heiligkeit 405, 768, 798, 1330 f„ 1374 - aller Christen 364 f., 1373-1379 - allgemeine Berufung zur 23, 88, 102, 208,312, 364 f„ 391, 991 f., 1181,1360 f., 1443 - der Ehe 282 - der Kirche 11,152 - der Ordensleute 1375 - des Lebens 136,269,303-305, 307, 705-710, 909 - persönliche 11,304,765 - Sehnsucht nach 1116 - Streben/Sehnsucht nach 200, 1116, 1267 - Vorbild der 297, 364 - Weg der 34,597,885 - Zeugnis der 300-304 Heiligsprechung(en) 95-97,103, 122, 354 f., 363, 841 - der drei Märtyrer v. Kaschau 121 f. - Predigt bei den 359-363, 429-434, 1293-1296 Heiügste Dreifaltigkeit 65, 72,148, 350, 827 f., 880, 994-997 - Geheimnis der 66 - Hl. Geist innerhalb der 1033 Heiligtum/-tümer - Familie als H. des Lebens 660, 741,745-747 - inneres H. des Gewissens 677 f. - von Padua 1004 - von Pompei 1005 Heiligung 903, 1470 - des Sonntags 1161 Heilsbotschaft 524 - siehe auch: Frohb. u. Evangelium - immerwährende Jugendlichkeit der 421 - Verkündigung der 308 f., 532 Heilsdialog 420, 925 Heilsgeschichte 533, 827 f. - Maria in der 179,186-189 Heilsplan(s) - siehe auch: Plan Gottes - Gottes 78,86,135,206,551 - Leiden im 281 Heilsweg 474 - gebunden an Mittlerschaft Christi 100 Herz(ens/en) 37 f., 1040 f. - Bekehrung des 136,905,909,913 - Heiligste H. Jesu 103 Hierarchie - der Wahrheiten 918 - kirchliche 194,782 Hilfe - für Bedürftige 879 - für Bosnien 130 - Hilfsprogramme für Afrika 481 f., 504, 590 - Hilfsprogramme in Amerika 556 1584 REGISTER Hilfsorganisationen - Catholic Relief Services 556-558 - freiwillige H. der Frauen 143 f. - Vereinigung der H.werke für die Orientalischen Kirchen (R.O.A.C.O.) 1011-1013 Himmelfahrt - Christi 97 f. Hinduismus 306, 315, 1558 f. Hingabe 352 - an Christus/an den Herrn 54, 231, 322, 387 f. - an die Evangelisierung 599, 997 f. - an die Familie 867 f. - der ganzen Person/Ganzhingabe 7, 11,29,50, 867 - des Lebens 376,431 - Zeugnis der 39 f., 219, 599 Himichtung(en) - in Nigeria 190 f. Hirt(en) - der einzige/der Gute 107,154, 380, 853, 952 - des Volkes Gottes 764 f. - Papst als H. der Universalkirche 241 - Seelenh. 765 - Verkündigung Jesu Geburt an die 544 Hoffnung 523,532,957 - auf Auferstehung 721 f. - Botschaft der 97 f. - christliche 524 - Europa und H. (Eur-Hope) 454 - Jugend als H. der Kirche u. Gesellschaft 382 - Menschen der 454 - Zeit der 523 Holocaust 20 Homilie - bei Seligsprechungen 300-304, 317-322 Homosexualität 1519 f. Hospitalorden - der Barmherzigen Brüder 604 f., 641-644,1288-1290 Hospiz - für die Armen 879 Humanismus 424 - christlicher 347, 1043 Humanwissenschaft(en) 613 Hunger 482,1092,1199-1203 Hymnus/Hymnen - liturgische 822 IAO - Intemation. Arbeitsorganisation 1555-1557 Ideal(e) - des religiösen u. missionarischen Lebens 402 - Einsatz für höchste 234 f. Identität(s) - der Frau 109 - des Priesters 1216,1464-1467 - Grundlagen der 379 - I.krise 501 - katholische 561 - kulturelle I. der Völker 108,171 Ideologie(n) - des Nationalismus 171 - gewaltbereite 453 - totalitäre 979 Individualismus 418, 676 Industriegesellschaft 328 1585 REGISTER Inkulturation 236, 270, 287,476, 818, 837,1182,1429-1443, 1469, 1531 f. - als Aufgabe der Kirche /der Verkündigung 469-471,1395-1404 - der Frohen Botschaft 107, 469 - der Liturgie 1101,1396 f„ 1402-1404 - des Evangeliums 117,166,1398 f. - des Glaubens/der Glaubensformen 501,581,960, llllf., 1398 f. - Evangelisierung und 1094-1107 - in den Ortskirchen 108, 1439 f. Institut(e) - - siehe auch: Ordensinstitut(e) - charismatisches Erbe der einzelnen 214 - des gottgeweihten Lebens 881-884 - für Bioethik 752 - für Klinische Medizin der Kath. Uni Sacro Cuore (Rom) 1272-1275 - laikale 39 - Ökumenisches I. von Bossey 610 Institution - Familie als 623 Instruktion - Donum vitae 705 f. Integration(s) - I.prozeß unter den Völkern 37 f. - soziale 46 f. Intellektuelle 751 Intimität 1503 Intoleranz 298, 378,453 Islam 306,315,483 - Dialog mit dem 637, 1050 f., 1102 Israel(s) - Befreiung 789 - Geschichte 701 Jahr(e) - 2000 J. Christentum 97, 243,456 - Heiliges J. /Großes Jubelj. 2000 62, 272, 358, 373, 634, 987 f„ 1325,1329 f. - Jahresabschluß 1322-1325 - Nachkriegsj. 865 - Vorbereitung auf das Jubiläum des J. 2000 48, 627, 986-990, 1049 J ahrfeier/J ahrestag - 25. J. der Promulgation des erneuerten Ritus der Jungfrauenweihe („Virgines consecratae“) 983-986 - 30. J. der Apostolischen Konstitution Gaudium et spes 1228-1234 - 30. J. des Konzilsdekrets Presbyterorum ordinis 1213-1217 - 50. J. der Beendigunc des Zweiten Weltkriegs 84,105 f., 516, 859-866, 979, 991 f„ 1000,1057-1060 - 50. J. der Gründung der FAO 1199-1203 - 50. J. der Gründung der Pax-Christi-Bewegung 979-982 - 50. J. der Gründung der UNESCO 1183-1185 - 50. J. der Gründung der UNO 523, 592 - 200-Jahrf. der Geburt des hl. Vinzenz Pallotti 797-801 - 350-Jahrf. der Union von Uzhorod 762-764 - 400-Jahrf. der Erzdiözese Manila 225 f„ 235,251-255 - 400-Jahrf. der Union von Brest-Litowsk 759-762,1236-1246 - 500-Jahrf. des Gründers des Ordens der Barmherzigen Brüder 604 f. - 700-Jahrf. des Hl. Haus von Loreto 1005 1586 REGISTER - 1000-Jahrf. der Taufe der Rus' 929 - 1600. J. des Paulinus v. Nola 878-881 - Lauretanische 700-J. 210 Jahrtausend - drittes 261,271,551 Jerusalem 1038 - das neue 758 f. Jesus(Jesu) Christus(Christi) 3, 10, 243 f„ 267, 603, 651, 685 f., 757 f., 824 f„ 978, 920 f„ 998,1381, 1441 f. - als dreifach Gesalbter 786 - als Gotteslamm 380, 853 - als Haupt der Kirche/des mystischen Leibes 494 - als Lehrer u. Arzt 651,699 - als Leib- u. Seelenarzt 699 - als Wegbegleiter 452 - Auferstehung 71,75,228,244, 288, 301, 374, 529, 533, 537, 994, 1046 - Beziehung zwischen J. Chr. und Priestern 204 f. - Blut 678 - Brüderlichkeit in 912 f. - das Licht der Welt 8, 70,177, 257, 470, 620 f„ 795 - das Orientale Lumen 840 - der Diener 784 - der einzige u. Gute Hirt 107, 154, 380, 853, 952 - der erste u. größte Evangelisator 1013 - der Menschensohn 65 - der Messias 475,496,771,786 - der Priester 776, 778 f. - Erlösung durch/Erlösungsopfer/der Erlöser 17, 30 f., 117, 254, 369, 533, 793, 798, 988 - erster Verkünder des Evangeliums 581,733,1013 - Fasten J. in der Wüste 637-641 - Gebet 6, 125, 357-360, 610,1042 - Gegenwart 30, 299, 528,1054 f. - Gehorsam 463 f., 1042 - gekreuzigter 722, 867, 887 f. - Glaube an 373, 393,417 f„ 682, 1185 - Gottessohnschaft 161,216, 787 - Gottheit 148,393,976 - Gottvater und 257, 367 - Grab 795-797 - Haltung J. Chr. gegenüber Frauen 1024 f. - Heiligste Herz 103 - Hingabe an 54, 231, 322, 387 f. - in J. erfüllt sich das Gesetz 701 - ist das Heil der Welt 120, 882 - ist das menschgewordene Wort 29, 87, 177, 217, 318, 474 - ist das Wort des Lebens 417, 682 f., 685, 700, 807, 822, 998 - ist der einzige Mittler 100 - ist der Erstgeborene der Toten 797 - ist der Weg zum Heil 99-102 - ist der Weg, die Wahrheit u. das Leben 87,234 f„ 318,352,417, 682, 772, 792, 998 - ist derselbe gestern, heute u. in Ewigkeit 104, 245 f., 261, 417, 454, 959 - ist die Antwort auf grundlegende Fragen 234 f., 553, 586 f. - ist die Auferstehung u. das Leben 682 f„ 783, 796 f„ 998 - Jesu Weg nach Jerusalem 587 - Königsherrschaft 1043 - Kreuz/Kreuzesopfer 69, 73 f., 378 f., 533,616-619, 757,791, 793, 813 - Kreuzweg 790-793 - lebt die Armut 686 1587 REGISTER - Leiden u. Sterben 618,791 - Liebe 17,351,776,984 - Liebe zu/Christusliebe 30, 742 f. - Liebesgebot 15, 17, 246 f., 404 - Menschwerdung 10, 73, 107, 247, 373, 456 f., 542, 656, 689, 757 f., 1098 f. - messianische Verkündigungstätigkeit 637 f. - Missionsauftrag 472 - Mysterium 793 - mystischer Leib 30, 34, 86,231, 245,275,418,778,880, 907 - Nachfolge 5-8,11,29,50,53, 214, 219, 229, 248, 260, 595, 628 f., 845 f„ 883, 984, 1153 f. - Ordensleute und 6 f., 12 - Priestertum J. Chr. (ewiges) 414, 786, 875,1007 f. - Realpräsenz 944 f. - Ruf 213,230,764,897 - Sendung/Heilss. 574, 685, 690, 699, 997, 1381 - Sieg 865 f. - Taufe 10 f., 586 - Tod/Opfertod 73,228,288,301, 374, 529, 602, 686,702 f„ 900, 1008 - Treue zu 409,413,431,445,546 - und Jugend 256-262 - und Kirche 51, 77, 85,100, 153, 494, 637, 984,1047 f. - und Maria 179,206,211 f„ 776-785,1030 - und seine Apostel/Jünger 11, 16 f., 21 f., 73,77,417 f„ 791 - wahrer Gott und wahrer Mensch 216 f„ 267 - Wahrheit 555,1043 - Wille 153,954, 956 f. - Worte 21f.,60f.,85,107,117, 183, 228 f„ 243, 351 f„ 357-360, 363,389,432,533, 685 f., 789, 791, 976 - Zeugen 22-24, 281,-338 f., 361, 363, 431 f„ 436, 598-600, 789, 791, 882, 978, 998,1038 f. - Zeugnis geben für 343 f., 554, 1034,1136 - zu verkünden 87, 249 f., 267,581, 733 f„ 988 Jubiläum - 50. Gründungsj. der UNO 532, 592 - lOOOjähriges J. des Martyriums des hl. Adalbert 355 - das Große J. des Jahres 2000 48, 94, 303, 314 f„ 400,460, 557, 634, 986-990, 1021 f„ 1143 f., 1427 f., 1449,1554 - des Evangelisierungswerkes der hll. Cyrill u. Methodius 928 f. - Priesteq. 884-886 - von Radio Veritas 249-251 Juden 20 - Dialog zwischen kath. Kirche und 560, 609 - und Christen 608 f. Jünger 64 - Aussendung der 1035 - Einheit der 125 - Gemeinschaft der ersten 243 - Jesus u. seine 16 f., 73,417 f., 791 - Mission der 1038 Jugend 452 f„ 1015,1271,1516-1521 - Afrikas 501,1130 f. - Brasiliens 1412 - christl. Erziehung der 41,310, 1119 - europäische J.wallfahrt nach Loreto 772 f. - Europas 451-454 - J.katechese 398 - Jesus Christus und die 256-262 - Kreuzweg der J. in Manila 228 f. 1588 REGISTER - Neuevangelisierung durch die 396 - Perspektivlosigkeit der 234, 242 - Roms 767-769 - Sonntag der 772 - Treffen mit der 96 - und Kirche 24, 239, 261 f., 382, 497, 846 - Vorbild für die 283,767-769 - Welttag der J. (10. in Manila) 14 f., 21-25,226 f., 235, 241-249, 255 f„ 261, 277, 279, 500, 541, 597, 621, 670,767, 770-773, 845, 1448 - Zeit der 452,845 Jugendforum - 5. Internationales 230 Jugendliche(n) 14 f., 26, 67, 175, 242, 263, 366-370, 402, 415-419, 1119,1162,1512-1516 - als Apostel für Gleichaltrige 502 - als Baumeister/Boten des Friedens 453,459 - als Werkzeuge 352 - amerikanische 551 - Berufung der 1516 f. - Botschaft an die 228 f., 387, 452-454 - der Philippinen 227, 234, 259 - Eucharistiefeier mit J. in Loreto 454-458 - Europas 451-454 - im Dienst am Leben 453 - in Brasilien 1412 - Neuevangelisierung durch 10 f. 382, 416 - von Trient 349-352 Jugendpastoral 845-849, 1119, 1412-1419 Jugendtreffen - Europäisches J. (Loreto 1995) 451-454 Jungfräulichkeit - als Gabe Gottes 984 f. - Berufung zur 1493-1495 - gottgeweihte 51, 206 f., 984 - Marias 19, 50, 59,145,160-162, 211 f., 441 f., 985 f. Kammillianer/-innen - Ordensgemeinschaft der 892-895 Karfreitag 69,790-793 Karmel 1148-1150 Karmelitenorden 1148-1150 - Nazaret-Kloster der Unbeschuhten Karmelitinnen. 460-462 Katechese(n) 310, 346, 594,1331 f. - erstes Element einer Neuevangelisierung 236 - Erwachsenenk. 423 - Jugendk. 398 - über die Kirche 63 Katechet/Katechist(en) 277, 283, 502,1118 Katechismus 598 f. - Baltimore Catechism (1884) 550 f. - der Katholischen Kirche 216,398, 548, 611 f., 662,1331,1427 - Erwachsenenk. 960 Kathedrale - der hl. Lucia geweiht 308 - Herz-Jesu-K. von Newark 509 - St.-Patrick-K. (New York) 545 - von Baltimore 558 - von Trient 335, 343 Katholik(en) - afrikanische 166 - amerikanische 553-555 - chinesische 240 f. - der Philippinen 253 - des byzantinischen Ritus 436-440, 1589 REGISTER - Frankreichs 1309-1311 - im öffentlichen Leben 1126 - Juden und 609 - Kameruns 467 - und Orthodoxe 1554 - von Sri Lanka 310 f. Katholische Aktion 20 Katholizismus - Geschichte des amerikanischen 559 Katholizität 64,72,812 - der Kirche 424 f. Keuschheit - als Selbsthingabe 1485 - eheliche 1486 f. - Erziehung zur 1487-1489, 1492, 1501 f., 1507 f. - evangelischer Rat der 54 - gottgeweihte 30,51 - jungfräuliche 207 - Tugend der 413 f., 1478 f. - wahre Liebe und 1480-1489 Kind(er) 463,696,1211 - Ausbeutung von 967 - Brief an die 462 - Eltern und 1504, 1527 f. - Entwicklung des 1510 - Erziehung der 570,746 - in Krisensituationen 965 - Kindestötung 668 - Recht des 534 - sind eine Gabe des Herrn 745-747 - Straßenk. 1341 - Symbiose/Urbeziehung von Mutter und 448,570,870 - ungeborenes 174, 672, 696 Kinder Gottes 71,475, 542 f., 690, 779 - durch die Taufe 10,1361 Kindheit 1510-1512 Kino - K.film 649 f., 972-975 - Werkzeug für die Evangelisierung 975 Kirche(n) - als Familie 111, 177, 470, 484, 499,1100,1115-1117 - als Leib Christi 165 - als Sakrament (der Einheit) 33, 528, 610, 628, 899 - als Sauerteig des Evangeliums 24, 298, 396 - als Sprecherin des menschl. Gewissens 525, 614 - als Volk Gottes 21 f., 782 - Aufgabe der 77 f„ 420,469-471, 870,1014 f. - Auftrag der 77,85,267,288,499, 1447-1451 - Autorität der 614 - außerhalb der K. gibt es kein Heil 101 - Berufung der 732, 761, 1015, 1140 f. - braucht glaubwürdige Verkünder 797-801 - der Reformation 841 f., 937 - Dienst der 486, 560 - Einheit der 117,153-155, 813 f., 829-831, 835,1242 f., 1387-1395, 1440 - einzige u. universale K. Christi 106,165, 403, 834, 903,948 f. - empfing das Erbe des Petrus 476 - Evangelisierungsauftrag der 111-113,470,1449 - Frau in der 156 f., 1460 - Gebet der 823 - Gebet für die 7, 358 - Geheimnis der 66,177 - Gemeinschaft aller 953 f. - Geschichte der 96,297, 830 - Glaube der 935,1262-1265 1590 REGISTER griechisch-katholische 436, 760, 1236-1246, 1452-1454 Heilige Schrift und 938 Heiligkeit der 11,152 Hierarchie der 194, 782 Hl. Geist ist Lebensquelle der 55, 1033 im Dialog mit den Juden 560, 609 im Dialog mit den Muslimen 560 im Plan Gottes 72,438,499 in Afrika (siehe: Apostol. Schreiben: Ecclesia in Africa) 1065-1145 Jesus Christus und die 51,77, 85, 100,153,494,637, 984,1047 f. katholische (eine heilige k. u. apostolische) 128, 154, 373,466, 560, 836 f., 898, 902, 932, 1032 f. Katholizität der 424 f. konziliare Sicht der 177 lateinische 835 Lehramt der 102, 148 f., 709, 919, 944 f. Lehre der 85 f„ 102, 137, 148 f. Maria als Mutter der 120,157-160, 173, 191, 208, 212, 256, 389, 428, 556, 1030, 1047 f., 1144 f„ 1245, 1301 Maria als Urbild/Ikone der 144 f., 156 f., 212, 986 Martyrologium der 281,432 f., Mensch/Menschheit und 101, lllf., 581,657,1177-1180 Metropolitank. 251 missionarisches Wirken 74 f., 85-87,91,102, 111, 811,1442 Missionsauftrag der 12,72-75, 249, 319 f„ 578 f., 843 Missionstätigkeit der 12, 80-83, 91 Morallehre der 399 f., 1406 Mutterschaft der 756 f. - ökum. Verpflichtung der kath. 125-128, 899-920 - Ökumen. Rat der 15, 841 f. - orientalische 9, 140-143, 644 f., 811-840, 926 f„ 1012 - orthodoxe 373,436 f., 835-837, 903, 932,1022, 1032 f. - Ostk. 122,811-840,931,933, 1240 - Reform der 344 f. - Schwesterk. 930-932 - Sendung (universale) der 63-66, 72, 76, 87, lllf., 271, 361, 578, 584, 685, 882, 1094 f., 1294 f„ 1345 f„ 1543 f. - Solidarität der K. mit der Welt v. heute 1229 - Sorge der K. (um Kranke,...) 616, 620, 657, 805 - Soziallehre der 314,414,424, 873, 1150-1153,1274, 1344-1351, 1445 f. - Spaltungen in der 344,471 - Spannungen innerhalb der 27, 437 - Tradition der 706 f. - Überlieferung ist Erbgut der 472, 818 f. - ukrainisch-griechisch-katholische 760 f.,1268-1271 - und Gesellschaft 236 f., 420,424, 483, 529, 1447-1451 - und Jugend 24, 239, 261 f., 382, 497, 846 - und Ordensinstitute 13,299, 883 - und Sinti u. Roma 992 - und Welt 181 f„ 1177,1229 - Universalität der 1075,1294 f. - Verfolgung/Unterdrückung der 19, 120-123, 320, 354, 356, 436 f., 761 - Verkündigung der Frohbotschaft durch die 648 f., 797-801 1591 REGISTER - Verschiedenheit u. Vielfalt der Christi. 116 f„ 295, 479 - von Rom 626, 634-636, 835 f., 927, 951, 1022 - Wahrheit über die 400 f. - Weg der 900-904 - Wesender 12,72-75,822,829 - Zugehörigkeit zur 101,636 - Zukunft der 269 Kirchengeschichte 343 f. Kirchenrecht 613 Kirchenväter 473, 879 Klausurschwester(n) 415, 460-462 - siehe auch: Kongregation, Orden, O.gemeinschaft,... Klerus 39,412-415 - Ausbildung des 422, 1453 f. - Kongregation für den 1213-1217, 1284-1288,1463-1476 - römischer 633-637 Kloster/Klöster 636, 820 f. - des hl. Hippolyt 416 - Nazaret-K. der Unbeschuhten Karmelitinnen 460-462 - St. Gabriel v. d. Schmerzhaften Mutter der Passionistinnen 460-462 Kodex 591 - des kanonischen Rechtes 957 Königtum - Gottes 875 koinonia 118,438,610,948 Kollegialität - der Bischöfe 194, 628, 1073 f. Kolumbusritter 1227 f. Komitee(s) - Amerikanisches Jüdisches 608 f. - für Bioethik 752 - Päpstliches K. für Internat. Eucharist. Kongresse 886-888 - Zentralk. für das Große Jubiläum 986-990 Kommission(en) - 1. Vollversammlung der Päpstl. K. für die Kulturgüter 1177-1180 - 4. Vollversammlung der Päpstl. K. für Lateinamerika 1013-1016 - Dialog-K. 944 - Internat. K. des Franziskanerordens für die Beziehungen zu den Muslimen 1050 f. Kommunikation - Formen der sozialen 1134 f., 1365 Kommunikationsmittel - als wertvolle Instrumente der Evangelisierung 92 - Bedeutung der 972 - Evangelisierung der Welt der 1135, 1235,1365 - Päpstl. Rat für die Sozialen 648-650 - soziale 92, 98,1092 f„ 1106 f„ 1134-1136 - Verantwortung im Gebrauch der 98, 974 - Welttag der Sozialen 98, 649, 972-975 Kommunion - Interk. 141 Konferenz - 28. K. der Emährungs- u. Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen 1199-1203 - 4. Weltfrauenk. in Peking (UNO) 109,156 f„ 459, 572, 963-968, 1023, 1051-1053, 1547-1551 - Europäische Stabilitätsk. (Paris) 1551 f. - Intemation. Arbeitsk. (Genf) 1555-1557 1592 REGISTER - Intonation. K. des Päpstl. Rates für Pastoral im Krankendienst 1274-1278 - über katholisch-lutherische Beziehungen 646 f. - Weltgipfelk. für Soz. Entwicklung (UNO) 43 f., 46-49, 592,1539-1547 Konflikt(s/e) 27, 616 - auf dem Kaukasus, Tschetschenien 589 - ethnischer K. in Sri Lanka 128, 307, 316 - in Afrika 589 - in Ekuador u. Peru 31 Kongregation(en) - siehe auch: Orden, Ordensgemeinschaft, ... - 34. Generalk. der Gesellschaft Jesu 577-582 - der Augustiner-Rekollektinnen 851, 868 - der Barmherzigen Schwestern v. der hl. Johanna A. Thouret 890 f. - der Hl. Herzen Jesu u. Mariä 102 f. - der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria 1293-1296 - der Schwestern von der Immakulata 850, 867 - der St. Josefs-Schwestern v. Heiligsten Herzen Jesu 23, 295, 297, 300-304 - der Töchter v. Heiligen Herzen u. v. den Hl. Engeln 599 - des Heiligsten Herzen 401,404 - für das Kath. Bildungswesen 1249-1253 - für den Klerus 1213-1217,1284-1288, 1463-1476 - für die Evangelisierung der Völker 807-811, 1181 f. - für die Glaubenslehre 1262-1265, 1457-1462 - Maria in den Ordensk. 192 - Missionsk. der Dienerinnen des Hl. Geistes 851, 868 Kongress(es) - 4. Internationaler K. über Sinti- u. Roma-Pastoral 990-992 - des Hospitalordens der Barmherzigen Brüder (Fatebenefratelli) 1288-1290 - Eucharistischer 886-888 - Internat. Universitätsk. „Univ“ 95 773-775 - über Säkularimus und Religionsfreiheit 1296-1299 Konsum 421 - K.gesellschaft 350 Kontemplation 5-8, 52,401 - ganz auf K. hingeordnete Ordensinstitute 6 f., 50, 310 Kontinent(e) - afrikanischer 474, 495, 504 - asiatischer 305 Konzentrationslager(n) 991 - Auschwitz 20 Konzil(-ien) - die ersten 934 - Erstes K. von Konstantinopel (381 n. Chr.) 140 - Lehren der ökumenischen 140 - von Jerusalem 361 - von Chalkedon (451 n. Chr.) 140 - von Ephesus (431 n. Chr.) 140, 162,179 - von Konstanz (1414-16) 517 - von Nizäa (325 n. Chr.) 140 - von Trient (1545 n. Chr.) 343-349, 335-337, 652 f. - Zweites Plenark. der Philippinen 236 1593 REGISTER Konzilsdekret - über den Ökumenismus 902 f., 914 f„ 917 - über die Eucharistie (Trient) 345 f. - über die Rechtfertigung (Trient) 345 - über die Sakramente (Trient) 347 Konzils väter 212 Kranke(n) 57, 341, 392 f„ 605, 641 - Diener der K. (Kamillianer) 892-895 - Dienst an den 398, 599 f., 893 f., 1288-1290 - K. pflege 742,1277 - Leprak. 20,391-393 - Sorge der Kirche für die 616,620 - unheilbare 668, 741 - Welttag des 616-622,750 f. - Wortgottesdienst für die 288 Krankendienst - die im K. Tätigen 392 f., 742, 1277 - Päpstl. Rat für die Pastoral im 605, 616 f., 1275-1278 Krankenhaus/Klinik 741 f. Krankenpastoral 392 f., 604 f., 618 - siehe auch: Gesundheit, Krankendienst Krankheit 616, 698, 894 f., 1235 Kreuz(es) 499, 617, 651, 702, 792 f„ 897 - Apostel ein Zeuge des K. Christi 1038 f. - auf sich nehmen 229, 791 - des Weltjugendtages 243 - Evangelium des 533 - Jesu Christi 378-380, 533,537, 616-619,757,791,793,813 - K.Verehrung 790 f. Kreuzesopfer - Jesu Christi 69, 73 f., 791 Kreuzigung 702 Kreuzweg - der Jugend in Manila 228 f. - Jesu Christi 790-793 Krieg(s) 457,482,591,666,681, 858, 995,1092, 1209,1232,1316, 1547 - siehe auch: Erster/Zweiter Weltk. - Atomk. 859 f., 1041 - Bruderk. 4, 56 f., 163 - Gewalt des 572 - in Afrika 1131 f. - in Bosnien-Herzegowina/auf dem Balkan 66,83,89,139,155 - in Kroatien 155 - Kalter 516,861 - Kultur des 855 f. - Opfer des 995, 1041 - Religionsk. 841 Krippe 585 f. Krise(n) - der Familie 571 - des sittl. Bewußtseins 242, 710 - Identitätsk. 501 f. - Kulturk. 665 - Zivilisationsk. 1450 f. Kultur(en) 24, 174 f„ 424, 519 f„ 723, 973 - Achtung vor anderen 519, 817 f. - afrikanische 1087 f. - Aufbau einer K. in Afrika 492 - christliche 411 - der Liebe 1002,1410 f. - des Evangeliums 453 f. - des Friedens 625 f., 860, 981, 1060,1184 f. - des Krieges 855 f. - des Lebens 57, 535, 674, 681, 702, 732-755, 796, 894, 981,1000-1003, 1147 f., 1173, 1274 f. 1594 REGISTER - des Todes 56 f., 665 f., 672, 674, 679, 681, 702, 718, 748, 864, 885, 1002,1410 f. - echte Werte einer 108,461 - Entwicklung einer neuen 92,423 - europäische 456 f. - Evangelisierung der modernen 988 - Glaube und 234,453,960,1183-1185 - handwerkliche 328 - ist das Leben der Menschen selbst 768 f. - K.förderung 1203-1207 - K.güter 1177-1180 - K.krise 665 - Kinofilm als K.träger 972-975 - Reichtum/Vielfalt der 113,278, 296 f„ 305, 419,518 f. - Weltk. 138 f. - Zersetzung der menschlichen 657 Kulturelle Wende 748-754 Kunst 649 - Filmk. 648-650 - K.schätze/Sakralk. 1177-1180 Laie(n) - Aufruf an die 259 - Ausbildung der 422, 1349,1365, 1468 - Berufung der 209 f., 642, 1443 - christl. L. als Sauerteig der Gesellschaft 310 f., 1355 - Gaben u. Charismen der 209 f. - in Afrika 1093 f. - Laienbewegungen 422 - missionarische Tätigkeit der 809 - Päpstl. Rat für die 230 - Priester und 1468 - Priestertum aller gläubiger 783 f., 1030,1361-1366 - Weiterbildung der 423 f. - Wirkender 209 - Zusammenarbeit von Priestern, Ordensleuten und 314 Laienapostolat 277,1361-1366 Laienbrüder - gottgeweihtes Leben der 38-41 - und Kleriker 39 Laienorden - Hospitalorden der Barmherzigen Brüder 641-644 Land(es)/Länder - arme 669,1541 f. - christliches 274 - des Balkans u. Kaukasus 864 - in den Bergen (Trentino) 336 - Missionsländer 1181 f. - nordische u. skandinavische 941 - reiche, entwickelte 669,671 Landminen 981 Leben(s) 244, 350 f., 388, 437, 656, 699,702 - Achtung des menschl. 28,487, 543, 691 f„ 706, 727, 731 f. - als Geschenk 67,241,690,1482 - Annahme/Weitergabe des 176, 694 f. - Bedrohung des/Angriff auf das 62 f„ 617, 657-659, 664 f., 670 f„ 686,712, 722,757 f. - Bewegungen (zur soz. Sensibilisierung) für das 680, 1171-1174 - christl. Botschaft über das 682-703 - christliches 366, 421, 529, 939 - dem Menschen anvertraut 705 - Dialog des 471 - Dienst für das/am 11, 453, 733, 1146 - Enzyklika: Evangelium Vitae (Wortlaut) 655-759 - Erneuerung des christlichen 285,423 1595 REGISTER - Evangelium des/vom 56 f., 67 f., 71,75, 362, 497, 501,538, 655-759, 795, 961 f., 1277 - ewiges 3 f„ 30, 230, 241, 245, 282, 655, 690,704,737 - Fülle des 689, 794 f. - für die Sache Christi hingeben 376, 430 - Gesetz vom 701 - Glaube und 908, 1273 f. - Gott allein ist Herr des 705, 707 - Gottes 690, 703, 794 f. - gottgeweihtes 4-8,11-14,28-31, 38-41,49-52,177, 214, 299, 301, 546, 600-604, 893, 1092, 1454 - hat Ursprung in Gott 696, 737 - Heiligkeit des 136,269,303-305, 307,705-710, 909 - im Alter u. im Leiden 698 - in Gemeinschaft 34 f. - ist ein Gut 684, 687 - J. Chr. ist/hat Worte des 417, 682 f., 685,700, 807, 822, 998 - kontemplatives 460 f., 850 - Kultur des 57,535,674,681,702, 732-755,796, 894, 981,1000-1003, 1147 f„ 1173, 1274 f. - L.entwurf 1516-1521 - L.freude 691 f., 768 - L.qualität 676 - monastisches 878,931 - nach den evang. Räten 29 - neues 227,271,309,338,418, 429,470, 541,553,655 - Päpstl. Akademie für das 751 f., 1258-1262 - Qualität des 681 - Recht/Grundrecht auf 398, 530 f., 561, 572, 659,673, 710,727, 963-968, 996 - sakramentales 397 f. - schmerzvolle Verlängerung des 718 - Sieg des L. über den Tod 245, 679,758 f. - Sinn des 96, 233, 242, 292, 685 f., 701 f., 993 - Tag für das 27 f., 738 - Unantastbarkeit des 659 f., 692 f., 705-710, 727 - und Freiheit 749 - Verbindung zwischen Evangelium und 453, 734 f„ 885 - werdendes 57, 501, 696 - Wert des 57,400, 659 f., 664-670, 683, 691, 699 f. - Zeugnis des 1094 f. - Zivilisation des 680 f. Lebensbedingung(en) - bedrohliche 623 - unmenschliche 657 Lebenshilfe - Zentren für 679 Lebensschutz 56 f., 62 f., 71, 176, 237 f., 530 f„ 696,1171-1174 lectio divina 401 Legalisierung - der Angriffe auf das menschl. Leben 671 Legitimation - der Kindestötung 717 Lehramt(s) - authentisches L. der Kirche 102, 148 f„ 709,919, 944 f. - Autorität des 1262-1265 - Unfehlbarkeit des 1263 Lehre(n) 149,907 f. - definierte L. der ökumenischen Konzilien 140 - der katholischen Kirche 85 f., 102, 137,148 f. - des Filioque 1033 - des hl. Thomas v. Aquin 727 1596 REGISTER - des Zweiten Vat. Konzils 127 - marianische 186-189,201,203, 210-213 - Morall. der Kirche 399 f„ 1337, 1406 - Predigt der christlichen 599 - Rechtfertigungsl. 345, 646 f., 652 - über das geweihte Amt 346 - über die Übereinstimmung des staatl. Gesetzes mit dem Sittengesetz 726 f. Lehrer 134,242,751 - Ausbildung der Religionsl. 1414 f. - Bischöfe als authentische L. des kath. Glaubens 312 - der christlichen Wahrheit 880 - Eltern als erste L. im Glauben 259 f„ 320 Leib(es) - Aufbau des 285, 312, 551 - Einheit des 117 f., 394, 880 - Kirche als 165 - Leiblichkeit 823 f. - mystischer L. J. Chr. 30, 34, 86, 231,245,275,418,778, 880,907 Leid(en) 392 f„ 402, 620 f„ 668, 676, 698, 717,721 f., 750, 862 - annehmen 288 f. - im Heilsplan Gottes 281 - in Sri Lanka 307 - menschliches 288, 530, 617 - Sinn menschlichen 288 f., 392 f., 750 f. - u. Sterben J. Chr. 618,791 - Wert des 281, 617 f. Leidender(en/e) 605 - Sorge für die 288 Leitbild(er) - sittliche 233 Licht 1312 - J.Chr. das L. der Welt 8f.,70, 177, 257, 470, 620 f„ 795 Liebe 299, 360, 392,433, 435,499, 541, 586, 740, 691 f., 977, 1308 f., 1321 - als Geschenk Gottes 1478 - als Selbsthingabe 1480 f. - apostolische 5-8 - Berufung zur 242, 749,1480 - besiegt alles 596 - Bruderl./brüderliche 399,445, 876 f. - eheliche 1483 f„ 1491 - Eigenl. 707 - Erziehung in der 1500-1502, 1524-1526,1531-1534 - Erziehung zur 750, 1507 f., 1526-1531 - Evangelium der 497 - gemäß dem Evangelium 852 - Gesetz der 733, 999 - Gott ist 105 f., 891 - Gottes 216,656,799,869,976, 1393 - ist Quelle der Einheit 977 - Jesu Christi 17,351,776,984 - Kultur der 1002,1410 f. - Menschenl. 693,742 f. - Mutterl. Mariens 179, 207 - trinitarische 849 f. - und Gesetz 826 f. - und menschliche Geschlechtlichkeit 1481-1483 - wahre L. u. Keuschheit 1480-1489 - Werk der 876 - Zeugnis der 837 - Zivilisation der 31, 171, 227, 452, 524, 580, 587, 680 f., 865, 1025, 1112 - zu den Armen 301,800 - zu Gott 30 f., 447, 706, 884 - zu Jesus Christus 30 f., 742 f. 1597 REGISTER Liebesgebot(es) 15, 17, 246 f., 404 Litanei - Lauretanische 454 f. Liturgie 6, 189 f., 218, 819 f„ 823 f„ 923 f., 1053-1055,1116 f., 1370, 1392,1396 f. - auf dem schwarzen Kontinent 477 - der Darstellung des Herrn 600 f. - der orientalischen Kirchen 141, 816 - der Ostkirchen 837 - Inkulturation der 1101,13961, 1402-1404 - römische 1401 - Zyklen der litur. Lesungen 923 f. Lobpreisung - Werk der 875 f. Macht - des Bösen 757 f. - des Geistes 64, 948 - Gottes 393, 691 - Sünden zu vergeben 389 Mädchenhandel 657 Märtyrer 272, 283-285, 289, 362 f., 376, 378,432 f. 438, 457, 792 f„ 817,947,1094 f„ 1242 - als treue Zeugen 281,431-436 - als Vorbilder 434-436 - erster eingeborener 283 - für die Versöhnung 42 f. - Stephanus 219 - von Kaschau 121 f., 429-434 - Zeugnis der 359-363, 392 Märtyrertod 42, 282, 374 f., 947 Magnifikat 188, 436, 443, 543, 885, 1046 Malteser - Hilfsdienst 1234 f. Mann(es/Männer) - als Ehepartner u. Vater 1549 f. - kulturelle Möglichkeiten des 138 - und Frau 114 f., 124, 205,495, 568 f., 1027 f., 1342 f., 1460 - Würde des 1113 Maria(s) 203, 218, 246, 342, 352, 359, 454 f„ 488, 555, 755, 757, 817,945, 1048,1302 f., 1460 - als Braut Christi 1030 - als das Urbild/Ikone der Kirche 144 f„ 156 f„ 212, 986 - als Ersterlöste 144 f. - als Gottesmutter (Theotokos) 3 f., 15,57,120, 140 f„ 159-162,179-181, 206, 210,218 f„ 235, 326, 428,436, 439-442,456, 756, 777, 1039,1299-1301 - als Schmerzensmutter (Pieta) 180, 198, 331 f., 426,428 - als Vorbild (im Glauben,...) 27, 59 f„ 128 f„ 178, 256, 342 f„ 555, 573 - Anwesenheit im Abendmahlssaal 158 f„ 256, 426, 982 - Aufnahme M. in den Himmel 144-146,10454048 - Bildnis M. von Jasna Göra 441 - der Stern der Evangelisierung 167, 273 - die Magd 784, 1029 - Dogma der Unbefleckten Empfängnis 186-189 - Dogma von der leibl. Aufnahme in den Himmel 186-189 - Fest der Aufnahme M. in den Himmel 144-146,1045-1049 - fiat/Ja 19, 50, 59,179, 196, 206, 332, 387,460, 542,575 - Gehorsam 59 f., 333 - Glaube/Glaubensweg 59 f., 196-198,442 - Heiliger Geist und 542 - Idealbild der Frau 145, 156 f., 202,1029 1598 REGISTER im Licht der Hl. Schrift/in den Evangelien 186-189 im Plan/Heilsplan Gottes 59,129, 197, 202, 205-207,212, 756, 1049 Immakulata 1299-1303 in der Apostelgeschichte 158 f. in der Gemeinschaft der Apostel 428 f. in der Heilsgeschichte 179,186-189 in der Theologie 186-189 in der Urkirche 126,160-162 lesus Christus und 179,206, 211 f„ 776-785,1030 Jungfrau (und Mutter) 19, 50, 59, 145, 160-162, 211 f., 441 f., 985 f. Königin des Friedens/des Himmels 32 f„ 84, 106, 145, 151, 364, 383, 395 f., 429,443,488,1046 lehrt die Gemeinschaft der Gläubigen 196 f. M.gebet/Ave Maria/Rosenkranzg. 162, 167 f„ 191, 428,440,542, 547, 758 f„ 1045,1144f. Magnifikat/Lobgesang 188,436, 443, 543, 885,1046 mütterliche Fürsprache 9, 94,145, 198,210, 212 f. Mutterder (Hoffnung,...) 180, 489,1245 Mutter der Kirche 120,157-160, 173,191,208,212, 256, 389,428, 556,1030,1047 f., 1144 f„ 1245, 1301 Mutter der Menschheit 179-181 Mutterhebe/Mutterherz 179,207 nach der Lehre des II. Vat. Konzils 210-213 neue universale Mutterschaft 60 f., 126, 159, 180,212, 427, 756 f. ohne Erbsünde 555 Schrift: Mariale 181 - Schweigen 197 - Sendung 158,1039 - und Elisabet 440 f., 543, 697 - und Ordensleute 58-61,192 - Unsere Lb. Frau vom Berge Karmel 449 - Unsere Liebe Frau von Lourdes 620 f. - unter den Schutz 429 - Verkündigung an 10,440, 542, 1045 Marienandachten 192, 387 f. Marienbild(er) 198 Marienheiligtum(-tümer) 193,426, 443,455,1046 - siehe auch: Wallfahrtsorte - am Hl. Berg (Svaty Kopecek) 96 - der Heimsuchung Mariä in Levoca 412 ,440 - der Schmerzensjungfrau von Sastin 121,412,425 - Grotte der Madonna v. Lourdes (Vatikan. Gärten) 982 - imTrentino 342 - von Castelpetroso 325 f., 331 - von Loreto (Hl. Haus v. Loreto) 210,451-464,1005, 1049 - von Yamoussoukro 617, 619 - Wallfahrten zu 121, 192, 440,455 Marienverehrung 191 f., 198, 332, 425, 436, 982, 1064, 1470 Mariologie 179-181, 186-189,210-213 Martyrium 362 f., 368, 376,432 f„ 599 - das höchste Glaubenszeugnis 282 Martyrologium(s) 947 - der Kirche 281,432 f. Materialismus 421,676 1599 REGISTER Medien/Massenmedien 92, 670,752, 972, 988, 1106, 1136,1468, 1502 f., 1551 - Evangelisierung der 1365 Meditation - am Hochfest der Immakulata 1301-1303 - beim Kreuzweg (Kolosseum) 790-793 Medizin 658,680,1273-1278 - Biom. 742, 1259 f. - palliative Behandlungsweisen der 718 f. Mediziner 28 - Ausbildung der 1272 f. Mensch(en) 330,377,454,517, 525 f., 612 f„ 675, 829, 914,1041 - als Abbild Gottes 115,182,202, 247, 270, 305,333,350,406, 470 f., 487, 541, 554, 557,611, 691,704 f„ 737,964, 995, 1027 - als Adoptivkinder Gottes 245, 261,574, 587, 779 - als geistbegabtes Geschöpf 805 - als lebendiger Tempel Gottes 301 - als Mittelpunkt allen Lehrens u. Lernens 1197-1199 - als Objekt 526 - als Person 567,712 f., 806 - als Verwalter der Schöpfung 333, 449 - alte 741,747 - Arbeit und 47,328,333,411,773 - Befreiung des 702 f. - Berufung des 86,112,574,594, 611,656, 827,875,1348 - Bund Gottes mit dem 331-333, 432 f„ 441, 705 f., 770, 788 f. - Einzigartigkeit des 541 - Entfaltung des 1103-1105 - Erlösung aller 145 - Freiheit des 242,388,458,1347 - Geheimnis des 182, 519 f., 806 - Gemeinwohl der 858 f. - gottgeweihte 11 f., 28-31,50, 502, 861, 867 f. - Grundrechte des 90, 726 - ist Hüter seines Bruders 242, 672 f. - junge 320,749 f„ 847, 864 f„ 999 - lebt nicht nur von Brot 638 - Leid des 288 f„ 392 f., 750 f. - M.liebe 693,742 f. - menschliche Gesellschaft 754 f., 857 f., 961 - Natur des 30,611 - Sehnsucht des 316 - Sinnsuche des 674,1019-1021, 1230 - Streben des M. auf das Absolute hin 573 - Transzendenz des 234, 592 f. - und Gott 294,350,360,582-584, 594, 660 f., 674-678, 687 f., 694 f„ 697, 713 f., 737, 755, 805 f., 826-828, 850, 996 f„ 1020, 1348 - und Kirche 101,111 f„ 581, 657, 1177-1180 - Verantwortung des 693 f. - Wahrheit über den 86,112,246, 406, 584, 700 - was ist der 318,611,995 - Wert jedes 671 - Würde des 47, 57, 182,247, 305, 526, 557, 561, 613, 671, 678, 733 f., 806, 964,1000 f., 1104 f., 1183 f., 1212,1233,1407 f., 1543 f. Menschenbild 1002 - christliches 611-616 Menschenfamilie/Menschheitsf. 112, 479,487, 588 - Dienst an der 250, 922 - Einheit der 169,557,571 1600 REGISTER - Gemeinwohl der 498 f., 511, 549 - Solidarität der 524 - Sorge um die 514 Menschenrecht(e) 247, 524, 562, 671 f„ 964,1126,1278 - Achtung vor den 592, 1200 - Allgemeine Erklärung der 170, 514, 516 f., 671,863,996 - der Brau 1547-1551 - Universalität der 515 - Verletzung der 572 Menschheit 78, 171, 989 - als Kinder/Familie Gottes 475, 779 - Aufbau einer brüderlicheren u. solidarischeren 98 - Dienst an der 250, 922 - Frieden für die ganze 447 f. - Gemeingut der 170 f., 237 - Kirche steht im Dienst der 101 f., 111 f. - Maria Mutter der 179-181 - Zukunft der 865 Menschheitsgeschichte 76, 529, 988, 1023 Menschlichkeit 125, 526 - Verbrechen gegen die 450,516 Menschwerdung - Geheimnis der M. J. Chr. 10, 247, 456, 460, 984 - Gottes 1214, 1299-1301 - Jesu Christi/des Gottessohnes 73, 107, 373,456 f., 542, 656, 689, 757 f., 1098 f. - Mitte u. Ziel der Geschichte 1063 f. Messe 345 f. - Chrisammesse 68,785-787 - Sonntagsm. 1055 Messias 475,496,771,786 Migration - Päpstl. Rat für Migranten u. Menschen unterwegs 990-992, 1210-1213 Ministranten 1053-1055 Mission(en) 7 f., 80, 230, 807-811, 997-1000, 1137 f., 1140 f. - adgentes 90,178,271,799,808, 843 f. - als Gabe u. Aufgabe 997-1000 - der Jünger 1038 - der Kirche 74 f„ 85-87, 91,102, 111, 811, 1442 - M.kongregation der Dienerinnen des Hl. Geistes 851, 868 - missionarische Zusammenarbeit 808-811,843 - Stadtm. in Rom 1302,1316 f. - Volksm. 594 Missionar(e) 24,73, 80, 82, 87, 91, 251, 253, 278, 308, 336, 391, 502, 552, 998, 1038 f., 1355,1359 f. - Afrikas 1084 f. - Berufung der 809 - des slawischen Volkes 444 f. - ein Zeuge des Kreuzes 1038 f. - Gesellschaft der M. Afrikas 889 f. - Priesterm. 318 f. Missionsauftrag - Jesu Christi 472 - kirchlicher 249, 319 f., 578 f„ 843 Missionstätigkeit - der Kirche 12,80-83,91 - der Laien 809 - und Kolonialpolitik 81 f. Missionswerk(e) - Päpstliche 57, 810, 843 f. Mitleid 720 Mönch/Mönchtum 820-827, 839 1601 REGISTER Monarchie - in Belgien 104 Moral 805 - christliche 419,1277 f. - im Dienst am Gemeinwesen 593 - M.gesetz 524, 807 Morallehre - der Kirche 399 f., 1337,1406 Moraltheologie 1408-1412 Mord 692, 719 f., - Bruderm. 27, 661 f. - Ermordung des israel. Premierministers Yitzhak Rabin 186 - Ermordung eines Priesters 89 Muslime(n) - Dialog zwischen Kirche und 560 - Franziskanerorden und 1050 f. - und Christen 1050 f., 1102 f. Mut - Nachfolge Christi erfordert 248 f., 538 Mutter/Mütter 575,739,752 f., 870 f. - christliche 496 - im Geiste 985 - Symbiose/Urbeziehung von M. u. Kind 448,570,870 Mutterschaft 206,575, 752,1025 - Berufung zur 448 - der Kirche 756 f. - geistliche/geistige 51,129,180, 207 - Gottesm. Mariens 3 f., 15, 57, 120,140 f„ 159-163, 179-181, 206, 210, 218 f„ 235, 326,428,436, 439-442, 456, 756, 777, 1039, 1299-1301 - neue universale M. Mariens 60 f., 126, 159,180, 212,427, 756 f. Mysterium - siehe auch: Geheimnis - Christi 793 - der Erlösung 430 - der Menschwerdung 984 - Pascham. 442 Mystik - bräutliche 50, 984 Nachfolge 403, 846 - erfordert Mut 248 f., 538 - Fordemng Jesu an die Apostel zur 11 - Jesu Christi/Christusn. 5-8, 29,50, 53,74,214,219, 229, 231,248, 260, 595, 628 f„ 689, 845 f., 883, 984, 1153 f. - lebendiges Zeugnis für die 301 f. Nächstenliebe 11, 31, 37, 51, 113, 386, 397 f„ 558, 730-732, 739 f„ 867, 873, 891,1163-1165,1208, 1213, 1393 - Gebot der 447,692,706,872 - pastorale 1470 - Werke der 45 f. - Zeugnis der 322, 398 f., 588, 599 f., 891 Nation(en) - afrikanische 1128 - Charta der Vereinten 168-172, 516, 521 f., 964 - leben von ihrer Kultur 476 - Minderwertigkeit mancher 516 - polnische 381 - slowakische 121 f., 409 f. - Südafrika als Regenbogenn. 478 - tschechische 409 f. - unveräußerliche Urrechte für alle 170,516-518 - Vereinte N. siehe: UNO - Verletzung der Rechte der 516 - Vielfalt von 518 f. 1602 REGISTER - wechselseitige Beziehungen der 590 f. - Zusammenarbeit der 622 Nationalismus(-men) - Arroganz der 20 - Opfer des 42 Natur 330,447 - menschliche/des Menschen 30, 611 - N.gesetz 724 f., 727 Naturkatastrophe(n) 252,482 - Erdbeben in Japan 293 - Hochwasser 25 - Vulkanausbruch 278 Netturbini (Stadtreiniger) 585 f. Neuevangelisierung 81, 90, 268, 413,421,461,510, 529, 551 f., 577 f„ 581, 624, 636, 643, 763, 784 f„ 799, 813 f„ 988, 993, 999, 1269 f., 1285,1336,1408,1440 f., 1467-1469 - Amerikas 510 - Aufgaben der 1396 f. - der Familien 341 - durch Jugendhche/Jugend 10 f., 382, 396,416 - Herausforderungen der 532, 556, 959 - in Afrika 491 f. - in Lateinamerika 1013 f., 1356-1359 - Katechese als erstes Element einer 236 - Notwendigkeit einer 1427 f. - verlangt apostolisches Engagement der Gesellschaft Jesu 580-582 Norm(en) - objektive 613-615 Novize/Novizin 231 Oblaten - Kongregation der O. der Unbefleckten Jungfrau Maria 1293 Ökologie 694 Ökumene 97, 104,130-137, 347, 354, 373, 438,479, 636, 646 f., 761, 831, 838, 897,1388 f. - Colloquium Charitativum (in Thom1645) 373 - Engagement für die 897 - Enzyklika über den Einsatz für die Ö. (Ut unum sint) 896-958 - ist Verpflichtung der Kirche 125-128, 899-920 - Ökumen. Rat der Kirchen 15, 841 f. - Zusammenarbeit in der 838, 920, 1253-1256 Ökumenismus 152 f., 580, 904, 944, 1253, 1269 f. - der Werke 744 f. - Direktorium zur Ausführung der Prinzipien u. Normen über den 647 f. - in den Beziehungen zu den Orientalischen Kirchen 140-143 - Konzilsdekret über 902 f., 914 f., 917 - und Bekehrung 905 Öl(e) - Heilige 786 Offenbarung(s) - Buch der 341 - Gottes 29,184 f. - O.Wahrheit 584, 994 Okzident 437 Olympiade - erste Militäro. 1057-1060 1603 REGISTER Opfer(s) 601-603,808 - der Gewalt 4, 26, 57, 1041 - des ethnischen Konflikts in Sri Lanka 307 - des Krieges 995,1041 - des Nationalsozialismus 42 - Gedenkender 184 - Geheimnis der eucharistischen O.gaben 876,1054 f. - O.bereitschaft 39 f., 808 - unschuldige O. in Ruanda 79 Opfertod 42,434 - Jesu Christi 73 f., 529, 602,1008 Orden(s) - siehe auch: Kongregation, Ordensgemeinschaft, ... - Augustinero. 1153-1155 - Bettelo. 38 - Franziskanero. 1050 f. - Gründung des Erlöser-O. 27 - Hospitalo. der Barmherzigen Brüder (Fatebenefratelli) 604 f., 641-644, 1288-1290 - Karmeliteno. 1148-1150 - Laieno. 641-644 - O.häuser 636 - O.zeugnisse 1004 - Passionisteno. 596 - Zisterziensero. 1063 f. Ordensfrau(en)/Nonnen 50 f., 309 f., 881-884, 1014,1222 - siehe auch: Kongregation, Orden, O.gemeinschaft,... - als Braut Christi 303 - Anbetungsschwestem des Heiligsten Sakraments 640 - Aufgaben der 49,51 - Charisma der 821 - der Kongregation des Heiligsten Herzen 401,404 - entführte 36, 57 - Ermordung einer 89 - im christlichen Orient 821 - Kongregation der Barmherzigen Schwestern v. der hl. Johanna A. Thouret 890 f. - Profeß der 51 - Schwestern von der Immakulata 850, 867 Ordensgemeinschaft(en) 601 - siehe auch: Kongregation, Orden,... - als geistl. Familie 852 - Beitrag der O. für Kirche u. Welt 299 - der Franziskaner-Konventualen 1003-1005 - der Kamillianer/-innen (Diener der Kranken) 892-895 - der Pallotiner (SAC) 797-801 - der Schwestern der Immakulata von Genua 867 - Maria in den 192 Ordensgründer/in 300-304 - Charismen der 54, 313, 578 f., 643, 883 Ordensinstitut(e) 13 f., 545,636 - auf Kontemplation hingeordnete 6 f., 50, 310 - das einem O. eigene Apostolat 5, 7, 12 f. - in Indien 1442 f. - Kirche und 13, 299, 883 Ordenskongregation(en) - siehe auch: Kongregation, Orden,... - Maria in den 192 - weibliche 571 Ordensleben(-stand) 13,414,510 - Berufung zum 779 f., 1382, 1436 f. - Erneuerung des O. (nach dem II. Vat. Konzil) 213 f., 603 f„ 893 - Gebet als notwendiger Bestandteil des 4-8,13,578 1604 REGISTER - ist Zeichen u. Zeugnis des Reiches Gottes 28-31 - Kandidatendes 54,1154 - laikales O./der Laien 39, 642 - Priestertum und 33-36 - Werte des 301 - Wirken des Hl. Geistes im 12 f., 53-55 Ordensleute 12 f., 30 f., 55,231, 320,400-405,412-415,482, 502, 546, 601,742,1120, - als Opfer der Gewalt 57 - Aufgabe u. Pflicht der 11 f. - Ausbildung der 581,1384 - Berufung der 12, 33 f., 822, 884 - besonderes Charisma der 313 - Heiligkeit der 1375 - Maria und 58-61, 192 - sind Sauerteig des Volkes Gottes 1003-1005 - Vorbild der 276 - Zusammenarbeit von Priestern, O. u. Laien 314 - zwischen Charisma u. Dienst an der Ortskirche 1379-1386 Ordensmann(-männer) 38, 309 f., 386, 391, 1014 - siehe auch: Kongregation, Orden, O.gemeinschaft,... - der Kongregation des Heiligsten Herzen 404 - Ordenspriester 33-36 Ordensweihe - theologische Wurzel der 883 Ordnung - objektive Wahrheiten der moralischen 529,723 - Wirtschafts- u. Sozialo. 769 f. Ordo - O. virginum 983-986 Organspende 739 Orient 140,437 Ortskirche(n) 80,164,259, 283,422, 915,930 f. - Inkulturation in den 108, 1439 f. - und Weltkirche/Universalkirche 106-109, 484 - Vielfalt von 117,1435-1439 Ostern 70 f., 75 f„ 793-795 - Ostergeheimnis 528 Pädagogik - Friedensp. 37 Päpstliche Akademie - siehe: Akademie, Päpstliche Päpstliche Glockengießerei - Marinelli 326 f. Päpstliche Missionswerke - siehe: Missionwerk(e), Päpstliche Pallotiner (SAC) 797-801 Papst(es) - 75. Geburtstag des 93 f. - als Hirte der Universalkirche 241 - als Nachfolger des Apostels Petrus 898 f., 949-956 - als Pilger des Friedens, der Liebe 306 f., 354, 507 - Appell (um Frieden, Menschlichkeit etc.) des 58, 83, 89, 99, 151, 273 f„ 321,479, 974, 1044 f., 1053 - Bitte um unterstützendes Gebet 94, 178 - Dienst des Bischofs von Rom an der Einheit 898 f„ 949-956 - erhielt Rompreis für Frieden u. humanitäre Aktion 625 - Pastoralreise /Pilgerreise des 14, 21,169, 175, 178 f„ 273 f., 911, 940 - Paul VI. 507 - Primat des 949-956 1605 REGISTER - Sendung als Nachfolger des Petras 225, 273,417 - universale Vaterschaft Petri u. seiner Nachfolger 651 Paschafest 770 f. Passion - siehe auch: Leiden - Jesu Christi 228 Passionisten 596 - St. Gabriel v. d. Schmerzhaften Mutter der P.innen 460-462 Pastoral - Berafungsp. 238 f., 845-849, 1013-1016,1334-1336, 1367 f., 1467 f. - Familienp. 287,747, 1340 f„ 1416 - im Gesundheitswesen 894,1015 f. - Krankenp. 392 f., 604 f., 618 - Sinti- u. Roma-P. 990-992 - Sozialp. 1344-1351 Patriarchat - Ökumenisches P. von Konstantinopel 927 f. Patriotismus 520 Patron(e) - der Jugendlichen (Don Bosco) 26 - Europas 929 - Patronatsfest der Kirche Christi in Rom 1022 - Patronin der Auswanderer 37 - Polens 376 - von Nola (Paulinus v. N.) 878-881 Permissivismus - religiöser 1390f. Persönlichkeit 517,592,599 Person 525 f., 549, 712 f„ 773 f. - Achtung der menschl. 254, 307, 639, 1000 f. - als verantwortliches Wesen 568 - christl. Bedeutung der menschlichen 827 - Frau als 110,569 - Hingabe der ganzen 7,11,29,50, 867 - Mensch als 567,712 f., 806 - Rechtedermenschlichen 517, 1025 - unvergleichlicher Wert der menschlichen 656 - Verbrechen gegen die 663 - Würde der menschlichen 43 f., 82, 170, 270, 289, 322 f„ 478, 514, 562, 567, 672, 755, 1020, 1152 Petrasamt - als Fundament u. Zeichen der Einheit 240 f„ 949 f. Pfarrei(en) 1123 - Erneuerung der 421 f. - Zusammenarbeit in der 1468 Pfingsten/Pfingsttag 22,66, 72, 74, 103,126, 131, 230, 363, 394,528, 800 f„ 904, 1099 - Apostel am 361, 389 f. - in der Apostelgeschichte 390 Pflegeheim(e) 741 f. Pflegepersonal 618 Pflicht(en) - der Eltern 1496-1498 - der Ordensleute 11 f. - jeder öffentlichen Gewalt 726 - moralische P. der Solidarität 504 Philosophie 473, 805 Pilger 620, 635,770 f. - Jesus Christus ist heiligster 770 f. Pilgerweg(es)/Pilgerschaft 183,461, 770-773 - Christi 771 f. - des Marienbildnisses v. Tschenstochau 441 1606 REGISTER - des Papstes 14, 21,169,178 f., 273 f„ 911, 940 - nachLourdes 620 - Sinn des menschlichen 772 - zur Einheit 829 Plan/Pläne - für christliches Leben 366 Plan Gottes 63, 69, 77 f„ 86,135, 145, 208, 228,533, 568, 583, 679, 689, 691, 696 f., 705, 899 f„ 949, 1006,1028,1031,1049 f. - siehe auch: Heilsplan - Achtung vor der Wahrheit des 175 - Frau im 129, 1027 f. - für Afrika 1079 f. - Kirche im 72,438,499 - Maria im 59,129,197,202-205, 212, 756,1049 Pönitent(en) 651-654 Pönitentiarie, Apostolische - siehe: Apostolische Pönitentiarie Politik 423,864 - Erneuerung der 423 - Familienp. 744, 871 - Frauen und 150 f. - politisches Handeln 482 - Sozialp. 743,871,1150-1153 Politiker - Appell an alle 743 Polygamie 282 Pornographie 543 f., 781 f., 1497 f., 1551 Prägemal 200 Predigt(en) 346, 374-380,493-497, 536-545, 550-555,1246-1249 - am 10. Weltjugendtag 770-773 - am Aschermittwoch 632 f. - am ersten Fastensonntag 637-641 - am Fest der Apostelfürsten 1032-1035 - am Fest der Darstellung des Herrn 600-604 - am Gründonnerstag (Chrisam, Abendmahl) 785-789 - am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel 1045-1048 - am Hochfest der Erscheinung des Herrn 582-585 - am Hochfest der Mutter Gottes (1. Jan./8. Dez.) 573-576, 1299-1301 - auf dem Marienhügel in Levoca 440-444 - bei der 400-Jahr-Feier des Erzbistums Manila 251-255 - bei der Eucharistiefeier mit Jugendl. in Loreto 454-458 - bei der Messe vor der Lourdesgrotte im Vatikan 1038 f. - bei der Messe vor der Wallfahrtskirche in Castelpetroso 330-334 - bei der Messe zum Gedenken an das Kriegsende vor 50 Jahren 994-997 - bei der Messe zur Eröffnung des Akademischen Jahres der röm. Päpstl. Universitäten 1197-1199 - bei der Priesterweihe 875-877 - bei Seligsprechungen 280-284, 296-300, 338-342, 389-395, 594-598, 849-853, 1217-1221 - bei der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Libanon 1281-1283,1307-1309 - bei der Tauffeier in der Sixtinischen Kapelle 586 f. - bei Heiligsprechungen 359-363, 429-434,1293-1296 - beim Besuch des Marienwallfahrtsortes Sastin 425-428 1607 REGISTER - beim Forum der Delegierten in Manila 230-232 - - Bergp. 692 - der christlichen Lehre 599 - in der Ostemacht 793-795 - P.tätigkeit 988 - während der Mittemachtsmesse an Weihnachten 1318 f. - zum 400.Todestag des hl. Philipp Neri 976-979 - zum Jahresabschluß 1322-1325 Priester(s/n) 309 f., 320, 362 f„ 386, 391,502, 537, 651,876,1014, 1121,1334-1336, 1346,1366-1373, 1392 f., 1428 f. - als Seelsorger 42,1216 - als Spender des Bußsakraments 651 f. - Berufung des 1465 f. - Beziehung zwischen J. Chr. und 204 f. - Dank an die 1474-1476 - der P. Jesu Christi 776,778 f. - Dienst der 34, 40, 88,199 f., 413 f., 782, 885,1467-1469 - ein Mann des Gebets 1215 f., 1470 - Ermordung eines 89 - Frau und 776 f. - Gemeinschaft der 1470-1472 - heute 1213-1217 - Identität des 1216,1464-1467 - Ordensp. 33-36 - P.missionar 318 f. - Schlußbotschaft an alle (30. Jahrestag v. Pres. Ordinis) 1463-1476 - Schreiben an die P. zum Gründonnerstag 88, 776-785 - Sendung der 200, 877, 1467-1469 - Spiritualität des 1428 f., 1469 f., 1473 - ständige Weiterbildung der 286,313, 422,1121 f„ 1371 f„ 1454,1472-1474 - und Laie 1468 - Zusammenarbeit von P. Ordensleuten u. Laien 314 Priesteramt - Freude u. Dankbarkeit im 884-886 Priesteramtskandidat(en) 313, 651, 1121,1368 f. Priesterausbildung 204,238 f., 313, 413, 422 f„ 765, 1121, 1270 f„ 1334 f„ 1366-1373,1409 f„ 1425 f„ 1437, 1466 f., 1468 Priesteijubiläum 884-886 Priestermangel 38 f. Priesterseminar 347, 539,1335 f. - siehe auch: Seminar - erstes P. der Vereinigten Staaten 551 - St. Joseph 536-539 - von Djakovo (Kroatien) 764 f. Priestertum 200,346,510 - allgemeines P. der Gläubigen/Laien 783 f., 1030,1361-1366 - als Geschenk Gottes 88 - Amtsp. 783 f., 1030 - Berufung zum 33 f., 199 f., 584, 779 f., 1092, 1214, 1334-1336, 1367 f„ 1436 f. - der Getauften u. Weihep. 1466 f. - Dienstcharakter des 784, 885 f. - Gründonnerstag als Fest des 785 - Jesu Christi (ewiges) 414, 786, 875,1007 f. - und Ordensleben 33-36 Priesterweihe 38, 149, 204 f., 786, 1371 f., 1466 - für Frauen 1458-1462 - Predigt bei der 875-877 Primat(s) - des Bischofs v. Rom 949-956 1608 REGISTER Prinzip (-ien) - des Gehorsams gegenüber der objektiven Norm 614 f. - des: cuius regio, eius religio 374 f. Problem(e) - Antworten auf menschliche 805 - der Kirche in Afrika 1089-1093 - der Nationalitäten 517 - der Zentralisierung 1423 f. - internationales Schuldenp. 1541 f. Profeß - der evangelischen Räte 302 - der Ordensfrauen 51 Professor(en) 610 Prophet/Prophetin 603, 701,710, 771 Prophetie 601-604 Prostitution 657 Prozeß(es) - der Rechtfertigung 652 - geistlichen u. pastoralen Neubeginns 348 - kanonischer 614 - P.führung 613 - Seligsprechungsp. 441 Prozession - eucharistische 1006-1008 - Fronleichnamsp. 1007 Psalm(en) 550 Psychologie 50, 612 f. Pubertät 1512-1516 Quelle - der Einheit 977 - des christl. Lebens 939 - Gott als Q. (des Guten,...) 369, 678, 701, 909 - vollkommener Erlösung 678 Radio Veritas - Botschaft zum Jubiläum von 249-251 - R.V.-Asien 22 f. Rassismus 298, 419, 990 f., 1212 Rat/Räte - evangelische 11 f., 28-30, 34, 54, 59, 302, 546, 601, 603 - Ökumenischer R. der Kirchen 15, 841 f. - Päpstl. R. Cor Unum 1163-1165, 1207-1210 - Päpstl. R. der Seelsorge für die Migranten u. Menschen unterwegs 990-992,1210-1213 - Päpstl. R. für den Interreligiösen Dialog 269 f., 1265-1268, 1537 f„ 1558 f. - Päpstl. R. für die Familie 1159-1162,1476-1534 - Päpstl. R. für die Förderung der Einheit der Christen 15, 647 f., 1253-1256 - Päpstl. R. für die Laien 230 - Päpstl. R. für die Pastoral im Krankendienst 605, 616 f., 1275-1278 - Päpstl. R. für die Sozialen Kommunikationsmittel 648-650 - Päpstl. R. für Gerechtigkeit und Frieden 486 - Päpstl. R. Justitia et Pax 1150-1153 Recht(e/en) - auf Abtreibung u. Euthanasie 722 f. - auf Gewissensfreiheit 519 - auf Religionsfreiheit 519 - Bill of Rights der Vereinigten Staaten 562 - der Eltern 1496-1498 - der Familie 112 1609 REGISTER REGISTER - der Frau 43, 963 - der menschl. Person 517,1025 - des Kindes 534 - kanonisches 615, 1424-1426 - kirchliches 1424-1426 - Lebensr./auf Leben 398, 530 f., 561, 572, 659, 673, 710,727,963-968, 996 - Rechtsstaat 672 - Urrechte für alle 170, 516, 518 Rechtfertigungslehre 646, 652 - Konzilsdekret über die 345 Rechtsprechung - kirchliche 611-616 Reflexion - mariologische 191 Reform(en) - der Kirchen 344 f. - Gottesdienste. 189 f. Reformation 95, 148 Regime - autoritäre 1128 - Sturz der kommunistischen 854 - totalitäre 860, 1000 Reich(es) Gott(es) 12, 65,77-79, 100, 166, 298, 301, 348,527, 534 - als Samenkorn 279 - Aufbau des 11,310,377,469, 1125-1136 - eschatologische Vollendung des 87 - Fundamente des 533 - Ordensleben ist Zeichen u. Zeugnis des 28-31 - Verkündigung des 367 f., 528 Reiche(n) - und Arme 47,49, 504 Relativismus - ethischer 724, 986-990,1360 - religiöser 1390 f. - vollkommener 673 Religiosität - Suche nach 989 Religion(en) 799 - als Gottsuche 1183-1185 - Dialog mit den östlichen 637 - gegenseitiger Respekt verschiedener 306, 315 - R.kriege 841 - traditionelle afrikanische 483 - Treue zur R. der Vorfahren 336 Religionsfreiheit 47, 467, 559, 1196 f., 1296-1299 - als Grundrecht/Recht auf 90, 519 - für Christen im Islam 114 - in der Slowakei 122 - Konzilserklärung über die 916 - Unterdrückung der 410 f., 441 - Verletzung der 79, 410 f., 441 Respekt - gegenseitiger R. verschiedener Religionen 306, 315 Reue 632 f„ 1009 f. Revolution(en) - gewaltlosen R. des Jahres 1989 515 - sanfte R. der Tschechoslowakei 409 f. Richter(s) 614 - gerechter R.spruch Gottes 675 Ritus(-ten) - der Ostemacht 70 - erneuerter R. der Jungfrauenweihe (25. Jahrestag) 983-986 - lateinischer u. orientalischer 437 f. - Vielfalt religiöser 306 Rota Romana - Eröffnung des Gerichtsjahres der 611-616 1610 REGISTER Ruf - Gottes 232, 387 f., 398, 820 - Jesu Christi 213, 230,764, 897 - nach Frieden 459 f. Säkularismus 267,421, 559,1296-1299,1332,1413 f. Sakrament(e) 737 f., 924 - der Buße 651 f., 654 - der Eucharistie 679 - der Firmung 640 - der Taufe 17, 586,794 f. - der Versöhnung 651-655 - der Weihe 778 f., 1285,1469 f. - Ehe als 1491 f. - Kirche als 33,528,610,628,899 - Konzilsdekret über die 347 Salbung - als Zeichen 786 Samenkorn - des Glaubens 279 - Reich Gottes als 279 Sauerteig - der Gesellschaft 310 f., 1355 - des Evangeliums 24, 298, 396 - des Volkes Gottes 1003-1005 Scheidung(en) 1159 f., 1415 f., 1468,1492 Schisma 126 Schmerz(es) 668, 684, 719,750 f., 861 f. Schöpfer 443,527,695 - Gott der 185,850,1027 Schöpfung(s) 393,443,737, 824, 1048 - Bund Gottes mit der 995 - Mensch als Verwalter der 333, 449 - neue 586 f., 852 - Reichtümer der 237 - Schönheit/Wunder der 438 f., 449, 495 - Verantwortung für die 694 S chöpfungsbericht - im Buch Genesis 115, 687 Schreiben - an die Priester zum Gründonnerstag 88,776-785 - Apostolisches siehe: ApostoLSch. - zur 350-Jahrfeier der Union v. Uzhorod 762-764 - zur 400-Jahrfeier der Union v. Brest-Litowk 759-762 Schrift(en) - des Hippokrates 1276 - Mariale 181 Schule(n) 41,423,467,1477 - katholische 548, 550 f., 559, 1123 f. Schweigen - anbetendes 828 - Marias 197 Schwesterkirche(n) 472 Seelsorge - Ausländers. 424 f. - Bedingungen der S. in Afrika 481 - Mittelpunkt der 346 f. Seelsorger 735 f., 742 Sehnsucht - des Menschen 316 - nach Frieden 395 - nach Gerechtigkeit 279 - nach Heiligkeit 1116 Sekte(n) 1333,1388 f„ 1391 Selbstbeherrschung 1485 f., 1503 f. Selbstfindung 824 f. Selbsthingabe 392,679,701,739 - an Gott 302 - an Jesus Christus 34 1611 REGISTER - der Frau 50 - Keuschheit als 1485 - Liebe als 1480 f. Selbstmord 657, 719 f. - Beihilfe zum 720 Selige(n) 357, 597, 599 f„ 849, 869 - als Fürsprecher/in 303 - als Vorbild 290-292,304,1217-1221 - als Zeugen Christi 23 f., 598-600 - erster S. Papua-Neuguineas 275 - neue 19, 83 f„ 283 f„ 290-292, 322, 598-600 Seligpreisung(en) 31,534 Seligsprechung(en) 23-25,102 f., 273 f., 284, 290 f„ 307, 311, 321, 386, 394 f„ 397, 597-600, 866, 1222 f. - Homiliebei 300-304,317-322 - Predigt bei 280-284, 296-300, 338-342, 389-395, 594-598, 849-853,1217-1221 - S.prozeß 441 Seminar 204 f., 423 - siehe auch: Priesterseminar - S.gemeinschaft 538 Seminarist(en) 175,231,276,413, 422 f„ 510, 536, 538,764 f. Sendung 431, 583 f., 599 - Communio und 844 - der Apostel (durch J. Chr.) 11, 21 f., 73,418,1035 - der Frau 206,302,576,1023, 1460 - der Priester 200, 877,1467-1469 - des gottgeweihten Lebens 883 - des Hl. Geistes 574 - des Papstes 225,273,417 - des Petrus in der Kirche 951 - des Sohnes/J. Chr. 574, 685, 690, 699, 1381 - eines jeden Christen/christliche 418, 922 - Heilss. 997 - Marias 158,1039 - prophetische 782 - universale S. der Kirche 63-66, 72,76, 87, lllf., 271, 361, 578, 584, 685, 882,1094 f„ 1294 f., 1345 f„ 1543 f. Sendungsauftrag 583 f. - Jesu Christi annehmen 73, 230 sensus fidei 945 Sexualerziehung 750, 1507 f., 1526-1531 - Methoden der 1526-1531 Sexualität 260, 667, 677, 735, 967 - Menschliche S.: Wahrheit u. Bedeutung 1476-1534 - sexuelle Gewalt 1026 Shoah 609 Sinn - der Evangelisierung 889 f. - der menschlichen Pilgerschaft 772 - des Lebens 96,233,242,292, 685 f., 701 f„ 993 - des menschlichen Daseins 675 f., 1002,1049 - des Todes 702 - für Gott u. den Menschen 674-678 - menschlichen Leidens 288 f., 392 f„ 750 f. - S.suche des Menschen 674-676, 1019-1021,1230 Sinti u. Roma - Pastoral für 990-992 Sitte(n) - S.gesetz 722-730 Sklaverei 657, 1353 f. - moralische 260,418 - physische 418 1612 REGISTER Soldaten 1058-1060 Solidarität 207, 322 f„ 392, 453, 486, 521, 625, 663, 980,1141 f., 1163-1165,1545,1559 - christliche (im Namen Christi) 403, 961 - der Armen untereinander 558 - der Kirche mit der Welt v. heute 1229 - der Menschheitsfamilie 25, 524 - der UniversalMrche mit den Ortskirchen 484 - Geist der 377 - im Dienst an der Menschheit 922 f. - innerhalb der Gesellschaft 279, 515, 557 - intemationale/unter den Völkern 43 f„ 399, 589 f., 680 - mit Afrika 163 f., 589 f. - mit Papua-Neuguinea 273 - moralische Pflicht der 504 - Nachlassen der 663 - pastorale 1138-1140 - soziale 411 - zwischen den Familien 746 Sonntag(s) - der Jugend 772 - Heiligung des 1161 - S.messe 1055 Sorge - der Kirche 616,620,657,805 - für die universale Kirche 880 - pastorale 1229 - um den Fremden 693 - um Wiederherstellung der Einheit 957 Soziallehre - christliche 333, 1064 f. - katholische 556-558, 769 f., 1064 f., 1196 - kirchliche 314,414,424,873,1150-1153,1274,1344-1351,1445 f. Sozialpastoral - in Brasilien 1344-1351 Sozialpolitik 743, 871,1150-1153 Sozial Wissenschaft - und Theologie 1404-1412 Sozialwoche(n) - veranstaltet vom Päpstl. Rat Justitia etPax 150-1153 Spaltung(en) - der Christen 126,131,152,154, 902 f. - der Einheit v. Abendland u. byzantinischem Osten 1237 - in der Kirche 344,471 - innerhalb der christl. Gemeinschaft 17,116,126,152,154 Spannungen - ethnische 482 - innerhalb der Kirche 27,437 - politische u. wirtschaftliche 535, 1128 - zwischen Kirche v. Rom u. K. des Ostens 836 Spiritualität 40, 53, 55, 312, 628, 1148-1150, 1266 f„ 1332 f„ 1414 f. - augustinische 1153-1155 - der Dominikaner-Tertiarierinnen 362 - der Gemeinschaft 628 f. - der Gesellschaft Jesu 578 - der Kongregation des Heiligsten Herzen 401, 404 - desAT 107 f. - des Karmel 1148-1150 - diatonische 1287 - monastische 817 - orientalische, byzantinische u. russische 644 f. - priesterliche 1428 f., 1469 f., 1473 - und Theologie 827 1613 REGISTER Sport 76, 1057-1060 - Sportler als Boten des Friedens 1005 f. Staat 967 f. - humaner 754 - pluralistischer u. demokratischer 433 - Rechtsstaat 672 - tyrannischer 673 Stadt - Rom 625-627, 634 f„ 767-769, 1302,1316 f. Sterben 742 - Leiden u. S. Jesu Christi 791 Sterbende 668,672,719 Sterilisation 670, 1529 Sterndeuter 8-10 Stiftung - Johannes Paul II. 1203 - „Weg zum Frieden“ (gegründet 1991) 549 Strafjustiz 708 Student(en) 610 Subjektivismus 421 - moralischer 748 Sünde(n) 44, 640, 663, 675, 823, 1009 f. - Einbruch der S. in die Geschichte 689 - Erbs. 662,791 - Struktur der 665 f„ 678,712, 917 - und Gnade 653 - Vergebung der 389, 1009 f. Sukzession - apostolische 818 f., 926,931, 933 Symbol(s/e) - Baumals 452 - Elaus v. Nazaret als 456 f. - und Gesten 738 - vom Weinstock u. den Reben 469 - Weg der Weisen als 583 f. Synkretismus - religiöser 108 Synode 474 - siehe auch: Bischofssynode - 2. Plenars. der Philippinen 258 f. - der ukrainisch-griechisch-katholischen Kirche 1268-1271 - Plan für eine Kontinentais. für Asien 272 - verkündet das menschgewordene Wort 474 Synodenväter 481, 889,1076 Tag - für das Leben (in Italien) 27 f., 738 - Nationaler T. des Menschen unterwegs (Italien) 195 Taufe 81,127, 271, 319, 374,423, 529, 900, 938,1107f„ 1309 f. - als sakramentales Band der Einheit 149, 610 - Anerkennung der einen 922 - Eintritt in die Gemeinschaft der Kirche 85 - Jesu 10 f., 586 f. - Kinder Gottes durch die 10,1361 - Sakrament der 17, 586,794 f. - T.geheimnis 794 - Wiedergeburt durch die 793 f. Technik 735 Teilhabe - am Geheimnis des dreifältigen Lebens 29 - am Priestertum Chr. 414,786, 875 - an Chr. Sieg über Sünde u. Tod 288 - an der Ewigkeit Gottes 574 1614 REGISTER - des Menschen an der Herrschaft Gottes 694 f. - jedes Christen an der Sendung Chr. 258 Teilkirche(n) 108,194 f., 252,286, 915 - Afrikas 466 - Amerikas 173 f. - des orientalischen Ritus 439 - in der Einheit 930 f. - und Kirche v. Rom 954 Tempel(s) - in Jerusalem 601 f. - Mensch als lebendiger T. Gottes 301 Testament(s) - Altes 107 f., 602 Theologe(n) 137, 735 f. - katholische 918 Theologie 470,473, 579, 829, 1262 f. - der Vergöttlichung 816 f. - Maria in der 186-189 - Moraith. 1408 f. - orientalische 816 - Sozialwissenschaft und 1404-1412 - Spiritualität und 827 - Studium der 1408 f. - Verbindung der T. des Ostens u. Westens 473 - vom Hl. Geist 531 f. Tod(es) 574, 600 f„ 721, 750 - als letzten Gehorsamsakt 721 f. - Geheimnis des 717 - Jesu Christi 228,288, 301, 374, 529, 686, 702, 900 - Kultur des 56 f., 665 f., 672, 674, 679, 681, 702, 718, 748, 864, 885, 1002, 1410 f. - Sieg des Lebens über den 245, 679, 758 f. - Sinn des 702 Todesstrafe 681,708 Tötung - vorsätzliche 708 Toleranz 322 f. - religiöse 550, 559 - universale T.botschaften 974 Totalitarismus 379,414 f., 520, 673 - Folgen des 855-857 - Zusammenbruch des 292, 355 Tote(n) 183 f. - Gebet für die 1223-1225 Tradition(en) 819, 944 f. - afrikanische 1088 - christliche 4 f., 11,100, 410 - der Kirche 706 f. - der orientalischen Kirchen 926, 1012 - franziskanische 1004 f. - geistliche 931 - polnische T. zur Fastenzeit 632 - religiöse 306,315 - Verschiedenheit/Vielfalt der 437, 139 - westliche u. östliche 457 Transzendenz 1266 - absolute T. Gottes 828 - des Menschen 234, 592 f. Treue 1285 - Gottes 145,597 - zu Christus 409,413,431,445, 546 - zum Charisma 578 - zum eigenen Gewissen 376 f., 431 f. - zum Evangelium 409 - zum Gesetz vom Leben 701 - zum Hl. Stuhl 435 - zureigenenSendung 431 - zur Religion der Vorfahren 336 1615 REGISTER Tugend(en) 30 f., 176,413 f. - christliche 558 - der Keuschheit 413 f., 1478 f. - des Gehorsams 413 f. Überbevölkerung - der armen Länder 669 Überlieferung 819 f. - apostolische 906 - der göttl. Wahrheit 358 - der Orientalischen Kirchen 812 - ist Erbgut der Kirche 818 f. Umkehr 44 f„ 62,78, 529,1009 f. - Einladung zur 72, 218 - Fastenzeit als Zeit der 632 f. - von Geist u. Herz 303 Umwelt 330, 681 - Erhaltung/Schutz der 1538 f. Unabhängigkeit(s) - für das slowakische Volk 420 - U.erklärung der Vereinigten Staaten 562 Unfehlbarkeit - des Lehramtes 1263 Ungeborene(n) - Lebensrecht der 398 Union - von Brest-Litowsk 759-762, 1268 f„ 1271 - von Uzhorod 762-764 Universalismus - christlicher 65,1141 Universalität 66 - der Kirche 1075,1294 f. - der Menschenrechte 515 - der Päpstl. Missionswerke 843 Universalkirche 106-109, 466, 1012, 1439 f„ 1468 - siehe auch: Weltkirche - Dienst an der 579 - Papst als Hirt der 241 - und Ortskirche 484 - volle Gemeinschaft mit der 1074 f. Universität(s/en)/Hochschule 752, 1124 - interdisziplinäres Kolloquium der U. Augsburg 769 f. - Internat. U.kongress „Univ“ 95 773-775 - katholische 233-235, 470,1272-1275,1378 - Päpstliche 837 - U.pastoral 1417 - Zeugen des Evangeliums an der 768 f. UNO 168, 507, 511 f„ 521 f„ 845, 863 - 4. Weltkonferenz über die Frauen (Peking) 109, 156 f„ 459, 572, 963-968 - 50. Jahrestag der Gründung der 168 f„ 511, 513-524, 532, 592, 863 - Charta der 168-172, 516, 521 f., 964 - Friedenstruppen der 125 - Hl. Stuhl und 513 f„ 548 f„ 592 f. - Organisation der 521 f. - Weltgipfel über die soziale Entwicklung (Dänemark) 43 f., 46 f. Unsterblichkeit 574,576 Unterdrückung - der afrikanischen Völker 481 - der Kirche 356,436 f. - der Religionsfreiheit 410 f., 441 Unternehmen - handwerkliche 329 f. Urkirche 216, 270 - Marias Rolle in der 160-162,210-213 1616 REGISTER Utilitarismus 520, 676 Vater/Vater 1549 f. - geistlicher 825 Verachtung - von anderen Menschen 298 V eränderung(en) - soziale 146 V erantwortliche(n) - für Staatsangelegenheiten 743 Verantwortung 340, 740 - der Bischöfe für die Gemeinschaft 194 f. - der Eltern 496,741,1492 f. - der Regierungen gegenüber den Frauen 1550 f. - des Menschen 693 f. - für die Schöpfung 694 - für öffentliche Angelegenheiten 377 - im Gebrauch der soz. Kommunikationsmittel 98, 974 - in Presse, Rundfunk, Film u. Fernsehen 650 Verbrechen - gegen das Leben 658 - gegen die Menschlichkeit 450, 516 - gegen die Person 663 Verehrung - Kreuzv. 790 f. - Marienv. 191 f„ 198, 332,425, 436, 982, 1064,1470 Verfassung - der Vereinigten Staaten 562 - Papua-Neuguineas 274 Verfinsterung - des Sinnes für Gott u. den Menschen 674-678 - des Wertes des Lebens 664-670 Verfolgung - der Kirche 19, 120-123, 320, 354, 356,436 f„ 761 Vergebung 62,152, 495 - Bitte um 369 - der Sünden 389, 1009 f. - Gnade der 62 Vergöttlichung - Theologie der 816 f. Verhaftung - willkürliche 657 Verheißung(en) - Christi im Abendmahlssaal 363 Verhütung(s) - V.mentalität 666 Verkündigung 259, 829, 1095-1097 - als Feier 736 - an Maria 10,440,542,1045 - christliche 75 - der Froh-/Heilsbotschaft/des Evangeliums 12, 71 f., 76-78, 81, 248-251, 308 f., 320, 421,473,480, 528, 532, 582-585, 648 f., 732, 782, 818, 999,1394 f. - des Evangeliums vom Leben 732-736,795-797 - des Reich Gottes 367 f., 528 - des Wort Gottes 346,1094 f. - Erneuerung von Formen u. Methoden der 1386-1395 - in ahen Sprachen 469 f. - Inkulturation als Aufgabe der 1395-1404 - Jesus Christus zu verkünden 87, 249 f„ 267, 581, 733 f„ 988 V erletzung/Mißbrauch - der Freiheit 105,525 - der Menschenrechte 572 - der Religionsfreiheit 79 Vernichtungslager 855 1617 REGISTER Vernunft - und Glauben 1278 Verschiedenheit 519,560 - christlicher Kirchen 116,295,479 - der Charismen 415 - der Dienste 415 - der Rassen, Religionen 478 f. - der Traditionen 437 - Einheit in 116-119 Verschuldung(s) 1003,1133 Versöhnung 33,42-44, 62,495 - Bitte um 369 - der Christen 993 - Evangelium von der 955 - Fastenzeit als Zeit der 632 f. - in Europa 1044 - nationale 478 - Sakrament der 651-655 - zwischen katholischen u. orthodoxen Gläubigen 1270 Verstümmelung 657 Versuchung(en) 640 - Jesu 638 Verteidigung - Normsetzung für die 613 - Selbstv. 707 Vielfalt - christlicher Kirchen 116,295,479 - der Charismen (des Hl. Geistes) 55 - der Dienste 11 f. - der Formen u. Traditionen 439 - der Kulturen 113, 278, 296 f., 305, 419, 518 f. - Einheit in 439,831,934 - Gesellschaft mit reicher ethnischer u. rassischer 508 - in der Lehre 149 - religiöser Riten 306 - von Ortskirchen 117,1435-1439 Völkerfamilie - afrikanische 495 Völkerwanderung(en) 1211 Volk Gottes 16, 21 f„ 88, 280, 301, 421, 500,550, 610, 901 - Bund Gottes mit seinem Volk/mit dem Menschen 331 f. - Hirten des 764 f. - Kirche als 21 f., 782 - Ordensleute sind Sauerteig des 1003-1005 Volk/Völker(n) 78,532,874 - Afrikas/Völkerstämme Afrikas 465,481,486, 1091 - australisches 292, 296 f. - belgisches 385 - Chinas u. Vietnam 590 - des Lebens 732 f. - Dialog zwischen den 625 - Evangelisierung aller 12, 77,1302 - Gleichberechtigung der 522 - haitische u. kubanische 590 - Integrationsprozeß unter den 37 f. - jüdisches 20 - Koexistenz von 478,473 - kroatisches 435 - kulturelle Identität der 108,171 - philippinisches 227, 235 - Selbstbestimmung der 522 - Sinti- u. Roma-V. 990-992 - slowakisches 420 - Solidarität unter den 680 - von Bosnien-Herzegowina 137, 589 - von Sri Lanka u. Ost-Timor 590 Volkstum - Glaube und 342 V ollkommenheit - Streben nach (chrlstl.) 30, 34,132 Vorbild - der Demokratie 176, 562 1618 REGISTER - der Heiligkeit 297,364 - der Ordensleute 276 - für alle Christen Roms 976-979 - für die Jugend 283, 767-769 - Hl. Familie als 325f.,342f„ 496 f„ 1113 - Märtyrer als 434-436 - Mariaals 27, 59 f., 128 f„ 178, 256, 555, 573 - neue Selige als Vorbild 290-292, 304,1217-1221 Waffen - W.gewalt 859 - W.handel 482,861,864 - W.lieferung 980 Wahrheit(en) 240 f„ 368, 699 f„ 898, 903, 907 f., 916,1297 - Freiheit und 554,673,688,749, 1249-1253,1406-1408 - Geist der 996 - geoffenbarte 584, 919, 994 - Gottes/über Gott 700, 834 - Grundw. des Christentums 137 - Hierarchie der 918 - Jesu Christi 555,1043 - Lehrer der christlichen 880 - objektive W. (der moral. Ordnung) 529,554,723 - Suche nach der 445 - über den Menschen 86,112, 246, 406, 557, 584,700 - über den Wert des menschl. Lebens 683, 691, 699 f. - Überlieferung der göttlichen 358 Wallfahrt - europäische Jugendw. nach Loreto 772 f„ 1049 - Internationale Ministrantenw. 1053-1055 - Jesu Christi nach Jerusalem 587, 771 f. - Malteser-W. 1234 f. W allfahrtskirche - zur Schmerzhaften Muttergottes (Castelpetroso) 325 f., 330-334 Wallfahrtsort(e) - siehe auch: Marienheiligtümer - als ständige Glaubenszeugnisse 440-444 - Marienw. 121,192,440,455 Wandlungsprozeß 504 - in der Welt 508 Weg - der Heiligkeit 34, 597, 885 - der Kirche 900-904 - des wahren Fortschritts 445 - „W. zum Frieden“ (Stiftung 1991) 549 - zum Heil 100,474 - zur Einheit 373,471,560 Weihe 944 f. - an Gott 4-8,11-14,28-31,38-41, 49-52,177, 214, 299, 301,546, 600-604, 867 f„ 893,1092,1454 - Bischofsw. 584,786, 1360, 1382 - Jungfrauenw. („Virgines consecratae“) 983-986 - Priesterw. 786, 1469 f. - Sakrament der 778 f., 1285, 1469 f. Weihnachten 544,1318 f. - als Fest des Friedens 215-217 - Botschaft zu 1320-1322 Weisheit 536,562 - biblische 554 - Gottes 536 f. Weiterbildung - der Laien 423 f. - der Priester 286, 313,422, 1121 f„ 1371 f., 1454, 1472-1474 1619 REGISTER Welt 77 - Aufbau einer freien u. solidarischen 49, 306 - Ausrichtung auf die zukünftige 111 - brüderlichere 4,208, 306, 459 - der Arbeit 325-330,334,343,657, 1555-1557 - Kirche und 181 f., 1177,1229 - kultureller Reichtum der Welt 278 - moderne 234 f. - soziales Elend der 1021 - W.bevölkerung 82 - W.frieden 549 - Wandlungsprozeß in der 508 Weltbund - der Bibelgesellschaften 647 f. Weltemährungsorganisation 1199-1203 Weltfriedenstag 26 f., 37, 43, 488, 576 - siehe auch: Weltgebetstag für den Frieden - Botschaft zum 567-573, 965 - in Assisi 486 Weltgebetstag - siehe auch: Weltfriedenstag - Botschaft zum 32. W. um Geistl. Berufe 845-849 - für den Frieden (1986/1993 in Assisi) 862 f., 943 Weltgebetswoche - für die Einheit der Christen 15 f., 131 f., 295,911,943 Weltkirche - siehe auch: Universalkirche - Ortskirchen und 106-109 Weltmissionssonntag 178, 810 - Botschaft zum 997-1000 Welttag - der Bekämpfung der Armut 173 - der Drogenbekämpfung 1019-1021 - der Jugend 845 - der Jugend (1993 in Denver) 670 - der Jugend (1997 in Paris) 256, 541 - der Jugend/Weltjugendtreffen (10. in Manila) 14 f., 21-25, 226 f„ 235, 241-249, 255,261, 266, 277, 279, 500, 597, 621, 767, 770-773, 1448 - der Leprakranken 20 - der Sozialen Kommunikations-mittel 98,649,972-975 - des Kranken 616-622, 750 f. Werk(e) 739-745 - der Liebe/Nächstenliebe 45 f., 876 - der Lobpreisung 875 f. - Ökumenismus der 744 f. Wert(e) 453, 751, 974,1558 f. - auf denen das Gemeinwohl gründet 445 - christliche 382,420, 961 - der berufl. Tätigkeit 773-775 - der Frau 109 - der Werte 625 f. - des Lebens 57,400,659 f., 664-670, 683, 691, 699 f. - des Leidens 281,617 f. - des Ordenslebens 301 - echte W. (einer Kultur) 108, 461 - einer Gesellschaft 233-235,445, 567 f. - Frieden als 625 f. - gemeinsame W. verschiedener Religionen 306 - jedes Menschen 671 - religiöse 1544 - sittliche 770 1620 REGISTER - unvergängliche W. des Evangeliums 336 f. - unvergleichlicher W. der menschl. Person 656 - W.bewußtsein 1002 - W.Verlust 1019-1021 Wille - Christi 153, 954, 956 f. - Gottes 368,377,922,947 Wirken - der Laien 209 - des Hl. Geistes 12 f., 53-55, 74, 117, 360,418, 544,599,1099 - missionarisches W. der Kirche 74 f„ 85-87,102,111,811 Wirklichkeit - göttliche 817 Wirtschaft(s) 146, 329 f., 1546 - W.gemeinschaft 744 - W. ordnung 769 f. - wirtschaftl. Ungleichheit 521, 1211 Wissenschaft(en) 735,1258-1262 - Humanw. 613 - Päpstl. Akademie der 869-872 - Sozialw. u. Theologie 1404-1412 - und Gewissen 233-235 - und Glaube 1231,1278 Woche - der Familie (Diözese Rom) 28 Wort(es/e) - bei der Hochzeit v. Kana 366 - des Apostels Paulus 321, 374 - des Propheten Jesaja 475 - Dienst des 1215 f. - J. Chr. das menschgewordene 29, 87, 177, 217, 318, 474 - J. Chr. ist das W. des Lebens 417, 682 f„ 685, 700, 807, 822, 998 - prophetische 341 - zwischen W. u. Eucharistie 821 f. Wort Gottes 22 f., 45,185, 840, 923 - als Lebensgrundlage 184 f. - Verkündigung des 346,1094 f. Worte Jesu Christi 85,107,117, 243, 432, 533, 685 f., 791 - an die Apostel 21 f., 60 f., 418, 432 - beim Letzten Abendmahl 228 f., 357-360, 484, 976 - im Abendmahlssaal 183, 351 f., 357-360, 389, 789 Würde - der Arbeit/berufl. Tätigkeit 327, 773-775 - der menschlichen Person 43 f., 82, 170, 270, 289, 322 f„ 478, 514, 562, 567, 672, 755, 1020, 1152 - des Mannes 1113 f. - des Menschen 47, 57, 182, 247, 305, 526, 557,561, 613, 671, 678, 733 f„ 806, 964,1000 f„ 1104 f„ 1183 f., 1212,1233,1407 f., 1543 f. - des ungeborenen Kindes 696 - gleiche W. von Mann u . Frau 1460 - W./Personw. der Frau 110, 114 f., 201,302, 569, 572, 963,1027, 1051-1053,1113 f., 1134,1342 f., 1547-1551 Wüste 330 f. - Fasten Jesu in der 637-641 Zeichen - des Reiches Gottes 28-31 - liturgische 924 - Salbung als 786 Zeit(en) 573 f. - der Gnade 841 - der Jugend 452, 845 - des Menschen 574 1621 REGISTER - Fülle der 574 f. - harter Prüfungen 378 - messianisches Z.alter 697 f. Zeuge(n) 978 - Apostel als 22, 338 f„ 434,1038 f. - der Auferstehung 796, 882, 998 - der Verklärung - Papst Paul VI. 1042 f. - des Evangeliums 319,362,431, 768 f. - Frauen als erste Z. der Auferstehung 796 - für das Ostergeheimnis 869 - für den Primat Gottes 577-582 - Jesu Christi (Selige, Heilige) 22 f., 338 f„ 361, 598-600 - Märtyrer als treue 281,431-436 Zeugnis 301 f„ 634, 862, 888, 896, 925,1111,1116 f. - christliches 558,1002,1212 - der Einheit 955 - der Heiligen/Märtyrer 359-363, 392 - der Heiligkeit 300-304 - der hl. Birgitta v. Schweden 27 - der hl. Katharina v. Siena 32 f. - der Liebe/Nächstenliebe 398 f., 558, 837, 891 - des christl. Glaubens, der Hingabe, der Opferbereitschaft 39 f., 219, 599 - des Lebens 1094f. - des Reiches Gottes 28-31 - geben für Jesus Christus 434, 436, 554, 1034, 1136 - geben im Alltag 209 f. - geben von Gott 610 - Glaubensz. 39 f., 234,440-444, 552 - Martyrium als höchstes Glaubensz. 282 - von der Auferstehung Jesu 959, 1136 Zisterzienser 1063 f. Zivilgesetz 807 Zivilisation(s) 24, 29 6 f., 534,616, 781,1479 f. - der Liebe 31,171, 227,452, 524, 580, 587, 680 f„ 865,1025,1112 - des Lebens 680 f. - Z.krise 1450 f. Zöhbat(s) 29 f„ 34,54, 782,1122, 1371 f., 1437 f„ 1466 - Berufung zum 1493-1495 Zukunft - Afrikas 504 - Aufbau einer besseren 522 f. - der Evangelisierung 76-79 - der Kirche 269 - der Menschheit 865 - Europas 337 - keine Z. ohne Erinnerung 105 f. Zusammenarbeit 445, 535 - aller Christen 941-943 - brüderliche 171,381,399 - der Gläubigen 322 - der Nationen 622 - in der Pfarrei 1468 - internationale 521, 525 - missionarische 808-811,843 - ökumenische 490, 838, 920, 1253-1256 - von Priestern, Ordensleuten u. Laien 314 - zwischen Christen u. anderen Religionen 269 f. - zwischen Hl. Stuhl u. UNO 514 - zwischen Sozialwissenschaft u. Theologie 1404-1412 Zweiter(n) Weltkrieg(s) 105 f., 453, 864,1040 f. - siehe auch: Krieg/Erster Weltk. - 50. Jahrestag der Beendigung des 84,105 f. 516, 853-866, 979, 991 f„ 1000,1057-1060 1622 REGISTER - Botschaft zum 50. Jahrestag der Beendigung des 853-866 - Ursprünge des 980 Zweites(en) Vatikanisches(en) Konzil(s) 172 f„ 348 f., 422, 657, 675, 896, 898,906, 915, 927, 1066 f. - 30 Jahre nach dem 172 f., 184 f. - als Gesamtreflexion der Kirche 172 f. - Ekklesiologie des 629 - Lehre des 127,177 f„ 761, 956 - Maria nach der Lehre des 210-213 - Reflexion über die Dokumente des 184 f. - Dokumente des - Ad gentes 72, 80, 85,100 - Apostolicam actuositatem 209 f. - Christus Dominus 35,194 f. - Dei Verbum 184f. - Dignitatis humanae 368, 1296-1299 - Gaudium et spes 100,111-113, 182, 209, 376,459, 486,611, 1228-1234 - Lumen Gentium 11 f., 21, 28-30, 53 f„ 107, 157 f„ 160 f., 177, 194, 209, 213 f„ 782, 925 f„ 1100 - Nostraaetate 318,1266 - Optatam totius 204 f. - Perfectae caritatis 4-8,12 f., 38 f„ 53 f., 213 f„ 546, 642 - Presbyterorum ordinis 199 f.( 413 f„ 1213-1217,1367-1370, 1463-1476 - Sacrosanctum Concilium 44, 189 f. - Unitatis redintegratio 17, 125-127, 132,140 f„ 148-150,647, 761, 901-903,930 f. Personenregister Abel 661-663, 670, 672, 678, 682, 692, 998 Ablondi, Alberto Bischof von Livorno 962 Abraham 65, 330 f., 333,442, 602, 696, 1007 f„ 1102,1246 f. Abuna Paulos Patriarch der orthodoxen Kirche Äthiopiens 935 Adalbert (Vojtech), hl. (t 967) Märtyrer, Bischof von Prag, Missionar 96, 355, 357, 364, 372, 375,381,430 Adam 575, 587, 662, 689, 695, 1046, 1300 Adamiak, Elisabeth, Schwester Generaloberin der Missionarinnen vom hl. Petrus Claver 1187 Adelaides SOCist., Judith A., [Josephina Vannini], sei. (ca. 1166) 892, 894 f. Aelredus, sei. 1063 Agnes von Prag, hl. 354, 357, 364 Albert II. König von Belgien 104,405 Alexander, Märtyrer vom Nonsberg [Trient] 340,343 Alfons von Liguori CSsR, hl. (f 1787) Kirchenlehrer 708 Al-Kamel, Sultan 1050 Alphons I. König des Kongo 1082 Ambrosius, hl. (f 397) Bischof von Mailand und Kirchenlehrer 187,662 f„ 688,697,879,983 1623 REGISTER Amichia, Joseph, Botschafter 588 Amoz 1293 Amphilochios, hl. (f 394/403) Bischof von Ikonion 695 Anna Zeugin der Darstellung Jesu im Tempel 217 Anchieta, Jose (Josef) de, sei. 1353, 1374 Andreas, Apostel Bruder des Simon (Petrus) 29, 119 f„ 430,457,928,1032-1035 Anfossi, Giuseppe Bischof von Aosta 449 Angeles de San Jose siehe: Lloret Marti, Francisca D., sei. Honorata (t 1936) Angelini, Fiorenzo, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst 604,619, 804, 1171,1276 Angelus Silesius, [Scheffler, Angelus] schlesischer Dichter und Mystiker 365,371 Anselm von Havelberg 831 Anselm, hl. 180,1215 Antonelli, Ennio Erzbischof em. von Perugia-Cittä della Pieve 962 Antonetti, Lorenzo, Kardinal Erzbischof, Pro-Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 1279 Antonius, Eremit 820, 825,1081 Antonius von Padua, hl. 1003-1005 Anwarite, Clementina, sei. siehe: Nengapeta, Clementina Anuarite Anweiler, Pawel Bischof der Diözese Szczecin (Stettin) 372,382 Apollo 252 Arinze, Francis, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog 1537, 1558 f. Aristoteles Philosoph der Antike 806 Arnold von Chartres 180 Ams OFM, Paulo Evaristo, Kardinal Erzbischof von Säo Paulo 1344 Athanasius von Alexandrien, hl. 821, 825, 828, 983, 1081 Athenagoras I. Ökumenischer Patriarch (t 1972) 831, 927 f., 956,1243, 1553 Augustinus, Aurelius, hl. (354-430) ab 395 Bischof von Hippo, Kirchenlehrer 275, 350, 357,473, 512 f., 575, 688,720,727, 809, 812, 821, 879 f., 952, 983, 1081, 1153,1155,1362,1406,1486 Ausilia, Krankenschwester 144 Averkamp, Ludwig Erzbischof von Hamburg 119 Bakanja, Isidor, sei. Märtyrer (t 1909) 1083 Bakhita, Giuseppina (Josephine), sei. (| 1947) 494,1083 Baläz, Rudolf, Bischof von Banska Bystrica, Vorsitzender der Slowakischen Bischofskonferenz 409 Barnabas 106,361,877 Bartholomaios I. Erzbischof von Konstantinopel und 1624 REGISTER Ökumenischer Patriarch 116, 119, 437, 792, 832, 897,1021,1032, 1034 f„ 1243,1553 Basilius, hl. (t 379) Kirchenlehrer 816, 820-822, 832, 1018 Baudouin verst. König von Belgien 104, 385, 396 Bausola, Adriano, Professor 1272 Bays, Marguerite, sei. (f 1879) 183, 1217, 1220-1223 Benedictas Patriarch von Jerusalem 927 Benedikt von Nursia, hl. (f 547) Schutzpatron Europas 416,430, 453, 895, 928 f. Benedikt XIV., Papst (1740-1758) 1354 Benedikt XV., Papst (1914-1922) 517, 833,1224 Beran, Josef, Kardinal tschechischer Bekenner-Bischof (1888-1969), Erzbischof von Prag, Primas von Böhmen 357 Bernadette (Soubirous), hl. siehe: Soubirous, Bernadette, hl. Bernhard von Clairvaux, hl. (t 1153) 179 f., 1063 f. Bemini, Dante Bischof von Albano 129,1048 Berthier, Jean, Pater (f 1908) Gründer der Missionare von der hl. Familie 1185 Bertone SDB, Tarcisio Erzbischof em. von Vercelli, Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre 1458 Beyzym SJ, Jan 103,404 Birgitta von Schweden (1303-1373), hl. 26 f„ 941 Boas 1158 Bober, Bemard Weihbischof in Kosice 432 Bonino, Josefine [Gabriele (Giusep-pina Gabriella)], sei. (f 1906) Gründerin der Schwestern von der Heiligen Familie in Savigliano 849, 852 f., 866 f. Bonnici, Ugo Mifsud Präsident der Republik Malta 606 Borromäus, Karl, hl. (1538-1584) 344 Bosco, Johannes, hl. siehe: Don Bosco, Johannes, hl. Boutros-Ghali, Boutros, Dr. Generalsekretär der Vereinten Nationen 169,513 Braito, Silvester, Pater 357 Brandsma, Titus, sei. (f 1942) 1150 Brigitta, hl. 912 Brun Barbantini, Maria Domenica, sei. (f 1868) 849, 852 f„ 866 f. Brusco, Angelo Generaloberer der Kammillianer 892 Bütler, Verena [Maria Bemarda], sei. 183,1217,1219-1223 Bukovsky SVD, John Titular-Erzbischof vonTabalta, Apostolischer Nuntius und Vertreter des Hl. Stuhls bei der Russischen Föderation 412 Burke, Raymond Leo Bischof von La Crosse 584 1625 REGISTER Bystrfk, hl. Bischof 416,430 Cabasilas, Nikolaus 816, 822 Cabrini Francesca Saveria 1. Heilige der USA (f 1917), Gründerin der Kongregation der Missionarinnen vom Heiligsten Herzen 37, 195 Cadiou, Jeanne Generaloberin der Schwestern der Heiligsten Herzen 401 Cagnasso, Franco Generalsuperior des Mailänder Missionsinstituts (PIME) 1035 Calasanzio, Joseph, hl. (f 1648) 1169 Calmers, Joseph, Pater Generalprior der Karmeliter 1148 Campion, Edmund, Märtyrer 364 Candia, Marcello 1277 Canisius SJ, Petrus, hl. 347 Caracciolo, Francesco, hl. (t 1608) 330 Cardijn, Joseph, Kardinal Gründer der CAJ 394 Cardozo, Laura Alvarado [Maria de San Jose], sei. (f 1967) 849, 851, 853, 866, 868 Cardot, Daniel, Pater Generalsuperior der Gesellschaft für die Missionen Afrikas 889 Carroll, John erster Bischof von Baltimore 550 Carzedda, Salvatore, Pater 1037 Casale, General 1057 Casani, Pietro [Petrus a Nativitate B.M.V.], Pater, sei. (t 1647) 1168 f. Cassidy, Edward Idris, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 646, 842,1248,1253 Castillo Lara SDB, Rosalio Jose, Kardinal, Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 1279 Ce, Marco, Kardinal Patriarch von Venedig 340 Ceschi di Santa Croce SJ, Antonio 336 Ceslao, hl. 371 Chanel, Peter [Aloisius Maria], hl. (t 1841) 281 Chautur, Milan Apostolischer Exarch von Kosice 436 Chauvet, Louis, Abbe 1165 Cheli, Giovanni, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs 1210 Chezard de Matel, Jeanne Gründerin der „Frauen vom Menschgewordenen Wort“ 1191 f. Chini SJ, Eusebio Francesco 336 Chlodwig, Frankenkönig (482-511) 1309 Chomyszyn, Gregoryi ukrainischer Märtyrer-Bischof 1238 Christov, Petko Bischof von Nicopolis 584 Cieslik, Pawel Weihbischof in Koszalin-Kolobrzeg (Köslin-Kolberg) 585 1626 REGISTER Clancy, Edward Bede, Kardinal Erzbischof von Sydney 291, 294, 296, 304 Claver, Petrus, hl. (| 1654) 1187-1189 Clemens VIH., Papst (1592-1605) 1236,1268, 1316 Clemens von Alexandrien 823 Clemens von Rom [Klemens I.], hl. Papst (92-101) 830, 1480 Clinton, William Jefferson [Bill] Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 507 Coelestin V. (auch Cölestin V.), hl. Papst (1294) 332 Colasuonno, Francesco, Erzbischof Nuntius in Italien 331 Cooke, Terence, Kardinal (f 1983) 539 Corcione, Domenico, General italienischer Verteidigungsminister 1057, 1193 Cornelius, Hauptmann 1079 f. Couturier, Paul, Abbe 913 Cyprian von Karthago, hl. 101,125, 957, 983,1081, 1517 Cyrill, hl. siehe: Kyrill (Cyrillus) Daily, Thomas Vose Bischof von Brooklyn 532 Dalla Porta, Serafina, Mutter Generaloberin der Kammillianer-innen 892 Damaskinos Griechisch-orthodoxer Metropolit 455 Daneels, Godfried, Kardinal Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Präsident von Pax-Christi 103, 386, 390, 397,405 f„ 979 Daniel, Prophet 65, 1043 David, König 65,217, 332, 655, 675, 786, 1009,1158, 1281 f„ 1318 de Andrade Ponte, Paulo Eduardo Erzbischof von Säo Luis do Maran-häo 1412 De Gasperi, Alcide (t 1954) italienischer Ministerpräsident 336 de Klerk, Frederick W. ehern. Präsident Südafrikas 478 Dechant, Virgil Hochmeister (Oberster Ritter) der Kolumbusritter 532, 1227 Delphinus, hl. Bischof von Bordeaux (350-403) 878 Denkha IV., Mar Patriarch der assyrischen Kirche des Ostens 18, 936,1272 Deskur, Andreas Maria, Kardinal Präsident em. des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel 209, 648 Di Filippo, Ettore Erzbischof von Campobasso-Boiano 331 Di Lorenzo, Francis Xavier Bischof von Honolulu 392 Dimitrios I. Ökumenischer Patriarch 831, 912, 928, 933, 954,1243,1553 Dini, Lamberto italienischer Ministerpräsident (1995-1996) 455 1627 REGISTER Dios Vial Correa, Juan de Professor, Präsident der Akademie für das Leben 1258 Domingo y Sol, Manuel, sei. (f 1909) 1168 DonBosco, Johannes, hl. (1815-1881) Gründer der Kongregation der Salesianer Don Boscos (SDB) 26 DrazekSJ 404 Dunant, Henry 1277 Echevarna Rodriguez, Javier Titularbischof von Cilibia und Prälat der Personalprälatur vom Heiligen Kreuz und vom Opus Dei 585 Edith Stein, hl. siehe: Stein, Edith Eleasar 280 Elija, Prophet 629 f., 1018, 1148 f. Elisabet (Elisabeth), hl. hebr. ,mein Gott ist Fülle’, Frau des Priesters Zacharias, eine Verwandte Marias, sie wurde in hohem Alter Mutter von Johannes dem Täufer 59, 217, 246, 428,440-443, 547, 697,713, 982,1045 Elisabeth von Ungarn, hl. 430 Erana, Carlos, sei. 1168 f. Escrivä de Balaguer, Josemarfa, sei. 774 Esteva, Mauro, Abt 1063 Etchegaray, Roger, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum, Präsident des Zentralkomitees für das Große Jubiläum des Jahres 2000 986, 1040,1163, 1207,1228 Eudes, Jean, hl. (f 1680) 1192 Eva 179 Ezechiel, Prophet 701, 899 Fabiola Königin von Belgien 104, 386, 390 Felicitas, hl. 1081 Felix, hl. 878 f. Fernando OMI, Edmund Joseph Bischof von Badulla 308 Fernando, Nicholas Marcus Erzbischof von Colombo 317 Florentina, Schwester 983 Fodor, Gabor Erziehungsminister Ungarns 434 Foley, John Patrick, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel 648 Follereau, Raoul 392, 1277 Franz von Assisi, hl. 39,486, 512, 943,1004 f., 1016 f., 1050, 1219, 1222 f„ 1232 Franz von Sales, hl. 347, 650, 1191 Franz Xaver SJ, hl. (1506-1552) Apostel Indiens und Japans 36, 319, 578 Franziskus siehe: Franz von Assisi Freeman, Seamus Generalrektor der Gesellschaft des Katholischen Apostolates 797 Freitas Do Diogo, Amaral Präsident der UNO-Versammlung 169 Frisina, Marco, Msgr. italienischer Komponist 629 1628 REGISTER Frumentius, hl. (genannt Abba Salama) 1081 Fürstenberg, von, Kardinal 396 Fuido, Fidel, sei. 1168 f. Gabriel, Erzengel 58, 542,1045, 1143 Gabriel von der Schmerzhaften Muttergottes, hl. (t 1862) 600 Gagnon, Edouard, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 886 Gantin, Bemadin, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Bischöfe 1013 Gardin, Agostino, Pater Generalminiser der Franziskaner Konventualen 1003 Gasbarrini, Giovanni, Professor Institut für Klinische Medizin der Katholischen Universität 1273 Gasparovic Präsident des Slowakischen Parlaments 415 Gelasius I., Papst (492-496) 1081 Gemma, Andrea Bischof von Isemia-Venafro 332 Geometres, Johannes byzantinischer Mönch 179 f. Gillet, Paolo Weihbischof in Albano 129 Glemp, Jözef, Kardinal Erzbischof von Gnesen und Warschau, Präsident der Bischofskonferenz und Primas von Polen 435 Glimgorov, Kiro Präsident der ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien 968 Gojdic, Pavel (Pavol) griechisch-katholischer Bischof von Presov 122,433,438,441 Gonpalves Amaral SDB, Edvaldo Erzbischof von Maceiö 1379 Gorazd, Erzbischof der Bulgaren, hl. (tum890) 364,416,430 Gottardi, Alessandro Maria Bischof em. von Trient 340, 343 Grabmeier, Josef Domkapitular in Regensburg 1312 Grass Bürgermeister aus Obertraubling 1312 Graubner, Jan Erzbischof von Olmütz 361, 370 Gregor der Große, hl. Papst (590-604) 678, 819, 904, 949 Gregor von Nazianz, hl. (| 390) Kirchenlehrer 817, 823,1163 Gregor von Nyssa, hl. (t 394) 180, 704, 734, 816 f„ 822, 1192 Gregor XI., Papst (1370-1378) 33 Gregor Xm„ Papst (1572-1585) 344 Gregor[ius] XTV., Papst (1590-1591) 892 Gregor XV., Papst (1621-1632) 1083 Gregori, üdebrando 1277 Gregory, Affonso Felippe Bischof von Imperatriz, Präsident von Caritas International^ (1991-1999) 872 Grimoald von der Purificatio Mariens siehe: Santamaria, Ferdinando 1629 REGISTER Gristina, Salvatore Weihbischof und Generalvikar in Palermo 884 Grodecz [Grodziecki] SJ, Melchior, hl. 121, 364, 371,411 f„ 431,433-436 Groer, Hans Hermann, Kardinal Erzbischof em. von Wien 1062 Guerricus [Werricho] SOCist, sei. (t 1157), Abt von Igny 180, 756 Gulbinowicz, Henryk Roman Kardinal, Erzbischof von Breslau (Wroclaw) 888 Habakuk, Prophet 553 Hajek, Otto Herbert, Künsther 66 Hamer OP, Jean-Jerome, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens 386 Hanna Prophetin, Tochter Penuels, Zeugin der Darstellung Jesu im Tempel 601-603 Hannas 789, 1006 Harrington, Patrick, Pater 889 Havel, Vaclav Präsident der Tschechischen Republik 370 Havel von Lemberk, Herzog 362 Hedwig, hl. 993 Hemmerle, Klaus Bischof von Aachen 628 Henriot, Antoine Marie Generaloberin der Kongregation der Barmherzigen Schwestern von der hl. Johanna Antida Thouret 891 Henrique, Don Titularbischof von Utica 1082 Herodes I., der Große König (37-4 v. Chr.) 220,462, 601,1144 Hesse MSC, Karl Erzbischof von Rabaul 280 Hieronymus, hl. 879 Hippokrates 1276 Hippolyt, hl. 416 Hirka, Jan Bischof von Presov 436 Hita, Jesus, sei. 1168 Höffner, Joseph, Kardinal Erzbischof von Köln 1196 Hofbauer, Klemens Maria, hl. 364 Hohlmeier, Monika Staatssekretärin 1312 Hopko, Vasil griechisch-katholischer Bischof 438 Hosius, Stanislaus (f 1579), Kardinal 344 Hroznata 364 Huhn, Bernhard, Bischof Apostolischer Administrator von Görlitz 992 Ignatius von Antiochien, hl. 436, 699, 830,1223,1436 Ignatius von Loyola, hl. 577 f. Ignatius Jacoub III., Mar Patriarch der Kirche Antiochiens der Syrer und des ganzen Orients 935 Ignatius Zakka I. Iwas, Mar syrischer Patriarch v. Antiochien 935 1630 REGISTER Ijob, Prophet 289,696 Illia, Frano, Erzbischof von Shkodre Vorsitzender der Bischofskonferenz von Albanien 970 Irenaus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 179,581,687,691, 734, 816 f., 828, 830, 875, 996, 1048,1220 Isaak Sohn Abrahams 65, 330 f., 1246 Isidor, Metropolit von Kiew 1237 Jakob, Sohn Isaaks 65, 330 f., 1246 f., 1282,1294 Jakobus, hl. Apostel Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes 29,106, 281,457, 783, 1042 J akobus, Patriarch 1175 Jakobus der Jüngere 783 Janssen SVD, Arnold, sei. 851 Jaschke, Hans-Jochen Weihbischof in Hamburg 193 Jenninger, Philipp Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl 1000, 1312 Jeremia, Prophet 594, 701, 713, 1158 Jesaja (Jesaia), Prophet 255, 257, 296, 308, 475,485, 487, 532 f„ 582, 584, 685,768, 785, 1033, 1203,1293 f., 1303-1305, 1312 f., 1318 Jimenez, Zacharias Bischof von Pagadian 584 Joel, Prophet 632 Johannes, hl. Apostel und Evangelist, Bruder des Jakobus 29, 60 f., 75,119 f., 126, 135,187, 248, 341, 349-351, 367, 380, 389, 427, 430, 476, 536, 542, 638 f„ 662, 683, 690, 706,764, 778, 782 f., 787,793, 795 f., 802 f., 806, 853, 875,917, 962,1033, 1042,1045,1047,1208,1320, 1387 Johannes XXm., Papst (1958-1963) 109,143,172, 210 f., 342, 567, 572, 714, 726 f„ 833, 859, 863, 866, 906 f„ 909, 927, 946, 996, 1224,1243, 1347,1517 Johannes Chrysostomos, hl. 740, 822, 983, 1507,1509,1517 Johannes Damascenus, hl. 704 Johannes der Täufer 217 f., 341 f., 475, 543, 586 f., 629, 638, 697, 699,713,789,1018,1149 Johannes Nepomuk, hl. Märtyrer von Kosice 357, 430 Johannes Paul I., Papst (1978) 928, 940,1224 Johannes Paul II., Papst (seit 1978) 568 f„ 571, 656, 660, 674, 678, 694 f., 710 f„ 722,724 f„ 730, 735 f., 739, 744-747, 749-754, 817, 826, 830 f„ 834-836, 858, 860, 862-864,907,911,933-935,945, 947, 958,1068,1074,1088 f., 1091-1093,1097 f„ 1104,1107-1112, 1114 f., 1118,1121,1127,1130, 1133,1138,1140-1142,1144,1203, 1236, 1240-1242,1340, 1458,1460, 1478-1483,1486 f., 1489,1494, 1496,1499, 1502 f„ 1505, 1510, 1512,1517 f., 1530,1534,1540, 1543,1545 f., 1548,1553,1555 1631 REGISTER Johannes vom Kreuz, hl. 253, 876, 1516 Johannes von Avila, hl. (fl569) 641, 1486 Johannes von Damaskus, hl. 817 Johannes von Gott, hl. (f l 550) 604 f., 641-643,1288-1290 Johannes von Montecorvino OFM 1. Bischof von Khanbalig [Peking], Missionar 1427 Johannes [von] Nepomuk, hl. 364 Jonas, Vater des Petrus 1374 Jonson, Jonas Bischof der Lutherischen Kirche in Schweden 646 Josaphat, hl. 1246 Josef (Joseph), hl. 147,161,187, 218, 220, 259, 261, 297, 325-327, 330-333, 342 f„ 441,455,462-464, 475,539, 547, 601 f„ 757,771, 985, 1305,1320,1322 Joseph von Arimathäa 244 Joseph von Calasanza, hl. siehe: Calasanzio, Joseph Joseph von Nazaret siehe: Josef, hl. Judas, hl. Apostel 1458 Jüngling von Naim 260 Julius IE., Papst (1550-1555) 344 Kain 661-664, 670, 672, 675, 692 Kaiper, Adolf, Pater 357 Kaiphas, [Kajafas] Hoherpriester 789,1006,789 Kalemba, Matthias Mulumba, hl. (t 1886), Märtyrer aus Uganda 1068, 1083,1095 Kamillus von Lellis, hl. 892, 894 f. Kandake Beamter d. Königin Äthiopiens 1068 Karl V. (t 1558) deutscher Kaiser 344 Katharina von Siena, hl. 32 f. Katharina, hl. Tochter Birgittas von Schweden 27 Keeler, William Henry, Kardinal Erzbischof von Baltimore 551, 558 Kephas (Petrus) siehe: Petrus Kocylowskyi, Josaphat griechisch-katholischer Bischof 1238 König, Franz, Kardinal Erzbischof em. von Wien 1062 Koitz, Hans-Georg Weihbischof in Hildesheim 171 Kolbe, Maximilian Maria, hl. 1005 Koliqi, Mikel, Kardinal 970 Kolumbus, Christoph 252 Kolvenbach SJ, Peter-Hans Generoberer der Gesellschaft Jesu 577, 1324 Komarica, Franjo Bischof von Banja Luka 89,151, 1190 Korczak, Janusz 1277 Korec, Jan Chryzostom, Kardinal Bischof von Neutra 122, 409, 412, 416,432 Kos, Ciril Bischof von Djakovo u. Srijem 764 1632 REGISTER Kostov, Gheorghi, Professor Kultusminister der Republik Bulgarien 895 Koväc, Michal Präsident der Slowakischen Republik 409,432 Kowalczyk, Jözef, Erzbischof Apostolischer Nuntius in Polen 1203 Kowalska, Faustina, sei. (f 1938) 75, 803 f. Krakowskie, Blonia 379 Krizevci SJ, Markus von, hl. 412, 433-436 Kuncevyc, Josaphat Erzbischof von Polock und Vitebsk, 1238 Kurongku, Peter Erzbischof von Port Moresby 275, 280 Kyrill (Cyrillus), hl. (Mönch) Schutzpatron Europas 36, 94,121, 359, 364,410,416, 418-420,425, 430,437,445, 813, 817 f„ 822, 895 f„ 906, 908, 928, 968 f„ 1081 Ladislaus IV., König 373 Laghi, Pio, Kardinal Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen 805, 1198, 1249, 1272 Lajolo, Giovanni, Erzbischof Sekretär der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhles 1279 Lampel, Antonia 1016 f. Lari, Ovidio Bischof em. von Aosta 449 Lavrentije serbisch-orthodoxer Bischof 455 Lazarus 125,682,782,796 Leander von Sevilla 983, 986 Ledöchowska, Maria Teresa, hl. (1 1922) 1187-1189 Lehmann, Karl, Bischof von Mainz Vorsitzender der Deutschen Bi-schofskonferenz 1147 Lejeune, Jeröme, Professor Erster Präsident der Akademie für das Leben 1259, 1262 Leo I., hl. Bischof von Rom (440-461) 983 Leo X., Papst (1513-1521) 1082 Leo Xm„ Papst (1878-1903) 811 f„ 1012,1014,1224,1350 Lignon, Colette, Schwester Generaläbtissin der Ursulinen 1174 Lincoln, Abraham Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 554 Lloret Marti, Francisca D. Honorata [Angeles de San Jose], sei. (f 1936) 1168 f. Lopes de Faria, Paulo Bischof von Itabuna 1395 Lopez Trujillo, Alfonso, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 1159,1171,1534 Lorscheider OFM, Aloisio, Kardinal Erzbischof von Fortaleza 1386 Losada, Adam Enrique Generalsuperior der Kongregation der Patres der Heiligsten Herzen (Picpus) 401 1633 REGISTER Lubachivsky, Myroslav I., Kardinal Großerzbischof von Lviv der Ukrainer 759, 1236,1268 Lucci OFMConv., Antonio, sei. (t 1752) 330 Lucia, Hirtenkind (erschien in Fatima die Muttergottes) 308 Ludmilla, hl. (t 921) 357,364 Lukas, hl. Evangelist 64, 126, 158-160, 187 f„ 206,216 f„ 367, 462,475, 539,542, 544,586 f„ 638, 713 f., 771, 784 f„ 959, 1042, 1313, 1322 Lumiere, Auguste und Louis Jean (Brüder) 649 Lwanga, Charles (Carlo), hl. Märtyrer aus Uganda 1068, 1083, 1095 Lysy, Albert Leiter der International Menuhin Music Academy in Gstaad 1044 Macchi, Pasquale Erzbischof von Loreto, Päpstlicher Delegat für das Lauretanische Heiligtum 455,1228 Macharski, Franciszek, Kardinal Erzbischof von Krakau 1214 Macik, M. Luceta, Schwester Generaloberin der Schulschwes-tem des Dritten Ordens des hl. Franziskus 1016 MacKillop, Maria Helena (Mutter Maria vom Kreuz) (f 1909), sei. Gründerin der Kongregation der Josefs-Schwestern vom Heiligsten Herzen Jesu 10,23,25, 291-301, 303-305,597 Madruzzo, Cristoforo (f 1578) Kardinal, Bischof von Trient 344 Magdalena 1010 Maida, Adam J., Kardinal Erzbischof von Detroit 1203, 1205 f. Makarios von Ägypten, Eremit 820 Maleachi, [Malachias] Prophet 601 Malla, Ceferino Jimenez 991 Malley, John, Pater Generalprior der Karmeliten 1148 Mandela, Nelson Präsident Südafrikas 163,485, 489 Marcel, Gabriel 1292 Marchetti Fedalto, Pedro Antonio Erzbischof von Curitiba 1338 Marchisano, Francesco, Erzbischof Präsident der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche 1177 Maria, Frau des Klopas 229 Maria, Mutter Jakobus des Jüngeren und Josefs 783 Maria de San Jose siehe: Cardozo, Laura Alvarado Maria Gabriella von der Einheit siehe: Sagheddu, Maria Gabriela Maria Magdalena (NT) (Maria aus Magdala von Bet[h]anien) 5, 7, 50, 52, 229,796, 782 f„ 984,1072 Marillac, Louise de (Luise von), hl. Märtyrerin (f 1934) 143,1226 Mann, Ivan Sekretär des Päpstlichen Rates Cor Unum 1163 1634 REGISTER Marinelli, Enrico, Militär-Präfekt 326 Marion-Bresillac, Melchior Joseph de, Bischof (t 1859), Gründer der Lyoner Gesellschaft für afrikanische Missionen 890 Markus, hl. Evangelist 165, 367, 1081 Markus von Krizveci, hl. 121,411, 430 Marra, Giovanni, Erzbischof, Italienischer Militärbischof 1057, 1193 Marta (Martha) Schwester des Lazarus und Marias von Betanien 5, 7, 782, 796 Martin, Diarmuid Sekretär des Päpstlichen Rates Justitia et Pax 1539 Martin von Tours, hl. (t 1934) Mönch und Bischof 1309 Martinez, Somalo, Eduardo, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens 881 Martini SJ, Martino 336 Martino, Renata Raffaele., Erzbischof Apostolischer Nuntius und Ständiger Beobachter des Hl. Stuhls bei den Vereinten Nationen 1547 Martyrius, Märtyrer vom Nonsberg [Trient] (t 397) 340,343 Matteo von Agnone, Pater 330 Matthäus, hl. Evangelist 161,187, 367, 632, 781,890, 1163 Mayer, Rupert, SJ, Pater, sei. 189 Mazenod, Eugene de, hl. Bischof, Gründer der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria (OMI) 204, 1293-1295 Mazzarella OFM, Dominik [Modestin (Modestino) von Jesus und Maria], sei. (t 1854) 19, 594f., 597-599 McCarrick, Theodore Edgar Erzbischof von Newark (USA) 412, 509, 527 McGivney, Michael, Pater Gründer der Kolumbusritter 1227 McHugh, James Thomas Bischof von Camden 869 Meciar, Vladimir Ministerpräsident der Slowakischen Republik 409,415,432 Melchisedek König von Salem 1007 f. Meloni, Pietro Bischof von Nuoro 115 Mercier, Desire, Kardinal Bischof von Mechelen-Brüssel 103, 394, 396 Merici, Angela, hl. (t 1540) 1175 f. Method (Methodius) (Methodios von Olympos), hl. Bischof Schutzpatron Europas 36, 94,121, 359, 364,410,416,418-420,425, 430,437,445, 813, 817 f., 895 f„ 906, 908, 928 f„ 968 f„ 983 Metzger, Alfons Regierungspräsident aus Regensburg 1312 Michael TU. Metropolit von Kiew 760 1635 REGISTER Michelangelo [Michelagniolo di Ludovico Buonarotti-Simoni] (t 1564), Künstler 588 Mickiewicz, Adam 1204 Miki, Paul, hl. (t 1597) 281 Miltiades, hl. Papst (311-314) 1081 Modestin (Modestino) von Jesus und Maria, sei. siehe: Mazzarella OFM, Dominik Molla, Gianna Beretta, hl. 575 Mongella, Gertrude Generalsekretärin der Vierten Weltkonferenz der Vereinten Nationen über die Frauen in Peking 133, 963,1023 Monika, hl. Mutter des hl. Augustinus 575, 1081 Montessori, Maria 138 Morelos, Carmelo Dominador F. Erzbischof von Zamboanga, Präsident der Philippinischen Bischofskonferenz 262 Morone, Giovanni, Kardinal (t 1580) 344 Mose(s) 87,232, 247, 330 f„ 333, 496, 601,681,702, 770, 961 Müller, Manfred Bischof von Regensburg 1312 Müller, Rudolf Bischof von Görlitz 992 Muresan, Lucian Erzbischof von Fagaras und Alba Julia 1453 Musaro, Bruno Apostolischer Nuntius in Panama 584 Mutien-Marie, hl. 385,400,404 Napoletano, Antonio Bischof von Sassa Aurunca 584 Natan, Prophet 675 Nengapeta, Clementina Anuarite, sei. (t 1964) 1083 Neri, Philipp, hl. 347 Nero, römischer Kaiser (54-68) 1032 Neumann, Johann Nepomuk, hl. (t 1860) 364 Nguyen Van Thuän, Francois Xavier, Erzbischof, Vizepräsident des Päpstlichen Rates , Justitia et Pax“ 1150 Nicetas, hl. Apostel von Dazien 880 Nightingale, Florence 1277 Nikodemus, Pharisäer 793, 794 Noach 691 Noe, Virgilio, Kardinal 1248 Nörgaard-Höjen, Peder, Professor Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission des Zentrums 646 Noomi Schwiegermutter Ruts 1158 Norbert von Xanten Erzbischof von Magdeburg, hl. (t 1134), Gründer des Prämon-stratenser-Ordens 364 Nzinga-a-Nkuwu König von Kongo 1082 O’Brien Rektor des Priesterseminars in Yonkers 539 1636 REGISTER O’Connor, John Joseph, Kardinal Erzbischof von New York 539 f., 5441 Ogilvie, John, Märtyrer, hl. (f 1615) 364 Okoth, Zacchaeus, Erzbischof von Kisumu, Präsident der Bischofskonferenz Kenias 503 Onesimus, Sklave 1354 Orcasitas Gomez, Miguel Angel Generalprior der Augustiner 1153 Origenes 1081 Orsmond, Reginald Joseph Bischof von Johannesburg 484 Otunga, Maurice Michael, Kardinal Bischof von Nairobi 491,493, 498,503 Pachomius, hl. 820, 825,1081 Pallotti, Vinzenz (1795-1850), hl. 797-800 Pamplona, Dionisio, sei. (f 1936) 11681 Pastore, Pierffanco Sekretär des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel 585 Patocka, Jan, Professor 354 Paul in., Papst (1534-1549) 344, 1353 Paul IV., Papst (1555-1559) 1544 Paul VI., Papst (1963-1978) 43, 84, 138,169, 1721,194, 207,210, 233, 267 1, 272, 306, 331, 362, 392,507, 524, 549,568, 576, 578, 581,592, 6221,705,715,719, 732, 7361,748, 751, 755, 766, 829, 831, 833, 844, 864, 872, 8841, 9061, 914, 917, 927 1, 931, 935, 940, 947 1, 950, 955 1, 980, 991,1031,10421,1067 1,1073, 1076,1081,1083 1,1086,1090, 10941,1103-1106,1110, 1113, 1130,11321,1137,1144, 1178, 1188,1207 1,1224,1230,1243, 1267,1284,1301,1375, 1381, 1460, 1486,1517,1553 Paul vom Kreuz, hl. 600 Paula Frau des sei. Peter To Rot 283 Paulina, sei. Mutter 1374,1411 Paulinus von Nola, hl. (t 431) 878-881 Paulus von Chartres, hl. 1165 Paulus von Tarsus, hl. Apostel 5,16, 19,24,50,55, 69, 87, 91 f., 100, 106 f., 116-120,126,150,154,160, 176,187,216,225,231,240,245, 252 f., 261,266,270,299,303,319, 321, 331,334, 338,351, 361, 368, 374 f„ 377 f„ 393 f„ 402, 412,432, 436 f„ 443,447,457 f„ 486,510, 528,536-538, 542,553 f„ 558,562, 573-575,583,588,599, 606, 610, 632-634, 640, 677, 679, 686, 689, 693,706,721,735,781,788,794, 799, 806, 826, 835, 851,877,887, 901, 927 f„ 930, 950-952,958,961, 982, 984 f., 987, 993,995,1007, 1009,1022,1032-1034,1038,1046, 1056,1080 f., 1116,1163,1167-1170,1177,1214,1224,1248, 1267,1281 f., 1294 f„ 1301 f„ 1308,1318,1322 f„ 1329,1344, 1351, 1356, 1359, 1361,1366, 1373,1375,1386,1404,1410, 1412-1414,1426-1428,1431-1433, 1435 f., 1443 f., 1447,1449,1481, 1485,1492,1517,1522 1637 REGISTER Penuel Vater der Prophetin Hanna 603 Perpetua, hl. 1081 Petrus (Simon Petrus, Kephas), hl. Apostel 11,29,100,106,116, 118-120,140,153 f„ 160,165,176, 235, 241, 252,280, 282,284 f., 293 f„ 308, 338-341, 367, 389 f., 393, 417,436,457, 475-477,493, 499, 502, 598, 634, 678,685, 690, 709, 715, 791, 796, 833, 872, 882, 885, 899, 928, 930, 949-954, 958, 961, 992, 1007,1018,1022,1032-1035,1042,1056,1065,1070, 1079 f„ 1143, 1224, 1301, 1310, 1315,1323,1329, 1334,1344, 1351, 1366,1373 f., 1379,1385, 1404 f., 1412,1420 f„ 1427,1435, 1439,1443 f., 1452,1475 Petrus Claver siehe: Claver, Petrus Peyton, Patrick, Pater 547 Pharao 669,684, 789 Philemon, Schüler des Paulus 1354 Philipp, Prinz von Belgien 405 Philipp Neri, hl. 767-769, 976-979 Philippus, Apostel 417 Philippus, Diakon 472 Picchi, Mario, Don Gründer des Italienischen Solidari-tätszentrums 1019 Piccinini, Bonifacio Erzbischof von Cuiaba 1373 Pilatus 367,789,791 Piles, Pascual Generalsuperior der Barmherzigen Brüder 604 f., 641 Piovanelli, Silvano, Kardinal Erzbischof von Florenz 962 Pironio, Eduard(o) Francisco, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien 230, 262,455,1228 Pius II., Papst (1458-1464) 1354 Pius IV., Papst (1559-1565) 344 Pius V., hl. Papst (1566-1572) 344 Pius VI., Papst (1775-1799) 1170 Pius IX., sei. Papst (1846-1878) 186 Pius X., hl. Papst (1903-1914) 1224 Pius XI., Papst (1922-1939) 714, 726, 857, 1224 Pius XII., Papst (1939-1958) 186, 695,714, 719, 724, 726, 858, 870, 972, 974, 1224, 1236,1238,1276, 1517 Platon Philosoph der Antike 806 Plumey, Yves ermordeter Erzbischof von Garoua 467 Pociej, Hypatius griechisch-katholischer Bischof 760 Polanco, Anselmo, sei. Bischof von Teruel 1168 Polykarp (Polykarpos), hl. 179, 830 Pongräcz SJ, Stefan (Istvän) 121, 411 f., 431, 433-436 Pontikos, Euagrios 825, 828 Possamani SDB, Antonio Bischof von Ji-Paranä 1359 Poupard, Paul, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur 1290 1638 REGISTER Primatesta, Raul Francisco, Kardinal Erzbischof von Cordoba 1334 Prokop, hl. (t 1053) Abt von Säzava 364 Quarracino, Antonio, Kardinal Erzbischof von Buenos Aires, Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz 1329 Räbek, Frantisek Weihbischof in Neutra 416 Rabin, Yitzhak Premierminister Israels 186 Radim, Bruder Adalberts 364 Raffin OP, Pierre Bischof von Metz 1054 f. Rakoczy, Tadeusz Bischof von Bielsko-Zywiec 375, 381,435 Ramirez Godoy, Leticia Generaloberin der „Frauen vom Menschgewordenen Wort“ 1191 Ramos, Fidel V. Präsident der Philippinen 226, 250 f„ 262, 278 Rasoamanarivo, Victoria, sei. (t 1894) 1083 Ratislav, Fürst 416 Ratzinger, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 646,1262,1458 Regmunt, Stefan Weihbischof in Legnica 585 Ripoll, Morata Felipe, sei. (t 1939) General vikar von T eruel 1168 Roscelli, Agostino (Augustinus), sei (t 1902),Gründer der Kongregation der Schwestern von der Immakulata 849 f., 853, 866 f. Rosmini, Antonio (t 1855) 336 Rossato CSsR, Altamiro Erzbischof von Porto Alegre 1405 Rozario, Michael Erzbischof von Dhaka 266 Ruini, Camillo, Kardinal Generalvikar der Diözese Rom, Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz 634, 962, 1248,1324 Ruiz, Lorenzo, hl. 226,255,281 Ruiz de los Panos y Angel, Pedro, sei. (t 1936) 1168 Rut, Moabiterin 1158 Rutelli, Francesco Bürgermeister von Rom 1057 Ryden, Vassula griechisch-orthodoxe Frau 1457 Sachaija, Prophet 771 Sadik, Nafis Generalsekretärin der internationalen Konferenz von 1994 über Bevölkerung und Entwicklung 1115 Sagheddu, Maria Gabriela, [Maria Gabriela von der Einheit], Trappistin, sei. (f 1902) 913 Salazar OP, Domingo de erster Bischof von Manila 235, 253 Saldarini, Giovanni, Kardinal Erzbischof vonTurin 962 Sales, Eugenio de Araüjo Kardinal, Erzbischof von Säo Seba-stiäo do Rio de Janeiro 1351 Salome Mutter der Apostel Johannes und Jakobus 783 1639 REGISTER Salomo(n), König 320, 601 Samaranch, Juan Antonio Vorsitzender des Internationalen Olympischen Komitees. 1057 Sanchez, Jose, Kardinal Präfekt der Kongregation für den Klerus 1213, 1284 Santamaria, Ferdinand(o) [Grimoald von der Purificatio Mariens], sei. (t 1902) 19,594, 596-598, 600 Santos, Rufino, Kardinal 249 Santucci, Antonio Bischof von Trivento 326 Sapieha, Adam Stefan, Kardinal Erzbischof von Krakau 1215 Sarkander, Johann 1620), hl. 95-97, 102, 121, 357, 359, 362-366, 368-371, 374-376, 378-382,430, 841 f. Sarkissian, Karekine Katholikos aller Armenier 765 Sarr, Adrien Theodore Bischof von Kaolack 1056 Sartori, Giovanni Maria Erzbischof von Trient 340, 343 Saulus siehe: Paulus von Tarsus Scheffler, Angelus siehe: Angelus Silesius Scherer, Maria Theresia, [Anna Maria Catharina], sei. (f 1888) Gründerin der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz von Ingenbohl 183, 1217-1219, 1221-1223 Schleck CSC, Charles Titularerzbischof von Africa, Beigeordneter Sekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 843 Schönbom, Christoph Erzbischof-Koadjutor in Wien 1062 Schotte CICM, Jan Pieter, Kardinal Generalsekretär der Bischofssynode 386, 1248 Schweitzer, Albert 1277 Sebastian, hl. 976 Semedi, Ivan Bischof von Mukacevo 762 Sepe, Crescenzio, Erzbischof Sekretär der Kongregation für den Klerus 1213, 1284 Seraphicus, Bruder 1004 Seraphim Bischof der Rumänischen Orthodoxen Kirche, Metropolit für Deutschland und Mitteleuropa 455 Seripando OESA, Girolamo, Kardinal (t 1563) 344 Serrini OFMConv., Janfranco Generalminister der Franziskaner-Kon ventualen 1003 Servatius, hl. 1248 Set 695 Seton, Elizabeth Ann, hl. 550, 559 Sgreccia, Elio, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie, Vizepräsident der Akademie für das Leben 1159,1171, 1258,1534 Shehan, Lawrence, Kardinal 561 Shenouda III. koptisch-orthodoxer Papst und Patriarch 935 Shirayanagi, Peter Seiichi, Kardinal Erzbischof von Tokyo 1447 1640 REGISTER Sigheteanul Rumänisch-orthodoxer Bischof 455 Sigismund, hl. (t 524) König der Burgunder 364 Silvestrini, Achille, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 1011, 1454 Simeon Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 217,547, 601-603, 757 Simon, hl. Apostel 119 f., 1458 Simon, Pharisäer 1010 Simon Barjona (Petrus) siehe: Petrus Simon von Zyrene (Kyrene) half Jesus das Kreuz tragen 228, 783,1079 Simonis, Adrianus Johannes, Kardinal Erzbischof von Utrecht 1248 Sin, Jaime L., Kardinal Erzbischof von Manila 226 f., 235,251,262,278 Singkai, Gregory Bischof von Bougainville 283 Sisinnius, Diakon, Märtyrer vom Nonsberg [Trient] (f 397) 340, 343 Sixtus V., Papst (1585-1590) 344 Slipyi, Josyf, griechisch-katholischer Metropolit der Ukraine 1238 Slowacki, Juliusz 1204 Smetana, Dr. Pavel Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Tschechischen Brüder und Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen in der Tschechischen Republik 841 Sodano, Angelo, Kardinalstaatssekretär 1048, 1543 Sokol, Jan Erzbischof von Preßburg-Tymau 409, 412 Sokrates Philosoph der Antike 806 Soloviev, Vladimir (f 1900) russischer Philosoph 645 Somavia, Juan, Botschafter 1539, 1543 Soubirous, Bernadette, hl. Seherin von Lourdes 621,1010 Spidlik, Pater Leiter der Exerzitien im Vatikan 644 Spinola, Carlo, hl. 364 Srakic, Marin Weihbischof in Djakovo und Srijem 764 Stanislaus, hl. Bischof von Krakau 96, 264, 375 Stein, Edith, hl. 42f„ 371 Stephanus, hl. Märtyrer 219,281, 699, 978 Stoiber, Edmund Ministerpräsident des Freistaates Bayern 1312 Stollenwerk, Maria Helena, sei. (t 1900) 84, 849, 851-853, 866, 868 f. Suenens, Leo, Josef, Kardinal Erzbischof em. von Mechelen-Brüssel 103, 390 1641 REGISTER Svorad, Andreas, hl. 416 Szeptyckyi, Andreas griechisch-katholischer Metropolit der Ukraine 1238 Szyrokoradiuk OFM, Stanislaw Weihbischof in Zhytomir 585 Tabet, Paul Fouad, Erzbischof Apostolischer Nuntius 1555 Tauran, Jean-Louis, Erzbischof Staatssekretariat, Sekretär: Beziehungen zu den Staaten 1551 Tekla, Mutter Generaläbtissin des Erlöserordens 646 Terasia Ehefrau des hl. Paulinus von Nola 878 Teresa, Mutter von Kalkutta 970 Terleckyj, Cyrill griechisch-katholischer Bischof 760 Tertullian (160-220) einer der bedeutendsten Kirchenlehrer der alten Kirche 51,714, 980,1081,1242,1493, 1517 Tettamanzi, Dionigi Erzbischof em. von Ancona-Osimo, Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz 962 Thekla, hl. 1081 Theresia von Avila, hl. Kirchenlehrerin 42, 1031, 1218, 1516 Therese von Lisieux [Theresia vom Kinde Jesu], hl. 7 f, 884,1311 Thomas, Apostel 235, 338,442, 682, 720, 801 f. Thomas von Aquin, hl. (um 1226-1274), Kirchenlehrer 13, 53, 80, 112,473, 704,708, 720,726 f., 734,787, 981,1007, 1501 Thouret, Johanna Antida, hl. (f 1526) 890, 892 Tilly, Marie-Anne de 1165 Timotheus, Schüler des Apostels Paulus 357,553 f„ 735,780, 1170,1337,1432 Titus, Schüler des Apostels Paulus 266, 1318 Tkäc, Alojz Bischof von Kosice 432 To Rot, Peter, sei. (f 1945) Katechist und Märtyrer 10, 23, 25, 273-277, 280-285, 287, 289 f„ 293, 597 Todea, Alexandra, Kardinal Erzbischof em. von Fägäras und Alba Julia 1454 Tomäsek, Frantisek (t 1991) Kardinal, Erzbischof von Prag 354 f„ 357 Tomko, Jozef, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 250, 409, 412, 432, 807, 842, 1290 Torres Morales,Genovefa, sei. Stifterin der Kongregation der Schwestern vom Heiligen Herzen Jesu und den Heiligen Engeln [„Las Angelicas“] 19,594-599 Toussaint, Pierre 547 Tramma, Umberto Bischof von Nola 878 Trochta, Stepän, Kardinal verst. Bischof von Leitmeritz 357 1642 REGISTER Trochu, Francis 1215 Tschiderer von Gleifheim, Johannes Nepomuk, sei. (f 1860) Bischof von Trient 335, 337-340, 342 f. Tumi, Christian, Wiyghan, Kardinal Erzbischof von Douala 468 Uhac, Giuseppe, Erzbischof Präsident des Höheren Rates der Päpstlichen Missionswerke 843 Urban Vm. (1623-1644), Papst 1354 Urban, Jan Evangelista, Pater 357 Ursula, hl. 1174,1176 Valencia, Raphael Gulzar, sel.(t 1938), Bischof von Vera Cruz (Mexiko) 19,594 f„ 597-599 Valle, Geraldo Oliveira do Bischof von Guaxupe 1367 Van Roey, J., Kardinal Erzbischof von Mechelen-Brüssel 103 Vannini, Giuseppina, sei. siehe: Adelaides, Judith A. [Josephina Vannini] Vasken I. Katholikos aller Armenier 766 Vaz, Joseph, sei. (t 1711) Missionar der Kongregation des Oratorium vom hl. Philipp Neri 10,24 f„ 293, 307-312, 317-322, 597 Veronika reichte Jesus d. Schweißtuch 29, 783 Veuster de, Damian, hl. (1840-1889) 102-104, 385-395, 397-406 Vianney, Johannes-Maria, hl. (t 1859), Pfarrer von Ars 1215 Victor I., Papst (189-199) 1081 Vidal, Ricardo J., Kardinal Erzbischof von Cebu 226 f., 235, 262, 278 Vigilius, hl. Bischof von Trient 335, 337, 340, 343 Vilar, Vincente David, sei. (f 1937) 1168,1170 Vinzenco, Don 264 Vinzenz von Lerins, hl. 908 Vinzenz von Paul, hl. (t 1660) 143, 892,1165,1219,1226,1338 Visintainer, Paulina, sei. 336 Vlk, Miloslav Erzbischof von Prag 354, 356, 370, 628 Vojtassäk, Jan, Bischof 441 Walesa, Lech Präsident der Republik Polen 376 Weiden, Wilhelmus van der Generaloberer der Missionare von der Heiligen Familie 1185 Welykyj OSBM, Athanasius 1236 Wenzel, hl. 357,364 Wesoly, Szczepan Weihbischof in Guiezno (Guesen), Präsident der „Stiftung Johannes PaulH.“ 1203 Wetter, Friedrich, Kardinal Erzbischof von München und Freising 171, 365 Widmann, Abgeordneter 1312 Wilhelm von Saint-Thierry 821 1643 REGISTER Willebrands, Johannes, Kardinal Präsident em. des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 1248 Wladimir, hl. 929 Wlodkowic, Pawel 517 Wöjtassäk, Jan Bischof von Spis 122, 433 Wyszynski, Stefan, Kardinal Primas von Polen 441 Zachäus 260, 654 Zacharias 865, 1045 f. Zahalka, Schwestern 1016 Zakar OCist, Polikärp Generalabt der Zisterzienser 1063 Zaragoza, Fererico Mayor Generaldirektor der UNESCO 1183 Zdik, Heinrich 7. Bischof von Olmütz 364 Zdislava von Lemberk OP, hl. (f 1252), Landespatronin von Böhmen 95,97,102, 357,359, 362-366, 368,370 f„ 374,430 Zebedäus Vater des Apostels Johannes 783 Zico CM, Vicente Joaquim Erzbischof von Belem do Para 1419 Zimniak, Janusz Edmund Weihbischof in Bielsko-Zywiec 375,381 Zoa, Jean Erzbischof von Yaounde 473 Zverina, Josef, Theologe 354, 357 Länder- und Ortsregister Aachen - Bistum 868 Abendland 140,142, 815-817, 820 f„ 826, 837,840, 926,928-932, 934, 936 f., 1081,1237,1240 Abendmahlssaal 363, 910 f., 982, 986, 996,1302,1435,1442,1444 f. Abruzzen-Molise (Abruzzo-Molise) - Kirchenprovinz 326,331 Adriatisches Meer 970 Ägypten 161, 191, 220, 331, 333, 456, 462,472,494, 601,728, 757, 770, 788 f., 820,1050, 1080-1082 Äquatorialguinea 469,474,494 Äthiopien 472, 495, 935, 1068, 1081 f. Afrika (Africa) 4, 79 f. 151 f., 163-167, 246, 251-253, 255, 258, 262, 272, 278,463,465-468,470-474, 476-478,480-495, 497-505, 512, 514, 589-591, 606, 617, 619, 813, 872, 879 f., 8891, 911, 1008,1015, 1050, 1056, 1059,1065-1075, 1077-1095,1097, 1099-1101, 1106-1113 f., 1115 f., 1118-1120, 1122-1144, 1188,1224, 1316, 1319, 1353, 1399,1541 - Nordafrika 1080 - Ostafrika 491,493,503 - Republik Südafrika 485, 493 f - Schwarzafrika 473, 476,1082 - Südafrika 163,477-480, 484 f., 4891,504,588, 1316 - Zentralafrika 494,519 Agnone 326 f. Agra - Erzbistum 1439 Ain-Karim 1045 Alaska 929 1644 REGISTER Alba Julia - Erzbistum 1453 Albanien 794, 969-971 Albano - Bistum 129, 1039, 1048 Alexandrien 822 f., 1081 Algerien 472,485,494, 589,796, 882 Almenara (Castellön) - Bistum 599 Alpen 1039 Altheim 160 Altstätten 1219 Amapä - Brasilianischer Staat 1419 Amazonas 1359 Amerika 22, 37, 174-176, 252, 255, 258, 262 f„ 272, 486, 507-510, 514, 528-530, 534 f„ 540, 547, 550, 552-556, 559, 561-563, 584, 595, 1206,1226, 1329 - Kolonialamerika 550 - Lateinamerika 255, 590, 599, 796, 868, 886, 1013-1016,1336,1344, 1358, 1389, 1396,1412 - Mittelamerika 246, 278,1008, 1224 - Nordamerika 246,251,278,813, 911,940,1008,1163, 1224 - Südamerika 22,246,251,278, 813,893,911,1008,1224 - Vereinigte Staaten von Amerika 37,168, 173-176, 230, 243,265, 412, 507-509, 511 f., 527, 530-532, 545 f„ 548, 550-552, 555 f., 561 f., 584, 594, 762,794, 941, 969,1205, 1227, 1239, 1316 - Zentralamerika 251, 255 Angola 494, 589, 1077, 1082 Anika 620 Antiochia/Antiochien 106, 830, 935, 1436 Antipolo - Bistum 226, 246 Aosta(-Tal) 447,449,1039 - Bistum 449 Aparecida 1386,1392,1395, 1404, 1412,1419,1426 Aqueduct-Pferderennbahn (Queens) 532 Aracajü - Erzbistum 1395 Arco 342 Argentinien 21, 230,541,1239, 1329-1331,1334,1338 Armenien 516, 893 Ars 1214 Aserbaidschan 516 Asien 11,14, 16, 22, 24 f., 225-227, 230, 232 f„ 239,243, 248-253, 255, 257, 261 f„ 266-269, 271 f., 278 f„ 281, 305, 317-319, 322, 514, 584, 590, 621, 813, 843, 1008, 1015, 1050, 1224, 1428,1439,1447, 1448 - Ostasien 266, 273 - Südasien 266, 273 - Südostasien 266, 1541 - Südwestasien 273 Assisi 486, 862 f„ 943,1004 Atlantik 452, 941, 1008 Augsburg 181, 769 Auschwitz [Oswiecim] 20,42, 96, 609, 790, 855 Australien 14 f„ 21, 23-25, 225, 246, 251, 255, 258, 262, 278, 280, 291-297, 299 f„ 302, 304 f„ 597 f„ 1008, 1224, 1239,1316 Avignon 27 1645 REGISTER Babylon (Babel) 117, 601,1158 Baden-Baden 61 Bahia 1354,1395 Balkan 4, 83, 89,130,195, 369,457, 485,512,519, 607, 863 f„ 943, 970 f., 996, 1004,1040, 1225, 1316, 1319, 1552 Baltimore - Erzbistum 169,173,175,507, 550, 555-561 B altische Staaten 516 BanjaLuka - Bistum 4, 89, 151, 1190 Barcelona 879 Barovci 4 Bayern 1312 Belfast 451 Belgien 102, 104, 385-392, 394-398, 400, 403, 405-407, 1316 Belgrad 1227 Belo Horizonte 1386, 1417 Benin 494,1082 Berg - der Kreuze 832 - der Seligpreisungen 247 - Heiliger Berg (Svaty Kopecek) 96 - Horeb 331 - Karmel 1149,1150 - Sinai 701 - Tabor 644,824 - vonLaSalette 1187 - Zobor 416 Bergamo 640 Berlin 1194 Betlehem (Bethlehem) 8, 215, 217, 220, 244, 256 f„ 262,444, 542, 544, 574, 583,585 f„ 588, 601, 686, 892,1045,1158,1293,1295, 1304-1306,1312, 1317-1321 Bhopal 1435,1438 Bielitz-Biala 94, 96 f. Bielsko 373,381,435 Bielsko-Biala 376,382 Bielsko-Zywiec - Bistum 94, 96 f„ 372, 374 f„ 380 f„ 435,968 Birkenau 856 Böhmen 31, 36,94 f., 97, 353,356, 358 f„ 361, 363 f„ 371, 375, 382, 416, 430 - Nordböhmen 362 Bolbeno 342 Bombay 1443 Bordeaux 878 Borneo 1167 Boroko (Papua-Neuguinea) 288 Bosentino 342 Bosnien 4, 42, 56, 66,99,130,157, 162, 199, 215, 365, 450,1226, 1316 Bosnien-Herzegowina 66, 89,110, 125,137,139,155,157,162 f., 199, 519, 557, 589, 790, 796, 874, 882, 943, 1189, 1321 Bossey 610 Botswana 494 Bougainville - Bistum 274,283,291 Bozen 339 Bozen-Brixen - Bistum 337, 339 f. Brasilien 336, 340, 1239, 1340, 1344,1347-1349, 1352,1354-1356, 1358-1360,1362, 1365 f„ 1373 f„ 1376,1378,1380, 1384, 1387, 1391, 1396, 1398 f., 1403 f„ 1409, 1411-1415, 1419 1646 REGISTER Bratislava siehe: Preßburg Breslau [Wroclaw] 888 - Erzbistum 96,375,381, Brest 1236 f„ 1243,1245,1268, 1271,1316 Brest-Litowsk 759, 761 f., 1236, 1268 Bretagne 1309 Brixen - Bistum 339 Brooklyn - Bistum 169,173, 175, 507, 531 f„ 534, 558,1227 f. Brünn - Bistum 366 Brüssel siehe: Mechelen-Brüssel Bruntal 371 Bucchianico 892 Budweis [Ceske Budejovice] - Bistum 366 Buenos Aires 21, 230, 541,1329 Bukovä Hörka 440 Bulgarien 584, 895 f. Bundesrepublik Deutschland siehe: Deutschland Burkina Faso 494 Bumndi 4, 58,482,485,494 f„ 498, 589, 790, 796, 882,1321 Byzanz 94, 929 Caceres - Erzbistum 225 f„ 235, 251 f., 255 Cäsarea Philippi 393,1032 Camden Yards 175 Campiglio 342 Campo Grande 1341,1347 Campobasso 331 f. Canberra 924, 944 Canterbury 911 Caravaggio 342 Castel Gandolfo 71, 98,128 f„ 133, 138,143 f„ 146,150,156,163, 1039 f., 1042,1044 f„ 1048 f„ 1056, 1064,1148,1162 Castelpetroso 325, 330-332 Cavalese 342 Cayenne 1167 Cebu - Erzbistum 22, 225 f„ 235, 251 f., 255 f. Cereä 1391 CeskyTesin 371 Ceylon - Kirche 310 Chalkedon 935 Chartres 1167 China 240 f„ 246, 265,272, 590, 1051,1427,1429 - Volksrepublik China 794 Cieszyn - Bistum 374, 382, 435 Cimitele 878, 880 Ciudad Real 1169 Civitavecchia 38 Colombo (Sri Lanka) 10, 15, 21, 23-25,293,306, 308,311,315, 317, 322 Columbia 941 Cordoba 1334 Cuiabä - Erzbistum 1373 Curitiba - Erzbistum 1338 Cuttack-Bhubaneswar (Indien) - Erzbistum 1435,1438 1647 REGISTER Dachau (Konzentrationslager) 1150 Dänemark 43, 940 Damaskus 120, 817 Danzig [Gdansk] 377 Dayton (USA) 195 Dazien 880 Delhi 1435,1438 Den Haag 1248 Denver (USA) 21,227,230,265, 451, 540 f., 551 f., 670, 1413 Detroit 1203 Deutschland 83, 87,176,263, 366, 455, 849, 866, 940, 969,1000 f„ 1003,1145,1312 Dießen 79 Djakovo und Srijem - Bistum (Kroatien) 764 f. Dnjepr 929 Dorgali 913 Dresden 451 f., 790 Dschibuti 495 Duisburg 160 Dunwoodie - Priesterseminar St. Joseph 536 f., 539 Ecuador/Ekuador 32,797,1219 Eger 762 Eichstätt - Bistum 105,189 Eisenstadt - Bistum 58 El Salvador 557 Elfenbeinküste 494, 617, 619, 1077 Emmaus 338, 846, 889,1072,1351 England 940 Ephesus 162, 179, 211, 253, 935, 1033 Erfurt 41 Eritrea 495 Essen - Bistum 55, 75,176 Estland 1205 Esztergom (Strigonia) 121, 430 Etschmiadzine (Armenien), 765 Europa 24, 27, 36, 66, 83 f„ 93,97, 1031,110, 123,138, 157, 169, 181,196, 199, 252, 2551, 258, 262, 272, 278, 337, 339, 347, 363, 3721, 382, 385, 395 1,418,429, 439,450-460, 462,485 1, 514, 516, 589, 606, 647,769, 853-859, 862-864, 872, 887, 891, 895, 928 1, 940, 943, 959, 969-971, 977, 980, 991, 996, 1000, 1004, 1008,1015, 1041, 1044, 10491, 1059, 1062, 1065,1082,1163,1188,1190, 11961,1219, 1224,1239, 1242, 1252, 1269,1306,1316,1552 - Mitteleuropa 121, 377, 390, 433, 455.5151, 832, 887, 1205,1219, 1452 - Nordeuropa 390 - Osteuropa 170, 246, 363, 377, 390.416.433.5151, 821,832, 836, 838, 854, 857, 886, 893, 929, 9901,1000,1003, 1044, 1205, 1452 - Südosteuropa 56,162 - Westeuropa 25,170,246, 390, 857, 990, 1044 Ezeiza 1334 Fagaras 1453 Farfa 646 Fatima (Portugal) 192,1214 Feldkirch - Bistum 337, 339 1648 REGISTER Ferner Osten siehe: Osten, Ferner Finnland 912, 940 f. Fiuggi 1193 Flandern 190,395,400,402 Florenz 101, 762,1237 Florianopolis (Brasilien) 336, 1374 Folgaria 342 Fortaleza 1386 Frankreich 114,168, 256, 265, 541, 621,891, 1309,1311 Freyung 157 Frydek 371 Gabun 494 Gabutu 275 Galiläa 71,91,319,338,341,475, 495 f„ 542, 584, 651, 1420 Galben 880, 1309 Gambia 494 Gaspoltshofen (Österreich) 128 Gazelle, Halbinsel 274 Genazzano (Heiligtum) 970 Genf 139, 610, 940, 944, 950,1555 Gennesaret (See) siehe: Tiberias Genua - Erzbistum 866 f., 962 Georgien 516, 893 Getsemani [Gethsemane] 1006, 1225 Ghana 494 Giants-Stadion (Newark) 527 f. Gnesen [Gniezno] - Erzbistum 95, 365 Goa 24,1443 Görlitz - Bistum 992 f. Golgota 60,158, 160,180-182, 334, 345, 352, 392, 533,775,789f„ 856, 1282 Gosforth Park 485 Gozo 607 Granada (Spanien) 641,1288 Grandvillard (Schweiz) 109 Griechenland 472, 1033 Grodziec 435 Großbritannien 364 Großhansdorf 167 Großmähren 94, 121 Grottaferrata 913 Grozny 16 Gstaad 1044 Guadaloupe (Guadalupe) 19, 192, 1167 Guatemala 594 Guinea - Republik 494 Guinea-Bissau 474,494,1137 Guwahati 1439 Hadjüdorog - Eparchie 762 Haiti 547,557 Hamburg - Erzbistum 119,193,210 Havelberg 831 Hawaii 102, 390, 392,400,403 f. Heiliges Land 584, 586, 591, 609, 634, 927, 1113 Herzegowina (Herzegovina) 42, 56, 66, 99, 365,458,1226 Hildesheim - Bistum 87, 171 Hiroshima 3, 139, 790, 859, 995, 1040 f., 1451 1649 REGISTER Hohe Tatra siehe: Tatra Holeszow 374 Holland 190,263 Hongkong 1167 Honolulu 392 Hyderabad 1443 Ile-de-France 1165 Imphal 1439 Indien 246,318, 557, 1431 f., 1434-1436,1439,1441 f„ 1445-1447 Indischer Ozean 246, 253, 495,1008 Indonesien 246, 794 Ingenbohl 1218 Innsbruck - Bistum 337, 339 Introd 449 Irland 264,300,1518 Isemia 331 f. Island 940 Israel 107,186, 220, 331, 588, 603, 629, 692 f. Istanbul 928 Italci 1391 Italien 27, 37 f„ 130,195, 252, 337, 342,455,460,472, 584,598, 604, 627, 631, 849, 866, 880, 958-960, 962, 969,1008,1056,1193, 1224, 1303,1305 f., 1312,1323 - Mittehtahen 878 - Süditaben 595, 878 Japan 246, 272, 281, 293, 364, 860, 1447, 1450 f. Jasi - Bistum 157 Jasna Gora siehe: Tschenstochau Jauemig 365 Jericho 1087 Jerusalem 22,48, 63-68, 106,154, 235, 244, 259, 338 f., 341, 361, 363, 390,400,426,472,475, 582-584, 586 f., 601 f., 604, 620, 639, 685, 701, 758, 768, 770-773, 783, 788, 791, 795 f., 800, 812,817, 824, 889, 910, 927, 930, 954, 978, 997,1007,1012, 1035, 1038, 1056, 1082,1087,1214,1247 f„ 1293 f„ 1302,1372, 1411,1553 - Kalvarienberg 229, 757, 783, 803, 824, 892 Jesenik 371 Johannesburg (Südafrika) 164,477, 480,484 f„ 489,493 Jordan 10,341,586,601,629,638, 789, 823 Jordanien 588 Judäa (Juda) 64, 66, 997,1045, 1293, 1372 Jugoslawien 99,121,163, 369,451, 1189 - ehemaliges 151, 1018 Kairo 592, 607,1115 Kalawao 392 Kalkutta 1435,1438 Kalvarienberg siehe: Jerusalem Kambodscha 246, 300, 588 Kamerun 163, 465-467, 477, 493 f., 504, 1145,1316 Kampala 1067,1077,1095 Kampanien 878 f. Kana (Kanaan) 60, 96, 158, 196, 366,495 f„ 700 Kanada 532,941,1239 Kandy 319 1650 REGISTER Kaolack 1056 Kap der Guten Hoffnung 253 Kap Verde 474,494,1137 Kamataka 1431 Karpaten 121 f., 763 Karthago 473 Kasachstan 1205 Kaschau (Kosice) 121 f„ 364,411, 419, 425,429-432,434 f., 445 Kastilien 1168 Katalonien 1168 f. Kattowitz [Katowice] - Erzbistum 96, 375 Kaukasus 516, 589,797, 864, 893, 996,1205 Kenia (Kenya) 163,491-494,497 f„ 503-505,1137,1316 Kiew - Bistum 200,760, 929,1236 f., 1268,1316 Kilimandscharo 495 Kleinasien 472 Klokocov Kräsny Brod 440 Kobe 1448 Koekelberg 103 Köln - Erzbistum 36, 162, 250 Königgrätz [Hradec Krälove] - Bistum 366 Kolumbien 1219 Komoren 495 Kongo 494,1082 Konstantinopel 116,119,416,759, 792, 813, 831 f„ 907, 927 f„ 1032, 1034,1237 Kopenhagen 43 f., 46,49,481, 1208 f„ 1539, 1543 Korea 246,272,1167 Korinth 126,1309 Kosice siehe: Kaschau Koszalin-Kolobrzeg [Köslin-Kolberg] - Bistum 585 Krakau - Erzbistum 93, 95 f., 331, 375 f, 381,435, 517, 994,1214 f„ 1225, 1229 - Wawel 1225 Krizevci - Eparchie 762 Kroatien 42, 56,139,155,163, 432, 435, 764, 882,1189,1226 Kuba 594 Kurdistan 1321 Kyoto 1449 LaRioja 1169 Lachen-Neustadt 109 Lagos 1077 Latium (Region Italiens) 76, 627 Legnica siehe: Liegnitz Leipzig 97 Leitmeritz [Litomerice] - Bistum 366 Leopoldov - böhmisches Gefängnis 357 Les Combes 447 f. Lesotho 494 Lettland 1205 Levoca/Leutschau 412,440-443 - Marienwallfahrtsort 121,123 Libanon 145 f., 200, 591, 1281, 1283,1307 f„ 1316 Liberia 4,89,494,589 Libyen 472,494 1651 REGISTER Liegnitz [Legnica] - Bistum 365, 585 Litauen 451 Löwen 386, 390, 394,403 f. Lombardei 37 Lome 1077 f. Loreto - Bistum 157,162,181,192,210, 451,454 f„ 459-464, 769, 772, 1005,1049,1228,1305-1307, 1316,1405 Lourdes (Frankreich) 192, 619, 620 f., 1009 f., 1056 f. Lourdesgrotte siehe: Vatikan Louvainla-Neuve 394 Luanda 1070,1077,1082 Lublin 1205 Lucca 867,1169 Lujän 1333,1338 Luneta-Park (Manila) 228,241,248, 256, 261 Lungro 970 Lutina 440 Lyon - Erzbistum 762,816,875,1191, 1237 Maastricht 1003,1248 Maceiö 1379 Madagaskar 103,404,480,495,498, 1067,1077,1079,1082 f., 1095, 1097,1123, 1143,1167 Mähren 31, 36, 94-97, 356-359, 361-364, 371, 375,382, 416,430 f„ 841 f. Mailand 879 Makedonien 163,1189 - ehern, jugosl. Republik 588 Malawi 494, 501,1090 Malaysia 246 Mali 494 Malonne 385,390,404 Malta - Republik 606-608 Manila (Philippinen) - Erzbistum 10 f., 14 f., 21 f., 24 f., 225-230, 233, 235, 239-241, 248, 251-253, 255, 258, 261 f„ 265 f„ 272, 278, 293, 300, 320, 349,366, 369,418, 451, 500, 541, 597, 621, 629, 767, 772, 843,999,1316, 1430,1448 f. Manises 1170 Maracay 851 Maranhao 1412 Mariazell (Heiligtum) 1062 Marokko 472,494 Marseille 1293 Martinique 1167 Maryland 175,550,559 Massabielle (Grotte von) 619,1010 Mato Grosso do Sul 1373 Mauretanien 494,1137 Mauritius 495 Mechelen-Brüssel - Erzbistum 103, 386 f., 389, 395-397,400,405 Medellin 1014,1421 Melanesien 276, 286 Melsbroek - Flughafen 385,405 Meriba und Massa (Wüste) 553 Mexiko 22, 253, 594, 598 f„ 1015, 1168 Mikronesien - Föderierte Staaten 588 1652 REGISTER Minas Gerais - Brasilianischer Staat 1366 Mittelmeer 472, 589, 606, 1008 Mittlerer Osten siehe: Osten, Mittlerer Moab 1158 Moers 193 Molise 325 f., 329-332 Molokai 102 f., 390 f„ 393,398,402 Montagnaga di Baselga di Pi ne 342 Montorso 451 Morgenland 444, 583 f. Moskau 455,793,813 Mozambique (Mosambik) 494,1082 München 189 München und Freising - Erzbistum 171 Münster - Bistum 55, 176 Mukacevo - Eparchie 760, 762, 764 Nagasaki 3,139, 859, 995,1040 f„ 1451 Nagpur 1443 Naher Osten siehe: Osten, Naher Naim 575 Nairobi 164 f„ 491-494, 498, 503, 1137 Namibia 494 Namur - Bistum 385 Natal 1379,1423 Navalay 128 Nazaret (Nazareth) 9,19, 60, 71, 147,158, 160 f„ 187, 196, 210, 220, 325, 327, 333, 343,441,454, 456-459,462 f„ 475, 496 f„ 542, 547, 583, 637 f„ 685 f„ 769,771, 791,795, 848, 892,985,1015, 1029, 1033, 1045, 1113, 1144, 1281, 1300, 1323 - Verkündigungsbasilika 1113 Nazianz 817, 823 Neu Britannien 23, 274, 275, 280 f., 284, 290 Neu-Caceres - Bistum 22 Neue Welt 517 Neuschönau 157 Neuseeland 246,258, 280, 300 Neu-Segovia siehe: Nueva Segovia Neusüdwales 291, 294, 296 Neutra (Nitra) - Bistum 121 f„ 415 f., 418, 430 New Britain siehe: Neu Britannien New Jersey 174,509,511,527,530 New York - Central Park 540 f. - Erzbistum 168 f„ 173,175, 507, 513, 525, 534, 539-541, 544-548, 558, 871,1547 Newark (USA) - Erzbistum 169,173 f., 412, 507, 509-512, 527, 529-531,558 Niederlande - Königreich 1248 Niger 494 Nigeria 190,494,1077 Niteröi 1351,1359 Nizäa 831 Nola 878 f., 881 Nordirland 591,1321 Nordrhein-Westfalen 181 Norwegen 940 1653 REGISTER Nsimalen - Flughafen 465 Nubien 1082 Nueva Segovia [Neu-Segovia] - Erzbistum 22, 225 f., 235, 251 f„ 255 Nuoro 115 Nyssa [Neisse] 816 f., 822 Oberhinkhofen 1312 Oberpfalz 1311 f. Obertraubling 1312 Ölberg 368 Österreich 41, 83, 87, 128, 176, 337, 340, 366, 416,1060-1062 Okzident 432,437, 834,1034 f. Olinda 1379 Olmütz [Olomouc] - Erzbistum 94-98, 102,121, 354, 357, 359, 362,365 f„ 370 f„ 374 f„ 382,430, 841 Opava 371 Orient/Osten - Orient 432,437,815-823,825-828, 834 f., 837, 840, 927-932, 934 f„ 1033,1035,1240 - Ferner Osten 22-24, 230, 232, 252 f„ 255, 258, 261,586, 893, 1224, 1448 - Mittlerer Osten 186, 246 f., 647, 790,1050 - NaherOsten 258, 591, 606 f, 1307, 1321 Ostia 1373 Ostrau (Tschechische Republik) 94, 370 f. Ostsee 380 Ost-Timor 590 Oswiecim siehe: Auschwitz Ozeanien 14, 16,243, 251, 278, 305, 394,514, 872 Paderborn - Erzbistum 176 Padua 1003 f. Palästina 462,1421 Palencia 1168 Palermo 960 f., 963 Panama 584 Papua-Neuguinea 10, 14 f., 21, 23-25, 246, 273-278, 280-284, 288-291, 293, 598,1316 Para - Brasilianischer Staat 1419 Paraiba 1379 Parana 1387,1416 Paris 21, 249, 256, 262 f., 265, 369, 451, 541, 649, 772,1551 Parma - Ruthenisches Bistum in USA 762 Passaic - Ruthenisches Bistum in USA 762 Passau - Bistum 157 Patmos (Insel) 75, 803 Pazifik 246, 253, 258, 280 f„ 305, 390 f„ 400,402, 590, 860,1008 Peace Memorial Park (Hiroshima) 1040 Peking 109,133,138, 145,150, 156, 195,459, 572, 963,966 f., 1023, 1031,1051 f„ 1426, 1547 Peru 32,300,797 Perugia - Erzbistum 962 Phanar (Istanbul) 912, 928, 1553 Philadelphia 1556 Philippi 1359 1654 REGISTER Philippinen 14 f., 21 f., 24,226-228, 230-238, 243, 246, 248-262,265 f„ 272,277-279, 281, 293, 500, 584, 597, 621, 767,772,1015,1037 Piana degli Albanesi (Sizilien) 970 Piaul 1391 Piazza Farnese siehe: Rom Pilsen [Plzen] - Bistum 366 Pinatubo 252 Pinda 1082 Pittsburgh - Metropolie der Byzantiner 762 Pöcking 105 Polen 21,94-96,230,251,353, 365 f., 373-375, 377-382, 416, 432, 435, 541, 544, 585, 777, 855, 858, 887 f., 1204 f., 1236,1316 - Südpolen 430 Polock und Vitebsk - Ukrainisches Erzbistum 1238 Pompei (Heiligtum) 192, 1005 Poponguine 1137 Poprad 121,444 Port Moresby (Papua-Neuguinea) - Erzbistum 10, 15,21,23,25,273, 275, 277, 280, 284 f„ 290, 293, 597 - „Sir John Guise“-Stadion 280 Portugal 1082 Posen-Gnesen [Poznah-Gniezno] 95 Prag [Praha] - Erzbistum 19,25, 36,94, 97 f., 353-357, 364-366, 371, 375,431 - Kloster Strahov 364 Presov [Preschau] - Bistum [byzantinischer Ritus] 121 f„ 431, 433,436, 762 Preßburg (Bratislava) 121, 365,409, 412,428 Principe 474, 494 Provence 1294 Puebla 1014,1016, 1421 Quebec 1200 Queens 532, 534 Rabaul 23,278,280 Rakunai - Missionsstation 275, 277, 282, 284 Ranchi 1435, 1438 Recife 1379 Recklinghausen 92 Regensburg 1312 - Bistum 75, 105,1311 f. Reims 1309 Reunion 495 Rio de Janeiro 1014,1351,1359, 1421 Rio Grande do Sul 1405 Rochefort, Pontons von 1170 Roermond - Bistum 868 Rom 21,25, 27 f., 32,38, 61, 76, 87, 89, 94,102, 104,114,116, 119, 121, 145, 163-165,168,183,189, 209, 225, 227, 230, 243,252, 255, 257,263,277, 306, 308,317, 321 f„ 371, 382, 390, 396,404 f„ 416, 437 f„ 445 f., 473,478,480, 493, 541, 585, 598, 601, 604, 606, 608, 619, 625-627, 631, 634-637, 639, 647, 658, 693, 767-770, 773-775, 794, 797, 813, 830-832, 836 f„ 849, 866, 868, 878, 880 f„ 886, 894 f„ 897, 901, 912, 927-929, 935 f., 941, 950, 958, 970, 976-978, 992,1007 f„ 1014,1022,1032- 1655 REGISTER 1034,1038 f., 1053, 1056-1058, 1067,1075,1082,1084,1163, 1165, 1185, 1196,1199,1204-1206,1222, 1224 f., 1237, 1246, 1248, 1252, 1268, 1272,1283, 1288, 1301-1303,1306, 1312, 1323-1325,1334,1338,1358, 1367, 1372 f„ 1404,1419, 1424, 1443, 1445, 1458, 1473, 1553 f. - Aventinhügel 632 - Bistum 28,119, 620, 626 f., 629, 631, 634-636,765, 767, 772, 832-836, 876 f„ 954,968, 976, 978, 1022,1032, 1224,1237, 1302, 1316 - Campo Verano 1224 - Camposanto Teutonico 1224 - Esquilin-Hügel 1007 - Katakomben 887, 976, 1057 - Kolosseum 119,790-793, 832,897, 1034 - Petersbasilika 594, 598, 601, 619 f„ 790,792,794, 863, 912, 943,1056,1071, 1075,1083,1281, 1303,1306,1308 - Petersplatz 585, 771 f., 849, 1193, 1301, 1311 - Piazza Farnese 941 - Prima Porta 1224 - Sala Clementina 651 - San Romano Martire 1323 - San Sebastiano (Katakomben in Rom) 769 - Spanischer Platz 1301 f. Rotes Meer 770 Ruanda 4, 57, 79,152, 229, 482, 485,494 f„ 498, 557, 589,790, 874, 882, 996, 1321 Rumänien 157,435, 455,1018, 1452 f. Russische Föderation 589 Rußland 1204 Sahara 1080, 1082 f. Sahelzone 494 Sainte-Anne d'Auray 1309 Saint-Thierry 821 Salamanka 517 Salem (später Jerusalem) 1007 Salomoninseln 276, 280, 284, 288 f. Saloniki 364,430, 818, 895 f., 969 Salvador Bahia 1388 Samarien 64, 66, 997 Sambia 494 Santiago 451 Santiago de Compostela 21, 230, 451,541,924, 944, 950 Santiago del Estero 1330 Santo Domingo 581,1014,1340, 1356,1364,1389,1394,1421 Säo Paulo - Brasilianischer Staat 1344 - Erzbistum 1344,1387 Säo Tome 474,494, 1082 Saragossa 599 Sarajevo 66, 155, 264, 451, 463 Sardinien 115,913 Sassia 801, 804 S astin - Marien Wallfahrtsort 123,412, 420,425-428,443 Savigliano 852, 866 Schlesien 95 f., 121, 364 f., 371, 373 f. S chnathorst-T engem 162 Schottland 940 Schrobenhausen 105 Schwaben 181 Schweden 646, 912, 940 f. 1656 REGISTER Schweiz 83, 87,109,167,182 f„ 940, 1219, 1221 f„ 1457 Segonzano 342 Senegal 494, 1056, 1137 Serbien 455 Sevilla 886 Seychellen 495 Shillong 1439 Sierra Leone 4, 26, 36, 57, 494 Simbabwe 494 Sinai 247,692 - Berg 331,496 Skalka 430 Skoczöw [Skotschau] 94-97, 365, 372, 374-376, 378, 380-382 Skutari 970 Slowakei 120-123, 365 f., 375,409-412, 415, 425 f„ 428, 431, 433 f„ 436 f„ 440-446, 1018 - Westslowakei 121 Slowakische Republik 120,409, 412,432,444,1316 Slowenien 163, 1189 Sofia - Kirche 896 Sola 96 Solovieskj-Inseln 832 Somalia 495,589,790 South Carolina 941 Sowjetunion 516, 856 Spanien 21,230,252,263,472,541, 598, 641, 1015,1167-1169 Speyer - Bistum 109 Spirito Santo - Brasilianischer Staat 1366 Spis (Slowakei) - Bistum 121 f., 433 Srebrenica 450 Sri Lanka 14-16, 21, 24 f„ 128, 293, 306-308, 310-317, 319-323, 590, 597 f„ 1316,1321 Steyl 868 Strahov (Tschechische Republik) 356 Stuttgart 66 Sudan 79,485,494, 1083, 1321 - südlicher 589, 796 Südafrika siehe: Afrika:-Südafrika Südkorea 794 Suriname - Republik 588 Svaty Kopecek (Tschechische Republik) 366,369 Swasiland 494 Sychar - Jakobsbrunnen 782 Sydney (Australien) 10, 15, 21, 23, 25, 291,293-296, 299 f„ 304, 597 - „Kingsford-Smith“-Flughafen 291, 304 Szczecin (Stettin) - Erzbistum 372 Taiwan 1426, 1428-1430 Taize 541 Tamil Nadu 1431 Tansania 495 Tamöw - Bistum 430 Tatra (Hohe T.) 121,380,413, 438 f„ 445 Teresina 1386 Teruel 1168 Teschen (Schlesien) 95 f, Thessaloniki 416, 437, 928 1657 REGISTER Thom [Torun] 373 Tiberias (See) 338 f., 885 Tirana 970 Togo 494, 1077 Tonga 588 Tours 1309 Transsilvanien 431 Tremeloo 385 f., 390, 402-404 Trencin 430 Trentino 336, 340, 342 f. Trient [Trento] - Erzbistum 204,335,337-344,347, 349, 352, 652 f. Trier 162 Trivento 329 Tschad 495 Tschechien 357 Tschechische Republik 19, 94, 353-355, 359, 364 f„ 370, 372, 841 f, 1316 Tschechoslowakei 121 f., 353 Tschenstochau (Polen) 21,192,230, 366 f„ 375,425,441,451, 541, 887 - JasnaGöra 21,96,230,376,382, 441, 541 Tschetschenien 4,16, 589, 790 Tunesien 472,494 Tymau [Tmyva] - Erzbistum 412 Uganda 494, 948, 1067, 1077,1083, 1095 Ukraine 122, 516, 585, 759 f., 762, 1018, 1236, 1239-1241, 1244, 1269-1271,1316 Ungarn 121 f„ 365, 410,416,430, 432, 434 Ural 452,929 USA siehe: Amerika: Vereinigte Staaten von Amerika Utica 1082 Uzgorod 122 Uzhorod 759,762 Vähtal 430 Vajnory 411 Valencia 599, 1168-1170 Van Nuys - Ruthenisches Bistum in USA 762 Vancouver 924 Vanuatu - Republik 588 Vasco 1169 Vatikan 478, 585, 609, 640, 644, 649, 760, 769, 982, 992,1056, 1196,1204,1223 f., 1227,1316, 1373,1453, 1558 - Lourdesgrotte 982,1009 f., 1038 - Sixtinische Kapelle 586 f. Velehrad 95 Venedig 340 Venezuela 849, 851, 866, 868 Veracruz - Bistum 598 Verapoly 1443 Vietnam 246, 272, 557, 590, 1167 Vigan - Erzbistum siehe: NuevaSegovia Viterbo 38 Volksrepublik China siehe: China Vorderer Orient siehe: Orient Wadowice 93, 531, 1214 f. Wädenswil 79 1658 REGISTER Wales 940 Wallonien 395 Warschau 376, 863 Washington 1205 Wawel siehe: Krakau Weißrußland 382,516 Westsamoa 588 Wien - Erzbistum 36,1062 Wroclaw siehe: Breslau Yamoussouko (Elfenbeinküste) 617, 619, 1074, 1077 Yaounde/Kamerun 164,467,472, 477,493,1110,1145 Yonkers 536,539 Ypres (bei Gand) - Soldatenfriedhof 103, 395 Zagreb 1227 Zaire 89,494,589, 882,1067,1083 - Fluss 1082 Zaspa 377 Zemplmer Ebene 439 Zentralafrikanische Republik siehe: Afrika Zepa 450 Zion 1008 Zips 440 Zywiec siehe: Bielsko-Zywiec Zitierte Bibelstellen Das Buch Genesis 1,26 687 1,27 115,202,495,1027,1113, 1134,1482 1,28 687, 693 f„ 1027 1,31 202, 823 2,7 688, 808 2,15 663, 687 2,18 124, 694,1027,1482 2,23 546, 568 2,24 287, 495, 695,779,1342, 1491 3,19 654 3,20 695 4,1 695 4,2-16 661 4,4 662 4,7 662 4,8 660 f. 4,9 662, 670 4,10 99, 664, 670, 678, 692 4,13-14 675 4,14 663, 674 4,15 663 4,16 663 5,1-3 695 9,5 691,705 9,6 691 15,5 696 28,14 1246 28,16 1246 28,17 1247 Das Buch Exodus 1,17 728 3,1 331 3,6 330 3,12 232 15,2 684 20,13 692,700, 705 23,7 692 1659 REGISTER Das Buch Levitikus 19,18 692 Das Buch Numeri 6,26 3 Das Buch Deuteronomium 5,17 700, 705 8,2-3 865 8,3 700 12,23 663 30,14 447 30,15.19 681 30,15-16 700 30,16.19-20 682 32,39 691,717,721 Das Buch Rut 1,16-17 1158 Das erste Buch Samuel 2,6 691 Das zweite Buch Samuel 5,2 1281 Das erste Buch der Könige 8,56 321 8,57 320 8,58 320 8,60 320 Das erste Buch der Chronik 29,11 1180 Das Buch Nehemia 8,6 528 Das zweite Buch der Makkabäer 6,30 281 7,22-23 697 Das Buch Ijob 3,20-21 684 10,8-12 697 12,10 691 42,2 684 42,9 289 Die Psalmen 8,5 688 8,5-7 995 8,6 688 8,6-7 1113 8,7-9 694 15/16,11 231 15/16,5.8 232 24,7 602 27,8 1297 27,8-9 1297 27,14 531 28,9 252 28/27,7 1144 29,11 479 30[29],3-4 699 31,1-2.5 1198 32,1 1010 45,14 1046 45,15 760 47,2.8-9 254 51 [50], 3-6.12 632 51 [50],5-6 675 51[50],12.14.17 633 62,1.3 461 63,2 1019 67,2-3 512 67,5 363 71,5 595 71,6 596 71[70],5.18 698 71 [70],6 713 83,11 1249 84,2.5.11 1249 91,2 641 1660 REGISTER 95,1 550 Das Buch Kohelet 95,4-5 550 3,11 684 95,7 550 95,7-8 550 Das Hohelied 96,1 1305 3,2 461 96,11-12 1318 98,3 472, 1301 f. Das Buch der Weisheit 102[101],12 698 1,13-14 692 103/102,8 331 1,13-14; 2,23-24 660 104,1.24.29-30 393 2,23 688 104,31 395 3,2 f. 1170 109,4 1007 9,1.2-3 694 109/110,1 f. 1008 11,26 685 109/110,3 1008 13,1 443 116[115],10 698 f. 16,13 720 116[115],12 789 117,1 317 Das Buch Sirach 117,2 317 5,5 653 117/118,1 380 15,14 1360 117/118,26 1021 17,3 688 118,1 75, 93 17,7 688 118,24 71, 75, 300, 303 17,11 700 118/117,23 1084 24,31 456 118/117,24 1069 41,4 698 122,1.4 1294 122,1-4 1281 Das Buch Jesaja 122,6-7 1294 2,1-3 1294 127[126],3 696, 745 2,4 326,1202 130,7 546 5,20 677,710 131 [130],2 692 6,8 1495 133,1 343,1022 9,1 532,1312,1318 136,1 989 9,1-2 257 139[138],13 696 9,2 1318 139[138],14 736 f. 9,5 3,257,1313,1318 139[138],16 710 9,5-6 533 144/145,8-9 875 35,5-6; 61,1 685 144/145,10-11 875 40,1-2 768 145/146,1 1167 40,3 296 149,1 266 40,3-5 1303 40,5 297, 1304 Das Buch der Sprichwörter 40,6-7 1304 8,23 994 40,9-10 1304 44,21 684 1661 REGISTER 49,15-16 1144 53,7 282 53,10.11 701 56,6-7 255 57,14 487 57,14.19 485 60,1 582 60,1-2 582 60,3-4 582 61,1 301, 785 61,10 1099 65,20 698 66,1-2 689 66,10 1038 Das Buch Jeremia 1,4-5 713 1,5 594, 696 1,17-19 595 2,13 701 19,4 701 29,5-7 1158 Das Buch Baruch 4,1 699, 700 Das Buch Ezechiel 22,2; 24,6.9 701 22,3 701 36,25-26 701 37,13-14 1452 Das Buch Daniel 7,13 65 7,14 1043 Das Buch Joel 2,12 45 Das Buch Amos 2,7 701 Das Buch Habakuk 2,3 1662 553 Das Buch Maleachi 3,1 601 Das Evangelium nach Matthäus 1,1-8 985 1,20-21 333 2,2 10 2,13 220, 686 2,16 1047 2,19 220 4,4 45,1392 4,17 1356 5,6 492 5,8 1534 5,9 321,492,1054, 1132 5,9-10 1125 5,12 283,496 5,13.14 1109 5,14.16 277 5,16 240 5,21-22 692 5,44-45 693 5,48 1373,1469, 1517 6,4 681 6,6 6 6,7 6 6,9-10 65 6,10 527 6,25-26 297 6,31-33 298 6,33 296, 300,1432 7,14 984 7,17 1205 f. 7,21 941 8,11 65 9,36 227,814 9,36-38 1367 9,37-38 529 9,38 845 10,3 1342 10,7-8 699 10,20 271, 282 10,22 74 REGISTER 10,24 74 10,27 1419 10,28 11 10,38 791 10,38-39 282 11,25 531,534 11,28 533,535,618, 825 12,49-50 456 13,43 65 13,55 160 15,24 73 16,16 1032 f„ 1056 16,17 1032 16,17-19 951 16,18 902 16,18-19 1034 16,22 791 16,23 951 16,24 791 17,22-23 796 18,5 758 18,10 1422 18,12-14 1305 18,20 1022 19,4 694 19,10 781 19,16 704, 1411 19,16.17 692 19,17 704,1515 19,18 692, 704 19,19 1515 19,21 388 20,26 339 20,28 51 21,9 772 22,30 1114 22,37-39 294 23,9 912 24,14 77 24,42.44 1295 25,31-36 890 25,35 942 25,40 557, 740,758, 1005, 1166, 1537 26,26 778 26,27-28 778 26,28 678 26,29 65 26,31 1061 27,27-31 228 27,32 228 27,52 702 28,5-6 795 28,10 21 28,18 254 28,18-19 251 28,19 64,73, 77, 271,472, 548,1108,1373 28,19-20 1080 28,20 77, 91, 240, 360, 503,1051,1310 29,19-20 1356 Das Evangelium nach Markus 1,15 632, 637, 905 2,22 1349 3,14 628 6,3 160 8,34 883 8,35 699 8,36-37 378 10,17 230, 241, 366 10,21 230 10,45 100,154,454,510, 703,784,1034 12,31 707 15,39 702 16,6 21 16,15 64,77, 509, 557, 578, 583, 657, 782, 1094, 1293,1301 16,20 77,1094 Das Evangelium nach Lukas 1,13 158 1,14 158 1663 REGISTER 1,25 697 4,4 638 1,27 985 4,6-7 638 1,28 58,198, 332, 441,1045 4,8 639 1,30 542 4,9-11 639 1,30.37 758 4,12 639 1,32-33 1282 4,18 556, 622, 732, 1,34 441 997, 1015,1033 1,35 10,441 4,18-19 475, 786,1103 1,38 50, 206, 332, 542, 4,19 311 776, 784, 1029 4,21 475, 786 1,39 1045 4,22 984 1,42 158,440 f., 1045 4,43 319 1,43-44 440, 543 5,4 338 1,44 217 5,10 1444 1,45 440 f., 588,1045 5,31-32 685 1,46-47 543, 885 6,17-23 1308 1,46-49 1046 7,6 341 1,46-50 443 7,22 685 1,46-55 573 9,17 1008 1,49 144, 436, 543, 1084 9,18-19 1018 1,49-52 1221 9,20 1018 1,52 437 9,22 1018 1,68-69 217 9,23 229,1019 1,78 217, 300,811 9,25 337 1,78-79 865 9,28 1042 2,7 686,1320 9,29 1042 2,10-11 655 10,1 1035 2,10-12 544 10,9 528 2,11 1318 10,16 118 2,14 215,323, 1319 10,27 447, 730 2,29-32 603 10,37 733 2,32 600 10,38-42 5 2,34 1094 10,39 984 2,34-35 603, 757 10,42 52 2,48 463 11,2 367 2,48-49 257 12,4-5 1198 2,49 261,463,771 12,7 1197 2,52 134,462, 539 12,20 686 3,8 331 12,32 998 3,16 272, 586 12,49 1372 3,22 10, 587 17,5 552 4,1-2 638 18,14 1221 4,3 638 18,28 11 1664 REGISTER 18,29 11 3,3 683, 690 19,8 654 3,5 93,1108 19,38 770 f. 3,16 622, 656,731,1300,1313 22,19 784 4,9 672 22,27 950 4,10.19 59 22,30 65 4,19-24 1247 22,31-32 153 4,21.23 65 22,32 899, 1265,1315,1358 4,23 190,1246 f. 22,42 258, 368 4,24 5 23,21 771 6,33 690 23,34 547 6,67-69 417, 1070 23,35 1282 6,68 417,499, 1019 23,37 1282 6,68-69 690 23,39 1282 8,11 651 23,42 1282 8,12 690 23,43 702, 1282 8,32 554,1250 23,44.45 702 8,34 674 23,46 686 8,44 640, 662,706 24,32 1351 10,7 95 24,47 64, 77 10,10 219, 227, 268, 417,541, 655, 682 f„ 998 Das Evangelium nach Johannes 10,16 126 U 1313 11,23 796 1,1.14 536 11,25 682, 796 1,1-2 1320 11,25.26 691 1,3.9.12 467 11,25-26 783,797 1,4 248, 690,795,1352 11,26 690 1,4-5 757 11,51-52 117 1,8-9 917 12,24 1098 1,10 917,1320 12,26 419 1,11 1320 12,31 78 1,12 1320 12,32 1098 1,12-13 690 12,48 77 1,14 10, 59, 360, 1033, 13,1 73,281, 379,703 1098,1313,1320 f. 13,34 865, 876 1,14.12 1313 13,35 240, 1112,1442 1,16 920 14,1-5.21 984 1,29 282, 341, 789 14,2 1486 1,42 1374 14,2-3 429 2,1-2 917 14,2-4 183 2,5 60, 96,366, 370,496,1411 14,3 73, 239 2,10 496 14,6 318,417, 682,772, 2,19 1247 792, 907,1063 1665 REGISTER 14,15 1486 14,16-17 485 14,23 360,418, 1486 14,24 360 14,26 360, 1033 14,27 83, 361, 484,1054 14,28 359 15,4 17 15,5 16,1166 15,9 351 15,12 15,17,404 15,13 17,432,703 15,20 376,1061 15,26-27 434 16,7 228 f. 16,13 996, 1436 16,14-15 996 16,28 73,771 16,33 392, 1167 17,3 690,1111,1404 17,17-19 358 17,20 358 17,20-21 117,131,976 17,20-22 913 17,21 19, 117, 125,295, 349, 358,363,372,438,610, 648,841,901,955, 1253, 1387,1444 17,21-22 1387 17,22 438 17,22-23 358 17,23 117, 351,977 17,25-26 976 18,36 65, 367 18,37 368,1477 19,15 791 19,25 757 19,25-26 229 19,26 60, 757 19,27 60 f., 427 19,30 703 19,34 703 19,37 702 20,19 75 20,21 10, 21, 25, 225, 227, 229 f„ 243 f„ 248, 258, 261,349, 352,418, 541,767 20,21.26 1071 20,21-22 22, 389,484 20,22 230, 361 20,22-23 389 20,28 442 20,29 442, 1072 21,6 338 21,15 93, 339, 341 21,16 885 Die Apostelgeschichte 1,3 64 1,6 77 1,7 77 f. 1,8 29, 64, 66, 72, 732, 997, 1070,1074, 1086, 1095, 1116, 1137,1139,1186, 1294,1372 1,14 158 f., 352 2,1 812 2,2 175 2,5 390 2,7-8 390 2,11 1082 2,14 235, 951 2,42 126,400,1123,1433,1445 2,46 959 2,47 959 2,48 959 3,6 685 3,15 685, 732 3,16 685 4,11-12 100 4,12 85,100, 998, 1346 4,20 309 4,31 812 4,32 126, 351,510, 628 4,33 959 1666 REGISTER 5,28 339 5,5 55,150, 171, 1351 5,29 339,722,728 6,5 794 5,41 1380 6,8-9.11 794 7,38 700 6,23 269,721 7,56 978 8,2 546, 701 10,34-35.47 1080 8,20 245 10,37-43 476 8,26 957 10,38 685 8,28 368 10,45-46 1080 8,29 40, 689 11,12 1444 8,35-39 432 11,30 106 9,5 272 12,1-2 281 10,9-11 70 12,17; 21,18 106 10,13 641 13,1 106 10,14 1294 14,23 106 10,14-15 1117 15,4 1379 11,13 107 17,25 138 12,1 1361 17,28 699, 994 12,2 377 20,17 106 12,10-12 321 20,28 106, 1334 12,17 321 20,35 352, 362 12,21 377 28,23 87 13,9 706 28,24 87 13,9-10 693 28,28 87 13,11 1295 13,12 1295 Der Brief an die Römer 13,14 1295 1,2 676 14,7-8 721 1,3 812 15,5-6 1379 1,6 270 15,13 284 1,7 610 1,8 225, 835,1363 Der erste Brief an die Korinther 1,8-12 1431 1,2 1116 1,11-12 835 1,4.8 1373 1,16 308, 648 1,23 1094 1,18 677 1,23-24 379 1,20 443 1,24 271 1,21 677 2,2 301,338,1166 1,22 677 2,7 536 1,25 689 2,8 536 1,32 677 2,12-13 537 4,1-8 1198 2,13 175, 537 5,1 995 3,9 285 5,2 1266 3,16 1248 1667 REGISTER 4,1 1445 4,10 374 f. 6,9-10 1010 7,7 781 7,34 985 7,39 287 9,16 268,732, 808,997, 1094, 1428 9,22 270 10,1-7 809 10,4 334 10,11 331 10,12 652 10,17 118, 351 11,23-26 1007 11,24 778 11,26 788, 1006 12,3 393 12,4-6 987 12,4-7 393 12,11 1363 12,12 117 12,12-13 394 12,13 118 13,1 276 13,4-7 1308 13,7 1534 13,7-8 597 13,8 594 13,13 597,1308 14,12 285 15,20-23 1046 15,24.28 1047 15,25-26 1046 15,28 72,245 15,45 689 15,54-55 679 15,58 1449 16,13-14 1451 Der zweite Brief an die Korinther 1,3 433 2,14 412, 647 4,7 380 5,14 100, 556, 799,1207, 1374, 1394,1433 5,20 44 5,20-21 633 6,2 632 6,4 1356 6,6-7 1299 6,16 287 7,4 353 8,9 686,1163,1167 12,9 653 12,9-10 952 12,15 1168 13,11 993 13,11.13 155 13,13 1386 Der Brief an die Galater 1,18 1334,1358 2,14 302,1441 2,19-20 1009 2,20 69, 537 3,28 487 4,4 187, 542, 573,757, 1097,1321,1325 4,4-5 574 4,4-6 456 4,4-7 458 4,6 542, 574, 1414 5,1 458, 706, 887 5,6 739, 798 6,2 377,931 6,15 1038 Der Brief an die Epheser 1,3 493, 1553 1,4 208, 1360 1,5-7 1361 1,17-19 253 1,22-23 254 1,23 254 2,7 1435 1668 REGISTER 2,13 486 2,8 281 2,14 1054 2,8-9 686 2,14-16 900 2,12 652 2,16 487 3,8 1356 3,8 273, 301, 1329,1387,1440 4,8 1177,1522 3,9 902 4,13 91, 1166 3,12 1448 3,14-17 1338 Der Brief an die Kolosser 3,17 276 1,12-14 1281 3,18 771 1,13 528 3,19 240 1,15 689, 1063,1104 3,20 593 1,15-17 1282 3,20-21 610 1,16 447 4,1-3 1444 1,18 797,1283 4,2 118 1,19-20 1283 4,4 438 1,20 302 4,4-6 118,437,1433 1,23 1404 4,5.3 1339 1,24 402, 722, 808 4,11-13 118 1,26 276 4,12 1437 1,27 303, 509 4,15 240, 270 3,1 985, 1517 4,24 1425, 1447 3,2 6 5,3 1517 3,12-13 299 5,8 748 3,14 299, 1322, 1434 5,8.10-11 748 3,15 299 5,21 287 5,25 984 Der erste Brief an die Thessalonicher 5,27 133 1,2 1372 5,32 984 2,4 1444 6,10 1426 4,3 1267, 1375 6,14-15 982 11,51-52 900 Der zweite Brief an die Thessalonicher Der Brief an die Philipper 1,11 510 1,2 1359 2,16 1426 1,3 562 1,3-4 174 Der erste Brief an Timotheus 1,3-5 315 1,2 1334 1,5 1359 2,1-2 357 1,8 1443 2,2 726 1,21 1166,1413 2,3-6 100 2,6-8 216 2,4-6 85, 359,1079 2,7 236 3,15 509 REGISTER 5,2 780 Der Brief des Jakobus 6,11 1168-1170 2,14 739 6,11 f. 1168, 1170 2,14-17 740 6,13 1171, 1443 6,16 1171,1312 Der erste Brief des Petrus 1,2 1235 Der zweite Brief an Timotheus 1,3 294 1,7-8 553 1,6-9 288,511 1,8 553 1,15 1357 1,14 554 1,15-16 1181 2,1-2 1453 1,18-19 678 2,8 812 1,23 81 4,2 735,1056,1096, 1166 2,5 509, 551 4,2-3 1411 2,9 7321,1485 2,9-10 783 Der Brief an Titus 2,25 1420, 1447 2,11 8, 1318 3,8 1436 2,14 1319 3,15 286,774 3,4 8 3,15-16 1310 4,13 280,284 Der Brief an die Hebräer 4,14 282 1,1-2 1106 5,4 312,1351 1,2 1321 5,5 511 1,3 552, 689 5,6 511 1,5 1320 5,8 511 1,7 257 5,8-10 1521 2,14 602 2,16 602 Der zweite Brief des Petrus 2,17 602 1,2 294 5,1 1369 1,4 141, 816, 1483 5,4 1214 1,17 1042 7,26 1469 1,20 1096 10,5-7 776 10,35 546 Der erste Brief des Johannes 12,1-2 884 1,1 682, 733,1182 12,22.24 678 1,1.3 733 12,24 682 1,1-3 683 13,7 1084 1,2 17, 682, 733, 755 13,8 261,417, 959 1,3 733 1, 902 13,14 1274 1,4 754 13,20 276 1,10 135 13,20-21 125 2,10-11 1208 3,1-2 690 1670 REGISTER 3,2 429 3,11 31 3,11-12 662 3,14 701 3,15 706 4,8 542, 891,1480 4,8.16 350 4,20 1163 Die Offenbarung des Johannes 1,4 472,787, 994,1395, 1439 1,7 787 1,8 787,959 1,15 276 1,17-18 75,1072 2,7 959, 1181,1270 2,8 1197 4,8 1197 5,9 282, 509 5,13 341 7,14 183, 853 11,19-12,1 1047 12,1 756 f„ 1045 12,2 756 12,3 757,1047 12,4 757 12,6 758 12,10 1048 13,10 728 14,6 984 21,1 758 21,1-3 876 21,4 289, 679, 758 21,5 959 22,17 978 22,20 963, 978