Der Apostolische Stuhl 1996 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J. P. Bachem 2004 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische StuhlAnsprachen, Predigten u. Botschaften des Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Rd. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982-1995; 1998 — NE: Ecclesia Catholica / Papa; HST ISBN 3-7616-1455-1 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachen L’Osservatore Romano Verlag: J. B. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: Druckerei J. B. Bachem GmbH & Co KG Köln Vorwort Der Dokumentationsband „Der Apostolische Stuhl 1996“ ist der 16. Band in der 1982 begonnenen Reihe. Die hier vorgelegte Zusammenstellung der Ansprachen, Predigten, Grußworte, Botschaften und Enzykliken des Papstes sowie der Erklärungen der Kongregationen und Päpstlichen Räte erhebt nicht den Anspruch einer vollständigen wissenschaftlichen Ausgabe. Es geht vielmehr darum, die Dokumente mit Hilfe eines ausführlichen Registers zugänglich zu machen. Die Übersetzungen sind weitgehend der deutschen Ausgabe des „L’Osservatore Romano“ entnommen. Sofern Texte dort nicht erschienen sind, wurden sie eigens für diesen Band übersetzt. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ können die Bände der Jahre 1982 bis 1995 und 1998 noch beim Verlag bezogen werden. Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus Januar Die Hoffnung der Kinder auf Frieden erfüllen! Angelus am Neujahrstag 1996,1. Januar 3 Marienverehrung - ausgewogen ohne Übertreibung oder Verkürzung Generalaudienz am 3. Januar 4 Weihnachten im Geist der Einheit Angelus am Dreikönigsfest, 6. Januar 7 Mission als ständige Erneuerung der Epiphanie Angelus am 7. Januar 9 Die Gottesmutter Maria und die Heiligste Dreifaltigkeit Generalaudienz am 10. Januar 11 Jeder Form von Antisemitismus Widerstand leisten! Angelus am 14. Januar 13 Gebet und Dialog bringen die Ökumene weiter Generalaudienz am 17. Januar 14 Einheit in Verschiedenheit bedeutet nicht Gleichförmigkeit Angelus am 21. Januar 17 Frauen als erste Verbündete Gottes auf dem Heilsweg Generalaudienz am 24. Januar 18 Ethische Grundsätze und Menschenwürde gelten auch für die Medien Angelus am 28. Januar 21 Ankündigung einer außergewöhnlichen Mutterschaft Generalaudienz am 31. Januar 22 Februar Menschen haben Recht auf Erziehung und Bildung Angelus am 4. Februar 25 Begegnungen mit Mittelamerika in Freiheit und Herzlichkeit Generalaudienz am 14. Februar 27 vn Das Konzil bekräftigt Recht auf Religionsfreiheit Angelus am 18. Februar 30 Fastenzeit - Zeit der Umkehr und Vorbereitung auf das Jahr 2000 Generalaudienz am Aschermittwoch, 21. Februar 32 Fastenzeit - Zeit der Vertiefung von persönlicher und gemeinschaftlicher Buße Angelus am 1. Fastensonntag, 25. Februar 34 März Äußerer Verzicht ist hilfreicher Beitrag zur inneren Umkehr Angelus am 3. März 36 Mutterschaft - Geschenk und Auftrag im Heilsplan Gottes Generalaudienz am 6. März 37 Verzicht auf Fernsehen kann heilsam sein Angelus am 10. März 40 Hunger in der Welt ist das Ärgernis unserer Zeit! Angelus am 17. März 42 Gebet und Arbeit in Einklang bringen Generalaudienz am 20. März 43 Buße und Verzicht - Heilmittel im Schöpfungsplan Gottes Angelus am 24. März 44 Die Bedeutung der Frau in der Heilsgeschichte des Volkes Israel Generalaudienz am 27. März 46 Das Kreuz Christi als Gradmesser der Liebe Angelus am Palmsonntag, 31. März 49 April Ostern - Erfüllung christlichen Lebensvollzugs Generalaudienz am 3. April 50 Die Botschaft des Auferstandenen leben und bezeugen Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostermontag, 8. April 53 Die Würde der Frau in alttestamentlichen Schriften Generalaudienz am 10. April 53 Kultureller Austausch und religiöser Dialog zwischen Christen und Muslimen in Tunesien Generalaudienz am 17. April 56 vni Ostern bringt auch heute Heil und Hoffnung für die Welt Regina Caeli am 21. April 59 Tochter Zion - eine allegorische Gestalt der Heilsgeschichte Generalaudienz am 24. April 61 Geschichtlichkeit der Auferstehung - von Realisten erlebt und bezeugt Regina Caeli am 28. April 63 Mai Maria, Tochter Zion, Stellvertreterin der Menschheit Generalaudienz am 1. Mai 64 Ein Weg zu Christus - volkstümliche Marienverehrung Regina Caeli in Como am 5. Mai 67 Maria, zur Mutter des Herrn erwählt und mit Gnadenfülle ausgestattet Generalaudienz am 8. Mai 68 Die neuen Seligen sind Zeugen des Auferstandenen Regina Caeli am 12. Mai 71 Die vollkommene Heiligkeit der Gottesmutter Maria aus der Sicht der Kirchenväter des Orients Generalaudienz am 15. Mai 72 Unterstützung für Slowenien auf dem Weg zu Freiheit und Frieden Generalaudienz am 22. Mai 75 Geistsendung eröffnet Neubeginn der Menschheit Regina Caeli am Pfingstsonntag, 26. Mai 78 Die Unbefleckte Empfängnis Generalaudienz am 29. Mai 79 Juni Drei neue Heilige - Diener des Evangeliums und geistliche Kraftspender Angelus am 2. Juni 82 Das Heilswirken Christi in Maria Generalaudienz am 5. Juni 84 Zum Recht aller auf menschenwürdiges Wohnen Angelus am 9. Juni 86 Die Unbefleckte Empfängnis - ihre dogmatische Definition Generalaudienz am 12. Juni 87 IX Wohnraum für junge Familien muß Priorität haben Angelus am 16. Juni 90 Marias vollkommene Heiligkeit Generalaudienz am 19. Juni 91 Gedanken zur Pastoraireise nach Deutschland Generalaudienz am 26. Juni 94 Die volle Einheit bleibt Pflicht und Ziel Angelus am Fest Peter und Paul, 29. Juni 97 Einheit in Vielfalt in der frühen Kirche als Vorbild Angelus am 30. Juni 98 Juli Marias Glaube im Heilsplan Gottes Generalaudienz am 3. Juli 100 Die ersten Konzilien sicherten das Fundament unseres Glaubens Angelus am 7. Juli 103 Marias Jungfräulichkeit ist Glaubenswahrheit Generalaudienz am 10. Juli 105 Der Entscheid für die Jungfräulichkeit Generalaudienz am 24. Juli 108 Das orientalische Mönchtum - Kraft für die ganze Kirche Angelus in Castel Gandolfo am 28. Juli 111 Bedeutung der jungfräulichen Empfängnis Jesu Generalaudienz am 31. Juli 113 August Gemeinsames Erbe der Väter für die Einheit nutzen! Angelus in Castel Gandolfo am 4. August 115 Maria - Vorbild der Jungfräulichkeit Generalaudienz am 7. August 117 Das Wirken des Geistes erkennen Angelus in Castel Gandolfo am 11. August 119 Maria - großes Zeichen für alle Menschen Angelus in Castel Gandolfo am 14. August 121 X Leitstern der Menschheit auf dem Weg zum Jahr 2000 Angelus in Castel Gandolfo am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel, 15. August 123 Heiligenverehrung - Brücke zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens Angelus in Castel Gandolfo am 18. August 124 Die jungfräuliche Gemeinschaft von Maria und Josef Generalaudienz am 21. August 126 Märtyrer sind Zeugen der Einheit Angelus in Castel Gandolfo am 25. August 128 Die immerwährend jungfräuliche Gottesmutter Maria Generalaudienz am 28. August 129 September Die kulturellen Reichtümer des christlichen Ostens wiederentdecken Angelus in Castel Gandolfo am 1. September 132 Die gehorsame Magd des Herrn Generalaudienz am 4. September 133 Neues Verlangen nach Spiritualität in säkularisierter Umwelt Angelus in Castel Gandolfo am 8. September 136 Pastoraireise nach Ungarn: Geschichtliche Erinnerung ist Garantie für den zukünftigen Weg Generalaudienz am 11. September 138 Die christliche Botschaft glaubwürdig verkünden Angelus in Castel Gandolfo am 15. September 141 Maria, die neue Eva Generalaudienz am 18. September 143 Blick der Hoffnung auf die Zukunft der Kirche Generalaudienz am 25. September 145 Spiritualität der Ostkirchen - ein unverzichtbarer Beitrag zur Erkenntnis des Menschen Angelus in Castel Gandolfo am 29. September 148 Oktober Das Mysterium der Heimsuchung - Hinweis auf die Sendung Jesu Generalaudienz am 2. Oktober 150 XI Das Vorbild der neuen Seligen nachahmen Angelus am 6. Oktober 152 An meinem Fleisch ergänze ich, was an den Leiden Christi fehlt Angelus in der Gemelli-Klinik am 13. Oktober 154 Weltmission - noch längst nicht am Ziel Angelus am 20. Oktober 155 Verkünder und Zeugen Christi sein Generalaudienz am 23. Oktober 157 Gedenktag der Ökumene und der Katholischen Schule Angelus am 27. Oktober 158 Eucharistie - Fundament und Zentrum jedes priesterlichen Lebens Generalaudienz am 30. Oktober 159 November Priestertum - Geschenk und Geheimnis Angelus am Allerheiligentag, 1. November 160 Kraft und Segen des Gebetes Angelus am 3. November 161 Im Magnifikat preist Maria das wunderbare Wirken Gottes Generalaudienz am 6. November 162 Geistliche Verbundenheit mit allen Priestern dieser Welt Angelus am 10. November 164 Hilfsmaßnahmen gegen Hunger und Flüchtlingselend ergreifen! Generalaudienz am 13. November 166 Geistliche Reichtümer der Kirche in Ost und West sind gemeinsamer Besitz und Verpflichtung zur Einheit Angelus am 17. November 167 Maria und die Geburt Jesu Generalaudienz am 20. November 169 Die neuen Seligen zeichneten sich durch feste Bindung an Maria aus Angelus am 24. November 171 Der Titel Mutter Gottes Generalaudienz am 27. November 172 xn Dezember Zum Wohl der Menschheit Trägheit und Mittelmäßigkeit überwinden Angelus am 1. Adventssonntag, 1. Dezember 174 Maria - Erzieherin des Gottessohnes Generalaudienz am 4. Dezember 175 Maria ist Vorbild für eine Erneuerung des Lebens Angelus am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember 177 Die Darstellung Jesu im Tempel Generalaudienz am 11. Dezember 180 Gottes Menschwerdung - Licht für die Welt Angelus am 3. Adventssonntag, 15. Dezember 183 Die Prophezeiung Simeons verbindet Maria mit dem Leidenslos des Sohnes Generalaudienz am 18. Dezember 184 Jesus - Der Name des Gottessohnes ist Programm Angelus am 4. Adventssonntag, 22. Dezember 186 Erzmärtyrer Stephanus - Vorbild der Zeugen für die Wahrheit auch in diesem Jahrhundert Angelus in Castel Gandolfo am 26. Dezember 188 Geistliche Vorbereitung auf Weltfamilientreffen in Rio de Janeiro Angelus in Castel Gandolfo am Fest der Heiligen Familie, 29. Dezember 189 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Pastoraireise nach Mittelamerika (5. bis 12. Februar) Dienstag, 6. Februar Predigt während der Messe im Wallfahrsort Santo Cristo de Esquipulas (Guatemala) 193 Predigt beim Wortgottesdienst in Guatemala-City im Park Campo Marte 197 Mittwoch, 7. Februar Predigt bei der Familienmesse in Managua (Nicaragua) 201 Ansprache in der neuen Kathedrale von Managua (Nicaragua) 205 XHI 207 Donnerstag, 8. Februar Ansprache bei der Begegnung mit Priestern und Jugendlichen in San Salvador Predigt bei der Eucharistiefeier für Gerechtigkeit und Frieden in San Salvador 209 Samstag, 10. Februar Predigt bei der Einweihung des Marienheiligtums Coromoto in Venezuela 214 Ansprache bei der Begegnung mit den Repräsentanten der Gesellschaft und des Staates in Caracas (Venezuela) 217 Sonntag, 11. Februar Angelus in Caracas (Venezuela) 222 Predigt bei der Eucharistiefeier für die Evangelisierung der Völker in Caracas (Venezuela) 224 Ansprache an die Jugendlichen von Venezuela 228 2. Pastoralbesuch in Siena (30. März) Samstag, 30. März Ansprache an die Arbeiter in Colle di Val dülsa-Montalcino 232 Predigt in Siena 237 Begegnung mit den Jugendlichen am Erzbischöflichen Palast - Angelus 241 3. Pastoraireise nach Tunesien (14. April) Sonntag, 14. April Predigt bei der Eucharistiefeier in der Kathedrale von Tunis 243 Regina Caeli in Tunis 246 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen der regionalen Bischofskonferenz von Nordafrika (CERNA) in Tunis 247 Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern aus Politik, Kultur und Religion im Präsidentenpalais in Karthago 251 4. Pastoralbesuch in Como (4./5. Mai) Samstag, 4. Mai Ansprache bei der Begegnung mit der Bürgerschaft von Como auf der Piazza Cavour 255 XIV 258 Sonntag, 5. Mai Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der Welt der Arbeit in der Kathedrale von Como 5. Pastoraireise nach Slowenien (17. bis 19. Mai) Freitag, 17. Mai Ansprache bei der Vesperfeier mit Priestern, Ordensleuten und einer Abordnung von Gläubigen in der Kathedrale von Ljubljana (Laibach) 263 Samstag, 18. Mai Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend in Postojna 267 Predigt bei der Eucharistiefeier im Hippodrom von Ljubljana (Laibach) 272 Sonntag, 19. Mai Regina Caeli in Maribor (Slowenien) 276 Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern aus Kultur und Wissenschaft in der Kathedrale von Maribor (Marburg) 278 Telegramm an den österreichischen Bundespräsidenten beim Überfliegen des Landes bei der Rückkehr nach Rom 282 6. Pastoralbesuch in Deutschland (21. bis 23. Juni) Donnerstag, 20. Juni Videobotschaft an die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland 283 Freitag, 21. Juni Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen Paderbom-Lippstadt 284 Samstag, 22. Juni Ansprache bei der Begegnung mit dem Rat der Evangeüschen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) in Paderborn 286 Predigt im Ökumenischen Wortgottesdienst in Paderborn 290 Ansprache bei der Begegnung mit den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz in Paderborn 294 Predigt bei der Eucharistiefeier in Paderborn 303 XV Sonntag, 23. Juni Worte bei der Eucharistiefeier im Olympiastadion in Berlin 308 Predigt bei der Eucharistiefeier mit Seligsprechung von Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner in Berlin 309 Ansprache vor dem Angelusgebet im Olympiastadion in Berlin 315 Ansprache bei der Begegnung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland im Bemhard-Lichtenberg-Haus in Berlin 317 Gebet am Grab des seligen Bernhard Lichtenberg in der Sankt-Hedwigs- Kathedrale in Berlin 320 Ansprache am Brandenburger Tor in Berlin 320 7. Pastoralbesuch in Lorenzago [Ferien] (14. bis 21. Juli)) Sonntag, 14. Juli Angelus in Lorenzago 325 Sonntag, 21. Juli Angelus in Pieve di Cadore 327 8. Pastoraireise nach Ungarn (6./7. September) Freitag, 6. September Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughagen „Ferihegy“ 331 Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken und Alten in Pannonhalma 333 Predigt beim Vespergottesdienst in Pannonhalma 334 Samstag, 7. September Predigt bei der Eucharistiefeier im Ipari-Park in Györ 338 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen 344 Ansprache beim Treffen mit Vertretern der Diözese Györ 349 Ansprache bei der Abschiedszeremonie 354 XVI 9. Pastoraireise nach Frankreich (19. bis 22. September) Donnerstag, 19. September Ansprache beim Treffen mit dem Präsidenten der Französischen Republik, Jacques Chirac, in Tours 357 Grußwort bei der Begegnung mit der Bevölkerung von Saint-Laurent-sur-Sevre und den Jugendlichen der Schulen und Gymnasien 360 Predigt während der Vesper am Grab des hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort in Saint-Laurent-sur-Sevre 362 Freitag, 20. September Predigt während der Eucharistiefeier in Sainte-Anne-d’Auray 365 Ansprache beim Treffen mit den Familien in Sainte-Anne-d’Auray 369 Samstag, 21. September Predigt während der Messe zum 1600. Todestag des hl. Martin im Luftstützpunkt von Tours 375 Ansprache beim Treffen mit den „vom Leben Verwundeten“ in der Basilika von St. Martin in Tours 379 Sonntag, 22. September Predigt während der Messe auf dem Flughafen von Reims 382 Angelus am Schluß der hl. Messe in Reims 386 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen Frankreichs im Diözesanhaus St. Sixte in Reims 387 Ansprache bei der Begegnung mit der Diözese Reims in der Kathedrale 391 Ansprache bei der Abschiedszeremonie am Flughafen von Reims 394 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Bereiten wir den Kindern eine friedliche Zukunft! Botschaft (vom 8. Dezember 1995) zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1996 399 Unwiderrufliche Heilszusage Gottes mit der Geburt Jesu Christi Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria, 1. Januar 406 Vornehmste Aufgabe der Bischöfe ist die Verkündigung der Erscheinung des Herrn Predigt bei der Bischofsweihe am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 408 XVH Das Sakrament der Taufe - Wiedergeburt zu unsterblichem Leben Predigt bei der Feier der Kindertaufe in der Sixtinischen Kapelle am Fest der Taufe Jesu, 7. Januar 411 Hoffnungsvoller Neubeginn nach Zeit härtester Prüfungen Ansprache bei der Begegnung mit Pilgern aus Lettland am 8. Januar 413 Seelenheil der Gläubigen steht im Mittelpunkt aller Seelsorge Eröffnungsansprache der Synode der Syro-malabarischen Kirche Indiens in der alten Synodenaula am 8. Januar 414 Anspruch und Wirklichkeit priesterlichen Einsatzes in den Ortskirchen Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Ständigen Interdikasterialen Kommission für eine angemessenere Verteilung der Priester in der Welt am 11. Januar 417 Zusammenarbeit unter den Völkern bei Achtung der Identität des anderen Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 13. Januar 419 Verpflichtung Frankreichs zur Mitarbeit für den Frieden in Europa und der Welt Ansprache beim Staatsbesuch des Präsidenten der Französischen Republik, Jacques Chirac, im Vatikan am 20. Januar 426 Ehenichtigkeitsprozesse vor dem internationalen Gerichtshof der Kirche - Vielfalt der Kulturen im Licht der Offenbarung Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Römischen Rota am 22. Januar 429 Roms Geschichte ist Verpflichtung für Gegenwart und Zukunft Ansprache beim Empfang für den Bürgermeister der Stadt Rom und die Kapitolinische Stadtverwaltung am 25. Januar 433 Belastende Trennungen auf dem Weg zur Einheit gemeinsam überwinden Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der Gebetswoche für die Einheit der Christen in der Basilika St. Paul vor den Mauern am 25. Januar ......437 Dynamische Partner mit religiösem Fundament -Bildung und Erziehung im Geist des hl. Don Bosco Botschaft zum 24. Generalkapitel der Salesianer vom 31. Januar 440 Februar Christus - bleibendes Zeichen des Widerspruchs Predigt während der Eucharistiefeier mit den Ordensleuten am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 444 xvm Die Kirche Kubas erwartet Freiheit und Recht für die Verkündigung Botschaft an die Teilnehmer des EL Kubanischen Kirchlichen Treffens vom 2. Februar 447 Kranke sollen medizinischem Fortschritt vertrauen Botschaft zum IV. Welttag der Kranken am 11. Februar 1996 vom 11. Oktober 1995 450 Gemeinsam für die Botschaft vom Leben Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer eines Kurses des Ökumenischen Instituts in Bossey (Genf) am 15. Februar 454 Mit Emst und Zielstrebigkeit das Große Jubiläum vorbereiten Ansprache an die Internationale Planungskonferenz des Zentralen Komitees für das Heilige Jahr 2000 und der Delegierten der nationalen Komitees am 16. Februar 455 Zur Problematik von Freiheit und Wahrheit in der Wissenschaft Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses über „Die Wurzeln der Bioethik“ am 17. Februar 460 Ziel der Priesterausbildung - Leidenschaft für Christus und die Kirche Ansprache beim Besuch im Römischen Diözesanseminar am Fest der Madonna der Zuversicht, 17. Februar 464 Aus meinem Priesterleben Improvisierte Ansprache beim Abendessen mit den Seminaristen im Römischen Diözesanseminar am 17. Februar 466 Gebt ihr ihnen zu essen (Mt 14,16) Botschaft zur Fastenzeit [21. Februar bis 4. April] 1996 vom 8. September 1995 468 Glauben bedeutet Annahme der gesamten Wahrheit Christi Predigt bei der Aschermittwochsliturgie in Santa Sabina am 21. Februar 470 Universi dominici Gregis Apostolische Konsitution über die Vakanz des Apostoüschen Stuhles und die Wahl des Papstes von Rom vom 22. Februar 472 Stadtmission - Ausbildung und Bildung der christlichen Gemeinschaft Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus der Diözese Rom zum Beginn der Fastenzeit am 22. Februar 502 März Zum Abschluß der Exerzitien im Vatikan am 2. März 507 XIX Kontemplative Dimension des Rosenkranzgebetes Grußworte nach dem Rosenkranzgebet am 2. März 508 Kinder brauchen Liebe und Geborgenheit Ansprache an die Initiatoren der Solidaritätskampagne einer Autofirma zugunsten aidskranker Kinder am 4. März 509 Gemeinsames Bemühen um eine Ethik der Medienarbeit Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 7. März 510 Echt menschliche Erfüllung ist gefragt Grußwort an die Teilnehmer eines Treffens zum Thema: „Familie und Wirtschaft in der Zukunft der Gesellschaft“ in Rom am 8. März 513 Grußwort an die Vertreter von B’na B’rith International am 11. März 514 Friede in Nahost verpflichtet alle Völker Telegramm an den Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten, Hosni Mubarak, anläßlich des internationalen Nahost-Friedensgipfels in Sharm el Sheik, vom 13. März 515 Frieden in Gerechtigkeit für alle Bürger Botschaft an den Präsidenten der Bischofskonferenz von Ruanda zum zweiten Jahrestag des Genozids in Ruanda, übermittelt durch Erzbischof Paul Josef Cordes, Präsident des Päpstlichen Rates CorUnum, vom 14. März 516 Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1996 vom 17. März 518 Zwei hochherzige Förderer der Weltmission Predigt anläßlich der Seligsprechung von Daniele Comboni und Guido Maria Conforti, verlesen von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, am 17. März 527 Grenzen von Arbeitsmarkt und Wirtschaftswachstum Ansprache an die Mitglieder der zweiten Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften am 22. März 530 Feste Zuversicht auf rettende Wiedergutmachung Botschaft an die Teilnehmer eines Fortbildungskurses der Apostolischen Pönitentiarie vom 22. März 534 Vita Consecrata Nachsynodales Apostolisches Schreiben an den Episkopat und den Klerus, an die Orden und Kongregationen, an die Gesellschaften des Apostolischen Lebens, an die Säkularinstitute und an alle Gläubigen über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt vom 25. März 538 XX Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens (Joh 6,68) Botschaft an die Jugendlichen der ganzen Welt zum XI. Weltjugendtag am 28. März 1996 vom 26. November 1995 641 Nutzt Eure Fähigkeit und Kreativität für ein „Zusammen“ der Kirche Roms! Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen Roms am 28. März 645 Klartexte zu praktiziertem Glauben und zu christlicher Soziallehre Schreiben an Pater Gianpaolo Salvini SJ, Direktor von ,JLa Civiltä Cattolica“ zum Erscheinen der 3500. Ausgabe von „La Civiltä Cattolica“ vom 31. März... 649 Christi Kreuz ist die Hoffnung der Welt Predigt am Palmsonntag, 31. März 652 April Geistliche Grundlagen von Erziehung und Bildung Ansprache an das Generalkapitel der Salesianer Don Boscos am 1. April 654 Verantwortung der Polizei für Friedenssicherung in der Gemeinschaft Grußwort beim Empfang von Polizeichefs von Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 2. April 657 Sittliche Vernunft und moralisches Gewissen als Grundlagen eines Gesellschaftsvertrages Ansprache bei der Begegnung mit französischen Parlamentariern -Mitglieder einer Gruppe zur Pflege des geistlichen Lebens (Groupe de Spiritualite des Assemblees parlementaires) am 2. April 659 Priesterliche Berufung und Sendung Predigt in der Chrisammesse am Gründonnerstag, 4. April 661 Eucharistie - Vermächtnis und Verkündigung Predigt während der Abendmahlsmesse in der Lateranbasilika am Gründonnerstag, 4. April 663 Schlußwort nach dem Kreuzweg beim Kollosseum am Karfreitag, 5. April 665 Vielfältiger und grenzenloser Einsatz für den Frieden Ansprache bei der Begegnung mit der Gemeinschaft von Sant’Egidio am Karsamstag, 6. April 668 Keine Angst vor dem Licht Christi! Predigt bei der Feier der Ostemacht am Karsamstag, 6. April 669 Gottes Macht gibt neuen Lebenssinn Botschaft Urbiet orbi am Ostersonntag, 7. April 671 XXI Unsere Begegnung ist Hoffnungszeichen für eine Welt auf der Suche nach authentischen Werten Ansprache während der Audienz für den Oberrabbiner Prof. Elio Toaff, zehn Jahre nach dem historischen Besuch in der Synagoge von Rom, am 15. April 673 Es geht um Christus Botschaft zur Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier vom 18. April 674 Apostolisches Schreiben zum dreihundertfünfzigjährigen Bestehen der Union von Uzhorod vom 18. April 677 Grußbotschaft an das 5. Christlich-Muslimische Kolloquium zum Thema „Religion und der Gebrauch der Ressourcen der Erde“ [17. bis 20. April] vom 20. April 683 Gemeinsames Vorangehen im synodalen Geist Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses von Bischöfen, Priestern und Laien der Kirchen des Nahen Ostens am 20. April 684 Christus - das Licht für uns wird zum Licht für andere Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilger aus der Erzdiözese Trient am 20. April 686 Gemeinsamer Einsatz zugunsten des Lebens Botschaft an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses „Für eine Kultur des Lebens“ vom 23. April 688 Bemüht Euch, Jesus zu folgen und ihn in den Schwestern und Brüdern zu sehen, denen ihr auf Eurem Lebensweg begegnet Ansprache an eine Gruppe von Neokatechumenalen aus Deutschland am 26. April 691 Geistliche Berufungen wachsen durch das Gebet der Gemeinden Botschaft zum 33. Weltgebetstag um geistliche Berufe am vierten Ostersonntag, dem 28. April 1996, vom 15. August 1995 692 Erkennen und Bekennen Christi als des Guten Hirten ist Eure Berufung! Predigt bei der Priesterweihe von 38 Diakonen am 28. April 697 Mai Eucharistiefeier ist das Herz und die Mitte der Liturgie Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung am 3. Mai 699 XXII Berufliche und geistliche Erfüllung im Dienst der Weltkirche Ansprache bei der Audienz für die Schweizergarde anläßlich der Vereidigung der neuen Rekruten am 6. Mai 703 Ehe- und Familienbildung - Schwerpunkte der Seelsorge heute Ansprache an die Teilnehmer des Studienkongresses des Päpstlichen Rates für die Familie und des Instituts „Johannes Paul II.“ über Ehe und Familie am 9. Mai 705 Aufgabe und Auftrag der Kirche Italiens und ihrer Gemeinden zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 Ansprache bei der Begegnung mit der Italienischen Bischofskonferenz am 9. Mai 708 Erziehung und Bildung sind grundlegende Beiträge zur ganzheitlichen Entwicklung der Menschheit Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke am 10. Mai 711 Gewährleistung ethischer Prinzipien in Forschung und Lehre Grußworte bei der Begegnung mit den Rektoren der Katholischen Universitäten Europas am 11. Mai 714 Berufung zur Heiligkeit - Zusage zur Fülle des Lebens Predigt bei den Seligsprechungen auf dem Petersplatz am 12. Mai 716 Die Medien: Forum der Gegenwart zur Förderung der Rolle der Frau in der Gesellschaft Botschaft zum 30. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel am 19. Mai 1996 vom 24. Januar 719 Interdisziplinäre Strategien zugunsten des Lebens -Lebensrecht verträgt keine Einschränkungen Ansprache an die Teilnehmer des Symposiums Evangelium vitae und das Recht“ - Internationales Kanonistenkolloquium - am 24. Mai 722 Bereitet den Weg geistlichen Wachstums zur Gemeinschaft Predigt während der Pfingstvigil mit der Diözese Rom auf dem Petersplatz am 25. Mai : 727 Mission ist Botschaft und Zeugnis von Kreuz und Erlösung Botschaft zum Weltmissionstag vom 28. Mai 731 XXIII Juni Die trinitarische Dimension der Heiligkeit Predigt bei der Heiligsprechung der Seligen Johannes Gabriel Perboyre, Ägidius Maria vom hl. Josef und Johannes Grande Romän auf dem Petersplatz am 2. Juni 735 Eucharistie - göttliches Unterpfand auf der Pilgerreise des Menschen Predigt während der Messe vor St. Johann im Lateran und Fronleichnamsprozession nach Santa Maria Maggiore am 6. Juni 738 Rosenkranz mit dem Papst Grußwort an die deutschen Pilger nach dem Gebet in der Aula Pauls VI. am 1. Juni 741 Katakomben als Stätten der Forschung und geistlicher Besinnung Ansprache an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für die sakrale Archäologie am 7. Juni 741 Der Weg des Glaubens führt von Abraham über Maria zu Christus Predigt bei der Eucharistiefeier vor der Lourdes-Grotte in den Vatikanischen Gärten am 9. Juni 744 Begegnung der Kirchen in praktizierter Nächstenliebe Ansprache während der Audienz für die „Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen“ (ROACO) vom 27. Juni 745 Förderung des Austauschs zwischen Religion und Wissenschaft Grußworte an die Teilnehmer des Kongresses „Evolutions- und Molekularbiologie: Wissenschaftliche Perspektiven über Göttliches Wirken“ in der Vatikanischen Sternwarte am 28. Juni 748 Petrus und Paulus - Fundament und Säulen der Kirche Predigt bei der Eucharistiefeier am Fest Peter und Paul, 29. Juni 749 Gemeinsam auf das Jahr 2000 zugehen Ansprache während des Empfangs für die Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel am Fest Peter und Paul, 29. Juni 753 Christliche Sendung ist Vorwegnahme des Himmelreiches Predigt bei der Sonntagsmesse vor der Lourdesgrotte in den Vatikanischen Gärten am 30. Juni 754 Juli Gemeinsame Förderung des kulturellen und geistigen Erbes Italiens Ansprache beim offiziellen Antrittsbesuch des Ministerpräsidenten der Republik Italien, Romano Prodi, am 4. Juli 756 XXIV Lebendiger Glaube ist die Quelle der Berufung Ansprache beim Generalkapitel der Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Hl. Geistes am 5. Juli 758 Einheit der Christen - drängendes Anliegen unserer Zeit Predigt beim Moleben anläßlich der Vierhundertjahrfeier der Union von Brest in St. Peter am 6. Juli 760 Den Geist der Einheit in Demut und Friedfertigkeit bezeugen Predigt bei der Göttlichen Liturgie im ukrainisch-byzantinischen Ritus am 7. Juli 762 Bedeutsames Zeugnis für kulturelle und geistige Einheit Europas Grußwort nach einem Konzertabend ,Musik für die Eine Welt“ in Castel Gandolfo am 28. Juli 765 August Glaubwürdiger Bote des Glaubens mit Ausstrahlungskraft Predigt während der Eucharistiefeier zum 18. Todestag Papst Pauls VI. in Castel Gandolfo am 6. August 766 Erleuchtung - Gaben des Geistes - Aufklärung Ansprache beim Kolloquium, Aufklärung heute“ in Castel Gandolfo am 10. August 767 Zeichen der Bekräftigung der Hoffnung Botschaft an die Teilnehmer des XII. Internationalen Mariologischen Kongresses von Jasna Göra in Tschenstochau (18. bis 20. August 1996) vom 15. August 770 Maria und die Eucharistie Botschaft an die Teilnehmer des XIX. Internationalen Marianischen Kongresses von Jasna Göra in Tschenstochau (24. bis 26. August 1996) vom 15. August 773 September Vertieft in euch das Gnadengeschenk der Taufe Schreiben an die Gläubigen der Dominikanischen Republik anlässlich der 500-Jahr-Feier der ersten Taufen in der Neuen Welt vom 4. September 775 Gerechtigkeit, Solidarität und letztlich Frieden Grußwort an die Mitglieder der Internationalen Kommission der Zivilstaaten am 13. September 778 XXV Vielfalt der Kulturen ist Reichtum für die Menschheit Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses für Ungarische Studien am 14. September 779 Mut zum Aufbau einer besseren Zukunft Grußworte an den Generalstab der Internationalen Streitkräfte am 17. September 782 Solidarität mit den Armen und nach Gott Suchenden Schreiben an den Generalminister der Kapuziner, Pater John Corriveau, anlässlich des Internationalen Kongresses über die laikale Dimension der Kapuzinerberufung vom 18. September 784 Benediktinisches Mönchtum an der Schwelle zum Dritten Jahrtausend Schreiben an den Abtprimas der Benediktinischen Konföderation, Pater Marcel Rooney, vom 23. September 786 Erneuerung und Erziehung im Zeichen überreicher Erlösung Schreiben an den Generaloberen der Kongregation des Heiligsten Erlösers, Pater Juan M. Lasso de la Vega, zum Gedenken der 300. Wiederkehr des Geburtstages des hl. Alfons Maria von Liguori vom 24. September 788 Oktober Tiefe Übereinstimmung in Ziel und Weg Schreiben an Joseph Kardinal Ratzinger, Vorsitzender der Internationalen Theologenkommission, vom 4. Oktober 793 Erziehung der Jugend ist wesentlicher Beitrag zum Aufbau des Friedens Ansprache an vier neue Botschafter bei der Überreichung der Beglaubigungsschreiben am 4. Oktober 794 In der Kirche gibt es keine Fremden Botschaft zum Welttag der Migranten 1996 vom 25. Juli 1995 [in Deutschland begangen am 4. Oktober] 795 Wege zur Verbreitung des Gottesreiches Ansprache bei der Audienz für Gebetsgruppen von Pater Pio auf dem Petersplatz am 5. Oktober 799 Die neue Seligen - ausgezeichnete Mitarbeiter im Weinberg des Herrn Predigt während der Seligsprechungen von 16 Dienern Gottes am 6. Oktober 801 Neue Energien für den Frieden aus dem Gebet in Assisi Botschaft an Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano zum 10. Jahrestag des historischen Weltgebetstreffens für den Frieden in Assisi im Oktober 1986 vom 6. Oktober 805 XXVI Christus-Nachfolge durch das Zeugnis gelebter Gemeinschaft verkünden und bezeugen Schreiben an den Generalabt der Trappisten, Dom Bemardo Olivera, anläßlich des Generalkapitels der Zisterzienser von der strengen Observanz vom 6. Oktober 806 Christliches Menschenbild und moderne Evolutionstheorien Botschaft an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften vom 22. Oktober 809 Für Europa geeignete Wege zum Glauben eröffnen Schreiben an Kardinal Miloslav Vlk und alle Teilnehmer am IX. Symposion des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (23. bis 27. Oktober in Rom) vom 23. Oktober 813 Zusammenarbeit von Bischöfen und Theologen in der Verkündigung Botschaft an die in Rom versammelten Erzbischöfe und Bischöfe von Indien, an die Präfekten und Sekretäre der Kongregationen für die Glaubenslehre, für die Orientalischen Kirchen, für die Evangelisierung der Völker, für das Katholische Bildungswesen und an den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog vom 23. Oktober 815 Stärkt Euch im gemeinsamen Glauben! Botschaft an die katholischen Gläubigen der Diözesen Torit, Tombura-Yambio und Rumbek, überreicht vom Apostolischen Nuntius, Erzbischof Erwin Ender, bei einem Pastoralbesuch dieser Diözesen im Südsudan (9. bis 18. November) vom 24. Oktober 816 Dank für die musikalische Betrachtung Grußworte anläßlich des Festkonzerts zum 50jährigen Priesteijubiläum in der „Aula Paolo VI“ am 31. Oktober 818 November Gnade und Geheimnis priesterlicher Existenz Predigt bei der Eucharistiefeier anläßlich des 50. lahrestages der Priesterweihe lohannes Pauls II. am Fest Allerheiligen, 1. November 819 Mensch ist Mittelpunkt akademischer Bildung Schreiben an den Rektor der Lateranuniversität vom 7. November 822 Priester-Sein - verfügbar für den Herrn und das Heil der Welt Predigt bei der Vesper am 7. November 825 Demokratie ohne Werte setzt Frieden und Fortschritt aufs Spiel Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden am 8. November 829 xxvn Lebensschutz auch vor falsch verstandener Freiheit Botschaft anlässlich eines von der „Universitä Cattolica del Sacro Cuore“ angeregten Internationalen Kongresses des Studien- und Forschungszentrums für natürliche Fruchtbarkeitsregelung vom 8. November 831 Tragt die Soziallehre der Kirche in die Gesellschaft! Ansprache an die slowakischen Pilger am 9. November 833 Spender der Sakramente zur Erlösung der Welt Predigt bei der Eucharistiefeier über dem Grab des Apostels Petrus anlässlich des Goldenen Priesterjubiläums des Papstes und von Kardinälen, Bischöfen und Priestern aus aller Welt am 10. November 835 Freiheit ohne Moral macht Demokratie zum Werkzeug des Stärkeren Ansprache bei der Audienz für Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen und Internationalen Agenturen der Weltemährungsgipfelkonferenz der FAO in Rom am 12. November 838 Nicht Mitleid, sondern Gerechtigkeit verhindert Hunger in der Welt Ansprache an die Teilnehmer des Weltgipfels für Ernährung der FAO in Rom am 13. November 839 Solidarität muß sich auch in Wirtschaftsstrukturen zeigen Ansprache an die Mitglieder der Stiftung „Centesimus annus“ am 23. November 843 Auf den Spuren dieser Seligen Zeugnis ablegen für Christus und sein Reich Predigt bei der Eucharistiefeier zu den Seligsprechungen am 24. November 845 Sichere und treue Begleiter auf dem Weg des Gottesreiches Ansprache an die Pilger bei der Audienz nach der Seligsprechung am 25. November 848 Wege suchen, die zur vollen Gemeinschaft führen Botschaft an Seine Heiligkeit Bartholomaios I., Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch, vom 26. November 850 Engagierte Förderer des Dialogs zwischen Glauben und Kultur Ansprache bei der ersten öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien in der Synodenaula am 28. November 851 Der Glaube und die Grenzen der Wissenschaft Botschaft an die Teilnehmer der Studientagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften vom 29. November 856 Christus ist der Herr der Zeit und der Ewigkeit Predigt zum Beginn der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 in der 1. Vesper zum 1. Adventsonntag am 30. November 857 xxvm Petrusamt als Dienst an der Einheit Schreiben an den Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Joseph Kardinal Ratzinger, anlässlich des Symposions ,Der Primat des Nachfolgers Petri“ vom 30. November 860 Zur Fürsorge und Pflege geistig behinderter Menschen aus christlicher Sicht Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Konferenz für die Pastoral im Krankendienst am 30. November 862 Dezember Änderung von Produktionssystemen muß den Menschen und seine Arbeit im Blickfeld haben Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Treffens für Gewerkschaftsvertreter auf Einladung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden am 2. Dezember 866 Christen tragen zur Förderung jedes Gemeinwesens bei Botschaft an die Kirche in China am Fest des hl. Franz Xaver, vom 3. Dezember 868 Die von Christus gewollte Einheit in Denken und Handeln fördern Grußworte bei den Begegnungen mit dem Erzbischof von Canterbury und Primas der Anglikanischen Gemeinschaft, Dr. George Leonard Carey, am 3. und 5. Dezember 873 An der Basis für ein gemeinsames Zeugnis arbeiten Predigt beim feierlichen Abendgottesdienst in S. Gregorio anläßlich des Besuchs des Primas der Anglikanischen Gemeinschaft, Erzbischof Carey von Canterbury, in Rom [3.-5. Dezember 1996] am 5. Dezember 875 Eure Fackeln verkünden Christus, das Licht der Welt Grußworte an die Pilger aus der süditalienischen Region Molise nach einem folkloristischen Fackelumzug auf dem Petersplatz am 8. Dezember 877 Sei gegrüßt, du Gnadenvolle, in göttlichem Licht Strahlende Worte in der Basilika Santa Maria Maggiore nach dem Gebet vor der Marienikone „Salus Populi Romani“ am 8. Dezember 878 Schönheit ist Herausforderung, das Böse zu überwinden Ansprache und Gebet bei der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 880 Eine Kultur der Universitäten wird von ihren Mitgliedern geprägt Predigt während der Messe mit den Studenten am 12. Dezember 881 XXIX Gemeinsam in allen nur möglichen Bereichen für den Frieden tätig sein Grußwort bei der Überreichung von Akkreditierungsschreiben neuer Botschafter beim Hl. Stuhl am 12. Dezember 885 Gemeinsame Verpflichtung zu dem einen Sendungsauftrag Ansprache an Seine Heiligkeit Karekin I., Oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier, am 13. Dezember 887 Trennungen überwinden und auf die Einheit zugehen Weihnachtsansprache an die Römische Kurie am 21. Dezember 889 Jesus Christus ist die Quelle der Weihnachtsfreude Predigt bei der Christmette in der Weihnachtsnacht 24725. Dezember 894 Botschaft beim Segen URBI ET ORBI am Weihnachtsfest 1996, 25. Dezember 896 Das Wort Gottes kann auch heute Deinen Lebensweg erhellen Grußwort an die Familien der Diözese Rom vom 25. Dezember 899 Gottes Menschwerdung - Überschreiten historischer Dimensionen Predigt während der Vesper zum Jahresschluß in Sant’Ignazio am 31. Dezember 900 TV. Ad-limina-Besuche Benin 22. August 907 Bolivien 22. April 911 Brasilien 29. Januar 916 Indonesien 03. Juni 924 13. September 928 Kolumbien 30. April 932 11. Mai 937 25. Mai 942 15. Juni 947 Lesotho 16. April 951 XXX Malaysia, Singapur und Brunei 01. Juli 955 Mali 08. März 960 Myanmar 05. Juli 964 Philippinen 27. September 968 05. Oktober 973 Rumänien 05. Dezember 978 Sri Lanka 24. August 983 Südkorea 26. März 988 Tansania 20. Februar 992 Thailand 29. August 997 Vietnam 14. Dezember 1003 Zaire 22. November 1008 Syro-malabarische und Syro-malankarische Kirche Indiens 18. Januar 1013 V. Erklärungen der Kongregationen und Päpstlichen Räte Die griechischen und die lateinischen Überlieferungen im Hinblick auf den Ausgang des Heiligen Geistes Klarstellung unter Verantwortung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, veröffentlicht: L’Osservatore Romano, dt., 1996, Nr. 21/22, S. 11-13 [Orig, in: ital. O.R., 13. September 1995] 1019 XXXI Die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe Päpstlicher Rat für die Familie vom 13. Mai 1028 Der Hunger in der Welt - Eine Herausforderung für alle: solidarische Entwicklung Päpstlicher Rat „Cor Unum“ vom 4. Oktober 1055 VI. Anhang Christen und Muslime - über die Toleranz hinaus Botschaft zum ’ld al-Fitr (Ende des Fastenmonats Ramadan) 1416/1996 von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, vom 15. Februar 1113 Die multiethnische Gesellschaft als Bedingung für einen dauerhaften Frieden in Bosnien und Herzegowina Intervention des Hl. Stuhls bei der Ratstagung der OSZE in Prag (21./22. März) 1114 Botschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Francis Kardinal Arinze, an die Buddhisten anläßlich des Feiertages Vesakh April bis Mai 1996 1116 Wirtschaftliche Sicherheit und soziale Stabilität als Ergebnisse einer Ethik der Solidarität Ansprache des Leiters der Delegation des Hl. Stuhls, Msgr. Diarmuid Martin, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, vor der IX. Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen in Midrand/Südafrika am 3. Mai 1118 Die Organe der Römischen Kurie Stand: 24. Juli 1124 Sexuelle Ausbeutung von Kindern ist Folge fehlender Solidarität und eines Werteverfalls Stellungnahme des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei der Weltorganisation für Tourismus, Msgr. Piero Monni, am 28. August 1129 Gemeinsamer Einsatz für eine Kultur der Liebe Botschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Francis Kardinal Arinze, an die Hindus anläßlich ihres diesjährigen Diwali-Festes am 12. November 1996, vom 30. Oktober 1132 XXXII Die Geißel des Hungers in solidarischem Handeln überwinden Ansprache von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano beim Weltemährungsgipfel der FAO in Rom am 16. November 1133 Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul H. und Erzbischof Carey von Canterbury, Primas der anglikanischen Gemeinschaft vom 5. Dezember 1135 Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul U. und Katholikos Karekin I. vom 13. Dezember 1137 Wortregister 1141 Personenregister 1176 Länder- und Ortsregister 1194 Zitierte Bibelstellen 1207 XXXIJ1 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Hoffnung der Kinder auf Frieden erfüllen! Angelus am Neujahrstag 1996, 1. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute ist der erste Tag eines neuen Jahres, das der Herr uns schenkt. An der Schwelle dieses Anfangs wünsche ich allen von Herzen ein glückliches und gesegnetes neues Jahr 1996, ein Jahr brüderlicher Solidarität und des Friedens für alle. Die Kirche, Pilgerin in der Geschichte, schreitet voran in der Zeit und teilt mit allen Menschen die Wiederkehr des Neujahrstages; aber sie erlebt und feiert sie in der ihr eigenen Sichtweise, der Sichtweise des Glaubens. Heute, in der Oktav von Weihnachten, erheben wir unsere Augen von der Wiege von Betlehem, wo „das Wort Gottes Fleisch geworden ist“ (vgl. Joh 1,14), und richten den Blick auf die Mutter Jesu; des Sohnes Gottes und ihres Sohnes. Denn wie eine leuchtende Miniatur auf der ersten Seite des Kalenders hat die Kirche das liturgische Hochfest der Gottesmutter auf den ersten Tag des Jahres verlegt; und aus dieser tröstlichen Wahrheit des Glaubens heraus schreitet sie fort auf dem Weg durch die Zeit. Am Beginn des Lebens jedes Menschen ist der Schoß und das Antlitz einer Mutter. Am Beginn des Lebens der Kirche ist das Unbefleckte Herz Marias: eines einfachen Mädchens aus dem unbekannten Ort Nazaret, der neuen Eva, die durch ihr Ja das Geschick der Welt geändert hat. Uns, die wir uns fragen, wie das neue Jahr sein wird, stellt Maria ihr Kind vor: Seht - scheint sie zu sagen -, die Zeit hat das Antlitz Jesu, das Gesicht eines Kindes. Und dank ihm ist sozusagen jedes Kind Symbol der menschlichen Geschichte, die mit fester Hoffnung von neuem beginnt. 2. Gerade den Kindern ist das Thema des Weltfriedenstages gewidmet, den wir heute feiern: bereiten wir den Kindern eine friedliche Zukunft!“ Die Kinder der Welt am Ausgang dieses Jahrhunderts sind der Samenkeim des dritten Jahrtausends: Sie erbitten für ihre Zukunft den Sauerteig des Friedens, „das Erbe einer geeinteren und solidarischeren Welt“ (vgl. [Botschaft zum. Weltfriedenstag 1996] Nr. 11). Die so nach Frieden hungernde Welt höre auf ihre Bitte! Die Kinder verkörpern die „Hoffnungen, Erwartungen und Möglichkeiten“ der menschlichen Gesellschaft ([ebd.], Nr. 9); sie sind Zeugen und Lehrer der Hoffnung, des Gefühls, das sie mit „freudigem Schwung“ empfinden ([ebd.], Nr. 7). Löschen wir die Hoffnung in ihrem Herzen nicht aus; unterdrücken wir ihre Erwartungen des Friedens nicht! 3. Es ist außerordentlich wichtig, daß wir Erwachsenen daran denken, den Kindern eine Zukunft des Friedens zu sichern. Es ist unsere Aufgabe, unsere Verantwortung. Wir nähern uns mit Riesenschritten der historischen Wende des Jahres 2000, einer wichtigen Etappe auf dem Weg der Menschheit. Der Herr gewähre uns, daß 3 AUDIENZEN UND ANGELUS wir, im Geist erneuert, dahin gelangen, indem wir hochherzig eine solidarischere und freundlichere Welt aufbauen. Ich lade Euch ein, darum zu beten, während ich Maria, der Mutter Gottes und unserer Mutter, das soeben begonnene Jahr 1996 zusammen mit Euch anvertraue. Dir, Maria, übergeben wir die guten Vorsätze; dich bitten wir, über uns und über alle Tage des neuen Jahres deinen mütterlichen Schutzmantel zu breiten: „Heilige Muttter Gottes, verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern errette uns aus allen Gefahren, o gütige, o milde Jungfrau Maria!“ Nach dem Angelusgebet sagte der Papst in Deutsch: Allen Pilgern und Besuchern deutscher Sprache sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen wünsche ich ein glückliches und friedvolles neues Jahr. Gottes Schutz und Segen begleite Euch an jedem einzelnen Tag. Marienverehrung - ausgewogen ohne Übertreibung oder Verkürzung Ansprache bei der Generalaudienz am 3. Januar 1. Der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium folgend, die im VIII. Kapitel „mit Bedacht... sowohl die Aufgabe Marias im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes und seines mystischen Leibes wie auch die Pflichten der erlösten Menschen gegenüber der Gottesgebärerin“ beleuchten wollte, möchte ich in diesen Katechesen eine wesentliche Zusammenfassung des Glaubens der Kirche an Maria anbieten, jedoch wie das Konzil bekräftigen, daß ich nicht im Sinn habe, „eine vollständige Lehre über Maria vorzulegen oder Fragen zu entscheiden, die durch die Arbeit der Theologen noch nicht völlig geklärt sind“ (Lumen Gentium, Nr. 54). Meine Absicht ist vor allem, „die Aufgabe Marias im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes und seines mystischen Leibes“ (ebd.) darzustellen, auf die Angaben der Schrift und der apostolischen Tradition zurückzugreifen und die lehramtliche Entwicklung zu berücksichtigen, die in der Kirche bis in unsere Zeit hervorgebracht wurde. Weil außerdem Marias Rolle in der Heilsgeschichte eng mit dem Geheimnis Christi und der Kirche verbunden ist, werde ich diese wesentlichen Beziehungen nicht außer acht lassen, die ihren großen, unerschöpflichen Reichtum enthüllen, indem sie der marianischen Lehre den rechten Stellenwert beimessen. Die Erforschung des Geheimnisses der Mutter des Herrn ist wirklich sehr ausgedehnt und hat im Laufe der Jahrhunderte viele Hirten und Theologen beschäftigt. Einige haben sie, in dem Versuch, die Hauptaspekte der Mariologie hervorzuheben, manchmal zusammen mit der Christologie oder Ekklesiologie behandelt. 4 AUDIENZEN UND ANGELUS Aber wenn man ihre Beziehung zu allen Glaubensgeheimnissen in Betracht zieht, verdient Maria doch eine besondere Behandlung, die ihre Person und ihre Aufgabe in der Heilsgeschichte im Licht der Bibel und der kirchlichen Tradition herausstellt. 2. Es scheint außerdem notwendig, den Aussagen des Konzils folgend, „die Pflichten der erlösten Menschen gegenüber der Gottesgebärerin, der Mutter Christi und der Mutter der Menschen, vor allem der Gläubigen“, genau darzulegen Cebd.). Denn die ihr vom göttlichen Heilsplan zugewiesene Rolle fordert von den Christen nicht nur Annahme und Beachtung, sondern auch konkretes Tun, das die dem Evangelium gemäßen Haltungen Marias, die der Kirche im Glauben und in der Heiligkeit vorangeht, ins Leben umsetzt. Die Mutter des Herrn ist also dazu bestimmt, auf die Gebetsweise der Gläubigen einen besonderen Einfluß auszuüben. Selbst die Liturgie der Kirche weist ihr einen herausragenden Platz in der Verehrung und im Leben jedes Gläubigen zu. Zu betonen ist, daß die marianische Lehre und der Kult keine Früchte der Sentimentalität sind. Das Geheimnis Marias ist eine offenbarte Wahrheit, die sich dem Verstand der Gläubigen aufdrängt und von denen, die in der Kirche die Aufgabe des Forschens und Lehrens haben, eine nicht weniger strenge methodische lehrmäßige Reflexion als die in der ganzen Theologie übliche verlangt. Im übrigen hatte Jesus selbst seine Zeitgenossen aufgefordert, sich bei der Betrachtung der Mutter nicht vom Enthusiasmus hinreißen zu lassen, denn er würdigte in Maria vor allem diejenige, die selig ist, weil sie das Wort Gottes hört und es befolgt (vgl. Lk 11,28). Nicht nur die Zuneigung, sondern vor allem das Licht des Geistes soll uns dazu anleiten, die Mutter Jesu und ihren Beitrag zum Heilswerk zu verstehen. 3. Im Blick auf das Maß und die Ausgewogenheit, die in der Lehre von Maria und in ihrer Verehrung zu wahren sind, ermahnt das Konzil die Theologen und die Verkünder des Gotteswortes ausdrücklich, sich ,jeder falschen Übertreibung ... sorgfältig zu enthalten“ (Lumen Gentium, Nr. 67). Letztere kommt von denen, die eine radikale Haltung einnehmen, die den Anspruch erheben, die Vorrechte Christi und alle Charismen der Kirche systematisch auf Maria auszudehnen. Dagegen ist es notwendig, in der marianischen Lehre immer den unendlichen Unterschied zu wahren, der zwischen der menschlichen Person Marias und der göttlichen Person Jesu besteht. Maria das ,Maximum“ zuzugestehen, darf keine Norm der Mariologie werden. Diese muß ständig Bezug nehmen auf das, was die Offenbarung hinsichtlich der Gaben bezeugt, die Gott der Jungfrau aufgrund ihrer außerordentlichen Sendung geschenkt hat. Analog dazu ermahnt das Konzil die Theologen und Verkünder, sich einer „zu großen Geistesenge ... zu enthalten“ (ebd.), das heißt der Gefahr der Verkürzung, 5 AUDIENZEN UND ANGELUS die sich in lehramtlichen Stellungnahmen, in exegetischen Auslegungen und in Verehrungsformen kundtun mag, die darauf abzielen, die Bedeutung Marias in der Heilsgeschichte, ihre immerwährende Jungfräulichkeit und ihre Heiligkeit zu vermindern und beinahe auszulöschen. Solche extremen Positionen sind immer zu vermeiden mit Hilfe einer glaubwürdigen und echten Treue zur offenbarten Wahrheit, wie sie in der Schrift und in der apostolischen Tradition zum Ausdruck kommt. 4. Das Konzil selbst bietet uns ein Kriterium an, das die wahre Lehre über Maria deutlich zu sehen erlaubt, „die in der heiligen Kirche nach Christus den höchsten Platz einnimmt und doch uns besonders nahe ist“ (Lumen Gentium, Nr. 54). Den höchsten Platz: Wir müssen diese Hoheit entdecken, die Maria im Heilsgeheimnis zukommt. Aber es handelt sich um eine ganz auf Christus bezogene Berufung. Der Platz, der uns besonders nahe ist: Unser Leben wird durch das Vorbild und die Fürsprache Marias tief beeinflußt. Aber wir müssen uns fragen, inwieweit wir uns anstrengen, ihr nahe zu sein. Die ganze Pädagogik der Heilsgeschichte lädt uns ein, auf die Jungfrau zu schauen. Die christliche Askese aller Zeiten fordert uns auf, sie als das vollkommene Vorbild der Zustimmung zum Willen des Herrn zu betrachten. Als erwähltes Vorbild der Heiligkeit geht Maria den Gläubigen auf dem Weg zum Himmelreich voran. Durch ihre Nähe zu den Dingen unseres Alltagslebens stützt Maria uns in den Prüfungen, sie ermutigt uns, wenn wir in Schwierigkeiten sind, und sie weist uns immer auf das Ziel des ewigen Heils hin. So wird ihre Rolle als Mutter immer deutlicher: als Mutter ihres Sohnes Jesu, als hebevolle und wachsame Mutter eines jeden von uns, denen der Erlöser am Kreuz sie anvertraut hat, damit wir sie als Kinder im Glauben annehmen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen kurzen Ausführungen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen wünsche ich ein glückliches und friedvolles neues Jahr und erteile gern den Apostolischen Segen. 6 AUDIENZEN UND ANGELUS Weihnachten im Geist der Einheit Angelus am Dreikönigsfest, 6. Januar 1. „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, dem Herrn zu huldigen.“ Wir feiern heute das Fest der Erscheinung des Herrn, die Heilsbegegnung des Mensch gewordenen Sohnes Gottes mit allen Völkern der Erde, deren eindrucksvolle Vertreter die Sterndeuter sind. Vor dem Kind Jesus, in dem sie den erwarteten messianischen König erkannt hatten, fielen sie in aufrichtiger Huldigung nieder und brachten ihm einige symbolische Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe (vgl. Mt 2,11). Wie sie ist jeder von uns heute eingeladen, vor dem fleischgewordenen Wort den eigenen Vollzug gläubiger Zuwendung zu erneuern und nicht so sehr materielle Güter als vielmehr sich selbst als heiliges und ihm wohlgefälliges Opfer darzubringen. Denn das ist der geistliche Gottesdienst, den er unter uns durch sein Kommen begründet hat (vgl. Röm 12,1). Gerade durch diese tägliche Selbstaufopferung wird der Christ in der Welt und für die Welt Zeichen der von Christus erlösten neuen Menschheit und Zeuge des Geheimnisses der Liebe, das wir mit dem Geburtsfest des Herrn gefeiert haben. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Das heutige Fest mache alle Gläubigen zu mutigen Verkündern des Evangeliums Christi und zu frohen Missionaren seiner Heilsbotschaft. Wo Feindschaft und Haß herrschen, sollen sie Liebe und Brüderlichkeit bringen; wo das Leben ernstlich bedroht ist, sollen sie bereit sein, es mit mutigem Einsatz zu verteidigen; wo Groll und Ausgrenzung anhalten, sollen sie sich bemühen, Vergebung und Aufnahmebereitschaft anzubieten; wo Zwietracht, Übergriffe, Spaltungen, Trennungen und Gewalttaten fortdauem, sollen sie Frieden und Gerechtigkeit üben. Das ist der wahre Lobpreis der Herrlichkeit, die im fleischgewordenen Wort erschienen ist. Das sind die Zeichen der Hoffnung, auf die die Welt wartet und durch die der Herr gefunden, erkannt und angebetet werden kann. Zum Dienst dieser anspruchsvollen Sendung sind vor allem die vierzehn neuen Bischöfe berufen, die ich zu meiner Freude heute morgen in der Petersbasilika weihen konnte. Ich grüße sie in brüderlicher Liebe und wünsche ihnen nochmals, sie mögen es verstehen, unentwegt das Evangelium zu verkündigen, während sie mit unermüdlicher Nächstenliebe und Hochherzigkeit alle ihrer Hirtensorge Anvertrauten zum göttlichen Erlöser führen. 3. Das Fest der Epiphanie lenkt unsere Gedanken fast ganz natürlich auf die katholischen und orthodoxen Brüder des christlichen Ostens, von denen heute viele das Weihnachtsfest feiern. Das Weihnachtsgeheimnis möge uns immer tiefer vereinen in einem einzigen Lobpreis zum Ruhm des von der Jungfrau für uns geborenen Sohnes Gottes. Die gemeinsame Betrachtung des Erlösers, der in Betlehem durch den Stern offenbar 7 AUDIENZEN UND ANGELUS wurde, möge die Gläubigen dazu anleiten, die Bande des Dialogs und der Einheit zu verstärken. Der ökumenische Einsatz ist eine große Aufgabe für alle Christen unserer Zeit. Denn die Generationen des dritten Jahrtausends sind darauf bedacht, gerade in dieser gemeinsamen Sehnsucht nach Einheit ein Hoffnungszeichen für die Zukunft zu sehen. Und es ist Pflicht der Gläubigen, an die Menschen ein „einträchtiges Wort“ zu richten, „das von Brüdern verkündet wird, die einander lieben und dankbar sind für die Reichtümer, mit denen sie sich gegenseitig beschenken“ (Orientale lumen, Nr. 28). Maria, „Mutter des Sternes, der nicht untergeht“, „Aufgang der Sonne der Herrlichkeit“ (vgl. ebd.), unterstütze uns alle in diesem Bemühen um Gemeinschaft, indem sie uns immer die Frucht ihres Leibes, Jesus, den einzigen Retter des Menschen, liebevoll zeige. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich an die vielen Pilger, die zur Bischofs weihe gekommen sind. Meine Lieben, mögen die neugeweihten Bischöfe immer mit Eurer Mitarbeit und vor allem mit Eurem Gebet rechnen können. Weiter möchte ich die Aufmerksamkeit aller auf das gerade in unseren Tagen bedeutsame Phänomen der Migranten lenken. Es handelt sich um ein Phänomen, das manchmal im Leben der Gesellschaft Probleme hervorruft, und deshalb appelliere ich erneut an die Regierenden, es immer in voller Achtung der Menschenrechte anzugehen. Legalität und Gleichheit schränken einander nicht ein, sondern ergänzen sich gegenseitig. Versucht man, sich von diesen beiden Werten leiten zu lassen, dann kann die Wirklichkeit der Migrationen nicht als eine Gefahr für die Sicherheit und den Wohlstand, sondern als ein Zeichen der Zeit, als das Zeichen einer Gesellschaft angesehen werden, die aufgerufen ist, Identität und Universalität, Verschiedenheit und Gleichheit zusammenzuhalten. Heute wird in Rom und in den anderen Städten Italiens das Fest der „Befana“ begangen, der Tag, an dem die Kinder beschenkt werden. In Erinnerung an diesen volkstümlichen Brauch kam heute ein Trachtenzug, der in diesem Jahr der Geschichte der Stadt Rieti gewidmet ist, auf den Petersplatz. Ich grüße alle, die diese Initiative ergriffen und durchgeführt haben. Und natürlich grüße ich die Kinder, besonders die vom Kindergarten St. Josef aus Palombara Sabina, die heute mit uns am marianischen Gebet teilgenommen haben. Ich umarme und segne alle Kinder von Rom und der ganzen Welt, und ich bete, daß jedes Kind die Liebe und Zuwendung erhalten möge, die es braucht. 8 A UDIENZEN UND ANGELUS Mission als ständige Erneuerung der Epiphanie Angelus am 7. Januar 1. Im Licht des soeben gefeierten Festes der Epiphanie setze ich heute die Reflexion über das II. Vatikanische Konzil fort und gehe näher auf das Dekret Ad gentes über die Missionstätigkeit der Kirche ein. Es erinnert uns vor allem daran, daß die Kirche ihrem Wesen nach „missionarisch“ ist (Ad gentes, Nr. 2). Denn sie wird vom Geist Christi in alle Himmelsrichtungen getragen und von dem inneren Bedürfnis angeregt, die gute Nachricht zu verbreiten, die der Sinn und Kern des Evangeliums selbst ist: Gott liebt den Menschen! Gott ist Mensch geworden in Christus, dem fleischgewordenen Wort, dem Retter. Indem er Christus als seinen Retter annimmt, erlangt der Mensch die Kindschaft und das göttliche Leben. Wie könnte die Kirche eine so schöne, so entscheidende Nachricht für sich behalten? Indem sie sie verkündigt, befolgt sie nicht nur den Auftrag Christi, sondern setzt seine Sendung in der Welt fort und macht sie durch die Kraft des Heiligen Geistes in gewissem Sinn „sichtbar“. Im Mittelpunkt und im Dienst dieser grundlegenden Sendung, zu der die ganze christliche Gemeinschaft berufen ist, stehen die ,Missionen ad gentes“, deren Ziel nach den Worten des Konzils „die Evangelisierung und die Einpflanzung der Kirche bei den Völkern und Gemeinschaften (ist), bei denen sie noch nicht Wurzel gefaßt hat“ (Ad gentes, Nr. 6). 2. Die missionarische Tradition der Kirche schrieb in den Jahrhunderten wunderbare Seiten der Geschichte nieder. Viele Missionare opfern auch heute noch ihr Leben für die Sache des Evangeliums und für die Förderung des Menschen und widmen sich in oft schwierigen und gefahrvollen Situationen den Ärmsten. Manchmal sind sie sogar zum höchsten Blutzeugnis berufen. Mit den Worten der Konzilsväter möchte ich einen ganz besonders herzlichen Gruß an alle diese Boten des Evangeliums richten, besonders an jene, „die um des Namens Christi willen Verfolgung leiden“ (Ad gentes, Nr. 42). Es ist wahr: Die Missionstätigkeit der Kirche hatte im Laufe der Jahrhunderte auch ihre Grenzen. Aber das Konzil hat das Beste dieses außerordentlichen apostolischen Unternehmens aufgegriffen und erneut dargelegt. Es hob hervor, daß die christliche Verkündigung, jede Form von Synkretismus vermeidend, nie die Identität und den kulturellen Reichtum der Völker beeinträchtigen will. Sie zielt immer auf eine wahre Begegnung der Völker mit dem Evangelium hin, damit das, „was an Gutem in Herz und Sinn der Menschen oder auch in den jeweiligen Riten und Kulturen der Völker keimhaft angelegt sich findet, ... nicht bloß nicht zerstört, sondern gesund gemacht, über sich hinausgehoben und vollendet“ wird (Ad gentes, Nr. 9). Sehr bedeutsam ist in dieser Hinsicht die Beachtung, die das Konzil der Förderung der Teilkirchen in den Missionsländem schenkt. Es ermutigt zur Ausbildung des einheimischen Klerus und eines mündigen Laienstandes, die fähig 9 A UDIENZEN UND ANGELUS sind, das Evangelium in das lebendige Gefüge der Volksgruppen und der Nationen einzupflanzen. 3. Die seligste Jungfrau, der „Stern der Evangelisierung“, erlange der Kirche an der Schwelle zum dritten Jahrtausend ständig neue missionarische Schwungkraft. Sie lasse uns die Mahnung des Konzils annehmen, wenn es daran erinnert, „daß die erste und wichtigste Verpflichtung bei der Ausbreitung des Glaubens darin besteht, ein tiefchristliches Leben zu führen“ (Ad gentes, Nr. 36). Das Zeugnis der Gläubigen möge für die Welt von heute eine neue Epiphanie Christi, seiner Freude und seines Heils bedeuten. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Jetzt richte ich einen herzlichen Gruß an die Pilger, besonders an den Kinderchor der Pfarrei S. Pius X. in Grottaferrata. Ich grüße auch alle, die mit uns über Radio und Fernsehen verbunden sind: Der Frieden und die Freude Christi, des Lichtes der Welt, seien immer mit Euch! Das wünsche ich ganz besondes denen, die leiden und in Not sind. Der Jahresanfang weckt in jedem Hoffnungsgefühle, die sich bei den Gläubigen auf das Vertrauen in die göttliche Vorsehung stützen. Wenn ich an die Familien denke, die das Drama der Geiselnahme eines ihrer Lieben erleiden, möchte ich in diesen ersten Tagen des Jahres die dringende Aufforderung zugunsten der Menschen erneuern, die immer noch in der Hand der anonymen Entführer sind. Ich bete für jeden der Entführten, daß er bald nach Hause zurückkehren kann. Ich bete auch für die Urheber und Helfershelfer dieser Verbrechen, daß sie von der göttlichen Gnade angerührt werden und diese unsere Brüder und Schwestern so bald als möglich dem Kreis ihrer Lieben zurückgeben. Am Schluß der liturgischen Weihnachtszeit und der Epiphanie mache ich mir die Worte des Apostels Johannes zu eigen: „Das Licht Christi leuchtet in der Finsternis“ (vgl. Joh 1,5), und die des Apostels Paulus: „Laßt uns ablegen die Werke der Finsternis, laßt uns ehrenhaft leben wie am Tag!“ (vgl. Röm 13,12-13). Das ist die Mahnung, die wir beherzigen sollen, damit das neue Jahr, wie wir alle hoffen, ein wirklich „gutes“ Jahr werde. Auf polnisch sagte der Papst: Ich möchte auch die Pilger aus Andrychöw grüßen, die gekommen sind, um an der Bischofsweihe ihres Landsmannes Msgr. Stanislaw Rylko teilzunehmen. Zum Schluß sagte der Papst in italienischer Sprache: Noch einmal wünsche ich allen ein gutes Jahr! Ein gutes Jahr, und möge der Herr es segnen. Gelobt sei Jesus Christus ... Es regnet! Vielleicht schneit es in den Bergen ... 10 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Gottesmutter Maria und die Heiligste Dreifaltigkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 10. Januar 1. Das VIII. Kapitel der Konstitution Lumen Gentium bezeichnet im Geheimnis Christi den notwendigen und unerläßlichen Bezugspunkt der Lehre über Maria. Bedeutsam sind diesbezüglich die ersten Sätze der Einleitung: ,,Da der gütigste und weiseste Gott die Erlösung der Welt vollenden wollte, sandte er, als die Fülle der Zeit gekommen war, seinen Sohn, von der Frau geboren ... ,damit wir die Annahme zu Söhnen empfingen“ (Gal 4,4-5)“ (Lumen Gentium, Nr. 52). Dieser Sohn ist der Messias, der vom Volk des Alten Bundes erwartet und vom Vater in einem entscheidenden Augenblick der Geschichte gesandt wurde, in der „Fülle der Zeit“ (Gal 4,4), die mit seiner Geburt von einer Frau in unserer Welt zusammenfällt. Sie, die den ewigen Sohn Gottes in die Menschheit gebracht hat, ist nicht zu trennen von Ihm, der im Mittelpunkt des in der Geschichte verwirklichten göttlichen Planes steht. Der Primat Christi wird in der Kirche, seinem mystischen Leib, kundgetan: Denn in ihr „hangen die Gläubigen Christus, dem Haupt, an und sind mit allen seinen Heiligen verbunden“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 52). Christus zieht alle Menschen an sich. Und Maria, die durch ihre Mutterrolle eng mit ihrem Sohn verbunden ist, trägt dazu bei, den Bück und das Herz der Gläubigen auf ihn zu lenken. Sie ist der Weg, der zu Christus führt: Denn sie, „die auf die Botschaft des Engels Gottes Wort in ihrem Herzen und in ihrem Leib empfing“ (Lumen Gentium, Nr. 53), zeigt uns, wie wir in unserem Leben den vom Himmel herabgekommenen Sohn aufnehmen sollen, und leitet uns an, Jesus zur Mitte und zum höchsten „Gesetz“ unseres Daseins zu machen. 2. Maria hilft uns auch, am Anfang des ganzen Heilswerkes die machtvolle Tat des Vaters zu erkennen, der die Menschen dazu beruft, Söhne in dem einzigen Sohn zu werden. Das Konzil erinnert an die bedeutsamen Worte des Briefes an die Epheser: „Gott aber, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht“ (Eph 2,4), und bezeichnet Gott als den „gütigsten“: Der Sohn, „von der Frau geboren“, erscheint so als Frucht des Erbarmens des Vaters und läßt besser verstehen, weshalb diese Frau die ,Mutter der Barmherzigkeit“ ist. In demselben Zusammenhang nennt das Konzil Gott auch den „weisesten“ und empfiehlt, besonders auf das enge Band zu achten, das zwischen Maria und der göttüchen Weisheit besteht, die in ihrem geheimnisvollen Plan die Mutterschaft der Jungfrau gewollt hat. 3. Der Konzilstext erinnert uns auch an das einzigartige Band, das Maria mit dem Heiligen Geist verbindet, und zwar mit den Worten des Nizäno-Konstantinopoü-tanischen Glaubensbekenntnisses, das wir in der Eucharistiefeier sprechen: „Für 11 AUDIENZEN UND ANGELUS uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen und hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria.“ Indem es den unveränderten Glauben der Kirche zum Ausdruck bringt, erinnert uns das Konzil daran, daß die wunderbare Menschwerdung des Sohnes im Schoß der Jungfrau Maria ohne Mitwirkung des Menschen durch den Heiligen Geist geschehen ist. Damit weist die Einleitung des VIII. Kapitels von Lumen Gentium in trinitarischer Sicht auf eine wesentliche Dimension der Lehre über Maria hin. Denn alles kommt aus dem Willen des Vaters, der den Sohn in die Welt gesandt hat, ihn den Menschen kundgemacht und zum Haupt der Kirche und Mittelpunkt der Geschichte bestellt hat. Es handelt sich um einen Plan, der in der Menschwerdung durch Wirken des Heiligen Geistes, aber durch das entscheidende Mitwirken einer Frau, der Jungfrau Maria, verwirklicht wurde, die so zum wesentlichen Bestandteil der Ökonomie der Verbindung der Dreifaltigkeit mit dem Menschengeschlecht geworden ist. 4. Die dreifache Beziehung Marias zu den göttlichen Personen wird mit klaren Worten auch in der Darlegung des typischen Bezuges hervorgehoben, die die Mutter des Herrn mit der Kirche verbindet: Maria ist „mit dieser höchsten Aufgabe und Würde beschenkt, die Mutter des Sohnes Gottes und daher die bevorzugt gebebte Tochter des Vaters und das Heihgtum des Heiligen Geistes zu sein“ (Lumen Gentium, Nr. 53). Die grundlegende Würde Marias ist die der „Mutter des Sohnes“, die in der Lehre und in der christlichen Verehrung durch den Titel „Gottesmutter“ zum Ausdruck kommt. Es handelt sich um eine außerordentliche Beschaffenheit, die die Demut des eingeborenen Sohnes Gottes in seiner Menschwerdung und in Verbindung damit das höchste Privileg offenbart, das dem berufenen Geschöpf gewährt wurde, ihn im Fleisch zu gebären. Als Mutter des Sohnes ist Maria in einmahger Weise „bevorzugt gebebte Tochter des Vaters“. Ihr wird eine ganz besondere Ähnlichkeit zwischen ihrer Mutterschaft und der göttlichen Vaterschaft gewährt. Und weiter: Jeder Christ ist „Tempel des Heiligen Geistes“ nach den Worten des Apostels Paulus (1 Kor 6,19). Aber in Maria erhält diese Bekräftigung eine außerordentliche Bedeutung: Denn in ihr erlangt die Beziehung zum Heiligen Geist eine bräutliche Dimension. Darauf habe ich in der Enzyklika Redemptoris Mater hingewiesen: „Der Heilige Geist ist bereits auf sie herabgekommen, die bei der Verkündigung seine treue Braut geworden ist, indem sie das ewige Wort des wahren Gottes aufnahm“ (Nr. 26). 5. Marias bevorzugte Beziehung zur Dreifaltigkeit verleiht ihr deshalb eine Würde, die weit über die aller anderen Menschen hinausreicht. Darauf weist das Konzil ausdrückhch hin: Durch „dieses hervorragende Gnadengeschenk“ hat Maria „bei weitem den Vorrang vor allen anderen himmlischen und irdischen Kreaturen“ (Lumen Gentium, Nr. 53). Und doch verhindert diese hohe Würde nicht, daß 12 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria mit jedem von uns solidarisch ist. In der Tat fährt die Konstitution Lumen Gentium fort: „Zugleich aber findet sie sich mit allen erlösungsbedürftigen Menschen in der Nachkommenschaft Adams verbunden und wurde „im Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabenere Weise erlöst“ (ebd.). Hier wird die wahre Bedeutung der Sonderstellung Marias und ihre außerordentliche Beziehung zur Dreifaltigkeit deutlich: Sie haben den Zweck, sie zum Mitwirken an der Erlösung des Menschengeschlechtes zu befähigen. Die unermeßliche Größe der Mutter des Herrn bleibt deshalb ein Geschenk der Liebe Gottes an alle Menschen. Indem die Generationen sie „selig“ preisen (Lk 1,48), rühmen sie die „machtvollen Taten“ (Lk 1,49), die der Allmächtige an ihr für die Menschheit getan hat, „eingedenk seines Erbarmens“ (vgl. Lk 1,54). In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich unser aller Anhegen der Fürbitte der Mutter Gottes anvertraue, grüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Gruppe der Schönstatt-Priesterliga sowie an die Ordensschwestern, die an einem geistlichen Kurs in La Storta teilnehmen. Möge der Herr Euch, Eure lieben Angehörigen und Freunde in der Heimat sowie alle, die uns im Glauben an den menschgewordenen Gott verbunden sind, durch den Alltag des neuen Jahres geleiten. Dazu erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Jeder Form von Antisemitismus Widerstand leisten! Angelus am 14. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Erklärung Nostra aetate ist das kürzeste Dokument des n. Vatikanischen Konzils. Niemandem kann jedoch seine Bedeutung und seine Neuheit entgehen. Es hat die Entwicklung der Beziehungen zwischen den Christen und den Anhängern der anderen Religionen im Zeichen gegenseitiger Hochschätzung, des Dialogs und der Zusammenarbeit zum wahren Wohl des Menschen vorgezeichnet. Die Geschichte hat leider dunkle Seiten der Feindschaft im Namen der religiösen Überzeugungen gekannt. Die Erklärung erinnert daran, daß Gott das feste Fundament der menschlichen Brüderlichkeit ist: „Alle Völker sind ja eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung ... auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel. Seine Vorsehung, die Bezeugung seiner Güte und seine Ratschlüsse des Heils erstrecken sich auf alle Menschen“ (Nostra aetate, Nr. 1). Gewiß darf diese Bekräftigung nicht zum Relativismus in der Auffassung der Wahrheit führen. Deshalb versäumt die Kirche nicht ihre Pflicht, mit immer neuem Eifer zu verkündigen, daß nur Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, „der 13 AUDIENZEN UND ANGELUS Weg und die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 14,6) und daß die Menschen nur in ihm „die Fülle des religiösen Lebens finden“ (Nostra aetate, Nr. 3). Aber das darf nicht dazu verleiten, den Wert der in vielen Religionen vorhandenden positiven Elemente zu vermindern. Die Konzilserklärung selbst weist besonders auf die geistlichen Reichtümer des Hinduismus, des Buddhismus, des Islam und der traditionellen Religionen hin: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Emst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“ (Nostra aetate, Nr. 2). 2. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Erklärung den jüdischen Brüdern und Schwestern, mit denen das Christentum besonders eng verbunden ist. Denn der christliche Glaube hat seinen Ursprung in der religiösen Erfahrung des jüdischen Volkes, aus dem Christus dem Fleisch nach stammt. Die Kirche teilt mit den Juden den als Altes Testament bezeichneten Teil der Schrift und lebt von dem gleichen Erbe der Wahrheit, indem sie es im Licht Christi auslegt. Der Anfang der neuen Zeit, den er durch den neuen und ewigen Bund gesetzt hat, zerstört die alte Wurzel nicht, sondern öffnet sie für eine universale Fruchtbarkeit. In Anbetracht dessen muß die Erinnerung an die Spannungen, die oftmals die Beziehungen zwischen Christen und Juden gekennzeichnet haben, großen Schmerz hervorrufen. Wir machen uns deshalb auch heute die Stimme des Konzils zu eigen, das entschieden „alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben“, beklagt (Nostra aetate, Nr. 4). 3. Maria, das Vorbild des religiösen Menschen, dränge die Gläubigen aller Religionen, im Hören auf Gott zu leben in der Treue zu den Erfordernissen der vernommenen Wahrheit. Ihre Fürsprache helfe der Kirche, die Konsequenz, die Wahrheit zu bezeugen, mit der Fähigkeit zum Dialog mit allen zu verbinden. Mögen die Menschen aller Bekenntnisse einander kennen- und schätzenlemen und Zusammenarbeiten, um gemeinsam nach dem Plan Gottes den Frieden und die weltweite Brüderlichkeit aufzubauen. Gebet und Dialog bringen die Ökumene weiter Ansprache bei der Generalaudienz am 17. Januar 1. „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 3,22). Diese Aufforderung beendet den letzten Brief an die sieben Kirchen, von denen in der Offenbarung des Johannes die Rede ist. Was der Kirche von Laodizea dort ge- 14 AUDIENZEN UND ANGELUS sagt wird, gilt auch für alle anderen und, wir dürfen hinzufügen, für die Kirchen aller Zeiten und allerorts, also auch für uns in unserer Zeit. Der Text beschreibt vor allem die Situation der Gläubigen, die in Laodizea gegen Ende des ersten Jahrhunderts ansässig sind. Ich kenne eure Werke - sagt der Herr -, ich weiß, daß ihr weder heiß noch kalt seid. Nach der anfänglichen Begeisterung leben sie jetzt in einem Klima der Lauheit und religiösen Gleichgültigkeit. Sie legen ein Verhalten der Selbstgenügsamkeit und Überheblichkeit an den Tag: „Du behauptest: Ich bin reich und wohlhabend, und nichts fehlt mir“ (Offb 3,17). Und was noch schlimmer ist: Sie sind sich ihrer traurigen Lage nicht bewußt. Sie sind verblendet und bemerken ihre Armseligkeit nicht mehr. Deshalb werden sie ganz klar aufgefordert, sich „weiße Kleider“ zu kaufen, dieselben, die man anzieht, wenn man die Taufe empfängt, und die Reinigung und neues Leben bedeuten. Der Brief empfiehlt, vom Herrn „Salbe für die Augen“ zu erbitten und sie zu erlangen, damit der Blick klar die gefährliche Situation erkennen und das Volk sich mit neuem Enthusiasmus dem Dienst des Evangeliums zuwenden kann (vgl. Offb 3,18). Diese Worte sind ein deutlicher Aufruf zur Umkehr und Lebensemeue-rung. Um die Dringlichkeit zu betonen, wird bekräftigt:, Jch stehe vor der Tür und klopfe an.“ Gott selbst ergreift die Initiative, er kommt, er steht schon vor der Tür. Er klopft an. Er will in der Wohnung mit dem Hausherrn Gemeinschaft bilden. „Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ (Offb 3,20). 2. An der Schwelle des dritten Jahrtausends und der 2000-Jahr-Feier des geschichtlichen Kommens Jesu Christi, auf die wir uns vorbereiten, wollte die gemeinsame Kommission, die alljährlich die Vorlagen für die Gebetswoche für die Einheit der Christen bereitstellt, daß der soeben verlesene Abschnitt der Offenbarung Impulse gibt für die gemeinsame Reflexion von 1996. Der Text will aus einer gewissen Gleichgültigkeit, aus einer Haltung der Selbstgenügsamkeit aufrütteln und zur Lebensemeuerung, zur Wachsamkeit und zur Notwendigkeit der Gemeinschaft aufrufen. Dementsprechend wurde darauf hingewiesen, daß die Christen, wenn sie die auf das Mahl bezogenen Worte vernehmen, nicht umhin können, mit verständlicher Bitterkeit an ihre getrennten Eucharistiefeiem zu denken. Denn das ist das schmerzlichste Zeichen der Trennung unter den Christen. Die Initiativen der ökumenischen Bewegung - Gebet, Studium, Dialog und Zusammenarbeit -wollen gerade diese Trennungen überwinden und sind auf ein Ziel ausgerichtet: Versöhnt und in voller Gemeinschaft endlich gemeinsam das Herrenmahl zu feiern. Wie wichtig ist es deshalb, im Gebet auszuharren! Das Gebet bringt wirklich die Hoffnung auf eine volle Gemeinschaft im Glauben, im Leben und im Zeugnis, das wir gemeinsam für das Evangelium Jesu während des dritten christlichen Jahrtausends ablegen müssen, zum Ausdruck und stärkt sie gleichzeitig. Es ist die wahre Quelle für die Suche nach der vollen Einheit. 15 AUDIENZEN UNDANGELUS 3. Damit der ökumenische Einsatz der katholischen Kirche ermutigt und die Reflexion über die mit den anderen Christen noch nicht gelösten Fragen erleichert wird, habe ich im Mai des vergangenen Jahres die Enzyklika Ut unum sint veröffentlicht. So wollte ich die katholischen Prinzipien des ökumenischen Einsatzes erneut darlegen, die im Licht der ausgedehnten und positiven Erfahrung dieser letzten dreißig Jahre des Kontaktes und Dialogs betrachtet werden. Diese Prinzipien bleiben weiterhin ein sicherer Führer auf dem Weg, der noch zurückzulegen ist, um zu dem gesegneten Tag der vollen Gemeinschaft zu gelangen. Letzten Endes wollen die vielfachen interkonfessionellen Dialoge alle direkt oder indirekt die bestehenden Meinungsverschiedenheiten überwinden und die volle Einheit aller an Christus Glaubenden wiederherstellen. Die gemeinsamen Glaubenselemente sind den Christen nun stärker ins Bewußtsein gerückt. 4. Der Dialog mit den orthoxen Kirchen ist dahin gelangt, daß eine bedeutsame Übereinstimmung im sakramentalen Verständnis der Kirche zum Ausdruck gebracht wurde. Das soll jetzt erlauben, die offensichtliche Anomalie zu beseitigen, die durch die noch ausstehende volle Gemeinschaft entstanden ist. Zu diesem Zweck und um die Weiterführung des Dialogs zu erleichtern, habe ich vorgeschlagen, die Frage des Primats des Bischofs von Rom eingehender zu untersuchen. Wir alle wissen, daß diese Frage das geschichtliche Haupthindernis bei der Wiederherstellung der vollen Einheit zwischen Katholiken und Orthodoxen bildet. Deshalb habe ich alle dazu ermutigt, „damit wir ganz offensichtlich miteinander die Formen finden können, in denen dieser Dienst (d. h. der Dienst des Bischofs von Rom an der Einheit) einen von den einen und anderen anerkannten Dienst der Liebe zu verwirklichen vermag“ {Ut unum sint, Nr. 95). Was die alten Kirchen des Orients und die assyrische Kirche betrifft, hatte ich die Freude, mit einigen ihrer Patriarchen Erklärungen über den gemeinsamen Glauben zu unterzeichnen. Es handelt sich um wichtige Texte, die es erlauben, endlich die christologische Streitfrage zu klären und zu überwinden. Wir können jetzt gemeinsam den Glauben an Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, bekennen. Der Dialog mit den aus der Reformation hervorgegangenen christlichen Gemeinschaften der Welt hingegen nimmt unterschiedliche Formen an. Er ist aber immer von einem tiefen Bemühen gekennzeichnet und - wie ich in der Enzyklika feststellen konnte - „fruchtbar und verheißungsvoll ... Auf diese Weise wurden unverhoffte Aussichten auf eine Lösung entworfen, und zugleich hat man begriffen, wie notwendig die tiefere Ergründung mancher Themen wäre“ (ebd., Nr. 69). 5. Der Dialog wird also fortgesetzt, und wir alle begleiten ihn mit vertrauensvollem Gebet. Heute möchte ich allen danken, die sich darum bemühen, Hirten und Theologen, denn sie üben wirklich eine Tätigkeit im Geiste des Evangeliums aus: Sie arbeiten für die Versöhnung und Eintracht der Geister in der christlichen Gemeinschaft. 16 AUDIENZEN UND ANGELUS Manchmal geschieht es, daß alte Schwierigkeiten Wiederaufleben oder neue Probleme entstehen und so die ökumenische Entwicklung aufhalten. Aber der Herr fordert uns auf, die Suche beharrlich und in Gehorsam zu seinem Willen fortzusetzen. Das II. Vatikanische Konzil erklärte „seine Überzeugung, daß dieses heilige Anliegen der Wiederversöhnung aller Christen in der Einheit der einen und einzigen Kirche Christi die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt“. Darum setzte es „seine Hoffnung gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes“ (Unitatis redintegratio, Nr. 24). Gerade deshalb sind wir sicher, daß unser Glaube und unsere Hoffnung nicht enttäuscht werden. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die morgen beginnt, bietet uns Gelegenheit, unser Gebet zu verstärken, indem wir auch die Leiden und Mühen jedes Tages vereinen. Dank des Beitrags jedes einzelnen möge rasch der Tag anbrechen, an dem der Wunsch des Erlösers: Ut unum sint, seine vollkommene Erfüllung findet. Das erlange uns die mütterliche Fürsprache Marias, der Jungfrau der Hoffnung und der Königin des Friedens. In deutscher Sprache sagte der Papst Indem ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, innig bitte, für die Einheit der Christen zu beten, grüße ich Euch alle sehr herzlich. Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden daheim sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Einheit in Verschiedenheit bedeutet nicht Gleichförmigkeit Angelus am Sonntag, 21. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir stehen in der Gebetswoche für die Einheit der Christen, und ich nutze gern diese Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit aller Gläubigen auf das ökumenische Anliegen zu lenken, von dem das II. Vatikanische Konzil geprägt war. Dieses Anliegen wurde besonders deutlich im Dekret Unitatis redintegratio. Das Konzil bezeichnete die Spaltung unter den Christen als ein ,Ärgernis“, das „ganz offenbar dem Willen Christi widerspricht“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Denn Jesus hat seine Jünger durch das Geschenk des Geistes zu einem Leib geformt, dessen Haupt er ist. Die Konzilsväter empfanden das Bedürfnis, Gott und die Brüder um Vergebung zu bitten für die gegen die Einheit begangenen Sünden, und sicherten zugleich diese Vergebung für die Schuld der anderen zu (Unitatis redintegratio, Nr. 7). Sie forderten die Katholiken auf, „mit Eifer an dem ökumenischen Werk teilzunehmen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 4), damit die unter den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften bereits bestehende unvollkommene Gemeinschaft bald zur Vollendung geführt werde. Das Konzil lud vor allem dazu ein, 17 AUDIENZEN UND ANGELUS den wahren „geistlichen Ökumenismus“ zu pflegen, der in einem ständigen Bemühen des Gebets und der Bekehrung besteht (Unitatis redintegratio, Nr. 8). 2. Nicht widersprochen, sondern zugestimmt wird diesem Geist in einem anderen Konzilsdekret, Orientalium Ecclesiarum, das den Kirchen des orientalischen Ritus gewidmet ist, die mit dem Apostolischen Stuhl in voller Gemeinschaft stehen. Das Konzil wollte mit diesem Dekret „die Ostkirchen mit ihren Einrichtungen und liturgischen Bräuchen, ihren Überlieferungen und ihrer christlichen Lebensordnung“ würdigen (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 1). Es erklärte, daß sie in gleicher Weise wie die Kirchen des Westens „das volle Recht und die Pflicht (haben), sich jeweils nach ihren eigenen Grundsätzen zu richten“ (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 5). Ihre alte Tradition ist ein wahrer Reichtum für die ganze Kirche, wie sich während des Konzils durch den bedeutsamen Beitrag herausstellte, den gerade die orientalischen Katholiken leisteten. Wie könnte man den tiefen Eindruck vergessen, den der melkitische Patriarch von Antiochien, Maximus IV., hinterließ, als er die Konzilsväter mit Leidenschaft aufrief, „den Platz des Nichtanwesenden“, das heißt der orthodoxen Brüder und Schwestern, in Erwartung der vollen Gemeinschaft „bereitzuhalten“? Mit dem Dekret Orientalium Ecclesiarum wurde klar, daß das ersehnte Ziel der vollen Einheit nicht zu einer flachen Gleichförmigkeit, sondern zur Integration jeder berechtigten Verschiedenheit in einer organischen Gemeinschaft führen soll, deren Diener und Garant zu sein der Nachfolger des Petrus berufen ist. 3. Die selige Jungfrau, die Mutter der Einheit, lasse uns deutlich die Stimme des Herrn hören, der zu seinen Jüngern erneut spricht: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an!“ (Offb 3,20), worauf das Thema der Gebetswoche für die Einheit der Christen passend hinweist. Jesus, der Herr, ruft jeden einzelnen zu einer mutigen und tiefen Lebensemeuerung auf und drängt ihn, den Eifer und die ökumenische Sehnsucht zu vertiefen, während sich das dritte Jahrtausend mit großen Schritten nähert. Die Mutter Christi und der Kirche erlange allen Getauften, daß sie auf den eindringlichen Ruf des Erlösers bereitwillig und treu Antwort geben. Am Schluß der Papst: Ich wünsche allen Anwesenden, Römern und Pilgern, einen schönen Sonntag und eine gute Woche. Gelobt sei Jesus Christus! Frauen als erste Verbündete Gottes auf dem Heilsweg Ansprache bei der Generalaudienz am 24. Januar 1. „Die Bücher des Alten Testamentes beschreiben die Heilsgeschichte, durch die die Ankunft Christi in der Welt in langsamem Voranschreiten vorbereitet wird. Diese ersten Dokumente, so wie sie in der Kirche gelesen und im Licht der weite- 18 AUDIENZEN UNDANGELUS ren und vollen Offenbarung verstanden werden, bieten Schritt für Schritt deutlicher die Gestalt der Frau dar, der Mutter des Erlösers“ (Lumen Gentium, Nr. 55). Mit diesen Aussagen weist das II. Vatikanische Konzil uns darauf hin, daß Marias Gestalt vom Beginn der Heilsgeschichte an umrißhaft angedeutet wird. Man ahnt sie schon in den Texten des Alten Testaments, aber man erkennt sie erst voll, wenn sie „in der Kirche gelesen“ und im Licht des Neuen Testamentes verstanden wird. Denn der Heilige Geist hat, indem er verschiedene menschliche Autoren inspirierte, die alttestamentarische Offenbarung auf Christus ausgerichtet, der aus dem Schoß der Jungfrau Maria in die Welt kommen sollte. 2. Unter den Bibelworten, die die Mutter des Erlösers ankündigten, zitiert das Konzil vor allem diejenigen, durch die Gott nach dem Sündenfall von Adam und Eva seinen Heilsplan offenbart. Der Herr sagt zur Schlange, die den Geist des Bösen versinnbildlicht: „Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ (Gen 3,15). Diese Aufzeichnungen, von der christlichen Tradition seit dem 16. Jahrhundert „Protoevangelium“, das heißt erste Frohbotschaft, genannt, lassen den Heilswillen Gottes von den Anfängen der Menschheit an erkennen. Denn nach der Erzählung des ehrwürdigen Autors ist die erste Reaktion des Herrn angesichts der Sünde nicht, die Schuldigen zu strafen, sondern ihnen eine Heilsmöglichkeit zu eröffnen und sie aktiv in das Heilswerk miteinzubeziehen. Er zeigte seine große Hochherzigkeit auch denen gegenüber, die ihn beleidigt hatten. Die Worte des Protoevan-geliums offenbaren außerdem die einzigartige Bestimmung der Frau, die zwar der Versuchung durch die Schlange vor dem Mann nachgegeben hatte, aber dann durch den göttlichen Plan die erste Verbündete Gottes wird. Eva verband sich mit der Schlange, um den Mann zur Sünde zu verführen. Gott kündigt an, daß er, indem er diese Situation umkehrt, die Frau zur Gegnerin der Schlange machen wird. 3. Die Exegeten stimmen in der Erkenntnis überein, daß der Text der Genesis dem hebräischen Original entsprechend das Handeln gegen die Schlange nicht direkt der Frau zuschreibt, sondern ihrer Nachkommenschaft. Der Text hebt aber ganz besonders die Rolle hervor, die sie im Kampf gegen den Versucher spielen wird: Sieger über die Schlange werden in der Tat ihre Nachkommen sein. Wer ist diese Frau? Der Bibeltext nennt nicht ihren Eigennamen, sondern läßt eine neue Frau erahnen, die von Gott gewollt ist, um Evas Sündenfall wiedergutzumachen: Sie ist in der Tat berufen, die Rolle und Würde der Frau wiederherzustellen und zur Änderung der Bestimmung der Menschheit beizutragen, indem sie durch ihre mütterliche Sendung bei dem Sieg Gottes über den Satan mithilft. 4. Im Licht des Neuen Testamentes und der Tradition der Kirche wissen wir, daß Maria die vom Protoevangelium angekündigte Frau ist, und wir erkennen in ,4h- 19 AUDIENZEN UNDANGELUS rem Nachwuchs“ (Gen 3,15) den Sohn, Jesus, der im Ostergeheimnis über die Macht des Bösen gesiegt hat. Wir beobachten auch, daß sich die von Gott zwischen die Schlange und die Frau gesetzte Feindschaft in Maria in zweifacher Weise verwirklicht hat. Als vollkommene Verbündete Gottes und Gegnerin des Teufels wurde sie der Herrschaft Satans in der unbefleckten Empfängnis vollständig entzogen, während sie in der Gnade des Heiligen Geistes geformt und vor jedem Sündenmakel bewahrt wurde. Weil sie auch am Heilswerk des Sohnes teilhat, wurde Maria voll in den Kampf gegen den Geist des Bösen miteinbezogen. Deshalb bringen die Titel Unbefleckte Empfängnis und Helferin des Erlösers, die der Glaube der Kirche Maria zuerkennt, um ihre geistliche Anmut und ihre enge Teilhabe an dem wunderbaren Erlösungswerk zu verkünden, den unüberwindlichen Gegensatz zwischen der Schlange und der neuen Eva zum Ausdruck. 5. Exegeten und Theologen meinen, daß das Licht Marias, der neuen Eva, von den Berichten der Genesis auch auf die ganze Heilsökonomie ausstrahlt, und sie sehen schon in diesem Text die Verbindung zwischen Maria und der Kirche. Wir entnehmen ihm mit Freude, daß das von dem Text der Genesis allgemein verwandte Wort „Frau“ dazu führt, alle Frauen mit der Jungfrau von Nazaret in Verbindung zu bringen und sie einzubeziehen in ihren Auftrag im Heilswerk. Sie sind nach dem göttlichen Plan berufen, sich am Kampf gegen den Geist des Bösen zu beteiligen. Die Frauen, die wie Eva der Verführung durch den Satan nachgeben könnten, erhalten durch die Solidarität mit Maria höhere Kraft, um den Feind zu bekämpfen, während sie zu den ersten Verbündeten Gottes auf dem Heilsweg werden. Dieses geheimnisvolle Bündnis Gottes mit der Frau wird auch in unseren Tagen in vielfacher Form deutlich: durch die Beharrlichkeit der Frauen im persönlichen Gebet und im Gottesdienst, durch den Dienst der Katechese und des Zeugnisses der Nächstenliebe, durch die vielen Berufungen von Frauen zum gottgeweihten Leben und durch die religiöse Erziehung in der Familie ... Alle diese Zeichen stellen eine sehr konkrete Verwirklichung der Aussage des Protoevangeliums dar. Indem es eine allgemeine Verbreitung des Wortes „Frau“ in der Kirche und über ihre sichtbaren Grenzen hinaus nahelegt, zeigt es, daß Marias einzigartige Berufung nicht zu trennen ist von der Berufung der Menschheit und besonders von der Berufung jeder Frau: Sie wird erhellt von der Sendung Marias, die zur ersten Verbündeten Gottes gegen den Satan und das Böse erklärt wurde. In deutscher Sprache sagte der Papst: Indem ich die Anliegen der Einheit der Christen der Fürbitte der Mutter Gottes empfehle, grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Euch sowie allen lieben Angehörigen und Freunden zu Hause erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 20 AUDIENZEN UND ANGELUS Ethische Grundsätze und Menschenwürde gelten auchfiir die Medien Angelus am 28. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen 24. Januar, dem Gedenktag des hl. Franz von Sales, des Patrons der katholischen Presse, wurde die Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikation veröffentlicht. Dieser Tag wird am 19. Mai unter dem Thema „Die Medien: Forum der Gegenwart zur Förderung der Rolle der Frau in der Gesellschaft“ begangen. Die Medien der sozialen Kommunikation bieten außerordentliche Möglichkeiten zur Verkündigung des Evangeliums, wie bereits das Dekret Inter mirifica betonte. Das II. Vatikanische Konzil hat sich in diesem Text besonders mit ihnen befaßt. Die Konzilsväter würdigten in einer zuversichtlichen und deutlich realistischen Haltung vor allem die positiven Aspekte dieser Kommunikationsmittel, verhehlten aber nicht, „daß die Menschen diese technischen Erfindungen gegen Gottes Schöpfungsplan und zu ihrem eigenen Schaden mißbrauchen können“ (Inter mirifica, Nr. 2). Und wie könnte man leugnen, daß diese Ambivalenz in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Erscheinung getreten ist? Die Bedeutung der Massenmedien ist unverkennbar. Bei guter Nutzung können sie der Kultur, der Freiheit und der Solidarität einen unschätzbaren Dienst erweisen. In der Botschaft zum kommenden Welttag der sozialen Kommunikation wollte ich sie gern als „das Forum der Gegenwart“ schildern, „wo sich die Verhaltensweisen herausbilden und tatsächlich eine neue Kultur im Entstehen ist“. Aber wie verschieden und widersprüchlich sind die von ihnen übertragenen Botschaften, während sie in positivem oder negativem Sinn die Personen, die Familien, die Gewohnheiten und das Leben der Menschen beeinflussen! Darf ein so anspruchsvoller Bereich ohne Regeln und ausgewogene ethische und moralische Leitlinien bleiben? 2. Als weitblickend erscheinen in dieser Hinsicht die Ermahnungen des Dekretes Inter mirifica, besonders was das Recht auf Information betrifft. Das Konzil weist darauf hin, daß „der richtige Gebrauch des Rechtes fordert ..., daß die Mitteilung inhaltlich stets der Wahrheit entspricht und bei Beachtung der durch Recht und menschliche Rücksichtnahme gezogenen Grenzen vollständig ist“ (Inter mirifica, Nr. 5). Auch die Art und Weise zu informieren muß „ethisch einwandfrei sein“, das heißt, sie muß „die ethischen Grundsätze sowie die Rechte und Würde des Menschen“ beachten (ebd.). Diese Verantwortung lastet hauptsächlich auf denen, die auf unterschiedlicher Ebene in der heute so außerordentlich mächtigen Medienwelt tätig sind, bezieht aber auch die ganze zivile Gesellschaft mit ein, die keine passive Empfängerin je- 21 A UDIENZEN UND ANGELUS der Botschaft und Information sein darf. Ein so entscheidender Gesellschaftssektor darf wirklich nicht ein Spielball des Marktes sein, sondern muß entsprechend geschützt werden. Und das mit dem Ziel, eine ausgewogene und demokratische Gegenüberstellung der Meinungen zu gewährleisten und die Rechte der einzelnen Glieder der Gemeinschaft, besonders die der jüngeren und weniger kritikfähigen, zu schützen. 3. Die selige Jungfrau helfe uns, in diesem schwierigen Bereich des heutigen Lebens die Orientierung zu finden, die den Erfordernissen der menschlichen Würde und dem Plan Gottes am besten entspricht. Sie wecke in den Herzen der Männer und Frauen, die diese Art des Dienstes ausüben, ein tiefes Verantwortungsbewußtsein. Sie helfe allen, zu verstehen, daß die Freiheit nicht dem Selbstzweck dient, sondern nur dann gültig ist, wenn sie in den Dienst der Wahrheit, der Solidarität und des Friedens gestellt wird. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute wird der Welttag der Leprakranken begangen unter dem Thema: „Uns ändern, um die Welt zu verändern.“ Ich richte einen herzlichen Gruß an alle, die noch unter dieser Krankheit leiden, die oft von Armut und Verlassenheit begleitet wird. Dank der heutigen medizinischen Fortschritte kann sie vollkommen ausgeheilt werden, aber das erfordert die einmütige Anstrengung aller. Während ich die auf dem Petersplatz anwesenden ,Freunde von Raoul Follereau“ begrüße, ermutige ich deshalb ihren Verband und die anderen auf diesem wichtigen, schwierigen Gebiet tätigen Vereinigungen, sich weiterhin um die Pflege und Heilung der Leprakranken zu sorgen und die Kultur der Solidarität und der Liebe in der Welt immer mehr zu verbreiten. Ankündigung einer außergewöhnlichen Mutterschaft Ansprache bei der Generalaudienz am 31. Januar 1. Das Konzil (Lumen Gentium, Nr. 55) bezieht sich bei seinen Erläuterungen der Gestalt Marias im Alten Testament auf den bekannten Text von Jesaja, der die Aufmerksamkeit der ersten Christen in besonderer Weise erweckt hatte: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben“ (Jes 7,14). Im Zusammenhang mit der Verkündigung des Engels, der Josef einlädt, Maria als seine Frau zu sich zu nehmen, „denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“, schreibt Matthäus dem Spruch des Jesaja eine christologische und mariani-sche Bedeutung zu. In der Tat fügt er hinzu: „Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein 22 A UDIENZEN UND ANGELUS Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns“ {Mt 1,22-23). 2. Diese Prophetie kündigt im hebräischen Text nicht ausdrücklich eine jungfräuliche Geburt des Immanuel an, denn das Wort altnäh bedeutet einfach ,junge Frau“ und nicht notwendigerweise „Jungfrau“. Die jüdische Tradition stellte bekanntlich die immerwährende Jungfräulichkeit nicht als Ideal dar und brachte nie den Gedanken an eine jungfräuliche Mutterschaft zum Ausdruck. In der griechischen Übersezung hingegen wurde das hebräische Wort mit „parthe-nos“, .Jungfrau“, wiedergegeben. In dieser Tatsache, die einfach als eine Besonderheit der Übersetzung erscheinen könnte, müssen wir eine geheimnisvolle Ausrichtung erkennen, die der Heilige Geist Jesajas Worten gegeben hat, um das Verständnis der außerordentlichen Geburt des Messias vorzubereiten. Die Übersetzung mit dem Wort .Jungfrau“ ist durch die Tatsache zu erklären, daß der Text von Jesaja die Ankündigung der Empfängnis sehr feierlich einleitet und als ein göttliches Zeichen darstellt {Jes 7,10-14), indem er die Erwartung einer außergewöhnlichen Empfängnis weckt. Daß also eine junge Frau ein Kind empfängt, nachdem sie mit ihrem Mann zusammengekommen ist, ist nichts Außergewöhnliches. Anderseits findet sich in dem Spruch kein Hinweis auf den Mann. Eine solche Formulierung legte deshalb die dann in der griechischen Version gegebene Interpretation nahe. 3. Im ursprünglichen Kontext war der Spruch Jes 7,14 die Antwort Gottes auf den mangelnden Glauben des Königs Achaz, der angesichts eines drohenden Überfalls seitens der Heere der benachbarten Könige sich und sein Reich zur Rettung unter den Schutz Assyriens stellte. Indem der Prophet Jesaja ihm rät, nur auf Gott zu vertrauen und auf das gefährliche Eingreifen Assyriens zu verzichten, lädt er ihn seitens des Herrn zu einem Akt des Glaubens an Gottes Macht ein: .Erbitte dir vom Herrn, deinem Gott, ein Zeichen ...“ Nach der Weigerung des Königs, der die Rettung in der menschlichen Hilfe sucht, verkündet der Prophet den berühmten Spruch: ,Jlört her, ihr vom Haus David! Genügt es euch nicht, Menschen zu belästigen? Müßt ihr auch noch meinen Gott belästigen? Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben“ {Jes 7,13-14). Die Ankündigung des Zeichens des Immanuel, des „Gott mit uns“, beinhaltet die Verheißung der Gegenwart Gottes in der Geschichte, die im Geheimnis der Menschwerdung des Wortes ihre volle Bedeutung erlangt. 4. In der Ankündigung der wunderbaren Geburt des Immanuel bekundet der Hinweis auf die Frau, die empfangen und gebären wird, eine gewisse Absicht, die Mutter mit der Bestimmung des Sohnes zu verbinden - ein Herrscher, dazu bestimmt, ein ideales Reich, das „messianische“ Reich, zu errichten -, und läßt einen besonderen göttlichen Plan durchblicken, der die Rolle der Frau betont. 23 AUDIENZEN UNDANGELUS Denn das Zeichen ist nicht nur das Kind, sondern die außergewöhnliche Empfängnis, die bei der Geburt selbst offenbar wird, einem hoffnungsvollen Ereignis, das die entscheidende Rolle der Mutter hervorhebt. Der Spruch des Immanuel ist außerdem in dem Ausblick zu verstehen, der durch die an David gerichtete Verheißung eröffnet wurde, die Verheißung, die im zweiten Buch Samuel zu lesen ist. Hier verspricht der Prophet Natan dem König die göttliche Huld für seine Nachkommen: „Er wird für meinen Namen ein Haus bauen, und ich werde seinem Königsthron ewigen Bestand verleihen. Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein“ (2 Sam 7,13-14). Gegenüber dem Stamm Davids will Gott die Rolle eines Vaters spielen, die im neuen Testament durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes in der Familie Davids ihre volle und wahre Bedeutung erlangt (vgl. Rom 1,3). 5. Der Prophet Jesaja betont in einem anderen bekannten Text das Außergewöhnliche der Geburt des Immanuel. Hier seine Worte: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn: wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens“ (9,5). So bringt der Prophet in den Namen, mit denen er das Kind bezeichnet hatte, die Eigenschaften seines königlichen Auftrags zum Ausdruck: Weisheit, Macht, väterliche Güte und friedenstiftendes Handeln. Die Mutter wird hier nicht mehr genannt, aber die Lobpreisung des Sohnes, der dem Volk alles bringt, was man im messianischen Reich erhoffen kann, gilt auch der Frau, die ihn empfangen und geboren hat. 6. Auch ein berühmter Spruch von Michea spielt auf die Geburt des Immanuel an. Der Prophet spricht: „Aber du, Betlehem-Efrata, so klein unter den Gauen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Sein Ursprung hegt in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen. Darum gibt der Herr sie preis, bis die Gebärende einen Sohn geboren hat...“ (5,1-2). In diesen Worten hallt die Erwartung einer von messianischer Hoffnung erfüllten Geburt wider, in der erneut die Rolle der Mutter betont wird, die durch das wunderbare, Freude und Rettung bringende Ereignis in Erinnerung gerufen und gewürdigt wird. 7. Marias jungfräuliche Mutterschaft wurde in allgemeinerer Form durch die Huld vorbereitet, die Gott den Demütigen und Armen schenkt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 55). Indem diese all ihr Vertrauen auf den Herrn setzen, nehmen sie durch ihre Haltung die tiefe Bedeutung der Jungfräulichkeit Marias vorweg, die, indem sie auf den Reichtum der menschlichen Mutterschaft verzichtet hat, die ganze Fruchtbarkeit ihres Lebens von Gott erwartete. Das Alte Testament enthält also keine formelle Ankündigung der jungfräulichen Mutterschaft, die nur vom Neuen Testament voll geoffenbart wird. Trotzdem bereitet der Spruch des Jesaja (Jes 7,14) die Offenbarung dieses Geheimnisses vor und ist in diesem Sinn in der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes verdeutlicht worden. Indem es den Spruch in dieser 24 A UDIENZEN UND ANGELUS Übersetzung zitiert, verkündet das Evangelium des Matthäus seine vollkommene Erfüllung durch die Empfängnis Jesu im jungfräulichen Schoß Marias. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Schülerinnen und Schülern der Deutschen Schule in Athen mit ihren Lehrkräften. Euch allen, Euren Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Menschen haben Recht auf Erziehung und Bildung Angelus am 4. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Erziehung stellt einen lebenswichtigen Bereich in der Kirche und in der Gesellschaft dar. Deshalb durfte in den Lehraussagen des II. Vatikanischen Konzils eine Reflexion über diese Thematik nicht fehlen. Die Konzilsväter befaßten sich mit ihr hauptsächlich in der Erklärung Gravissimum educationis, indem sie das Recht aller Menschen auf eine angemessene Erziehung bekräftigten. Außerdem verwiesen sie auf die Eigenheiten einer wahren Erziehung, die diesen Namen verdient, wenn sie der ganzheitlichen Entwicklung der menschlichen Person Förderung angedeihen läßt „in Hinordnung auf ihr letztes Ziel, zugleich aber auch auf das Wohl der Gemeinschaften, deren Glied der Mensch ist“ (Gravissimum educationis, Nr. 1). Zu diesem Zweck - so betonte das Konzil - sollen „die Kinder und Jugendlichen in der harmonischen Entfaltung ihrer körperlichen, sittlichen und geistigen Anlagen so gefördert werden, daß sie allmählich ein tieferes Verantwortungsbewußtsein erwerben für ihr eigenes Leben“ und für die verschiedenen Bereiche der menschlichen Arbeit. Ganz besonders wichtig sind im Erziehungskonzept die moralischen und auch die religiösen Werte. Sie sind natürlich von außerordentlicher Bedeutung im kirchlichen Bereich, wo die Jünger Christi herangebildet werden, dürfen aber in Form eines der Religionsfreiheit gegenüber respektvollen und aufmerksamen Angebots in keinem Bildungsweg fehlen, weil solche Werte den tiefgehenden Fragen und der lebensnotwendigen Dimension des Menschseins entsprechen (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 7). 2. Die Erklärung Gravissimum educationis nimmt eine genaue Rangfolge unter den Erziehern vor, indem sie der Familie und insbesondere den Eltern eine erstrangige Aufgabe zuerkennt. Das enthebt die Kirche, die zivile Gemeinschaft und den Staat nicht ihrer bestimmten VeranWörtlichkeiten im Erziehungsbereich, aber „die ersten und bevorzugten Erzieher“ (Gravissimum educationis, Nr. 1) sind not- 25 AUDIENZEN UND ANGELUS wendigerweise vor allem die Eltern, weil sie den Kindern das Leben geschenkt haben. Große Bedeutung mißt das Konzil der Schule bei (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 5), die für eine angemessene Bildung der Jugend unerläßlich geworden ist, besonders angesichts der Herausforderungen der heutigen Gesellschaft, die sich ständig und rasch weiterentwickelt. Das Recht auf Erziehung bringt auch das Recht auf Schulbildung mit sich; deshalb ist es Aufgabe des Staates, die vollständige Erfüllung dieses Rechtes sicherzustellen, sei es durch die Errichtung eigener Schulen, sei es durch Unterstützung von Schulen, die unter der Verwaltung nichtstaatlicher Stellen genügend Garantien in den Erziehungsprogrammen und durch gewissenhafte Arbeitsweise bieten (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 6). In dieser Hinsicht wollte die Erklärung Gravissimum educationis die katholischen Schulen einladen, einen immer besseren Dienst zu leisten, indem sie eine wirksame Verbindung von Glaube und Kultur hersteilen und zum Gemeinwohl der ganzen Gesellschaft beitragen. 3. Liebe Brüder und Schwestern, richten wir den Blick auf die seligste Jungfrau, die als Mutter des Sohnes Gottes ihre einzigartige „Erziehungsaufgabe“ zusammen mit ihrem Mann Josef wunderbar erfüllt hat. Die an allen Tugenden reiche Atmosphäre des Hauses von Nazaret sei das Modell aller Erziehungseinrichtungen und bereiche. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute wird in Italien der Tag für das Leben begangen unter dem Thema: „Das Leben neu bedenken. Für eine neue Kultur des Lebens.“ Ich stimme mit den italienischen Bischöfen überein in dem Hinweis, daß eine wahre Kultur, die die Person und ihr echtes Wohl achtet, nicht davon absehen darf, das menschliche Leben immer, von seiner Empfängnis im Mutterschoß an bis zu seinem natürlichen Ende, zu schützen und zu fördern. Liebe Brüder und Schwestern, ich lade Euch ein, Euch mutig für das Leben einzusetzen. Wie ich in der Enzyklika Evangelium vitae betonte, ist es notwendig, „dieser unserer Welt neue Zeichen der Hoffnung zu geben, indem wir bewirken, daß Gerechtigkeit und Solidarität wachsen und sich durch den Aufbau einer echten Zivilisation der Wahrheit und der Liebe eine neue Kultur des menschlichen Lebens durchsetzt“ (Nr. 6). 26 AUDIENZEN UND ANGELUS Begegnungen mit Mittelamerika in Freiheit und Herzlichkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 14. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vor zwei Tagen bin ich von einer wichtigen und sehr eindrucksvollen apostolischen Reise nach Mittelamerika und Venezuela zurückgekehrt. Auf Einladung der Bischöfe und der zivilen Obrigkeiten der besuchten Länder hatte ich mich dorthin aufgemacht. Dank sage ich vor allem dem Herrn, der es mir erlaubt hat, als Apostel des Evangeliums und Pilger der Hoffnung diese Länder erneut zu besuchen. Ein tiefempfundener Dank gilt auch allen, die diese Reise ermöglicht haben: den Oberhirten, den zivilen Autoritäten und allen, die auf verschiedene Weise zum guten Gelingen beigetragen haben. Allen, die keine Mühe scheuten und ihre Zeit und ihr Gebet opferten, herzüchen Dank! Man kann sagen, daß diese Pilgerreise, vom geistlichen Standpunkt aus betrachtet, zwei Brennpunkte hatte: den Gekreuzigten und die Jungfrau Maria. Ersteren dargestellt in dem hochverehrten Christusbild von Esquipulas in Guatemala und dem Gnadenbild des Kostbaren Blutes Christi in der Kathedrale von Managua; den zweiten vor allem im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Coromoto in Venezuela. Diese Zielorte haben dem ganzen Reiseweg eine tiefreligiöse Note gegeben. 2. Zweifellos hatte der Besuch aber auch eine große soziale Bedeutung. In Guatemala, Nicaragua und El Salvador hoffte man auf eine neue, wahrhaftigere und freiere Begegnung mit dem Papst nach der von 1983, die vor allem in Nicaragua von einer ideologisch hochgradig gespannten Atmosphäre gekennzeichnet war. Der derzeitige Besuch hat sich ganz anders abgespielt: in voller Kontaktfreiheit und großer Herzlichkeit. Dieser Wandel vollzog sich hauptsächlich im Zusammenhang mit den Ereignissen von 1989. Zentralamerika hat aufgehört, ein „Übungsplatz“ der Einflußsphären und des Konfliktes zwischen den beiden „Großmächten“ zu sein und kann mit größerer Selbständigkeit die eigene Geschichte gestalten. In dieser neuen Situation sind die einzelnen Länder aufgerufen, dringende Problemkreise zu bewältigen, wie das Verhältnis Arbeit und Kapital und die gerechte Verteilung der Güter. In den Wiederaufbau, der eine solidarische, von größerer sozialer Gerechtigkeit gekennzeichnete Anstrengung erfordert, ist die kirchliche Gemeinschaft voll miteinbezogen. 3. Bei meiner Ankunft in Guatemala fand ich die für Lateinamerika typische Atmosphäre menschlicher Wärme vor, eine Atmosphäre, die mich auf allen Reisestationen begleitet hat: Scharen jubelnder Menschen, darunter sehr viele Jugendliche, verwandelten jeden neuen Aufenthalt in ein Familientreffen, ja in ein Familienfest. 27 AUDIENZEN UND ANGELUS Am folgenden Tag besuchte ich die Stadt Esquipulas, wo seit vierhundert Jahren der einzigartige Gekreuzigte auf Grund der dunklen Farbe, die er mit der Zeit durch den Kerzenrauch angenommen hat, unter dem Namen „Schwarzer Christus“ verehrt wird. Die Eucharistiefeier an diesem Ort im Zeichen des Geheimnisses des Leidens Christi war ein Stun'e tiefer Spiritualität. Während ich zu Füßen des Gekreuzigten im Gebet verweilte, konnte ich mir die Bitten von Millionen Armer Lateinamerikas zu eigen machen, die auf Grund menschlicher Ungerechtigkeit gekreuzigt sind. Ich konnte die besondere Verehrung dieser Völker, die sie für das Leiden Christi hegen, und ihre Hoffnung nachempfinden. In die Hauptstadt zurückgekehrt, leitete ich einen feierlichen Wortgottesdienst, in dessen Verlauf ich das Bild der seligsten Jungfrau Maria Assumpta, der Patronin der Stadt, krönen konnte. Von ihrer mütterlichen Fürsprache in schwierigen Zeiten unterstützt, zögerten viele Personen, vor allem Katechisten, nicht, ihr Leben für die Ausbreitung des Evangeliums unter den Brüdern und Schwestern zu opfern. Auf ihr Vorbild habe ich die Katechisten von heute hingewiesen, während ich sie zu einem ebenso hochherzigen und eindrucksvollen Zeugnis aufrief. 4. Das folgende Reiseziel der Pilgerfahrt war Nicaragua. Wie bekannt, hatte die politische Lage bei meinem ersten Besuch vor dreizehn Jahren eine wirkliche Begegnung mit den Leuten verhindert und ein Gefühl der Unvollkommenheit hinterlassen. Deshalb war, wie ich bei meiner Ankunft in Managua betonte, diese Rückkehr besonders erwünscht. Die große Begeisterung des Volkes von Nicaragua bestätigte dies und zeigte gleichzeitig den Willen, die soziale Erneuerung auf die religiösen und moralischen Werte zu stützen, an denen es reich ist, an erster Stelle auf den Wert der Familie. Aus diesem Grund feierte ich im Malecön-Park von Managua die Messe für die Familie, in deren Verlauf ich die Eheleute einlud, die Gnade des Ehesakramentes zu erneuern und das Ehe- und Familienleben immer auf die Treue zum Wort Gottes zu stützen. Mit dieser Feier beendete ich auch in einer Atmosphäre der Freude und des Glaubens den Nationalen Eucharistischen und Marianischen Kongreß. Diese Atmosphäre hielt auch am Nachmittag an, als ich die neue Kathedrale in Managua besuchte, die der Unbefleckten Empfängnis, der Schutzpatronin des Landes, geweiht ist. In diesem modernen Gotteshaus sprach ich zu den Priestern, den Ordensleuten und engagierten Laien und forderte sie auf, hochherzig für die Kirche, die makellose Braut Christi, zu arbeiten. Ich verweilte dann zur Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes in der schönen Kapelle des Kostbaren Blutes Christi, die nach dem dort verehrten Gekreuzigten benannt ist. Ich dachte dann an den „Schwarzen Christus“ von Esquipülas und vereinte im Gebet die lateinamerikanischen Völker, indem ich sie alle den ausgebreiteten Armen des Erlösers empfahl. 5. Mit großer Begeisterung empfing mich das Land, das ebendiesen Namen trägt: El Salvador, das Land, das in der jüngsten Vergangenheit von heftigen Konflikten 28 AUDIENZEN UND ANGELUS zwischen entgegengesetzten ideologischen Parteien heimgesucht wurde. Die Kirche hat bei der Wiederaufnahme des Dialogs und bei der Befriedung eine entscheidende Rolle gespielt um den hohen Preis des Blutopfers vor allem ihrer Hirten, unter ihnen der 1980 ermordete hochverehrte Erzbischof Oscar Amulfo Ro-mero. Der wahre Frieden ist nicht zu trennen von der Gerechtigkeit. Deshalb wollte ich in San Salvador die heilige Messe für Gerechtigkeit und Frieden feiern, bei der ich meine Hoffnung für das Volk von San Salvador mit den Worten des Psalmisten zum Ausdruck brachte: „Gerechtigkeit blühe auf und Frieden herrsche für immer“ (vgl. Ps 72,7). Später, als vor der Kathedrale, in der die sterblichen Überreste der Erzbischöfe Chävez, Romero und Rivera Damas beigesetzt sind, das Evangelium der Seligpreisungen verlesen wurde, weckte das bewegende Gedenken der drei lieben Hirten und ihres Zeugnisses in allen den festen Willen, gemeinsam bei dem Aufbau einer menschlicheren Welt mitzuarbeiten. 6. Der zweite Teil der Reise führte mich, wie Ihr wißt, nach Venezuela, in ein Land, das ich schon 1985 besucht hatte und das jetzt leider von einer schweren sozialen und wirtschaftlichen Krise heimgesucht wird. Auf der Fahrt vom Flughafen zur Hauptstadt Caracas wollte ich in einer großen Strafvollzugsanstalt Halt machen, um die Inhaftierten zu segnen und ihnen eine Botschaft der Hoffnung zu hinterlassen, die auf der treuen Liebe Gottes zu jeder menschlichen Person beruht. Ich begab mich dann zu dem Nationalheiligtum von Coromoto, dem altehrwürdigen Zentrum der Marienverehrung der Venezuelaner. Am Erscheinungsort von 1652 wurde in den vergangenen Jahren eine neue, großartige Wallfahrtskirche erbaut, deren offizielle Weihe ich zu meiner Freude vornehmen durfte. Während der Eucharistiefeier an diesem so eindrucksvollen Ort dachten wir über Marias Gegenwart im Volk Gottes nach, eine Gegenwart, die eine ständige Einladung zum Glauben, zur Nächstenliebe, zur Evangelisierung und zum sozialen Einsatz bedeutet, mit einem Wort: eine Einladung zur Heiligkeit. In Caracas feierte ich am letzten Tag meiner Pilgerfahrt die heilige Messe für die Evangelisierung der Völker in Erinnerung an die Fünfhundertjahrfeier der Ankunft des christlichen Glaubens in Venezuela, wo er wunderbare Früchte des Lebens nach dem Evangelium wachsen ließ, unter ihnen das beispielhafte Zeugnis von Mutter Maria de San Jose, die ich im vergangenen Jahr zu meiner Freude in das Verzeichnis der Sehgen einschreiben konnte. Im Hinblick auf die Neuevangelisierung waren zwei weitere Begegnungen bedeutsam: die mit den sogenannten „Baumeistern der Gesellschaft“ und die mit den Jugendlichen. Das erste Treffen bot mir Gelegenheit, mich an eine große und sachkundige Versammlung von Vertretern des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens aus ganz Venezuela zu wenden, um sie aufzurufen, die soziale Erneuerung auf der Kultur des Lebens und der Solidarität aufzubauen. Das letzte Treffen war mit den Jugendlichen. Ihnen, der verheißungsvollen Zukunft des „Kontinents der Hoffnung“, gab ich zum Schluß den Auftrag, der wiederum in einer Seligpreisung enthalten ist: „Selig seid ihr, wenn ihr Christus, dem Erlöser, die 29 AUDIENZEN UND ANGELUS Türen eures Herzens öffnet.“ Trotz großer Schwierigkeiten spürt man in diesem Land den überschäumenden Enthusiasmus des Glaubens zusammen mit dem Bewußtsein, daß die Zukunft der Kirche zum Großteil vom Einsatz der jungen Generationen abhängt. Möge das im Laufe dieser Pilgerreise gesäte Wort Gottes gedeihen und reiche Frucht bringen. Liebe Brüder und Schwestern, ich lade Euch ein, zusammen mit mir den Herrn darum zu bitten, während wir die ständige Fürsprache der seligsten Jungfrau anru-fen, die die Mutter der Völker Lateinamerikas und der Stern der Neuevangelisierung ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit der Bitte um Euer Gebet für alle Menschen in Lateinamerika grüße ich alle Anwesenden aus den Ländern deutscher Sprache sowie alle, die mit uns über Radio Vatikan verbunden sind. Euch allen und Euren Lieben daheim erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Das Konzil bekräftigt Recht auf Religionsfreiheit Angelus am 18. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute beschließen wir die vor einiger Zeit begonnenen Reflexionen über die Dokumente des U. Vatikanischen Konzils und beschäftigen uns mit der Erklärung Dignitatis humanae, die der Religionsfreiheit gewidmet ist. Es ist bekannt, daß im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen die Haltungen der einzelnen menschlichen Gemeinschaften, der Staaten und zuweilen der Gläubigen selbst nicht immer von gegenseitiger Achtung und Toleranz geprägt waren. Die Kirche erlebte ihrerseits Verfolgungen vom Anfang ihrer Geschichte an. Andererseits bekannte gerade das Konzil freimütig, daß auch unter den Christen „bisweilen ... eine Weise des Handelns vorgekommen (ist), die dem Geist des Evangeliums wenig entsprechend, ja sogar entgegengesetzt war“ (Dignitatis humanae, Nr. 12). Die Erklärung Dignitatis humanae verkündet im Namen der rechten Vernunft und der Offenbarung ein wirkliches und ausdrückliches Recht auf Religionsfreiheit, kraft dessen „alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen wie jeglicher menschlichen Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen - innerhalb der gebührenden Grenzen - nach seinem Gewissen zu handeln“ (Dignitatis humanae, Nr. 2). 30 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Diesem Recht liegen nicht Relativismus oder religiöser Indifferentismus zugrunde, als ob es gleichsam keine Wahrheit gäbe und jede freie Entscheidung gleichen Wert besäße. Es ist vielmehr die Würde der menschlichen Person, die von Natur aus das Recht und die Pflicht hat, die Wahrheit zu suchen, und das in wahrhaft menschlicher Weise nur tun kann, wenn sie wirklich frei ist. Das Konzil bekräftigt, daß „die Wahrheit nicht anders Anspruch erhebt als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt“ (Dignita-tis humanae, Nr. 1). Das Konzil fügt jedoch hinzu, daß das Recht auf Religionsfreiheit wie jede andere Freiheit unter Respektierung der Rechte und Wahrung der öffentlichen Ordnung auszuüben ist (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 2). Im Hinblick darauf ist die Staatsgewalt heranzuziehen, der es in Wirklichkeit nicht zusteht, „religiöse Akte zu bestimmen oder zu verhindern“ (Dignitatis humanae, Nr. 3), die aber die ausdrückliche Pflicht hat, die Gesellschaft gegen eventuelle ,(Mißbräuche zu schützen, die unter dem Vorwand der Religionsfreiheit Vorkommen können“ (Dignitatis humanae, Nr. 7). 3. Beten wir, liebe Brüder und Schwestern, damit dieses Grundrecht allen in jeder Nation garantiert wird. Die seligste Jungfrau, die freie und sanfte Frau, leite uns an, den Sinn für Gott zu pflegen, der, wenn er wahrhaftig und tief ist, von Gefühlen der Achtung und Liebe zu allen begleitet wird. Maria erlange den Söhnen und Töchtern der Kirche vor allem die Gnade, die bedeutenden Anregungen des H. Vatikanums im Inneren anzunehmen. Es hat sich nämlich in diesem wie in allen seinen anderen Dokumenten im Laufe der Zeit immer mehr als ein Erbe von unschätzbarem Wert und als eine sichere Leitlinie auf dem Weg zum bevorstehenden dritten Jahrtausend erwiesen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In diesen Stunden, in denen in Rom wichtige Punkte zur Festigung des Friedens in Bosnien-Herzegovina zur Verhandlung stehen, gehen unsere Gedanken und Gebete zu jenen Völkern, die noch auf würdigere Lebensbedingungen warten. Wir denken auch an die verantwortlichen Politiker, die mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft hier versammelt sind. Wir bitten Gott, er möge einen jeden inspirieren zu Initiativen und mutigen Gesten zum endgültigen Erreichen eines annehmbaren, auf Gerechtigkeit gegründeten Friedens. 31 AUDIENZEN UND ANGELUS Fastenzeit - Zeit der Umkehr und Vorbereitung auf das Jahr 2000 Ansprache bei der Generalaudienz am Aschermittwoch, 21. Februar 1. Heute am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit, die liturgisch „strenge“ Zeit, in der die Christen aufgerufen sind, den Blick auf Jesus zu richten und ihm auf seinem Weg zu Ostern hin zu folgen. Auf diesem geistlichen Weg, dessen Ziel das Ostertriduum ist, entdeckt die christliche Gemeinschaft erneut ihre Berufung als ein erlöstes Volk, das berufen ist, Christi Tod mitzuleben, um an seiner Auferstehung teilzuhaben. Es vertieft die Erfahrung mit ihm und erneuert sich damit im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Durch das Hören des Wortes, durch Gebet, Buße und tätige Nächstenliebe gegenüber den Brüdern und Schwestern in Not hat die Kirche an diesem Leben Christi teil, der sich in die Wüste begibt, fastet, die Versuchung überwindet und dann den Leidensweg des demütigen Knechtes bis zum Kreuzestod geht. In Christus vollzieht die Kirche erneut den Pascha-Auszug, der sie zu einem verstärkten Bewußtsein ihrer Wirklichkeit als Volk des Neuen Bundes führt, das zusammengerufen ist zum Lobpreis, zum Hören des Wortes und zur freudigen Erfahrung der Wundertaten des Herrn. Die ganze Liturgie der Fastenzeit ruft den Gläubigen die Gnade in Erinnerung, die ihnen alljährlich als Zeichen der barmherzigen Liebe Gottes angeboten wird. Und gerade die heutige liturgische Feier mit der Aschenauflegung regt die Gläubigen zur Umkehr an, das heißt dazu, sich von dieser Zeit des Heils ergreifen zu lassen. Bezeichnend sind die Worte der Präfation für die Fastenzeit: „Jedes Jahr schenkst du deinen Gläubigen die Gnade, das Osterfest in der Freude des Heiligen Geistes zu erwarten. Du mahnst uns in dieser Zeit der Buße zum Gebet und zu Werken der Liebe, du rufst uns zur Feier der Geheimnisse, die in uns die Gnade der Kindschaft erneuern. So führst du uns mit geläutertem Herzen zur österlichen Freude und zur Fülle des Lebens durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Römisches Meßbuch, Präfation fiir die Fastenzeit I). Deshalb erlebt der Christ die Fastenzeit als eine besonders ausgezeichnete Zeit, um die Taufgnade wiederzuentdecken und voll Freude und mit freiem, versöhntem Herzen das Ostergeschenk der Gotteskindschaft zu feiern. Der Geist, der Jesus auf dem Weg zum Paschafest geführt hat, führe auch die Getauften an, ihm in die „Wüste“ zu folgen, damit sie in ihrer Treue zu Gott und zu seinem Plan gestärkt werden gegen die häufigen Versuchungen des Materialismus, der Macht und des Unglaubens. All das in einer Atmosphäre innerer Betrachtung, ständigen Hörens und vertrauensvollen Gebets. 2. Die Fastenzeit mit ihrem ernsten Verlauf helfe uns allen, die geistlichen Gefahren zu erkennen, denen unser Leben ausgesetzt ist, und ermutige uns zugleich, die Augen für die erstaunlichen Perspektiven der christlichen Berufung zu öffnen. 32 AUDIENZEN UND ANGELUS Das für diese Zeit typische Bild der Wüste zeigt dem Menschen ganz deutlich das Resultat seiner Trennung von Dem, der die Quelle des Lebens ist. Ohne Gott wird das Leben leer, sinnlos, arm an aufrichtigen Empfindungen und großen Idealen und kennt weder Hochherzigkeit noch Liebe noch Vergebung. In der Fastenzeit lädt uns die Liturgie hingegen ein, das menschliche Leben im Licht der göttlichen Barmherzigkeit mit dem Ausblick auf die konkrete Heilsmöglichkeit zu betrachten. Wie für den verlorenen Sohn ist es die Erinnerung an den Vater (vgl. Lk 15,17), die dem, der gesündigt hat, Vertrauen einflößt und ihn zur Rückkehr bewegt, indem sie ihn antreibt, auf jedes „Wort, das aus Gottes Mund kommt“ {Mt 4,4), zu hören. 3. „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Die Einladung des Apostels Paulus, die heute zum Beginn der Fastenzeit ergeht, macht deutlich, daß wir in eine von der Vorsehung gewollte Zeit der Umkehr und Versöhnung eintreten. Das Hören des Wortes Gottes, das Gebet und die Werke der Barmherzigkeit helfen uns, die menschliche Gebrechlichkeit im Licht der Liebe Gottes zu sehen, und erlangen uns zugleich die Kraft, erneut auf das Ziel unseres Heils zuzugehen. Von der Gnade des Herrn erleuchtet, kann jeder Gläubige den Weg der Heiligkeit wiederaufnehmen, indem er die heilenden Weisungen des Evangeliums befolgt. Diese Bußzeit fordert deshalb den Christen dazu auf, sich zu bemühen, die Folgen der persönlichen und gemeinschaftlichen Sünden durch die Beherrschung der Leidenschaften und durch ein einfacheres Leben zu heilen. Sie führt ihn dahin, die Seligkeit zu erfahren, die der Herr denen verheißt, die das begangene Böse bereuen (vgl. Mt 5,4), und bringt ihm Erleichterung, Stärkung und dauerhaften inneren Frieden. 4. Neben dem Gebet ist das Fasten in der Vorbereitungszeit auf Ostern von besonderer Bedeutung. Durch das Fasten heiligt und reinigt der Herr seine Kirche. Mit Hilfe dieses Bußwerkes besiegt der Herr selbst, wie die Liturgie betont, unsere Leidenschaften, erhebt den Geist, schenkt Kraft und gibt den Lohn (vgl. Römisches Meßbuch, Präfation für die Fastenzeit T). Die Fastenzeit lädt uns außer zum Fasten auch zum Almosengeben ein. Sie leitet den, der auf Ostern zugeht, dazu an, das Herz den Brüdern und Schwestern, vor allem den Ärmsten und den Bedürftigsten, zu öffnen und die Sorge um den Hunger und das Leid des Großteils der Menschheit mitzutragen. In einer von vielen Ungerechtigkeiten betroffenen Welt wird das Fastenopfer ein Zeichen der neuen Wirklichkeit des Gottesreiches und die Vorwegnahme eines vom Evangeüum geleiteten gerechteren und brüderlicheren Zusammenlebens der Menschen. 5. In diesem Jahr hat die Fastenzeit eine ganz besondere Bedeutung, weil sie zur ersten Vorbereitungsphase auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 gehört. Mein Wunsch ist es, daß sie in jeder Diözesangemeinschaft den Beginn eines gemeinsamen Weges der Umkehr zu einer neuen Evangelisierung darstellt. Denn wir dür- 33 AUDIENZEN UND ANGELUS fen nicht vergessen, daß die ganze Menschheit auf gerufen ist, von der Versöhnung mit Gott und den Nächsten ausgehend die Bedingungen für den Aufbau einer freieren und freundlicheren Welt zu schaffen, die vom Ostersieg Christi über Sünde und Tod erhellt wird. Auf diesem Weg, den wir heute beginnen, steht uns Maria, die Mutter der Hoffnung, zur Seite: Sie stützt uns durch ihre mütterliche Liebe und leitet uns dazu an, mit erneuertem Herzen die frohe Ankündigung von Ostern aufzunehmen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich innig dafür bete, daß wir mit geläutertem Herzen dem Osterfest entgegengehen, grüße ich Euch alle, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Ordensschwestern aus verschiedenen Kongregationen, die an einem theologischen Kurs am Päpstlichen Institut „Regina Mundi“ teilnehmen; ebenso an den Domchor St. Petri und den Sorbischen Kirchenchor aus Bautzen und an die Priesteramtskandidaten des Erzbistums Köln. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen uns in diesem Augenblick geistig Verbundenen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Fastenzeit - Zeit der Vertiefung von persönlicher und gemeinschaftlicher Buße Angelus am 1. Fastensonntag, 25. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am vergangenen Mittwoch haben wir mit der Segnung und Austeilung der Asche die Fastenzeit begonnen, die liturgische Bußzeit, die auf Ostern vorbereitet. Heutzutage von Buße zu sprechen ist nicht leicht. Es scheint ein längst überholtes Thema zu sein! Und doch ist es ein lebenswichtiges Thema für jeden Menschen, ja für die Gesellschaft selbst. Denn im eigentlichen Sinn bedeutet Buße tatsächlich die Reue über die begangenen Sünden und den Vorsatz, sich zu bessern. Wer hat sie nicht nötig? Ist sie nicht eine auch in den nichtchristlichen Religionen herausragende Forderung? In der Kirche wird sie durch das Sakrament der Buße noch besonders hervorgehoben. Die Bußpraxis ist nicht nur Pflicht des einzelnen, sondern auch der Gemeinschaft. Weil die Sünde eine soziale Dimension hat, ist es angemessen, daß auch das, was ihr Abhilfe schafft, eine solche Dimension besitzt. Darum betonte ich, als ich die christliche Gemeinschaft zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum einlud: Die Kirche „kann nicht die Schwelle des neuen Jahrtausends überschreiten, ohne ihre 34 AUDIENZEN UND ANGELUS Kinder dazu anzuhalten, sich durch Reue von Irrungen, Treulosigkeiten, Inkonsequenzen und Verspätungen zu reinigen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 33). Aber wir dürfen nicht vergessen, daß die gemeinschaftliche Erneuerung notwendigerweise auf dem persönlichen Bemühen des einzelnen beruht. Die Umkehr geht vom Innersten des Herzens aus. Man würde vergeblich versuchen, die äußeren Dinge wirklich zu ändern, wenn man sich nicht bemühte, sich selbst grundlegend zu ändern. 2. Ein wertvoller Hinweis wurde in diesem Sinn von Paul VI. gleich nach dem Konzil durch die Apostolische Konstitution Paenitemini gegeben. Dreißig Jahre später ist es mehr denn je angebracht, ihre weisen Richtlinien neu zu entdecken. Damals fehlte es leider nicht an Stimmen, die sie für eine Lockerung der Bußpraxis hielten, weil einige ihrer traditionellen Ausdrucksweisen wie die Abstinenz und das Fasten den unterschiedlichen Situationen und Umständen des heutigen Lebens entsprechend flexibler geregelt wurden. In Wirklichkeit handelte es sich nicht um eine Lockerung, sondern um eine Vertiefung. Auch wenn sie ihre Bedeutung bewahren, dienen die äußeren Bußformen nicht dem Selbstzweck, sondern helfen bei der inneren Buße. Sie besteht darin, das Herz mit Hilfe der Gnade von den Fesseln der Sünde zu befreien, um es auf die Liebe zu Gott und zu den Brüdern auszurichten. 3. Mögen uns diese Weisungen auf dem Weg der Fastenzeit anleiten. Die seligste Jungfrau, die wir als Mutter der Barmherzigkeit anrufen, helfe uns, diesen Weg bereitwillig zu gehen. Indem wir unser Innerstes erforschen und uns von ihr führen lassen, werden wir eine Lebensbilanz ziehen können. Und wir werden dem Herrn mit Zuversicht entgegengehen: Denn wenn auch unsere Sünde groß ist, so ist seine Liebe noch größer! Gerade aus dieser Liebe können wir die Kraft zu einem neuen Leben schöpfen und das Geheimnis des Friedens für uns selbst und für die Gesellschaft entdecken. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In der Fastenzeit ist es besonders angezeigt, sich innerlich zu sammeln und in der Stille über das Wort Gottes nachzudenken. Wie gewohnt werde ich ab heute abend bis nächsten Samstag die geistlichen Exerzitien zusammen mit den Mitbrüdem der Römischen Kurie machen. Ich bitte um Euer Gebet, daß der Heilige Geist den Papst und seine Mitarbeiter erleuchte und ihnen helfe, seinen göttlichen Eingebungen immer mehr Folge zu leisten. Friedensbemühungen in Asien unterstützen Die in der Fastenzeit besonders empfohlene christliche Solidarität lenkt heute unsere Gedanken auf die leidende Bevölkerung von Afghanistan, die immer noch von der Gewalt heimgesucht wird. Jüngste Nachrichten sprechen von Bombardie- 35 AUDIENZEN UND ANGELUS rungen und zahlreichen Opfern auch unter der Zivilbevölkerung. Im ganzen Land, aber besonders in der Hauptstadt Kabul, fehlt es am Lebensnotwendigsten. Ich bringe meine lebhafte Wertschätzung für die Anstrengungen zum Ausdruck, die die humanitären Vereinigungen unternehmen, um dieser Bevölkerung zu helfen. In herzlicher Anteilnahme an den Leiden so vieler unschuldiger Menschen möchte ich alle zum aufrichtigen und beharrlichen Dialog ermutigen, während ich die internationale Gemeinschaft bitte, die tragische Lage dieses Landes nicht zu vergessen. In diesen Stunden erreicht uns auch die Nachricht von zwei in Jerusalem und in Ashkalon verübten schweren Attentaten. Während ich für die vielen Opfer bete, nehme ich im Geist Anteil an dem Schmerz der betroffenen Familien und erteile dieser neuen, grausamen Gewaltanwendung eine scharfe Absage. Von neuem wende ich mich an alle, die an den Dialog glauben, und lade sich ein, die Hoffnung nicht zu verlieren. Gott inspieriere alle Menschen guten Willens! Äußerer Verzicht ist hilfreicher Beitrag zur inneren Umkehr Angelus am 3. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir setzen unser gemeinsames Nachdenken über die Buße fort, zu der uns die Fastenzeit nachdrücklich auffordert. Heute möchte ich einige ihrer äußeren Aspekte erläutern, die, recht verstanden, von besonderer Bedeutung sind. Die Apostolische Konstitution Paenitemini Papst Pauls VI., die ich am vergangenen Sonntag erwähnte, hat die traditionelle Ordnung bekräftigt, wonach die Freitage jeder Woche sowie der Aschermittwoch insbesondere als Bußtage zu betrachten sind. Es handelt sich um eine Anordnung, die Gültigkeit hat, wenn es auch den Bischofskonferenzen überlassen ist, einige ihrer konkreten Weisen ihrer Durchführung zu bestimmen, wie die Möglichkeit, den Verzicht auf Fleischspeisen oder das Fasten durch andere Bußformen und vor allem durch Werke der Nächstenhebe und Andachtsübungen zu ersetzen. 2. Zugrunde liegt dieser aszetischen Praxis kein negatives Vorurteil gegenüber materiellen Wirklichkeiten. Denn für das Christentum sind alle Dinge, weil von Gott geschaffen, positiv, auch ihr Gebrauch, wenn er dem Plan des Schöpfers entspricht. Die wirkliche Bedeutung des äußeren Verzichtes findet sich vielmehr in der Hilfe, die er den Gläubigen gibt, damit sie die innere Buße vollziehen, das heißt, sich um die Umkehr bemühen. Im Menschen besteht eine tiefe Einheit von Geist und Körper. Und doch ist er auf Grund der Sünde „in sich selbst zwiespältig“ (Gaudium et spes, Nr. 13) und fühlt sich nicht selten mehr als Opfer seiner Instinkte denn als Herr seiner selbst. Lehrt 36 AUDIENZEN UND ANGELUS uns die tägliche Erfahrung nicht, wie schwer es vor allem in den Wohlstandsgesellschaften ist, die moralischen Verpflichtungen einzuhalten, besonders wenn sie einen Verzicht auf das unmittelbare Interesse und die eigene Bequemlichkeit mit sich bringen? In dieser Sicht wird deutlich, daß die Bußübung vor allem in der beharrlichen Treue zu den eigenen Standespflichten, in der Annahme der Schwierigkeiten, die aus der eigenen Arbeit und aus dem menschlichen Zusammenleben erwachsen, und im geduldigen Ertragen der Prüfungen des irdischen Lebens“ bestehen soll (vgl. Paenitemini, III). Einige freiwillige Bußübungen wie die von der Kirche empfohlenen unterstützen gerade diese Haltungen. Durch sie wird man aufgerufen, am Kreuz Christi teilzuhaben, und unter dem Einfluß der Gnade festigt sich der menschliche Wille in der Bereitschaft, Gottes Gesetz unverzüglich und vollständig zu befolgen. 3. Meine Lieben, schauen wir auf Maria, deren anspruchsloses und heiliges Leben ein Vorbild für die tiefe Einheit zwischen innerer und äußerer Verpflichtung darstellt. Auch unter den schwierigsten und schmerzlichsten Umständen gab sie das Beispiel einer Existenz, die ganz mit dem Willen Gottes im Einklang stand und sich ihm vertrauensvoll überließ. In der gnadenreichen Fastenzeit möge die Jungfrau, Spiegel der Vollkommenheit, jedem Gläubigen den Mut und die Hoffnung erlangen, die notwendig sind, damit wir entschlossen den Weg der Umkehr ein-schlagen. Gewaltanwendung entschieden verurteilen Auch dieser Sonntag ist gekennzeichnet von äußerst besorgniserregenden Nachrichten, die aus Jerusalem kommen, wo mit kaltblütiger Entschlossenheit ein neues grausames Attentat verübt wurde. Die Gewaltanwendung gegen unschuldige Personen ist in keinem Fall gerechtfertigt. Sie kann deshalb nur entschieden und vollständig verurteilt werden. Ich nehme Anteil an dem Schmerz aller und empfehle alle der Barherzigkeit Gottes. Ich bin auch allen nahe, die dennoch weiter an den Frieden glauben. Mutterschaft - Geschenk und Auftrag im Heilsplan Gottes Ansprache bei der Generalaudienz am 6. März 1. Die Mutterschaft ist ein Geschenk Gottes. „Ich habe einen Mann vom Herrn erworben“ (Ge» 4,1), sagte Eva, nachdem sie ihren Erstgeborenen, Kain, geboren hatte. Mit diesen Worten stellt das Buch Genesis die erste Mutterschaft der 37 AUDIENZEN UNDANGELUS Menschheitsgeschichte als Gnade und Freude dar, die aus der Güte des Schöpfers hervorgehen. 2. In ähnlicher Weise wird die Geburt Isaaks am Anfang der Geschichte des auserwählten Volkes beschrieben. Dem kinderlosen und schon betagten Abram verspricht Gott Nachkommen, so zahlreich wie die Sterne des Himmels (vgl. Gen 15,5). Die Verheißung wird von dem Stammvater mit dem Glauben angenommen, der dem Menschen den Plan Gottes erschließt: „Abram glaubte dem Herrn, und der Herr rechnete es ihm als Gerechtigkeit an“ (Gen 15,6). Diese Verheißung wird durch die Worte bekräftigt, die der Herr spricht, als er mit Abram den Bund schließt: „Das ist mein Bund mit dir: Du wirst Stammvater einer Menge von Völkern“ (Gen 17,4). Außergewöhnliche und geheimnisvolle Ereignisse zeigen an, daß Saras Mutterschaft vor allem Frucht der Barmherzigkeit Gottes ist, der das Leben über jede menschliche Voraussicht hinaus schenkt: „Ich will sie segnen und dir auch von ihr einen Sohn geben. Ich segne sie, so daß Völker aus ihr hervorgehen; Könige über Völker sollen ihr entstammen“ (Gen 17,16). Die Mutterschaft wird als ein entscheidendes Geschenk des Herrn dargestellt: Der Stammvater und seine Frau bekommen einen neuen Namen als Zeichen der unerwarteten und wunderbaren Veränderung, die Gott in ihrem Leben bewirkt hat. 3. Der Besuch dreier geheimnisvoller Personen, in denen die Kirchenväter ein vorausdeutendes Sinnbild der Dreifaltigkeit sahen, kündigt Abraham noch deutlicher die Erfüllung der Verheißung an: „Der Herr erschien Abraham bei den Eichen von Mamre. Abraham saß zur Zeit der Mittagshitze am Zelteingang. Er blickte auf und sah vor sich drei Männer stehen“ (Gen 18,1-2). Abraham fragt sich: „Können einem Hundertjährigen noch Kinder geboren werden, und kann Sara als Neunzigjährige noch gebären?“ (Gen 17,17; vgl. 18,11-13). Der göttliche Gast antwortet: „Ist beim Herrn etwas unmöglich? Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen; dann wird Sara einen Sohn haben“ (Gen 18,14; vgl. Lk 1,37). Die Erzählung legt den Schwerpunkt auf die Auswirkung des göttlichen Besuches, der einen bis dahin kinderlosen Ehebund fruchtbar macht. Indem er an die Verheißung glaubt, wird Abraham wider jede Hoffnung Vater, „Vater im Glauben“, denn seinem Glauben „entstammt“ der des auserwählten Volkes. 4. Die Bibel erzählt noch von anderen Frauen, die von ihrer Unfruchtbarkeit geheilt und vom Herrn mit dem Geschenk der Mutterschaft beglückt wurden. Es handelt sich oft um schmerzliche Situationen, die Gott, indem er das eindringliche Gebet der nach menschlichem Ermessen Hoffnungslosen erhört, in Erfahrungen der Freude verwandelt. Zum Beispiel „als Rahel sah, daß sie Jakob keine Kinder gebar, wurde sie eifersüchtig auf ihre Schwester. Sie sagte zu Jakob: Verschaff mir Söhne! Wenn nicht, sterbe ich. Da wurde Jakob zornig auf Rahel und sagte: 38 AUDIENZEN UND ANGELUS Nehme ich etwa die Stelle Gottes ein, der dir die Leibesfrucht versagt?“ 0Gen 30,1-2). Aber der Bibeltext fügt sogleich hinzu, daß Gott sich an Rahel erinnerte: „Gott erhörte sie und öffnete ihren Mutterschoß. Sie wurde schwanger und gebar einen Sohn“ (Gen 30,22-23). Dieser Sohn, Josef, sollte für Israel zur Zeit der Wanderung nach Ägypten eine bedeutende Rolle spielen. In dieser und in anderen Erzählungen will die Bibel, wenn sie die anfängliche Unfruchtbarkeit der Frau betont, das Wunderbare des göttlichen Eingreifens in diesen besonderen Fällen hervorheben, gleichzeitig gibt sie aber die jeder Mutterschaft innewohnende Dimension der Unentgeltlichkeit zu verstehen. 5. Einen ähnlichen Vorgang finden wir in der Erzählung der Geburt Simsons. Die Frau von Manoach, die keine Kinder hatte, erhält vom Engel des Herrn die Ankündigung: „Gewiß, du bist unfruchtbar und hast keine Kinder; aber du sollst schwanger werden und einen Sohn gebären“ (Ri 13,3). Die unerwartete und wunderbare Empfängnis kündigt die großen Taten an, die der Herr durch Simson vollbringen wird. Im Fall von Samuels Mutter Hanna wird die besondere Rolle des Gebets hervorgehoben. Hanna erfährt die Demütigung der Unfruchtbarkeit, aber sie ist von einem großen Vertrauen zu Gott erfüllt, an den sie sich beharrlich wendet, damit er ihr hilft, diese Prüfung zu bestehen. Eines Tages gelobt sie im Tempel: „Herr der Heere, wenn du ... deine Magd nicht vergißt und deiner Magd einen männlichen Nachkommen schenkst, dann will ich ihn für sein ganzes Leben dem Herrn überlassen“ (1 Sam 1,11). Ihr Gebet wurde erhört: „Der Herr dachte an sie, und Hanna wurde schwanger“; sie „gebar ... einen Sohn und nannte ihn Samuel“ (1 Sam 1,19-20). In Erfüllung ihres Gelübdes überließ sie ihren Sohn dem Herrn: „Ich habe um diesen Knaben gebetet, und der Herr hat mir die Bitte erfüllt, die ich an ihn gerichtet habe. Darum lasse ich ihn auch vom Herrn zurückfordem. Er soll für sein ganzes Leben ein vom Herrn Zurückgeforderter sein“ (1 Sam 1,27-28). Der Knabe Samuel, der Hanna von Gott geschenkt und dann Gott von Hanna zurückgegeben wurde, wird zu einem lebendigen Band der Gemeinschaft Hannas mit Gott. Samuels Geburt ist deshalb ein freudiges Ereignis und ein Anlaß zur Danksagung. Das erste Buch Samuel enthält einen Hymnus, das sogenannte Danklied der Hanna, das das Magnifikat Marias vorwegzunehmen scheint: „Mein Herz ist voll Freude über den Herrn, große Kraft gibt mir der Herr“ (1 Sam 2,1). Die Gnade der Mutterschaft, die Gott Hanna auf ihr beharrliches Gebet geschenkt hat, bewirkt in ihr neue Hochherzigkeit. Samuels Weihe ist die dankbare Antwort einer Mutter, die, weil sie in ihrem Kind die Frucht der göttlichen Barmherzigkeit erblickt, das Geschenk erwidert und den so heiß ersehnten Sohn dem Herrn anvertraut. 39 A UDIENZEN UND ANGELUS 6. In den Erzählungen von außergewöhnlichen Mutterschaften, die wir in Erinnerung gerufen haben, kann man deutlich die bedeutende Rolle erkennen, die die Bibel den Müttern in der Sendung ihrer Kinder zuweist. Hanna spielt im Fall Samuels eine entscheidende Rolle durch ihren Entschluß, ihn dem Herrn zu schenken. Eine ebenso entscheidende Rolle wird von einer anderen Mutter, Rebekka, gespielt, die Jakob zum Erbe verhilft (vgl. Gen 27). In diesem von der Bibel beschriebenen mütterlichen Eingreifen kann man das Zeichen einer Erwählung zum Werkzeug des erhabenen Planes Gottes erblicken. Er ist es, der den jüngsten Sohn, Jakob, zum Träger des väterlichen Segens und Erbes und damit zum Hirten und Führer seines Volkes erwählt. Er ist es, der das Schicksal jedes Menschen frei und allwissend bestimmt und leitet (Weish 10,10-12). Die Botschaft der Bibel über die Mutterschaft zeigt wichtige und immer aktuelle Aspekte: Denn sie stellt die Dimension der Unentgeltlichkeit ins Licht, die sich vor allem im Fall der unfruchtbaren Frauen zeigt, sowie den besonderen Bund Gottes mit der Frau und die enge Verbindung zwischen dem Schicksal der Mutter und dem des Sohnes. Zugleich bereitet das Eingreifen Gottes, der in wichtigen Augenblicken der Geschichte seines Volkes einige kinderlose Frauen fruchtbar macht, den Glauben an das Eingreifen Gottes vor, der, wenn die Zeit gekommen ist, eine Jungfrau für die Menschwerdung seines Sohnes fruchtbar machen wird. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mit diesen Erläuterungen grüße ich Euch alle, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Pilgergruppe des Pensionistenverbandes Österreichs. Mit dem innigen Wunsch, in dieser österlichen Bußzeit mögen wir uns in rechter Weise auf das Osterfest vorbereiten, erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns verbunden sind, von Herzen den Apostolischen Segen. Verzicht auf Fernsehen kann heilsam sein Angelus am 10. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zu den von der Kirche vor allem in der Fastenzeit empfohlenen Bußübungen gehört das Fasten. Es bedeutet eine besondere Mäßigung in der Aufnahme von Speisen über die Bedürfnisse des Organismus hinaus. Es handelt sich um eine traditionelle Form der Buße, die nichts von ihrer Bedeutung verloren hat, ja vielleicht sogar neu zu entdecken ist, besonders in dem Teil der Welt und in den Kreisen, in denen nicht nur Nahrungsüberfluß herrscht, sondern manchmal Krankheiten der Überernährung drohen. 40 AUDIENZEN UND ANGELUS Natürlich ist das Bußfasten etwas ganz anderes als eine therapeutische Diät. Aber wenn man will, kann man es als eine Seelentherapie betrachten. Denn wenn es als Zeichen der Umkehr geübt wird, erleichtert es das innere Bemühen, Gott zu hören. Fasten bedeutet, vor sich selbst zu bekräftigen, was Jesus am Ende des vierzigtägigen Fastens in der Wüste dem Teufel, der ihn versuchte, antwortete: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ {Mt 4,4). 2. In der heutigen Wohlstandsgesellschaft ist der Sinn dieses Wortes aus dem Evangelium schwer verständlich. Denn anstatt die Bedürfnisse zu befriedigen, schafft der Konsumzwang immer neue und erzeugt oft einen übersteigerten Aktivismus. Alles erscheint unbedingt notwendig und unaufschiebbar, und man läuft Gefahr, nicht einmal mehr Zeit zu finden, um ein wenig zu sich zu kommen. Um so aktueller ist deshalb die Mahnung des hl. Augustinus: „Geh in dich!“ Ja, wir müssen zur Besinnung kommen, wenn wir uns selbst wiederfinden wollen. Auf dem Spiel steht nicht nur unser geistliches Leben, sondern auch das persönliche, familiäre und gesellschaftliche Gleichgewicht. Das Bußfasten hat unter anderem gerade die Bedeutung, uns bei dieser Wiedererlangung der Innerlichkeit zu helfen. Das Bemühen um Mäßigung beim Essen erstreckt sich auch auf andere nicht unbedingt notwendige Dinge und ist von großer Hilfe im geistlichen Leben. Mäßigung, Sammlung und Gebet gehen Hand in Hand. Anwenden kann man diesen Grundsatz passend auf den Gebrauch der Massenmedien. Sie sind zweifellos nützlich, dürfen aber nicht in unserem Leben die Vorherrschaft haben. In wie vielen Familien scheint der Fernseher das zwischenmenschliche Gespräch zu ersetzen, anstatt zu fördern! Auch in diesem Bereich kann ein gewisses „Fasten“ heilsam sein, um mehr Zeit zum Nachdenken und für das Gebet zu verwenden und um die zwischenmenschlichen Beziehungen zu pflegen. 3. Liebe Brüder und Schwestern, lernen wir von der seligen Jungfrau. Im Evangelium wird erzählt, daß sie über alles, was in ihrem Leben geschehen war, in ihrem Herzen nachdachte (vgl. Lk 2,19), um darin die Entfaltung des Planes Gottes zu erkennen. Maria ist das Vorbild, auf das wir alle schauen können. Bitten wir sie, uns das Geheimnis jenes „geistlichen Fastens“ mitzuteilen, das uns von der Knechtschaft der Dinge befreit, unseren Geist stärkt und ihn stets für die Begegnung mit dem Herrn bereit macht. 41 A UDIENZEN UND ANGELUS Hunger in der Welt ist das Ärgernis unserer Zeit! Angelus am 17. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute morgen konnte ich zu meiner Freude zwei bedeutende Bischöfe seligsprechen: Daniele Comboni und Guido Maria Conforti, die sich beide große Verdienste um die Missionstätigkeit der Kirche erworben haben. Ihr unablässiges Bestreben, Christus zu verkündigen, spornt uns auf dem geistlichen Weg der Fastenzeit an, in uns den apostolischen Eifer und die Verpflichtung zur Umkehr neu zu entfachen. Einen Aspekt dieser Verpflichtung, die tätige Nächstenliebe zu den Armen, möchte ich heute im Hinblick auf das leuchtende Beispiel hervorheben, das Msgr. Comboni und Msgr. Conforti uns hinterlassen haben. Nein, wir können nicht so tun, als sähen wir das Leiden so vieler Brüder in großer Not nicht. Es gibt soviel Armut in der Welt! Wenn wir dann noch auf die Länder blicken, die von den Mitgliedern der Institute evangelisiert wurden, die die neuen Seligen gegründet haben, finden wir wirklich unerträghiche Situationen. Das Drama des Hungers ist das große Ärgernis unserer Zeit! Wie kann man mit Gelassenheit speisen, wenn unzählige Menschen Hunger leiden und an Hunger sterben? 2. Das Fasten schließt auch das mit ein: auf etwas zu verzichten, um es mit dem, der Not leidet, zu teilen. Um den Hunger in der Welt erfolgreich zu bekämpfen, genügt das Almosengeben allein nicht. Es bedarf eines neuen Sinnes für Gerechtigkeit, gezielte politische und wirtschaftliche Strategien. Aber es erfordert vor allem „einen allgemeinen Sensibilisierungsprozeß, der in der Lage ist, die ganze Gesellschaft einzubeziehen“ (Botschaft zur Fastenzeit 1996). Die Buße in der Fastenzeit, mit wahrer Liebe zu Gott und den Nächsten geübt, ist eine Anregung in dieser Richtung. Die selige Jungfrau schenke uns ein wenig von ihrer mütterlichen Sensibilität, damit wir empfindsam werden für die Leiden unserer Brüder und Schwestern. Sie helfe uns, den beiden neuen Seligen ähnlich zu werden, die es verstanden haben, mit den Armen das Brot des Evangeliums zusammen mit dem materiellen Brot zu teilen, die beide notwendig sind für ein Leben, das der Kinder Gottes würdig ist. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Liebe Römer und Pilger! Ich danke Euch für die geistliche Verbundenheit in diesen letzten Tagen. Allen wünsche ich einen schönen Sonntag. Im Geiste umarme ich Euch alle und wünsche Euch, daß ihr immer dem mutigen und ermutigenden Beispiel von solch großherzigen Glaubenszeugen folgt. Einen besonderen Gruß richte ich an die vielen Seminaristen aus Italien, die am 4L Missionskongreß teil- 42 AUDIENZEN UNDANGELUS nehmen. Allen wünsche ich einen schönen Sonntag und eine gute Vorbereitung auf Ostern. Die Feier war auf dem Petersplatz vorgesehen; aber sie wurde in der Peterskirche gehalten, denn auf dem Platz regnete es. Hoffen wir, daß der Regen nutzbringend sei, Zeichen der Fruchtbarkeit und auch der Berufungen: Zeichen der missionarischen Berufungen mit besten Aussichten durch die beiden neuen missionarischen Seligen. Gelobt sei Jesus Christus! Allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche! Mit großer Zuneigung grüße ich die vielen Pilger, die zur heutigen Seligsprechung der beiden großen Apostel der Missionen nach Rom gekommen sind. Ich grüße besonders die Mitglieder der von ihnen gegründeten Ordensfamilien und die Laienhelfer, die an ihrem von der Vorsehung gewollten Apostolat mitwirken. Mit besonderer Herzlichkeit denke ich an alle, die aus den Missionsländem in allen Teilen der Welt gekommen sind, um gemeinsam den heutigen Festtag zu begehen. Wieviel Dank schuldet das Evangelisierungswerk vor allem in Afrika diesen neuen Seligen, diesen treuen Aposteln Christi, und so vielen ihrer geistlichen Söhne und Töchter: Nicht wenige von ihnen haben für Christus und das Evangelium das Blutzeugnis abgelegt. Im Geist umarme ich Euch alle, liebe Brüder und Schwestern, mit dem Wunsch, daß Ihr immer dem mutigen und ermutigenden Vorbild so hochherziger Glaubenszeugen nacheifem mögt. Ich erteile Euch noch einmal von Herzen meinen Segen. Gebet und Arbeit in Einklang bringen Ansprache bei der Generalaudienz am 20. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Meinen herzlichen Gruß richte ich an Euch alle, die Ihr an dieser etwas ungewöhnlichen Audienz teilnehmt; ich danke Euch für Eure Anwesenheit und für die Hilfe Eures Gebets. Gestern haben wir das Hochfest des hl. Josef, des Schutzpatrons der universalen Kirche, gefeiert. Die Christengemeinschaft wendet sich mit verschiedenen Titeln an den hl. Josef: erlauchter Sproß Davids, Bräutigam der Gottesmutter, reiner Hüter der allerseligsten Jungfrau, Vorbild der Arbeiter, Stütze der Familien (aus der Litanei vom hl. Josef). Diese und noch andere Anrufungen unterstreichen die Rolle des hl. Josef im Heilsplan und im Leben der Gläubigen. Am Tag nach seinem Fest möchte ich zusammen mit Euch seinem Schutz die Kirche und die ganze Welt anvertrauen - vor allem die Familien und in besonderer Weise alle Väter, die in ihm ein einzigartiges Vorbild zur Nachahmung haben. 2. Die Liturgie ermöglicht uns die Begegnung mit dem hl. Josef in der Fastenzeit, auf dem Weg zum Osterfest. Er tritt vor uns als unübertrefflicher Zeuge jenes 43 A UDIENZEN UND ANGELUS kontemplativen Schweigens, erfüllt vom Hören auf das Wort Gottes, das in den Evangelien als charakteristische Atmosphäre des Hauses von Nazaret erscheint. Josefs Schweigen war ein tätiges Schweigen, das die tägliche Arbeit im Dienst an der Heiligen Familie begleitete. Möge nach dem Vorbild des hl. Josef jeder Gläubige in seinem Leben das Gebet und die Arbeit, die Betrachtung des Wortes Gottes und die täglichen Beschäftigungen tief in Einklang zu bringen wissen. Im Mittelpunkt von allem stehe immer die enge und lebendige Beziehung zu Jesus, dem Mensch gewordenen Wort, und zu seiner heiligen Mutter. Euch allen meinen liebevollen Segen. Buße und Verzicht - Heilmittel im Schöpfungsplan Gottes Angelus am 24. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Während die Natur jetzt am Frühlingsanfang zu neuem Leben erwacht, möchte ich gern auf die Bedeutung hinweisen, die die Bußpraxis auch für eine grundlegende Erziehung zur Achtung der Umwelt nach dem Plan Gottes hat. Man könnte vielleicht meinen, daß das Fasten und Verzichten nach der Erziehungslehre der Kirche eine Verachtung der Schöpfung bedeuten. Dem ist aber nicht so! Fasten und Verzicht setzen im Gegenteil eine erhöhte Betrachtungsweise der materiellen Welt voraus und können als Heilmittel gegen Maßlosigkeit und Begierde angesehen werden, weil sie jenem Sinn des Habens und Genießens um jeden Preis entgegenwirken, der den Menschen drängt, sich zum absoluten Herrn all dessen zu machen, was ihn umgibt. Wie könnte man leugnen, daß zu den negativen Auswirkungen dieser „Kultur des Herrseins“ auch eine verzerrte Nutzung der Natur gehört, die ihr Antlitz schändet, ihr Gleichgewicht aufs Spiel setzt und nicht einmal angesichts einer drohenden ökologischen Katastrophe halt macht? Die aszetischen Tugenden helfen im Gegenteil dem Menschen, sich Gott und dem Nächsten zu öffnen, und führen ihn dahin, die materiellen Dinge in der rechten Sicht zu sehen. Sie lehren ihn, ohne Mißbrauch zu treiben, sie solidarisch und nicht egoistisch zu nutzen, und nicht nur den unmittelbaren Genuß, sondern auch die Zukunft im Blickfeld zu haben. 2. Zu einer solchen Sicht hilft uns die Bibel, wenn sie in dem einzigartigen Bericht von der Schöpfung uns den Plan Gottes für den Kosmos erläutert und immer wieder bekräftigt: „Gott sah, daß es gut war.“ Alles Geschaffene trägt das Zeichen der Güte und Schönheit des Schöpfers! Dem Menschen weist die Bibel eine bevorzugte Stellung zu. „Als Abbild Gottes“ erschaffen (Gen 1,26), hat er das Recht, sich der anderen geschaffenen Wirklichkeiten zu bedienen. Aber das berechtigt ihn nicht dazu, sich als Herr über die Na- 44 AUDIENZEN UND ANGELUS tur aufzuspielen und, noch weniger, sie zu zerstören. Der Mensch ist hingegen berufen, Mitarbeiter Gottes zum Wohl der Schöpfung zu werden. Das Neue Testament betrachtet die Schöpfung in einem neuen Licht, wenn es in einem eindrucksvollen Bild diese seufzen und „in Geburtswehen“ liegen sieht CRom 8,23), das heißt erfüllt von einer geheimnisvollen Sehnsucht nach Befreiung. Es ist die Befreiung, die mit der Auferstehung Christi begonnen hat! Durch den erlösten Menschen, der der Sünde entrissen wurde und mit Christus zu neuem Leben erstanden ist, erhebt sich die ganze Schöpfung in Erwartung der endgültigen Verherrlichung (vgl. 1 Kor 15,23-28). Die christliche Buße stellt den Menschen und mit ihm die Welt in diesen Horizont der Freiheit. Sie ist nicht so sehr „Verzicht“, sondern vielmehr Verkündigung des Lebens! 3. Liebe Brüder und Schwestern! Bitten wir die heilige Jungfrau, sie möge uns auf dem geistlichen Weg zum bevorstehenden Osterfest begleiten. Die vor uns liegenden Tage mögen gekennzeichnet sein von vermehrter Sammlung, demütiger Prüfung des eigenen Lebens und besonders hochherziger Nächstenliebe. Maria helfe uns, den wahren Geist der Buße zu pflegen, welcher in uns die Achtung vor der Schöpfung fördert und uns stets bereit macht, verantwortungsbewußt mitzuarbeiten an der Verwirklichung des Planes Gottes für die Welt und den Menschen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute, am 24. März, wird in Italien der 4. Gebets- und Fasttag für die Märtyrer in der Mission begangen zum Gedenken aller, die in den Missionsgebieten der Sache des Evangeliums bis zum Martyrium gedient haben. Durch ihr Opfer haben sie den Sieg Christi über die Sünde und den Tod in der Welt verbreitet. Ich lade vor allem die Jugendlichen ein, diese wahren Propheten der Hoffnung näher kennenzulernen! Ihr Zeugnis enthält eine außerordentliche Lebenskraft wie das Weizenkom, das reiche Frucht bringt, wenn es in die Erde fällt und stirbt (vgl. Joh 12,24). Außerdem grüße ich herzlich die vielen Sportler aus aller Welt, die an der „Mara-tona di Roma“ teilnehmen. Möge dieser Wettlauf, indem er die wahren Werte des Sports hervorhebt, zur Verbreitung der Kultur der Solidarität beitragen. Auch das geistliche Leben - daran erinnert uns der Apostel Paulus - ist ein Wettlauf, der Einsatz und Wachsamkeit erfordert, um als Sieger ans Ziel zu gelangen und den unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen (vgl. 1 Kor 9,24-25). Ich möchte die römische Jugend an das schon traditionelle Treffen anläßlich des Weltjugendtages erinnern. Liebe Freunde, ich erwarte Euch zahlreich am kommenden Donnerstag um 17.00 Uhr in der Aula „Paul VI.“ im Vatikan. Für viele von Euch wird es der Höhepunkt eines gemeinsamen Weges mit dem Thema der Suche nach Gott sein. Für alle wird es ein starker Ansporn zum Nachdenken in einer brüderlichen und frohen Atmosphäre sein. Auf bald, also! Allen meinen Apostolischen Segen. 45 AUDIENZEN UND ANGELUS Eine besondere Aufgabe für die Jugend Heute, am 24. März, wird in Italien der 4. Gebets- und Fastentag für die Märtyrer in der Mission begangen zum Gedenken aller, die in den Missionsgebieten der Sache des Evangeliums bis zum Märtyrertum gedient haben. Durch ihr Opfer haben sie den Sieg Christi über die Sünde und den Tod in der Welt verbreitet. Ich lade vor allem die lugendlichen ein, diese wahren Propheten der Hoffnung näher kennenzulemen! Ihr Zeugnis enthält eine außerordentliche Lebenskraft wie das Weizenkom, das reiche Frucht bringt, wenn es in die Erde fällt und stirbt (vgl. Joh 12,24). Die Bedeutung der Frau in der Heilsgeschichte des Volkes Israel Ansprache bei der Generalaudienz am 27. März 1. Das Alte Testament stellt uns einige herausragende Frauen vor, die aus der Kraft des Geistes Gottes an den Kämpfen und Siegen Israels teilhaben oder zu seiner Rettung beitragen. Ihre Beteiligung am Schicksal des Volkes ist weder nebensächlich noch passiv: Sie treten als wahre Hauptpersonen der Heilsgeschichte auf. Hier seien einige sehr anschauliche Beispiele genannt. Die Heilige Schrift hebt die Initiative einer begeisterten Frau hervor, die nach dem Durchzug durch das Rote Meer dieses entscheidende Ereignis festlich begehen wollte: „Die Prophetin Mirjam, die Schwester Aarons, nahm die Pauke in die Hand, und alle Frauen zogen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her. Mirjam sang ihnen vor: Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer“ (Ex 15,20-21). Dieser Hinweis auf den Unternehmungsgeist der Frau im Zusammenhang mit einem Fest zeigt nicht nur die Bedeutung der Rolle der Frau, sondern auch ihre besondere Neigung, Gott zu loben und ihm zu danken. 2. Etwas noch Wichtigeres tut die Prophetin Debora zur Zeit der Richter. Nachdem sie dem Heerführer befohlen hatte, Männer zu sammeln und zu Felde zu ziehen, stellt sie durch ihre Anwesenheit den Sieg des israelitischen Heeres sicher und kündigt an, daß eine andere Frau, Jael, den feindlichen Heerführer töten würde. Um diesen großen Sieg zu feiern, stimmt Debora überdies ein langes Lied an, mit dem sie die Tat Jaels preist: „Gepriesen sei Jael unter den Frauen, ... gepriesen unter den Frauen im Zelt“ (Ri 5,24). Dieser Lobpreis findet Widerhall im Neuen Testament in den Worten, die Elisabet an Maria am Tag ihres Besuches richtet: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen ...“ (Lk 1,421). 46 AUDIENZEN UND ANGELUS Die entscheidende Rolle der Frauen in der Rettung des Volkes, die durch die Gestalten von Debora und Jael hervorgehoben wurde, wird in dem Schicksal einer anderen Prophetin namens Hulda deutlich, die zur Zeit des Königs Joschija gelebt hat. Auf die Frage des Priesters Hilkija sagt sie ein Zeichen der Nachsicht für den König voraus, der den Zorn Gottes fürchtete. Hulda wird so Botin der Barmherzigkeit und des Friedens (vgl. 2 Kön 22,14-20). 3. Die Bücher Judit und Ester, die den positiven Beitrag der Frau in der Geschichte des auserwählten Volkes in vollendeter Weise hervorheben sollen, stellen in einem kulturellen Kontext von Gewalt zwei Frauengestalten vor, die den Israeliten zum Sieg und zur Rettung verhelfen. Insbesondere das Buch Judit berichtet von einem furchterregenden Heer, das von Nebukadnezar gesandt wurde, um Israel zu besiegen. Unter der Führung von Holofernes ist das feindliche Heer im Begriff, die Stadt Betulia zu erobern, während die verzweifelten Bewohner, die jeden Widerstand für sinnlos halten, die Heerführer bitten, sich zu ergeben. Aber Judit wirft den Stadtältesten, die in Ermangelung sofortiger Hilfen bereit sind, Betulia dem Feind zu übergeben, Mangel an Glauben vor und vertraut ausschließlich auf die Rettung, die vom Herrn kommt. Nachdem sie Gott lange angerufen hatte, geht sie, die ein Beispiel der Treue zum Herrn, des demütigen Gebetes und des Willens zur Reinheit ist, zu Holofernes, dem feindlichen, hochmütigen, ausschweifenden General und Götzendiener. Mit ihm allein gelassen, betet Judit, bevor sie zuschlägt, zu Jahwe: „Mach mich stark, Herr, du Gott Israels, am heutigen Tag!“ (Jdt 13,7). Dann nimmt sie Holofernes Schwert und schlägt ihm den Kopf ab. Wie im Fall von David und Gohat bedient sich der Herr auch hier des Schwachen, um über das Starke zu triumphieren. In diesem Fall jedoch ist es eine Frau, die den Sieg davonträgt: Judit, die sich nicht von der Feigheit und dem Unglauben der Volksführer abhalten läßt, geht zu Holofernes und tötet ihn, wofür sie den Dank und das Fob des Hohenpriesters und der Ältesten von Jerusalem erntet. Diese sagen zu der Frau, die den Feind besiegt hat: „Du bist der Ruhm Jerusalems, du bist die große Freude Israels und der Stolz unseres Volkes. Mit deiner Hand hast du das alles getan, du hast segensreiche Taten für Israel vollbracht, und Gott hat daran Gefallen gehabt. Sei gesegnet vom Herrn, dem Allmächten, für ewige Zeiten“ (Jdt 15,9-10). 4. In einer anderen für die Juden schwierigen Situation handelt die im Buch Ester erzählte Begebenheit. Im Perserreich ordnet der Verwalter des Königs, Haman, die Ausrottung der Juden an. Um die Gefahr abzuwenden, holt Mordechai, ein Jude, der in der Burg Susa lebt, seine Nichte Ester zu Hilfe, die im Königspalast lebt, wo sie den Rang einer Königin innehat. Sich dem geltenden Gesetz widersetzend, geht sie trotz Androhung der Todesstrafe zum König, ohne gerufen zu sein, und erlangt den Widerruf des Erlasses 47 A UDIENZEN UND ANGELUS über die Ausrottung. Haman wird hingerichtet, Mordechai wird erhöht, und die Juden, von der Gefahr befreit, siegen über ihre Feinde. Judit und Ester setzen beide ihr Leben aufs Spiel, um ihrem Volk zur Rettung zu verhelfen. Die beiden Eingriffe sind aber sehr verschieden: Ester tötet den Feind nicht, sondern tritt als Mittlerin zugunsten derer ein, die von der Ausrottung bedroht sind. 5. Diese Aufgabe der Fürsprache wird dann vom ersten Buch Samuel einer anderen Frauengestalt, Abigajil, der Frau von Nabal, zugeschrieben. Auch hier wird durch ihr Eingreifen in einem anderen Fall Rettung gebracht. Sie geht David entgegen, der entschlossen ist, die Familie Nabals zu töten, bittet um Vergebung der Schuld ihres Ehemannes und rettet ihr Haus vor dem sicheren Untergang (I Sam 25). Es ist leicht zu erkennen, daß die alttestamentliche Tradition vor allem in den Schriften, die der Ankunft Christi näher liegen, das entscheidende Handeln der Frau zur Rettung Israels hervorhebt. Auf diese Weise prägte der Heilige Geist durch das Eingreifen von Frauen mit immer größerer Feinheit die Merkmale der Sendung Marias im Heilswerk der ganzen Menschheit. Graßworte des Papstes in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Seminaristen der Diözese Aachen sowie den Professoren und Studenten der theologischen Fakultät der Universität Leipzig. Ferner begrüße ich die Gruppe von Eltern, Lehrern und Schülern der katholischen Schulen der Diözese Münster sowie alle Schüler- und Jugendgruppen aus Deutschland und Österreich. Herzlich begrüße ich auch die verschiedenen Chöre und Männergesangvereine sowie die Gruppen verschiedener evangelisch-lutherischer Kirchengemeinden. Mit meiner Bitte, diese Wochen der Fastenzeit zu einer rechten Vorbereitung auf die Feier der Auferstehung unseres Herrn zu nutzen, erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, von Herzen den Apostolischen Segen. 48 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Kreuz Christi als Gradmesser der Liehe Angelus am Palmsonntag, 31. März Liebe Brüder und Schwestern! l.In diesem Augenblick wird ein sehr bedeutungsvolles Symbolgeschehen neu belebt: die Übergabe des Kreuzes des Heiligen Jahres. Die Jugendlichen der Philippinen - ihre Anwesenheit hier unter uns führt uns in Gedanken und mit dem Herzen zurück zu dem denkwürdigen Treffen von Manila im Januar des vergangenen Jahres - übergeben das Kreuz an ihre französischen Altersgenossen, die sich als Gastgeber auf den zwölften Weltjugendtag vorbereiten, der im August 1997 in Paris stattfindet. Das Kreuz führt uns im Geist zum Kalvarienberg. Mit Maria stehen wir zu Füßen des sterbenden Christus. Das Kreuz spricht zu uns von Gottes Barmherzigkeit. Lassen wir uns ergreifen von diesem unendlichen Erbarmen, das mahnt, umwandelt und heilt, kommen wir dem Drama des Sohnes Gottes, der das Leben für uns hingibt, in Liebe und Achtung näher. Liebe Jugendliche, lernt im Kreuz das Maß der Liebe Gottes lesen: ein Maß ohne Maß! Richtet den Blick auf den Gekreuzigten, und erfaßt sorgsam die Botschaft, die er - der einzige, der Worte des ewigen Lebens hat - an jeden richtet. Aus dem Kreuz schöpft ihr die Kraft, Euer Zeugnis als Jünger und Boten des Evangeliums aufrechtzuhalten und zu nähren. In Englisch sagte der Papst: 2. Mit besonderer Freude grüße ich die Gruppe junger Leute aus den Philippinen, begleitet von Weihbischof Rolando Tirana aus Manila. Sie haben das Kreuz des Heiligen Jahres auf diesen Platz zurückgebracht. Gemeinsam mit Euch danke ich dem Herrn für all das Gute, das seine Gnade anläßlich des Weltjugendtages in Manila vollbracht hat. Wenn Ihr nach Hause zurückkehrt, überbringt allen anderen jungen Menschen die herzlichen und guten Wünsche des Papstes, und vermittelt ihnen seinen Aufruf, hochherzige Arbeiter in der Neuevangelisierung zu sein, so daß das Evangelium Jesu Christi das Licht, die Wahrheit und der Frieden für die Männer und Frauen des großen asiatischen Kontinents sein möge. Mabühay Philipinas! In Französisch sagte der Papst: 3. Jetzt grüße ich die Delegation der Jugendlichen aus verschiedenen französischen Regionen, angeführt von Jean-Marie Kardinal Lustiger, dem Erzbischof von Paris. Ihr seid nach Rom gekommen, um das Kreuz des Heiligen Jahres in Empfang zu nehmen, das auf französischem Boden einen Pilgerweg bis zur Feier des nächsten Weltjugendtages im August 1997 beginnt. Auf dem Weg ins dritte Jahrtausend 49 AUDIENZEN UND ANGELUS steht das Treffen von Paris unter dem Thema: „Meister, wo wohnst du? Kommt und seht!“ (Joh 1,38-39). So gehen wir auf die Suche nach dem Herrn, um die Freude und Kraft seiner Freundschaft zu kosten und seine Gegenwart in der Kirche und in unseren Mitmenschen zu entdecken. Nach einem spanischen Grußwort sagte der Papst in deutscher Sprache: Herzlich grüße ich auch Euch, liebe Jugendliche aus den Ländern deutscher Sprache, die Ihr zum Weltjugendtag nach Rom gekommen seid. Erkennt im Kreuz des Herrn die unermeßliche Liebe Gottes, und seid treue Zeugen dieser Liebe in eurem Alltag! Nach portugischen und polnischen Grußworten sagte der Papst zum Schluß auf italienisch: In dieser Zeit des Leidens des Herrn richten sich unsere Gedanken und unsere Gebete auf die sieben Mönche des Trappistenklosters „Notre-Dame de l’Atlas“ in Algerien, die immer noch in der Hand der Entführer sind. Ich appelliere an den menschlichen Sinn der Brüderlichkeit und bitte um die sofortige Freilassung dieser Ordensleute, die als Zeugen des Absoluten inmitten einer muslimischen Bevölkerung bleiben wollten, mit der sie seit Jahren Bande der Freundschaft und gegenseitigen Achtung geknüpft hatten. Mögen sie heil und gesund in ihr Kloster zurückkehren und ihren Platz unter den algerischen Freunden wiedereinnehmen! Möge Gott alle Bürger dieser Nation erleuchten, damit sie unverzüglich den vom Volk so heiß ersehnten Weg des wahren Friedens beschreiten! Ostern — Erfüllung christlichen Lehensvollzugs Ansprache bei der Generalaudienz am 3. April 1. Morgen beginnt mit der Abendmahlsmesse das österliche Triduum vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung Christi, der Höhepunkt des ganzen Kirchenjahres und Wesenskem des Glaubens und des Gebetes der Kirche (vgl. Sacro-sanctum Concilium, Nr. 102). Am Abend des Gründonnerstags gedenkt die Kirche des Letzten Abendmahls, bei dem der Herr Jesus am Vorabend seines Leidens - weil er die Seinen, die in der Welt waren, bis ans Ende liebte - dem Vater seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein darbrachte. Er gab sie den Aposteln zur Speise und tmg ihnen auf, das immer wieder zu seinem Gedächtnis zu vollziehen. Dem Gebot Jesu gehorsam, feiert die Kirche die Abendmahlsmesse in dem Bewußtsein ihrer Verpflichtung, in jeden Alltag des Lebens die Gesten des Dienstes und der Bruderliebe zu übertragen, die im höchsten Opfer des Herrn, das in der Eucharistie sakramental gegenwärtig ist, ihren Sinn und ihren Ursprung haben. In der feierlichen Karfreitagsliturgie bedenkt die kirchliche Gemeinschaft das Geheimnis des Todes Christi und verehrt das Kreuz. Dabei gedenkt sie des Gesche- 50 AUDIENZEN UNDANGELUS hens, daß sie aus der durchbohrten Seite des Herrn geboren wurde und spricht die Fürbitten für das universale Heil der Welt. An diesem Tag des „österlichen Fastens“ (ebd., Nr. 110) wird keine Eucharistie gefeiert, sondern die Gläubigen verkünden voll Hoffnung das Geschenk, als welches der Sohn sich selbst für das Heil der Menschen hingegeben hat, während er ihnen die unendliche Liebe des Vaters offenbarte (vgl. Joh 3,16) und alle Leiden und Demütigungen der Menschheit auf sich nahm. 2. Der Karsamstag ist der Tag, an dem die Kirche die Grabesruhe Christi nach dem siegreichen Kampf des Kreuzes betrachtet. Sie gedenkt seines Abstieges in das Reich des Todes, wo er die Wurzeln der Menschheit heilte, und wartet darauf, daß sich seine Verheißung erfüllt: „Der Menschensohn (wird) den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden übergeben; sie werden ihn ... töten. Aber nach drei Tagen wird er auferstehen“ {Mk 10,33-34). Ein alter Schriftsteller beschreibt das Geheimnis des Karsamstags mit poetischen Worten voll des Glaubens: „Tiefes Schweigen herrscht heute auf der Erde, tiefes Schweigen und Einsamkeit. Tiefes Schweigen, weil der König ruht: ,Furcht packt die Erde, und sie verstummt“!, weil Gott - als Mensch - in Schlaf gesunken ist und Menschen auferweckt hat, die seit unvordenklicher Zeit schlafen. Gott ist -als Mensch - gestorben, und die Unterwelt erbebt. Gott ist für kurze Zeit in Schlaf gesunken und hat die in der Welt des Todes auferweckt.“ Der Text geht weiter und beschreibt dann das Zwiegespräch zwischen Christus und Adam: „Deinetwegen wurde ich dein Sohn, ich, dein Gott“ ... für dich und für die, welche von dir abstammen, spreche ich jetzt, und mit meiner Macht befehle ich denen, die gefangen waren: Kommt heraus! Und denen, die tot waren: Steh auf! Ich gebiete dir: „Wach auf, Schläfer, und steh auf von den Toten“ ... „Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Gefängnis der Unterwelt festgehalten wirst. ,Steh auf von den Toten!“ Ich bin das Leben der Toten. Steh auf, mein Geschöpf, steh auf, meine Gestalt, nach meinem Abbild geschaffen“ ... „Du wurdest vom Garten ausgestoßen“ ... Ich aber stelle dich nicht wieder in jenen Garten, sondern setze dich auf den himmlischen Thron ... Bereitet ist für dich seit ewigen Zeiten das Himmelreich ... (vgl. Stundengebet vom Karsamstag; PG 43, 439, 451, 462-463). Am Karsamstag identifiziert sich die Kirche erneut mit Maria: Ihr vollständiger Glaube ist in ihr, der ersten Glaubenden, zusammengefaßt. In dem Dunkel, das die Schöpfung umhüllt, hält sie als einzige die Flamme des Glaubens wach und bereitet sich darauf vor, die frohe und staunenswerte Nachricht von der Auferstehung zu empfangen. In Erinnerung an die Mutter des Herrn wird die christliche Gemeinschaft an diesem Tag, an dem sie keine Liturgie feiert, aufgefordert, sich in das Schweigen und die Betrachtung zu versenken und erwartungsvoll die selige Hoffnung auf die neue Begegnung mit ihrem Herrn zu nähren. 51 AUDIENZEN UNDANGELUS 3. In der großartigen Feier der Ostemacht begeht die Kirche voll Freude, die im Gesang des Halleluja mündet, die Nacht des „neuen Auszugs“ in das verheißene Land. Sie gedenkt der heiligen Nacht, in der der Herr auferstanden ist, und wacht in Erwartung seiner Rückkehr, wenn Ostern seine ganze Vollendung haben wird. Drei Symbole kennzeichnen die drei liturgischen Abschnitte der Ostemacht, die uns von der alten Verdammnis befreit und uns als Brüder und Schwestern zu dem einen Volk des Herrn vereint: das Licht, das Wasser und das Brot. Zeichen, welche die Sakramente der christlichen Initiation in Erinnerung rufen und die Bedeutung des Sieges Christi für unser Heil deutlich machen. Über allen herrscht die Gmndsymbolik der „Nacht, die hell wird wie der Tag“, die das Leben besingt, das dem Tod und der Auferstehung Christi entspringt: Er ist unser Ostern (vgl. 1 Kor 5,7); er ist das Licht, das die Existenz des Menschen erhellt, indem es ihn von der Finsternis der Sünde befreit. Angesichts des nahenden Tages ertönt laut die Einladung des Apostels, die Werke der Finsternis abzulegen und den Herrn Jesus Christus anzulegen (vgl. Röm 13,12-14), damit der Sieg Christi in uns in Erwartung des ewigen Ostern immer wirksamer werde. 4. Das österliche Triduum bezieht uns sakramental in das Geheimnis dessen mit ein, der „gehorsam (war) bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8), und für alle, die ihm nachfolgen, der Urheber des ewigen Heils wurde (vgl. Hebr 5,9). Es spornt uns auch dazu an, aus unserem Leben eine österliche Existenz zu machen -durchdrungen vom Verzicht auf das Böse und von Zeichen der Liebe - bis zum letzten Ziel: dem physischen Tod, der für den Christen Vollzug des täglich gelebten Ostergeheimnisses in der Hoffnung auf die Auferstehung ist. Ostern erinnert uns daran, daß Christus Quell des ewigen Heils für die Menschen geworden ist, indem er sich persönlich auf dem Kreuzesaltar dargebracht hat. Bitten wir den Herrn, daß die drei österlichen Tage unser Herz in das Geheimnis der Gnade eintauchen, die vom Kreuz ausströmt. Maria, die Mutter des Erlösers, helfe uns, Jesus auf dem Kreuzweg treu zu folgen, um glaubwürdige und frohe Zeugen seiner Auferstehung zu werden. Mit diesen Empfindungen wünsche ich Euch allen, die Ihr hier anwesend seid, und euren Lieben frohe, gesegnete Ostern! In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Einführung in das heilige Triduum grüße ich Euch nochmals sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Jubilarinnen der Armen Schul-schwestem unserer Lieben Frau aus Österreich und Ungarn sowie den Gruppen von Behinderten. Euch allen und Euren Lieben zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen wünsche ich ein frohes und gesegnetes Osterfest und erteile gerne den Apostolischen Segen. 52 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Botschaft des Auferstandenen leben und bezeugen Regina Caeli in Castel Gandolfo am Ostermontag, 8. April 1. „Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, und dort werden sie mich sehen“ {Mt 28,10). Diese Worte der heutigen Liturgie bringen die Einladung des auferstandenen Jesus an die Frauen zum Ausdruck, die am Ostertag zum Grab gegangen waren. „Maria aus Magdala und die andere Maria“ {Mt 28,1) finden das Grab leer und begegnen einem Engel, der ihnen die Auferstehung des Herrn verkündet. Dann sehen sie Jesus, der sie zu den Aposteln sendet, die noch erschüttert sind von den Ereignissen der vorhergegangenen Tage. Heute, am Montag des Engels (Ostermontag), erklingt auch für uns die Botschaft, die die Kirche seit ihren Anfängen wiederholt: „Christus ist auferstanden!“ Das ist die gute Nachricht, die wir auf Grund unserer Taufe und durch unser Lebenszeugnis berufen sind, zu überbringen. Das schönste Geschenk, das der Christ seinen Brüdern und Schwestern anbieten kann und soll, ist: Zeugnis zu geben von der Auferstehung Christi und der Hoffnung, die er uns gebracht hat. Allen und jedem einzelnen verkünden wir also erneut: Christus ist auferstanden, halleluja! 2. Liebe Brüder und Schwestern! Wir leben jetzt in den Tagen der Osteroktav, in denen uns die frohe Atmosphäre der Auferstehung Christi begleitet. Die Liturgie betrachtet die ganze Oktav als einen einzigen Tag, gleichsam um zu unterstreichen, wie stark sich die Gläubigen auf dieses grundlegende Ereignis konzentrieren sollen. Ostern bedeutet die Verkündigung einer vollständigen Neuheit für uns und für die ganze Menschheit; es ist der Sieg des Lebens über den Tod. Ostern ist das Fest des Wiedererwachens und der Erneuerung. Lassen wir uns mit unserem ganzen Leben von der Auferstehung Christi ergreifen. Stärken wir in uns das Gefühl, daß der Auferstandene in uns und in der Welt lebt und wirkt! Bitten wir die seligste Jungfrau, die stumme Zeugin des Todes und der Auferstehung Christi, uns voll in die Osterfeude einzuführen. Wir tun es jetzt mit dem Gebet des „Regina Caeli“, das in der Osterzeit das Angelusgebet ersetzt. Die Würde der Frau in alttestamentlichen Schriften Ansprache bei der Generalaudienz am 10. April 1. Das Alte Testament und die jüdische Tradition bezeigen hohe Achtung vor der moralischen Würde der Frau, die besonders in der Haltung des Vertrauens auf den Herrn, im Gebet um das Geschenk der Mutterschaft und in der Bitte an Gott für die Rettung Israels vor den Angriffen seiner Feinde zum Ausdruck kommt. Manchmal, wie im Fall Judits, wecken diese Eigenschaften die Bewunderung aller und werden von der ganzen Gemeinschaft gewürdigt. 53 AUDIENZEN UND ANGELUS Neben den leuchtenden Vorbildern der heroischen biblischen Frauengestalten fehlt es nicht an negativen Zeugnissen einiger Frauen wie Delila, die Verführerin, die die prophetische Tätigkeit Simsons zugrunde richtet (Ri 16,4-21); oder wie die ausländischen Frauen, die das Herz des alternden Königs Salomo vom Herrn abkehren und ihn andere Götter verehren lassen (7 Köm 11,1-8); oder Isebel, die „die Propheten des Herrn“ umbringt (7 Kön 18,13) und Nabot töten läßt, um Ahab seinen Weinberg zu geben (7 Kön 21); oder wie Ijobs Frau, die ihn in seinem Unglück schmäht und zur Rebellion auffordert (7/ob 2,9). Das Verhalten der Frau erinnert in diesen Fällen an das von Eva. Der vorherrschende Ausblick der Bibel bleibt jedoch der vom Protoevangelium vorgegebene, der in der Frau die Verbündete Gottes sieht. 2. In der Tat, während die ausländischen Frauen beschuldigt werden, Salomo von der Verehrung des wahren Gottes abgelenkt zu haben, wird uns im Buch Rut dagegen die Gestalt einer sehr edlen ausländischen Frau vorgestellt: Rut, die Moabiterin, vorbildlich wegen ihres Mitgefühls gegenüber den Verwandten und ihrer wahrhaft hochherzigen Demut. Indem sie das Leben und den Glauben Israels teilt, wird sie die Urgroßmutter Davids und Ahnin des Messias. Matthäus fügt sie in den Stammbaum Jesu ein (1,5) zum Zeichen des Universalismus und zur Verkündigung des Erbarmens Gottes, das sich auf alle Menschen erstreckt. Unter den Vorfahren Jesu nennt der erste Evangelist auch Tamar, Rahab und die Frau des Urija, drei nicht boshafte Sünderinnen, die unter die Vorfahren des Messias eingereiht wurden, um die Güte Gottes zu verkünden, die größer als die Sünde ist. Durch seine Gnade läßt Gott an seinen Heilsplänen ihre ungeordnete eheliche Situation mitwirken und bereitet auch auf diese Weise die Zukunft vor. Ein weiteres Vorbild demütiger Hingabe, aber verschieden von Rut, ist die Tochter Jiftachs, die es auf sich nimmt, den Sieg ihres Vaters über die Ammoniter mit dem eigenen Tod zu bezahlen (Ri 11,34-40). Während sie ihr grausames Schicksal beweint, lehnt sie sich nicht auf, sondern geht in den Tod, um das unüberlegte Gelübde zu erfüllen, das der Vater im Zusammenhang mit den noch gewohnten Bräuchen gelobt hatte (vgl. Jer 7,31; Mi 6,6-8). 3. Die Weisheitsliteratur sieht in der Frau, obwohl sie oft auf deren Fehler anspielt, einen verborgenen Schatz: „Wer eine Frau gefunden, hat Glück gefunden und das Gefallen des Herrn erlangt“ (Spr 18,22), sagt das Buch der Sprichwörter und drückt damit die überzeugte Wertschätzung für die Gestalt der Frau, das wertvolle Geschenk des Herrn, aus. Am Schluß dieses Buches wird das Bild der idealen Frau gezeichnet, das keinesfalls ein unerreichbares Vorbild darstellen will, sondern ein konkreter Vorschlag ist, hervorgegangen aus der Erfahrung wertvoller Frauen: „Eine tüchtige Frau, wer findet sie? Sie übertrifft alle Perlen an Wert...“ (Spr 31,10). Die Weisheitsliteratur bezeichnet die Treue der Frau zum göttlichen Bund als Gipfel ihrer Fähigkeiten und als Grund höchster Bewunderung. In der Tat übertrifft 54 AUDIENZEN UND ANGELUS die Frau, auch wenn sie zuweilen enttäuscht, dennoch alle Erwartungen, sobald ihr Herz Gott treu ist: „Trügerisch ist Anmut, vergänglich die Schönheit, nur eine gottesfürchtige Frau verdient Lob“ (Spr 31,30). 4. In diesem Zusammenhang bietet uns das Buch der Makkabäer mit der Geschichte über die Mutter und das Martyrium der sieben Brüder während der Verfolgung unter Antiochus Epiphanus das bewundernswerteste Vorbild von Edelmut in der Stunde der Prüfung. Nachdem er den Tod der sieben Brüder beschrieben hat, fügt der Verfasser hinzu: „Auch die Mutter war überaus bewundernswert, und sie hat es verdient, daß man sich an sie mit Hochachtung erinnert. An einem einzigen Tag sah sie nacheinander ihre sieben Söhne sterben und ertrug es tapfer, weil sie dem Herrn vertraute. In edler Gesinnung stärkte sie ihr weibliches Gemüt mit männlichem Mut, redete jedem von ihnen in ihrer Muttersprache zu“ und brachte ihre Hoffnung auf eine zukünftige Auferstehung so zum Ausdruck: „Nein, der Schöpfer der Welt hat den werdenden Menschen geformt, als er entstand; er kennt die Entstehung aller Dinge. Er gibt euch gnädig Atem und Leben wieder, weil ihr jetzt um seiner Gesetze willen nicht auf euch achtet“ (2 Makk 7,20-23). Indem sie den siebten Sohn ermutigt, lieber zu sterben als das göttliche Gesetz zu übertreten, drückt die Mutter ihren Glauben an Gottes Wirken aus, der alles aus dem Nichts erschafft: „Ich bitte dich, mein Kind, schau dir den Himmel und die Erde an; sieh alles, was es da gibt, und erkenne: Gott hat das aus dem Nichts erschaffen, und so entstehen auch die Menschen. Hab keine Angst vor diesem Henker, sei deiner Brüder würdig, und nimm den Tod an! Dann werde ich dich zur Zeit der Gnade mit deinen Brüdern wiederbekommen“ (2 Makk 7,28-29). Zum Schluß geht auch sie in den blutigen Tod, nachdem sie siebenmal das Martyrium des Herzens erlitten und dabei unerschütterlichen Glauben, grenzenlose Hoffnung und Heldenmut bewiesen hatte. In diesen Frauengestalten, in denen die Wundertaten der göttlichen Gnade offenbar werden, ist sie, Maria, die Mutter des Herrn, die größte Frau, schon zu erahnen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In österlicher Freude grüße ich Euch alle, die Ihr aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen oder durch Radio Vatikan mit uns verbunden seid. Besonders grüße ich die Teilnehmer an der Jugend-Oster-Romwallfahrt der Diözese Regensburg und alle Jugend- und Ministrantengruppen. Auch den Domchor und die Domkantorei des Paderbomer Doms heiße ich herzlich willkommen sowie die Priester aus der Diözese Regensburg, die ihr 25jähriges Weihejubiläum feiern. Euch allen und Euren Lieben daheim erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 55 AUDIENZEN UND ANGELUS Kultureller Austausch und religiöser Dialog zwischen Christen und Muslimen in Tunesien Ansprache bei der Generalaudienz am 17. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es war mir eine große Freude, am vergangenen Sonntag Tunesien und die dortige katholische Gemeinschaft zu besuchen, die mit großer geistlicher Lebendigkeit Zeugnis für das Evangelium gibt. Ich reiste nach Tunis auf Einladung des Diözesanbischofs, Msgr. Fouad Twal, und des Präsidenten der Tunesischen Republik, Zine El Abidine Ben Ali. Ich danke dem Bischof von Tunis und den anderen Oberhirten der Bischofskonferenz von Nordafrika, die an dem Treffen teilnahmen. Herzlich danke ich auch dem Staatsoberhaupt von Tunesien und mit ihm den Ortsbehörden und allen, die mich mit großer Freundlichkeit empfangen haben, sowie denen, die diese kurze, aber sehr wichtige Reise ermöglichten. Während meines Besuches hatte ich Gelegenheit, die Vertreter des politischen, kulturellen und religösen Lebens Tunesiens zu treffen, eines Landes, das Erbe einer großen Vergangenheit ist. Auf seinem Gebiet - wie auch auf dem der Nachbarländer - sind die wichtigsten Kulturen des Mittelmeerraumes einander gefolgt: von der kretischen zur griechischen, von der phönizischen zur römischen und zur arabischen Kultur. Das tunesische Volk darf sich edler geistlicher Traditionen rühmen. Es lag mir am Herzen, ihm meine Hochschätzung und die der Kirche zu bekunden. Die von der Vorsehung gewollte Begegnung bot mir außerdem die Gelegenheit, die Unterstützung des Hl. Stuhles zum Ausdruck zu bringen für die laufenden Bemühungen, um das Einvernehmen und die Zusammenarbeit unter den Ländern des Mittelmeerraumes zu fördern. Denn ich bin überzeugt, daß die ganzheitliche Entwicklung von Individuum und Gesellschaft zur Stabilität und zum Frieden in dieser Region beitragen wird: einem Frieden, der Hand in Hand geht mit Gerechtigkeit und Brüderlichkeit. 2. Dank sage ich vor allem Gott, der mir die Möglichkeit gegeben hat, einer kirchlichen Gemeinschaft zu begegnen, die in dem Land verwurzelt ist, welches das unvergeßliche Zeugnis von Märtyrern der ersten christlichen Jahrhunderte gesehen hat. Schon im zweiten Jahrhundert nach Christus wurde das Evangelium in dieser Region verbreitet, die drei Jahrhunderte zuvor Provinz mit Senatsrang des Römischen Reiches geworden war - nach dem langen Konflikt mit Rom, der als die „Punischen Kriege“ in die Geschichte eingegangen ist. Wie könnte man den hl. Speratus und seine Gefährten vergessen, die in Karthago ihr Blut für den Glauben an den einen Gott vergossen haben? Und, weiter, Felizitas und Perpetua, die mutigen Frauen, die den Raubtieren vorgeworfen wurden, weil sie ihren Glauben an Christus bekannten. Ihre Namen wurden dann in den Römischen Kanon eingefügt. An den Orten ihres Martyriums beten zu können - besonders während des 56 AUDIENZEN UND ANGELUS Aufenthaltes in den Ruinen des römischen Amphitheaters war für mich Grund zu tiefer Ergriffenheit. Diesem Teil Nordafrikas verdankt die gesamte Kirche auch herausragende Hirten. Es genügt, den hl. Zyprian, Bischof von Karthago und Märtyrer, zu nennen, der unter Papst Kornelius ein eifriger Verteidiger der Einheit der Kirche war, sowie den hl. Augustinus, Bischof von Hippo, dessen Lehre für die Kirche eine Quelle der Inspiration von außerordentlichem theologischem und spirituellem Reichtum war und bleibt. Ebensowenig darf man den genialen und kämpferischen Kirchenschriftsteller Tertullian vergessen. 3. Mein Besuch bei der katholischen Gemeinschaft Tunesiens am Weißen Sonntag, dem Fest der göttlichen Barmherzigkeit, sollte die Gläubigen in ihrer Taufberufung und ihrem Zeugnis der Brüderlichkeit und des Dienstes unter dem tunesischen Volk stärken. Bei der Eucharistiefeier in der Kathedrale von Tunis traf ich Christen aus dem ganzen Land, die gekommen waren, um mit dem Nachfolger Petri den gemeinsamen Glauben an den auferstandenen Christus zum Ausdruck zu bringen. Diese christliche Minderheit bezeugt voll Mut und Enthusiasmus die allumfassende Liebe Gottes unter den muslimischen Freunden in einem Land, das sich durch Offenheit und Toleranz auszeichnet. Es ist eine Kirche, die in ihrer Beschaffenheit als kleine Herde die Unentgeltlichkeit des Geschenkes Gottes erfährt und es mit allen teilen will, indem sie brüderliche Bande knüpft. Ich wollte den Einsatz der Christen zugunsten des Menschen und der ganzheitlichen Entwicklung der Gesellschaft ermutigen. Zu diesem Zweck möchte ich hier die verborgen wirksame Rolle so vieler gottgeweihter Personen und vieler Laien hervorheben, die sich hochherzig in den Dienst der Ärmsten und Schutzlosesten stellen. Durch die Förderung des Menschen, besonders des schwächsten, wird die liebevolle Zuwendung Gottes verbreitet als deutliches Zeichen, daß Gott alle Menschen ohne Unterschied von Religion oder Nationalität liebt. Die Kirche verkündet nicht nur durch die Werke der Solidarität das Evangelium der Nächstenliebe, sondern bemüht sich darüber hinaus um den Dialog mit den anderen Kulturen. Durch ihren Einsatz in der Erziehung, in der Bildung und im kulturen Austausch bezeugt die christliche Gemeinschaft die Achtung, die sie den Kulturen der Männer und Frauen dieses Landes entgegenbringt. Über diese Themen habe ich schon vor zehn Jahren bei dem Treffen in Casablanca (in Marokko) mit den jungen Muslimen gesprochen. 4. Ich habe daher mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß in Tunesien kultureller Austausch und religiöser Dialog zwischen Christen und Muslimen schon seit vielen Jahren eine wichtige Rolle spielen und es weiterhin tun. Viele gemeinsame Initiativen sind entstanden; Begegnungszentren fördern das Zusammenleben; tunesische Muslime und in Tunesien lebende Christen beteiligen sich an For-schungs- und Studiengruppen, deren Arbeit grenzüberschreitend geschätzt wird. Zwischen der berühmten tunesischen Universität Zaytouna und einigen Päpst- 57 A UDIENZEN UND ANGELUS liehen Universitäten in Rom verspricht sich ein akademischer Austausch zu entwickeln. Das alles liegt auf der Linie, die das II. Vatikanische Konzil gezeichnet hat, das in der Erklärung Nostra aetate festhält: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten ... Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen ... Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen“ (Nr. 3). Wie sollte man einen so nützlichen Dialog nicht ermutigen? Möge Gott den Raum für die Begegnung und den brüderlichen Austausch im Dienst am Menschen und in beharrlicher Suche nach der göttlichen Wahrheit ständig erweitern. Ich bin gewiß, daß die Früchte einer solchen wechselseitigen Zusammenarbeit sich zum Wohl aller erweisen werden. 5. Außer der christlichen Gemeinschaft in Tunesien - die sich zum Großteil aus Gläubigen, die aus Europa und aus anderen Teilen der Welt kommen, zusammensetzt - konnte ich auch den Christen meinen Gruß bringen, die in den anderen Ländern des Maghreb leben: in Marokko, Algerien und Libyen. Als ich mit den Bischöfen dieser Länder zusammentraf, wollte ich jeder ihrer Gemeinschaften die liebevolle Zuwendung des Nachfolgers Petri bekunden. Ganz besonders dachte ich an die schwergeprüften christlichen Gemeinschaften Algeriens, wo man immer noch mit Besorgnis auf die Freilassung der vor drei Wochen entführten sieben Mönche wartet. Wie bei meinem Besuch einiger afrikanischer Länder im September vergangenen Jahres wollte ich auch diesen kirchlichen Gemeinschaften die Botschaft der Hoffnung der afrikanischen Synode übermitteln, die in dem Apostolischen Schreiben Ecclesia in Afrika Ausdruck gefunden hat. Die Anwesenheit auch einer Delegation nichtchristlicher Tunesier in der Kathedrale zeugt davon, daß viele in diesem Land, wenngleich sie nicht dem Evangelium folgen, Beziehungen der Freundschaft und Wertschätzung mit dem Christentum unterhalten und vielleicht in gewisser Weise an der Lehre und Tätigkeit der Kirche interessiert sind. In dieser Hinsicht war der Tunesienbesuch sehr wichtig. Er stellt einen Baustein in der Verwirklichung des der Kirche vom II. Vatikanischen Konzil aufgezeigten Programms dar und ist zugleich ein Beitrag in der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Unserer Lieben Frau von Karthago, der Patronin der Diözese Tunis, empfehle ich die Zukunft der christlichen Gemeinschaften in dieser Region Nordafrikas an. Die heilige Jungfrau geleite sie auf ihrem Weg zu Christus, dem Auferstandenen, sie helfe ihnen in der Stunde der Prüfung, sie tröste sie immerdar durch ihren mütterlichen Beistand! 58 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Mit dem innigen Wunsch, die österliche Freude und die Hoffnung mögen uns auf unserem Glaubensweg begleiten, grüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Ministranten und Jugendgruppen aus der Schweiz und an die Schülergruppen aus der Bundesrepublik Deutschland. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die mit uns verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Ostern bringt auch heute Heil und Hoffnung für die Welt Regina Caeli am 21. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im liturgischen Geschehen von Ostern bis Pfingsten versenkt sich die Kirche in die Betrachtung des auferstandenen Christus. So durchlebt sie neu die ursprüngliche Erfahrung, die ihrer Existenz zugrunde hegt. Sie ist von dem Staunen der Magdalena und der anderen Frauen erfüllt, die am Ostermorgen zum Grab Christi gegangen waren und es leer gefunden hatten. Dieses Grab war zum Schoß des Lebens geworden. Wer Jesus verurteilt hatte, meinte irrtümlicherweise, seine Sache unter einem kalten Stein begraben zu können. Selbst die Jünger ließen den Mut sinken angesichts des Eindrucks eines unvermeidbaren Scheitems. Ihre Überraschung, ja ihr Mißtrauen angesichts der Nachricht vom leeren Grab ist durchaus verständlich. Aber der Auferstandene ließ nicht auf sich warten, sondern zeigte sich ihnen, und vor der Wirklichkeit gaben sie nach. Sie sahen und glaubten! Zweitausend Jahre danach ist noch die unsagbare Gemütsbewegung zu spüren, die sie empfanden, als sie des Meisters Gmß an sie hörten: „Friede sei mit euch!“ 2. Auf die von ihnen gemachte außerordentliche Erfahrung stützt sich die Kirche. Die erste Verkündigung des Evangeliums war nichts anderes als die Bestätigung dieses Ereignisses: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen!“ (Apg 2,32). Der christliche Glaube ist so eng mit dieser Wahrheit verbunden, daß Paulus ohne Zögern erklärt: „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos“ (1 Kor 15,14). Dieselbe Richtung verfolgt der Katechismus der Katholischen Kirche, wenn er lehrt: „Die Auferstehung Christi ist die Wahrheit, in der unser Glauben an Christus gipfelt; die christliche Urgemeinde glaubt und lebt sie als zentrale Wahrheit, die Überlieferung gibt sie als grundlegend weiter, die Dokumente des Neuen Testamentes weisen sie nach; zugleich mit dem Kreuz wird sie als wesentlicher Teil des 59 AUDIENZEN UND ANGELUS Paschamysteriums verkündet“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 638). Die Auferstehung Christi ist die Stärke, das Geheimnis des Christentums. Sie ist kein Mythos und kein Symbol, sondern ein konkretes Ereignis. Sichere und überzeugende Beweise bestätigen das. Die Annahme dieser Wahrheit, die eine Frucht der Gnade des Heiligen Geistes ist, stützt sich zugleich auf ein festes geschichtliches Fundament. An der Schwelle des dritten Jahrtausends kann der neue Anstoß zur Evangelisierung nur von einer erneut gelebten Erfahrung dieses Geheimnisses ausgehen, das im Glauben angenommen und im Leben bezeugt wird. 3. Regina caeli, laetare! Freu dich, seligste Jungfrau, denn der, den du im Schoß getragen hast, ist auferstanden! Liebe Brüder und Schwestern, versuchen wir, die Freude der Auferstehung mit dem Herzen Marias zu empfinden, die sich auch durch das Dunkel des Karfreitags darauf vorbereitete, das Licht des Ostermorgens aufzunehmen. Bitten wir sie, uns einen tiefen Glauben an dieses außerordentliche Geschehen zu erlangen, das Heil und Hoffnung für die Welt ist. Die vergangene Woche war leider von einer unglaublichen Gewalttat gekennzeichnet, die ein weiteres Mal den Nahen Osten erschüttert hat. Wieder war es die Zivilbevölkerung - vor allem die libanesische -, die die Kriegshandlungen, für die man kaum eine annehmbare Entschuldigung findet, teuer bezahlen mußte. Den Kämpfenden jeder Seite und denen, die diese Haltung teilen, lege ich erneut nahe, daß der wahre Frieden und die wahre Gerechtigkeit nicht durch Haß und Waffengewalt zu erreichen sind. Im Zusammenhang mit diesem Leidensbild möchte ich auch darauf hinweisen, daß morgen in Genf bei den Vereinten Nationen eine wichtige Konferenz über den Abbau der besonders schädlichen konventionellen Waffen, vor allem der menschenverachtenden Landminen, beginnt. Es handelt sich um Waffen, die millionenfach in allen Teilen der Welt, vor allem in Kambodscha, Angola, Afghanistan sowie Bosnien und Herzegovina eingesetzt werden. Sie haben verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung und vor allem für die Kinder. Ich fühle mich verpflichtet, an alle Verantwortlichen einen eindringlichen Appell zu richten: Verzichtet auf solche Todesinstrumente, und beschließt ihr endgültiges Produktions-, Handels- und Anwendungsverbot. Am kommenden Donnerstag jährt sich zum zehnten Mal die furchtbare Atomkatastrophe in der Zentrale von Tschernobyl, Ukraine. In diesem Augenblick möchte ich an die damals entstandene und heute noch bestehende internationale Solidarität erinnern, die den vielen betroffenen Familien und besonders den Kindern gegenüber bezeigt wird. Viele katholische Einrichtungen in Italien, in Polen und in anderen Ländern haben diese Kinder aufgenommen und ihnen geholfen. Ich spreche ihnen meine lebhafte Wertschätzung aus. Möge Gott in seiner Allmacht und Barmherzigkeit alle Leidenden trösten und denen, die die Entscheidungsgewalt haben, Verantwortlichkeit eingeben, damit sich solche Tragödien nicht wiederholen. 60 AUDIENZEN UND ANGELUS Tochter Zion — eine allegorische Gestalt der Heilsgeschichte Ansprache bei der Generalaudienz am 24. April 1. Die Bibel verwendet oft den Ausdruck „Tochter Zion“ und meint damit die Bewohner der Stadt Jerusalem, deren historisch und religiös bedeutendster Teil der Berg Zion ist (vgl. Mi 4,10-13; Weish 3,14-18; Zach 2,14; 9,9-10). Diese Personifikation als Frau erleichtert die bräutliche Interpretation der Liebesbeziehung zwischen Gott und Israel, das oft als „Verlobte“ oder ,3raut“ bezeichnet wird. Die Heilsgeschichte ist die Geschichte der Liebe Gottes, aber oft auch der Untreue des Menschen. Häufig tadelt das Wort des Herrn die Braut bzw. das Volk, das den mit Gott geschlossenen bräutlichen Bund verletzt: „Doch wie eine Frau ihres Freundes wegen treulos wird, so seid auch ihr mir treulos geworden, ihr vom Haus Israel“ (Jer 3,20), und fordert die Kinder Israels auf, ihre Mutter zu verklagen: „Verklagt eure Mutter, verklagt sie! Denn sie ist nicht meine Frau, und ich bin nicht ihr Mann“ (Hos 2,4). Worin besteht die Sünde der Untreue, mit der Israel, die „Braut“ Jahwes, sich befleckt? Sie besteht vor allem im Götzendienst: Nach der Heiligen Schrift ist für den Herrn die Hinwendung des auserwählten Volkes zu anderen Göttern einem Ehebruch gleichzusetzen. 2. Der Prophet Hosea entwickelt das Thema des bräutlichen Bundes zwischen Gott und seinem Volk und der Untreue des letzteren in eindrucksvollen und dramatischen Bildern: Selbst sein persönliches Schicksal ist ein beredtes Zeichen davon. Denn bei der Geburt der Kinder wird ihm befohlen: „Gib ihr den Namen Kein-Erbarmen! Denn von jetzt an habe ich kein Erbarmen mehr mit dem Haus Israel.“ Und weiter: „Gib ihm den Namen Nicht-mein-Volk! Denn ihr seid nicht mein Volk, und ich bin nicht der Ich-bin-da für euch“ (Hos 1,6.9). Der Verweis des Herrn und die enttäuschende Erfahrung des Götzendienstes bringen die ungetreue Braut wieder zur Vernunft, die voll Reue sagt: „Ich kehre um und gehe wieder zu meinem ersten Mann; denn damals ging es mir besser als jetzt“ (Hos 2,9). Aber Gott selbst will den Bund wiederherstellen, und deshalb wird sein Wort voll Erinnerung, Erbarmen und Zärtlichkeit: „Darum will ich selbst sie verlocken. Ich will sie in die Wüste hinausführen und sie umwerben“ (Hos 2,16). Denn die Wüste ist der Ort, wo Gott mit seinem Volk nach dessen Befreiung von der Knechtschaft den endgültigen Bund geschlossen hat. Durch diese Bilder der Liebe, die das schwierige Verhältnis zwischen Gott und Israel erneut darstellen, erläutert der Prophet das große Drama der Sünde, den unglücklichen Weg der Untreue und die Anstrengungen der göttlichen Liebe, um zum Herzen der Menschen zu sprechen und sie wieder zum Bund zurückzuführen. 3. Trotz der damaligen Schwierigkeiten kündigt Gott durch den Mund des Propheten einen vollkommeneren Bund für die Zukunft an: „An jenem Tag - Spruch 61 A UDIENZEN UND ANGELUS des Herrn - wirst du zu mir sagen: Mein Mann!, und nicht mehr: Mein Baal! ... Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue: Dann wirst du den Herrn erkennen“ (Hos 2,18.21-22). Der Herr läßt auch angesichts der menschlichen Verfehlungen den Mut nicht sinken, sondern antwortet auf die Untreue der Menschen, indem er eine festere und engere Verbindung vorschlägt: „Ich säe sie aus in meinem Land. Ich habe Erbarmen mit Kein-Erbarmen, und zu Nicht-mein-Volk sage ich: Du bist mein Volk!, und er wird sagen: (Du bist) mein Gott!“ (Hos 2,25). Dieselbe Aussicht auf einen neuen Bund wird dem Volk im Exil durch Jeremia dargeboten: „So spricht der Herr: Gnade fand in der Wüste das Volk, das vom Schwert verschont blieb; Israel zieht zum Ort seiner Ruhe. Aus der Feme ist ihm der Herr erschienen: Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, dämm habe ich dir so lange die Treue bewahrt. Ich baue dich wieder auf, du sollst neu gebaut werden, Jungfrau Israel“ (Jer 31,1-4). Trotz der Untreue des Volkes ist die ewige Liebe Gottes immer bereit, den Lie-besbund wiederherzustellen und ein Heil zu schenken, das alle Erwartungen übersteigt. 4. Auch Ezechiel und Jesaja nehmen Bezug auf das Bild der untreuen Frau, der vergeben wurde. Durch Ezechiel sagt der Herr zur Braut: „Aber ich will meines Bundes gedenken, den ich mit dir in deiner Jugend geschlossen habe, und will einen ewigen Bund mit dir eingehen“ (Ez 16,60). Das Buch Jesaja gibt einen liebevollen Sprach wieder: „Denn dein Schöpfer ist dein Gemahl ... Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim. Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in aufwallendem Zorn; aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir, spricht dein Erlöser, der Herr“ (Jes 54,5.7-8). Der Tochter Zion wird eine neue und treue Liebe verheißen, eine wunderbare Hoffnung, die das Verlassen der untreuen Braut übersteigt: „Sagt der Tochter Zion: Sieh her, jetzt kommt deine Rettung. Siehe, er bringt seinen Siegespreis mit: Alle, die er gewonnen hat, gehen vor ihm her. Dann nennt man sie ,Das heilige Volk“, ,Die Erlösten des Herrn. Und dich nennt man ,Die begehrte, die nicht mehr verlassene Stadt“ (Jes 62,11-12). Der Prophet erklärt: .Nicht länger nennt man dich ,Die verlassene und dein Land nicht mehr ,das Ödland, sondern man nennt dich .Meine Wonne und dein Land ,Die Vermählte. Denn der Herr hat an dir seine Freude, und dein Land wird mit ihm vermählt. Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich“ (Jes 62,4-5). Diese Bilder und Verhaltensweisen der Liebe faßt das Hohelied in den Worten zusammen: „Meinem Gebebten gehöre ich, und mir gehört der Gebebte“ 62 A UDIENZEN UND ANGELUS (.Hld 6,3). So wird mit idealen Worten das Verhältnis zwischen Jahwe und seinem Volk beschrieben. 5. Wenn sie die Lesung der Prophetensprüche hörte, berief Maria sich gewiß auf diesen Ausblick, der in ihrem Herzen die messianische Hoffnung nährte. Die an das untreue Volk gewandten Zurechtweisungen sollten in ihr ein verstärktes Bemühen der Treue zum Bund hervorrufen und ihre Seele für das Angebot eines endgültigen bräutlichen Bundes mit dem Herrn in der Gnade und Liebe öffnen. Aus diesem neuen Bund sollte das Heil der ganzen Welt hervorgehen. Grußworte in Deutsch Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Mitgliedern des Rotary Clubs aus Köln, den Pilgern aus der Pfarrkirche St. Nazarius in Ober-Roden, die anläßlich des 100jährigen Jubiläums ihrer Pfarrkirche nach Rom gepilgert sind, sowie den Schülerinnen, Schülern, Lehrkräften und Eltern verschiedener katholischer Privatschulen aus Deutschland. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Geschichtlichkeit der Auferstehung — von Realisten erlebt und bezeugt Regina Caeli am 28. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich hatte heute morgen die Freude, 38 neue Priester der Diözese Rom zu weihen. Die Gabe des Geistes, die sie empfangen haben, ist Frucht des Paschamysteriums. Und diese in der Osterzeit gefeierte Liturgie macht deutlich, daß es der Auferstandene ist, der die hochherzigen jungen Männer, die seinem Ruf folgen, ihm ähnlich macht. Er macht sie zu Führern und Hirten seines Volkes mit der besonderen Aufgabe, seine Auferstehung zu verkünden und mit ihrem Leben zu bezeugen. Es ist das Geheimnis, über das wir bei unseren sonntäglichen Begegnungen nach-denken. Der Katechismus der Katholischen Kirche sieht die Auferstehung des Herrn als „ein wirkliches Geschehen, das sich [...] geschichtlich feststellbar manifestiert hat“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 639). Es geht hierbei um unzweideutige Zeugenaussagen, von denen das Neue Testament berichtet. Die erste Tatsache, welche die Evangelien beqthalten, ist das leere Grab. „Es ist an und für sich kein direkter Beweis“, doch steht fest, daß „seine Entdeckung durch 63 AUDIENZEN UND ANGELUS die Jünger der erste Schritt zu der Einsicht [war], daß Christus tatsächlich auferstanden ist“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 640). An dieser geschichtlich sicheren Nachricht der ersten Stunde halten alle Evangelienberichte fest. Hätte sie der Grundlage entbehrt, wäre es nicht schwer gewesen, sie zu dementieren. 2. Das entscheidende Erlebnis waren indes die Erscheinungen Christi. Ein gewiß völlig einzigartiges Erlebnis, aber - angesichts des Vertrauens, dessen die davon Betroffenen würdig sind - vollends glaubwürdig. Es sind nicht nur Petrus und die anderen Apostel, sondern eine große Zahl von Jüngern, Männern und Frauen, denen der Auferstandene in verschiedenen Situationen und Gelegenheiten begegnet ist, wie auch Paulus bezeugt (vgl. 1 Kor 15,4-8). Um jeden Betrug auszuschließen, genügt es an die Heiligkeit ihres Lebens zu denken, das für viele mit dem Martyrium endete. Darüber hinaus gibt nichts zu der Annahme Anlaß, daß sie mystischer Verzückung oder kollektiver Sinnestäuschung erlegen waren. Einige von ihnen, Fischer aus Galiläa, waren große Realitätsnähe gewohnt, so daß sie auf die ersten Nachrichten von der Auferstehung mit verständlicher Skepsis reagierten: Bezeichnend ist der Fall des Apostels Thomas. Wie sollte man überdies bei Männern, die wegen des traurigen Endes ihres Meisters enttäuscht und niedergeschlagen waren, leichtfertige Schwärmerei annehmen können? Allein die einleuchtende Erkenntnis des auferstandenen Christus - von ihnen mit Sinnen wahrgenommen -erklärt in angemessener Weise, wie sie sich auf eine derart provokatorische Verkündigung einlassen konnten, die die gewalttätige Reaktion der Gegner hervorru-fen mußte. Diese läßt in der Tat nicht auf sich warten und zwingt sie, ihr getreues Zeugnis mit dem Blut zu besiegeln. 3. Die heilige Jungfrau, Mutter des auferstandenen Herrn, unterstütze unseren Glauben, wie sie die Verkündigung der Apostel unterstützt hat. Sie hat eine ganz besondere Beziehung zum Ereignis der Auferstehung: Der Auferstandene ist ihr Sohn! Jener Leib, der im Grab neues Leben erhielt, in verherrlichten Zustand erhoben, ist derselbe, der sich in ihrem Schoß gebildet hatte. Wolle Maria vielen Männern und Frauen unserer Zeit helfen, sich diesem Geheimnis zu öffnen, aus dem Leben und Heil für die ganze Welt hervorgehe. Maria, Tochter Zion, Stellvertreterin der Menschheit Ansprache bei der Generalaudienz am 1. Mai Improvisierte Worte des Papstes zu Beginn der Generalaudienz: Heute ist der 1. Mai: ein Tag, der an vielen Orten der Welt der menschlichen Arbeit gewidmet ist. Die Kirche gedenkt an diesem Tag der Arbeit in Nazaret, wo an der Seite Josefs, des Handwerkers, Jesus selbst jahrelang gearbeitet hat. Wir wollen für alle beten, die Verantwortung für die Arbeit des Menschen tragen, für alle 64 AUDIENZEN UND ANGELUS Arbeitenden der Welt, für die menschliche Arbeit in all ihren Formen. Immer gedenke ich der Enzyklika Laborem exercens, meiner ersten Sozialenzyklika, die sich mit diesem großen Problem befaßt. Heute ist der erste Tag des Monats Mai -des Monats, der ganz der Verehrung Marias gewidmet ist: Eine große Marienverehrung ist mit dem Monat Mai verbunden. Und so erklärt sich auch das Thema der heutigen Katechese. Ein marianisches Thema zur Fortsetzung der mariologischen Katechesen, die in den letzten Monaten gegeben wurden. l.Im Augenblick der Verkündigung wird Maria, die „erhabene Tochter Zion“ (Lumen Gentium, Nr. 55), vom Engel als Stellvertreterin der Menschheit gegrüßt, die berufen ist, ihre Zustimmung zur Menschwerdung des Sohnes Gottes zu geben. Das erste Wort, das der Engel an sie richtet, ist eine Einladung zur Freude: chaire, das heißt, „freu dich!“ Das griechische Wort wurde in das lateinische „Ave“ übersetzt, einen einfachen Gruß, der den Absichten des Boten Gottes und dem Kontext, worin die Begegnung verläuft, nicht ganz zu entsprechen scheint. Gewiß war chaire auch eine bei den Griechen gebräuchliche Grußform, aber die außerordentlichen Umstände, unter denen sie ausgesprochen wird, sind weit entfernt von der Atmosphäre einer gewöhnlichen Begegnung. Denn wir dürfen nicht vergessen: Der Engel weiß, daß er eine in der Menschheitsgeschichte einmalige Botschaft bringt. Deshalb wäre ein einfacher, gewöhnlicher Gruß unangebracht. Dem außerordentlichen Umstand angemessener scheint also der Bezug auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes chaire: „freu dich!“ Wie die griechischen Kirchenväter häufig hervorhoben, indem sie verschiedene Prophetensprüche zitierten, paßt die Einladung zur Freude besonders gut zur Botschaft von der Ankunft des Messias. 2. Man denkt vor allem an den Propheten Zefanja. Der Text der Verkündigung weist eine große Ähnlichkeit mit seiner Verheißung auf: ,Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem!“ (Ze/3,14). Sie enthält die Einladung zur Freude: „Frohlocke von ganzem Herzen“ (ebd.). Sie enthält den Hinweis auf die Gegenwart des Herrn: „Der König Israels, der Herr, ist in deiner Mitte“ (ebd., 3,15). Sie enthält die Aufforderung, sich nicht zu fürchten: „Fürchte dich nicht, Zion! Laß die Hände nicht sinken“ (ebd., 3,16). Und sie enthält auch die Verheißung des heilbringenden Eingreifens Gottes: „Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt“ (ebd., 3,17). Die Parallelen sind so zahlreich und exakt, daß sie leicht in Maria die neue „Tochter Zion“ erkennen lassen, die guten Grund hat, sich zu freuen, weil Gott beschlossen hat, seinen Heilsplan zu verwirklichen. Eine ähnliche Aufforderung zur Freude, wenn auch in einem anderen Kontext, kommt von der Prophetie Joels: „Fürchte dich nicht, fruchtbares Land! Freu dich 65 AUDIENZEN UND ANGELUS und juble; denn der Herr hat Großes getan ... Dann werdet ihr erkennen, daß ich mitten in Israel bin“ (Joel 2,21.27). 3. Bedeutungsvoll ist auch der Spruch von Sacharja, der bei Jesu Einzug in Jerusalem zitiert wird (vgl. Mt 21,5; Joh 12,15). Dort wird die Ankunft des messiani-schen Königs als Grund zur Freude betrachtet: , Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig ... Er verkündet für die Völker den Frieden“ (Sach 9,9-10). Das Buch Jesaja leitet schließlich aus der zahlreichen Nachkommenschaft, dem Zeichen göttlichen Segens, die Botschaft der Freude für das neue Zion ab: , Jreu dich, du Unfruchtbare, die nie gebar, du, die nie in Wehen lag, brich in Jubel aus und jauchze! Denn die Einsame hat jetzt viel mehr Söhne als die Vermählte, spricht der Herr“ (Jes 54,1). Die drei Gründe der Einladung zur Freude: die heilbringende Gegenwart Gottes unter seinem Volk, die Ankunft des messianischen Königs und die unverhoffte, reiche Fruchtbarkeit, finden in Maria ihre volle Verwirklichung. Sie rechtfertigen die inhaltsschwere Bedeutung, die die Tradition dem Gruß des Engels beimißt. Als dieser sie einlud, ihre Zustimmung zur Verwirklichung der messianischen Verheißung zu geben, indem er ihr die höchste Würde der Mutter des Herrn ankündigte, konnte er nicht umhin, sie aufzufordem, sich zu freuen. Denn wie das Konzil betont, „mit ihr als der erhabenen Tochter Zion ist schließlich nach langer Erwartung der Verheißung die Zeit erfüllt und (hat) die neue Heilsökonomie begonnen, als der Sohn Gottes die Menschennatur aus ihr annahm, um durch die Mysterien seines Fleisches den Menschen von der Sünde zu befreien“ {Lumen Gentium, Nr. 55). 4. Der Bericht über die Verkündigung erlaubt uns, in Maria die neue „Tochter Zion“ zu erkennen, die von Gott zu großer Freude aufgefordert wird. Er bringt ihre außerordentliche Rolle als Mutter des Messias, ja Mutter des Sohnes Gottes zum Ausdruck. Die Jungfrau empfängt die Botschaft im Namen des Volkes Davids, aber wir dürfen sagen, daß sie diese im Namen der ganzen Menschheit empfängt, denn das Alte Testament dehnte die Rolle des Messias auf alle Nationen aus (vgl. Ps 2,8; 72,8). Der göttlichen Absicht nach sollte die an sie gerichtete Botschaft auf das universale Heil abzielen. Als Beweis für diese universale Ausrichtung des göttlichen Plans können wir uns einige Texte des Alten und des Neuen Testamentes in Erinnerung rufen, die das Heil mit einem großen Festmahl aller Völker auf dem Berg Zion vergleichen (vgl. Jes 25,6 f.) und das endgültige Hochzeitsmahl des Reiches Gottes ankündigen (vgl. Mt 22,1-10). Als „Tochter Zion“ ist Maria die Jungfrau des Bundes, den Gott mit der ganzen Menschheit schließt. Marias stellvertretende Rolle bei diesem Geschehen ist klar. Und es ist bedeutungsvoll, daß gerade eine Frau eine solche Aufgabe übernimmt. 66 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Maria ist als neue „Tochter Zion“ in der Tat besonders geeignet, den bräutlichen Bund mit Gott zu schließen. Mehr und besser als irgendein Glied des auserwählten Volkes vermag sie dem Herrn das wahre Herz einer Braut anzubieten. Durch Maria ist die „Tochter Zion“ kein gemeinschaftliches Subjekt mehr, sondern eine Person, die die Menschheit vertritt und im Augenblick der Verkündigung auf das Angebot der göttlichen Liebe mit der eigenen bräutlichen Liebe antwortet. So empfängt sie in ganz besonderer Weise die von den prophetischen Sprüchen angekündigte Freude, eine Freude, die in der Erfüllung des göttlichen Planes hier den Höhepunkt erreicht. Grußworte des Papstes in Deutsch: Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich Euch, die Pilger und Besucher deutscher Sprache, sehr herzlich. Besonders grüße ich die Firmlinge der Pfarrei Sankt Martin in Wädenswil sowie die Leser der Paderbomer Bistumszeitung „Der Dom“. Ich freue mich schon sehr auf meinen Besuch in Eurer Bischofsstadt im kommenden Juni. Einen besonders herzlichen Gruß richte ich auch an die Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der Russischen Föderation bei den Internationalen Organisationen in Wien. Euer Dienst für Euer Vaterland und für das gemeinsame Anliegen des Friedens und des Fortschritts der Völker möge von Gottes Schutz und Beistand begleitet sein. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und allen, die mit uns über Radio Vatikan verbunden sind, erteile ich den Apostolischen Segen. Ein Weg zu Christus - volkstümliche Marienverehrung Regina Caeli in Como am 5. Mai 1. Liebe Jugendliche hier in diesem Stadion, liebe Brüder und Schwestern, die Ihr über Rundfunk und Fernsehen mit uns verbunden seid! Ich freue mich, daß ich heute das österliche Marienlob , jRegina caeli“ in Como beten kann. Diese seit frühesten Zeiten bestehende Ortskirche, deren Gebiet sich über Hügel und Täler, Seen und Berge erstreckt, ist deutlich von Marias Gegenwart geprägt. Man zählt in ihr viele Heiligtümer, von denen einige gleichsam als Wachtürme entlang der ganzen Alpenkette auf gereiht sind. Von diesen heiligen Stätten aus wacht die Selige Jungfrau über die Städte und Dörfer der Diözese und breitet ihren mütterlichen Schutz über alle aus, die sich ihr anvertrauen. 2. Ich möchte hier an einige dieser Gotteshäuser erinnern, beginnend bei der Kathedrale von Como, die der in den Himmel aufgenommenen Gottesmutter geweiht ist: In dieses Jahr fällt die 600-Jahr-Feier ihrer Gründung. Von Westen her und bis zur Diözese Bozen-Brixen gehend, findet man unter anderem die Wallfahrtskirche von Ardena und die von Drezzo (die kleinste von allen) - beide der Aufnahme Marias in den Himmel geweiht. Die Wallfahrtskirche zur „Seligen Jungfrau von 67 A UDIENZEN UND ANGELUS der immerwährenden Hilfe“ in Isola Ossuccio am westlichen Seeufer ist vor allem eine Stätte des Gebets um besondere Geistliche Berufungen. Das Heiligtum von Gallivaggio beschützt das Chiavenna-Tal bis zum Splügenpaß, dem althergebrachten Durchgangsweg nach Rom und Italien. Die „Madonna von der Sassella“ wacht über die Stadt Sondrio und das Umland. Die Wallfahrtskirche zum „Heiligen Haus von Loreto“ in Tresivio, ein Denkmal der Kunst und echten Glaubens, und die Kirche zur „Seligen Jungfrau der Gnaden“ von Grosotto sind Ziel frommer Wallfahrten, die die Verehrung bei den Gläubigen fördern. In Tirano steht das Diözesanheiligtum im wahrsten Sinn. Dort erschien die Gottesmutter nach der Überlieferung in Omodei und bat, eine Kirche zu bauen, wo man sie verehren und angerufen solle. Dorthin kommen von überall die Gläubigen, aufgefordert und angeleitet von der kirchlichen Obrigkeit, um Heilung und Umkehr zu erbitten und um Jesus und Maria ihre kindliche Dankbarkeit zu bezeigen. 3. Ich freue mich, mit Euch dieser heiligen Stätten zu gedenken, die Eure Diözese geistlich bereichern. Sie zeugen von einer gefestigten Tradition der Marienverehrung, welche die Jahrhunderte überdauert hat. Zuweilen hört man den Einwand, die Marienverehrung - vor allem die volkstümliche - laufe Gefahr, die Aufmerksamkeit vom Mittelpunkt des Glaubens, nämlich Jesus, der gestorben und auferstanden ist, abzulenken. Aber das ist nicht der Fall. Durch Maria gelangen wir leichter zu ihrem göttlichen Sohn. Maria steht vor uns als Vorbild des Glaubenden und der ganzen Kirche, die gerufen ist, dem Herrn mit ihrem Ja zu antworten. Sie ist die Mutter, die ihre Fürbitte für alle Menschen einlegt: für die nach Gott dürstenden Seelen und für die im Dunkel des Zweifels oder Unglaubens Irrenden, für die körperlich Leidenden oder geistlich Geprüften, für die der Verführung der Sünde Erliegenden und für die um Befreiung von ihren Fesseln Kämpfenden. Ihre mütterliche Sorge läßt niemanden außer acht. Vor kurzem hat der Monat Mai begonnen, der traditionsgemäß der Jungfrau Maria gewidmet ist. Lernen wir von ihr die evangeliumsgemäße Einfachheit von Kindern, die sich der Mutter anvertrauen. Maria führe uns zu Christus in Freud und Leid, „jetzt und in der Stunde unseres Todes“. Amen! Maria, zur Mutter des Herrn erwählt und mit Gnadenfülle ausgestattet Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Mai 1. Die Einleitung, „Freu dich“, des englischen Grußes im Bericht von der Verkündigung ist eine Aufforderung zur Freude, die an die Sprüche des Alten Testamentes erinnert, die an die „Tochter Zion“ gerichtet sind. Das stellten wir in der vorhergegangenen Katechese fest, während wir auch die Gründe nannten, auf denen diese Aufforderung beruht: Gottes Gegenwart in seinem Volk, die Ankunft des 68 AUDIENZEN UND ANGELUS messianischen Königs und Fruchtbarkeit in der Mutterschaft. Diese Gründe kommen in Maria ganz zur Erfüllung. Der Engel Gabriel begrüßt Maria mit „chaire“ - „freu dich“ und nennt sie dann „kecharitomene“ - „voll der Gnade“. Die Worte „chaire“ und „kecharitomene“ des griechischen Textes sind eng miteinander verknüpft: Maria wird eingeladen, sich vor allem zu freuen, weil Gott sie hebt und sie im Hinblick auf ihre Gottesmutterschaft mit Gnade erfüllt hat! Der Glaube der Kirche und die Erfahrung der Heiligen lehren, daß die Gnade QueUe der Freude ist und daß wahre Freude von Gott kommt. Das göttliche Geschenk bewirkt in Maria wie in allen Christen eine tiefe Freude. 2. „Kecharitomene“: Dieses an Maria gerichtete Wort scheint eine besondere Eigenschaft der Frau zu bezeichnen, die dazu bestimmt ist, Mutter Jesu zu werden. Das hebt die Konstitution Lumen Gentium hervor, wenn sie bekräftigt: „... die Jungfrau von Nazaret [wird] vom Engel bei der Botschaft auf Gottes Geheiß als ,voll der Gnade gegrüßt“ (Lumen Gentium, Nr. 56). Die Tatsache, daß der Himmelsbote sie so nennt, verleiht dem Gruß des Engels einen höheren Wert: In ihm wird der verborgene Heilsplan Gottes im Hinblick auf Maria offenbar. Wie ich in der Enzyklika Redemptoris Mater schrieb, „weist die Fülle der Gnade auf das gesamte übernatürliche Gnadengeschenk hin, das Maria besitzt, weil sie zur Mutter Christi erwählt und bestimmt worden ist“ (Nr. 9). „Voll der Gnade“ lautet der Name, den Maria bei Gott besitzt. Denn nach der Erzählung des Evangelisten Lukas verwendet ihn der Engel, bevor er den Namen „Maria“ ausspricht, und stellt so den vorherrschenden Wesenszug ins Licht, den der Herr in der Person der Jungfrau von Nazaret wahmimmt. Die Bezeichnung „voll der Gnade“ ist eine Übersetzung des griechischen Wortes „kecharitomene“, das ein Partizip Passiv ist. Um die Bedeutung des griechischen Ausdrucks treffender wiederzugeben, sollte man daher nicht einfach „voll der Gnade“ sagen, sondern „voll der Gnade gemacht“ oder „mit Gnade erfüllt“, was deutlicher hervorheben würde, daß es sich um ein Geschenk Gottes an Maria handelt. In der Form des Partizips Perfekt bestärkt der Ausdruck das Bild vollkommener und dauerhafter Gnade, die Fülle bewirkt. Dasselbe Wort wird in der Bedeutung „mit Gnade ausstatten“ im Epheserbrief verwendet, um auf die Gnadenfülle hinzuweisen, die uns der Vater in seinem gebebten Sohn geschenkt hat (1,6). Maria empfängt sie als Erstlingsfrucht der Erlösung (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 10). 3. Bei der Jungfrau Maria erscheint das Wirken Gottes gewiß überraschend. Maria hat, menschlich gesehen, kein Anrecht darauf, die Ankündigung des Kommens des Messias zu empfangen. Sie ist nicht der Hohepriester, der offizielle Vertreter der jüdischen Rebgion, und auch kein Mann, sondern eine junge Frau ohne besonderen Einfluß in der Gesellschaft ihrer Zeit. Und sie stammt noch dazu aus Nazaret, einem Ort, der im Alten Testament überhaupt nicht erwähnt wird. Es hatte keinen guten Ruf, wie aus den vom Johannesevangelium berichteten Worten Nata- 69 A UD1ENZEN UND ANGELUS naels hervorgeht: „Aus Nazaret? Kann von dort etwas Gutes kommen?“ (.Joh 1,46). Der außerordentliche und unentgeltliche Charakter des Eingreifens Gottes tritt noch deutlicher beim Vergleich mit dem Lukastext zutage, der die Begebenheit mit Zacharias berichtet. Bei diesem wird der Priesterstand wie auch die Rechtschaffenheit des Lebens hervorgehoben, die ihn und seine Frau Elisabet zu Vorbildern von Gerechten aus dem Alten Testament macht: Sie „hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn“ (Lk 1,6). Marias Herkunft hingegen wird nicht einmal erwähnt: Denn die Bezeichnung „aus dem Haus David“ (Lk 1,27) bezieht sich nur auf Josef. Nichts wird ferner über Marias Lebensführung gesagt. Durch diese literarische Methode hebt Lukas hervor, daß in ihr alles aus übernatürlicher Gnade kommt. Was ihr geschenkt wird, leitet sich aus keinem Anrecht ab, sondern beruht einzig und allein auf der freien und unentgeltlichen Erwählung durch Gott. 4. Indem er das tut, will der Evangelist gewiß nicht den außerordentlichen persönlichen Wert der seligsten Jungfrau schmälern. Vielmehr will er Maria als Frucht allein der Huld Gottes darstellen, der von ihr so sehr Besitz ergriffen hat, daß sie nach dem vom Engel verwandten Ausdruck „mit Gnade erfüllt“ ist. Die Gnadenfülle ist es, die den verborgenen geistlichen Reichtum in Maria begründet. Im Alten Testament bekundet Jahwe seine überströmende Liebe in vielerlei Weisen und bei vielen Gelegenheiten. In Maria erreicht am Anfang des Neuen Testaments die Unentgeltlichkeit des göttlichen Erbarmens den höchsten Grad. In ihr erreicht die Vorliebe, die Gott dem auserwählten Volk - und insbesondere den Kleinen und den Armen - erwiesen hat, ihren Höhepunkt. Vom Wort des Herrn und der Erfahrung der Heiligen genährt, ermutigt die Kirche die Gläubigen, den Blick auf die Mutter des Erlösers zu richten und sich gleich ihr von Gott gebebt zu wissen. Sie lädt sie ein, ihre Demut und Armut zu teilen, um nach Marias Vorbild und dank ihrer Fürsprache in der göttlichen Gnade bleiben zu können, die die Herzen heibgt und wandelt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich unser aller Anliegen der Fürbitte der Muttergottes Maria empfehle, grüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzbch. Mein besonderer Gruß gilt den Verwandten und Bekannten der Schweizergardisten, die zur Vereidigung der neuen Rekruten nach Rom gekommen sind, sowie dem offiziellen Musikkorps bei der Vereidigung der Schweizergarde, der Musikgesellschaft der Stadt Täfers. Einen herzbchen Willkommensgruß richte ich weiter an die Sängerknaben der Luzemer Kantorei mit ihren Begleitern, an die zahlreichen Schüler- und Jugendgruppen sowie an die vielen Sängerinnen und Sänger. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden daheim sowie allen, die uns geistig verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 70 AUDIENZEN UND ANGELUS Aufruf des Papstes für Burundi Tief bekümmert wenden sich meine Gedanken der geliebten Bevölkerung Burundis zu. Sie, die schon so sehr geprüft wurde, ist nun von neuen Auseinandersetzungen und Leiden heimgesucht. Ich bitte die Verantwortlichen der Nationen, den Weg des Dialogs und der Verhandlungen nicht aufzugeben, damit die Spannungen überwunden werden und eine angemessene Verständigung erreicht wird. Ich bitte darum im Namen des auferstandenen Herrn! Die katholische Gemeinschaft - Hirten und Gläubige - wird es nicht unterlassen, für Versöhnung, Vergebung und Frieden zu wirken, wie sie es schon in der Vergangenheit getan hat. Euch alle, die ihr mich hört, fordere ich auf, diesen Brüdern und Schwestern in ihren Schwierigkeiten mit einem besonderen, inständigen Gebet nahe zu sein. Die neuen Seligen sind Zeugen des Auferstandenen Regina Caeli am 12. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Seligen, die ich soeben zur Ehre der Altäre erhoben habe, bereichern das großartige Bild von der Heiligkeit der Kirche wie ebenso zahlreiche Strahlen von der Herrlichkeit des auferstandenen Christus. Sie sind ihm gleich geworden, indem sie sich der Ausgießung seines Geistes geöffnet haben, und sie haben so der Macht der Auferstehung, die der Sieg über die Sünde und den Tod ist, Ausdruck verliehen. Der auferstandene Christus ist wahrhaftig der Lebenssinn des Menschen und die Bestimmung der Welt. „In ihm wird die Geschichte des Menschen, ja die ganze Schöpfung erneut unter ein Haupt ,zusammengefaßt1 {Eph 1,10) und jenseitig vollendet“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 668). Das Erdenleben eines jeden Menschen, der zur Ehre der Altäre gelangt, bietet den deutlichsten und überzeugendsten Beweis dieser Wahrheit. Das konnten wir auch heute morgen mit den sechs neuen Seligen unmittelbar erleben. 2. Einen herzlichen Gruß richte ich an die vielen Pilger, die hier aus allen Teilen Italiens, Spaniens und der Welt zusammengeströmt sind. Mein brüderlicher Gruß gilt den Oberhirten, die zusammen mit ihren Gläubigen an dieser Seligsprechungsliturgie teilgenommen haben. Ich begrüße vor allem die anwesenden Kar-dinäle und unter ihnen den Nachfolger des sei. Alfredo Ildefonso Schuster auf dem Stuhl des hl. Ambrosius, Kardinal Carlo Maria Martini, der seinen Amtsvorgänger als einen „Mann voller Gebetseifer“ bezeichnete. Gerade im Gebet fand dieser schmächtige Mönch den Schlüssel, um die religiöse und zivile Bühne der schweren Jahre zu beherrschen, in denen die Vorsehung ihn dazu bestimmte, die ambro- 71 AUDIENZEN UNDANGELUS sianische Kirche zu leiten. Euch Mailändern, die Ihr es Euch zur Ehre anrechnet, ihn viele Jahre als unerschrockenen Oberhirten und unermüdlichen Apostel gehabt zu haben, steht nun die Aufgabe zu, sein Gedächtnis zu ehren durch das Bemühen, seine Weisungen zu befolgen und seinem Vorbild nachzustreben! Und auch Ihr, Gläubige von Lecce, Neapel, Faenza und allen übrigen Orten, wo die sei. Filippo Smaldone, Gennaro Maria Samelli und Maria Rafaella Cimatti gewirkt haben, nehmt die Einladung an, die Ihr von ihnen bekommt, um mit erneuerter Begeisterung den Weg des Glaubens und der Nächstenliebe zu gehen! In spanischer Sprache sagte der Papst: 3. An diesem Tag der Freude für die ganze Kirche möchte ich einen herzlichen Gruß an die Ordensfrauen, die im Geiste des hl. Ignatius leben,sowie an die vielen Bischöfe, Priester und Gläubigen richten, die aus Spanien, Lateinamerika und Asien zur Seligsprechung von Mutter Candida Maria de Jesus und Maria Antonia Bandres gekommen sind. Die in den ignatianischen Exerzitien gründende tiefe Spiritualität dieser beiden Baskinnen mit weltoffenem Herzen bewegte sie dazu, sich mit heiligem Eifer dem Dienst der Kirche und den Nöten der Menschen ihrer Zeit zu widmen. Ihr Zeugnis ist lebendig in unseren Tagen und spricht zu uns von missionarischem Eifer, demütigem Vertrauen und davon, immer und in allem die höhere Ehre Gottes und das Heil der Menschen zu suchen. Der Papst schloß seine Ansprache auf italienisch: 4. Schauen wir auf die sei. Jungfrau, die „ganz schöne“, die dem göttlichen Sohn mit wirksamem Glauben auf Erden gefolgt ist und die jetzt an seiner gleichen Bestimmung der Herrlichkeit im Himmel teilhat. Die Fürsprache der hl. Maria und der neuen Seligen in Gemeinschaft mit allen Heiligen erlange uns, den Erfordernissen des Evangeliums konsequent zu entsprechen, und helfe uns in dem Bemühen, sie in das tägliche Leben umzusetzen. Die vollkommene Heiligkeit der Gottesmutter Maria aus der Sicht der Kirchenväter des Orients Ansprache bei der Generalaudienz am 15. Mai 1. Die Kirche hat Maria als „voll der Gnade“, als „ganz heilig und von jeder Sündenmakel frei“, „vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an im Glanz einer einzigartigen Heiligkeit“, erkannt (Lumen Gentium, Nr. 56). Diese Erkenntnis erforderte einen langen Weg lehrmäßiger Reflexion, der schließlich zur feierlichen Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis geführt hat. 72 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Titel „mit der Fülle der Gnade ausgestattet“, den der Engel bei der Verkündigung Maria gegeben hat, deutet das außerordentliche göttliche Wohlwollen an, das der Jungfrau von Nazaret im Hinblick auf die angekündigte Mutterschaft bekundet wurde, weist aber noch unmittelbarer auf die Wirkung der göttlichen Gnade in Maria hin; Maria wurde zutiefst und für immer von der Gnade durchdrungen und somit geheiligt. Die Bezeichnung kecharitomene hat eine inhaltsreiche Bedeutung, die der Heihge Geist unaufhörlich durch die Kirche vertiefen läßt. 2. In der vorhergegangenen Katechese betonte ich, daß der Ausdruck „voll der Gnade“ im Gruß des Engels beinahe als Name gilt: Er ist der Name Marias in den Augen Gottes. Im semitischen Sprachgebrauch drückt der Name die Wirklichkeit der Personen und Dinge aus, auf die er sich bezieht. Infolgedessen offenbart der Titel „voll der Gnade“ die tiefste Dimension der Persönlichkeit der jungen Frau von Nazaret: Sie ist durch die Gnade in so hohem Grad durchformt und Gegenstand des göttlichen Wohlwollens, daß ihr diese besondere Auszeichnung zuerkannt werden darf. Das Konzil erinnert daran, daß die Kirchenväter diese Wahrheit andeuteten und Maria als „ganz heilig“ bezeichneten, während sie zugleich bekräftigten, daß sie „gewissermaßen vom Heiligen Geist gebildet und zu einer neuen Kreatur gemacht“ wurde {Lumen Gentium, Nr. 56). Die Gnade, als „heiligmachende Gnade“ verstanden, welche die persönliche Heiligkeit bewirkt, hat in Maria die neue Schöpfung verwirklicht und sie dem Plan Gottes voll entsprechen lassen. 3. So konnte die lehramtliche Reflexion Maria eine Vollkommenheit der Heiligkeit zuerkennen, die - um vollständig zu sein - notwendigerweise den Beginn ihres Lebens miteinbeziehen mußte. In dieser Richtung der ursprünglichen Reinheit scheint ein Bischof von Palästina mit Namen Theoteknos von Livias vorgegangen zu sein, der von 550 bis 650 n. Chr. gelebt hat. Indem er Maria als „heilig und ganz schön“, „rein und ohne Makel“ darstellt, weist er auf ihre Geburt mit folgenden Worten hin: „Sie, die aus reinem und unbefleckten Ackerboden ist, wird wie die Kerubime geboren“ (Panegyrikus zum Fest der Aufnahme Marias in den Himmel, 5-6). Diese letztere Ausdrucksweise, die an die Erschaffung des ersten Menschen erinnert, der aus Erde vom Ackerboden geformt wurde, die nicht von der Sünde befleckt war, schreibt der Geburt Marias dieselben Eigenschaften zu: Auch der Ursprung der Jungfrau war „rein und unbefleckt“, das heißt ohne Sünde. Der Vergleich mit den Kerubimen betont außerdem die herausragende Heiligkeit, die das Leben Marias vom ersten Augenblick ihres Daseins an gekennzeichnet hat. Die Bekräftigung durch Theoteknos bedeutet einen wichtigen Abschnitt der theologischen Reflexion über das Geheimnis der Mutter des Herrn. Die griechischen und orientalischen Kirchenväter hatten eine Reinigung anerkannt, die von der Gnade sowohl vor der Menschwerdung (Gregor von Nazianz, Oratio 38,16) als auch im Augenblick der Menschwerdung selbst (Ephraim, Saveriano von Gabala, Jakob 73 AUDIENZEN UNDANGELUS von Sarug) gewirkt worden sei. Theoteknos von Livias scheint für Maria eine absolute Reinheit vom Beginn ihres Lebens an zu beanspruchen. Denn sie, die dazu bestimmt war, Mutter des Erlösers zu werden, konnte nicht umhin, einen vollkommen heiligen, ganz unbefleckten Ursprung zu haben. 4. Andreas von Kreta, im 8. Jahrhundert, ist der erste Theologe, der in der Geburt Marias eine neue Schöpfung sieht. Er folgert: „Heute erhält die Menschheit im ganzen Glanz ihrer unbefleckten Würde ihre althergebrachte Schönheit. Die Schande der Sünde hatte den Glanz und Zauber der menschlichen Natur verdunkelt; aber als die Mutter des ganz Schönen geboren wird, erlangt diese Natur in ihrer Person ihre angestammten Vorrechte wieder und wird nach einem vollkommenen und wahrhaft Gottes würdigen Bild geformt ... Heute beginnt die Umgestaltung unserer Natur, und die gealterte Welt, die einer voll göttlichen Umwandlung unterworfen ist, empfängt die Erstlinge der zweiten Schöpfung“ (vgl. Hom. 1 in nativ. Mariae). Während er das Bild vom Ackerboden wieder aufgreift, bekräftigt er: „Der Leib der Jungfrau ist ein Ackerboden, den Gott bebaut hat, die Erstlingsfrucht der in Christus zu göttlicher Würde erhobenen Adamsmasse, das der ursprünglichen Schönheit wahrhaft gleichförmige Bild, der von den Händen des göttlichen Künstlers geknetete Ackerboden“ (vgl. Hom. 1 in dorm. Mariae). Die reine und unbefleckte Empfängnis Marias erscheint so als Beginn der neuen Schöpfung. Es handelt sich um ein persönliches Vorrecht, das der zur Mutter Christi erwählten Frau verliehen wurde und das den Anfang setzt für die Zeit der überfließenden Gnade, die Gott für die ganze Menschheit will. Diese Lehre, die ebenfalls im 8. Jahrhundert vom hl. Germanus von Konstantinopel und vom hl. Johannes von Damaskus aufgegriffen wurde, erhellt die Bedeutung der Heiligkeit Marias von ihrem Ursprung an, die als Anfang der Erlösung der Welt dargestellt wird. Die kirchliche Reflexion erfaßt und verdeutlicht den wahren Sinn des Titels „voll der Gnade“, der der sei. Jungfrau vom Engel zugesprochen wurde. Maria ist voll der heiligmachenden Gnade, und das ist sie vom ersten Augenblick ihres Daseins an. Diese Gnade wird, wie es im Epheserbrief heißt (1,6), in Christus allen Glaubenden verliehen. Die Heiligkeit Marias von ihrem Ursprung an ist das unübertreffliche Vorbild für das Geschenk und die Ausgießung der Gnade Christi in der Welt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Während ich Euch alle einlade, das Geschenk der Gnade zu ergreifen und nach der Heiligkeit zu streben, begrüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher deutscher Sprache, sehr herzlich. Mit besonderer Freude heiße ich die Mitglieder des Kolpingwerkes aus dem Bezirks verband Wuppertal willkommen, die aus Anlaß ihres 150jährigen Bestehens nach Rom gekommen sind. Ebenso begrüße ich die Pfarrei Weikersdorf, die heuer ihr 850jähriges Orts- 74 AUDIENZEN UND ANGELUS jubiläum begeht, sowie die Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte verschiedener Schulen. Euch, liebe Schwestern und Brüder, Euren Lieben daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Unterstützung für Slowenien auf dem Weg zu Freiheit und Frieden Ansprache bei der Generalaudienz am 22. Mai 1. Am vergangenen Sonntagabend beendete ich die apostolische Reise nach Slowenien, die am Freitag, 17. Mai, begonnen hatte. Es handelte sich, wie bereits im Vorjahr in Kroatien, um einen seit langem erwarteten Besuch, den ersten in der Geschichte Sloweniens. Vor allem danke ich von ganzem Herzen der göttlichen Vorsehung, die mir erlaubte, diesen Besuch während der Osterzeit auf Einladung der Bischöfe und der Obrigkeiten der Republik Slowenien durchzuführen. Ich danke jedem einzelnen von ihnen und sage herzlichen „Dank im Herrn“ zu all denen, die in irgendeiner Weise dazu beigetragen haben, daß meine apostolische Pilgerfahrt unter besten Bedingungen verwirklicht werden konnte. Schritt für Schritt war ich Zeuge der großen organisatorischen Bemühungen, die die Kirche und die zivile Gemeinschaft bei der Vorbereitung und beim Ablauf des Papstbesuches entfalteten. Ich danke dem Staatspräsidenten, den Regierungsvertretem sowie den staatlichen und örtlichen Obrigkeiten; ich danke vor allem denen, die in großer Zahl und, man kann sagen, mit Begeisterung an den verschiedenen Treffen während meines Aufenthaltes in Slowenien teilnahmen. Aus vielen Gründen war deshalb die Freude über diesen Besuch groß. Bei meiner Ankunft unterstrich das feierliche Glockengeläute im ganzen Land die einzigartige Bedeutung dieses Ereignisses für die Geschichte der ganzen Nation: einer Nation im Kreuzungspunkt zwischen der gemarterten Balkanregion und dem übrigen Europa, die ich auf dem Weg zur vollen Freiheit und zum Frieden ermutigen wollte. 2. Die Geschichte des Christentums des slowenischen Volkes ist 1250 Jahre alt. Sein derzeitiges Staatsgebilde reicht fünf Jahre zurück. Nach der Zeit eines eigenen Staates, Karantania, gehörten die Slowenen zu anderen Staatseinheiten und insbesondere zur Habsburgermonarchie Österreich-Ungarn. Nach dem ersten Weltkrieg entstand der Staat der Südslawen. Mit den Kroaten, Serben, Montenegrinern und Bosnien-Herzegowina sind die Slowenen ihm beigetreten. Sie erlebten auch die Leiden des zweiten Weltkrieges, und nach dem Konflikt fanden sie sich mit den anderen Völkern in dem jugoslawischen Bundesstaat wieder unter der Gewalt des kommunistischen Systems. Erst in den neunziger Jahren wurde dieser föderative Bund aufgelöst, aber um den Preis eines Bürgerkrieges, der nicht we- 75 AUDIENZEN UNDANGELUS nige Opfer gefordert hat, auch wenn er auf slowenischen Boden zum Glück kürzer war als anderswo. 3. Das sind die jüngsten politischen Ereignisse, aber die Geschichte des slowenischen Volkes auf dem Gebiet, das einst zum Römischen Kaiserreich gehörte, reicht viel weiter zurück. Durch das Christentum hat Slowenien seine eigene kulturelle Identität entwickelt, wie es ja bei vielen Nationen Europas und der Welt der Fall war. Die Kirche in Slowenien erinnert sich noch der Namen derer, die Ihr aus dem benachbarten Salzburg, Aquileia und Pannonien den Glauben brachten: Es sind die heiligen Bischöfe Vigilius, Modestus, Paulinus und die hll. Kyrill und Method. Man kann sagen, daß die Entwicklung der slowenischen Kultur eng mit dem Christentum verflochten ist, beginnend bei der Sprache, die sich in Schriften des 10. Jahrhunderts findet, die Katechesen und Homilien enthalten. Das Christentum gelangte von Rom nach Slowenien, und in der slowenischen Kultur überwiegt die westliche Komponente gegenüber der östlichen. Das zeigen die engen Verbindungen mit den genannten Zentren Aquileja und Salzburg, die seit Beginn der Entfaltung des kirchlichen und kulturellen Lebens bestehen. Im Verlauf meines Besuches hatte ich Gelegenheit, das alles eigens hervorzuheben, besonders während der Begegnung mit der Welt der Kultur und der Wissenschaft in Maribor. Die slowenische Kultur reicht weit zurück; sowohl auf dem Gebiet der Wissenschaften als auch auf dem der volkstümlichen Traditionen ist sie eindeutig westlich geprägt. Dies zeigte sich bei den liturgischen Feiern; es trat auch ganz deutlich bei der unvergeßlichen Begegnung mit der Jugend in Postojna zutage. Die Jugendlichen, die Erben dieser Kultur, sind berufen, sie an die Generationen des dritten Jahrtausends weiterzugeben. 4. Hinsichtlich der Kirchenstruktur umfaßt das Territorium von Slowenien eine Metropolie, Ljubljana (Laibach), und zwei Suffragandiözesen: Maribor und Köper oder Capodistria. Der Episkopat zählt derzeit sieben Bischöfe. Metropolit von Laibach ist Erzbischof Alojzij Sustar, den ich nochmals mit den anderen Prälaten, den Priestern und allen Mitarbeitern herzlich grüße. Die slowenischen Priester, Ordensleute und Seminaristen leben noch in der Erinnerung und unter dem geistlichen Einfluß des großen Bischofs von Maribor, Antonio Martino Slomsek, der im 19. Jahrhundert nicht nur das Leben der Kirche und die Evangelisierung, sondern die ganze slowenische Kultur aufs tiefste geprägt hat. Der Seligsprechungsprozeß dieses großen Apostels geht dem Ende zu, und kürzlich wurde der heroische Tugendgrad bestätigt. Sein Beispiel und auch das der anderen Hirten und tapferen Glaubenszeugen wie des Dieners Gottes Lojze Grozde wollte ich der ganzen christlichen Gemeinschaft Sloweniens, die sich in dem dringenden Werk der Neuevangelisierung einsetzt, vor Augen halten. Der im Laufe dieses Jahrhunderts schwer geprüfte Glaube des slowenischen Volkes blieb fest, und dafür danken wir Gott. Jetzt spürt man die Notwendigkeit eines neuen missionarischen Aufschwungs, zu dem geistliche Unterstützung, aufmerk- 76 AUDIENZEN UND ANGELUS same Wachsamkeit und prophetische Unterscheidung der „Zeichen der Zeit“ nötig sind, besonders seitens der Personen, die berufen sind, ihr ganzes Leben dem Evangelium zu weihen. In dieser Hinsicht wollte ich bei der feierlichen Vesper am Freitag, 17. Mai, in Laibach die Priester ermutigen, daß sie immer stärker die Freude und die Verantwortung ihrer Sendung für Gemeinschaft und Dienst empfinden; die Ordensleute wollte ich anspomen, ohne Zögern den Anforderungen eines nach dem Ideal des Evangeliums „umgewandelten“ Daseins zu entsprechen; die Gläubigen ermutigte ich, sich hochherzig für die Neuevangelisierung einzusetzen und sich Maria, „der Hilfe der Christen“, anzuvertrauen. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Der Besuch in Slowenien fand in der Osterzeit statt. Er begann am Freitag nach Christi Himmelfahrt und endete am Sonntagabend. In diesen Tagen gedenkt die Kirche der Apostel, die nach der Himmelfahrt Christi im Abendmahlssaal mit Maria im Gebet versammelt waren und die Herabkunft des Beistands, des Geistes der Wahrheit, erwarteten. So erlebt die ganze Kirche alljährlich die große Novene zum Heiligen Geist in Vorbereitung auf den Pfingsttag. Ich danke Gott dafür, daß ich in diesem Jahr die Freude hatte, wenigstens einige Tage dieser Novene im Abendmahlssaal der Kirche in Slowenien verbringen zu dürfen. Während ich die eindrucksvollen und manchmal bewegenden Bilder dieses schönen Landes und seines Volkes vor Augen habe, möchte ich der seligen Jungfrau Maria seine Hoffnungen und Erwartungen anvertrauen, damit es mit dem Beistand des Heiligen Geistes hochherzig in das dritte Jahrtausend gehe und immer mehr ein Land des Glaubens, der Heiligkeit und des Friedens werde. Hinzufügen möchte ich ein letztes Dankeswort an die slowenischen Brüder und Schwestern, die an meinen Geburtstag gedacht haben. Ich danke ihnen für die Beweise des Wohlwollens und vor allem für das Gebet, mit dem sie mir ihre liebevolle Verbundenheit zum Ausdruck bringen wollten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Rückbesinnung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der Pfarrei St. Blasius aus Buchenbach aus Anlaß des 200jährigen Pfarreijubiläums, den Angehörigen der Pfarrei St. Ludwig aus Darmstadt, die mit ihrem bisherigen Pfarrer und neuen Generalvikar der Diözese Mainz nach Rom gepilgert sind, sowie den zahlreichen Schülerinnen und Schülern. Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen wünsche ich ein frohes Pfingstfest und erteile gern den Apostolischen Segen. 77 A UDIENZEN UND ANGELUS Geistsendung eröffnet Neubeginn der Menschheit Regina Caeli am Pfingstsonntag, 26. Mai 1. Wir feiern heute das Pfingstfest, die Vollendung des Ostergeheimnisses. Es erinnert an die große Ausgießung des Heiligen Geistes, der „als göttliche Person offenbar, gegeben und mitgeteilt“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 731) und vom Auferstandenen als Beistand und Prinzip des neuen Lebens gesandt wird. Der Geist Gottes wirkt in Wirklichkeit schon immer in der Welt. Er steht mit dem Vater und dem Sohn am Beginn der Schöpfung und der Heilsgeschichte. Aber mit dem Tod und mit der Auferstehung Christi beginnt eine neue Zeit für sein Wirken. Die Apostelgeschichte beschreibt wunderbar die Früchte seiner Aussendung: Die Herzen öffnen sich für Gott, die Sprachbarrieren werden überwunden, und unter den Völkern entsteht das Prinzip der Brüderlichkeit. Wo der Geist Gottes weht, wird alles wiedergeboren und gewandelt! 2. Pfingsten ist der Tag des öffentlichen Auftretens der Kirche. Die Herabkunft des Geistes auf die im Abendmahlssaal versammelten Apostel besiegelt den Beginn der neuen Menschheit, die aus dem Pascha Christi hervorgeht und von der göttlichen Liebe begeistert ist. Das ist das Wunder der Kirche! Sie ist Jugendlichkeit von Gott für die Welt: ein neues Volk, in dem unter dem geheimnisvollen Wirken des Geistes tagtäglich die immer neuen Werte der Armut im Geiste des Evangeliums, der Brüderlichkeit, des Friedens, des Erbarmens, des selbstlosen Dienstes an den Ärmsten und der Liebe zur Wahrheit gegenüber den althergebrachten weltlichen Denkschemen überwiegen und die Zukunft in Gott verkünden und vorwegnehmen. Gestern abend während der Feier, die die große Stadtmission zur Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 eröffnete, bat ich den Tröstergeist, daß dieses Wunder der Kirche, die seiner Führung anvertraut ist, ständige Neuheit in der Geschichte der Menschen werde und sich in der christlichen Gemeinschaft der Ewigen Stadt sowie in allen kirchlichen Gemeinschaften der Welt verwirkliche. 3. Die heutige Feier des Pfingstfestes wird überschattet von der traurigen Nachricht vom Tod der sieben Trappistenmönche von „Notre-Dame d’Atlas“ in Algerien, dem letzten einer Reihe von beklagenswerten Gewaltakten, die seit langem das Leben der algerischen Nation erschüttern und ebensowenig unsere katholischen Brüder verschonen. Trotz unseres tiefen Schmerzes sagen wir Gott Dank für das Zeugnis der Liebe, das diese Ordensmänner abgelegt haben. Ihre Treue und Folgerichtigkeit gereichen der Kirche zur Ehre und werden sicher zum Samen der Versöhnung und des Friedens für das algerische Volk, mit dem sie solidarisch waren. Unser Gebet gilt auch ihren Familien, dem Zisterzienserorden und der kleinen Kirchengemeinde in Algerien: In dieser schweren Prüfung mangle es ihnen nie am 78 AUDIENZEN UND ANGELUS Mut der Vergebung und an der Kraft zur Hoffnung, die in Christus gründen, der den Tod besiegt hat. Mit den Worten des Buches Genesis: „Für das Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft von jedem seiner Brüder“ (Gen 9,5) appelliere ich an alle Menschen guten Willens und noch mehr an diejenigen, die sich als Söhne und Töchter Abrahams bekennen, daß sich solche Taten in Algerien oder anderswo nie mehr wiederholen: Sie sind die schwerste Beleidigung, die gegen Gott und gegen den Menschen verübt werden kann. Liebe Brüder und Schwestern, an diesem Pfingstfest laßt uns mit Maria beten: „Herr, sende aus deinen Geist, und das Gesicht der Erde wird neu!“ Nach dem Gebet des Regina Caeli sagte der Papst: Im Licht von Pfingsten möchte ich an die Konferenz der Vereinten Nationen Habitat II erinnern, die vom 3. bis 14. Juni in Istanbul stattfindet. Wie könnte man die Bedeutung dieses Ereignisses übersehen! Das Leben des Menschen wird tiefgehend beeinflußt von seinem „habitat“. Es bedarf der Kreativität, der Solidarität, des Verantwortungsbewußtseins, um wahre „lebensgerechte Umfelder“ zu entwerfen. Für die Erfüllung einer so anspruchsvollen Aufgabe ist wirklich die Hilfe des Geistes Gottes nötig! Ich hoffe, daß die Menschheit sich von den großen Zivilisationen der Vergangenheit inspirieren läßt, die es verstanden, angemessene Antworten zur Erfüllung der materiellen Bedürfnisse zu finden, ohne die inneren Bestrebungen des Menschen außer acht zu lassen. Die seligste Jungfrau, auf die das christliche Volk in diesem Monat Mai mit besonderer Verehrung blickt, helfe uns, „habitat“ zu schaffen, die offen sind für die Werte des Geistes, für die Achtung der Natur und für die Erfordernisse der Solidarität. Jetzt grüße ich die Musikkapelle der Carabinieri, der Zollbehörde und der Staatspolizei. Ich danke ihr für ihre Anwesenheit und für die geschätzte Darbietung. Sie will das Augenmerk auf das wichtige Treffen lenken, das in Rom zum Schutz des Kunst und Kulturerbes derzeit stattfindet. Allen meinen Segen. Die Unbefleckte Empfängnis Ansprache bei der Generalaudienz am 29. Mai 1. Wie wir in den vorangegangenen Katechesen gesehen haben, wurde die Bezeichnung „voller Gnade“ in der lehramtlichen Reflexion der orientalischen Kirche seit dem 6. Jahrhundert im Sinn einer einzigartigen Heiligkeit verstanden, mit der Maria in ihrem ganzen Dasein ausgestattet ist. So beginnt mit ihr die neue Schöpfung. 79 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Tradition und das Lehramt bezeichneten das sogenannte Protoevangelium {Gen 3,15) neben dem Lukasbericht der Verkündigung als eine Schriftquelle für die Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis Marias. Diese Schriftstelle inspirierte schon in ihrer alten lateinischen Version: „Sie wird dir den Kopf zertreten“, die Maler zu vielen Bildern der Immakulata, die die Schlange unter ihren Füßen zertritt. Wir hatten bereits Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß diese Version nicht dem hebräischen Text entspricht, wo nicht die Frau, sondern ihre Nachkommenschaft, ihr Nachkomme, der Schlange den Kopf zertritt. Dieser Text schreibt also nicht Maria, sondern ihrem Sohn den Sieg über Satan zu. Weil das biblische Verständnis eine tiefe Übereinstimmung zwischen dem Erzeuger und seiner Nachkommenschaft voraussetzt, entspricht die Darstellung der Immakulata, die die Schlange nicht aus eigener Kraft, sondern durch die Gnade des Sohnes zertritt, dem ursprünglichen Sinn der Schriftstelle. 2. Im gleichen Bibeltext wird außerdem die Feindschaft zwischen der Frau und ihrer Nachkommenschaft einerseits und der Schlange und deren Nachkommenschaft andererseits verkündet. Es handelt sich um eine von Gott ausdrücklich festgesetzte Gegnerschaft, die einzigartige Bedeutung gewinnt, wenn wir der Frage der persönlichen Heiligkeit der Jungfrau nachgehen. Um die unversöhnliche Feindin der Schlange und ihrer Nachkommenschaft zu sein, mußte Maria frei von jeder Herrschaft der Sünde sein. Und das vom ersten Augenblick ihres Daseins an. In der Enzyklika Fulgens corona, die 1953 von Papst Pius XII. anläßlich der Hundertjahrfeier der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis veröffentlicht wurde, heißt es: „Wenn die allerseligste Jungfrau Maria zu einem bestimmten Zeitpunkt die göttliche Gnade verloren hätte, weil sie bei ihrer Empfängnis vom Makel der Erbsünde befleckt worden wäre, hätte zwischen ihr und der Schlange - wenigstens für diesen wenn auch noch so kurzen Zeitabschnitt -nicht mehr jene ewige Feindschaft bestanden, von der seit den Anfängen der Tradition bis zur feierlichen Verkündigung der Unbefleckten Empfängnis die Rede ist, sondern eine gewisse Unterwerfung“ (vgl. AAS 45[1953]579). Die von Gott zwischen der Frau und dem Bösen festgesetzte absolute Feindschaft setzt also in Maria die Unbefleckte Empfängnis voraus, das heißt eine totale Abwesenheit der Sünde vom ersten Augenblick ihres Lebens an. Der Sohn Marias hat den Satan endgültig besiegt und die Mutter im voraus daran teilhaben lassen, indem er sie vor der Sünde bewahrte. Demzufolge gab der Sohn ihr die Macht, dem Bösen zu widerstehen, und erzielte so im Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis die stärkste Wirkung seines Erlösungswerkes. 3. Die Bezeichnung „voll der Gnade“ und das Protoevangelium lenken unsere Aufmerksamkeit auf die besondere Heiligkeit Marias und auf ihr dem Einfluß des Bösen vollständiges Entzogensein. Sie lassen in dem einzigartigen Vorrecht, das Maria vom Herrn verliehen wurde, den Anfang einer neuen Ordnung erahnen, 80 AUDIENZEN UND ANGELUS welche die Fracht der Freundschaft mit Gott ist und die eine tiefe Feindschaft zwischen der Schlange und den Menschen zur Folge hat. Als biblischer Beweis zugunsten der Unbefleckten Empfängnis Marias wird auch oft das 12. Kapitel der Offenbarung zitiert, wo von einer „Frau, mit der Sonne bekleidet“, die Rede ist (12,1). Die heutige Exegese stimmt darin überein, daß mit dieser Frau die Gemeinschaft des Volkes Gottes gemeint ist, die unter Schmerzen den auferstandenen Messias gebiert. Aber der Text legt außer der allgemeinen Interpretation noch eine persönliche nahe in der Bekräftigung: „Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird“ (12,5). Unter Hinweis auf die Geburt wird eine gewisse Identifikation mit der mit der Sonne bekleideten Frau und Maria, der Frau, die den Messias geboren hat, geltend gemacht. Denn die Frau als Sinnbild der Gemeinschaft wird nach dem Bild der Frau, die die Mutter Jesu ist, beschrieben. Die Frau trug die Zeichen der Mutterschaft, „sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen“ (12,2). Diese Bemerkung weist auf die Mutter Jesu unter dem Kreuz hin (vgl. Joh 19,25), wo sie mit ihrer von einem Schwert durchbohrten Seele (vgl. Lk 2,35) an den Geburtswehen der Gemeinschaft der Jünger teilhat. Trotz ihrer Schmerzen ist sie „mit der Sonne bekleidet“ - das heißt mit dem Widerschein der göttlichen Herrlichkeit - und erscheint als „großes Zeichen“ der bräutlichen Beziehung Gottes zu seinem Volk. Obwohl diese Bilder nicht unmittelbar auf das Vorrecht der Unbefleckten Empfängnis hinweisen, dürfen sie doch als Ausdruck der liebevollen Zuwendung des Vaters gedeutet werden, der Maria mit der Gnade Christi und dem Glanz des Geistes bekleidet. Zum Schluß fordert die Offenbarung dazu auf, die kirchliche Dimension der Persönlichkeit Marias im einzelnen zu erkennen: Die mit der Sonne bekleidete Frau stellt die Heiligkeit der Kirche dar, die sich in der seligen Jungfrau kraft eines einzigartigen Gnadengeschenkes voll entfaltet. 4. Den Aussagen der Heiligen Schrift, auf die sich die Tradition und das Lehramt in der Begründung der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis beziehen, scheinen die Bibeltexte entgegenzustehen, die die Universalität der Sünde bekräftigen. Das Alte Testament spricht von einer ansteckenden Sünde, die jeden Menschen betrifft, „denn er ist in Schuld geboren“ (vgl. Ps 51,7; Ijob 14,2). Im Neuen Testament erklärt Paulus, daß infolge der Sünde Adams „alle sündigten“ und daß „es also durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam“ (Rom 5,12.18). Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es: Die Erbsünde „trifft die Menschennatur“, die sich so „im gefallenen Zustand“ befindet. Die Sünde wird deshalb „durch Fortpflanzung an die ganze Menschheit weitergegeben, die der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit ermangelt“ (Nr. 404). Von diesem universalen Gesetz ist aber, wie Paulus sagt, einer ausgenommen: Christus, „der keine Sünde kannte“ (2 Kor 5,21), und so „ist die Gnade übergroß geworden“, „wo die Sünde mächtig wurde“ (Röm 5,20). 81 A UDIENZEN UND ANGELUS Diese Bekräftigungen führen nicht unbedingt zu dem Schluß, daß Maria in die sündige Menschheit einbezogen ist. Die von Paulus zwischen Adam und Christus gezogene Parallele wird von der Parallele zwischen Eva und Maria vervollständigt: Die Rolle der Frau ist gleichbedeutend im Sündendrama wie auch in der Erlösung der Menschheit. Der hl. Irenäus stellt Maria als die neue Eva dar, die mit ihrem Glauben und ihrem Gehorsam Evas Unglauben und Ungehorsam ausgleicht. Eine solche Rolle im Heilsplan erfordert Abwesenheit von Sünde. Es ziemte sich, daß auch Maria, die neue Eva, wie Christus, der neue Adam, keine Sünde kannte und so geeigneter war, an der Erlösung mitzuwirken. Die Sünde, die wie eine Sturmflut die Menschheit mitreißt, kommt vor dem Erlöser und seiner treuen Gehilfin zum Stillstand. Mit einem wesentlichen Unterschied: Christus ist ganz heilig kraft der Gnade, die in seiner Menschheit aus der göttlichen Person erwächst; Maria ist ganz heilig kraft der Gnade, die sie durch die Verdienste des Erlösers empfangen hat. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich unser aller Anliegen der Fürsprache Mariens empfehle, grüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der Pilgergruppe der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz, Annaberg-Buchholz anläßlich des 150jährigen Bestehens der Pfarrei sowie der Pilgergruppe aus Vohen-strauß zusammen mit der Partnergemeinde Stribro aus der Tschechischen Republik. Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich weiter an die Teilnehmer der Diözesanwallfahrt der Kirchenchöre des Bistums Regensburg mit Herrn Weihbischof Wilhelm Schraml, an alle Meßdiener und Meßdienerinnen, besonders an die Gruppe aus der Diözese Eichstätt sowie an die zahlreichen Gruppen von Jugendlichen. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns geistig verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Drei neue Heilige - Diener des Evangeliums und geistliche Kraftspender Angelus am 2. Juni 1. Em Ende dieses feierlichen Gottesdienstes richte ich einen besonderen Gruß an diejenigen, die durch ihre Anwesenheit die neuen Heiligen ehren wollten, welche die Kirche heute allen Gläubigen zur Verehrung vorstellt. Liebe Pilger italienischer Sprache, das leuchtende Beispiel und die Fürsprache dieser treuen Diener 82 AUDIENZEN UND ANGELUS des Evangeliums ermutige jeden von Euch, den Glauben mit Freude zu leben und die geistliche Kraft der Liebe zu bezeugen. Der Papst hatte in Italienisch begonnen und sagte dann in Französisch: Herzlich grüße ich die Pilger, die zur Heiligsprechung von Jean-Gabriel Perboyre gekommen sind. Möge das Beispiel des neuen Heiligen, der Christus auf seinem Leidensweg folgte, um das Evangelium in China zu verkünden, Euch anregen, Gott und euren Brüdern und Schwestern mit erneutem Eifer, voll Freude und in Treue zu dienen. In Spanisch sagte der Papst: Von Herzen grüße ich die Pilger spanischer Sprache, die an der Heiligsprechung von Juan Grande teilgenommen haben. Einen besonderen Platz in der tiefen Spiritualität des neuen Heiligen hatte die Verehrung der Jungfrau Maria, die er jeden Tag in den Rosenkranzgeheimnissen betrachtete und deren Feste er besonders feierte. Er nannte sie seine „Fürsprecherin“ und vertraute ihr alle seine Werke an. Möge sein Zeugnis der Marienverehrung allen und besonders dem Krankenpflegeorden und seinen Mitarbeitern sowie den Gläubigen der Diözese Jerez helfen, immer auf die mächtige Fürbitte der Gottesmutter und der Kirche zu vertrauen. Der Papst sprach in Italienisch weiter: 2. Vor fünfzig Jahren, am 2. Juni 1946, wurde die Italienische Republik gegründet. In Erinnerung an dieses historische Ereignis möchte ich allen italienischen Bürgern und Bürgerinnen meine herzlichen Glückwünsche für einen Fortschritt in Gerechtigkeit und Freiheit sowie für eine Zukunft in Eintracht und Frieden zum Ausdruck bringen. Möge die Nation, die in ihrer Verfassung „die unveräußerlichen Rechte des Menschen als einzelnem wie auch in den gesellschaftlichen Formen anerkennt und sicherstellt, in denen sich seine Persönlichkeit entfaltet“ (Art. 2), nie jene menschlichen und christlichen Werte außer acht lassen, die das eigentliche Erbe seiner Geschichte ausmachen. Im Gebet vertraue ich Gott diese meine Wünsche an, während ich für die Bürger und ihre Regierung die Fülle der Gnaden erflehe. 3. Morgen beginnt in Istanbul die II. Konferenz der Vereinten Nationen über das menschliche Siedlungswesen. Es ist eine gute Gelegenheit, über die nicht leichten Probleme einer Zunahme der Stadt als Lebensraum in der Welt nachzudenken. Es handelt sich um eine Frage, die man mit einer Kultur angehen sollte, die sich an einer ganzheitlichen Auffassung vom Menschen und von der Gesellschaft inspiriert. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Bedürfnisse der Familie, der Kem-zelle der Gesellschaft. Die Familie ist immer der natürliche Ort, wo die Person zum Leben erwacht und die erste und grundlegende Aufnahme findet: In ihr wach- 83 AUDIENZEN UND ANGELUS sen mehrere Generationen heran, die einander lieben, achten und die tiefsten Werte des Daseins miteinander teilen. Im „Haus“ üben die Eheleute ihre Rechte aus, bringen ihren Eheplan zur Reife, indem sie ihren eigenen Verantwortlichkeiten nachkommen. Möge die „Habitat II“-Konferenz die Staaten dazu anregen, daß sie diesen Einsatz fördern. Mögen die Mutter Christi und die heute zur Ehre der Altäre erhobenen drei Heiligen durch ihre Fürsprache allen, die zum guten Gelingen der Konferenz beitragen, helfen, daß durch sie ein Meilenstein im wahren Fortschritt der ganzen Menschheitsfamilie gesetzt werde. Das Heilswirken Christi in Maria Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Juni 1. Die Lehre von der vollkommenen Heiligkeit Marias vom Augenblick ihrer Empfängnis an stieß im Abendland auf einigen Widerstand, und zwar in Anbetracht der Aussagen des hl. Paulus über die Erbsünde und die Universalität der Sünde, die vom hl. Augustinus aufgegriffen und mit besonderer Entschiedenheit dargelegt wurden. Der große Kirchenlehrer war sich dessen sicher bewußt, daß die Befindlichkeit Marias als Mutter eines vollkommen heiligen Sohnes eine totale Reinheit und eine außerordentliche Heiligkeit erforderte. Deshalb betonte er in der Kontroverse gegen Pelagius, daß die Heiligkeit Marias ein außerordentliches Gnadengeschenk sei, und bekräftigte: „Sehen wir also ab von der heiligen Jungfrau Maria, betreffs deren ich überhaupt keine Frage gestellt haben will, wenn von Sünden gesprochen wird: Wissen wir denn nicht, warum ihr eine höhere Gnade verliehen wurde im Hinblick auf die völlige Überwindung der Sünde - ihr, die es verdiente, den zu empfangen und zu gebären, der augenscheinlich ohne Sünde war?“ (vgl. De natura et gratia, Nr. 42). Augustinus bekräftigte die vollkommene Heiligkeit Marias und die Abwesenheit jeder persönlichen Sünde in ihr auf Grund der erhabenen Würde der Gottesmutterschaft. Dennoch konnte er nicht begreifen, wie die Behauptung ainer totalen Abwesenheit der Sünde im Augenblick der Empfängnis zu vereinbaren sei mit der Lehre von der Universalität der Erbsünde und der Notwendigkeit der Erlösung für alle Nachkommen Adams. Zu der entsprechenden Schlußfolgerung gelangte später die immer tiefer dringende Einsicht des Glaubens der Kirche, die klärte, wie Maria von ihrer Empfängnis an in den Genuß der erlösenden Gnade Christi gelangen konnte. 2. Im 9. Jahrhundert wurde auch im Abendland das Fest Mariä Empfängnis eingeführt, zuerst in Süditalien, in Neapel, und dann in England. 84 AUDIENZEN UND ANGELUS Um das Jahr 1128 bedauerte der Mönch Eadmer von Canterbury in seinem ersten Traktat über die Unbefleckte Empfängnis, daß die diesbezügliche liturgische Feier, die vor allem denen lieb sei, „in denen sich eine reine Einfachheit und eine demütigere Verehrung Gottes fand“ (vgl. Tract. de conc. B.M.V., 1-2), außer Gebrauch gekommen oder abgeschafft worden war. In dem Wunsch, die Wiedereinführung des Festes voranzubringen, weist der fromme Mönch den Einwand des hl. Augustinus gegen das Vorrecht der Unbefleckten Empfängnis zurück, der auf der Lehre von der Weitergabe der Erbsünde im Menschengeschlecht gründete. Er zieht den passenden Vergleich mit der Kastanie, „die unter den Stacheln empfangen, genährt und geformt wird, aber dennoch vor deren Stichen bewahrt bleibt“ (vgl. Tract. 10). Auch unter den Stacheln einer Generation, die an sich die Erbsünde weitergegeben würde - so argumentiert Eadmer -, blieb Maria vor jedem Makel bewahrt nach dem ausdrücklichen Willen Gottes, der „es - offenkundig -konnte und wollte. Und wenn er es wollte, dann hat er es getan“ (vgl. ebd.). Die großen Theologen des 13. Jahrhunderts machten sich trotz Eadmer die Schwierigkeiten des hl. Augustinus zu eigen und behaupteten: Die von Christus gewirkte Erlösung wäre nicht universal, wenn der Zustand der Sünde nicht allen Menschen gemeinsam wäre. Und Maria hätte nicht losgekauft werden können, wenn sie von der Erbsünde nicht betroffen gewesen wäre. Denn die Erlösung besteht in der Befreiung dessen, der im Zustand der Sünde ist. 3. Einigen Theologen des 12. Jahrhunderts folgend, lieferte Duns Scotus den Schlüssel, um diese Einwände gegen die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Marias zu überwinden. Er behauptete, Christus, der vollkommene Mittler, habe gerade in Maria den äußersten Akt der Mittlerschaft ausgeübt, indem er sie vor der Erbsünde bewahrte. Auf diese Weise führte er in der Theologie den Begriff der vorherbewahrenden und vorherwirkenden Erlösung ein, nach der Maria in noch wunderbarerer Weise erlöst worden ist: nicht durch die Befreiung von der Sünde, sondern durch die Bewahrung von der Sünde. Die intuitive Erkenntnis des sei. Duns Scotus, später „Lehrer der Immakulata“ genannt, wurde vom Beginn des 14. Jahrhunderts an seitens der Theologen, vor allem der Franziskaner, gut aufgenommen. Nach der Approbation der Messe der Unbefleckten Empfängnis durch Sixtus IV. im Jahr 1477 wurde diese Lehre immer mehr von den theologischen Schulen angenommen. Diese von der Vorsehung gewollte Entwicklung der Liturgie und der Lehre bereitete die Definition des marianischen Vorrechts seitens des obersten Lehramtes vor. Erst nach vielen Jahrhunderten wurde unter dem Antrieb einer grundlegenden Glaubenseinsicht verkündet: Die Mutter Christi mußte vom ersten Augenblick ihres Daseins an vollkommen heilig sein. 4. Niemandem entgeht, daß die Bekräftigung des außergewöhnlichen Vorrechts, das Maria gewährt wurde, deutlich macht, daß die Erlösungstat Christi nicht nur von der Sünde befreit, sondern auch vor ihr bewahrt. Diese Dimension der Bewah- 85 A UDIENZEN UND ANGELUS rang, die in Maria absolut ist, ist in dem erlösenden Eingreifen gegenwärtig, durch das Christus mit der Befreiung von der Sünde dem Menschen auch die Gnade und die Kraft gibt, den Einfluß der Sünde in seinem Leben zu überwinden. So stellt das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Marias die Auswirkungen der heilbringenden Gnade Christi auf die Menschennatur keineswegs in den Schatten, sondern trägt wunderbar dazu bei, sie deutlicher herauszustellen. In Maria, der ersten von Christus Erlösten, die das Vorrecht hatte, nicht einmal einen Augenblick lang der Macht des Bösen und der Sünde unterworfen zu sein, sehen die Christen das vollkommene Urbild und die Ikone jener Heiligkeit (vgl. Lumen Gentium, Nr. 65), zu der sie ihrer Berufung gemäß in ihrem Leben mit der Gnadenhilfe des Herrn gelangen sollen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesen Überlegungen richte ich meinen Willkommensgruß an die hier anwesenden Pilger und Besucher deutscher Sprache. Insbesondere grüße ich die Behin-dertengruppe des „Pater-Rupert-Mayer-Zentrams“ in Regensburg sowie alle Schülerinnen, Schüler und Studenten. Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich gerne den Apostolischen Segen. Zum, Recht aller auf menschenwürdiges Wohnen Angelus am 9. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die vergangene Woche stand liturgisch im Zeichen des Fronleichnamsfestes, das in Italien und in einigen anderen Ländern erst heute gefeiert wird. Im Sakrament des Leibes und Blutes Christi erkennt die Kirche die Quelle und den Höhepunkt ihres Lebens. Die Eucharistie setzt das eine Opfer von Golgota in geheimnisvoller Weise gegenwärtig. Christus selbst gibt sich seinem Volk zur Speise. Es ist ein Geheimnis des Lebens entsprechend der Verheißung Jesu: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben“ (Joh 6,54). Es ist eine Wirklichkeit der Gemeinschaft, wie der Apostel Paulus sagt: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib“ (1 Kor 10,17). Es ist eine Quelle der Liebe für das Leben der Kirche, Anregung und Stärkung für das Konzept einer offenen und solidarischen Gesellschaft, die besonders die Armen berücksichtigt. 2. Dieser Gedanke bringt mich noch einmal zu der in Istanbul stattfindenden Konferenz „Habitat“; ich möchte mich zum Sprecher all derer machen, die keine Stimme haben, und die Verantwortlichen der Völker, die das menschliche Wohnen 86 AUDIENZEN UND ANGELUS überprüfen, auffordem, die Armen, Kinder, Frauen, Alten und Ausgegrenzten in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu stellen. Die Anstrengung um die Beseitigung der Armut und das Bemühen um eine menschengerechte Organisation des Zusammenlebens in den ländlichen wie den städtischen Gebieten unseres Planeten müssen Hand in Hand gehen. Man darf sich nicht mit der dramatischen Situation von großen Stadtrandgürteln abfinden, wo Scharen von Armen sich in Notunterkünften zusammendrängen und sich ein Minimum an Lebensnotwendigem von den Abfällen einer allzuoft verschwenderischen und gleichgültigen Wohlstandsgesellschaft beschaffen. Das Recht auf Wohnung, das Recht auf eine rechtschaffene Arbeit gehören zu ein und demselben Modell des Zusammenlebens, das für alle ohne Diskriminierung menschenwürdige Lebensbedingungen vorsehen muß. Jede Stadt soll sich verpflichtet fühlen, eine „Stadt für alle“ zu werden. Wie sollte man vergessen, daß aus armen Gebieten und leidgeprüften Ländern ganze Völkerscharen in die reicheren Städte abwandem: Emigranten, Flüchtlinge, Vertriebene - sie alle hoffen, der Not und der Angst zu entfliehen. Zwar sind die modernen Metropolen häufig Orte der Freiheit, aber sie erweisen sich auch als Orte der Gleichgültigkeit, der Vereinsamung und neuer Formen von Elend. Es gilt, eine Herausforderung bereitwillig, weitherzig und mit einmütigem Verantwortungsbewußtsein anzunehmen. 3. Wir empfehlen diese weltweiten Dringlichkeiten der mütterlichen Sorge der heiligen Jungfrau, die Jesus, den Sohn Gottes, zur Welt brachte und in eine Krippe legte, weil - wie das Evangelium berichtet - für sie und Josef, ihren Bräutigam, in der Herberge von Betlehem kein Platz war (vgl. Lk 2,7). Wer könnte besser als Maria die Entbehrungen und Demütigungen derer verstehen, denen ein Dach über dem Kopf und ein gedeckter Tisch fehlen? Maria vermittle uns das Mitempfinden und die notwendigen Vorsätze, damit unsere Wohnorte immer mehr das Wesen von Solidarität annehmen. Die Unbefleckte Empfängnis — ihre dogmatische Definition Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Juni 1. Die Überzeugung, daß Maria von ihrer Empfängnis an von jedem Makel der Sünde bewahrt worden war, so daß sie ganz heilig genannt werden konnte, setzte sich im Laufe der Jahrhunderte zunehmend in der Liturgie und in der Theologie durch. Diese Entwicklung hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Bewegung von Bittgesuchen um eine dogmatische Definition des Vorrechts der Unbefleckten Empfängnis zur Folge. In der Absicht, dieser Bitte zu entsprechen, befragte Papst Pius IX., nachdem er den Rat der Theologen eingeholt hatte, alle Bischöfe in bezug auf die Angemessenheit und Möglichkeit einer solchen Definition, indem er 87 A UDIENZEN UND ANGELUS gleichsam ein „schriftliches Konzil“ einberief. Das Ergebnis war beeindruckend: Die überwiegende Mehrheit der 604 Bischöfe beantwortete die Frage bejahend. Nach dieser ausgedehnten Umfrage, die die Sorge meines ehrwürdigen Vorgängers deutlich macht, in der Definition des Dogmas den Glauben der Kirche auszudrücken, wurde mit ebensoviel Sorgfalt die Abfassung des Dokumentes in Angriff genommen. Die Sonderkommission der Theologen, von Pius IX. zum Zweck der Prüfung der offenbarten Lehre eingesetzt, maß der kirchlichen Praxis wesentliche Bedeutung bei. Und dieses Kriterium wirkte sich auf die Formulierung des Dogmas aus, die den Sprachgebrauch des kirchlichen Lebens, des Glaubens und des Kultes des christlichen Volkes gegenüber den scholastischen Bezeichnungen vorzog. Schließlich verkündete Pius IX. im Jahr 1854 mit der Bulle Ineffabilis feierlich das Dogma der Unbefleckten Empfängnis: „... erklären, verkünden und bestimmen Wir: ... Die Lehre, daß die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch die einzigartige Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechts, von jeglichem Makel der Urschuld unversehrt bewahrt wurde, ist von Gott geoffenbart und deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben“ (DS, 2803). 2. Die Verkündigung des Dogmas der Immakulata bringt den wesentlichen Glaubenssatz zum Ausdruck. Papst Alexander VII. sprach 1661 in der Bulle Sollicitudo von der Bewahrung der Seele Marias „bei ihrer Erschaffung und Eingießung in den Leib“ (vgl. DS, 2017). Die Definition durch Pius IX. läßt hingegen alle Erklärungen hinsichtlich der Art und Weise der Eingießung der Seele in den Leib beiseite und schreibt der Person Marias im ersten Augenblick ihrer Empfängnis das Bewahrtsein von jedem Makel der Urschuld zu. Das Freisein „von jeglichem Makel der Urschuld“ hat sicher das vollständige Freisein von jeder Sünde zur Folge und die Verkündigung der vollkommenen Heiligkeit Marias, eine Lehre, zu der die dogmatische Definition einen grundlegenden Beitrag liefert. Denn die negative Formulierung des marianischen Vorrechts, bedingt durch die im Westen über die Erbsünde entstandenen vorhergehenden Auseinandersetzungen, muß immer durch den klaren Hinweis auf die Heiligkeit Marias ergänzt werden, die in der Tradition der Ostkirche deutlicher hervorgehoben wird. Die Definition von Pius IX. bezieht sich nur auf das Freisein von der Erbsünde und umfaßt nicht ausdrücklich das Freisein von der Begierlichkeit. Dennoch folgt aus der vollständigen Bewahrung Marias von jedem Makel der Sünde auch das Freisein von der Begierlichkeit, der ungeordneten Tendenz, die nach dem Konzil von Trient aus der Sünde stammt und zur Sünde geneigt macht (DS, 1515). 88 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. „Durch die einzigartige Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Gottes“ verliehen, stellt diese Bewahrung von der Erbsünde ein ganz unverdientes göttliches Vorrecht dar, das Maria vom ersten Augenblick ihres Daseins an erhalten hat. Die dogmatische Definition erwähnt nicht, daß dieses besondere Vorrecht einzigartig ist, läßt dies aber vermuten. Die Bekräftigung einer solchen Einmaligkeit kommt jedoch in der Enzyklika Fulgens corona von 1953 zum Ausdruck, wo Papst Pius XII. von dem „einmaligen Vorrecht“ spricht, das „nie einer anderen Person gewährt worden ist“ (AAS 45[ 19531580), während er so die von einigen unterstützte, aber wenig begründete Möglichkeit ausschließt, sie auch dem hl. Josef zuzuerkennen. Die jungfräuliche Mutter empfing die einzigartige Gnade der unbefleckten Empfängnis „im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erlösers des Menschengeschlechtes“, das heißt seiner universalen Erlösungstat. Im Text der dogmatischen Definition wird nicht ausdrücklich erklärt, daß Maria erlöst worden ist, sondern die Bulle Ineffabilis bekräftigt an anderer Stelle, daß sie „auf erhabenste Weise losgekauft worden ist“. Das ist die außergewöhnliche Wahrheit: Christus war der Erlöser seiner Mutter und vollbrachte in ihr „in vollkommenster Weise“ (Fulgens corona, AAS 45[1953]581) vom ersten Augenblick ihres Daseins an seine Erlösungstat. Das II. Vatikanische Konzil hat erklärt, daß die Kirche in Maria „die erhabenste Frucht der Erlösung“ bewundert und preist (Sacrosanctum Concilium, Nr. 103). 4. Diese feierlich verkündete Lehre wird ausdrücklich als „von Gott geoffenbarte Lehre“ bezeichnet. Papst Pius IX. fügt hinzu, daß sie „deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben“ ist. Wer sie sich nicht zu eigen macht oder eine gegenteilige Meinung bewahrt, „soll klar wissen, daß er ... an seinem Glauben Schiffbruch erlitt und von der Einheit der Kirche abfiel“. Bei der Verkündigung der Wahrheit dieses Dogmas der Unbefleckten Empfängnis war sich mein ehrwürdiger Vorgänger bewußt, daß er seine Vollmacht der unfehlbaren Lehre als universaler Hirt der Kirche ausübte, die einige Jahre später während des I. Vatikanischen Konzils feierlich definiert wurde. So stellte er sein unfehlbares Lehramt in den Dienst des Glaubens des Volkes Gottes; und es ist bedeutsam, daß es bei der Definition des Vorrechtes Marias geschah. Graßworte in Deutsch Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich unser aller Anliegen der Fürbitte der Mutter Gottes empfehle, grüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, nochmals sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß entbiete ich den Polizeibeamten aus Graz und der Gruppe der Evangelischen Diakonieschwestemschaft von Herrenberg sowie den Schülerinnen und Schülern aus Deutschland und Österreich. Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim sowie allen, die uns geistig verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 89 AUDIENZEN UND ANGELUS Wohnraum für junge Familien muß Priorität haben Angelus am 16. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die II. Konferenz der Vereinten Nationen über das menschliche Wohnen, der ich an diesen Sonntagen meine Ansprachen gewidmet habe, wurde am vergangenen Freitag in Istanbul mit der einstimmigen Bekräftigung des Rechtes auf Wohnung für jede Person mit der eigenen Familie beendet. Es ist ein mit Befriedigung zu begrüßendes Resultat. Es läßt hoffen, daß dieses natürliche Bestreben des Menschen, schon durch vorangegangene Erklärungen und internationale Bemühungen geschützt, immer mehr in den Mittelpunkt der Fürsorge aller Staaten gestellt wird. Tatsächlich dürfte niemand - und noch weniger die für das Gemeinwohl verantwortliche öffentliche Obrigkeit - das Drama so vieler Personen und ganzer Familien außer acht lassen, die gezwungen sind, auf der Straße zu leben oder sich mit unsicheren und unwirtlichen Unterkünften zufrieden zu geben. Es ist auch traurig, daß so viele junge Menschen wegen der schwierigen Wohnungssuche und oft auch wegen des fehlenden oder unsicheren Arbeitsplatzes ihre Eheschließung lange hinauszögem oder sogar auf die Gründung einer eigenen Familie verzichten müssen. Willkommen ist also dieser erneute Ausdruck des moralischen Gewissens und des internationalen Rechts, der das Recht auf Wohnung für alle bekräftigt und auch seinen engen Zusammenhang mit dem Recht auf Gründung einer Familie und auf eine angemessen bezahlte Arbeit hervorhebt. 2. An der Schwelle des neuen Jahrtausends sind diese Perspektiven als Fixpunkte einer großen Strategie zu betrachten, die die Kluft zwischen reichen und armen Ländern so weit wie möglich verringern und die Mißverhältnisse in den Nationen mit höherem Einkommen beheben will. Die Konferenz in Istanbul lenkte das Augenmerk der Menschheit mit Nachdruck auf die Forderung, die Entwicklung und den wirtschaftlichen Fortschritt mit der Solidarität und der Aufmerksamkeit gegenüber den weniger Begüterten immer mehr in Einklang zu bringen. Ich fordere die Obrigkeiten aller Länder dringend auf, mit Entschlossenheit diese Aufgaben anzugehen und sie zur Priorität ihrer politischen Entscheidungen zu machen. Für alle ein passendes „Habitat“ sicherzustellen, ist ein Erfordernis der jedem Menschen gebührenden Achtung und darum Maßstab für die Zivilisation und Voraussetzung für ein friedliches und brüderliches Zusammenleben. Jeder Person ist auf Grund der Menschenwürde eine Wohnung zu gewährleisten, die nicht nur physischen Schutz bietet, sondern ein angemessener Ort ist, um die eigenen sozialen, kulturellen und geistlichen Ansprüche zufriedenzustellen. 3. Die selige Jungfrau helfe jedem, die egoistischen Neigungen zu überwinden und das Herz für die Bedürfnisse der Mitmenschen zu öffnen. Während die Staaten bestimmte Pflichten haben, kommt es doch beim Wohnungsangebot sehr auf die 90 AUDIENZEN UND ANGELUS Empfänglichkeit der Privaten an. Wie können sich denn von Gerechtigkeit und Solidarität inspirierte politische Orientierungen durchsetzen, wenn diese Werte nicht das moralische Geflecht der ganzen Gesellschaft stützen? Ich hoffe, daß sich in allen - und insbesondere in denen, die sich auf das Evangelium Christi berufen - eine verstärkte Sensibilität auch auf dem konkreten und dringenden Gebiet des Rechtes auf Wohnung entwickeln möge. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Auf dem Platz sehe ich ein Spruchband, mit dem man mir eine gute Reise wünscht. Sie haben Recht. Ich empfehle mich Euer aller Gebet während meines bevorstehenden Pastoralbesuches in Deutschland. Marias vollkommene Heiligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Juni 1. Die Definition des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis berücksichtigt in Wirklichkeit nur den ersten Augenblick des Daseins Marias, von dem an sie „von jeglichem Makel der Urschuld unversehrt bewahrt wurde“. Das päpstliche Lehramt wollte nur die Wahrheit feststellen, die im Laufe der Jahrhunderte Gegenstand von Auseinandersetzungen gewesen war, und unterließ es, die ständige Heiligkeit der jungfräulichen Mutter des Herrn festzuhalten. Diese Wahrheit gehört aber schon zum allgemeinen Empfinden des christlichen Volkes. Es bestätigt in der Tat, daß Maria, weil frei von der Urschuld, auch von jeder zeitlichen Sünde bewahrt wurde und daß ihr die Heiligkeit von Anfang an gewährt wurde, damit sie ihr ganzes Dasein erfülle. 2. Die Kirche hat Maria ständig als heilig und unversehrt von jeder Sünde oder moralischen Unvollkommenheit anerkannt. Das Konzil von Trient bringt diese Überzeugung zum Ausdruck, indem es bekräftigt, daß niemand ,Jm ganzen Leben alle Sünden, auch die verzeihlichen, meiden (könne), wenn nicht aufgrund eines besonderen Vorrechtes von Gott, wie es die Kirche in bezug auf die selige Jungfrau festhält“ (DS 1573). Die Möglichkeit zu sündigen verschont nicht einmal den durch die Gnade umgewandelten und innerlich erneuerten Christen. Letztere bewahrt nicht das ganze Leben lang vor jeder Sünde, wenn nicht, wie das Konzil von Trient bekräftigt, ein besonderes Vorrecht diese Unversehrtheit von der Sünde sicherstellt. Das ist in Maria geschehen. Das Konzil von Trient wollte diese Bevorzugung nicht definieren, erklärte jedoch, daß die Kirche es nachdrücklich bekräftigt: „Tenet“, das heißt, sie hält daran fest. Es handelt sich um eine Entscheidung, die diese Wahrheit keineswegs unter die frommen Überzeugungen oder Andachten verweist, sondern ihren festen im Lehramt verankerten Charakter bekräftigt, der den Glauben des Volkes Gottes kenn- 91 AUDIENZEN UND ANGELUS zeichnet. Im übrigen stützt sich diese Überzeugung auf die Gnade, die Maria vom Engel im Augenblick der Verkündigung zugeschrieben wird. Indem er sie „voll der Gnade“, kecharitomene, nennt, anerkennt der Engel in ihr die Frau, die mit einer ständigen Vollkommenheit und einer Fülle der Heiligkeit ohne die geringste Sünde und Unvollkommenheit moralischer oder geistlicher Ordnung ausgestattet ist. 3. Weil sie noch nicht von Marias vollkommener Heiligkeit überzeugt waren, hatten einige Kirchenväter der ersten Jahrhunderte ihr Unvollkommenheiten oder moralische Fehler zugeschrieben. Diese Meinung haben sich auch einige Schriftsteller der jüngeren Zeit zu eigen gemacht. Aber die Texte des Evangeliums, die zitiert werden, um diese Meinung zu rechtfertigen, erlauben es keineswegs, der Mutter des Erlösers eine Sünde oder auch nur eine moralische Unvollkommenheit zuzuschreiben. Die Antwort des zwölfjährigen Jesus an seine Mutter: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49), wurde manchmal als eine verschleierte Zurechtweisung interpretiert. Beim aufmerksamen Lesen der Begebenheit wird hingegen deutlich, daß Jesus seine Mutter und Josef nicht zurechtweist, weil sie ihn suchten, denn sie waren ja zur Obhut über ihn verpflichtet. Als sie Jesus nach einer schmerzlichen Suche finden, beschränkt Maria sich darauf, ihn nur nach dem „Warum“ seines Verhaltens zu fragen: „Kind, wie konntest du uns das antun?“ (Lk 2,48). Und Jesus antwortet mit einem anderen „Warum“, während er sich jedes Verweises enthält und sich nur auf das Geheimnis der eigenen Gottessohnschaft bezieht. Nicht einmal die in Kana gesprochenen Worte: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Joh 2,4) dürfen als Tadel angesehen werden. Angesichts der wahrscheinlichen Verlegenheit, in die das Brautpaar wegen des fehlenden Weines geraten wäre, wendet sich Maria einfach an Jesus und vertraut ihm das Problem an. Jesus, der weiß, daß er der Messias ist und nur dem Willen des Vaters zu gehorchen hat, pflichtet der stillschweigenden Bitte der Mutter bei. Er antwortet vor allem auf den Glauben der Jungfrau und wirkt so die ersten Wunderzeichen, indem er seine Herrlichkeit manifestiert. 4. Negativ interpretiert wurde von einigen die Erklärung, die Jesus zu Beginn seines öffentlichen Lebens gemacht hat. Maria und die Verwandten wollen ihn sehen. Der Evangelist Lukas überliefert uns die Antwort Jesu an den, der zu ihm sagte: ,Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und möchten dich sehen“, und liefert uns den Schlüssel zum Verständnis der Erzählung, der von der inneren Disposition Marias ausgeht, die sich von der Haltung der „Brüder“ sehr unterscheidet (vgl. Joh 7,5). Jesus antwortete: „Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln“ (Lk 8,21). Im Bericht der Verkündigung zeigte Lukas deutlich, daß Maria das Vorbild des Hörens auf Gottes Wort und der 92 AUDIENZEN UND ANGELUS hochherzigen Fügsamkeit ist. In dieser Sicht betrachtet, ist die Begebenheit ein hohes Lob für Maria, die in ihrem Leben den göttlichen Plan vollkommen verwirklicht hat. Die Worte Jesu, die dem Versuch der Brüder widerstehen, heben lobend die Treue Marias zum Willen Gottes und die hohe Würde ihrer Mutterschaft hervor, die von ihr nicht nur physisch, sondern auch geistlich gelebt wird. Während er dieses versteckte Lob ausdrückt, wendet Jesus eine besondere Methode an: Er stellt das edle Verhalten Marias im Licht allgemeinerer Bekräftigungen heraus und zeigt deutlicher die Solidarität und Nähe der Jungfrau zur Menschheit auf dem schwierigen Weg der Heiligkeit. Auch die Worte: „Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Lk 11,28), mit denen Jesus der Frau antwortet, die seine Mutter seligge-priesen hat, ziehen keineswegs die persönliche Vollkommenheit Marias in Zweifel, sondern heben ihre treue Erfüllung des Wortes Gottes hervor: So hat sie die Kirche verstanden, als sie diese Schriftstelle in die Meßfeiem zu Ehren Marias eingefügt hat. Denn die Worte des Evangeliums geben zu verstehen, daß Jesus durch diese Erklärung gerade die enge Verbundenheit mit Gott und die vollkommene Zustimmung zum göttlichen Wort als den tiefsten Grund der Seligpreisung seiner Mutter aufzeigen wollte. 5. Die Bevorzugung, die Gott der „Ganzheiligen“ gewährt hat, leitet uns an, das zu bewundern, was die Gnade an ihr Großes gewirkt hat. Sie erinnert uns auch daran, daß Maria immer ganz dem Herrn gehörte und daß keine Unvollkommenheit je die vollkommene Harmonie zwischen ihr und Gott baeinträchtigt hat. Ihr Leben auf Erden war deshalb von der ständigen und höchsten Entfaltung des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe gekennzeichnet. Deshalb ist Maria für die Gläubigen das leuchtende Zeichen des göttlichen Erbarmens und die sichere Führerin zu den höchsten Gipfeln der evangelischen Vollkommenheit und der Heiligkeit. Grußworte in Deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher nochmals sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Schülern und Jugendlichen. In der Vorfreude auf meinen nahe bevorstehenden Besuch in Deutschland bitte ich Euch, meine Reise mit Eurem Gebet zu begleiten. Euch allen, Euren Lieben zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 93 A UDIENZEN UND ANGELUS Gedanken zur Pastoraireise nach Deutschland Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute möchte ich Gott Dank sagen für meine jüngste dritte apostolische Reise nach Deutschland. Die erste der beiden früheren fand 1980 anläßlich des 700. Todesjahres des hl. Albertus Magnus statt, die zweite 1987 zur Seligsprechung von Edith Stein in Köln und von Pater Rupert Mayer in München, die der Gewalt des nationalsozialistischen Regimes zum Opfer gefallen sind. In dieser Hinsicht steht diese letzte Reise in fortführendem Zusammenhang mit den vorhergehenden: Denn die beiden Priester Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner, die ich am vergangenen Sonntag in Berlin seliggesprochen habe, legten in derselben dramatischen Geschichtsperiode ebenfalls Blutzeugnis ab. Von diesem Besuch zurückgekehrt, spreche ich den Mitbrüdem des deutschen Episkopats, insbesondere dem Erzbischof von Paderborn, dem Berliner Kardinal und dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz sowie der Regierung der Bundesrepublik Deutschland meinen Dank aus: Herzlichen Dank für die ausgezeichnete Gastfreundschaft. Außerdem danke ich all denen, die bei der Organisation mitgeholfen haben, damit der Besuch einen guten Verlauf nehme. 2. Paderborn und Berlin. Unter den vielen Städten, von denen der Papst eine Einladung erhalten hatte, waren diese beiden ausgewählt worden. Und die Wahl hat sich als sehr glücklich erwiesen. Das erste Ziel war Paderborn. Dieser alte Bischofssitz aus dem 8. Jahrhundert bewahrt das Andenken an die historische Begegnung zwischen Karl dem Großen und Papst Leo III. im Jahr 799, eine Begegnung, bei der der Papst und der Frankenkönig eine Absprache der Zusammenarbeit trafen, die Jahrhunderte hindurch die Geschicke Europas prägen und bestimmen sollte. Schutzpatron der Diözese ist der römische Märtyrer St. Liborius. Vor seinem Reliquienschrein wurde die heilige Messe gefeiert, an der zahlreiche Gläubige teilgenommen haben. Paderborn wurde im 20. Jahrhundert Erzbischofssitz, der die Diözesen Fulda, Magdeburg und Erfurt zugeordnet sind. Dieser Ort bietet also ein ausgezeichneten Überblick über die Geschichte der Kirche in Deutschland: Es ist interessant, sie sozusagen durch das „Prismenglas“ des Petrusschiffes zu betrachten, das sich während des Sturmes auf dem See von Galiläa befand, wie ich in Paderborn in der Predigt hervorhob. In der Tat hat die Geschichte dem deutschen Volk im Laufe der Jahrhunderte viele Stürme beschert. Der größte ist vielleicht der unseres Jahrhunderts, aber auch die vorhergehenden Epochen haben Unheil und Unwetter mit sich gebracht. Ich denke insbesondere an das, was durch die lutherische Reformation im 16. Jahrhundert geschehen ist. 94 AUDIENZEN UND ANGELUS Dem entsprach durchaus die Wahl von Paderborn als Ort der ökumenischen Begegnung: Das Gebet für die Einheit der Christen unter der Beteiligung der katholischen, protestantischen und orthodoxen Kirche wurde im Dom, in der Bischofskirche, abgehalten. Gleichfalls in Paderborn fand das Treffen mit der Deutschen Bischofskonferenz statt, das Gelegenheit bot, die vielen Schwierigkeiten der Kirche in Deutschland und die nicht geringen Verdienste des Episkopats dieser Nation aufzuzeigen. Wie könnte man unter anderem die entscheidende Initiative zur Versöhnung zwischen den deutschen und polnischen Bischöfen unerwähnt lassen, die im Namen der beiden durch den Krieg entzweiten Nationen ergriffen wurde? Diese Initiative geht auf die Zeit des II. Vatikanischen Konzils zurück und bringt seit dreißig Jahren ununterbrochen vielfältige Frucht. Bekannt sind in der Kirche und Welt viele von den deutschen Bischöfen geförderte Hilfswerke wie „Misereor“ und „Adveniat“, zu denen die jüngste Initiative unter dem Namen ,,Renovabis“ hinzukommt: Sie sind greifbare Ausdrucksweisen der hochherzigen Solidarität der deutschen Katholiken gegenüber den ärmeren und notleidenden Völkern. 3. Berlin. Die Wahl Berlins als zweites Ziel der Papstreise war nicht weniger bedeutungsvoll. Die Geschichte dieser Stadt, einst Sitz des Preußenkönigs, dann Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches und später der sogenannten Weimarer Republik und dann auch des Dritten Reiches, führt uns im Geist zurück in die weit zurückliegende und besonders in die uns näherliegende jüngere Vergangenheit der deutschen Nation und Europas. Nach dem Fall der Mauer und der Vereinigung von West- und Ostdeutschland ist Berlin wieder Hauptstadt des deutschen Staates geworden. Hier residiert bereits der Bundespräsident, während die Abgeordneten und der Bundestag ihren Sitz zur Zeit noch in Bonn haben. Der Name „Berlin“ weckt bei Menschen meiner Generation noch schreckliche und schmerzhafte Erinnerungen. Denn als Hauptstadt des Dritten Reiches war diese Stadt der Ausgangspunkt unheilvoller politischer und militärischer Initiativen, die das Schicksal Europas schwer belasteten, vor allem das der Nachbamationen. Von Berlin ging im Jahr 1939 der unheilvolle Beschluß zum Beginn des Zweiten Weltkrieges aus. Hier wurden die unmenschlichen Pläne der Konzentrationslager ausgearbeitet und insbesondere bei der Wannsee-Konferenz die sogenannte „Endlösung“ vorbereitet, das heißt die Ausrottung der in Deutschland und in anderen europäischen Ländern ansässigen Juden: die berüchtigte „shoah“. Mit Berlin ist leider eine ungeheure Menge von Schmerz und menschlichem Leiden verbunden: Die Wunden sind noch nicht ganz verheilt. Nach der Eucharistiefeier im Olympiastadion erinnerte ich in meinem Grußwort an die polnischen Landsleute an die beiden Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück: In das erstgenannte wurden während der ersten Kriegsmonate die Professoren der Jagellonen-Universität von Krakau deportiert; das von Ravensbrück war für die 95 AUDIENZEN UND ANGELUS Frauen aus Deutschland, aber hauptsächlich aus Polen und vielen anderen europäischen Ländern bestimmt. Es war deshalb sehr bedeutungsvoll, daß gerade in Berlin die Seligsprechung von zwei Märtyrern der nationalsozialistischen Ideologie und Gewalt stattfand: von Pfarrer Bernhard Lichtenberg und dem jungen Priester der Diözese Münster, Karl Leisner, der heimlich im Lager von Dachau geweiht worden war. Beide fanden den Tod als Opfer des totalitären Systems, das ihre seelsorgerische Haltung nicht „dulden“ konnte, und haben ihr Leben für Christus geopfert. 4. Letztes Ziel meines Berlinbesuches war das berühmte Brandenburger Tor. Auch dieser Name ist in das Gedächtnis der Menschen meiner Generation eingeschrieben als Ort, wo das nationalsozialistische Regime seine pompösen Paraden abhielt und die Massen und vor allem die Jugend zum ideologischen Fanatismus aufpeitschte. Die Tatsache, daß dort ein Papst verweilen und von dort aus seine Botschaft verkünden durfte, hat zweifellos historische Bedeutung. Wir können sagen, in gewissem Sinn bewahrheitete sich das Sprichwort, daß die göttliche Vorsehung auch auf den krummen Zeilen von Menschen gerade schreibt. Die Begegnung am Brandenburger Tor hatte vor allem einen anderen Kontext und andere Zielsetzungen, wie der deutsche Bundeskanzler in seiner Rede herausstellte. Das heißt, es bedarf einer gewaltigen Anstrengung, um die früheren Denkrichtungen des Hasses und der Zerstörung zu überwinden und auf das Ziel der Verständigung und Verbrüderung der Völker hinzustreben. Die geschichtlichen Umstände scheinen für einen solchen Einsatz noch günstig zu sein, aber sie könnten sich rasch ändern. Deshalb muß man den günstigen Strömungen folgen und die von der Vorsehung gewollte Ruhe nach dem Sturm nutzen als eine solche, die auf dem See von Galiläa auf das Gebot Christi hin folgte. Es ist notwendig, die einzelnen und die Gemeinschaften zu einer neuen Geisteshaltung zu erziehen, zu einem Bewußtsein der Rechte des Menschen, der Rechte der Nationen, der internationalen Gerechtigkeit und Solidarität. Dieses Programm unterscheidet sich praktisch nicht von dem, das die Kirche sich selbst im Hinblick auf das bevorstehende Jahr Zweitausend stellt und das ich in dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente dargelegt habe. Ich hoffe, daß das Programm der Verantwortlichen der Nationen und das des Apostolischen Stuhls und der Bischöfe sich harmonisch entfalten, so daß Christus an der Schwelle des dritten Jahrtausends von den untereinander noch mehr ausgesöhnten und vereinten Völkern begrüßt wird. Deshalb bitten wir den Herrn und rufen die mütterliche Fürbitte der seligen Jungfrau Maria an, des Sterns der Neuevangelisierung. Grußworte in Deutsch: Indem ich den Herrn bitte, das während dieser Pastoraireise gesäte Wort gedeihen und Frucht bringen zu lassen, grüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Mein besonderer Gruß gilt den Schülern und Jugend- 96 AUDIENZEN UNDANGELUS liehen, die hier anwesend sind. Euch allen, Euren heben Angehörigen daheim sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich den Apostolischen Segen. Die volle Einheit bleibt Pflicht und Ziel Angelus am Fest Peter und Paul, 29. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Fest der hll. Petrus und Paulus lädt uns ein, den Glauben dieser beiden Apostel, dieser Säulen der Kirche, nachzuleben, die Christus zur Leidenschaft ihres Lebens machten. Petrus bezeugte es mit dem Wort und mit dem Blut: „Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16). Paulus, Konvertit und später der Völkerapostel, war so ergriffen von Ihm, daß er ausrief: „... für mich ist Christus das Leben!“ (Phil 1,21). Ihr Andenken drängt uns zu einer immer größeren Treue und einer immer tieferen Einheit. Vor genau einem Jahr, am Fest Peter und Paul, hatte ich die Freude, mit dem Mitbruder von Konstantinopel, dem Patriarchen Bartolomaios I., zusammenzutreffen. Gemeinsam richteten wir ein Grußwort an das Volk Gottes, gleichsam um die Schönheit der vollen Gemeinschaft vorwegzunehmen, die wir zusammen anstreben. Die Begegnung fand einen Monat nach der Veröffentlichung der Enzyklika Orientale lumen statt, in der ich dem kostbaren Erbe der ostchristlichen Tradition meine Wertschätzung zum Ausdruck gebracht hatte. In den darauffolgenden Monaten fehlte es nicht an Anlässen, auf dieses Thema zurückzukommen. Ich beziehe mich besonders auf die Gedenkfeier der Union von Brest und Uzhorod, in der einige Brüder und Gemeinschaften der Ostkirchen die volle Einheit mit dem Stuhl Petri wiederherstellten. Alle diese Umstände verstärken besonders im Hinblick auf die Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 den Wunsch aller Christen nach Einheit, für die Christus beim letzten Abendmahl gebetet hat, und spornen uns zu einem wachsenden Bemühen an, sie mit allen Kräften zu fördern. 2. Es handelt sich um einen vom Geist Gottes geweckten Wunsch! Er drängt uns, den Abstand zu verringern, die Vorurteile fallen zu lassen und uns näher kennen-zulemen, indem er uns an die Atmosphäre der Verständigung erinnert, die die besten Augenblicke der Beziehungen zwischen der Kirche des Westens und des Ostens vor allem im ersten Jahrtausend kennzeichnete. Die Kirche lebt von den wertvollen lehramtlichen, geistlichen, kulturellen und menschlichen Schätzen, die vor allem die großen Heiligen der patristischen Zeit untereinander austauschten. Sie bleiben ein gemeinsames Erbe, das es wiederzuentdecken und aufzuwerten gilt, damit die Kirche erneut „mit beiden Lungen“, mit der östlichen und mit der 97 AUDIENZEN UND ANGELUS westlichen, atmen kann. Aus diesem Grund habe ich die Katholiken in dem Apostolischen Schreiben Orientale lumen eingeladen, die Überheferung der Ostkirchen kennenzulemen, „um sich mit ihr vertraut machen und, soweit es dem einzelnen möglich ist, den Prozeß der Einheit fördern zu können“ (Nr. 1). Heute, am Fest Peter und Paul, erneuere ich diese Einladung. Als Sohn eines slawischen Volkes fühle ich persönlich einen besonderen Ruf des Herrn, dahin zu wirken. Bei den kommenden Sonntagsbegegnungen werde ich einige Aspekte des reichen ostchristlichen Erbes vorstellen, um seine Lebenskraft auch in bezug auf die großen Glaubensfragen unserer Zeit vor Augen zu führen. 3. Wir vertrauen die Sache der vollen Gemeinschaft zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens der seligsten Jungfrau an, während wir sie so betrachten, wie sie uns die Apostelgeschichte darstellt: im Abendmahlssaal zusammen mit den Aposteln in Erwartung des Heiligen Geistes (vgl. Apg 1,14). Maria ist die Ikone der Einheit, an der wir uns immer inspirieren müssen. Die Mutter der Kirche unsterstütze unsere Anstrengungen und beschleunige unseren Schritt, „so daß man im Großen Jubeljahr, wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auftreten kann, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Jetzt möchte ich an die Pilger, die heute auf dem Petersplatz zum Angelusgebet versammelt sind, ein herzüches Grußwort richten. Insbesondere grüße ich die Gruppe der Rollschuhfahrer, die an dem ersten internationalen Marathonlauf der Rollschuhfahrer, „Rome Roller Race“, teilnehmen. Ich danke Euch, meine Lieben, für Eure Anwesenheit! Euch allen, die ihr aus der ganzen Welt zusammengeströmt seid, wünsche ich von Herzen, daß diese Initiative dazu beitrage, die Gefühle der Solidarität unter den Völkern zu verstärken und Eure Altersgenossen anspome, den notleidenden Mitmenschen ständig Aufmerksamkeit zu schenken. Allen erteile ich meinen Segen. Einheit in Vielfalt in der frühen Kirche als Vorbild Angelus am 30. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Man versteht die Geschichte der Kirche in ihrem zweifachen östlichen und westlichen Erscheinungsbild nicht, wenn man nicht von ihrem Ursprung ausgeht. Und der Ursprung ist Christus, den die ganze Kirche als Herrn anerkennt. Der Ursprung ist der Geist, der am Pfingsttag als Prinzip des Lebens und jeder Gabe ausgegossen wurde. Zu den Usprüngen der Kirche gehören auch die Apostel als Zeugen des Auferstandenen und Väter im Glauben. Aus diesem lebendigen und ge- 98 AUDIENZEN UND ANGELUS meinsamen Ursprung muß in der von der Vorsehung gewollten Zeit und entsprechend unserer Folgsamkeit eine neue, ersehnte Einheit zwischen den Christen des Ostens und des Westens entstehen. In tätiger Erwartung dieses Geschehens greift die Erinnerung dankbar auf die Jahrhunderte der ungeteilten Christenheit zurück, besonders auf die ersten Jahrhunderte, in denen die Verkündigung des Evangeliums von Jerusalem ausgehend sich in alle Himmelsrichtungen der damals bekannten Welt ausbreitete. Die Botschaft des Herrn begann nach und nach in vielen Kulturen Früchte zu tragen. Es war nicht zu vermeiden, daß diese tiefgreifende Entwicklung Meinungsverschiedenheiten entstehen ließ und Spannungen hervorrief. Schon in apostolischer Zeit mußte das Konzil von Jerusalem die unterschiedlichen Ansichten der jüdisch geprägten und der aus dem Heidejtum kommenden Christen in Einheit zusammenführen. Dieses Ereignis ist ein bleibendes leuchtendes Zeugnis dafür, daß die Wahrheit ohne Kompromisse angeboten werden muß, indem man zusammen Toleranz und Gemeinschaft pflegt. Leider war es nicht immer leicht, diesem Beispiel im Laufe der Geschichte zu folgen. 2. Aber der Geist Gottes ruht nicht, bis nicht die volle Einheit unter uns wiederhergestellt ist. Seine Stimme wird für uns besonders deutlich durch das Zeugnis der in Ost und West verehrten Heiligen, die von den ersten Jahrhunderten an sich als Stifter der Einheit ausgezeichnet haben. Ich möchte erinnern an die bedeutende Gestalt des hl. Ignatius, Bischof von Antiochien. Er kam nach Rom, wo ihn der Martertod erwartete, und schrieb fast ungeachtet seiner Lage bewegende Briefe an mehrere Christengemeinden. Allen empfahl er, die Einheit um den Bischof zu wahren, und drängte sie zur gegenseitigen Gemeinsamkeit, indem er den Austausch von Nachrichten und Gebeten anregte. Der Gemeinde von Rom schrieb er in einem eindrucksvollen und fast programmatischen Beiwort „den Vorrang in der Liebe“ zu (Ad Rom. inscr.). Und wie könnte man eine weitere Persönlichkeit mit großen Verdiensten um die Einheit, den hl. Irenäus, vergessen? Er stammte aus Smyrna, wurde dann Bischof von Lyon und gleichsam zu einer „Brücke“ zwischen Ost und West. In seinem theologischen Werk bezeichnete er die eine Überlieferung, die in verschiedenen Sprachen erklingt, aber aus nur „demselben Mund“ (Adv. Haer. I, 10,2) verkündet wird, als Glaubensnorm und verstand das kirchliche Leben als ein „Zusammenspiel“ von Stimmen. Er bemühte sich darum, das gegenseitige Verständnis zu fördern in den Spannungen, die in der damaligen Zeit über die Frage der Datierung des Osterfestes entstanden waren. 3. Die Mutter Christi und der Kirche helfe uns, dem Beispiel dieser großen Glaubenszeugen zu folgen. Sie mache uns folgsam gegenüber dem Heiligen Geist, damit wir unter Achtung der berechtigten Vielfalt und Traditionen lernen, einander zu schätzen und im Glauben und in der Liebe immer tiefer Übereinstimmung zu 99 AUDIENZEN UNDANGELUS erreichen. Sie lege uns die Sehnsucht nach der vollen Gemeinschaft ins Herz und rege uns an, sie mit neuen, festen Vorsätzen anzustreben. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In einigen Ländern des Ostens geht ein wichtiges Kapitel des Hilfsprogramms für die Flüchtlinge und Asylbewerber in Südostasien zu Ende, durch das die Organisation der Vereinten Nationen Hunderttausenden von Menschen auf der Suche nach einem neuen Wohnsitz oder bei der Rückkehr in ihre Heimatländer geholfen hat. Allen, die sich bemüht haben, die materiellen und geistlichen Beschwerden zu erleichtern, gilt meine aufrichtige Wertschätzung. Jedoch darf der solidarische Einsatz für diese Brüder und Schwester nicht nachlassen. Für viele von ihnen sind der Schutz und die Kontrolle, die die internationalen Organisationen und die Regierungen für ihre Heimkehr versprochen haben, unbedingt notwendig. Die Hilfe der internationalen Gemeinschaft bleibt entscheidend, auch um die Schwierigkeiten derjenigen Menschen zu beheben, die sich noch in den Aufnahmeorten befinden. Wichtig ist auch die Solidarität gegenüber jenen Ländern, die das ernste Problem angehen, Tausende ihrer Mitbürger bei der Rückkehr in ihr Heimatland in Würde und Sicherheit aufzunehmen und zu integrieren. Ich vertraue darauf, daß es durch die Mithilfe aller möglich sein wird, ein so bedeutendes humanitäres Werk zu vollbringen, das schon so viele Menschenleben gerettet und in Sicherheit gebracht hat. Weiter grüße ich die Jungen und Mädchen aus verschiedenen europäischen Ländern, die an dem Treffen der „Generazione Nuova“ der Fokolare unter dem Leitwort „Gott ist Liebe“ teilnehmen, wie auch die Gruppe des Glaubensseminars von Macherio und Sovico (Diözese Mailand). Ich denke auch an alle Jugendlichen, die in diesem Augenbück Schulprüfungen und vor allem das Abitur machen müssen. Ich wünsche jedem, daß er die Prüfung gut besteht und hoffnungsvoll seine eigene Zukunft aufbauen kann. Allen wünsche ich einen guten Sonntag. Marias Glaube im Heilsplan Gottes Ansprache bei der Generalaudienz am 3. Juli 1. Im Evangelium wird von Marias Besuch bei Elisabet erzählt, die bei der Begrüßung, „vom Heiligen Geist erfüllt“, ausrief: „Selig ist die, die geglaubt, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Diese erste im Lukasevangelium aufgezeichnete Seligpreisung stellt Maria als diejenige dar, die durch ihren Glauben der Kirche vorangeht in der Verwirklichung des Geistes der Seligpreisungen. Das von Elisabet über Marias Glauben ausgesprochene Lob wird durch den Vergleich mit der Verkündigung des Engels an Zacharias bekräftigt. Beim flüchtigen 100 A UDIENZEN UND ANGELUS Lesen der beiden Ankündigungen erscheinen die Antworten von Zacharias und Maria an den Boten Gottes einander ähnlich zu sein: „Woran soll ich erkennen, daß das wahr ist? Ich bin ein alter Mann, und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter“, sagt Zacharias; und Maria: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ (Lk 1,18.34). Aber der große Unterschied zwischen der inneren Bereitschaft der Hauptpersonen dieser zwei Begebenheiten geht aus den Worten des Engels hervor, der Zacharias wegen seines Unglaubens tadelt, während er Marias Frage sofort beantwortet. Maria stimmt, im Unterschied zu Elisabets Ehemann, dem göttlichen Plan vollkommen zu, indem sie ihr Ja nicht vom Zugeständnis eines sichtbaren Zeichens abhängig macht. Dem Engel, der ihr anträgt, Mutter zu werden, teilt Maria ihren Vorsatz zur Jungfräulichkeit mit. Sie glaubt, daß die Erfüllung der Ankündigung möglich ist und fragt den Boten Gottes nur nach der Art und Weise der Verwirklichung, um dem Willen Gottes besser zu entsprechen, dem sie mit voller Verfügbarkeit zustimmen und sich anvertrauen will. „Sie fragte nach der Art und Weise, sie zweifelte nicht an der Allmacht Gottes“, kommentiert der hl. Augustinus (Sermo 291). 2. Auch der Kontext, in dem die beiden Ankündigungen stattfinden, trägt dazu bei, die Auserlesenheit des Glaubens Marias hervorzuheben. In dem Lukasbericht bemerken wir die günstigere Situation von Zacharias und seine unangemessene Antwort. Er erhält die Ankündigung des Engels im Tempel von Jerusalem, am Altar vor dem ,.Allerhöchsten“ (vgl. Ex 30,6-8); der Engel spricht zu Zacharias, während dieser seinen priesterlichen Dienst versieht, in einem erhebenden Augenblick seines Lebens; der göttliche Ratschluß wird ihm in einer Vision mitgeteilt. Diese besonderen Umstände begünstigen ein leichteres Erkennen der göttlichen Authentizität der Botschaft und sind ein Grund der Ermutigung, sie umgehend anzunehmen. Die Verkündigung an Maria ereignet sich hingegen in einem einfacheren und alltäglichen Umfeld, ohne den äußeren sakralen Rahmen, der bei Zacharias vorhanden war. Lukas nennt den Ort nicht, wo die Verkündigung der Geburt des Herrn stattfindet: Er berichtet nur, daß Maria in Nazaret war, in einem unbekannten Städtchen, das für dieses Ereignis nicht geeignet schien. Der Evangelist mißt auch dem Zeitpunkt, in dem der Engel erscheint, keine Bedeutung bei und macht keine näheren geschichtlichen Angaben. Er konzentriert sich beim Erscheinen des himmlischen Boten auf den Inhalt seiner Worte, die von Maria aufmerksames Zuhören und einen reinen Glauben erfordern. Letztere Erwägung läßt uns die Glaubensgröße Marias erkennen, vor allem im Vergleich zu der Tendenz, die gestern und heute ständig sichtbare Zeichen verlangt, um zu glauben. Die Zustimmung der Jungfrau zum göttlichen Willen gründet hingegen nur in ihrer Liebe zu Gott. 3. Maria erhält das Angebot, einer viel höheren Wahrheit als der, die Zacharias angekündigt wurde, zuzustimmen. Dieser wurde aufgefordert, an eine wunderbare 101 A UDIENZEN UND ANGELUS Geburt zu glauben, die sich im Rahmen einer unfruchtbaren Ehe verwirklichen soll, die Gott fruchtbar machen will: durch einen göttlichen Eingriff ähnlich dem, der einigen Frauen des Alten Testamentes zugute kam: Sara (Gen 17,15-21; 18,10-14), Rahel (Gen 30,22), auch der Mutter Simsons (Ri 13,1-7) und Hanna, der Mutter Samuels (1 Sam 1,11-20). In diesen Fällen wird das Handeln Gottes vor allem als sein unentgeltliches, ungeschuldetes Geschenk hervorgehoben. Maria wird aufgefordert, an eine jungfräuliche Mutterschaft zu glauben, für die es im Alten Testament keinen Präzedenzfall gibt. Der bekannte Spruch von Jesaja: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben“ (7,14), schloß diese Möglichkeit nicht aus, wurde aber erst nach der Ankunft Christi und im Hinblick auf die Offenbarung des Evangeliums in diesem Sinn verstanden. Von Maria wird verlangt, daß sie einer noch nie verkündeten Wahrheit zustimmt. Sie nimmt sie einfach und mutig an. In der Frage: „Wie soll das geschehen?“ bringt sie den Glauben an die Macht Gottes zum Ausdruck, der ihre Jungfräulichkeit und ihre außerordentliche und einmalige Mutterschaft in Übereinstimmung bringt. Indem der Engel antwortet: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk 1,35), bietet er die unvergleichliche Lösung Gottes für die von Maria gestellte Frage an. Die Jungfräulichkeit, die ein Hindernis zu sein schien, wird das konkrete Umfeld, in dem der Heilige Geist in ihr die Empfängnis des Fleisch gewordenen Sohnes Gottes wirkt. Die Antwort des Engels öffnet den Weg für die Mithilfe der Jungfrau mit dem Heiligen Geist bei der Zeugung Jesu. 4. In der Verwirklichung des göttlichen Planes wirkt die menschliche Person aus freiem Willen mit. Maria, die an das Wort des Herrn glaubt, wirkt mit an der Erfüllung der angekündigten Mutterschaft. Die Kirchenväter betonen oftmals diesen Aspekt der jungfräulichen Empfängnis Jesu. Besonders Augustinus bekräftigt in seinem Kommentar zum Evangelium der Verkündigung: Der Engel verkündigt, die Jungfrau hört, glaubt und empfängt (vgl. Sermo 13 in Nat. Dom.). Und weiter: Christus wird geglaubt und empfangen durch den Glauben. Zuerst kommt der Glaube in das Herz der Jungfrau und wird Wirklichkeit, und daraufhin kommt die Fruchtbarkeit in den Schoß der Mutter (vgl. Sermo 293). Der Glaubensakt Marias erinnert an den Glauben Abrahams, der zu Beginn des Alten Bundes Gott geglaubt hat und so der Stammvater einer zahlreichen Nachkommenschaft wurde (vgl. Gen 154,6; Redemptoris Mater, Nr. 14). Am Anfang des Neuen Bundes übt auch Maria durch ihren Glauben einen entscheidenden Einfluß aus auf die Erfüllung des Geheimnisses der Menschwerdung, des Beginns und Inbegriffs der ganzen Heilssendung Jesu. Die enge Beziehung zwischen Glaube und Heil, die Jesus in seinem öffentlichen Leben hervorgehoben hat (vgl. Mk 5,34; 10,52), hilft auch die grundlegende Rolle 102 AUDIENZEN UND ANGELUS verstehen, die der Glaube Marias bei der Rettung des Menschengeschlechtes gespielt hat und noch immer spielt. In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich unser aller Anliegen der Fürsprache der Gottesmutter Maria empfehle, grüße ich Euch alle, liebe Schwestern und Brüder, nochmals sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Mitglieder des Jugendsymphonieorchesters Bremen, mit meinem Dank für die musikalische Darbietung, sowie an die Schülergruppen aus Deutschland und Österreich. Euch allen, Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick geistig verbunden sind, erteile ich gern den Apostolischen Segen. Die ersten Konzilien sicherten das Fundament unseres Glaubens Angelus am 7. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit den liturgischen Feiern gestern abend und heute morgen in St. Peter gedachten wir des 400jährigen Jubiläums der Union von Brest, des kirchlichen Ereignisses, das im Jahr 1596 die Wiederherstellung der Einheit zwischen einem Teil der Kirche jener Region und dem Stuhl Petri anzeigte. Diese eindrucksvolle Gedenkfeier sollte auch Danksagung an den Herrn und Ausdruck der großen Wertschätzung sein, die die Kirche von Rom für die katholischen Gemeinschaften des Ostens hegt unter Achtung der ökumenischen Sensibilität, die die Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen immer mehr prägt. In diesem Geist knüpfe ich an die Überlegungen an, die ich vor einer Woche über die kirchlichen und geistlichen Reichtümer begonnen habe, die ein gemeinsames Erbe der Kirche in Ost und West sind. Heute möchte ich im einzelnen über große Konzilien sprechen, die im Osten zu der Zeit abgehalten wurde, als noch volle Gemeinschaft zwischen den orientalischen Patriarchaten und Rom bestand. Sie bilden einen unauslöschlichen Bezugspunkt für die universale Kirche. Bekanntlich spielten die ersten vier Konzilien, die zwischen 325 und 451 in Nizäa, Konstantinopel, Ephesus und Chalkedon stattfanden, eine besonders wichtige Rolle. Abgesehen vom geschichtlichen Rahmen, in den jedes einzelne Konzil gestellt war, und trotz einiger Schwierigkeiten in der Terminologie waren es Gnadenstunden, durch die der Geist Gottes reiches Licht auf die grundlegenden Geheimnisse des christlichen Glaubens ausgoß. 103 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Und wie könnte man die Bedeutung dieser Konzilien verkennen? In ihnen stand das Fundament, ja sozusagen der Wesenskem des Christentums selbst auf dem Spiel. In Nizäa und in Konstantinopel wurde der Glaube der Kirche an das Geheimnis der Dreifaltigkeit formuliert mit der Bestätigung der Gottheit des Wortes und des Heiligen Geistes. In Ephesus und in Chalkedon wurde über die gottmenschliche Identität Christi diskutiert. Gegenüber denen, die eine Dimension zum Nachteil der anderen hervorheben oder sie zum Schaden der personalen Einheit voneinander trennen wollten, wurde klar bekräftigt, daß die göttliche und die menschliche Natur Christi „unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar“ in einer einzigen göttlichen Person des Wortes vereinigt ist. Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch! Zu dieser erleuchteten Synthese gelangte man mit dem Beistand des Heiligen Geistes dank des Beitrags der Kirchen des Ostens und des Westens. Gewiß fehlte es nicht an Spannungen bei den Feierlichkeiten dieser Konzilsversammlungen. Aber der lebendige Glaubenssinn, von der göttlichen Gnade geschärft, überwog zum Schluß auch in den schwierigsten Augenblicken. Damals zeigte sich ganz klar die Fruchtbarkeit dieser wahren kirchlichen „Synergia“, die das Amt des Nachfolgers Petri sicherzustellen und gewiß nicht zu schwächen berufen ist. Sie trat besonders deutlich hervor in dem berühmt gewordenen Brief Papst Leos des Großen an den Patriarchen Flavian von Konstantinopel, „Tomus ad Flavianum“, der so großen Anteil hatte an den in Chalkedon getroffenen Lehrentscheidungen. 3. Liebe Brüder und Schwestern, wie immer wurde auch damals der Weg der Kirche von der mütterlichen Fürsprache der seligsten Jungfrau begleitet. Das Konzil von Ephesus im Jahr 431 erkannte ihr den Titel „Theotökos“, Mutter Gottes, zu und bekräftigte damit, daß die von ihr Christus mitgeteilte menschliche Natur dem gehört, der seit jeher Sohn Gottes ist. Auch jetzt wenden wir uns vertrauensvoll an Maria. Sie, die im Osten wie im Westen gleichermaßen verehrt wird, halte die Christen fest verankert in den unveränderlichen Glaubenswahrheiten und mache sie empfänglich für die berechtigten Unterschiede der theologischen und kirchlichen Tradition, die kein Vorurteil, sondern eine Bereicherung für die Communio darstellen, die besonders im Hinblick auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend hoffentlich immer vollkommener sein möge. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Es herrscht schon Ferienstimmung. Viele sind schon in die Berge oder ans Meer gereist. Ich wünsche allen frohe Entspannung im direkten Kontakt mit der Natur, in der man unschwer die Spuren der Weisheit und Güte des Schöpfers erkennen kann. Auch der Papst schickt sich an zu verreisen. Der nächste Treffpunkt zum mariani-schen Gebet wird nicht mehr auf diesem Platz sein. An zwei Sonntagen werde ich - so Gott will - in Cadore, in der Diözese Belluno-Feltre in den Dolomiten weilen. 104 A UDIENZEN UND ANGELUS Danach werde ich in Castel Gandolfo sein, wo ich wie gewohnt den Sommer verbringe. Wir begegnen uns über Radio und Fernsehen. Nochmals allen gute Wünsche für eine Erholungspause, die die Kräfte des Körpers und des Geistes auffrischen möge. Schöne Ferien! Marias Jungfräulichkeit ist Glaubenswahrheit Ansprache bei der Generalaudienz am 10. Juli 1. Die Kirche hat die Jungfäulichkeit Marias immer als Glaubenswahrheit bewahrt, indem sie das Zeugnis der Evangelien von Lukas, Matthäus und wahrscheinlich auch von Johannes aufnahm und vertiefte. Beim Ereignis der Verkündigung bezeichnet Lukas Maria als „Jungfrau“ und berichtet über ihre Absicht, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, wie auch über den göttlichen Plan, der diesen Vorsatz mit ihrer wunderbaren Mutterschaft vereinbart. Die Bekräftigung der durch das Wirken des Heiligen Geistes hervorgerufenen jungfräulichen Empfängnis schließt jede Hypothese einer natürlichen jungfräulichen Zeugung aus und verwirft die Versuche, den Lukasbericht als Darstellung eines jüdischen Themas oder als Ableitung einer heidnischen mythologischen Legende zu erklären. Der Aufbau des Lukastextes (vgl. Lk 1,26-38; 2,19.51) hält jeder verkürzten Auslegung stand. Seine Folgerichtigkeit läßt es nicht zu, Verstümmelungen der Worte oder Ausdrucksweisen, die die vom Heiligen Geist gewirkte jungfräuliche Empfängnis bekräftigen, als gültig hinzunehmen. 2. Der Evangelist Matthäus bestätigt in seinem Bericht über die Verkündigung des Engels an Josef genauso wie Lukas die „vom Heiligen Geist“ gewirkte Empfängnis (Mt 1,20) unter Ausschluß ehelicher Beziehungen. Die jungfräuliche Zeugung Jesu wird Josef auch erst später mitgeteilt: Es handelt sich für ihn nicht um eine Aufforderung zur vorherigen Zustimmung zur Empfängnis des Sohnes Marias, der die Frucht des übernatürlichen Eingreifens des Heiligen Geistes und der Mitwirkung der Mutter allein ist. Josef wird nur auf gef ordert, seine Rolle als Bräutigam der Jungfrau und die väterliche Aufgabe in bezug auf das Kind aus freien Stücken anzunehmen. Matthäus stellt die jungfräuliche Herkunft Jesu als Erfüllung der Prophetie von Jesaja dar: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns“ (Mt 1,23; vgl. Jes 7,14). Auf diese Weise führt Matthäus hin zu dem Schluß, daß die jungfräuliche Empfängnis Gegenstand des Nachdenkens bei der christlichen Urgemeinde war, die deren Übereinstimmung mit dem göttlichen 105 AUDIENZEN UND ANGELUS Heilsplan und den Zusammenhang mit der Identität Jesu, des „Gott mit uns“, erfaßt hatte. 3. Im Unterschied zu Lukas und Matthäus sagt das Markusevangelium nichts aus über die Empfängnis und die Geburt Jesu; auffallend ist aber, daß Markus nie Josef, den Bräutigam Marias, erwähnt. Jesus wird von den Leuten in Nazaret „der Sohn der Maria“ oder in einem anderen Zusammenhang mehrmals „der Sohn Gottes“ genannt (3,11; 5,7; vgl. 1,1.11; 9,7; 14,61-62; 15,39). Diese Angaben stimmen mit dem Glauben an das Geheimnis seiner jungfräulichen Zeugung überein. Diese Wahrheit ist nach einem jüngsten exegetischen Forschungsergebnis ausdrücklich auch in Vers 13 des Johannesprologs enthalten, den einige anerkannte alte Schriftsteller (z. B. Irenäus und Tertullian) nicht in der gewohnten Mehrzahl, sondern in der Einzahl darstellen: „Er, der nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott geboren ist.“ Die Version in der Einzahl würde den Johannesprolog zu einem der besten Zeugnisse für die jungfräuliche Zeugung Jesu machen, eingefügt in den Kontext des Geheimnisses der Menschwerdung. Die paradoxe Behauptung von Paulus: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ..., damit wir die Sohnschaft erlangen“ {Gal 4,4-5), wirft die Frage nach der Person dieses Sohnes und folglich auch seiner jungfräulichen Geburt auf. Das übereinstimmende Zeugnis der Evangelien beweist, wie der Glaube an die jungfräuliche Empfängnis Jesu in vielen Bereichen der Urkirche fest verwurzelt war. Und das entzieht den jüngsten Interpretationen den Boden, die die jungfräuliche Empfängnis nicht im physischen oder biologischen, sondern nur im symbolischen oder metaphorischen Sinn verstehen; nämlich so, daß sie Jesus als Geschenk Gottes an die Menschheit bezeichne. Dasselbe gilt im Hinblick auf die von anderen vertretene Meinung, nach der die Erzählung von der jungfräulichen Empfängnis ein theologoumenon wäre, das heißt, die Ausdrucksweise einer theologischen Lehre, nämlich der Lehre der Gottessohnschaft Jesu; oder sie wäre eine mythologische Darstellung. Wie wir sahen, enthalten die Evangelien die ausdrückliche Bekräftigung einer vom Heiligen Geist gewirkten jungfräulichen Empfängnis biologischer Ordnung, und diese Wahrheit hat sich die Kirche von den ersten Formulierungen des Glaubens an zu eigen gemacht (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 496). 4. Der in den Evangelien ausgedrückte Glaube wird ohne Unterbrechung in der späteren Überlieferung bekräftigt. Die Glaubensformeln der ersten christlichen Schriftsteller fordern die Bestätigung der jungfräulichen Geburt: Aristides, Justi-nus, Irenäus und Tertullian stimmen mit dem hl. Ignatius von Antiochien überein, der Jesus als „wirklich geboren aus einer Jungfrau“ {Smyrn 1,2) bezeichnet. Diese Schriftsteller wollen von einer wirklichen und geschichtlichen jungfräulichen Zeugung Jesu sprechen und sind weit davon entfernt, sie nur eine moralische 106 AUDIENZEN UNDANGELUS Jungfräulichkeit oder ein unbestimmtes Gnadengeschenk zu nennen, das in der Geburt des Kindes in Erscheinung getreten ist. Die feierlichen Glaubensformulierungen der ökumenischen Konzilien und des päpstlichen Lehramtes, die den kurzen Glaubensformeln folgen, stimmen völlig mit dieser Wahrheit überein. Das Konzil von Chalkedon (451) bekräftigt in seinem Glaubensbekenntnis, das sorgfältig verfaßt und dessen Inhalt unfehlbar definiert wurde, daß Christus „... der Menschheit nach in den letzten Tagen unsertwegen und um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau (und) Gottesgebärerin, geboren (wurde)“ (DS 301). In gleicher Weise verkündet das m. Konzil von Konstantinopel (681), daß Jesus Christus „aus Heiligem Geist und Maria, der Jungfrau, der wirklichen und wahrhaftigen Gottesgebärerin“ gezeugt wurde (DS, 555). Andere ökumenische Konzilien (II. Konzil von Konstantinopel, IV. Laterankonzil und II. Konzil von Lyon) bezeichnen Maria als „immerwährende Jungfrau“ und unterstreichen die ständige Jungfräulichkeit (DS, 423, 801, 852). Diese Aussagen wurden vom II. Vatikanischen Konzil aufgegriffen mit Betonung der Tatsache, daß Maria „im Glauben und Gehorsam ... den Sohn des Vaters auf Erden (gebar), und zwar ohne einen Mann zu erkennen, vom Heiligen Geist überschattet“ (Lumen Gentium, Nr. 63). Zu den Konzilsaussagen kommen die des päpstlichen Lehramtes in bezug auf die Unbefleckte Empfängnis der „seligsten Jungfrau Maria“ (DS, 2803) und auf die leibliche Aufnahme der „Unbefleckten Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria“ (DS, 3903) in den Himmel hinzu. 5. Obwohl die Formulierungen des Lehramtes, ausgenommen die des von Papst Martin I. einberufenen Laterankonzils von 649, den Sinn der Bezeichnung „Jungfrau“ nicht näher erläutern, ist klar, daß diese im gebräuchlichen Sinn zu verstehen ist: als freiwillige Enthaltung vom Geschlechtsverkehr und als Bewahrung der leiblichen Unversehrtheit. In jedem Fall wird die leibliche Unversehrtheit als wesentlich für die Glaubenswahrheit der jungfräulichen Empfängnis Jesu betrachtet (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 496) Die Bezeichnung Marias als „Heilige, immer Unbefleckte Jungfrau“ lenkt die Aufmerksamkeit auf die Verbindung von Heiligkeit und Jungfräulichkeit. Maria wollte ein jungfräuliches Leben führen, weil sie von dem Wunsch beseelt war, ihr Herz ganz Gott zu schenken. Die Bezeichnung Marias als „Unbefleckte Gottesgebärerin und immerwährende Jungfrau“ bei der Definition der Aufnahme in den Himmel legt auch die Verbindung zwischen der Jungfräulichkeit und der Mutterschaft Marias nahe: zwei Vorrechte, die in der Geburt Jesu, des wahren Gottes und wahren Menschen, wunderbar vereint sind. So ist die Jungfräulichkeit Marias eng mit ihrer Gottesmutterschaft und vollkommenen Heiligkeit verbunden. 107 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Religionslehrerinnen und -leh-rem aus Regensburg sowie allen Schülerinnen und Schülern aus Deutschland, insbesondere dem Schulorchester aus Landsberg. Euch allen wünsche ich erholsame Ferien und erteile Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen gern den Apostolischen Segen. Der Entscheid für die Jungfräulichkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 24. Juli 1. Maria stellt dem Engel, der ihr die Empfängnis und die Geburt Jesu ankündigt, die Frage: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? (vgl. Lk 1,34). Eine solche Frage kommt uns, gelinde gesagt, überraschend vor, wenn wir an die biblischen Erzählungen denken, die von der Ankündigung außergewöhnlicher Geburten an unfruchtbare Frauen berichten. In diesen Fällen handelt es sich um verheiratete, von Natur aus unfruchtbare Frauen, denen von Gott als Antwort auf das inständige Gebet (vgl. Gen 15,2; 30,22-23; 1 Sam 1,10; Lk 1,13) in Aussicht gestellt wird, das Geschenk eines Kindes durch den Vollzug des normalen Ehelebens zu erhalten (vgl. 1 Sam 1,19-20). Anders ist die Lage bei Maria, als sie die Ankündigung des Engels erhält. Sie ist keine verheiratete Frau, die Probleme mit der Unfruchtbarkeit hat; sie will aus freiem Entschluß Jungfrau bleiben. Diese Entscheidung für die Jungfräulichkeit, Frucht ihrer Liebe zum Herrn, scheint somit ein Hindernis für die angekündigte Mutterschaft zu sein. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als wolle Maria mit ihren Worten nur ihren gegenwärtigen Stand der Jungfräulichkeit ausdrücken: Maria würde sagen, daß sie keinen Mann „erkennt“, also Jungfrau ist. Der Kontext, in dem die Frage gestellt wird „Wie soll das geschehen?“, und die folgende Begründung „da ich keinen Mann erkenne“ weisen jedoch sowohl auf die gegenwärtige Jungfräulichkeit Marias als auch auf ihren Entschluß, Jungfrau zu bleiben, hin. Der von ihr gebrauchte Ausdruck in Präsensform des Verbs läßt die anhaltende Fortdauer ihres Standes erkennen. 2. Indem sie diese Schwierigkeit zu bedenken gibt, will Maria sich keineswegs dem Plan Gottes widersetzen, sondern bekundet die Absicht, sich ihm ganz zu fügen. Das Mädchen von Nazaret hat zudem stets in voller Übereinstimmung mit dem Willen Gottes gelebt und sich für ein jungfräuliches Leben entschieden, weil es ihr Wunsch war, dem Herrn zu gefallen. In der Tat machte ihr Entscheid zur 108 AUDIENZEN UND ANGELUS Jungfräulichkeit sie bereit, auf den Willen Gottes „mit ihrem ganzen menschlichen, fraulichen ,Ich‘ [zu antworten]. In dieser Glaubensantwort waren ein vollkommenes Zusammenwirken mit der zuvorkommenden und helfenden Gnade Gottes und eine vollkommene Verfügbarkeit gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes enthalten“ (Redemptoris Mater, Nr. 13). Einigen sind die Worte und Absichten Marias unwahrscheinlich vorgekommen, weil die Jungfräulichkeit in der jüdischen Kultur nicht als Wert, noch als erstrebenswertes Ideal angesehen wurde. Das bestätigen schon die Schriften des Alten Testaments in einigen bekannten Ereignissen und Ausdrücken. Im Buch der Richter zum Beispiel wird von der Tochter Jiftachs berichtet, die ihre Jungfrauschaft beweint, als sie - ein noch unverheiratetes junges Mädchen - dem Tod entgegensehen muß. Sie klagt darüber, daß sie nicht hatte heiraten können (vgl. Ri 11,38). Ferner wird aufgrund des göttlichen Gebots „Seid fruchtbar, und vermehrt euch“ (Gen 1,28) die natürliche Berufung der Frau in der Ehe gesehen, welche die Freuden und Leiden der Mutterschaft mit sich bringt. 3. Um den Kontext, in dem die Entscheidung Marias reift, besser zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß in der Zeit, die dem Anbruch der christlichen Ära unmittelbar vorangeht, sich in einigen jüdischen Kreisen eine gewisse positive Orientierung hinsichtlich der Jungfräulichkeit zu zeigen beginnt. Die Essener zum Beispiel, von denen in Qumran zahlreiche bedeutende historische Zeugnisse gefunden wurden, lebten im Zölibat oder schränkten den Gebrauch der Ehe ein aus Gründen des Gemeinschaftslebens und der Suche nach einer größeren Vertrautheit mit Gott. In Ägypten existierte ferner eine Gemeinschaft von Frauen, die unter dem Einfluß der essenischen Spiritualität Enthaltsamkeit übten. Diese Frauen gehörten zu den „Therapeuten“, einer von Philon von Alexandrien beschriebenen Sekte (vgl. De Vita Contemplativa, Nm. 21-90), sie widmeten sich der Kontemplation und strebten nach Weisheit. Es scheint nicht, daß Maria von diesen jüdischen religiösen Gruppen, welche das Ideal des Zölibats und der Jungfräulichkeit praktizierten, Kenntnis erhalten hatte. Doch die Tatsache, daß Johannes der Täufer vermutlich ein zölibatäres Leben führte und daß dieses in der Gemeinschaft seiner Jünger in hohem Ansehen stand, könnte annehmen lassen, daß auch Marias Entschluß zur Jungfräulichkeit im Zusammenhang mit diesem neuen kulturellen und religiösen Kontext steht. 4. Die außergewöhnliche Lebensweise der Jungfrau von Nazaret darf uns jedoch nicht dem Irrtum verfallen lassen, ihre innersten Einstellungen nur in Abhängigkeit von der Mentalität der Umwelt zu sehen und so die Einzigartigkeit des Mysteriums, das in ihr geschehen war, auszuhöhlen. Insbesondere dürfen wir nicht vergessen, daß Maria von Anbeginn ihres Lebens an eine erstaunliche Gnade empfangen hatte, die ihr von dem Engel im Augenblick der Verkündigung bestätigt wurde. „Begnadete“ (Lk 1,28), Maria wurde mit einer Vollkommenheit der Hei- 109 AUDIENZEN UND ANGELUS ligkeit beschenkt, die nach der Interpretation der Kirche auf den ersten Augenblick ihrer Existenz zurückgeht: Das einzigartige Privileg der unbefleckten Empfängnis hat einen Einfluß auf die ganze Entwicklung des geistlichen Lebens der jungen Frau von Nazaret ausgeübt. Man darf also annehmen, daß das, was Maria zum Ideal der Jungfräulichkeit geführt hat, eine außergewöhnliche Gnade des Heiligen Geistes war, jenes Geistes, der im Lauf der Kirchengeschichte so viele Frauen auf den Weg jungfräulicher Weihe bringen sollte. Die einzigartige Anwesenheit der Gnade im Leben Marias läßt darauf schließen, daß die junge Frau sich zur Jungfräulichkeit verpflichten wollte. Von Anbeginn ihres Daseins an mit außergewöhnlichen Gaben des Herrn erfüllt, ist sie auf eine Hingabe ihres ganzen Selbst - der Seele und des Leibes - in der jungfräulichen Weihe an Gott ausgerichtet. Das Streben nach dem jungfräulichen Leben befand sich darüber hinaus im Einklang mit jener „Armut“ vor Gott, der das Alte Testament einen großen Wert beimißt. Indem sie sich voll für diesen Weg entscheidet, verzichtet Maria auch auf die Mutterschaft, den in Israel so hoch geschätzten persönlichen Reichtum der Frau. Auf diese Weise „ragt [sie] unter den Demütigen und Armen des Herrn hervor, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen“ (Lumen Gentium, Nr. 55). Doch da sie sich Gott arm darbietet und allein geistliche Fruchtbarkeit - Frucht der Liebe Gottes - sucht, entdeckt Maria im Augenblick der Verkündigung, daß ihre Armut vom Herrn in Reichtum verwandelt ist: Sie wird die jungfräuliche Mutter des Sohnes des Allerhöchsten sein. Später wird sie auch erfahren, daß ihre Mutterschaft dazu bestimmt ist, sich auf alle Menschen zu erstrecken, die zu retten der Sohn gekommen ist (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 501). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich Euch alle, liebe deutschsprachigen Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Teilnehmer der Jugendwallfahrt der Gebetsgruppen der Freunde Pater Pios in Begleitung des Herrn Bischofs von Chur. Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden daheim sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich gern den Apostolischen Segen. Dialog statt ethnischer Unterdrückung Die dramatischen Nachrichten über die Ermordung hunderter wehrloser Tutsi-Vertriebener in Burundi und die Zwangsrückführung tausender ruandischer Hutu-Flüchtlinge in ihr Land können nur Grauen und entschiedenen Protest auslösen. Burundi treibt weiterhin einem Abgrund der Gewalt zu, deren Opfer besonders wehrlose Menschen sind: Kinder, Frauen, alte Leute - einer Gewalt, welche die 110 AUDIENZEN UND ANGELUS Stimme gemäßigterer Persönlichkeiten und gesellschaftlicher Kräfte verstummen läßt. Indem ich mich dem jüngsten Appell der burundischen Bischöfe anschließe, richte ich einan besorgten Aufruf an die Verantwortlichen dieser gebebten Nation, unverzüglich jede mögliche Initiative in die Tat umzusetzen, damit der zivile Dialog Oberhand gewinnt über die schändliche Logik ethnischer Unterdrückung. Möge die internationale Gemeinschaft zu einer umsichtigen politischen Übereinkunft und zu humanitärer Hilfe beitragen! Beten wir gemeinsam zum Herrn für die Toten und die Lebenden: Er möge allen Burundiern helfen, sich als Brüder zu betrachten, die einander lieben sollen, weil sie Kinder eines einzigen Gottes sind! Das orientalische Mönchtum - Kraft für die ganze Kirche Angelus in Castel Gandolfo am 28. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Indem ich heute die Überlegungen zum Reichtum des orientahschen Christentums wiederaufnehme, möchte ich die besondere Rolle aufzeigen, die dem Mönchtum in der ostkirchlichen Tradition zukommt. Im Osten ist das Mönchtum entstanden und hat seine Urgestalt von den hll. Antonius, Pachomius und Basilius erhalten. Auf ihre Erfahrung griff der hl. Benedikt, Vater des abendländischen Mönchtums, zurück. Das Mönchtum „ist seit jeher die eigentliche Seele der Ostkirchen gewesen“, wo es als „sinnbildhche Synthese des Christentums“ und „Bezugspunkt für alle Getauften im Rahmen der jedem einzelnen vom Herrn zugeteilten Gaben“ verstanden wird (Orientale lumen, Nr. 9). Historisch gesehen, will dieses Lebensmodell den Radikahsmus der Forderungen des Evangeliums verwirklichen und setzt sich durch als natürliche Entwicklung des Ideals des Martyriums, das in der Kirche der ersten Jahrhunderte unter dem Antrieb der Verfolgungen, Christus bis zum Vergießen des Blutes zu bezeugen, besonders lebendig war. Und wer ist in der Tat der Mönch, wenn nicht einer, der Christus sein ganzes Leben gibt? Er ist im buchstäblichen Sinn ein „Mann Gottes“. Wenn er auch nicht wie der Märtyrer sein Blut hingibt, so vollbringt er doch einen radikalen Verzicht vor allem durch das Leben der Ehelosigkeit, der Armut und des Gehorsams. Diese Wahl der „Abtötung“ ist kein Zeichen der Verachtung für die Geschöpfe sondern des unwiderstehlichen Angezogenseins durch den Schöpfer. Es ist die Sehnsucht nach „Vergöttlichung“, die durch die Gnade im menschlichen Herzen geweckt wird: das Bedürfnis, von den Wassern zur Quelle emporzusteigen, von den Strahlen zum Ursprung des Lichts. 2. Während im abendländischen Mönchtum eine allmähliche Aufgliederung in neue und verschiedenartige Formen des geweihten Lebens stattgefunden hat, ohne 111 AUDIENZEN UND ANGELUS die ursprünglichen Formen aufzugeben, wurde im Orient eine große Einheitlichkeit bewahrt, worin das Ordensleben sich durch eine stark kontemplative Prägung auszeichnet. Gerade wegen dieser Charakteristik übt es auch heute eine besondere Anziehung auf den Menschen unserer Zeit aus, der - bisweilen vom hektischen Lebensrhythmus erdrückt - auf der Suche nach sich selbst ist. Auf ein solches Bedürfnis bietet das Mönchtum eine einzigartige Antwort an. Es stellt in der Tat nicht nur Frieden und Innerlichkeit in Aussicht sondern auch die Fähigkeit, intensiv die christliche Auffassung vom Menschen und von der Welt im Zeichen einer tiefen Harmonie zu bezeugen, die weit davon entfernt ist, Geist und Materie, Individuum und Gesellschaft, Gott und den Menschen in Widerspruch zu setzen. Sie vereint vielmehr alles nach einem höheren Plan der Schönheit, Solidarität und Heiligkeit. Der Mensch ging schön und heilig aus der Hand Gottes hervor. Auf die Wiedergewinnung eben dieser ursprünglichen Schönheit, die durch die Sünde beeinträchtigt wurde, zielt die monastische Askese ab. Von der Gnade getragen, bringt sie die geistliche Vollkommenheit, zu der die Menschennatur erhoben wurde, zum Vorschein. In der Vita des Antonius lesen wir, daß sein Antlitz einen so unerschütterlichen Frieden ausstrahlte, daß alle sich von ihm angezogen fühlten und Trost fanden (vgl. Athanasius, ebd., Nr. 14,4-6). Hier haben wir das „Zeichen“, das die Welt von uns Christen, und besonders von denen, die die Berufung zum Mönchtum leben, erwartet. 3. Die Mutter der Kirche, die von den Mönchen im Osten und im Westen mit gleicher Liebe verehrt wird, gewähre allen, die zu diesem Leben besonderer Weihe gerufen sind, eine Treue, die sich in allem zu bewähren vermag. Indem sie auf Maria, Bild der Kirche und Inbegriff der Schönheit, blicken, mögen sie Tag für Tag in der Liebe zu Christus wachsen sowie zu Vorbildern evangeliumsgemäßen Lebens und zum Sauerteig der „communio“ für die Christengemeinschaft werden. Aus ihrer Erfahrung von Männern des Gebets, aus ihrer im Wesentlichen wurzelnden „kontemplativen Ökumene“ möge die Kirche Schwung und Kraft schöpfen, um auf dem Weg zur vollen Einheit voranzuschreiten. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Weiterhin besorgniserregende Nachrichten kommen aus Burundi, wo die Bevölkerung nach wie vor Augenblicke schwerer Prüfungen durchlebt. Ich bin den Leidenden nahe und vermehre mein Gebet für diese geliebte Nation; alle fordere ich im Namen des Herrn auf, sich mutig für die Wiederherstellung der Eintracht und des Friedens einzusetzen. In verschiedenen Sprachen grüßte der Papst die Anwesenden; auf deutsch sagte er: Herzlich grüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher deutscher Sprache, die Ihr Euch mit mir zum „Engel des Herrn“ versammelt habt. Möge der Herr auf die Für- 112 AUDIENZEN UND ANGELUS bitte der Muttergottes Auah, Eure lieben Angehörigen und Freunde zu Hause im Glauben und in der Hoffnung bestärken. Bedeutung der jungfräulichen Empfängnis Jesu Ansprache bei der Generalaudienz am 31. Juli 1. Gott wollte in seinem Heilsplan, daß sein eingeborener Sohn von einer Jungfrau geboren werde. Dieser göttliche Beschluß erfordert eine tiefe Beziehung zwischen der Jungfräulichkeit Marias und der Fleischwerdung des Wortes. „Im Zusammenhang mit der Gesamtheit der Offenbarung kann der Blick des Glaubens die geheimnisvollen Gründe dafür entdecken, warum Gott in seinem Heilsplan gewollt hat, daß sein Sohn von einer Jungfrau geboren werde. Diese Gründe betreffen sowohl die Person und die Erlösungssendung Christi als auch die Annahme dieser Sendung durch Maria für alle Menschen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 502). Die jungfräuliche Empfängnis schließt eine menschliche Vaterschaft aus und besagt zugleich, daß der himmlische Vater allein der Vater Jesu ist, daß in der zeitlichen Zeugung des Sohnes sich die ewige widerspiegelt: Der Vater, der den Sohn in der Ewigkeit gezeugt hat, zeugt ihn als Menschen auch in der Zeit. 2. Der Verkündigungsbericht hebt den Status „Sohn Gottes“ hervor als Folge des göttlichen Eingreifens bei der Empfängnis. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Der aus Maria Geborene ist bereits kraft ewiger Zeugung Sohn Gottes; seine jungfräuliche Zeugung, bewirkt durch das Eingreifen des Höchsten, offenbart, daß er auch in seiner Menschlichkeit der Sohn Gottes ist. Die Offenbarung der ewigen Zeugung in der jungfräulichen Zeugung wird auch durch die im Prolog des Johannesevangeliums gebrauchten Ausdrücke nahegelegt, welche die Offenbarung des unsichtbaren Gottes durch den Eingeborenen, der „am Herzen des Vaters ruht“ (1,18), zu dessen Kommen im Fleisch in Beziehung setzen: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (1,14). In den Berichten von der Zeugung Jesu beschreiben Lukas und Matthäus auch die Rolle des Heiligen Geistes. Dieser ist nicht Vater des Kindes: Jesus ist einzig und allein Sohn des Ewigen Vaters (vgl. Lk 1,32.35), der durch den Heiligen Geist in der Welt wirkt und das Wort in der menschlichen Natur zeugt. In der Tat nennt der Engel bei der Verkündigung den Geist „die Kraft des Höchsten“ {Lk 1,35) in Übereinstimmung mit dem Alten Testament, das ihn als die göttliche Energie darstellt, die in der menschlichen Existenz am Werk ist und sie zu wunderbaren Taten 113 AUDIENZEN UND ANGELUS die Würde des Menschen gesagt, der nach dem Bild des Schöpfers geformt und dazu berufen ist, in Christus als Sohn im Sohn zu leben. Die großen Väter und Lehrer des Abendlandes, vom hl. Ambrosius zum hl. Augustinus, vom hl. Hieronymus zum hl. Gregor dem Großen, gingen den Weg weiter und machten sich durch ihr tieferes Eindringen in das Mysterium nicht weniger verdient. Es waren verschiedene, aber aufeinander zustrebende Stimmen im Dienst der einen christlichen Wahrheit. Das Denken der Kirchenväter war wirklich eine große Symphonie des Denkens und Lebens. 3. Liebe Brüder und Schwestern, lassen wir uns von der Heiligen Jungfrau führen, um dieses unerschöpfliche und immer aktuelle Erbe wieder zu entdecken. Die Väter sprechen immer noch zu uns, und sie verdienen es, in der Theologie und der christlichen Bildung immer mehr erschlossen zu werden. Als echte Nachahmer der Gottesmutter sind sie für uns Beispiele eines Denkens, das nie trockene Spekulation, sondern mit Gebet und Heiligkeit verbunden war. Wenn wir zu ihnen in die Schule gehen, wird es leichter sein, dem Geist Gottes zu entsprechen, der die Gläubigen nachdrücklich dazu aufruft, die Aussicht auf die volle kirchliche Einheit zu verwirklichen. Nach dem Angelusgebet grüßte der Papst die Pilgergruppen. Auf deutsch sagte er: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Insbesondere begrüße ich die Pilgergruppe aus den Diözesen Würzburg und Erfurt sowie die Musikkapelle der Stadt Hochdorf in der Schweiz, für deren musikalische Darbietung ich herzlich danke. Möge die Muttergottes Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden daheim ihren mütterlichen Schutz und Beistand schenken. Schmerz über die Ermordung von Bischof Claverie von Oran in Algerien Wiederum fordern uns tragische Vorkommnisse dazu auf, uns mit dem Schmerz und dem Gebet der Kirche in Algerien zu vereinen. Ihr wißt, daß am vergangenen Donnerstag der Bischof Pierre Claverie von Oran das Opfer eines nicht zu rechtfertigenden und unmenschlichen Attentats geworden ist in dem Land, in dem er einen Teil seines Lebens im Dienst der kleinen katholischen Gemeinde verbracht und immer eine tiefe Freundschaft mit zahlreichen Muslimen gepflegt hatte. Sein Tod darf nicht nur Grund zu noch so tief empfundenem Schmerz bleiben. Sein Martyrium muß zur Saat der Liebe und zum Grund der Hoffnung werden. Angesichts einer Gewalt, die vor niemandem und vor nichts Achtung hat, braucht Algerien mehr denn je Menschen, die sich für Frieden und Brüderlichkeit einset-zen. Gott gebe, daß Christen und Muslime das Zeugnis von Msgr. Claverie erfassen und nachahmen! 116 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Herr schenke dem Bischof von Oran den Lohn, der den treuen Dienern Vorbehalten ist. Unseren katholischen Brüdern gebe er Mut und Beharrlichkeit und allen Bürgern Algeriens Hoffnung und wahren Frieden! Maria - Vorbild der Jungfräulichkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 7. August 1. Der Entschluß zur Jungfräulichkeit, den die Worte Marias bei der Verkündigung erkennen lassen, wurde traditionell als Anfang und inspirierendes Ereignis der christlichen Jungfräulichkeit in der Kirche betrachtet. Augustinus erkennt in dieser Entscheidung nicht die Erfüllung eines göttlichen Gebots, sondern ein freiwillig abgelegtes Gelübde. So konnte Maria den „heiligen Jungfrauen“ in der ganzen Geschichte der Kirche als Vorbild gezeigt werden. Maria „weihte [...] Gott ihre Jungfräulichkeit, bevor sie noch wußte, was sie empfangen sollte [...] So sollte das himmlische Leben in einem irdischen, sterblichen Leib sein Abbild finden durch Gelöbnis, nicht durch Gebot; aus freier Wahl, nicht aus Gehorsamszwang“ {De Sancta Virg., IV,4; PL 40, 398; in: Sankt Augustinus -Der Seelsorger - Deutsche Gesamtausgabe seiner moraltheologischen Schriften [4], S. 4, hg. v. P. Kunzeimann OESA und P. Zumkeller OESA, Augustinus Verlag, Würzburg, 1952). Der Engel verlangt von Maria nicht, Jungfrau zu bleiben; Maria selbst offenbart aus freien Stücken ihre Entscheidung für die Jungfräulichkeit. In dieser Verpflichtung vollzieht sich ihre Wahl der Liebe, die sie dahin führt, sich durch ein jungfräuliches Leben ganz dem Herrn zu widmen. Wenn wir die Spontaneität der Entscheidung Marias hervorheben, dürfen wir nicht vergessen, daß am Ursprung jeder Berufung die Initiative Gottes steht. Mit der Wahl des jungfräulichen Lebens antwortete das Mädchen aus Nazaret auf eine innere Berufung, d. h. eine Inspiration des Heiligen Geistes, der sie über die Bedeutung und den Wert der jungfräulichen Selbsthingabe erleuchtete. Niemand kann diese Gabe empfangen, ohne sich gerufen zu fühlen und vom Heiligen Geist das Licht und die Kraft, die dazu notwendig sind, zu erhalten. 2. Wenn Augustinus auch von einem „Gelöbnis“ spricht, um denen, die er „heilige Jungfrauen“ nennt, das erste Vorbild ihres Lebensstandes zu zeigen, so bezeugt das Evangelium nicht, daß Maria ein ausdrückliches Gelübde abgelegt hat: die Form der Weihe und der Hingabe des eigenen Lebens an Gott, die seit den ersten Jahrhunderten der Kirche in Gebrauch ist. Aus dem Evangelium geht hervor, daß Maria die persönliche Entscheidung getroffen hat, Jungfrau zu bleiben, und ihr Herz dem Herrn geweiht hat. Sie möchte seine treue Braut sein und so die Berufung der „Tochter Zions“ verwirklichen. Mit ihrer Entscheidung wird sie jedoch 117 AUDIENZEN UND ANGELUS zum Urtyp all jener in der Kirche, die die Wahl getroffen haben, dem Herrn mit ungeteiltem Herzen in der Jungfräulichkeit zu dienen. Weder die Evangelien noch andere Schriften des Neuen Testaments informieren uns über den Augenblick, wo Maria die Entscheidung getroffen hat, Jungfrau zu bleiben. Aus der an den Engel gerichteten Frage geht allerdings klar hervor, daß dieser Entschluß im Augenblick der Verkündigung schon fest stand. Maria zögert nicht, ihren Wunsch auszusprechen, die Jungfräulichkeit auch angesichts der in Aussicht gestellten Mutterschaft zu bewahren, und gibt so zu erkennen, daß ihr Wunsch lange gereift ist. Tatsächlich wurde die Wahl der Jungfräulichkeit von Maria nicht in der unvorhersehbaren Aussicht, Mutter Gottes zu werden, getroffen, sondern ist vor der Verkündigung in ihrem Bewußtsein gereift. Wir dürfen annehmen, daß ein solcher Wunsch schon immer in ihrem Herzen vorhanden war: Die Gnade, die sie auf die jungfräuliche Mutterschaft vorbereitete, hat sicher auf die ganze Entwicklung ihrer Persönlichkeit Einfluß gehabt. Und gewiß hat der Heilige Geist ihr schon in den jüngsten Jahren den Wunsch nach der vollkommenen Vereinigung mit Gott eingegeben. 3. Die Wunder, die Gott auch heute in den Herzen und im Leben so vieler Jungen und Mädchen wirkt, wurden vor allem in der Seele Marias vollbracht. Auch in unserer durch die Reize einer oft oberflächlichen und konsumorientierten Kultur vom Wesentlichen abgelenkten Welt nehmen nicht wenige Jugendliche die Einladung, die vom Beispiel Marias ausgeht, an und weihen ihre Jugend dem Herrn und dem Dienst an den Mitmenschen. Eine solche Entscheidung ist nicht so sehr Verzicht auf menschliche Werte, sondern vielmehr die Wahl höherer Werte. Diesbezüglich unterstreicht mein verehrter Vorgänger Paul VI. in dem Apostolischen Schreiben Marialis cultus, daß derjenige, welcher das Zeugnis des Evangeliums mit offenem Herzen betrachtet, erkennen wird, „daß Marias Wahl des jungfräulichen Standes [...] keinerlei Geringschätzung gegenüber den Werten des Ehestandes bedeutete, sondern eine mutige Entscheidung war, um sich vorbehaltlos der Liebe Gottes zu überantworten“ (Nr. 37). Die Wahl des jungfräulichen Standes ist letztlich in der vollkommenen Nachfolge Christi begründet. Das kommt besonders klar bei Maria zum Ausdruck. Wenngleich sie sich vor der Verkündigung dessen nicht bewußt ist, inspiriert sie der Heilige Geist zu jungfräulicher Hingabe in Hinblick auf Christus: Sie bleibt Jungfrau, um mit ihrem ganzen Selbst den Messias und Retter zu empfangen. Die in Maria begonnene Jungfräulichkeit enthüllt somit ihre christozentrische Dimension, die wesentlich auch für die in der Kirche gelebte Jungfräulichkeit ist, die in der Mutter Christi ihr erhabenes Vorbild findet. Wenn ihre persönliche Jungfräulichkeit, die sich mit der Gottesmutterschaft verbindet, ein außergewöhnliches Ereignis bleibt, so gibt sie doch jeder jungfräulichen Hingabe Sinn und Licht. 118 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Wie viele jungen Frauen haben sich in der Geschichte der Kirche durch die Betrachtung der Vornehmheit und Schönheit des jungfräulichen Herzens der Mutter des Herrn ermutigt gefühlt, großherzig auf den Ruf Gottes zu antworten und dem Ideal der Jungfräulichkeit zu folgen! „Gerade diese Jungfräulichkeit, nach dem Beispiel der Jungfrau von Nazaret, ist - wie ich in der Enzyklika Redemptoris Mater geschrieben habe - Quelle einer besonderen geistigen Fruchtbarkeit: ist Quelle der Mutterschaft im Heiligen Geist“ (Nr. 43). Das jungfräuliche Leben Marias weckt im ganzen Christenvolk die Hochschätzung für die Gabe der Jungfräulichkeit und den Wunsch, daß es sich im Leben der Kirche vervielfältige als Zeichen des Primats Gottes über jede Wirklichkeit und als prophetische Vorwegnahme des zukünftigen Lebens. Laßt uns zusammen dem Herrn danken für die, welche auch heute großherzig ihr Leben in der Jungfräulichkeit für den Dienst am Reich Gottes hingeben. Während Genußsucht und Konsummentalität in vielen von alters her evange-lisierten Gegenden nicht wenige Jugendliche davon abzubringen scheinen, das geweihte Leben zu wählen, gilt es umso mehr, Gott auf die Fürsprache Marias unablässig um eine neue Blüte von Ordensberufungen anzuflehen. So wird das Antlitz der Mutter Christi, das sich in vielen jungfräulichen Menschen widerspiegelt, die danach streben, ihrem göttlichen Meister zu folgen, für die Menschheit weiter das Zeichen der Barmherzigkeit und Zärtlichkeit Gottes sein. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich unser aller Anhegen der Fürbitte der Mutter Gottes empfehle, grüße ich Euch, hebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Insbesondere heiße ich die anwesenden Ministranten und ahe Jugendlichen willkommen. Euch allen wünsche ich schöne Ferien und erteile Euch, Euren heben Angehörigen sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, gern den Apostolischen Segen. Das Wirken des Geistes erkennen Angelus in Castel Gandolfo am 11. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Überlegungen über den christlichen Osten fortführend, möchte ich heute die Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der orientalischen Theologie lenken, die auch in den Jahrhunderten nach der Epoche der Väter und der schmerzhaften Trennung vom Apostohschen Stuhl grundlegende und anregende Perspektiven erarbeitet hat, worauf die ganze Kirche mit Interesse bhckt. Wenn auch in dem einen oder andern Punkt noch Meinungsverschiedenheiten bestehen, darf man 119 AUDIENZEN UND ANGELUS dennoch nicht vergessen, daß das, was uns eint, viel mehr ist als das, was uns trennt. Eine bedeutende Entwicklung in der Lehre wurde im 8. und 9. Jahrhundert erzielt infolge der Krise des „Bilderstreits“, ausgelöst von einigen Byzantinischen Kaisern, die entschlossen waren, die Verehrung sakraler Bilder radikal zu unterbinden. Weil sie sich einer so absurden kaiserlichen Anordnung widersetzten, mußten viele leiden: Die Gedanken gehen insbesondere zum hl. Johannes Damascenus und dem hl. Theodorus Studita. Der siegreiche Ausgang ihres Widerstands erwies sich nicht nur für die Frömmigkeit und die sakrale Kunst als entscheidend, sondern auch für die Vertiefung des Geheimnisses der Menschwerdung selbst. Denn die Verteidigung der Bilder stützte sich letztlich auf die Tatsache, daß Gott in Jesus von Nazaret wirklich Mensch geworden war. Berechtigt ist daher das Bemühen des Künstlers, sein Antlitz wiederzugeben, wobei ihm nicht nur die Kraft seines Genies, sondern vor allem die innere Fügsamkeit gegenüber dem Geist Gottes behilflich ist. Die Bilder weisen auf das sie übersteigende Geheimnis hin und helfen, seine Gegenwart in unserem Leben wahrzunehmen. 2. Einen weiteren charakteristischen Höhepunkt der orientalischen Theologie gab es in der Auseinandersetzung über den Hesychasmus. Mit diesem Ausdruck wird im Osten eine Gebetspraxis bezeichnet, die von einer tiefen Ruhe des Geistes gekennzeichnet ist, der in ständiger Betrachtung Gottes durch Anrufung des Namens Jesu begriffen ist. Hinsichtlich einiger Auswirkungen dieser Praxis fehlte es nicht an Spannungen zum katholischen Standpunkt. Es ist indes richtig, die gute Absicht anzuerkennen, die die Verteidigung dieser spirituellen Methode geleitet hat, nämlich die konkrete Möglichkeit hervorzuheben, die dem Menschen geboten ist, sich im Innersten des Herzens mit dem dreieinigen Gott zu vereinen in jener tiefen Einheit der Gnade, welche die orientalische Theologie mit dem besonders starken Ausdruck „theosis“, „Vergöttlichung“, zu beschreiben liebt. Gerade auf dieser Linie hat die orientalische Spiritualität eine äußerst reiche Erfahrung angehäuft, wie sie vor allem in der berühmten, Ende des 18. Jahrhunderts von Nikodemos Hagiorita unter dem bedeutungsvollen Namen Philokalia, oder „Liebe zum Schönen“, zusammengetragenen Textsammlung eindrücklich vorgelegt wurde. Auch in späteren Jahrhunderten bis in die heutige Zeit hat die orientalische theologische Reflexion interessante Entwicklungen erfahren nicht nur an den klassischen Zentren der byzantinischen und russischen Tradition, sondern auch in den orthodoxen Gemeinschaften überall auf der Welt. Unter den vielen erwähnenswerten Studien seien hier nur die von Pavel Nikoläievic Evdokimov, ausgehend von der orientalischen Ikonenkunst, erarbeitete Theologie der Schönheit und das Werk über die Lehre von der „Vergöttlichung“ der orthodoxen Gelehrten Loth Borovine genannt. Wie vieles haben wir doch gemeinsam! Es ist an der Zeit, daß Katholiken und Orthodoxe zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um einander besser zu ver- 120 AUDIENZEN UND ANGELUS stehen, und mit frischem Staunen als Brüder erkennen, was der Geist in den jeweiligen Traditionen im Hinblick auf einen neuen christlichen Frühling wirkt. 3. Wir wollen Maria, die Mutter der Weisheit, bitten, daß sie uns dazu erzieht, die unendlichen Ausdrucksformen der Anwesenheit Gottes in der Geschichte der Menschen bereitwillig zu erkennen. Sie möge uns helfen, zuerst das Positive zu sehen und nicht so sehr auf das Negative zu schauen sowie allen Einfallsreichtum des Einander-verstehen-Wollens zu gebrauchen, um auch über die Punkte, wo unterschiedliche Auffassungen bleiben, einen fruchtbringenden Dialog führen zu können. Dafür möge sie uns vom Heiligen Geist die Weisheit des Herzens erbitten, die der orientalischen Spiritualität so lieb und für jede echte christliche Erfahrung wesentlich ist. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute, am Gedenktag der hl. Klara von Assisi, gehen meine Gedanken zu den Klarissen und zu allen Klausur-Schwestern. Ihnen bringe ich die große Hochachtung zum Ausdruck, die die christliche Gemeinschaft dieser Lebensform entgegenbringt, die „Zeichen der ausschließlichen Vereinigung der bräutlichen Kirche mit dem über alles geliebten Herrn“ ist (Vita consecrata, Nr. 59). Indem sie sich mit Jesus für das Heil der Welt darbringen, sind sie „frohe Ankündigung und prophetische Vorwegnahme der jedem einzelnen und der ganzen Menschheit angebotenen Möglichkeit [...], allein für Gott in Christus Jesus zu leben“ ( <1> Auch Maria, die sich der allerhöchsten Würde, die ihr zuteil wurde, bewußt ist, erklärt sich dennoch auf die Botschaft des Engels spontan als „Magd des Herrn“. In diese Verpflichtung zum Dienst schließt sie auch den Vorsatz ein, dem Nächsten zu dienen, wie der Zusammenhang zwischen den Ereignissen der Verkündigung und des Besuchs bei Elisabet beweist: Vom Engel darüber unterrichtet, daß Elisabet die Geburt eines Sohnes erwartete, machte Maria sich auf den Weg und „eilte“ {Lk 1,39) nach Judäa, um ihrer Verwandten mit voller Verfügbarkeit bei 134 A UDIENZEN UND ANGELUS den Vorbereitungen zur Geburt des Kindes zu helfen. Sie bietet so den Christen aller Zeiten ein hohes Vorbild des Dienstes. Die Worte, „mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38), zeigen bei ihr, die sich als Magd des Herrn erklärt hat, einen bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes an. Die von Lukas gebrauchte Optativform „genoito“ - „es geschehe“ - drückt nicht nur Annahme, sondern überzeugte Bejahung des göttlichen Planes aus, und zwar mit allen persönlichen Kräften und Mitteln. 4. Indem sie dem göttüchen Wunsch entspricht, macht sich Maria vorwegnehmend die Haltung Christi zu eigen, der nach dem Hebräerbrief bei seinem Eintritt in die Welt sagt: „Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen [...] Da sagte ich: Ja, ich komme [...], um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,5-7; vgl. Ps 40,7-9). Die Folgsamkeit Marias ist außerdem Ankündigung und Vorwegnahme dessen, was Jesus während seines ganzen öffentlichen Lebens bis hin zum Kalvarienberg ausgedrückt hat. Christus wird sagen: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen“ (Joh 4,34). Auf genau dieser Linie macht Maria den Willen des Vaters zum Leitprinzip ihres ganzen Daseins und sucht darin die nötige Kraft zur Erfüllung der ihr aufgetragenen Sendung. Wenn Maria im Augenblick der Verkündigung noch nicht von dem Opfer weiß, das die Sendung Christi kennzeichnen wird, läßt die Weissagung Simeons sie das tragische Schicksal des Sohnes vorausahnen (vgl. Lk 2,34-35). Die Jungfrau wird mit inniger Beteiligung daran teilnehmen. Mit ihrem bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes ist Maria bereit, alles zu leben, was die göttliche Liebe für ihr Dasein plant - bis hin zu dem „Schwert“, das durch ihre Seele dringen wird. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dem innigen Wunsch für uns alle, nach dem Beispiel Mariens den Willen Gottes jederzeit gläubig zu bejahen, grüße ich Euch alle, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Pilgergruppe des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes mit Stipendiaten der Deutschen Bischöfe sowie an die Teilnehmer der Diözesanwallfahrt der Kirchenchöre aus dem Bistum Eichstätt in Begleitung des Herrn Diözesanbi-schofs Dr. Mixa. Euch allen, Euren Lieben daheim und allen, die uns in diesem Augenblick geistig verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 135 AUDIENZEN UND ANGELUS Neues Verlangen nach Spiritualität in säkularisierter Umwelt Angelus in Castel Gandolfo am 8. September Meine lieben Brüder und Schwestern! 1. Zu den Hoffnungszeichen unserer Zeit, die so reich an Licht und Schatten ist, gehört sicherlich das erneute Verlangen nach Spiritualität, das trotz des fortgeschrittenen Säkularisationsprozesses um sich greift. Der Mensch erkennt, daß Wissenschaft, Technik, wirtschaftlicher Wohlstand nicht genügen. Die von der industriellen Zivilisation produzierten Güter können uns das Leben angenehmer machen, aber sie befriedigen die Bedürfnisse des Herzens nicht. Das Fernsehen und die Informatik bringen uns gewissermaßen die Welt ins Haus, doch das garantiert den menschlichen Beziehungen nicht immer Tiefe und Harmonie. In diesem Zusammenhang verspüren nicht wenige eine dringende Notwendigkeit, zu den Wurzeln zurückzukehren, eine innere Sehnsucht nach Stille, nach Kontemplation, die sehnsüchtige Suche nach dem Absoluten. Unter vielen oft ablenkenden und leeren Worten sucht man ein Wort des Lebens. Auf dieses Bedürfnis bietet das Christentum seit jeher eine Antwort, die der biblischen Offenbarung entspringt und von der Erfahrung zahlloser Heiliger bestätigt wird. Ich will heute den Beitrag beleuchten, der vom orientalischen Christentum kommt. Dessen Spiritualität verdient es, immer besser bekannt zu werden, nicht nur in den äußeren Zügen, sondern vor allem auch in den tiefen Beweggründen. 2. Die Väter des Orients gehen von der Überzeugung aus, daß authentisches geistliches Streben sich nicht auf eine Begegnung mit sich selbst beschränkt, auf ein Zurück zur Innerlichkeit - wenngleich dieses notwendig ist -, sondern ein Weg folgsamen Hörens auf den Geist Gottes sein muß. Ihrer Ansicht nach ist in Wirklichkeit der Mensch nicht bis auf den Grund er selbst, wenn er sich dem Heiligen Geist verschließt. Der hl. Irenäus, Bischof von Lyon, der aufgrund seiner Herkunft und Ausbildung als Brücke zwischen Orient und Okzident betrachtet werden kann, sah den Menschen als aus drei Elementen gebildet: Leib, Seele und Heiliger Geist (vgl. Adversus haereses 5,9,1-2). Gewiß wollte er nicht den Menschen mit Gott verwechseln, sein Anliegen war es jedoch, hervorzuheben, daß der Mensch seine Vollkommenheit nur dann erreicht, wenn er sich für Gott öffnet. Für Aphra-hat den Syrer, der den Gedanken des hl. Paulus aufnimmt, wird der Geist Gottes uns in so inniger Weise dargeboten, daß er gewissermaßen Teil unseres „Ichs“ wird (vgl. Unterweisungen 6,14). In diesem Sinn geht ein geistlicher Schriftsteller aus Rußland, Theophanes der Klausner, so weit, den Heiligen Geist „Seele der menschlichen Seele“ zu nennen; er sieht den Zweck des geistlichen Lebens in einer „fortschreitenden Vergeistlichung der Seele und des Leibes“ (vgl. Briefe über das geistliche Leben). Wahrer Feind dieser inneren Askese ist die Sünde. Sie gilt es zu besiegen, um Raum für den Geist Gottes zu schaffen. In Ihm wird nicht nur der einzelne 136 AUDIENZEN UNDANGELUS Mensch, sondern selbst der Kosmos gewissermaßen verklärt. Ein nicht leichter Weg: Aber das Ziel ist eine große Erfahrung von Freiheit. 3. Erheben wir den Blick zu Maria, deren Geburt wir heute mit Freude feiern. Die Jungfrau ist beispielhaftes Bild des Geschöpfes, in dem der Heilige Geist wohnt. Sie empfing ihn bereitwillig bei der Verkündigung und wurde so Mutter des Erlösers. Sie empfing ihn ferner am Pfingsttag zusammen mit den Aposteln, in deren Mitte sie sich als Mutter der Kirche befand. Möge sie nun in jedem von uns eine große Sehnsucht nach geistlichem Leben wecken und uns helfen, diese Grunddimension unseres Herzens in voller Verfügsamkeit für den Geist Gottes zu entwickeln. Der Papst begrüßte nach dem Angelusgebet die Anwesenden; auf italienisch sagte er unter anderem: ... Es freut mich, die zahlreichen Mitglieder der Fokolar-Bewegung willkommen zu heißen, die aus verschiedenen Ländern Europas und der ganzen Welt gekommen sind, um die gemeinschaftliche Spiritualität zu vertiefen. Meine Lieben, ich weiß, daß Ihr in diesen Tagen über das Thema der Bruderliebe“ nachdenkt und dazu bedeutende Erfahrungen untereinander austauscht. Der Heilige Geist gebe Euch, daß Ihr dieses Gebot, das Christus das „seine“ genannt und es als vollkommene Synthese des Gesetzes bezeichnet hat, annehmt und mit ganzem Herzen und allen Kräften in die Praxis umsetzt. Dadurch werdet Ihr einen wertvollen Beitrag für die Einheit der Christen und der gesamten Menschheitsfamilie leisten. Auf deutsch sprach er die folgenden Gruß worte: Herzlich heiße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache, zum Gebet des „Engel des Herrn“ willkommen. Möge die Jungfrau Maria Euch und Euren Lieben daheim ihren mütterlichen Schutz und Beistand schenken. Dankbares Gedenken des Pastoralbesuchs in Ungarn Gestern abend bin ich von einer kurzen Apostolischen Reise nach Ungarn zurückgekehrt, das ich schon vor fünf Jahren besucht hatte. Ziele dieser Pilgerfahrt waren die Erzabtei Pannonhalma, deren tausendjähriges Bestehen gefeiert wird, und die Diözese Györ, die zur Zeit des hl. Königs Stephan kurz nach dem Jahr 1000 gegründet wurde. Ich danke dem Herrn für diese von der Vorsehung gefügte Gelegenheit. Zugleich richte ich mein dankbares Gedenken an die ungarischen Behörden, angefangen beim Herrn Staatspräsidenten, wie auch an die Bischöfe des Landes, an die Benediktinergemeinschaft von Pannonhalma und an die Gläubigen für den Empfang, den sie mir bereitet haben. Im einzelnen möchte ich bei der Generalaudienz vom nächsten Mittwoch auf die verschiedenen Augenblicke der Reise zurückkommen. 137 AUDIENZEN UND ANGELUS und Unterdrückung gezahlt haben. Außer des unerschrockenen Kardinals Jozsef Mindszenty gedachte ich, an seinem Grab verweilend, des Dieners Gottes Vilmos Apor, Bischof von Györ, der 1945 die Absicht mit dem Leben bezahlte, einige Frauen, die in den Bischofssitz geflüchtet waren, vor sowjetischen Soldaten zu verteidigen. Der Seligsprechungsprozeß für diesen heroischen Bischof ist nunmehr in die Schlußphase gelangt. Mit meinem Besuch wollte ich den verehrten Hirten des Gottesvolks in Ungarn in besonderer Weise ein Zeugnis der Solidarität und der Unterstützung bringen. Ihnen habe ich eine Botschaft der Ermutigung für ihre anspruchsvolle Evangelisierungsarbeit hinterlassen. 5. Auch dieses Mal, liebe Brüder und Schwestern, hat sich der Bischof von Rom zum Boten Christi auf den Straßen der Welt gemacht in der Gewißheit, daß das Evangelium ein immerwährendes Wort der Wahrheit über den Menschen und die Gesellschaft ist. Diese Wahrheit stellt die einzig feste Garantie der Freiheit und der Solidarität im Wechsel der ideologischen Systeme und der politischen Ordnungen dar. Im Namen Christi bin ich zum geliebten ungarischen Volk und zu seinen Hirten gegangen: Er ist derselbe gestern, heute und allezeit, Quell der Hoffnung und wahrer geistlicher, kultureller und gesellschaftlicher Erneuerung. Während ich die Gesichter und Orte dieser Ungamreise noch vor Augen habe, ist es mir lieb, alle Personen und Gemeinschaften, denen ich begegnet bin, und ganz Ungarn unter den Schutz der hl. Maria, „Magna Domina Hungarorum“, zu stellen, damit sie ihnen erlange, stets stark und konsequent zu sein im Glauben an Christus, unsere Hoffnung! In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesem kurzen Rückblick auf meinen Pastoralbesuch begrüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Unter Euch heiße ich insbesondere die Leser der Bistumszeitung „Paulinus“ der Diözese Trier in Begleitung von Weihbischof Alfred Kleinermeilert willkommen sowie die Ordensschwestern, die in La Storta an einem geistlichen Kurs teilnehmen. Sehr herzlich begrüße ich die vielen Schüler und Schülerinnen und die Priesteramtskandidaten des Collegium Rudolphinum in Heiligenkreuz. Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die durch das Fernsehen und Radio Vatikan mit uns verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 140 AlinrF.N7.FN UND ANGELUS Mißbilligung für Bischofsmord in Burundi Die Nachricht von der Tötung des Erzbischofs von Gitega (in Burundi), Msgr. Joachim Ruhuna, und weiterer sechs Personen, die sich vorgestern unter tragischen Umständen ereignet hat, erfüllt uns alle mit großer Traurigkeit. Der Erzbischof war eine von allen geschätzte Persönlichkeit wegen der Sachlichkeit seines Urteils und seiner pastoralen Ausgeglichenheit wie auch der liebevollen Hingabe an das ihm an vertraute Volk. Indem ich diesen hochherzigen Diener Gottes sowie die mit ihm verstorbenen Personen eurem Gebet anempfehle, bringe ich meine tiefe Anteilnahme am Schmerz der Angehörigen und meine geistige Nähe gegenüber den Gläubigen der Diözese und der gesamten Gemeinschaft Burundis zum Ausdruck. Ich mißbillige diesen neuen Akt der Grausamkeit, der sich zu einer Kette von unerhörten Gewalttaten hinzufügt, die oft als Methode politischen Kampfes verherrlicht werden, und erneuere meinen besorgten Appell für eine Versöhnung in Wahrheit und Liebe. Die christliche Botschaft glaubwürdig verkünden Angelus in Castel Gandolfo am 15. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Ausbreitung des Atheismus ist eine der „ernstesten Gegebenheiten dieser Zeit“ (Gaudium et spes, Nr. 19). Das Konzil selbst, das dieses entschiedene Urteil abgibt, bemerkt allerdings dazu, daß der Atheismus manchmal nicht so sehr Ablehnung Gottes ist, sondern vielmehr die Ablehnung eines falschen Bildes von ihm. Denjenigen, die die Gnade des Glaubens haben, obliegt daher die Pflicht, ein leuchtendes und glaubwürdiges Zeugnis zu geben und das wahre Antlitz Gottes und der Religion zu offenbaren (vgl. Gaudium et spes). Christlicher Osten und christlicher Westen sind sich in der Auffassung einig, daß Gott sich zwar in gewisser Weise auf den Wegen des Verstandes erreichen läßt, noch mehr aber auf dem Weg der Liebe uns entgegenkommt. Die orientalische Spiritualität insbesondere betont, daß unsere Gedanken und Worte niemals das Geheimnis Gottes sozusagen „einfangen“ können. Vor Ihm kann es nichts als anbetendes Schweigen geben. Anderseits aber hat Gott sich selbst seinem Geschöpf geschenkt durch den menschgewordenen Sohn und durch den Heiligen Geist, der in den Herzen wirkt. In Christus ist Gott aus seinem Schweigen herausgetreten und hat sich als Einheit von drei göttlichen Personen offenbart und uns zu inniger Gemeinschaft mit ihm berufen. 2. Wie man sieht, ist das Christentum nicht in erster Linie eine Lehre, sondern ein „Ereignis“, ja eine Person: Jesus von Nazaret. Er ist der Kern des christlichen 141 AUDIENZEN UND ANGELUS Seligkeit Marias: die Befolgung des Willens Gottes, die sie dazu gebracht hat, der Gottesmutterschaft zuzustimmen. In der Enzyklika Redemptoris Mater habe ich darauf hingewiesen, daß die neue, geistliche Mutterschaft, von der Jesus spricht, an erster Stelle gerade sie meint: „Ist nicht gerade Maria die erste unter denen, ,die das Wort Gottes hören und danach handeln*? Und bezieht sich nicht vor allem auf sie jene Seligpreisung, die von Jesus als Antwort auf die Worte der Frau aus der Menge ausgesprochen wird?“ (Nr. 20). Maria wird also in gewissem Sinn als erste Anhängerin ihres Sohnes (vgl. ebd.) gepriesen. Mit ihrem Beispiel lädt sie alle Glaubenden ein, großherzig auf die Gnade des Herrn zu antworten. 4. Das II. Vatikanische Konzil hebt deutlich die vollkommene Hingabe Marias an die Person und das Werk Christi hervor: Sie „gab sich als Magd des Herrn ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin und diente so unter ihm und mit ihm in der Gnade des allmächtigen Gottes dem Geheimnis der Erlösung“ (Lumen Gentium, Nr. 56). Die Hingabe an die Person und das Werk Jesu bedeutet für Maria innige Verbundenheit mit dem Sohn, mütterliche Fürsorge für sein menschliches Wachstum und Mitarbeit bei seinem Heilswerk. Maria führt diesen letzten Aspekt ihrer Hingabe an Jesus „unter ihm“ aus, d. h. in einem Verhältnis der Unterordnung, das Frucht der Gnade ist. Es handelt sich jedoch um wirkliche Mitarbeit, weil sie „mit ihm“ vollbracht wird und, angefangen bei der Verkündigung, aktive Teilnahme am Erlösungswerk bedeutet. , JVlit Recht also sind die heiligen Väter der Überzeugung - bemerkt das II. Vatikanische Konzil -, daß Maria nicht bloß passiv von Gott benutzt wurde, sondern in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt hat. So sagt der hl. Irenäus, daß sie ,in ihrem Gehorsam für sich und das ganze Menschengeschlecht Ursache des Heils geworden ist* {Adv. Haer. 3,22,4)“ {ebd.). Maria, Teilhaberin am Sieg Christi über die Sünde der Ureltem, erscheint als die wahre ,Mutter der Lebendigen“ {ebd.). Ihre im Gehorsam gegenüber dem göttlichen Plan frei angenommene Mutterschaft wird zum Lebensquell für die ganze Menschheit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit der innigen Bitte um den Schutz und die Fürsprache der Muttergottes für uns alle, grüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher deutscher Sprache, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Mitglieder des Säkularinstituts der Schönstätter Marienschwestem. Ihr seid zusammengekommen, um Euch auf das Große Jubiläumsjahr vorzubereiten. Stellt Euch durch eine Intensivierung des marianischen Apostolats auch in Zukunft ganz in den Dienst der Kirche. Ferner grüße ich die Pilgergruppe vom Niederrhein, die sich in besonderer Weise dem 144 AUDIENZEN UND ANGELUS Mensch, sondern selbst der Kosmos gewissermaßen verklärt. Ein nicht leichter Weg: Aber das Ziel ist eine große Erfahrung von Freiheit. 3. Erheben wir den Blick zu Maria, deren Geburt wir heute mit Freude feiern. Die Jungfrau ist beispielhaftes Bild des Geschöpfes, in dem der Heilige Geist wohnt. Sie empfing ihn bereitwillig bei der Verkündigung und wurde so Mutter des Erlösers. Sie empfing ihn ferner am Pfingsttag zusammen mit den Aposteln, in deren Mitte sie sich als Mutter der Kirche befand. Möge sie nun in jedem von uns eine große Sehnsucht nach geistlichem Leben wecken und uns helfen, diese Grunddimension unseres Herzens in voller Verfügsamkeit für den Geist Gottes zu entwickeln. Der Papst begrüßte nach dem Angelusgebet die Anwesenden; auf italienisch sagte er unter anderem: ... Es freut mich, die zahlreichen Mitglieder der Fokolar-Bewegung willkommen zu heißen, die aus verschiedenen Ländern Europas und der ganzen Welt gekommen sind, um die gemeinschaftliche Spiritualität zu vertiefen. Meine Lieben, ich weiß, daß Ihr in diesen Tagen über das Thema der „Bruderliebe“ nachdenkt und dazu bedeutende Erfahrungen untereinander austauscht. Der Heilige Geist gebe Euch, daß Ihr dieses Gebot, das Christus das „seine“ genannt und es als vollkommene Synthese des Gesetzes bezeichnet hat, annehmt und mit ganzem Herzen und allen Kräften in die Praxis umsetzt. Dadurch werdet Ihr einen wertvollen Beitrag für die Einheit der Christen und der gesamten Menschheitsfamilie leisten. Auf deutsch sprach er die folgenden Grußworte: Herzlich heiße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache, zum Gebet des „Engel des Herrn“ willkommen. Möge die Jungfrau Maria Euch und Euren Lieben daheim ihren mütterlichen Schutz und Beistand schenken. Dankbares Gedenken des Pastoralbesuchs in Ungarn Gestern abend bin ich von einer kurzen Apostolischen Reise nach Ungarn zurückgekehrt, das ich schon vor fünf Jahren besucht hatte. Ziele dieser Pilgerfahrt waren die Erzabtei Pannonhalma, deren tausendjähriges Bestehen gefeiert wird, und die Diözese Györ, die zur Zeit des hl. Königs Stephan kurz nach dem Jahr 1000 gegründet wurde. Ich danke dem Herrn für diese von der Vorsehung gefügte Gelegenheit. Zugleich richte ich mein dankbares Gedenken an die ungarischen Behörden, angefangen beim Herrn Staatspräsidenten, wie auch an die Bischöfe des Landes, an die Benediktinergemeinschaft von Pannonhalma und an die Gläubigen für den Empfang, den sie mir bereitet haben. Im einzelnen möchte ich bei der Generalaudienz vom nächsten Mittwoch auf die verschiedenen Augenblicke der Reise zurückkommen. 137 A UDIENZEN UND ANGELUS und Unterdrückung gezahlt haben. Außer des unerschrockenen Kardinals Jözsef Mindszenty gedachte ich, an seinem Grab verweilend, des Dieners Gottes Vilmos Apor, Bischof von Györ, der 1945 die Absicht mit dem Leben bezahlte, einige Frauen, die in den Bischofssitz geflüchtet waren, vor sowjetischen Soldaten zu verteidigen. Der Seligsprechungsprozeß für diesen heroischen Bischof ist nunmehr in die Schlußphase gelangt. Mit meinem Besuch wollte ich den verehrten Hirten des Gottesvolks in Ungarn in besonderer Weise ein Zeugnis der Solidarität und der Unterstützung bringen. Ihnen habe ich eine Botschaft der Ermutigung für ihre anspruchsvolle Evangelisierungsarbeit hinterlassen. 5. Auch dieses Mal, liebe Brüder und Schwestern, hat sich der Bischof von Rom zum Boten Christi auf den Straßen der Welt gemacht in der Gewißheit, daß das Evangelium ein immerwährendes Wort der Wahrheit über den Menschen und die Gesellschaft ist. Diese Wahrheit stellt die einzig feste Garantie der Freiheit und der Solidarität im Wechsel der ideologischen Systeme und der politischen Ordnungen dar. Im Namen Christi bin ich zum geliebten ungarischen Volk und zu seinen Hirten gegangen: Er ist derselbe gestern, heute und allezeit, Quell der Hoffnung und wahrer geistlicher, kultureller und gesellschaftlicher Erneuerung. Während ich die Gesichter und Orte dieser Ungamreise noch vor Augen habe, ist es mir lieb, alle Personen und Gemeinschaften, denen ich begegnet bin, und ganz Ungarn unter den Schutz der hl. Maria, „Magna Domina Hungarorum“, zu stellen, damit sie ihnen erlange, stets stark und konsequent zu sein im Glauben an Christus, unsere Hoffnung! In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Mit diesem kurzen Rückblick auf meinen Pastoralbesuch begrüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Unter Euch heiße ich insbesondere die Leser der Bistumszeitung „Paulinus“ der Diözese Trier in Begleitung von Weihbischof Alfred Kleinermeilert willkommen sowie die Ordensschwestern, die in La Storta an einem geistlichen Kurs teilnehmen. Sehr herzlich begrüße ich die vielen Schüler und Schülerinnen und die Priesteramtskandidaten des Collegium Rudolphinum in Heiligenkreuz. Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die durch das Fernsehen und Radio Vatikan mit uns verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. 140 AUDIENZEN UND ANGELUS Mißbilligung für Bischofsmord in Burundi Die Nachricht von der Tötung des Erzbischofs von Gitega (in Burundi), Msgr. Joachim Ruhuna, und weiterer sechs Personen, die sich vorgestern unter tragischen Umständen ereignet hat, erfüllt uns alle mit großer Traurigkeit. Der Erzbischof war eine von allen geschätzte Persönlichkeit wegen der Sachlichkeit seines Urteils und seiner pastoralen Ausgeglichenheit wie auch der liebevollen Hingabe an das ihm anvertraute Volk. Indem ich diesen hochherzigen Diener Gottes sowie die mit ihm verstorbenen Personen eurem Gebet anempfehle, bringe ich meine tiefe Anteilnahme am Schmerz der Angehörigen und meine geistige Nähe gegenüber den Gläubigen der Diözese und der gesamten Gemeinschaft Burundis zum Ausdruck. Ich mißbillige diesen neuen Akt der Grausamkeit, der sich zu einer Kette von unerhörten Gewalttaten hinzufügt, die oft als Methode politischen Kampfes verherrlicht werden, und erneuere meinen besorgten Appell für eine Versöhnung in Wahrheit und Liebe. Die christliche Botschaft glaubwürdig verkünden Angelus in Castel Gandolfo am 15. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Ausbreitung des Atheismus ist eine der „ernstesten Gegebenheiten dieser Zeit“ (Gaudium et spes, Nr. 19). Das Konzil selbst, das dieses entschiedene Urteil abgibt, bemerkt allerdings dazu, daß der Atheismus manchmal nicht so sehr Ablehnung Gottes ist, sondern vielmehr die Ablehnung eines falschen Bildes von ihm. Denjenigen, die die Gnade des Glaubens haben, obliegt daher die Pflicht, ein leuchtendes und glaubwürdiges Zeugnis zu geben und das wahre Antlitz Gottes und der Religion zu offenbaren (vgl. Gaudium et spes). Christlicher Osten und christlicher Westen sind sich in der Auffassung einig, daß Gott sich zwar in gewisser Weise auf den Wegen des Verstandes erreichen läßt, noch mehr aber auf dem Weg der Liebe uns entgegenkommt. Die orientalische Spiritualität insbesondere betont, daß unsere Gedanken und Worte niemals das Geheimnis Gottes sozusagen „einfangen“ können. Vor Ihm kann es nichts als anbetendes Schweigen geben. Anderseits aber hat Gott sich selbst seinem Geschöpf geschenkt durch den menschgewordenen Sohn und durch den Heiligen Geist, der in den Herzen wirkt. In Christus ist Gott aus seinem Schweigen herausgetreten und hat sich als Einheit von drei göttlichen Personen offenbart und uns zu inniger Gemeinschaft mit ihm berufen. 2. Wie man sieht, ist das Christentum nicht in erster Linie eine Lehre, sondern ein „Ereignis“, ja eine Person: Jesus von Nazaret. Er ist der Kern des christlichen 141 AUDIENZEN UND ANGELUS Seligkeit Marias: die Befolgung des Willens Gottes, die sie dazu gebracht hat, der Gottesmutterschaft zuzustimmen. In der Enzyklika Redemptoris Mater habe ich darauf hingewiesen, daß die neue, geistliche Mutterschaft, von der Jesus spricht, an erster Stelle gerade sie meint: „Ist nicht gerade Maria die erste unter denen, ,die das Wort Gottes hören und danach handeln“? Und bezieht sich nicht vor allem auf sie jene Seligpreisung, die von Jesus als Antwort auf die Worte der Frau aus der Menge ausgesprochen wird?“ (Nr. 20). Maria wird also in gewissem Sinn als erste Anhängerin ihres Sohnes (vgl. ebd.) gepriesen. Mit ihrem Beispiel lädt sie alle Glaubenden ein, großherzig auf die Gnade des Herrn zu antworten. 4. Das n. Vatikanische Konzil hebt deutlich die vollkommene Hingabe Marias an die Person und das Werk Christi hervor: Sie „gab sich als Magd des Herrn ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin und diente so unter ihm und mit ihm in der Gnade des allmächtigen Gottes dem Geheimnis der Erlösung“ {Lumen Gentium, Nr. 56). Die Hingabe an die Person und das Werk Jesu bedeutet für Maria innige Verbundenheit mit dem Sohn, mütterliche Fürsorge für sein menschliches Wachstum und Mitarbeit bei seinem Heilswerk. Maria führt diesen letzten Aspekt ihrer Hingabe an Jesus „unter ihm“ aus, d. h. in einem Verhältnis der Unterordnung, das Frucht der Gnade ist. Es handelt sich jedoch um wirkliche Mitarbeit, weil sie „mit ihm“ vollbracht wird und, angefangen bei der Verkündigung, aktive Teilnahme am Erlösungswerk bedeutet. „Mit Recht also sind die heiligen Väter der Überzeugung - bemerkt das II. Vatikanische Konzil -, daß Maria nicht bloß passiv von Gott benutzt wurde, sondern in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt hat. So sagt der hl. Irenäus, daß sie ,in ihrem Gehorsam für sich und das ganze Menschengeschlecht Ursache des Heils geworden ist“ {Adv. Haer. 3,22,4)“ {ebd.). Maria, Teilhaberin am Sieg Christi über die Sünde der Ureltem, erscheint als die wahre „Mutter der Lebendigen“ {ebd.). Ihre im Gehorsam gegenüber dem göttlichen Plan frei angenommene Mutterschaft wird zum Lebensquell für die ganze Menschheit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit der innigen Bitte um den Schutz und die Fürsprache der Muttergottes für uns alle, grüße ich Euch, liebe Pilger und Besucher deutscher Sprache, sehr herzlich. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Mitglieder des Säkularinstituts der Schönstätter Marienschwestem. Ihr seid zusammengekommen, um Euch auf das Große Jubiläumsjahr vorzubereiten. Stellt Euch durch eine Intensivierung des marianischen Apostolats auch in Zukunft ganz in den Dienst der Kirche. Ferner grüße ich die Pilgergruppe vom Niederrhein, die sich in besonderer Weise dem 144 A UDIENZEN UND ANGELUS sei. Karl Leisner verbunden weiß, sowie die Gruppen von politisch engagierten Gläubigen aus Oberkochen, Aschaffenburg und dem Lahn-Dill-Kreis, die versuchen, den Prinzipien der Katholischen Soziallehre im Alltag gerecht zu werden; schließlich begrüße ich die Mitglieder des Bundesverbandes Kreuzbund und die zahlreichen Schüler und Jugendlichen. Euch, Euren heben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die Euch verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Gruß an Frankreich zum Auftakt des Pastoralbesuchs Grußworte an die Pilger französischer Sprache: Morgen werde ich die Freude haben, einen erneuten Besuch bei der Kirche in Frankreich anzutreten. Es ist wie die vorangegangenen in erster Linie ein Pastoralbesuch: Der Bischof von Rom, Nachfolger Petri, besucht seine katholischen Brüder und Schwestern, um sie im Glauben zu bestärken und der Einheit zu dienen. Ich werde die Freude haben, dieses Frankreich, das ich liebe, diese Nation, die mit der Würde des Menschen so fest verbunden ist, bei sich zu Hause zu begrüßen. Ich möchte dort wiederum zur Solidarität aufrufen, zur Solidarität mit allen, die an Leib und Seele leiden, mit denen, deren Leben ungewiß oder bedroht ist, sowohl in Frankreich als außerhalb seiner Grenzen. An euch alle, Bewohner des französischen Territoriums, richte ich meinen herzlichen Gruß. Auf euch rufe ich den Segen Gottes herab und sage euch: „Bis morgen!“ Blick der Hoffnung auf die Zukunft der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 25. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vergangenen Sonntag habe ich meine sechste Pilgerreise nach Frankreich beendet. Ich danke der göttlichen Vorsehung, daß sie es mir gewährt hat, die Wege der vergangenen und gegenwärtigen Geschichte jenes Landes zu beschreiten. Ich durfte zu den Wurzeln der christlichen Tradition Frankreichs zurückkehren und einen Blick der Hoffnung auf die Zukunft seiner Kirche werfen. Meinen aufrichtigen Dank möchte ich dem Präsidenten der Republik und den Verantwortlichen auf nationaler und regionaler Ebene für die Einladung und den Empfang aussprechen. Ich danke den Bischöfen der Diözesen Tours, Lu$on, Van-nes und Reims, die mich mit großer Herzlichkeit empfangen haben, sowie dem französischen Episkopat, der auf den verschiedenen Etappen der Reise zahlreich vertreten war. Mein Dank gilt auch den Organisatoren, den Mitgliedern des Sani- 145 AUDIENZEN UND ANGELUS tätsdienstes, des Ordnungsdienstes und allen, die in irgendeiner Weise zum guten Gelingen dieses Besuchs beigetragen haben. Sehr herzlich danke ich den französischen Katholiken, die durch ihre Anwesenheit, ihr intensives Gebet und unzählige Ausdrucksweisen der Solidarität ein deutliches Zeugnis für ihren Glauben und ihre Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri gegeben haben. Ich möchte ganz besonders den Jugendlichen danken, die in so großer Zahl an dieser Pilgerreise teilgenommen haben. Verbunden mit ihrer Begeisterung konnte ich ihre tiefe geistliche Suche und ihre reife Wahl sicherer und bleibender Werte feststellen. Das ist ein Grund zu großer Hoffnung. 2. Der Ablauf der Pilgerreise war verknüpft mit Gedenktagen historischer Ereignisse und mit Personen, die auf das Christentum in Frankreich und in ganz Westeuropa großen Einfluß genommen haben. Die Wurzeln des Christentums im Land gehen auf das 2. Jahrhundert, auf die Zeit der ersten Märtyrer, zurück. Der hl. Hilarius von Poitiers war einer der Gründer der kirchlichen Strukturen und ein großer Verteidiger der Einheit der Kirche. Während meiner Pilgerreise begann das Gedenkjahr zur Erinnerung an den eintau-sendsechshundertsten Todestag des hl. Martin. Dieser ehemalige Legionär Kaiser Konstantins und Schüler des Hilarius wurde ein Pionier des Mönchslebens, Bischof von Tours und ein großer Missionar Westeuropas. Die Taufe Chlodwigs ist eng mit Martin verbunden, denn das Zeugnis der Verehrung der Pilger, die sich zum Grab des Heiligen von Tours begaben, übte eine starke Faszination auf den Frankenkönig aus, der sich für den christlichen Glauben entschied, darauf vorbereitet durch seine Begegnungen mit der hl. Genovefa von Paris, der hl. Chlothilde - seiner Frau - und dem hl. Remigius - Bischof von Reims. Das missionarische Wirken des hl. Martin und die Taufe Chlodwigs ließen ein tiefes Glaubensleben entstehen, das sich im Lauf der Generationen in einer Vielfalt von Früchten der Heiligkeit niederschlug. Ein Zeugnis davon hatte ich z. B. in der Bretagne, wo in besonderer Weise die hl. Anna, Mutter der Jungfrau Maria, verehrt wird. Der hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort wurde genau in dieser Region geboren, von dort aus brach er zu seinen Volksmissionen in der Vendee auf. Hier wie anderswo in den verschiedenen Teilen Frankreichs wurden der Glaube an Christus und die Treue zu seiner Kirche selbst um den Preis des Martyriums bewahrt. 3. Der geistliche Weg meiner Pilgerreise hatte als Leitmotiv das Geheimnis der Taufe als Sakrament, das in das Glaubensleben einführt und die Glaubenden dem gekreuzigten und auferstandenen Christus einverleibt. In Saint-Laurent-sur-Sevre hatten wir Gelegenheit, die Taufe neu zu beleben in der Weihe der ganzen Person als Antwort auf die göttliche Gnadengabe, die uns ruft, Christus gleich zu werden. Die Montfortanische Spiritualität bringt diese grundlegende Erfordernis des in der Taufe empfangenen Glaubens erneut zu Be- 146 AUDIENZEN UND ANGELUS wußtsein. Maria ist das Modell und Vorbild jeder Weihe an Christus. In jener Stadt war es mir eine Freude, einer großen Menge von aufmerksamen Jugendlichen und zahlreichen Gläubigen der Vendee zu begegnen wie auch mit zahlreichen Gott geweihten Männern und Frauen zu beten. In Sainte-Anne-d’Auray wurde die Weihe an Christus im Licht des täglichen Lebens und des Einsatzes für die Evangelisierung betrachtet. Diese Weihe wurde als ein Ruf verspürt, in jedem Bereich der Gesellschaft, ganz besonders aber in der Familie, Zeugnis zu geben für den Glauben. Die Begegnung mit Tausenden von Familien war ein wahrer Höhepunkt meiner Reise. 4. Der dritte Tag war dominiert von der Gestalt des hl. Martin als Vorbild der Antwort auf den Ruf, den Glauben in der Liebe zu leben. In diesem Rahmen ist die Begegnung mit den „Verwundeten des Lebens“ anzusetzen, denen man einen angemessenen Platz in der Kirche und in der Gesellschaft zuerkennen muß, da Christus selbst sich mit dem Geringsten unter ihnen identifiziert hat. Der letzte Tag - in Reims - war der Gipfelpunkt: Das Gedächtnis der Taufe Chlodwigs war für jeden eine Einladung, gründlich über die Bedeutung der eigenen Taufe nachzudenken. Das Evangelium fordert jeden Getauften auf, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein; die Taufe ist darüber hinaus ein Aufruf, das eigene geistliche Leben zu erneuern und die eigene Verantwortung auf sich zu nehmen für die Verwirklichung der Einheit und das innere Wachstum des Mystischen Leibs Christi. Die Taufgnade spornt die Christen an, den Herausforderungen der heutigen Welt im Licht des Evangeliums entgegenzutreten. Das zeigte auch die Begegnung mit den „lebendigen Kräften“ der Diözese Reims deutlich. 5. Meine heben Brüder und Schwestern! Indem ich noch einmal allen danke, die zum guten Gehngen dieses Besuchs beigetragen haben, vertraue ich Euch hier Anwesenden die Früchte meiner Pilgerreise nach Frankreich an und danke Euch, daß Ihr mich mit Euren Gebeten begleitet habt. Nehmt das Zeugnis von fünfzehnhundert Jahren Geschichte der Kirche in Frankreich auf. Miteinander wollen wir dem Herrn für die Früchte der Taufe des hl. Martin, Chlodwigs, des hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort und aher Gläubigen der Kirche in Frankreich danken. Wh wollen auch für unsere Taufe danken und den Herrn bitten, daß er uns fähig macht, voll der in diesem Sakrament empfangenen Gnade zu entsprechen. Grußworte auf deutsch: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser kurzen Rückbesinnung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern an der 17. Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl“ aus der Schweiz. Eure Wallfahrt möge dazu beitragen, Herz und Geist zu öffnen für das Geschenk, das Gott uns mit dem Jubeljahr 2000 bereitet. Ferner begrüße ich die große Zahl von Schülerinnen und Schülern aus Deutschland und der Schweiz. Euch allen, Euren lieben Angehörigen 147 AUDIENZEN UNDANGELUS zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Sanktionen gegen Zivilbevölkerung mildem! Wieder einmal gehen meine Gedanken nach Burundi, wo vor wenigen Tagen die Beisetzungsfeier für Msgr. Joachim Ruhuna, Erzbischof von Gitega, stattfand. Mit zwei weiteren Personen hat er um den Preis des Blutes seinen unermüdlichen Einsatz für Versöhnung und Verständigung unter den verschiedenen Gruppen des Landes gezahlt. Gerade im Gedenken an ihn heiße ich die Initiativen von allen gut, die sich um eine friedliche Überwindung der Spaltungen bemühen; auch nehme ich an den Leiden aller Bürger Anteil, die durch die geltenden Sanktionen jetzt noch vermehrt wurden. Während ich zum Gebet für den Frieden aufrufe, hoffe ich, daß diese Sanktionen gemildert werden, die zum größten Teil auf der Zivilbevölkerung lasten. Spiritualität der Ostkirchen - ein unverzichtbarer Beitrag zur Erkenntnis des Menschen Angelus in Castel Gandolfo am 29. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ein bestimmtes Abgleiten der humanistischen Kultur hat nicht wenige Männer und Frauen unserer Zeit dahin geführt, sich von Gott zu entfernen. Doch mit dem Untergang der großen Ideologien ist in aller dramatischen Deutlichkeit klar geworden: Wenn der Mensch zum „Gotteswaisen“ wird, verliert er auch den Sinn seines Daseins und wird gewissermaßen zu einem „Waisen“ seiner selbst. Wer ist der Mensch? Diese Frage hat das Christentum in seiner doppelten - westlichen und östlichen - Tradition seit jeher ernst genommen. Entstanden ist daraus eine tiefe und harmonische Anthropologie auf der Grundlage des Prinzips, daß die letzte Wahrheit des menschlichen Seins bei Demjenigen zu suchen ist, der es geschaffen hat Zur wahren Erkenntnis des Menschen bietet die orientalische Spiritualität einen besonderen Beitrag, indem sie immer wieder die Perspektive des „Herzens“ betont. Die Christen im Osten unterscheiden gerne drei Arten von Erkenntnis. Die erste ist auf den Menschen in seiner biopsychischen Struktur beschränkt. Die zweite bleibt im Bereich des Morallebens. Die höchste Stufe der Selbsterkenntnis wird in der „Kontemplation“ erreicht, wodurch sich der Mensch dank tiefer Einkehr in sich selbst als Abbild Gottes erkennt. Von der Sünde gereinigt, begegnet er 148 AUDIENZEN UND ANGELUS dem lebendigen Gott; ja, er selbst wird „göttlich“ dank einem Geschenk der Gnade. 2. Das ist die Erkenntnis des „Herzens“. Hier will „Herz“ viel mehr als eine menschliche Kraft aussagen, wie es z. B. das Gefühl ist. Vielmehr meint es das Prinzip der Einheit der Person, gewissermaßen den „inneren Ort“, wo die ganze Person sich sammelt, um in der Erkenntnis und Liebe des Herrn zu leben. Darauf spielen orientalische Schriftsteller an, wenn sie dazu auffordem, „vom Kopf ins Herz hinabzusteigen“. Es genügt nicht, die Dinge zu kennen, es genügt nicht, an sie zu denken; es ist nötig, daß sie Leben werden. Das ist eine wichtige Botschaft, die nicht nur für die spezifisch religiöse Erfahrung gilt, sondern auch für das menschliche Leben in seiner Gesamtheit. Die heute dominierende wissenschaftliche Kultur stellt uns allen eine ungeheure Menge an Informationen zur Verfügung; und doch stellt man jeden Tag fest, daß das für einen authentischen Weg der Humanisierung nicht reicht. Wir haben es mehr denn je nötig, die Dimensionen des „Herzens“ wiederzuentdecken; wir haben „mehr Herz“ nötig. Eine erneute Auseinandersetzung mit der christlichen Perspektive und ihren besonderen orientalischen und abendländischen Reichtümem liefert dazu einen Beitrag von großem Wert. 3. Liebe Brüder und Schwestern, lassen wir uns von Maria, der Allerheiligsten, anleiten, uns selbst immer tiefer zu entdecken. Um die meditative Haltung der Jungfrau gegenüber den Ereignissen in ihrem Leben hervorzuheben, sagt das Evangelium, Maria „bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen“ (Lk 2,51). Möge die Gottesmutter uns den Weg weisen, der uns vom Rand unseres Seins in unser Innerstes führt, in das geheimnisvolle Heiligtum, wo es möglich ist, sich auf du und du mit jenem Gott zu unterhalten, der uns annimmt und liebt. Nach dem Angelusgebet grüßte der Papst die Anwesenden u. a. auf deutsch: Herzlich begrüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder aus den Ländern deutscher Sprache. Der Herr möge Euch und Eure Lieben daheim im Glauben bestärken und weiterhin auf Eurem Lebens wag begleiten. Die Hoffnung auf den Frieden nicht ersticken Leider haben ein weiteres Mal schmerzliche Ereignisse den ohnehin zerbrechlichen Friedensprozeß in Nahost gestört. Nach den blutigen Vorfällen dieser Tage in Jerusalem und an anderen Orten bleibt uns nichts anderes, als Gott das viele Leid anzuvertrauen und ihn zu bitten, er möge die Leiden in loyalen Einsatz für einen wahren, gerechten und dauerhaften Frieden verwandeln. 149 AUDIENZEN UND ANGELUS nis. Später wird die österliche Verherrlichung Christi offenbaren, in welchem Sinn dieser Titel zu verstehen ist, d. h. in transzendentem Sinn (vgl. Joh 20,28; Apg 2,34-36). Mit ihrem bewundernden Ausruf lädt Elisabet uns ein, alles zu schätzen, was die Gegenwart der Jungfrau dem Leben jedes Gläubigen zum Geschenk macht. In der Heimsuchung bringt die Jungfrau der Mutter des Täufers Christus, der den Heiligen Geist ausgießt. Diese Mittlerrolle wird durch die Worte Elisabets selbst deutlich hervorgehoben: „ln dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib“ (Lk 1,44). Das Handeln Marias erzeugt mit dem Geschenk des Heiligen Geistes so etwas wie eine eigenständige Einleitung von Pfingsten und bekräftigt so ein Mitwirken, das mit der Menschwerdung begann und dazu bestimmt ist, im ganzen göttlichen Heilswerk zum Ausdruck zu kommen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dem innigen Wunsch für uns, nach dem Beispiel Mariens die frohe Botschaft weiterzugeben, grüße ich Euch alle, liebe deutsch-sprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Chorgemeinschaft aus dem Großraum Heidelberg und an alle anwesenden Chöre sowie an die ökumenischen Gruppen. Euch allen, Euren Lieben zu Hause und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Das Vorbild der neuen Seligen nachahmen Angelus am 6. Oktober Am Ende dieser feierlichen hl. Messe ist es mir ganz besonders willkommen, die Pilger zu grüßen, die aus Italien und verschiedenen anderen Nationen gekommen sind, um die neuen Seligen zu ehren. Mit Euch allen, meine lieben Brüder und Schwestern, möchte ich unser Gebet fortführen und Geist und Herz der Jungfrau Maria zuwenden, die das Christenvolk in diesem Monat Oktober als Königin des hl. Rosenkranzes anruft. Nach den einleitenden Worten in Italienisch fuhr der Papst in Ukrainisch fort: Ich grüße vor allem Euch, Pilger ukrainischer Sprache, die Ihr mit Euren Bischöfen und Priestern aus verschiedenen Teilen der Welt gekommen seid, um die Freude der Seligsprechung der Märtyrer von Podlachien, Wincenty Lewoniuk und zwölf Gefährten, zu teilen. Ich ermutige Euch, deren mutige Beständigkeit im 152 A UDIENZEN UND ANGELUS Glauben nachzuahmen und auch ihrem Beispiel inniger Verehrung der Allerseligsten Jungfrau zu folgen. ... und sagte auf englisch: Herzlich grüße ich die vielen Pilger aus Irland und anderen Teilen der Welt, die zur Seligsprechung von Edmund Ignatius Rice gekommen sind. Eure Anwesenheit ist ein Tribut an die hingebungsvolle Arbeit der Christian Brothers (Christliche Brüder) und der Presentation Brothers (Brüder von Mariä Opferung) insbesondere auf dem so wichtigen Gebiet des katholischen Schulwesens. Die alten und neuen Heiligen Irlands zeigen, wie tief die Iren sich zu Christus bekennen. Ich lade Euch ein, dafür zu beten, daß dieses Erbe an echtem Glauben und heiligmäßigem Leben Anregung sei zu einer neuen Eintracht und zum Frieden unter den Gemeinschaften in Nordirland, unter Menschen unterschiedlicher politischer Ansichten. Wir wollen alle dafür beten, daß die Iren Spannungen und Konflikte hinter sich lassen und eine lichtvollere und ruhigere Zukunft für die junge Generation bauen. Nichts ist durch den Frieden verloren, alles kann durch die Gewalt verloren sein. Gott segne Euch alle! ... dann auf spanisch: Mit großer Zuneigung grüße ich alle Pilger spanischer Sprache: vor allem die Bischöfe, Priester und Gläubigen, die zur Seligsprechung von Mutter Maria Ana Mogas Fontcuberta gekommen sind, und ganz besonders die Franziskaner-Missi-onsschwestem von der Mutter des göttlichen Hirten, die ihr Charisma weiterführen, sowie die Vertreter der Zivilbehörden, die an dieser Feier teilnehmen. Die neue Selige zeichnete sich durch ihre große Verehrung für die Allerseligste Jungfrau aus: Ahmt sie auch in diesem Aspekt ihrer reichen Spiritualität nach! ... schließlich auf polnisch: Ich bringe meine Freude zum Ausdruck über die Anwesenheit bei der heutigen Seligsprechungsmesse von Pilgern aus Polen - insbesondere aus der Erzdiözese Bialystok und den Diözesen Siedlce und Drohiczyn zusammen mit ihren Bischöfen - und auch von Pilgern aus der Erzdiözese Lviv mit ihrem Metropolitan-Erzbischof sowie aus anderen Teilen der Ukraine. Ich grüße schließlich die Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis und alle aus Polen und dem Ausland gekommenen Verehrer der sei. Marcelina Darowska sowie die Freunde der Kongregation. Danken wir Gott für das Geschenk der neuen Seligen, für die neuen Vorbilder wahrhaft christlicher Tugenden und der Liebe zu Christus. 153 AUDIENZEN UND ANGELUS gar von Menschen, die dem Glauben femstehen. Darüber bin ich immer noch zutiefst gerührt und danke von ganzem Herzen dafür. 2. Heute feiern wir den Weltmissionssonntag. Tatsächlich steht im ganzen Monat Oktober die Weltmission im Brennpunkt des Interesses, und die Teilkirchen richten ihre Anstrengungen auf eine engmaschige Sensibilisierung zugunsten der Mission, denn „der Sendungsauftrag gilt für alle Christen, für alle Diözesen und Pfarreien, für die kirchlichen Institutionen und Vereinigungen“ (Redemptoris missio, Nr. 2). Diese Überzeugung soll im Leben jedes Gläubigen eine zentrale Stelle einnehmen. So war es bei Marie-Pauline Jaricot, die im letzten Jahrhundert in Lyon das „Werk der Glaubensverbreitung“ ins Leben rief, das auf einem Einsatz in Gebet, Opfer und konkreter Unterstützung gründete. Ihre Anregung fand schnellen und breitesten Widerhall. Ich möchte heute allen danken, die das Missionswerk hochherzig unterstützen: „Ihr Verzicht und ihre Anteilnahme sind unentbehrlich beim Aufbau der Kirche und für das Zeugnis der Liebe“ (Redemptoris missio, Nr. 81). Möge Gott alle segnen und es ihnen reichlich vergelten. 3. Die Sendung Christi, des Erlösers, die der Kirche anvertraut ist, ist allerdings noch weit von ihrer Erfüllung entfernt. Und deshalb lädt die Kirche alle zu weiterer Mitarbeit für die Weltmission ein: Gebet, Zeugnis durch christliches Leben, Förderung von Missionsberufungen und konkrete Unterstützung sind eine dringende Notwendigkeit auch für die Christengeneration, die in das neue Jahrtausend blickt. Wie sollte man heute denen nicht danken, die auf den Ruf des Erlösers antworten und sich für den Dienst an den Brüdern in bisweilen recht schwierigen Situationen zur Verfügung stellen und sogar ihr Leben aufs Spiel setzen? Ich denke in diesem Augenblick an die Trappisten von Tibhirine, an Msgr. Claverie, Bischof von Oran (in Algerien), an Msgr. Ruhuna, Erzbischof von Gitega (in Burundi), und an viele andere. Dank ihres Opfers schreitet die Verkündigung des Evangeliums in der Welt voran. Maria, die Mutter Jesu, erbitte uns, daß wir mit neuem Eifer an dem Heilswerk arbeiten, das der Vater in seiner Liebe in unsere Hände gelegt hat. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Leider wird dieser Sonntag des Gebets für die Weltmission durch die Nachricht von der Entführung einer größeren Gruppe von Studentinnen der katholischen Schule in Aboke, im Norden Ugandas, getrübt. Dreißig Mädchen befinden sich zur Zeit noch in den Händen der Entführer, während ihre Familien und die katholische Gemeinschaft Stunden der Angst um das Schicksal der Entführten durchleben. Ich appelliere an das Gewissen der Verantwortlichen, daß dieser brutalen Freiheitsberaubung ein Ende gesetzt werde: Respektiert das Leben und die Würde dieser jungen Mädchen! Im Namen Gottes fordere ich ihre sofortige Befreiung. 156 AUDIENZEN UND ANGELUS Auf polnisch sagte er: Heute feiern Krakau und ganz Polen das Fest des hl. Johannes von Kety. Von Herzen grüße ich meine auf dem Petersplatz anwesenden Landsleute sowie diejenigen, die über Rundfunk und Fernsehen mit uns verbunden sind. Ich danke für die Gebete und die Glückwünsche, die mir zum Jahrestag meiner Wahl auf den Sitz Petri übermittelt wurden, sowie für alle Zeichen geistlicher Nähe während der Zeit meines Krankenhausaufenthalts. In diesem Zusammenhang denke ich auch mit Dankbarkeit an alle meine Landsleute, die das Recht auf Leben der Unschuldigsten und Wehrlosesten mit Hingabe verteidigen. Wir wollen für unser Vaterland beten, daß in ihm das Recht auf Leben jedes Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod beachtet werde. Erlaubt, daß ich in diesem Augenblick noch einmal die Worte wiederhole, die ich am 1. September dieses Jahres gesprochen habe: „Ein Volk, das die eigenen Kinder tötet, ist ein Volk ohne Zukunft“ (in: O.R.dt., 6.9.96, S. 1). Davor bewahre uns Gott! Davor bewahre uns Gott! Gelobt sei Jesus Christus! Verkünder und Zeugen Christi sein Ansprache bei der Generalaudienz am 23. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! Mein herzlicher Gruß geht an Euch alle, die Ihr heute auf diesem Platz zum gewohnten Treffen der Mittwochs-Generalaudienz zusammengekommen seid. Ich danke Euch für Eure Anwesenheit und für Eure Zuneigung, die Ihr mir wie immer bezeugt. In diesen Tagen sind die Christen auf gefordert, sowohl als einzelne wie auch als Gemeinschaft über die Aktualität und Dringlichkeit ihres missionarischen Einsatzes nachzudenken. Gerade das Bewußtsein vom Wert des Evangeliums für das Heil der Welt drängt jeden Gläubigen dazu, in allen seinen Lebensbereichen Zeugnis dafür abzulegen. Alle sind wir gerufen, „Evangelisierer“ zu sein, d. h. Verkünder und Zeugen Christi. Ich rufe auf jeden von Euch die Fülle der himmlischen Gnaden herab und erteile Euch allen hier Anwesenden sowie denen, die uns an Rundfunk und Fernsehen folgen, meinen Segen. Anschließend sprach er Grüße auf englisch, französisch, deutsch, spanisch und polnisch. Hier seine Worte in deutscher Sprache: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt auch Euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Möge Euch und Euren Lieben daheim Gottes Segen zuteil werden. 157 AUDIENZEN UND ANGELUS Gedenktag der Ökumene und der Katholischen Schule Angelus am 27. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute morgen hatte ich die Freude, an der Göttlichen Liturgie des hl. Johannes Chrysostomos teilzunehmen, die von Bischöfen und Priestern des byzantinisch-ruthenischen Ritus zelebriert wurde. Wir haben miteinander dem Herrn gedankt für die 1646 in Uzhorod vollzogene Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft der Ruthenischen Kirche mit dem Apostolischen Stuhl in Rom. Die Wiederkehr des Ereignisses bringt mich in Gedanken zu den Brüdern im christlichen Osten, in besonderer Weise zu den ehrwürdigen orthodoxen Kirchen, mit denen uns eine tiefe Glaubensgemeinschaft verbindet, für die wir alle wünschen, daß sie dem Willen Christi entsprechend die Fülle erreichen möge. Während meines jüngsten Krankenhausaufenthaltes war es mir ein großer Trost, Zeichen der Solidarität von verschiedenen Brüdern aus diesen Kirchen zu erhalten. An sie geht der Ausdruck meines ergriffenen Dankes zusammen mit der Versicherung eines besonderen Gedenkens im Gebet. 2. Die Diözese Rom feiert heute den Tag der Kathohschen Schule. In ihrer Ausrichtung auf „im Evangelium verankerte“ Leitvorstellungen leisten die kathohschen Schulen einen wichtigen Dienst für die Kirche und die Gesellschaft und bilden auf dem Gebiet der Erziehung moderne Vorposten, die ebenso Schülern anderer Ethnien, Kulturen und Religionen offenstehen. Während ich die Anstrengungen derjenigen gutheiße, die sich dafür einsetzen, daß die Wahl dieses Erziehungsmodells den Haushalt der Familien nicht in ungerechtfertigter Weise belaste, fordere ich die gesamte Diözesangemeinschaft auf, die Sendung der kathohschen Schule mit Gebet und der gewohnten Solidarität zu unterstützen. 3. Der Hinweis auf die Schule veranlaßt uns, den Blick zur Jungfrau Maria und ihrem Mann, dem hl. Josef, zu erheben, unter deren Erziehung der kleine Jesus im Frieden eines von Gottes Gesetz geregelten und von der Liebe beglückten Daseins heranwuchs und reifte. Ihr erhabenes Vorbild möge jede Erziehungsgemeinschaft inspirieren und ihren pädagogischen, moralischen und geistlichen Einsatz im Dienst eines gesunden und harmonischen Wachstums der jungen Generation leiten. Nach dem Angelus sagte der Papst auf deutsch: Herzlich begrüße ich die deutschsprachigen Pilger, unter ihnen die Mitgheder der Kolpingfamilie, die am 5. Jahrestag der Seligsprechung von Adolph Kolping in Rom zusammengekommen sind. Euch allen gelten meine besten Wünsche und mein besonderer Segen. Gelobt sei Jesus Christus. 158 AUDIENZEN UND ANGELUS Eucharistie - Fundament und Zentrum jedes priesterlichen Lebens Ansprache bei der Generalaudienz am 30. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! Übermorgen feiern wir das Hochfest Allerheiligen, das für mich in diesem Jahr mit einem besonderen Wert bereichert wird. Ich begehe den 50. Jahrestag meiner Priesterweihe, die am 1. November 1946 stattgefunden hat. Ergriffen denke ich an den Ritus der Weihe zurück, die ich durch den Erzbischof von Krakau, Adam Stefan Kardinal Sapieha, in dessen Privatkapelle empfing nach Warten und betender Vorbereitung während des Monats Oktober. Von diesem Augenblick an habe ich mich vom Herrn auf den Wegen führen lassen, die er Tag um Tag vor mir aufgetan hat: der priesterliche Dienst in verschiedenen Bereichen der Seelsorge, die Verantwortung für meine Diözese als Erzbischof von Krakau und schließlich der Dienst an der Kirche von Rom als Nachfolger Petri. In diesen Jahren habe ich meinen Tag immer mit der Feier der Eucharistie, Fundament und Zentrum jedes priesterlichen Lebens, begonnen und habe jedesmal mit unsäglicher Dankbarkeit von neuem entdeckt, daß sie das geheimnisvolle und grundlegende Band ist, das jeden Priester mit Christus, dem Erlöser, verbindet. In der Schule Jesu, des Priesters und Opfers, habe ich immer besser verstanden, daß der Priester nicht für sich selbst lebt, sondern für die Kirche und die Heiligung des Volkes Gottes. Meine lieben Brüder und Schwestern, aus Anlaß meines Priesteijubiläums, das ich in Gemeinschaft mit den Priestern und den Gläubigen der ganzen christlichen Welt feiern möchte, bitte ich Euch, mit mir dem Herrn für alle Gaben zu danken, die er mir in seiner Güte im Lauf dieser fünfzig Jahre hat zuteilwerden lassen. Maria, der Mutter Christi, die mich stets mit ihrem Schutz begleitet hat, sage ich erneut meinen Dank und mein Vertrauen: „Totus Tuus.“ Grußworte in Deutsch: Einen herzlichen Gruß richte ich an Euch, liebe Pilger und Besucher deutschsprachiger Länder. Übermorgen, am Fest Allerheiligen, darf ich in Gemeinschaft mit allen Priestern und Gläubigen der Kirche mein 50jähriges Priesterjubiläum begehen und dem Herrn bei der Feier der heiligen Eucharistie für das große Geschenk der Berufung sowie für die erwiesenen Wohltaten danken. Mit der Bitte, Euch diesem Dankgebet anzuschließen, erteile ich Euch und Euren Lieben in der Heimat von Herzen den Apostolischen Segen. 159 A UDIENZEN UND ANGELUS Gebietet der grauenvollen Tragödie in Zaire Einhalt Mit unsäglicher Betrübnis verfolge ich die Ereignisse im Nordosten von Zaire, wo erbitterte Kämpfe und Plünderungen Tausende von ruandischen und burundischen Flüchtlingen - zumeist alte Leute, Frauen und Kinder - zu einem ziellosen Umherziehen zwingen. Es ist eine endlose Tragödie, die seit einiger Zeit auch die lokale zairische Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht. Es ist grauenvoll, zu sehen, wie Menschen behandelt werden, die Kinder Gottes und unsere Brüder und Schwestern sind! Der Herr wird für jeden von ihnen Rechenschaft fordern! In seinem Namen flehe ich: Laßt die Waffen schweigen, legt Haß und Stammes-rivalitäten beiseite, setzt den schändlichen Verfolgungen ein Ende. Man möge hingegen den Verhandlungsweg beschreiten, um allen Recht zu verschaffen mit angemessenen Antworten auf die schweren Probleme, von denen das Gebiet der großen Seen betroffen ist. Ich ermutige alle, die an der Seite der schwer geprüften Brüder und Schwestern weiter das Zeugnis christlicher Nächstenliebe geben: selbst unter Gefahr für das eigene Leben. Ich hoffe inständig, daß die internationale Gemeinschaft alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um in der Katastrophe, die sich dort abspielt, wirksame Hilfe zu bringen. Priestertum - Geschenk und Geheimnis Angelus am Allerheiligentag, 1. November 1. Soeben habe ich in der Petersbasilika eine feierliche eucharistische Liturgie zum Fest Allerheiligen beendet. Dieser Gedenktag ist in diesem Jahr für mich durch einen besonderen Wert bereichert. Ich wollte in der Tat mit der geliebten Diözese Rom den 50. Jahrestag meiner Priesterweihe begehen, die genau am 1. November 1946 stattfand. Von Herzen danke ich Euch allen, liebe Priester und Gläubige Roms, die Ihr mit den verschiedenen Gruppierungen, in denen sich die Diözesangemeinschaft darstellt, an der Feier des heutigen Vormittags teilgenommen habt. Ich grüße auch die Pilger, die zum marianischen Gebet zusammengekommen sind. In ganz besonderer Weise gilt Euch, lieben Jugendlichen, Jungen und Mädchen, mein Gruß: Möge jeder von Euch mit Freude die eigene Berufung entdecken und mit Gottes Hilfe annehmen, um sie in Treue umzusetzen. Ich bitte den Herrn, daß unter Euch Jugendlichen der eine oder andere sei, der sich zum Priestertum berufen fühlt, wie es mir in meiner Jugend ergangen ist. 2. Sehr lebendig bewahre ich die Erinnerung an den Tag meiner Priesterweihe und an den folgenden Tag, den 2. November, als ich meine erste hl. Messe in der Krypta der Kathedrale von Krakau gefeiert habe. Ich höre nicht auf, Gott für all 160 AUDIENZEN UND ANGELUS das zu danken, was er seitdem in mir gewirkt hat. Im Verlauf der Jahre komme ich immer mehr zu der Überzeugung, daß jeder Priester ein „Mysterium des Glaubens“ in sich birgt. Sein menschliches „Heute“ übersteigt die unwesentlichen Geschehnisse des Alltags, denn er ist eingefügt in das ewige „Heute“ Christi, des Erlösers. Wenn auch ganz eingegliedert in das soziale Umfeld, in dem er lebt, beachtet der Priester, auch zu einer andersartigen Dimension zu gehören, eben weil er um sein vom Geist geprägtes Dasein für ein besonderes „Werk“ weiß, welches Gott mit seiner Hilfe unter den Menschen zu wirken beabsichtigt (vgl. Apg 13,2): Er ist berufen, der Verwalter der Geheimnisse Gottes zu sein (vgl. 1 Kor 4,1). 3. An diesem besonders freudigen Jahrestag gehe ich gern auf die inständigen Anfragen ein, die mich von verschiedenen Seiten erreichten, und habe mich entschlossen, einige Erinnerungen und Reflexionen über meine Berufung, die Geschenk und Geheimnis ist, zu schreiben. Ich habe dieses Zeugnis erstellt im Gedenken an meine Brüder im Priesteramt und widme es ihnen mir dem lebhaften Wunsch, daß es für jeden von ihnen ein Motiv der Hoffnung und ein Motiv für erneuerte Begeisterung im treuen Dienst der priesterlichen Sendung bilden kann. Diese meine Empfindungen vertraue ich Maria, der Mutter der Kirche, an und bitte sie um ihren Schutz für alle Priester. Am Schluß fügte der Papst hinzu: Heute danke ich der Kirche von Krakau, die mir den Weg zum Priestertum Christi eröffnet hat. Heute danke ich der Kirche Roms, die mir ermöglicht, den 50. Jahrestag meiner Priesterweihe auf dem Stuhl Petri zu feiern. Euch allen wünsche ich eine gute Woche und einen schönen Allerseelentag. Mit dem Gedenken an die Verstorbenen treten wir heute nachmittag und morgen hinein in das große eschatologische Mysterium eines jeden von uns. Gelobt sei Jesus Christus! Kraft und Segen des Gebetes Angelus am 3. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. In den vergangenen Tagen haben uns das Allerheiligenfest und das Gedenken an Allerseelen die innige Gemeinschaft spüren lassen, die uns mit unseren Brüdern und Schwestern verbindet, die schon in der Ewigkeit sind. Sie machen jetzt eine tiefe Gotteserfahrung, besingen seine Barmherzigkeit und lobpreisen seine Liebe. An dieser himmlischen Liturgie hat die Liturgie, die wir auf Erden feiern, einen geheimnisvollen Anteil. Der Sinn für die Liturgie ist besonders lebendig unter unseren orientalischen Glaubensbrüdem. Für sie ist die Liturgie wirklich „der Himmel auf Erden“ (Orientale lumen, Nr. 11). Es ist eine verflochtene Erfahrung, die den Menschen in 161 AUDIENZEN UND ANGELUS seiner Ganzheit berührt, geistig und körperlich. Alles in der heiligen Handlung zielt darauf hin, auszudrücken, daß „die göttliche Harmonie ... Vorbild der verklärten Menschheit“ ist: Gestalt und Ausstattung der Kirchen, die Tonklänge, die Farben, die Lichter, die Düfte. Die lange Dauer der Feierlichkeiten und die wiederholten Fürbitten drücken das stufenweise Sich-Hineingeben des Menschen in das gefeierte Mysterium aus (vgl. ebd.). Und zum Dienst am Mysterium gehört auch die besondere Aufmerksamkeit, die die Orientalen der Schönheit der Formen beimessen. Nach der Kiewer Chronik soll der hl. Wladimir auch wegen der Schönheit des in den Kirchen Konstantinopels vollzogenen Gottesdienstes zum christlichen Glauben übergetreten sein. Ein orientalischer Autor hat geschrieben, daß, wenn er den Geist des christlichen Orients darstellen wollte, die Liturgie „die Königspforte ist, durch die derselbe schreiten kann“ (vgl. P. Evdokimov, Das Gebet der orientalischen Kirche). 2. Aber das Gebet im Osten wie im Westen kennt, über das liturgische hinaus, viele andere Ausdrucksformen. Mit einer besonderen Vorliebe empfehlen die geistlichen Autoren das Gebet des Herzens, das darin besteht, fähig zu sein, in tiefem, aufnahmebereitem Schweigen auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören. Besonders beliebt ist das sogenannte Gebet Jesu, auch im Abendland weit verbreitet durch den bekannten Text der ,3erichte eines russischen Pilgers“. Es handelt sich um die Anrufung: „Herr Jesus Christus, verschone mich Sünder.“ Mit diesen oder ähnlichen Worten, häufig wiederholt, wird diese innige Anrufung zum Atemholen der Seele. Dem Menschen ist auf diese Weise geholfen, in allem, was ihm begegnet, die Gegenwart Gottes zu spüren, und er macht die Erfahrung, trotz der eigenen Schwächen von Gott gebebt zu sein. Auch still gesprochen, hat es eine geheimnisvolle Ausstrahlung auf die Gemeinschaft. Das „kleine Gebet“, so sagten die Väter, ist ein großer Schatz und vereint alle Beter vor dem Angesicht Christi. 3. Lassen wir uns von den Heiligen anleiten - die mit gleicher Liebe im Osten wie im Westen verehrt werden -, den Wert des Gebetes neu zu entdecken. Ganz besonders möge die Jungfrau Maria unsere Lehrmeisterin sein. Ihr „Magnifikat“ eröffnet uns einen Schimmer von der einmaligen Liturgie, die sie begeht, als sie das fleischgewordene Wort in ihrem Schoß anbetet. Sie führe uns zur Tiefgründigkeit des christlichen Gebetes, damit unser Leben eine fortwährende Liturgie des Lobes werde. Im Magnificat preist Maria das wunderbare Wirken Gottes Ansprache bei der Generalaudienz am 6. November 1. Im Lobgesang des „Magnificat“ preist Maria, einer alttestamentlichen Tradition folgend, das wunderbare Wirken Gottes an ihr. Der Gesang ist die Antwort der 162 AUDIENZEN UND ANGELUS Jungfrau auf das Mysterium der Verkündigung: Der Engel hatte sie zur Freude aufgefordert, nun bringt Maria den Jubel ihres Geistes über Gott, ihren Retter, zum Ausdruck. Ihre Freude entspringt der persönlich erlebten Erfahrung des wohlwollenden Blickes, den Gott auf sie armes und für den Lauf der Geschichte belangloses Geschöpf gerichtet hat. Mit dem Ausdruck ,Magnificat“, der lateinischen Übersetzung einer entsprechenden griechischen Vokabel, wird die Größe Gottes gepriesen, der in der Botschaft des Engels seine Allmacht kundtut und damit die Erwartungen und Hoffnungen des Volkes des Bundes und auch die edelsten Wünsche der menschlichen Seele übertrifft. Vor dem mächtigen und barmherzigen Herrn bringt Maria das Gefühl ihrer Kleinheit zum Ausdruck: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut“ (Lk 1,47-48). Das griechische Wort „tapeinosis“ ist vermutlich aus dem Gebet Hannas, der Mutter Samuels, entlehnt. Es ist darin von der „Demütigung“ und dem „Elend“ einer unfruchtbaren Frau die Rede (vgl. 1 Sam 1,11), die ihren Kummer dem Herrn anvertraut. Mit einem ähnlichen Ausdruck bekundet Maria ihren Zustand der Armut und das Bewußtsein, daß sie klein ist vor Gott, der aus freiem Entschluß seinen Blick auf sie, demütiges Mädchen aus Nazaret, gewandt hat, damit sie die Mutter des Messias werde. 2. Die Worte „von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1,48) gehen von der Tatsache aus, daß als erste Elisabet Maria „selig“ genannt hat {Lk 1,45). Nicht ohne Kühnheit sagt der Gesang voraus, daß diese Bezeichnung sich mit unaufhaltsamer Dynamik verbreiten und ausdehnen wird. Zugleich bezeugt er die besondere Verehrung für die Mutter Jesu, die in der Christengemeinschaft vom ersten Jahrhundert an vorhanden war. Das ,Magnificat“ ist die erste Frucht der verschiedenen Ausdrucks weisen der Verehrung, mit denen die Kirche von Generation zu Generation ihre Liebe zur Jungfrau von Nazaret bezeugt. 3. „[...] der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ {Lk 1,49-50). Was ist das „Große“, das der Allmächtige an Maria vollbracht hat? Der Ausdruck findet sich im Alten Testament und bezeichnet die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten oder Babylonien. Im „Magnificat“ bezieht er sich auf das geheimnishafte Ereignis der jungfräulichen Empfängnis Jesu, das auf die Botschaft des Engels in Nazaret geschehen ist. Im „Magnificat“ ist Gott nicht nur der Mächtige, für den nichts unmöglich ist (vgl. Lk 1,37), sondern auch der Erbarmensvolle, fähig zur Zärtlichkeit und Treue gegenüber jedem Menschen. 4. „Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. 163 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen“ (Lk 1,51-53). Mit ihrer Sicht der Weisheit auf die Geschichte läßt uns Maria die Maßstäbe des geheimnisvollen Wirkens Gottes entdecken. Er stellt die Ansichten der Welt auf den Kopf: Zum Nachteil der Reichen und Mächtigen kommt er den Armen und Kleinen zu Hilfe und beschenkt überraschend mit seinen Gaben die Demütigen, die ihr Leben in seine Hand geben (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 37). Diese Worte des Gesanges zeigen uns einerseits in Maria ein konkretes und erhabenes Vorbild, andererseits bringen sie uns zu Bewußtsein, daß vor allem die Demut des Herzens das Wohlwollen Gottes anzieht. 5. Am Schluß preist der Gesang die Erfüllung der Verheißungen und die Treue Gottes gegenüber dem auserwählten Volk: „Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsem Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig“ (Lk 1,54-55). Maria, über die die Fülle göttlicher Gaben gekommen ist, schaut nicht auf ihre eigene Person, sondern versteht, daß sich in diesen Gaben das Erbarmen Gottes für sein ganzes Volk kundtut. Inspiriert durch das Alte Testament und von der Spiritualität der Tochter Zion, übertrifft das „Magnificat“ die prophetischen Texte, die ihm zugrunde liegen, und macht in der „Gnadenerfüllten“ den Beginn eines göttlichen Eingreifens offenbar, das weit über die messianische Hoffnung Israels hinausgeht: das heilige Geheimnis der Menschwerdung des Wortes. Grußworte in Deutsch: Mit diesen Gedanken grüße ich Euch alle, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden daheim sowie allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Geistliche Verbundenheit mit allen Priestern dieser Welt Angelus am 10. November Liebe Brüder und Schwestern! Eben ist in der Petersbasilika eine Eucharistiefeier von einzigartiger geistlicher Intensität zu Ende gegangen, bei der wir zusammen mit einer großen Zahl von Mitbrüdem - Kardinälen, Bischöfen und Priestern - Gott für das Geschenk des Priestertums gedankt haben, das wir vor 50 Jahren empfangen durften. Es ist mir Anlaß zu weiterer Freude, Euch jetzt in dem Szenarium dieses einmaligen Platzes zu begegnen, der eindrucksvoll die auf die Welt hin geöffnete Kirche versinnbildlicht. Ich danke Euch allen für Euer Kommen! Ich grüße auch alle, die 164 AUDIENZEN UND ANGELUS über Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind, mit einem besonderen Gedenken an die Mitbrüder im Priester- und im Bischofsamt, die dieses Jahr ihr Priesterjubiläum begehen und nicht mit uns hier Zusammensein können. Meine Lieben, ich verspüre lebhaft im Geist Eure Nähe und möchte jedem von Euch zusammen mit den herzlichsten Glückwünschen die Versicherung meines ständigen Gedenkens im Gebet übermitteln. In diesem Augenblick denke ich an alle Priester der Welt. An die alten und kranken Priester: In Gedanken besuche ich sie und verweile bei ihnen in Liebe und brüderlicher Anteilnahme. Ich denke an die jungen Priester in den ersten Jahren ihres Dienstes und ermutige sie im Eifer ihres Apostolats. Ich denke an die Pfarrer, die wie „Familienväter“ in ihren Gemeinden sind. Ich denke an die Missionare, die sich auf den fünf Kontinenten im Einsatz befinden, um Christus, den Offenbarer Gottes und Retter des Menschen, zu verkünden. Ich denke an die Priester in geistlichen und materiellen Schwierigkeiten und auch an alle, welche die übernommene Verpflichtung leider aufgegeben haben. Für alle erflehe ich vom Herrn Beistand und Hilfe. Ich schließe Euch alle in meine Arme, liebe Priester überall auf der Welt, und vertraue Euch Maria an, der Mutter Christi, des ewigen und Hohenpriesters, Mutter der Kirche und unseres Priestertums. Ein großartiges Te Deum - Dankeshymne an Gott Nach der musikalischen Darbietung auf dem Petersplatz im Anschluß an das Angelusgebet: Liebe Brüder und Schwestern! Am Ende dieser schönen Darbietung möchte ich ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten wiederholen: an die Herren Kardinäle, an die Bischöfe und an die Priester, die hier anwesend sind, an die Ordensmänner und die Ordensfrauen, an die Pilger, die sich der Freude dieses Tages angeschlossen haben. Mein Dank geht an den Italienischen Rundfunk, an seinen Chor und sein Orchester und an alle Künstler, die dieser festlichen Begegnung Glanz verliehen haben. Ich danke auch den Musikkapellen der Carabinieri und der Polizei sowie allen, die am Erfolg dieser freudigen Darbietung in irgendeiner Weise beteiligt waren. Die Gefühle, die ihr mir auf diese Weise zum Ausdruck habt bringen wollen, sind gewissermaßen eine Dankeshymne an Gott beim Herannahen eines neuen christlichen Jahrtausends für das Amtspriestertum, das er seinem Volk bis zum Ende der Zeiten geschenkt hat. Eine Dankeshymne, wie sie in dem soeben meisterhaft aufgeführten, feierlichen und großartigen „Te Deum“ würdig dargeboten wurde. Ich danke in besonderer Weise meinen Mitarbeitern, und an erster Stelle der Kongregation für den Klerus, die eifrig tätig war, um diese festlichen Tage zu organisieren: nicht nur für mich, sondern auch für alle, die mit mir das goldene Priesterjubiläum gefeiert haben. 165 AUDIENZEN UND ANGELUS Ein Dankeschön schließlich euch allen, liebe Brüder und Schwestern, die ihr mir aus allen Teilen der Welt eure Liebe und treue Verbundenheit erneuern wolltet. Mein dankbares Gedenken erstreckt sich auch auf alle, die über Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. Gott segne euch alle, während ich meinerseits jedem von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen erteile. Gelobt sei Jesus Christus! Hilfsmaßnahmen gegen Hunger und Flüchtlingselend ergreifen! Ansprache bei der Generalaudienz am 13. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich komme von der Weltgipfelkonferenz über die Ernährung zurück, die heute am Sitz der FAO hier in Rom eröffnet wurde. Bei diesem Anlaß fiel es mir zu, das Wort an Delegierte und Repräsentanten von nahezu 200 Ländern zu richten. Ich danke dem Herrn für diese Gelegenheit und wünsche von Herzen, daß die Überlegungen der kommenden Tage zu wirksamen Initiativen für die Lösung des entsetzlichen Dramas des Hungers in der Welt führen können. In der Tat ist die Lage tragisch, in der sich gegenwärtig über 800 Millionen Menschen wegen Nahrungsmangel oder unzureichender Ernährung befinden. Es ist nötig, daß man mit Dringlichkeit alle möglichen Anstrengungen unternimmt, um den Skandal zu beseitigen, daß neben Menschen, denen selbst das Notwendige fehlt, andere leben, die mit Überflüssigem überhäuft sind. Gott gebe, daß dank des Beitrags der Verantwortlichen der Nationen, der Organisationen freiwilliger Hilfe sowie jedes Menschen guten Willens in allen Kontinenten der Einsatz der Solidarität mit beständigem Blick auf die am meisten Bedürftigen wachse. 2. Während ich heute morgen sprach, verspürte ich besonders intensiv die Tragödie der Flüchtlinge aus Ruanda, Burundi und unter der zairischen Bevölkerung des Kivu. Das Drama dieser Opfer der unmenschlichen Logik interethnischer Konflikte ist in meinem Herzen stets gegenwärtig. Wie kann man gleichgültig bleiben angesichts von Menschen, die am Ende angelangt sind, wo sie sich doch mit den nötigsten Lebensmitteln und Medikamenten versorgen könnten, die nicht weit von ihnen in großen Mengen angehäuft sind? Ich wiederhole einen besorgten Appell an das Gewissen und die Verantwortlichkeit aller betroffenen Parteien sowie der ganzen internationalen Gemeinschaft, man möge unverzüglich Hilfsmaßnahmen zugunsten dieser Brüder und Schwestern einleiten. Die Verletzung ihres Lebens und ihrer Würde ist eine Beleidigung Gottes, dessen Abbild jeder Mensch in sich trägt. Keine Ungewißheit, kein Vor- 166 AUDIENZEN UND ANGELUS wand, keine Berechnung werden jemals eine weitere Verzögerung humanitärer Hilfe rechtfertigen können! Laßt uns dafür beten, daß das Leid so vieler Unschuldiger und das von treuen Dienern der Kirche und der Sache des Menschen vergossene Blut dazu dienen möge, daß auf dem geliebten afrikanischen Kontinent eine Ära gegenseitiger Achtung und brüderlicher Annahme anbrechen kann. Auch wollen wir dafür beten, daß das absolute, unaufhebbare und lebendigmachende Gesetz der Nächstenliebe in den Herzen der Menschen Wurzeln fasse. Grußworte in Deutsch Liebe Schwestern und Brüder! Mein herzlicher Gruß gilt auch Euch, den Pilgern und Besuchern deutscher Sprache, die Ihr zu den Gräbern der Apostel gekommen seid. Besonders begrüße ich die Teilnehmer an der Jubiläumswallfahrt der Pfarre Sankt Martin aus Peuerbach in Österreich, die Pilger der Schönstatt-Bewegung aus Deutschland sowie die Gruppe der Katholischen Akademie Hamburg in Begleitung von Herrn Weihbischof Jaschke. Euch allen und Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Geistliche Reichtümer der Kirche in Ost und West sind gemeinsamer Besitz und Verpflichtung zur Einheit Angelus am 17. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. In den vergangenen Monaten hat sich meine sonntägliche Betrachtung wiederholt mit den christlichen Brüdern im Osten befaßt. Heute möchte ich sozusagen in einem Blick ihre reiche Glaubenstradition erfassen und komme daher gerne noch einmal auf den Sinn für das Mysterium zurück, der in ihren Ikonen ersichtlich wird. Osten und Westen wetteifern darin, Kunst dem Glauben dienstbar zu machen. Doch aus dem Osten, wo die Ikonen im Bilderstreit des 8. und 9. Jhs mit dem Blut verteidigt werden mußten, vernehmen wir den besonderen Aufruf, die religiöse Besonderheit dieser Kunst sorgsam zu bewahren. Ihre Grundlage ist das Mysterium der Menschwerdung, in dem Gott das Antlitz des Menschen annehmen wollte. Sakrale Kunst sucht letzten Endes, etwas vom Mysterium dieses Angesichts auszudrücken. Der Osten besteht daher mit Nachdruck auf den geistlichen Fähigkeiten, die den Künstler auszeichnen sollen. An diesen richtet Simeon von Thessaloniki, der große Verteidiger der Tradition, die folgende bedeutsame Ermahnung: .Lehre mit Worten, schreibe mit Buchstaben, male mit Farben gemäß 167 A UDIENZEN UND ANGELUS der Tradition; das Gemalte ist wahr wie das in Büchern Geschriebene; die Gnade Gottes ist darin zugegen, denn das dort Dargestellte ist heilig“ (vgl. Dialog gegen die Häresien, 23: PG 155, 113). Durch die Betrachtung der Ikonen, die sich in die Gesamtheit des liturgischen und kirchlichen Lebens einfügt, wird die christliche Gemeinde aufgefordert, in der Gotteserfahrung zu wachsen und selbst immer mehr zu einer lebendigen Ikone der Lebensgemeinschaft unter den drei göttlichen Personen zu werden. Auf dieses Ziel hin wollen Osten und Westen sich bewegen. Im Blick auf das bevorstehende Jubiläum habe ich in dem Apostolischen Schreiben Orientale lumen gesagt: „Wir dürfen nicht vor Christus, den Herrn der Geschichte, so gespalten hintreten, wie wir uns leider im Verlauf des zweiten Jahrtausends herausgestellt haben. Diese Spaltungen müssen weichen und den Weg zur Wiederannäherung und zur Eintracht freigeben“ (Nr. 4). 2. Als Bischof von Rom ist es meine Aufgabe, „stets die Wege zu suchen, die der Wahrung der Einheit dienen“ (Orientale lumen, Nr. 20). Den orthodoxen Brüdern - mit denen mich auch persönlich besondere Bande der Zuneigung verbinden -möchte ich den Ausdruck meines innigen Wunsches zukommen lassen, daß wir mit erneutem Vertrauen den Weg der Einheit miteinander gehen. Ich weiß, daß auch sie zutiefst dasselbe Bedürfnis verspüren. In der Geschichte des zweiten Jahrtausends hat es nicht an edlen Anstrengungen in dieser Richtung entsprechend dem Verständnis der Zeit gefehlt. Ich denke an die auf dem Konzil von Lyon 1274 wiederhergestellte Einheit. Sie trug gute Früchte für das christliche Bewußtsein, wenn die Wirkung leider auch nicht von Dauer war. Ein weiteres Hoffnungsmoment war der Aussöhnungsvorsatz, der auf dem Konzil von Florenz 1439 gefaßt wurde. Die später verwirklichten Teil-Unionen wurden von Osten und Westen zumeist aus verschiedener Sicht beurteilt. Doch ist es an der Zeit, daß wir der Stimme des Geistes Gehör schenken, die mit neuer Kraft in unseren Herzen die Bitte Christi anklingen läßt: „Vater, auch sie sollen in uns eins sein“ (vgl. Joh 17,21). Die geistlichen Reichtümer der Kirche im Osten und im Westen können ohne dieses Zeugnis der völligen Aussöhnung nicht in ihrem ganzen Glanz vor den Augen der Menschen von heute erstrahlen. 3. Wir vertrauen dieses große Anliegen der Fürbitte der Gottesmutter an. Wir bitten sie, daß sie beim Thron des Erbarmens ihres geliebten Sohnes die Gnade der Gnaden, das Geschenk der Einheit, erfleht. Christus hat uns das Geheimnis eines wirksamen Zeugnisses vor Augen gestellt, als er sagte: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35). Diese Liebe möge leuchten, bezeugt von Jüngern, die wieder vollends wie die erste Kirche in Jerusalem „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32) geworden sind. 168 AUDIENZEN UND ANGELUS Solidarität mit Klausurschwestem Am Donnerstag, 21. November, am liturgischen Fest der Darstellung Mariens im Tempel, wird der Tag der Klausurschwestem begangen. Sein Ziel ist es, zur Solidarität mit Klausurklöstem anzuregen, die sich in besonderen Notsituationen befinden. Welch unschätzbares Gut für die Kirche und die Gesellschaft sind die Gemeinschaften kontemplativen Lebens! Liebe Brüder und Schwestern, seien wir diesen unseren Schwestern nahe, die für uns alle beten und sich unserer geistlichen und materiellen Hilfe anempfehlen. Maria und die Geburt Jesu Ansprache bei der Generalaudienz am 20. November 1. Im Bericht über die Geburt Jesu macht der Evangelist Lukas einige Angaben, die uns helfen, die Bedeutung des Ereignisses besser zu verstehen. So weist er insbesondere auf die von Kaiser Augustus angeordnete Volkszählung hin, die Josef „aus dem Haus und Geschlecht Davids“ und Maria, seine Verlobte, veranlaßt, sich „in die Stadt Davids, die Betlehem heißt“, zu begeben {Lk 2,4). Bei der Schilderung der Umstände, unter denen die Reise und die Geburt stattfinden, stellt uns der Evangelist eine Situation der Entbehrung und Armut vor Augen, die auf einige grundlegende Wesenszüge des messianischen Reichs vorausweist: ein Reich ohne irdische Macht und Ehren, ein Reich, das dem gehört, der bei seinem öffentlichen Auftreten von sich sagen konnte: „Der Menschensohn [...] hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ {Lk 9,58). 2. Der Bericht des Lukas enthält einige Anmerkungen von anscheinend geringer Bedeutung, die im Leser ein besseres Verständnis des Geburtsmysteriums und der Gefühle derjenigen, die den Sohn Gottes gebiert, bewirken sollen. Die Beschreibung des Geburtsereignisses, in einfacher Form erzählt, stellt Maria in inniger Teilnahme an dem Geschehen, das sich an ihr vollzieht, dar: „Sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe [...]“ (.Lk 2,7). Das Handeln der Jungfrau ist das Ergebnis ihrer vollen Bereitschaft zur Mitwirkung beim Plan Gottes, die sie bereits bei der Verkündigung mit den Worten „mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38), bekundet hatte. Maria erlebt die Erfahrung der Geburt in Umständen äußerster Armut: Sie kann dem Gottessohn nicht einmal das bieten, was Mütter einem Neugeborenen zu geben pflegen, sondern sie muß ihn „in eine Krippe“ legen, eine behelfsmäßige Wiege, die zur Würde des „Sohnes des Höchsten“ in Widerspruch steht. 3. Das Evangelium weist darauf hin, daß „in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk2,l). Diese Aussage erinnert an den Prolog des Johannesevangeliums „[...] aber die Seinen nahmen ihn nicht auf (Joh 1,11). Zugleich klingt hier bereits an, 169 AUDIENZEN UND ANGELUS daß Jesus oft in seinem Erdendasein die schmerzliche Erfahrung machen sollte, abgewiesen zu werden. Die Wendung „für sie“ bezieht die Abweisung auf den Sohn und die Mutter zugleich und zeigt, daß Maria bereits jetzt am Geschick des Leidens ihres Sohnes Anteil hat und zur Mitwirkenden bei seiner Erlösungssendung wird. Von den „Seinen“ zurückgewiesen, wird Jesus von den Hirten aufgenommen. Diese ungehobelten und in keinem hohen Ansehen stehenden Männer sind hingegen von Gott ausersehen, als erste die gute Nachricht von der Geburt des Retters zu empfangen. Die Botschaft, die der Engel an sie richtet, ist eine Einladung zur Freude: „Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll“ (Lk 2,10). Ihr geht die Aufforderung, alle Furcht zu überwinden, voran: ,Fürchtet euch nicht.“ Wie für Maria bei der Verkündigung so ist in der Tat auch für sie die Nachricht von der Geburt Jesu das große Zeichen des Wohlwollens Gottes für die Menschen. Im göttlichen Erlöser, in der Armut des Stalles von Betlehem betrachtet, kann man die Einladung vernehmen, zuversichtlich an den heranzutreten, der die Hoffnung der Menschheit ist. Das Lied der Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“, was auch übersetzt werden kann mit „den Menschen des Wohlgefallens“ (Lk 2,14), macht den Hirten offenbar, was Maria in ihrem „Magni-ficat“ ausgedrückt hatte: Die Geburt Jesu ist das Zeichen der barmherzigen Liebe Gottes, die besonders gegenüber den Demütigen und Armen in Erscheinung tritt. 4. Auf die Einladung des Engels antworten die Hirten begeistert und wollen sofort aufbrechen: „Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ“ (ZF 2,15). Ihre Suche bleibt nicht erfolglos: Sie „fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag“ (Lk 2,16). Und wie das Konzil in Erinnerung bringt, zeigte ihnen „die Gottesmutter ihren erstgeborenen Sohn [...] in Freuden“ (Lumen Gentium, Nr. 57). Es ist die entscheidende Erfahrung ihres Lebens. Der spontane Wunsch der Hirten, nach dem wunderbaren Erlebnis ihrer Begegnung mit der Mutter und dem Sohn zu erzählen, „was ihnen über dieses Kind gesagt worden war“ (ZF 2,17), bringt den Verkündern des Evangeliums zu allen Zeiten die Wichtigkeit und, mehr noch, die Notwendigkeit einer tiefen geistlichen Beziehung zu Maria zu Bewußtsein: So werden sie Jesus besser kennenlemen und freudige Boten seiner frohen Botschaft des Heils sein. Mit Bezug auf diese außergewöhnlichen Ereignisse schreibt Lukas: Maria „bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (ZF 2,19). Während der Schrecken der Hirten sich in Bewundemng und Lobpreis wandelt, behält die Jungfrau dank ihrem Glauben die Ereignisse um ihren Sohn in lebendiger Erinnerung; sie vertieft sie mit der Methode der Auseinandersetzung in ihrem Herzen, d. h. dem innersten Kern ihrer Person. Damit ist sie Vorbild für eine andere Mutter, die Kirche: Diese ist aufgerufen, das Geschenk und das Bemühen 170 AUDIENZEN UND ANGELUS der Kontemplation und der theologischen Reflexion an den ersten Platz zu stellen, um das Heilsmysterium aufnehmen zu können, es besser verstehen und den Menschen aller Zeiten mit neuem Eifer verkünden zu können. Zur Flüchtlingskatastrophe im Zentrum Afrikas Ein weiteres Mal gehen meine Gedanken zur tragischen Lage, in der sich die wehrlosen und verirrten Menschenmassen im Gebiet der großen Seen befinden. Viele haben nicht die geringste Hilfe erhalten und irren vollends bedürftig in den Wäldern von Ostzaire umher. Eine große Zahl von Flüchtlingen ist in diesen Tagen in ihr Heimatland Ruanda zurückgekehrt. Diese Rückkehr, die hoffentlich ein weiteres trauriges Kapitel der Geschichte des Landes abschließt, erfordert allerdings unverzügliche und weitreichende Maßnahmen. Von äußerster Dringlichkeit sind insbesondere die Bemühungen der internationalen und karitativen Organisationen, ebenso ist der gute Wille aller vonnöten: von den Regierungsbehörden bis zu den Verantwortlichen der Ortskirchen. Mit diesen Gefühlen hoffe ich im Gebet, daß das Treffen von Vertretern der multinationalen Truppe für humanitäre Hilfe, das für Freitag in Stuttgart auf dem Programm steht, dazu beitragen kann, daß weitere Leiden erspart bleiben und allen Respekt, Unversehrtheit und angemessene Hilfe garantiert werden. Die neuen Seligen zeichneten sich durch feste Bindung an Maria aus Angelus am 24. November Heute morgen hatte ich die Freude, drei neue Selige zur Ehre der Altäre zu erheben: Es handelt sich um die beiden österreichischen Priester, Pfarrer Otto Neururer und Pater Jakob Gapp aus dem Marianistenorden, sowie die Französin Catherine Jarrige, eine Laienschwester aus dem dritten Orden des hl. Dominikus. In diesem Augenblick des Mariengebets möchte ich auf die starke Verbindung von ihnen allen zur Muttergottes hinweisen, die ihr Leben von Grund auf geprägt hat. So war es bei Pfarrer Neururer, für den die Unbefleckte in gewisser Weise die Patronin seines Rufs zum Martyrium war. Denn am Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens im Jahr 1938 zog er sich die Feindschaft der nationalsozialistischen Behörden zu, als er in einem speziellen Fall die Unauflösbarkeit des Ehebandes verteidigte: Im Licht der Immakulata vermochte er jedem Kompromiß zu widerstehen, und von Maria erhielt er die Gnade des Martyriums. Als Mitglied der „Gesellschaft Mariens“ weihte Pater Gapp sich selbst und sein Priestertum in ganz besonderer Weise der Jungfrau. Sie hat ihn auf dem Weg sei- 171 AUDIENZEN UND ANGELUS nes Lebens und Priestertums begleitet und zu einem vorbildlichen „Sohn Marias“ gemacht gemäß den Regelj der Kongregation: einfach im Umgang, einfach beim Sprechen, einfach in den Gewohnheiten aus der Überzeugung, daß die Einfachheit des Evangeliums den Respekt der Mitmenschen und den Segen Gottes hervorruft. Die auf dem Evangelium gründende Einfachheit war auch ein herausragendes Charaktermerkmal der Gestalt von Catherine Jarrige. Ihr demütiges und zugleich ausstrahlendes Dasein läßt spontan an Maria von Nazaret denken, deren Beispiel sich die neue Selige bei ihrer hochherzigen Hingabe im Dienst am Nächsten zum Vorbild nahm. Ermutigt durch das Zeugnis dieser unserer Brüder wollen wir den Blick zu Maria, der Königin aller Heiligen, erheben und sie mit Zuversicht anru-fen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst auf deutsch: Zur Seligsprechung von Pfarrer Otto Neururer und Pater Jakob Gapp sind zahlreiche Pilger aus Österreich und aus der Diözese Bozen-Brixen unter der Leitung ihrer Bischöfe nach Rom gekommen. An Euch alle ergeht mein Willkommensgruß. Herzlich grüße ich die Alumnen des Priesterseminars in Brixen und die Studenten des Knabenseminars Vinzentinum, deren Institute der junge Otto Neururer besuchte. Schließlich gilt mein Gruß den Schützen aus Nord- und Südtirol, die den Abschluß des 200-jährigen Jubiläums der Herz-Jesu-Verehrung in Rom begehen. Beginn der unmittelbaren Vorbereitungsphase auf das Heilige Jahr 2000 Am kommenden Samstag werde ich in der Vatikanbasilika der Feier der Ersten Vesper des ersten Adventssonntags vorstehen, mit der wir das erste Jahr der dreijährigen, unmittelbaren Vorbereitungszeit auf das Große Jubeljahr 2000 beginnen. Ich lade alle Gläubigen Roms wie auch die in der Stadt anwesenden Pilger ein, an diesem feierlichen Gebetsereignis teilzunehmen, bei dem wir uns in Gemeinschaft mit den Ortskirchen der ganzen Welt geistlich auf den Weg zur Heiligen Pforte des Jahres 2000 machen, dem Symbol Christi, des einzigen Retters der Welt. Der Titel Mutter Gottes Ansprache bei der Generalaudienz am 27. November 1. Die Betrachtung des Geheimnisses der Geburt des Erlösers hat das christliche Volk dazu geführt, die hl. Jungfrau nicht nur als Mutter Jesu anzurufen, sondern in ihr auch die Mutter Gottes zu erkennen. Diese Wahrheit wurde schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeit als Bestandteil des Glaubensgutes der Kirche 172 AUDIENZEN UND ANGELUS empfunden und vertieft und schließlich im Jahr 431 durch das Konzil von Ephesus feierlich verkündet. Während unter den Jüngern das Bewußtsein wächst, daß Jesus der Sohn Gottes ist, wird es für die urchristliche Gemeinde immer klarer, daß Maria die „Theotokos“, die Mutter Gottes, ist. Dieser Titel scheint nicht ausdrücklich in den Evangelien auf, wenngleich in ihnen von der Mutter Jesu gesprochen und gesagt wird, daß er „Gott“ ist (Joh 20,28; vgl. 5,18; 10,30.33). Maria wird allerdings Mutter des „Immanuel“, was „Gott mit uns“ heißt (vgl. Mt 1,22-23), genannt. Wie man einem antiken Textzeugnis entnehmen kann, wandten sich bereits im dritten Jahrhundert die Christen Ägyptens mit dem folgenden Gebet an Maria: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin; verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau“ (aus dem Stundengebet). In diesem antiken Zeugnis wird zum ersten Mal ausdrücklich die Formulierung „Theotokos - Mutter Gottes“ gebraucht. In der heidnischen Mythologie kam es oft vor, daß irgendeine Göttin als Mutter irgendeines Gottes dargestellt wurde. Zeus z. B„ der höchste der Götter, hatte die Göttin Rhea zur Mutter. Dieser Kontext hat möglicherweise den Gebrauch des Titels „Theotokos - Mutter Gottes“ für die Mutter Jesu bei den Christen begünstigt. Es ist allerdings festzuhalten, daß es einen solchen Titel nicht gab, sondern dieser von den Christen geschaffen wurde, um einen Glauben auszudrücken, der nichts mit der heidnischen Mythologie zu tun hatte: der Glaube an die jungfräuliche Empfängnis desjenigen im Schoß Marias, der immer schon das ewige Wort Gottes war. 2. Mit dem vierten Jahrhundert beginnt sich der Gebrauch des Begriffs „Theotokos“ im Osten und im Westen durchzusetzen. Frömmigkeit und Theologie nehmen zunehmend Bezug darauf; er gehört nunmehr zum Glaubensgut der Kirche. Man versteht daher die große Protestbewegung, die sich im fünften Jahrhundert erhob, als Nestorius die Rechtmäßigkeit des Titels „Mutter Gottes“ in Zweifel zog. Da er nämlich geneigt war, in Maria nur die Mutter des Menschen Jesus zu sehen, meinte er, daß allein der Ausdruck „Mutter Christi“ lehrgemäß korrekt sei. In diesen Irrtum verfiel Nestorius aufgrund seiner Schwierigkeiten, die Einheit der Person Christi anzuerkennen, und wegen eines falschen Verständnisses der Unterscheidung zwischen den beiden in ihm vorhandenen Naturen: der göttlichen und der menschlichen. Das Konzil von Ephesus verurteilte im Jahr 431 die Thesen des Nestorius und verkündete Maria als ,Mutter Gottes“, indem es das Vorhandensein der göttlichen und der menschlichen Natur in der „einen“ Person des Sohnes feststellte. 3. Die von Nestorius aufgeworfenen Schwierigkeiten und Einwände bieten uns nun die Gelegenheit zu einigen nützlichen Überlegungen zum besseren Verständnis und zur korrekten Interpretation dieses Titels. Der Ausdruck „Theotokos“, was 173 A UDIENZEN UND ANGELUS wörtlich „Gottesgebärerin“ bedeutet, mag auf den ersten Blick überraschend scheinen; in der Tat läßt er die Frage aufkommen, wie es möglich sein soll, daß ein menschliches Geschöpf Gott gebiert. Die Antwort des Glaubens der Kirche ist klar: Die Gottesmutterschaft Marias bezieht sich einzig auf die menschliche Geburt des Gottessohnes und nicht auf seine göttliche Zeugung. Der Gottessohn ist von Ewigkeit her von Gott Vater gezeugt und mit ihm wesensgleich. Mit dieser ewigen Zeugung hat Maria natürlich nichts zu tun. Doch vor zweitausend Jahren hat der Gottessohn unsere Menschennatur angenommen und ist dabei von Maria empfangen und geboren worden. Wenn die Kirche Maria als „Mutter Gottes“ verkündet, will sie damit sagen: Sie ist „Mutter des menschgewordenen Wortes, das Gott ist“. Ihre Mutterschaft bezieht sich also nicht auf die ganze Dreieinigkeit, sondern allein auf die zweite Person, den Sohn, der bei der Fleischwerdung von ihr die Menschennatur empfangen hat. Mutterschaft ist Beziehung von Person zu Person: Die Mutter ist nicht nur Mutter des Leibes oder des körperlichen Wesens, das aus ihrem Schoß gekommen ist, sondern sie ist Mutter der Person, die sie zur Welt gebracht hat. Damit ist Maria, die die Person Jesu, eine „göttliche“ Person, in der Menschennatur geboren hat, „Mutter Gottes“. 4. Indem die Kirche Maria als „Mutter Gottes“ verkündet, bekundet sie in einem einzigen Ausdruck ihren Glauben hinsichtlich des Sohnes und der Mutter. Diese Verbindung tritt schon beim Konzil von Ephesus zutage: Mit der Definition der Gottesmutterschaft Marias wollten die Väter ihren Glauben an die Gottheit Christi deutlich machen. Unbeachtet alter und neuer Einwände bezüglich der Ange-brachtheit, Maria diesen Titel zuzuerkennen, haben die Christen aller Zeiten die Bedeutung dieser Mutterschaft richtig interpretiert und zu einem bevorzugten Ausdruck ihres Glaubens an die Gottheit Christi und ihrer Liebe zu der Jungfrau gemacht. Zum Wohl der Menschheit Trägheit und Mittelmäßigkeit überwinden Angelus am 1. Adventssonntag, 1. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit dem heutigen ersten Adventssonntag beginnt das neue Kirchenjahr; zugleich aber nimmt der Weg der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 seinen Anfang. Ich möchte diese Begegnungen zum sonntäglichen Gebet des „Engel des Herrn“ nutzen, um mit Euch über dieses große kirchliche Ereignis nachzudenken. 174 AUDIENZEN UND ANGELUS Wie ich in Tertio millennio adveniente daxgelegt habe, werden die nächsten drei Jahre für die Ortskirchen überall auf der Welt eine Zeit intensiven geistlichen und apostolischen Einsatzes sein. Sie sind nämlich zu einem Weg der Umkehr aufgerufen, der in diesem ersten Jahr 1997 die Meditation über das Mysterium Christi zum Mittelpunkt hat (vgl. Nr. 40). Wir wollen unseren Blick auf Jesus richten, den Sohn Gottes und Sohn Marias, das menschgewordene Wort, einer wie wir, für uns gestorben und auferstanden. Ihm bringen wir die Nöte und Erwartungen der Menschen unserer Zeit: Zu ihm rufen wir mit Zuversicht: Rette uns, Heiland der Welt! 2. Der heute beginnende Advent möge in den Gläubigen den Sinn für die Wachsamkeit und tätige Hoffnung neu beleben. Diese Haltung, die zur Zeit der Erwartung des Weihnachtsfestes gehört, müssen wir auf den ganzen Vorbereitungsweg zum Jubeljahr übertragen. Denn mit dem Jubiläum will die Kirche die Herzen von allen aufrütteln, damit sie wachsen im Hören auf Gott und im ständigen Bemühen um brüderliche Solidarität. Es ist an der Zeit, Trägheit und Mittelmäßigkeit zu überwinden und das ganze Leben aus dem Licht des Evangeliums zu erneuern. Es ist an der Zeit, den Wert des Gebets neu zu entdecken. So werden wir uns angemessener auf das Jubeljahr vorbereiten, das ein großes „Lob- Und Dankgebet vor allem für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung“ sein soll (Tertio millennio adveniente, Nr. 32). Mit dem Gebet muß ein intensives Bemühen der Nächstenhebe gegenüber unseren bedürftigen Brüdern und Schwestern verbunden sein, in denen wir in besonderer Weise Christus, den Erlöser der Menschen, erkennen und ihm dienen. 3. In den verschiedenen Abschnitten der Vorbereitung des Jubeljahrs begleitet uns Maria, die Jungfrau des Advents. Und wie sollte es auch anders sein? Denn durch ihr „Ja“ wurde das Kommen des Herrn ermöglicht. Ihre Antwort an Christus, den Retter, möge heute in der Kirche Wiederaufleben und in der ganzen Menschheit auf dem Weg ins dritte Jahrtausend kraftvoll widerhallen. Maria — Erzieherin des Gottessohnes Ansprache bei der Generalaudienz am 4. Dezember 1. Die Menschwerdung Jesu, die vom Heiligen Geist durch die jungfräuliche Mutter bewirkt wurde, durchlief dennoch die Phasen, die das Entstehen des Lebens aller Menschen kennzeichnen: Empfängnis, Wachsen im Mutter schoß, Geburt. Die Mutterschaft Marias beschränkte sich darüber hinaus nicht auf den biologischen Aspekt allein, sondern wie jede Mutter leistete sie einen wesentlichen Beitrag zum Wachstum und zur Entwicklung des Sohnes. 175 AUDIENZEN UND ANGELUS Mutter ist nicht nur die Frau, die das Kind zur Welt bringt, sondern auch die, welche es „auf‘-zieht und „er“-zieht. Wir können wohl zu Recht sagen, daß die Aufgabe der Erziehung nach göttlichem Plan die natürliche Fortsetzung der Geburt ist. Maria ist „Theotokos“, nicht nur weil sie den Gottessohn in ihrem Schoß empfangen und geboren hat, sondern auch weil sie ihn in seinem menschlichen Wachstum begleitet hat. 2. Man könnte meinen, weil Jesus die Fülle der Gottheit in sich besaß, hätte er keine Erzieher gebraucht. Das Geheimnis der Menschwerdung macht uns jedoch offenbar, daß der Sohn Gottes als Mensch, in allem uns gleich - ausgenommen der Sünde - in die Welt gekommen ist (vgl. Hebr 4,15). Wie bei jedem Menschen bedurfte das Wachstum Jesu von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter (vgl. Lk 2,40) der erzieherischen Sorge der Eltern. Das Lukasevangelium, das der Kindheit des Erlösers besonderes Augenmerk schenkt, berichtet, daß Jesus von Nazaret Josef und Maria untertan war (vgl. Lk 2,51). Diese Abhängigkeit zeigt uns Jesus in der Haltung dessen, der empfängt: offen für das erzieherische Wirken seiner Mutter und Josefs, die ihre Aufgabe auch dank der von Jesus ständig bewiesenen Tugend der Folgsamkeit ausübten. 3. Die außerordentlichen Gaben, mit denen Gott Maria erfüllt hatte, befähigten sie in besonderer Weise, die Aufgaben der Mutter und Erzieherin zu erfüllen. In den konkreten Gegebenheiten des Alltags fand Jesus in ihr ein Vorbild, das er nachahmen und beherzigen konnte, sowie ein Beispiel der Liebe zu Gott und den Menschen. Neben der mütterlichen Präsenz Marias konnte Jesus auf die väterliche Gestalt Josefs zählen, des gerechten Mannes (vgl. Mt 1,19), der bei der Erziehung für das nötige Gleichgewicht sorgte. Bei der Wahrnehmung der Vaterrolle sorgte Josef in gemeinsamem Handeln mit Maria dafür, daß das Haus von Nazaret zu einer geeigneten Umgebung für das Wachstum und die persönliche Reifung des Erlösers der Menschheit wurde. Josef brachte Jesus schließlich das harte Zimmermannshandwerk bei und gab ihm damit die Möglichkeit, seinen Platz in der Arbeitswelt und im gesellschaftlichen Leben zu finden. 4. Die wenigen Elemente, die das Evangelium bietet, gestatten uns nicht, die Art und Weise des pädagogischen Wirkens Marias an ihrem göttlichen Sohn erschöpfend zu kennen und zu bewerten. Gewiß hat sie zusammen mit Josef Jesus in die Riten und Vorschriften des Mose, in das Gebet zum Gott des Bundes durch den Gebrauch der Psalmen, in die Geschichte des Volkes Israel mit dem Auszug aus Ägypten im Mittelpunkt eingeführt. Von ihr und von Josef lernte Jesus, die Synagoge zu besuchen und die jährliche Pascha-Wallfahrt nach Jerusalem zu unternehmen. Wenn wir auf die Ergebnisse blicken, können wir gewiß schließen, daß die Erziehung durch Maria nachhaltig und tief prägend war und in der menschlichen Psychologie Jesu einen sehr fruchtbaren Boden fand. 176 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Die Erziehungsaufgabe Marias, die auf einen so einzigartigen Sohn ausgerichtet war, weist gegenüber der Rolle anderer Mütter einige besondere Merkmale auf. Sie hatte einzig die günstigen Bedingungen zu schaffen, damit die im Sohn bereits vorhandenen Kräfte und wesentlichen Werte für ein Wachstum sich entfalten konnten. So z. B. erforderte die Tatsache, daß Jesus ohne jede Sünde war, eine stets positive Haltung von Maria zu ihm unter Ausschluß von Strafmaßnahmen. Und wenn auch die Mutter Jesus in die Kultur und die Gebräuche des Volkes Israel einführen sollte, so wird er von der Begebenheit der Wiederauffindung im Tempel an das volle Bewußtsein bekunden, daß er der Sohn Gottes ist, der gesandt wurde, um der Welt die Wahrheit zu bringen, nichts anderem als dem Willen des Vaters verpflichtet. So wird Maria von der „Meisterin“ ihres Sohnes zur demütigen Schülerin des göttlichen Meisters, den sie geboren hat. Die Aufgabe der Jungfrau und Mutter bleibt groß: Von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter hat sie ihrem Sohn Jesus geholfen, zu wachsen „an Weisheit, Alter und Gefallen“ (vgl. Lk 2,52) und sich auf seine Sendung vorzubereiten. Maria und Josef ragen daher als Vorbilder für alle Erzieher heraus. Sie helfen ihnen in den großen Schwierigkeiten, denen heute die Familie begegnet, und zeigen ihnen den Weg zu einer wirksamen und nachhaltigen Erziehung der Kinder. Ihre erzieherische Erfahrung bildet einen sicheren Bezugspunkt für christliche Eltern, die in immer komplexeren und schwierigeren Situationen gerufen sind, ihren Dienst an der gesamtheitlichen Entfaltung der Persönlichkeit ihrer Kinder wahrzunehmen, damit diese ein menschenwürdiges und dem Plan Gottes entsprechendes Lehen führen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Mit dieser Ermutigung an die Eltern begrüße ich Euch alle, die Ihr aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen seid. Euch, Euren heben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan verbunden sind, wünsche ich Gottes Segen für eine gesegnete Adventszeit und erteile Euch von Herzen den Apostolischen Segen. Maria ist Vorbild für eine Erneuerung des Lebens Angelus am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute leuchtet uns auf dem Weg zum Großen Jubiläum, der vor allem ein Weg der Wiederentdeckung Christi in unserem Leben sein muß, die Heiligkeit und Schönheit der Heiligen Jungfrau auf, die wir in ihrer Unbefleckten Empfängnis 177 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Darstellung Jesu im Tempel Ansprache bei der Generalaudienz am 11. Dezember 1. Im Bericht von der Darstellung des Herrn im Tempel stellt der Evangelist Lukas die messianische Bestimmung Jesu in den Vordergrund. Unmittelbarer Grund der Reise der Hl. Familie von Betlehem nach Jerusalem ist nach dem Lukastext die Erfüllung des Gesetzes: „Dann kam für sie der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen, gemäß dem Gesetz des Herrn, in dem es heißt: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“ (Lk 2,22-24). Mit dieser Geste bekunden Maria und Josef den Vorsatz, den Willen Gottes genau zu befolgen, ohne irgendeine Form von Privileg in Anspruch zu nehmen. Ihr Gang zum Tempel in Jerusalem erhält die Bedeutung einer Weihe an Gott am Ort seiner Gegenwart. Durch ihre Armut veranlaßt, Turteltauben oder junge Tauben zu opfern, bringt Maria in Wirklichkeit das wahre Lamm dar, das die Menschheit erlösen wird. Ihre Geste ist eine Vorwegnahme dessen, worauf die rituellen Opfergaben des mosaischen Gesetzes vorausdeutend hinweisen. 2. Während das Gesetz nur für die Mutter eine Reinigung nach der Geburt vorschrieb, gebraucht Lukas in der Wendung „Dann kam für sie der Tag der [...] Reinigung“ {Lk 2,22) die Pluralform. Vielleicht bezieht er sich damit auf die Gesamtheit der Vorschriften, die für die Mutter und den erstgeborenen Sohn galten. Der Ausdruck „Reinigung“ mag überraschen, betrifft er doch eine Mutter, der es durch außergewöhnliche Gnade gegeben war, vom ersten Augenblick ihres Daseins an ohne den Makel der Erbschuld zu sein, und ein vollkommen heiliges Kind. Man muß sich jedoch vor Augen halten, daß es nicht darum ging, das Gewissen von Flecken der Sünde zu reinigen, sondern einzig darum, die rituelle Reinheit wiederzuerlangen, die nach der Denkweise jener Zeit allein durch die Tatsache der Geburt beeinträchtigt worden war, ohne daß irgendeine Form von Schuld vorlag. Der Evangelist nutzt die Gelegenheit, um auf den besonderen Zusammenhang zwischen Jesus als dem Erstgeborenen“ (Lk 2,1 \ vgl. Lk 2,23) und der Heiligkeit Gottes hinzuweisen und um die Haltung des bescheidenen Opfers, die Maria und Josef kennzeichnete (vgl. Lk 2,24), zu zeigen, waren „zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben“ doch die Opfergabe der armen Leute (vgl. Lev 12,8). 3. Im Tempel begegnen Josef und Maria einem Mann namens Simeon. Der „war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels“ (Lk 2,25). Im Lukasevangelium wird nichts über seine Vergangenheit und den Dienst, den er im Tempel versieht, berichtet. Es erzählt von einem tief religiösen Mann, der in 180 AUDIENZEN UND ANGELUS seinem Herzen Großes ersehnt und der den Messias, den Tröster Israels, erwartet. Denn der Heilige Geist „ruhte auf ihm“ und hatte „ihm offenbart [...], er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe“ (2,26). Simeon lädt uns ein, auf das erbarmensreiche Handeln Gottes zu blicken, der den Geist über seine Gläubigen ausgießt, um seinen geheimnisvollen Plan der Liebe zur Vollendung zu bringen. Simeon, Vorbild des Menschen, der sich dem Wirken Gottes öffnet, wird „vom Geist in den Tempel geführt“ (Lk 2,27), wo er Jesus, Josef und Maria begegnet. Er nimmt das Kind in seine Arme und preist Gott: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden“ (Lk 2,29). Simeon - Ausdruck des Alten Testaments - erfährt die Freude der Begegnung mit dem Messias und fühlt, daß er das Ziel seines Lebens erreicht hat; er kann nun den Höchsten bitten, den Frieden im Jenseits erreichen zu dürfen. In der Begebenheit der Darstellung des Herrn kann man die Begegnung der Hoffnung Israels mit dem Messias erkennen. Man kann darin auch ein prophetisches Zeichen der Begegnung des Menschen mit Christus sehen. Der Heilige Geist macht das möglich, denn er weckt in den Herzen der Menschen den Wunsch nach dieser heilbringenden Begegnung und fördert deren Verwirklichung. Wir dürfen aber auch die Rolle Marias nicht außer acht lassen, die dem heiligen alten Simeon das Kind darreicht. Nach dem Willen Gottes ist es die Mutter, die den Menschen Jesus bringt. 4. Simeon offenbart die Zukunft des Erlösers, wobei er sich auf die Weissagung von dem „Knecht“ bezieht, der zum auserwählten Volk und zu den Nationen gesandt wird. Zu ihm spricht der Herr: „Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein“ (Jes 42,6). Und weiter: ,3s ist zu wenig, daß du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht für die Völker; damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht“ (Jes 49,6). In seinem Gesang kehrt Simeon die Perspektive um, indem er den Akzent auf die Allgemeingültigkeit der Sendung Jesu legt: ,Meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,30-32). Wie sollte man sich über solche Worte nicht wundem? „Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden“ (Lk 2,33). Doch verstehen Josef und Maria durch diese Erfahrung deutlicher die Bedeutung ihrer Opfergeste: Im Tempel zu Jerusalem bringen sie denjenigen dar, der - da er Herrlichkeit für sein Volk ist - auch das Heil für die ganze Menschheit ist. 181 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute sind nach einem schönen Brauch die Kinder von Rom mit ihren Krippen-„Jesuskindchen“ auf den Petersplatz gekommen, damit der Papst diese „bambi-nelli“ segne. Das tue ich wiederum mit Freude. Diese Geste atmet Familiengeist und Einfachheit, jene Einfachheit, mit der der hl. Franz von Assisi dazu anleitete, das Geheimnis der Geburt des Erlösers zu betrachten. Euch, lieben Kindern, und allen Kindern von Rom, von Itaüen und der ganzen Welt und auch den kleinen Figuren, die ihr hierhergebracht habt, erteile ich von Herzen einen besonderen Segen. In dieser Adventszeit, in der wir uns darauf vorbereiten, aufs neue den Heiland aufzunehmen, der kommt, um in unserer Mitte zu wohnen, verstärkt die Diözese Rom ihren Einsatz zum Bau neuer Kirchen. Wie Ihr wißt, müssen manche Pfarr-gemeinden Roms sich zur Feier der Liturgie mit Behelfsräumen begnügen. Vereinen wir unser Bemühen, liebe Gläubige, damit jede Pfarrei von Rom, auch im Hinblick auf das Jubiläum des Jahres 2000, über Gebäude verfüge, die geeignet sind zu Gebet, Katechese und dergleichen, so wie ich es eben bei meinem Besuch der römischen Pfarrei „Nostra Signora di Valme“ gesehen habe. Herzlich grüße ich die Pilger italienischer Sprache und wünsche allen ein friedliches und brüderliches Weihnachtsfest. Dann sagte der Papst auch Pilgern aus spanischen Sprachgebieten und den Polen noch ein kurzes Gruß-und Segenswort in ihrer Muttersprache. Zum Schluß sagte der Papst wieder auf italienisch: Allen wünsche ich einen schönen Sonntag, eine gute Woche und frohe Weihnachten! In der vergangenen Woche hatten wir viele Gäste: der Katholikos von Armenien und gestern unsere lieben Slowenen, die mit dem Präsidenten und den Bischöfen gekommen sind. Sie haben diesen Weihnachtsbaum gebracht. Danke! Danke von Herzen! Gelobt sei Jesus Christus! Die Prophezeiung Simeons verbindet Maria mit dem Leidenslos des Sohnes Ansprache bei der Generalaudienz am 18. Dezember 1. Nachdem Simeon in Jesus das ,dicht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32), erkannt hat, kündet er Maria die große Prüfung an, zu der der Messias berufen ist, und eröffnet ihr ihre Teilnahme an diesem leidvollen Geschick. Der Hinweis auf das Erlösungsopfer, der bei der Verkündigung nicht ausgesprochen wurde, ließ in der Vorhersage Simeons gewissermaßen eine „zweite Verkündigung“ (Redemptoris Mater, Nr. 16) sehen. Sie wird die Jungfrau zu einem tieferen Verstehen des Geheimnisses ihres Sohnes führen. 184 AUDIENZEN UND ANGELUS Simeon hatte sich bis zu diesem Augenblick an alle Anwesenden gewandt und vor allem Josef und Maria gesegnet. Jetzt sagt er nur der Jungfrau voraus, daß sie am Los des Sohnes teilhaben wird. Vom Heiligen Geist erleuchtet, verkündet er ihr: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34-35). 2. Diese Worte sagen eine Zukunft voll Leiden für den Messias voraus. Denn er ist ja das „Zeichen, dem widersprochen wird“, dazu bestimmt, harten Widerstand von seiten seiner Zeitgenossen zu finden. Aber dem Leiden Christi stellt Simeon die Vision der vom Schwert durchbohrten Seele Marias an die Seite und verbindet auf diese Weise die Mutter mit dem schmerzvollen Geschick des Sohnes. Während so der heiligmäßige Greis die zunehmende Feindseligkeit, der der Messias entgegengeht, ins Licht stellt, hebt er deren Auswirkung auf das Herz der Mutter hervor. Dieses Leiden der Mutter wird den Höhepunkt erreichen, wenn sie sich im Erlösungsopfer mit dem Sohn vereinen wird. Da sie einem Hinweis auf die in Lk 2,32 zitierten ersten Lieder vom Gottesknecht (vgl. Jes 42,6; 49,6) angereiht sind, lassen die Worte Simeons uns an die Prophezeiung über den leidenden Gottesknecht (Jes 52,13-53,12) denken. ,(Durchbohrt wegen unserer Verbrechen“ (Jes 53,5), gibt dieser sich „als Sühnopfer hin“ (Jes 53,10) in einem persönlichen und geistigen Opfer, das die alten rituellen Opfer weit überragt. Hier können wir beobachten, wie die Prophezeiung Simeons in dem auf Maria zukommenden Leiden eine einzigartige Ähnlichkeit mit der schmerzvollen Zukunft des „Gottesknechtes“ erahnen läßt. 3. Maria und Josef sind nicht wenig erstaunt, als Simeon Jesus als „Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für Israel“ {Lk 2,32) verkündet. Maria aber sagt nichts bezüglich der Prophezeiung über das Schwert, das ihr durch die Seele dringen wird. Sie nimmt zusammen mit Josef diese geheimnisvollen; Worte, die eine sehr schmerzliche Prüfung vorausahnen lassen, schweigend an. Diese Worte stellen die Darstellung Jesu im Tempel an einen Platz, wie er deren wahrster Bedeutung entspricht. Denn nach dem Plan Gottes war das bei diesem Anlaß dargebrachte Opfer von „einem Paar Turteltauben oder zwei jungen Tauben, wie es das Gesetz vorschreibt“ (vgl. Lk 2,24), ein Vorzeichen für das Opfer des „gütigen und von Herzen demütigen“ (vgl. Mt 11,29) Jesus. In ihm sollte die wahre „Darstellung“ (vgl. Lk 2,22) vollzogen werden, und sie sollte die Mutter im Werk der Erlösung mit dem Sohn verbunden sehen. 4. Auf die Prophezeiung Simeons folgt die Begegnung mit der Prophetin Hanna: „In diesem Augenblick trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (2,38). Der Glaube und die Weisheit der alten Frau, die „Gott Tag und Nacht dient“ (vgl. Lk 2,37) und mit Fasten 185 AUDIENZEN UND ANGELUS und Beten das Warten auf den Messias wachhält, bewegen die Heilige Familie noch weiter dazu, ihre ganze Hoffnung in den Gott Israels zu setzen. In einem so außergewöhnlichen Augenblick wird Hannas Verhalten Maria und Joseph wie ein Zeichen des Herrn erschienen sein, eine Botschaft aus erleuchtetem Glauben und beharrlichem Dienst. Seit der Prophezeiung Simeons vereint Maria ihr Leben in eingehender und geheimnisvoller Weise mit der leidvollen Sendung Christi: Sie wird die mit dem Sohn treu Mitwirkende für das Heil des Menschengeschlechts. Grußworte in Deutsch Mit der Bitte um die Fürsprache der Muttergottes für uns alle in dieser Adventszeit grüße ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich. Euch, Euren lieben Angehörigen und allen, die uns in der Erwartung der Ankunft des Herrn verbunden sind, erflehe ich die Kraft und das Licht des menschgewordenen Gottes. Mit meinen besten Wünschen für ein gnadenreiches Weihnachtsfest erteile ich Euch allen den Apostolischen Segen. Jesus - Der Name des Gottessohnes ist Programm Angelus am 4. Adventssonntag, 22. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am heutigen vierten Adventssonntag will die Liturgie uns auf das unmittelbar bevorstehende Weihnachtsfest einstimmen und lädt uns dazu ein, über das Evangelium von der Verkündigung nachzudenken. Es geht um das bekannte, auch von berühmten Künstlern dargestellte Geschehen, bei dem der Engel Gabriel der Jungfrau Maria den göttlichen Plan der Menschwerdung offenbart: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben“ (Lk 1,31; vgl. Mt 1,21.25). Jesus! Dieser Name, mit dem Christus in der Familie und von den Freunden in Nazaret gerufen wurde, mit dem ihn in den Jahren seines öffentlichen Auftretens die Menge hochleben ließ und mit dem ihn die Kranken anriefen, bringt seine Identität und Sendung als Heiland zum Ausdruck. Jesus bedeutet nämlich: „Gott heilt“ Ein heiliger Name, der sich auch als ein Zeichen des Widerspruchs erweisen sollte, als man ihn ans Kreuz schrieb, um den Grund für das Todesurteil zu nennen (vgl. Joh 19.19). Doch im höchsten Opfer auf Golgota erstrahlte dieser Name als „Name des Lebens“, in dem allen Menschen von Gott die Gnade der Versöhnung und des Friedens angeboten wird. 2. In diesem Namen findet die Kirche ihr ganzes Gut, sie ruft ihn ohne Unterlaß an, sie verkündet ihn mit stets neuem Eifer. Im Katechismus der Katholischen Kirche lesen wir: „Der Name Jesus besagt, daß der Name Gottes in der Person seines 186 AUDIENZEN UND ANGELUS Sohnes zugegen ist. Er wurde Mensch, um alle endgültig von den Sünden zu erlösen“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 432). Es ist der göttliche Name, der allein Heil bringt, denn „es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). Jesus selbst tut uns die Heilsmacht seines Namens kund, wenn er uns die tröstliche Gewißheit gibt: „Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben“ (Joh 16,23). Wer gläubig den Namen Jesu anruft, kann eine ähnliche Erfahrung machen, wie sie der Evangelist Lukas beschrieb. Er berichtet davon, wie die Menge versuchte, Jesus zu berühren, „denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte“ (Lk 6,19). Lernen wir, den heiligen Namen Jesu immer wieder liebevoll auszusprechen - vor allem in diesem ersten Jahr der dreijährigen Vorbereitungsphase des Großen Jubeljahrs 2000! Das Jahr 1997 ist, wie bekannt, dem Nachdenken über Christus gewidmet: Wenn wir den Namen Jesu in anbetender Liebe immer wieder anrufen und ihn in den Mittelpunkt unseres Gebets, besonders des liturgischen, stellen, machen wir uns die Weisung des Apostels Paulus zu eigen: „damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu“ CPhil 2,10). 3. Mit welcher mütterlichen Zärtlichkeit mußte wohl die Heilige Jungfrau, die wir in der Erwartung der Geburt ihres Sohnes betrachten, den Namen Jesu aussprechen! In dem Gebet, das die Kirche im Ave Maria an sie richtet, wird sie im Ge-segnet-Sein selbst an die Seite des Sohnes gestellt: „Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.“ Den heiligsten Namen Jesus, von dem unser Heil kommt, möge Maria auf unsere Lippen legen und unserem Herzen einprägen. Appell für die Geiseln in der Japanischen Botschaft in Peru In diesen Tagen habe ich mit Besorgnis die schwerwiegenden Vorfälle in der Japanischen Botschaft in Peru verfolgt, wo viele Personen als Geiseln festgehalten werden. Tief verbunden in diesem Augenblick mit der peruanischen Nation, kann ich nicht umhin, ein so grausames und unmoralisches Zwangsmittel zu mißbilligen und zugleich allen in Erinnerung zu rufen, daß Gewalt nicht die Zukunft eines Volkes aufbaut. Ich bitte Euch, daß Ihr Euch meinem Gebet anschließt, damit der Herr den Geist derer erleuchte und die Herzen derer bekehre, die ein so tadelnswertes Unternehmen zu verantworten haben. Gott möge auch den Anstrengungen beistehen, die unternommen werden, um eine positive Lösung der tragischen Situation herbeizuführen! Mögen die kommenden Tage für alle wirklich „weihnachtliche“ Festtage sein können, erfüllt von innerem Frieden und innerer Freude! 187 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich wünsche von ganzem Herzen, daß die in der Japanischen Botschaft in Lima noch festgehaltenen Personen Weihnachten in Freiheit mit ihren Familien feiern können. Erzmärtyrer Stephanus - Vorbild der Zeugen für die Wahrheit auch in diesem Jahrhundert Angelus in Castel Gandolfo am 26. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Auch heute erfüllt die Weihnachtsfreude unsere Herzen, während die wunderbare Botschaft des Evangelisten fortfährt, in der ganzen Kirche zu erklingen: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Der Grund unserer Freude ist genau dieser: Heute ist Christus für uns geboren - Er bringt der Welt den Frieden. Im Weihnachtsgeheimnis ist bereits das Pascha-Geheimnis zugegen. Jesus kommt in die Welt, um seine Heilssendung zu erfüllen, die ihren Höhepunkt in der Kreuzigung und im außerordentlichen Ereignis der Auferstehung haben wird. Das Martyrium des hl. Stephanus, das wir heute feiern, führt uns in gewisser Weise zur Betrachtung dieser Realitäten und bringt uns zur Mitte unseres Glaubens. Der Erzmärtyrer Stephanus, erfüllt vom Heiligen Geist, wird gesteinigt, weil er seine Anhängerschaft zu dem im Stall von Betlehem geborenen Himmelskönig bekennt. Der Eingeborene, der in die Welt kommt, fordert alle Glaubenden auf, den Weg des Lebens zu wählen (vgl. Dtn 30,19). Darin liegt die tiefe Bedeutung seines Kommens zu uns. Weil er den Herrn liebte und auf seine Stimme hörte, hat der Diakon Stephanus Christus gewählt, der Leben und Licht für jeden Menschen ist. Er hat die Wahrheit gewählt und ist so zugleich ein Opfer des in der Welt gegenwärtigen Geheimnisses des Bösen geworden. 2. Wie in vergangenen Zeiten hat die Kirche auch in diesem Jahrhundert, um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, in vielen ihrer Kinder die äußerste Prüfung des Martyriums erleiden müssen. Sie ist sich bewußt, daß wer den Sohn Gottes annimmt, gerufen ist, auch an seinem Geschick teilzuhaben: Wie sie, mit ihm vereint, die Freude seiner Geburt mitlebt, so ist sie bereit, ihm auch im äußersten Lie-besakt des Pascha nachzufolgen. Dem Sohn Gottes, der uns zu Weihnachten geschenkt ist, Platz in unserem Herzen zu machen, bedeutet, daß auch wir unseren Willen erneuern, ihm treu auf dem Weg des Kreuzes zu folgen in der Gewißheit, daß das letzte Ziel die seligmachende Begegnung mit dem Vater ist. Zur Jungfrau Maria, Mutter Gottes und Königin der Märtyrer, erheben wir unser Gebet, damit sie uns leite und beistehe auf unserem Weg zu Christus, den wir im Stall der Krippe betrachten. 188 AUDIENZEN UND ANGELUS Geistliche Vorbereitung auf Weltfamilientreffen in Rio de Janeiro Angelus in Castel Gandolfo am Fest der Heiligen Familie, 29. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. An diesem ersten Sonntag nach Weihnachten feiert die Kirche das Fest der Heiligen Familie. Wie in einer Krippenszene läßt der Blick des Glaubens uns zusammen mit dem göttlichen Kind die Personen, die es umgeben, wahmehmen: seine heilige Mutter und Josef, seinen Nährvater. Was für ein Licht strahlt von diesem weihnachtlichen „Gruppenbild“ aus! Es ist das Licht des Erbarmens und des Heils für die ganze Welt, das Licht der Wahrheit für jeden Menschen, für die gesamte Menschheitsfamilie und für jede einzelne Familie. Wie schön ist es für die Eheleute, in der Jungfrau Maria und in ihrem Mann Josef ihr Spiegelbild wahrzunehmen! Wie tröstlich ist es für die Eltern, besonders wenn sie ein kleines Kind haben! Wie erleuchtend für die Verlobten, die mit ihren Lebensplänen beschäftigt sind! Die Betrachtung der Heiligen Familie im Stall von Betlehem bringt uns dazu, in besonderer Weise das Geschenk der familiären Geborgenheit zu schätzen, und spornt uns an, menschliche Wärme und konkrete Solidarität in den leider zahlreichen Situationen zu bieten, in denen aus verschiedenen Gründen der Friede fehlt, die Harmonie fehlt - in einem Wort - die „Familie“ fehlt. 2. Die Botschaft, die von der Heiligen Familie ausgeht, ist vor allem eine Glaubensbotschaft: Das Haus von Nazaret ist ein Haus, wo Gott wirklich im Mittelpunkt steht. Für Maria und Josef konkretisiert sich diese Glaubenswahl in ihrem Dienst am Sohn Gottes, der ihnen anvertraut ist; sie drückt sich aber auch in ihrer gegenseitiger Liebe aus, die reich ist an geistlicher Zärtlichkeit und an Treue. Sie lehren mit ihrem Leben, daß die Ehe ein Bund zwischen Mann und Frau ist, ein Bund, der zu gegenseitiger Treue verpflichtet und der auf dem gemeinsamem Sich-Gott-Anvertrauen beruht. Ein Bund, der so edel, tief und endgültig ist, daß er für die Glaubenden das Sakrament der Liebe Christi und der Kirche darstellt. Die Treue der Ehegatten ist ihrerseits wie ein fester Fels, auf dem das Vertrauen der Kinder gründet. Wenn Eltern und Kinder miteinander in diesem Klima des Glaubens leben, verfügen sie über eine Energie, dieses ihnen gestattet, auch schwierige Prüfungen in Angriff zu nehmen, wie das Beispiel der Heiligen Familie zeigt. 3. Ein solches Klima des Glaubens muß genährt werden. In dieser Perspektive bewegen sich die Vorbereitungen für das Zweite Welttreffen der Familien, das am 4. und 5. Oktober 1997 in Rio de Janeiro stattfinden wird. Es handelt sich um ein großes Fest der Familien Lateinamerikas und der ganzen Welt, das die Botschaft 189 AUDIENZEN UND ANGELUS neubeleben will, die von dem ersten Treffen ausgegangen ist, das anläßlich des Internationalen Jahres der Familie hier in Rom stattfand. Maria, der „Königin der Familien“, vertraue ich alle Familien der Welt an, besonders jene, die mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben; auf sie flehe ich den mütterlichen Schutz Mariens herab. Nach dem Angelus sagte der Papst: Das zu Ende gehende Jahr 1996 bezeichnet die 400jährige Präsenz der Päpste hier in Castel Gandolfo. Der Ursprung des Städtchens geht darauf zurück, daß der Ort Päpstliche Residenz wurde. Gerne bekunde ich daher bei dieser Gelegenheit euch geliebten Einwohnern von Castel Gandolfo erneut meine Dankbarkeit für die Aufnahme, die ihr dem Papst stets gewährt. An euch ergeht mein besonderer Wunsch für Frieden und Wohlstand. 190 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen REISEN 1. Pastoralreise nach Mittelamerika (5. bis 12. Februar) Christusnachfolge unter dem Kreuz Predigt während der Messe im Wallfahrtsort Santo Cristo de Esquipulas in Guatemala am 6. Februar 1. „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39). Als Jesus mit seinen Aposteln einmal in der Nähe von Caesarea Philippi war, fragte er sie: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ (Mt 16,13). Sie gaben ihm verschiedene Antworten. Zuletzt aber antwortete Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (16,16). Als Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus möchte ich in diesem Gottesdienst dieselben Worte noch einmal wiederholen. Es sind fast 2000 Jahre vergangen, seit Petrus diese Worte aussprach. Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, ist Mensch geworden. Er verkündete das Evangelium. Um der Sünde der Welt willen wurde er gekreuzigt und ins Grab gelegt, und am dritten Tag ist er auferstanden. Euer Wallfahrtsort „Santo Cristo de Esquipulas“ ist diesem Erlösungsmysterium geweiht. Das Evangelium nach Markus, das wir soeben gehört haben, erinnert uns an den Todeskampf Christi am Kreuz. Hören wir die erschütternden Worte: „Elo'i, Eloi, lema sabachtani?, das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? ... Jesus aber schrie laut auf. Dann hauchte er den Geist aus“ (15,34.37). Und genau in diesem Moment, im selben Augenblick nämlich als der Menschensohn starb, legte der römische Hauptmann - ein Heide - ein außergewöhnliches Glaubensbekenntnis ab: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (15,39). Der Evangelist fügt noch hinzu, daß der Hauptmann diese Worte sprach, als er sah, auf welche Weise Jesus starb. Liebe Brüder und Schwestern, ich komme als Pilger zu diesem Heiligtum von Esquipulas und spreche aufs neue das Glaubensbekenntnis des Petrus und gleichzeitig auch das Glaubensbekenntnis des Hauptmanns aus. Petrus sagt: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“, und der Hauptmann bestätigt: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ Es scheint, als sei dieses Bekenntnis aus dem Munde eines Heiden die Ankündigung der Bekehrung vieler Völker außerhalb Israels zu jenem Glauben, den Petrus als erster bekannte. Um dieses Glaubens willen befinden wir uns nun hier im Santuario de la Pasiön de Cristo. Wie bedeutungsvoll ist es doch, daß die Nationen Lateinamerikas mit solch großer Ehrfurcht und einer solchen Liebe Christi Leiden umgeben! Um dieses Mysterium konzentrieren sich Euer Glaube und Euer christliches Leben. 193 REISEN Herzlich grüße ich Bischof Rodolfo Quezada und danke ihm für die Worte, mit denen er diese Feier eingeleitet hat. Ebenso gilt mein Gruß den Kardinalen und Bischöfen, vor allem den Bischöfen von Guatemala und den anderen Bischöfen von Mittelamerika, sowie den Benediktinermönchen, den Priestern und Ordensleuten. Ich freue mich, Euch allen zu begegnen, Ihr Gläubigen von Guatemala und den umliegenden Ländern, die Ihr so große Frömmigkeit zum Christus von Esqui-pulas bekundet und heute an der hl. Messe teilnehmt. 2. Seit nunmehr vier Jahrhunderten verehrt man hier die so vollkommen und fein ausgearbeitete Darstellung Christi am Kreuz, ,E1 Senor de las Misericordias“, wie man sie hierzulande nennt. Ihr und andere Pilger, die aus Mexiko und den benachbarten Schwesterrepubliken Zentralamerikas kommen, werft Euch vor dem Cristo Negro de Esquipulas nieder, und in der persönlichen Begegnung mit dem Erlöser bittet Ihr um die Gaben der Vergebung, der Versöhnung und des Friedens. Diese wunderschöne weiße Basilika, die jetzt von Benediktinermönchen betreut wird, ist schon seit mehr als 200 Jahren der Aufbewahrungsort dieses Bildes, das ehemals in einer schlichten Einsiedelei und später in der Pfarrkirche von Santiago verehrt wurde. All das verdeutlicht die Ausbreitung dieser Verehrung im Laufe der Jahrhunderte. Und die Früchte ließen nicht auf sich warten. Von hier geht eine Lebendigkeit des Glaubens an Christus aus, an den um unseres Heiles willen leidenden Gottesknecht, an den Auferstandenen, den Lebendigen, der für uns eintritt. Er ist der Meister, „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Vereint mit ihm, tot für die Sünde und zu neuem Leben berufen, verwirklichen sich die Menschen als Personen und Kinder Gottes, und sie hören den Ruf zu sozialem Zusammenleben, das in der Wahrheit, in der Brüderlichkeit und im Frieden fest begründet ist. Versöhnung mit Gott und Versöhnung unter den Kindern Gottes: die Botschaft des Christus von Esquipulas ist weiterhin lebendig und unvergänglich. In eben dieser Basilika Unterzeichneten die Präsidenten von Zentralamerika im Jahr 1986 das Abkommen von Esquipulas, Ursprung der Friedensprozesse in diesem Gebiet. Die positiven Früchte zeigten sich bereits in El Salvador und Nicaragua, und ich hoffe inständig, daß auch Guatemala in absehbarer Zukunft das endgültige Friedensabkommen abschließen kann. Außerdem hat hier das Parlament Zentralamerikas (PARLACEN) seinen Sitz, das zusammen mit den übrigen Organen des „Systems für Zentralamerikanische Integration“ (SICA) die Einheit des „Istmo“ fördert. 3. Die Wahrheit über Christus, den leidenden Gottesknecht, ist im Alten Testament tief verwurzelt. Das zeigt die heutige Lesung des Propheten Jesaja. Bekanntlich wird dieser Prophet zuweilen der „Evangelist des Alten Bundes“ genannt. Es ist erstaunlich, welch eine enge Verbindung zwischen den Ereignissen der Passion Christi und dem besteht, was der Prophet viele Jahrhunderte vor den Ostergeschehnissen des Herrn verkündet hat. Man denke doch zum Beispiel nur 194 REISEN einmal über die Worte nach, die wir vorhin gehört haben: „Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel“ (Jes 50,6). In keinem anderen Text wurde vielleicht mit so treffenden Worten gesagt, was in der Passion Christi geschah, angefangen bei der Festnahme und der Haft bis zum Tod am Kreuz: Christus ist wehrlos; ungestraft können ihn seine Feinde ins Gesicht spucken und ihn verspotten; er wird zur Geiselsäule überführt und in schrecklicher Weise ausgepeitscht; schon vor der Kreuzigung erträgt er den Spott all derer, die ihn schlagen und die dann später auf Golgota während der Kreuzigung weiterspotten. Gemäß der prophetischen Vision des Jesaja ist Christus der wahrhaft leidende Gottesknecht: Die den Herrn fürchten, sollen auf die Stimme seines Knechtes hören (vgl. Jes 50,10). Wir stehen vor dem Prozeß gegen den unschuldigen Christus. Die Menschen verurteilen ihn und überliefern ihn zur Geißelung, sie setzen ihm eine Dornenkrone aufs Haupt, und am Ende töten sie ihn. Der Menschensohn stirbt auf Golgota. Jesaja legt dem Gottesknecht folgende Worte in den Mund: „Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, daß ich nicht in Schande gerate. Er, der mich freispricht, ist nahe, ... Gott, der Herr, wird mir helfen. Wer kann mich für schuldig erklären?“ (Jes 50,7-9). An jedem Ort dieser Welt, wo wir uns vor einem Bild des leidenden Christus befinden, werden wir uns des Geheimnisses bewußt, daß der Mensch das Urteil über Gott spricht, wie es im geschundenen Leib Jesu zum Ausdruck kommt. Das Urteil des Menschen über den Gottessohn ist aber verbunden mit einem anderen Urteil, nämlich mit dem Urteil Gottes über die Menschheit, über einen jeden Menschen, über die Sünden der Menschen. Der, der am Kreuze stirbt, ist das wahre Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. Die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit begegnen sich in seinem Erlösertod. 4. „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ (Hebr 5,5). In Ewigkeit spricht der Vater diese Worte, und in Ewigkeit realisiert sich die Zeugung des Wortes, des Sohnes, der eines Wesens ist mit dem Vater. In jenem Augenblick aber, im Augenblick des Leidens und Todes auf Golgota, im Augenblick des Kreuzes werden diese Worte des Vaters mit einer besonderen Tiefe gesprochen - mit der Tiefe der Liebe -, die der Tiefe des Leidensopfers und des erlösenden Todes entspricht. Christus empfängt vom Vater seine ewige Sohnschaft, und in ihr bietet er sich dem Vater als ein unsagbares Geschenk für die Sünden der ganzen Welt dar, ein Geschenk, das die Sünden mit dem Blut des makellosen Lammes tilgt, ein Geschenk, das heiligt, dergestalt, daß es alles Gefallene zu Gott emporhebt. Eben darum offenbart der Vater im Augenblick des Kreuzesopfers der Welt das Priestertum Christi: „Du bist Priester auf ewig, nach der Ordnung Mel-chisedeks“ (Hebr 5,6). Christus ist der einzige Priester des Neuen und Ewigen Bundes. Er ist der Priester seines eigenen Opfers, das er am Kreuz darbringt, in- 195 REISEN dem er wegen der Sünden der ganzen Menschheit den Tod annimmt. Sein blutiges Opfer dauert auf unblutige Weise durch die Geschichte hindurch fort. Die ganze Kirche verwirklicht es, indem sie den Leib und das Blut Christi unter den Gestalten von Brot und Wein darbringt im Sakrament der Eucharistie, das im Abendmahlsaal eingesetzt wurde. 5. Die heutige Liturgie sagt uns all das über Christus mit den Worten des Briefes an die Hebräer, und zwar über eben diesen selben Christus, den Ihr hier auf Euren Wallfahrten nach Esquipulas - zu eurem Nationalheiligtum - verehrt. Die Wahrheit über den geschundenen Christus, über Christus, den Erlöser der Welt, über Christus, den einzigen und ewigen Priester des Neuen Bundes, diese Wahrheit bekennt Ihr hier, an diesem Ort, mit besonderer Intensität, zusammen mit der ganzen universalen Kirche und in ihrem Namen. Hier wurde das Mysterium des leidenden Gottesknechtes in gewisser Weise Eurer besonderen Verehrung anvertraut. Das, was der Brief an die Hebräer über Christus sagt, hat sich gleichsam in ein besonderes Charisma für Euch umgewandelt: „Als er auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden. Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden“ (Hebr 5,7-9). Das ist Christus, der gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. In Get-semani flehte er zum Vater: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Und er wurde erhört, wie der Hebräerbrief berichtet. Er wurde erhört wegen seiner Hingabe. Als Sohn empfing er vom Vater die Gnade des Gehorsams, wodurch er all das auf sich zu nehmen imstande war, was seine Verfolger ihm zufügten. Und „alles“ bedeutet hier: die Gefangennahme in Getsemani, der ungerechte Prozeß, die Geißelung, die Dornenkrönung, der Weg nach Kalvaria, die Kreuzigung und schließlich jener schreckliche Todeskampf bis zum letzten Atemzug. All das hat er vollbracht. So bezeugen es die letzten Worte, die er sprach, bevor er den Geist aufgab: „Es ist vollbracht“ {Job 19,30). Und gleich darauf: „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Auf diese Weise wurde er um den Preis seiner Passion und seines Todes am Kreuze für alle, die ihm folgen, zum Urheber des ewigen Heiles. 6. Dies ist die ergreifende Tiefe des Evangeliums: Gott, der will, daß der Mensch den Weg seiner Gebote gehe. Er will, daß wir dem gehorchen, der um unseretwil-len gehorsam wurde bis zum Tod und der sich um unseres Heiles willen hingab. Gott will, daß wir in rechter Weise die Bedeutung dieses Geschenkes verstehen und daß wir es in tiefstem Glaubensgehorsam annehmen. Er will, daß wir dadurch verstehen, wie diese sich opfernde Liebe durch Liebe beantwortet werden muß, und daß wir in ihr die geistige Kraft finden, um unserem Leben eine Form zu ge- 196 REISEN ben und um alle jene Kreuze auf uns zu nehmen, die uns auf unserem Weg auferlegt werden. „Sei gegrüßt, o Kreuz! Sei gegrüßt, o Kreuz Christi!“ Mit diesen Worten hat nach der Überlieferung der hl. Apostel Andreas, der Bruder des Petrus, die Leiden auf sich genommen, die er am Ende seines Lebens zu ertragen hatte. Das Heiligtum von Esquipulas lädt uns zur Verehrung des Kreuzes Christi als Zeichen unseres Heiles ein. Im Kreuz erringt der Mensch mit Christus den Sieg über die Sünde, über Satan und über den Tod, auf daß er so zusammen mit Ihm an der ewigen Liebe des Vaters teilhabe. Sei gegrüßt, o Kreuz! Amen. Vor dem Schlußsegen der Messe sagte der Papst noch aus dem Stegreif: Liebe Brüder, vielen Dank für Eure Anwesenheit zum Zeugnis für unseren Glauben. Wir haben gemeinsam gebetet um Frieden und Versöhnung in der ganzen Welt, vor allem in Guatemala. Ich weiß, daß große Hoffnung besteht, den Frieden zu erreichen, weil das Volk den Frieden wünscht. Ich hoffte, ein angenehmes Klima vorzufinden, aber Herzlichkeit und Wärme habt Ihr in diese Feier gelegt. Vielen Dank! Mit dem gelebten Evangelium einen Neubeginn für Guatemala wagen Predigt beim Wortgottesdienst in Guatemala-City im Park Campo Marte am 6. Februar Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester, Ordensleute und Katecheten, geliebte Gläubige von Guatemala! 1. „Eine Frau ... mit einem Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 12,1). Dieser Wortgottesdienst führt uns am selben Ort zusammen, an dem ich der Eucharistiefeier während meines ersten Pastoralbesuches in Eurem Lande Vorstand. Seit diesem unvergeßlichen Moment, der sich tief in mein Herz eingeprägt hat, denke ich immer wieder an so viele Gesichter der Einwohner von Guatemala, vor allem an die Gesichter der Katecheten und anderer Pastoralreferenten, die ganz für die Verkündigung des Evangeliums leben. Ich danke Erzbischof Prospero Penados del Barrio für die hebenswürdigen Worte, die er an mich gerichtet hat. Herzlich möchte ich den Präsidenten und die Mitglieder der Bischofskonferenz von Guatemala grüßen und ebenso alle Priester, Ordensleute und alle, die im weiten Bereich der kirchlichen Pastoral Zusammenarbeiten. Mit großer Zuneigung grüße ich sie alle. Trotz der Kälte füllt Ihr diesen Platz! Ich danke Euch sehr! Heute halten wir dieses Gebetstreffen, erleuchtet vom Worte Gottes, das wir soeben gehört haben. Die Lesung aus dem Buch der Offenbarung des Johannes hilft 197 REISEN uns, das Leben der Mutter Christi in einer besonderen Dimension zu betrachten. Der hl. Johannes sieht in Kontemplation „ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 12,1). Dasselbe Buch stellt uns diese Frau als Schwangere vor Augen und ihr gegenüber einen großen Drachen, der darauf lauert, das Kind zu verschlingen, sobald es geboren wäre. Dieses Bild führt uns zum Buch Genesis zurück, in dem die Schlange des irdischen Paradieses erscheint, das heißt, derselbe Drache, überwältigt durch die Nachkommenschaft der Frau (vgl. Gen 3,15). Diese Elemente weisen hin auf die göttliche Mutterschaft Mariens und auf ihre geistige Mutterschaft. Indem sie den menschgewordenen Gottessohn zur Welt bringt, ist Maria in gewisser Weise auch zu einer anderen Mutterschaft berufen, nämlich: die Kinder der Menschen als Adoptivkinder Gottes hervorzubringen. Der Verfasser der Geheimen Offenbarung hört eine gewaltige Stimme vom Himmel: , Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten“ (12,10). Maria ist aufs innigste mit Christus in diesem Sieg über Satan vereint. Sie ist die Lade des göttlichen Bundes, den der hl. Johannes im Tempel Gottes in den Himmeln sieht. 2. Ihr ruft sie unter dem Namen „Nuestra Senora de la Asuncion“ an und verehrt sie als Patronin der Stadt Guatemala. Und nun möchte ich, diese Worte der Offenbarung des Johannes ins Gedächtnis rufend, dem Bild der Gottesmutter bei dieser Krönungsliturgie, die engstens mit dem fünften Geheimnis des glorreichen Rosenkranzes verbunden ist, eine goldene Krone aufs Haupt setzen. In dieser Stadt, die für gewöhnlich „La nueva Guatemala de la Asuncion“ genannt wird, sind wir heute versammelt, um Gott zu verherrlichen und zu preisen, der Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen und sie, seine und unsere Mutter, im Himmel verherrlicht hat. Wir freuen uns, da „die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht“ wurde, „um vollkommener ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren (vgl. Offb 19,16) und dem Sieger über Sünde und Tod“ (Lumen Gentium, Nr. 59). Die Krönung der heiligsten Jungfrau bereitet uns Freude, und sie stellt auch eine Anfrage an uns als kirchliche Gemeinschaft, die nach dem Beispiel Mariens transparent sein will für das Evangelium, die aber auch das Evangelium weitertragen will, allzeit bereit, diesen Kampf gegen die Mächte des Bösen auf sich zu nehmen, der allein durch die Liebe, durch Verzeihen und Versöhnung und durch das Kreuz zum Sieg führen kann. 3. Wir nähern uns dem dritten Jahrtausend, und dabei ist es eine dringende Aufgabe, allen Menschen zu verkünden, daß Jesus der Erlöser ist, der die Verwandlung der Welt möglich gemacht hat, indem er uns das göttliche Verzeihen unein- 198 REISEN geschränkt angeboten hat. Auf diese Weise beginnt eine neue Epoche, in der Feindschaft durch Brüderlichkeit überwunden werden muß und Rivalitäten, Groll und Kriege der christlichen Solidarität, dem persönlichen Verzeihen und dem Licht des Friedens weichen müssen. Die Bischöfe haben anläßlich der Vierhundertjahrfeier des Christus von Esquipu-las das Pastoralschreiben: „Wahrer Friede ist dringend“ an die kirchlichen Gemeinschaften von Guatemala gerichtet. Ich ermutige Euch, diesen Weg der Evangelisierung zu gehen, die das Reich Gottes ankündigt (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 8), und dabei die Respektierung der menschlichen Würde zu beachten, die ganzheitliche Entwicklung der Personen, die Solidarität und die Gemeinschaft und schließlich das Verzeihen und die Versöhnung. Die Kirche, die ja „das Volk des Lebens und für das Leben“ ist (vgl. Evangelium vitae, Nr. 79), übernimmt so die Aufgabe, „das Evangelium vom Leben zum Herzen jedes Mannes und jeder Frau gelangen“ zu lassen „und in die verborgensten Winkel der ganzen Gesellschaft“ einzuführen (vgl. ebd., Nr. 80). 4. In besonderer Weise möchte ich mich nun an die hier anwesenden Katecheten wenden und an jene, die über Radio oder Fernsehen teilnehmen. Eure Aufgabe, liebe Katecheten von Guatemala, ist eine großartige. Vergeßt nicht, daß es „das Endziel der Katechese“ ist, „jemanden nicht nur in Kontakt, sondern in Gemeinschaft, in Lebenseinheit mit Jesus Christus zu bringen“ (Catechesi tradendae, Nr. 5). Vereint mit Euren Bischöfen und Priestern, widmet Ihr Euch dem Unterricht in systematischer und tiefgreifender Weise, d. h. Ihr unterweist die Menschen in der Lehre des Evangeliums und bereitet eure kirchliche Gemeinschaft auf die richtige Feier der Eucharistie vor, damit sie in ihr die Kraft findet, das neue Gebot der Liebe zu leben. Ich möchte nun von Herzen ein verdientes Lob den Hunderten von Katecheten aussprechen, die zusammen mit einigen Priestern ihr Leben aufs Spiel setzten und es sogar für die Frohbotschaft dahingaben. Mit ihrem Blut haben sie auf immer die gesegnete Erde Guatemalas fruchtbar gemacht. Diese Fruchtbarkeit muß sichtbar werden in zutiefst christlichen und in Eintracht lebenden Familien, in Pfarreien und für die Evangelisierung tätigen Gemeinschaften, in zahlreichen Priester-, Ordens- und Missionsberufungen. Diese Katecheten haben, indem sie den Mut und die Standhaftigkeit Mariens nachahmen, „den Drachen durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und Zeugnis besiegt“ (Offb 12,11). 5. Das Erbe, das alle Bewohner Guatemalas von diesen Glaubenshelden empfangen haben, ist wunderbar und gleichzeitig verpflichtend, d. h. es bringt die dringende Aufgabe mit sich, die Evangelisierung fortzusetzen: Kein Ort und kein Mensch darf in Unkenntnis über das Evangelium bleiben! Daher fordere ich Euch dazu auf, „das Evangelium Christi überallhin zu bringen“ (vgl. Röm 15,19), die verschiedenen Regionen Guatemalas und alle seine Familien mit ihm zu erfüllen: 199 REISEN von den Wäldern des Peten bis zum weiten Tal des Montagua; von den Gipfeln der Cuchamantanes-Berge bis zu den Ebenen der Pazifikküste; von den Tierras Frfas im Westen bis zu den heißen Landstrichen im Osten; vor allem dort, wo die einheimische Bevölkerung und die Bauern Eurer pastoralen Sorge bedürfen. Sie sind bisweilen die vom Überhandnehmen der Sekten und neuen religiösen Gruppierungen, die unter den Katholiken Verwirrung und Unsicherheit stiften, am meisten Betroffenen. Es ist also notwendig, eure Evangelisierungsaktionen zu verstärken, indem Ihr den Richtlinien der Bischöfe folgt. Schon bricht für Guatemala eine neue Zeit an, in der alle seine Volksgruppen sich einer Neuevangelisierung öffnen müssen, die nicht nur mit neuen Methoden und Ausdrucksweisen durchzuführen ist, sondern vor allem durch den erneuten Eifer derer, die sich damit befassen, auf daß sie glaubwürdige Zeichen des Evangeliums seien. Die Treue zu Gott und zu Jesus Christus muß auch in der Treue zur Kirche ihren Ausdruck finden, die ja vom Herrn selbst auf dem Felsen Petri und seinen Nachfolgern gegründet wurde. Möge das Gedächtnis derer, die ihr Blut für die Frohbotschaft vergossen, ein Antrieb zur Großherzigkeit, zum Dienst und zur Demut sein! Mögen weder Rivalität noch Neid und Ehrgeiz unter Euch ein Hindernis zur Verkündigung des Wortes, zur Feier der Eucharistie und zum Aufbau der Kirche darstellen. Ergriffen dankt Euch der Papst für die Hingabe an die Aufgabe der Evangelisierung. Euch allen lege ich wärmstens ans Herz, denen zu helfen, die den katholischen Glauben aufgeben oder in Gefahr sind, dies zu tun, damit sie möglichst bald zu ihrer christlichen Gemeinschaft zurückkehren können, in die sie hineingeboren und in der sie als Christen erzogen wurden. Nehmt sie mit Sanftmut, Verständnis, Demut und Opfergeist auf. Vergeßt nicht, daß all die, die einmal zur Heiligsten Jungfrau gefleht haben, in ihrem Herzen - auch wenn sie sich von der katholischen Kirche entfernt haben - immer noch ein Fünkchen Glauben haben, das wieder entfacht werden kann. Ganz sicher erwartet sie die heilige Jungfrau mit ihren mütterlichen und offenen Armen. 6. In diesem liturgischen Akt der Krönung ist unser gemeinsamer Glaube an das Königtum Christi erhalten, welches eine Frucht seines Todes und seiner Auferstehung ist. Dies ist die Bedeutung der Krone, die dem Bild „Unserer Lieben Frau von der Aufnahme in den Himmel“ aufgesetzt wird. Aber diese Krone ruft auch jeden von uns auf, ihre „Krone“ zu sein, so, wie der hl. Paulus die ersten Christen aufrief: „Meine geliebten Brüder, nach denen ich mich sehne, meine Freude und mein Ehrenkranz, steht fest in der Gemeinschaft mit dem Herrn“ (Phil 4,1). Im Evangelium des hl. Lukas haben wir vernommen, daß Maria, als sie ihre Verwandte Elisabet besuchte, den Lobeshymnus sang: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter ... Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (££1,46-47.49). Und der Evangelist fügt hinzu: „Maria blieb etwa drei Monate bei ihr, dann kehrte sie nach Hause zurück“ (Lk 1,56). Ich wünsche Euch, geliebte Brüder und Schwestern, daß 200 REISEN Maria immerdar bei Euch bleiben möge; daß ihr heute gekröntes Bild ein Zeichen ihrer besonderen mütterlichen Anwesenheit sei. Die Jungfrau, die all das, was man über Jesus sagte, in ihrem Herzen bewahrte und betrachtete, und es in ihrem eigenen Leben in die Tat umsetzte, sie möge Euch Beispiel und Hilfe sein, auf daß auch Ihr in Eurem Herzen das Evangelium vom Reiche Gottes betrachtet. Das Zeugnis Eures christlichen Lebens möge auf wirksame Weise zum Aufbau eines neuen Guatemala beitragen, eines Guatemala, das auf dem katholischen Glauben Eurer Väter gründet und offen ist, eben diesen Glauben den anderen Völkern mitzuteilen. Könnte man doch nur von allen das sagen, was Elisabet von Maria sagte: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45)! Die Freude, mit der Maria das Magni-fikat gesungen hat, möge in euren Herzen wohnen, in all euren Häusern und unter allen Völkern Guatemalas! Familie - Gestalter der Zukunft von Nationen und Kulturen Predigt bei der Familienmesse in Managua (Nicaragua) am 7. Februar Geliebte Brüder im Bischofsamt, liebe Familien von Nicaragua! 1. „Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt, und die Mutter Jesu war dabei. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen“ (Joh 2,1-2). So lesen wir im Evangelium des hl. Johannes über „das erste seiner Wunderzeichen“, das Jesus von Nazaret anläßlich einer Hochzeit wirkte. Ich möchte mich gerne etwas bei dieser Einladung aufhalten, denn auch ich bin als Gast nach Nicaragua gekommen, eingeladen von den höchsten Autoritäten eures Landes und von den Hirten der katholischen Kirche. Es war dies eine äußerst herzliche und persönliche Einladung, wofür ich mich wirklich bedanken möchte. Dieser Besuch spielt sich in ganz anderen Verhältnissen ab, als es beim vorigen der Fall war. Diejenigen, die sich an den Besuch vor dreizehn Jahren erinnern, wissen, daß der Papst nach Nicaragua kam und die hl. Messe feierte, ohne daß er wirklich mit den Menschen Zusammenkommen konnte. Seither hat sich viel in Nicaragua geändert. Daher wünschten sowohl Eure Nation als auch der Papst selbst, Gelegenheit zu haben, diesem Lande nun einen Pastoral-besuch abzustatten, der ein echtes Zusammentreffen mit den Menschen sein möge. Um dies zu ermöglichen, haben die Präsidentin der Republik sowie Miguel Kardinal Obando Bravo zusammen mit dem Episkopat von Nicaragua die entsprechenden Anstrengungen unternommen. So ist es mir also eine Freude, heute Eurer Einladung entsprechen zu können und mitten unter Euch zu sein, um die Eucharistie in einer Atmosphäre zu feiern, die sich in positiver Weise geändert hat. 2. Von meiner letzten Pastoraireise her erinnere ich mich an einen Slogan, der recht oft wiederholt wurde: „Wir wollen Frieden!“ Dank der göttlichen Vorsehung 201 REISEN ist der Friede in Euer Land zurückgekehrt. Ja, der Friede ist nach Nicaragua und nach ganz Zentralamerika zurückgekehrt. Dies hat mich angeregt, nochmals wenigstens einige der Länder dieses Teils des amerikanischen Kontinentes zu besuchen, und besonders Nicaragua. Der Friede ist zurückgekehrt. Gleichzeitig haben tiefgreifende Umwälzungen in Zentralamerika sowie in der ganzen Welt stattgefunden. Die Einwohner Nicaraguas können sich heute einer echten Religionsfreiheit erfreuen. Dem Ruf von damals: „Wir wollen Frieden!“, möchte ich hier und jetzt mit einem neuen Ruf antworten: Maria, du Friedenskönigin, wir sagen dir Dank für den Frieden und die Freiheit, deren sich die Länder Zentralamerikas nun erfreuen. Von hier, der Hauptstadt eures Landes, aus grüße ich alle Länder dieser Region und wünsche einen dauerhaften Frieden und eine fortschrittliche Entwicklung für diese Nationen. Und der Kirche, die seit Jahrhunderten in diesen Ländern anwesend ist, wünsche ich, daß sie mit ihrer Evangelisierungsarbeit wirksam fortfahren kann. 3. Heute schließen wir den Zweiten Nationalen Eucharistisch-Marianischen Kongreß. In dieser Feier erneuert der Herr, der immer seinem Worte treu ist, sein Mysterium, wie er es einst für das junge Paar tat. Das überliefert uns das heutige Evangelium. „O heiliges Gastmahl, bei dem Christus als Speise genossen wird!“ Ich möchte meinen Gruß an die Frau Präsidentin der Republik richten, die an dieser Feier teilnimmt. Ich danke Kardinal Miguel Obando Bravo für seine an mich gerichteten Worte. Auch die anderen Mitglieder der Bischofskonferenz von Nicaragua grüße ich sowie den Präsidenten des CELAM, Bischof Oscar Rodnguez, und die anderen anwesenden Bischöfe Mittelamerikas. Meinen herzlichen Gruß im Herrn auch allen Priestern und Ordensleuten und allen Gläubigen. Zu Recht hat man in der Hochzeit zu Kana ein vorausdeutendes Bild für die Einsetzung der Eucharistie gesehen: Die Liebe der Brautleute spiegelt die übergroße Liebe Christi wider, der sich zum Heil aller hingibt. Das beim Hochzeitsmahl in Wein verwandelte Wasser deutet hin auf den Wein, der in der Messe in das Blut Christi verwandelt wird. Der Text stellt uns ebenfalls vor Augen, welchen Wert die Fürsprache der Jungfrau Maria für uns hat. Mit der ganzen Kirche bekennen wir das eucharistische Mysterium und beten es an: „O heiliges Gastmahl, bei dem Christus unsere Speise ist, das Gedächtnis seines Leidens begangen, die Seele mit Gnade erfüllt und das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit geschenkt wird!“ 4. Wir denken daran, daß Jesus, seine Mutter und seine Jünger in Kana in Galiläa zu einer Hochzeit eingeladen waren. Diese Tatsache ist besonders vielsagend: Der Messias beginnt mit seinen Wunderzeichen (vgl. Joh 2,11) in der Freude über das Entstehen einer neuen Familie. Die anderen Lesungen der heutigen Liturgie beleuchten dieses Thema noch eingehender. Der hl. Paulus wendet sich im Brief an die Kolosser an die Familien und sagt: „Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch“ (3,16). Dieses Wort möge grundlegend sein für die geist- 202 REISEN liehe Formung jeder Familie, die ihren Anfang in der Hochzeit hat, im Sakrament der Ehe. Das Wort Gottes, das in jedem Heim wohne, möge das Glaubensleben dieser so grundlegenden menschlichen Gemeinschaft, dieser wirklichen Familie, festigen. Diesbezüglich sagt uns der Apostel:„Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar!“ (Kol 3,12-15). 5. Hören wir aufmerksam, was der Apostel an die Empfänger seines Briefes schreibt und was dies uns und allen Familien Nicaraguas heute sagen will. Der Apostel zeigt die Notwendigkeit auf, eine Atmosphäre der Liebe und des Friedens zu schaffen, in der die Menschen sich glücklich entfalten und ihre Kinder erziehen können. Das Wort Christi ist die Quelle der Weisheit. Diesbezüglich empfiehlt der hl. Paulus: „Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade. Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!“ (Kol 3,16-17). Tatsächlich ist ja die Familie der erste menschliche Hort, in dem jede Person geformt wird. Dieses Umfeld erzieht den Menschen, es modelliert ihn gleichsam nach dem Geist der eigenen Kultur. Die Zukunft der Nationen und Kulturen hängt vor allem von den Familien ab. 6. Die Lesungen der heutigen Liturgie zeigen auch die fundamentale Bedeutung des vierten Gebotes auf: „Gedenke, daß du Vater und Mutter ehrest!“ Vater und Mutter sind diejenigen, die, wie die Brautleute von Kana in Galiläa, die Ehe eingingen und eine Familie gründeten. Der Apostel wendet sich an die Ehemänner und Ehefrauen. Zu den Ehemännern sagt er: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, und seid nicht aufgebracht gegen sie“ (Kol 3,19); und zu den Ehefrauen sagt er: „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt“ (Kol 3,18). Es handelt sich hier natürlich nicht um eine einseitige Abhängigkeit der Frau vom Mann, sondern um eine gemeinsame Abhängigkeit der Ehegatten im Hinblick auf Christus. Der hl. Paulus drückt denselben Gedanken auch ein weiteres Mal in der bekannten Stelle des Epheserbriefes aus (vgl. Eph 5,21-33). Als Eltern müssen die Ehegatten Gott gehorchen und seine Gebote befolgen, um dann von ihren Kindern den gleichen Gehorsam zu fordern. Der Verfasser des Kolosserbriefes schreibt: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn so ist es gut und recht im Herrn“ (3,20). Und er fügt hinzu: „Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein, damit sie nicht mutlos werden“ (3,21). Das ist das große Prinzip des vierten Gebotes: Die Eltern 203 REISEN dürfen von ihren Kindern nicht nur den Gehorsam fordern, vielmehr müssen sie sich diesen Gehorsam gewissermaßen durch ihr Verhalten verdienen. 7. Die Lesung aus dem Buch Jesus Sirach bezieht sich genau auf das Problem dieses Gehorsams. In gewissem Sinn ist sie vom Geist des vierten Gebotes geprägt. „Wer den Vater ehrt, erlangt Verzeihung der Sünden, und wer seine Mutter achtet, gleicht einem Menschen, der Schätze sammelt. Wer den Vater ehrt, wird Freude haben an den eigenen Kindern, und wenn er betet, wird er Erhörung finden. Wer den Vater achtet, wird lange leben, und wer seiner Mutter Ehre erweist, der erweist sie dem Herrn. Wer den Herrn fürchtet, ehrt seinen Vater und dient seinen Eltern wie Vorgesetzten“ (3,3-7). Der Gehorsam, den Gott von den Söhnen und Töchtern fordert, ist fundamentaler Ausdruck des Dankes für das Leben. Daher fügt der Verfasser des Buches Jesus Sirach hinzu: „Denn die Liebe zum Vater wird nicht vergessen, sie wird als Sühne für deine Sünden eingetragen. Wie ein Gotteslästerer aber handelt, wer seinen Vater im Stich läßt, und von Gott ist verflucht, wer seine Mutter kränkt“ (3,14.16). All diese biblischen Lesungen beziehen sich auf das Familienleben. Wie Ihr Euch sicher erinnern werdet, habe ich anläßlich des Jahres der Familie, das die Kirche begangen hat, einen Brief an die Familien veröffentlicht. Das, was ich heute hier sage, gehört zum größten Teil zu dessen Inhalt. Mit diesem Brief wollte ich die Größe der Berufung der christlichen Familie und ihre Mission in Kirche und Welt zu verstehen geben. Wenn wir all das in Betracht ziehen, was die heutige Liturgie über die Familie sagt, so können wir es im weiteren Sinn auch auf die Nation anwenden. So möchte ich also eurem Vaterland und allen Nationen Zentralamerikas den Wunsch aussprechen, „daß das Wort Christi bei euch wohne mit all seinem Reichtum“ (vgl. Kol 3,16); und „daß in euren Herzen der Friede Christi herrsche“ (Kol 3,15); und daß ihr einander belehrt und ermahnt - wie der Apostel sagt - in allem, was dem Frieden zuträglich ist, indem ihr einander ertragt und euch gegenseitig verzeiht. Nicht nur jede einzelne Familie, sondern eure gesamte nicaraguanische nationale Familie muß aus der heutigen Liturgie Licht empfangen für ein angemessenes Verhalten in dieser Etappe ihrer Geschichte. 8. Kehren wir nochmals nach Kana in Galiläa zurück. Dort verwandelte Christus das Wasser in Wein, und mit dieser wunderbaren Verwandlung überraschte er in gewisser Weise die für das Hochzeitsmahl Verantwortlichen und die Brautleute, wie der hl. Johannes bestätigt: „So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, uld seine Jünger glaubten an ihn“ (2,11). Dieses Wunder hat noch eine andere Bedeutung, worauf die eucharistische Liturgie im Offertorium Bezug nimmt. Der Priester spricht ja, wenn er die Gaben zur Darbringung bereitet, den Wein in den Kelch gießt und anschließend einige Tropfen Wasser hinzugibt: „Laß uns durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines teilnehmen an der Gottheit dessen, der sich herabgelassen hat, unsere Menschennatur anzunehmen.“ So ist also der liturgische Akt der Vermischung des Weines 204 REISEN mit Wasser ein Symbol der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur in Christus. Dieser Akt, der während der Opferung der Messe vorgenommen wird, ist die Vorbereitung auf das eucharistische Opfer, das durch den Dienst des Priesters von Christus, dem Gott-Menschen, dargebracht wird, um uns durch die eucharistische Kommunion die Teilnahme am göttlichen Leben zu gewähren. Das erste Wunder zu Kana in Galiläa ordnet uns in gewisser Weise auf diesen „wunderbaren Austausch“ - „admirablile commercium“ - hin, auf jene Erhöhung des Menschen zur Würde der göttlichen Sohnschaft dank des Mysteriums der Fleischwerdung des Gottessohnes. Jener, der sich für uns im Kreuzesopfer dahingab, war wahrer Gott und wahrer Mensch. Und die Kirche hat von Christus die Eucharistie als Opfer des Gottessohnes empfangen, in dem sich in gewisser Weise immer wieder dasselbe Wunder der Verwandlung des Wassers zu Wein verwirklicht, das Christus in Kana gewirkt hat. Wenn wir Christus in der Eucharistie empfangen, werden wir des göttlichen Lebens teilhaftig. Die Kirche bringt auf der ganzen Welt das heilige Meßopfer dar. Möge die Kirche in eurem Lande, indem sie es täglich vollzieht, diesem Geheimnis unseres Glaubens immer treu bleiben. Möget ihr als Glieder der kirchlichen Gemeinschaft an diesem „wunderbaren Austausch“ teilhaben und so zur Teilhabe am göttlichen Leben gelangen, das die Grenzen unseres irdischen Daseins übersteigt und für uns alle ein Unterpfand der Unsterblichkeit ist. Amen. Gelobt sei Jesus Christus. Vor dem Schlußsegen der Messe richtete der Papst noch folgende Worte an die Versammelten: Vor dreizehn Jahren warst du, Nicaragua, du, Mittelamerika, nur ein Feld zur Kräftemessung für die Supermächte. Heute ist deine menschliche, christliche, ni-caraguanische Souveränität allen sichtbar. Ich erinnere mich an die Eucharistiefeier vor dreizehn Jahren. Sie fand im Dunkeln statt, in einer großen, dunklen Nacht. Heute wurde die gleiche Eucharistie im Sonnenlicht gefeiert. Die göttliche Vorsehung ist sichtbar am Werk, ihre Pläne in der Geschichte der Nationen der ganzen Menschheit auszuführen. Ich möchte auch verkünden, daß das alte, der Unbefleckten Empfängnis geweihte Gotteshaus in den Rang einer Basilika erhoben wird. Hier werdet Ihr in Liebe Maria verehren. Die reinste Immakulata möge immer „Maria von Nicaragua“ sein. Und betet auch für den Papst! Vielen Dank! Eure Kathedrale ist Zeichen des Gottesreiches Ansprache in der neuen Kathedrale von Managua (Nicaragua) am 7. Februar 1. Ich bedanke mich von Herzen bei Miguel Kardinal Obando Bravo für die lieben Willkommensworte, die er an mich gerichtet hat. Und Euch allen, ihr Brüder im Bischofsamt, Priester, Ordensleute, Seminaristen und Laien, die Ihr in den Aufgaben der Evangelisierung tätig seid, danke ich für die herzliche Aufnahme, die Ihr mir habt zukommen lassen. 205 REISEN Es freut mich, Euch bei diesem Besuch der neuen Kathedrale der Erzdiözese zu begegnen. Schon im Jahre 1992 nahm ich die Einladung an, diese erste Metropolitankirche einzuweihen; doch der Herr, „der bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ {Rom 8,28), hat gewollt, daß es der heutige Tag sei, an dem ich diese Kirche besuchen kann. 2. Ich möchte Euch in Eurer pastoralen Aufgabe ermutigen und Euch einladen, mit Freuden Eurer kirchlichen Verpflichtung treu zu sein. Daher erinnere ich Euch an die Worte, die ich bei meinem letzten Besuch während der Meßfeier an Euch gerichtet habe und die Ihr unter die Kanones eures zweiten Provinzialkonzils aufgenommen habt: „Die Einheit der Kirche kann nur gewahrt bleiben, wenn jeder fähig ist, auf eigene Ideen, Vorhaben und Verpflichtungen, selbst wenn es sich um gute handelt, zu verzichten - zumal dann, wenn sie der nötigen kirchlichen Referenz entbehren - um des höheren Gutes der Gemeinschaft mit dem Bischof, dem Papst und der gesamten Kirche willen“ (c. 475). Ich danke Euch für die Hingabe an die Sache des Evangeliums und rufe Euch dazu auf, weiterhin in liebender und tätiger Gemeinschaft mit den Bischöfen zu arbeiten, um im Aufbau der Einheit der Kirche voranzuschreiten, so daß sie als Braut Christi der Welt in all ihrem Glanz und ihrer Schönheit erscheine (vgl. Offb 21,1). 3. Jede Kathedrale ist der Hauptort für das Zusammenkommen und die Beheimatung einer Ortskirche, da sie Sitz ihres Hirten ist. Sie ist sichtbares und greifbares Bild der kirchlichen Gemeinschaft, die sie erbaut hat, ihr Bestand gibt und sie widerspiegelt. Sie ist Zeichen des Gottesreiches und seiner Anwesenheit unter den Menschen. Diese neue Kathedrale ist aber auch ein Symbol der neuen Stadt, die aus den Ruinen des Erdbebens von 1972 erstand; ihr architektonischer Stil manifestiert durch seine plastische Aussagekraft unserer Zeit den soliden katholischen Glauben des Volkes Nicaraguas. Diese Kirche - das Herz der Erzdiözese Managua -, in der Ihr ehrfürchtig das alte Bild des „Blutes Christi“ verehrt, welches vor mehr als dreihundert Jahren aus Spanien hierhergebracht wurde und welches Jesus darstellt, der dem Vater am Kreuz all sein Blut und seine menschliche Natur aufopfert, diese Kirche also sollte nach eurem Willen dem auferstandenen Herrn geweiht sein, der das Banner seines Sieges über Tod und Sünde hält. Vergebt dieses Mysterium des Todes und der Auferstehung auch dann nicht, wenn Müdigkeit, Einsamkeit und Unverständnis von seiten anderer Euren Enthusiasmus bremsen oder Euren Geist ins Wanken bringen könnten. Habt keinen Zweifel an ihm: Ihr seid vom Herrn geliebt, und diese Liebe geht Euch voran und begleitet Euch stets: Sein Sieg ist die Garantie für den unsrigen! 4. Auch rufe ich Euch, geliebte Brüder, dazu auf, Eurer Berufung treu zu bleiben, der Antwort, die Ihr dem Ruf Christi jeden Tag zu geben habt. Verbreitet den empfangenen Glauben mit Freuden, teilt ihn mit Großzügigkeit, und verteidigt ihn mit Festigkeit. Ich würde wünschen, daß an diesem Nachmittag jeder von Euch 206 REISEN zusammen mit mir seine Hingabe an Christus erneuere im Bewußtsein, daß nicht wir es sind, die ihn erwählt haben: Er ist es, der uns erwählt hat, und er hat uns dazu bestimmt, daß wir uns aufmachen und Frucht bringen und daß unsere Frucht bleibe (vgl. Joh 15,16). Ihr habt diese Kathedrale auch der Unbefleckten Empfängnis Mariens geweiht. Sie ist das vollkommene Abbild der Kirche. Möge eure christliche Gemeinschaft in Maria ein nachzuahmendes Modell finden, und möget Ihr stets ihrem Beispiel in eurem persönlichen Leben und im Dienst an den Brüdern folgen. Auf ihre Fürsprache segne Euch Gott immerdar. Euch, meinen Brüdern im Priesteramt, Euch Ordensschwestern und Ordensbrüdern, Euch Laien, die Ihr Euch für die Sache des Evangeliums in Nicaragua einsetzt, vielen Dank! Im Geist der Bergpredigt am Aufbau des Landes Mitarbeiten Ansprache bei der Begegnung mit Priestern und Jugendlichen in San Salvador am 8. Februar Geliebte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester und Ordensleute, hebe Seminaristen, Katecheten und Gläubige! 1. Ich freue mich im Herrn, mit Euch vor dieser Kathedrale zusammenzutreffen, die so eng mit den Freuden und Hoffnungen des salvadorianischen Volkes verbunden ist. In ihr ruhen in Erwartung der Auferstehung Msgr. Luis Chävez, ein in den Tugenden vorbildhafter Prälat, und Msgr. Oscar Amulfo Romero, der auf brutale Weise ermordet wurde, als er das Meßopfer darbrachte. Vor seinem Grab habe ich schon bei meinem letzten Pastoralbesuch gebetet und werde ich nun aufs neue beten, erfreut, daß die Erinnerung an ihn unter Euch lebendig ist. Es ruht hier Msgr. Arturo Rivera Damas, der in die Ewigkeit abberufen wurde, nachdem er am Horizont jenen Frieden hatte anbrechen sehen, für den er mit den anderen Bischöfen von El Salvador unermüdlich gearbeitet hatte. Ich bin sicher, daß sie Fürbitte einlegen für die Kirche, die sie geliebt, der sia bis ans Ende ihrer Tage gedient und der sie eine besonders vielsagende Botschaft hinterlassen haben. Ich danke Erzbischof Fernando Saenz Lacalle für seine heben Worte sowie den übrigen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Laiengläubigen aus vielen Pfarreien und verschiedenen apostolischen Bewegungen für ihre Anwesenheit. 2. Wir haben die Bergpredigt gehört. Sie ist eine dringende Aufforderung, Jesus Christus auf radikale Weise zu folgen, um zur Heiligkeit zu gelangen, zu der wir alle berufen sind. Jede der Seligpreisungen weist im ersten Teil auf eine Gruppe von Personen hin, die Christus selig nennt, und gibt im zweiten Teil den Grund dafür an. Wir haben es gehört: Es sind die Armen im Geiste, die Trauernden, die 207 REISEN Leidenden, die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden, die Barmherzigen, die Menschen reinen Herzens, die Friedfertigen und die, welche um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden. In der ersten Seligpreisung sagt Christus: „Selig die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3). Und dieses „denn“ wird in der Folge achtmal wiederholt, wobei uns die Gründe angegeben werden, weswegen die Genannten selig sind, und die in gewisser Weise schon in der ersten Seligpreisung enthalten sind. Wenn Christus sagt, daß die Trauernden getröstet werden, so deutet er vor allem auf den endgültigen Trost jenseits des Todes hin. Das gilt auch für die dritte Seligpreisung, „denn sie werden das Land erben“ (Mt 5,5), die sich auf ein Eigentum in eschatologischem Sinn bezieht. Ebenso werden die gesättigt, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn im Himmelreich wird diese ihr Erbteil sein. Die Barmherzigen werden Barmherzigkeit finden. Die reinen Herzens sind, „werden Gott schauen“, was nach der Lehre des Neuen Testamentes das Wesen der dem Gottesreich eigenen Glückseligkeit ist. Dasselbe besagt die Seligpreisung derer, die Frieden stiften, wenn sie sie Kinder Gottes nennt. Doch als Jesus die letzte Gruppe von Seliggepriesenen aufführt und darin die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten betrachtet, wiederholt er das in der ersten Seligpreisung Gesagte: „denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,10). Christus faßt die Seligpreisungen zusammen, indem er sich an die wendet, welche in irgendeiner Weise verfolgt und verleumdet werden, und sie zur Fröhlichkeit aufruft: „Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,12). 3. Die Seligpreisungen sind der Schlüssel, um die Moral des Evangeliums zu verstehen. Sie öffnen uns einen neuen Horizont in bezug auf das Leben und das menschliche Verhalten. Selig sind also jene, die sich vom Geist der Seligpreisungen führen lassen; und gewiß werden sie „das Land erben“, wenn auch die Tage ihres Erdenlebens zu Ende sein werden. Ihr Sieg und ihre Glückseligkeit sind vor allem moralisch, da sie am Sieg Christi über die Sünde und den Tod teilhaben. 4. Vieles hat sich geändert seit meinem ersten Besuch. Geändert haben sich das Gesicht des Landes und auch die Ausdrucksformen der pastoralen Tätigkeit der Kirche, die dank der verbesserten Lage einen Aufschwung des Lebens in den Pfarreien und in den verschiedenen kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen verzeichnen kann. In diesem Augenblick der Geschichte erhält die Botschaft der Seligpreisungen, die Ihr als Apostel verkünden sollt, ihre volle Aktualität. Apostel, das seid Ihr alle. An erster Stelle die Bischöfe, auf deren Schultern die Aufgabe lastet,die Söhne und Töchter dieser Nation zur Gemeinschaft mit Gott zu führen. Apostel seid Ihr Priester, die Ihr, vereint mit Euren Bischöfen, die Euch anvertrauten Gemeinschaften leitet. Ihr, liebe Ordensleute, seid es durch die Treue zu den Charismen des gottgeweihten Lebens, indem Ihr den Spuren Jesu folgt und Euch auf eure Weise an der Sendung der Kirche beteiligt. Um sein Werk zu vollbringen, zählt der Herr auch auf das „Ja“ derer, die sich auf das Priestertum oder 208 REISEN das Ordensleben vorbereiten, und auf das großherzige Engagement der Laien, aller Laien, die ihr Taufversprechen im Auf und Ab der Welt leben und verbreiten. 5. Ihr Jugendliche seid ebenfalls Apostel. Ihr seid aus den acht Diözesen von El Salvador gekommen. Ihr repräsentiert die Jugendpastoral der Pfarreien und Schulen. Eure Anwesenheit an diesem Abend ist wie ein Lied an das Leben und an die Hoffnung für das salvadorianische Vaterland, das sich auf der Suche nach neuen Wegen der Brüderlichkeit und des Friedens in Gerechtigkeit und christlicher Solidarität befindet. Werdet Ihr in dieser Aufgabe beharrlich sein können? Das werdet Ihr sicher, wenn Ihr in inniger Freundschaft mit Christus verbunden bleibt, wenn Ihr das Leben in der Glaubensgemeinschaft weiter pflegt, wenn Ihr unermüdlich die Nahrung des Gotteswortes und des eucharistischen Brotes des Lebens sucht. Bemüht Euch alle, am Leben der Kirche teilzunehmen und in Gerechtigkeit und Liebe ein versöhntes Vaterland aufzubauen! Indem ich den Schutz der Mutter des Erlösers und der Königin des Friedens dafür erbitte, segne ich Euch von Herzen. Vielen Dank für Eure Anwesenheit und für Eure Aufnahme, für diese Antwort und für diese Gaben. Möge der Erlöser stets Euer Land beschützen! Möge der „Salvador“ El Salvador beschützen! Erbaut eine Zukunft der Gerechtigkeit und Solidarität mit der Weisheit des Friedens Predigt bei der Eucharistiefeier für Gerechtigkeit und Frieden in San Salvador am 8. Februar 1. ,Die Gerechtigkeit blühe auf in seinen Tagen und großer Friede, bis der Mond nicht mehr da ist“ (Ps 72,7). Liebe Brüder und Schwestern, Ihr Kinder des Gottes des Friedens, Euch alle grüße ich im Namen des Herrn! Mit großer Freude bin ich heute erneut hier unter Euch als Pilger des Evangeliums, um Euch die Botschaft Christi, des Heilands der Welt, zu bringen. Dieser Gottestitel Jesu, der von Verzeihung, von Rettung und von Leben spricht, ist der Name Eurer Nation und deren Hauptstadt; ein Name, der für Euch eine Ehre bedeutet, aber der Euch auch gleichzeitig zur Treue dem Evangelium und der Taufe gegenüber verpflichtet, durch die ihr geheiligt und in die Kirche eingegliedert wurdet. Mit den Worten des Psalmisten rufe ich zu Gott, und mein innigster Wunsch für Euch ist nun in diesem Moment, da wir zusammen das Eucharistische Opfer begehen, welches die Quelle des Verzeihens und des Friedens ist: „Die Gerechtigkeit blühe auf in seinen Tagen und großer Friede, bis der Mond nicht mehr da ist“ (Ps 72,7). Heute kann ich feststellen, daß die Saat, die in schwierigen Momenten gesät und durch das Leid und die Anstrengungen des ganzen Volkes befruchtet 209 REISEN wurde, nun die Früchte der Versöhnung und Gerechtigkeit bringt. Dies ist ja die Aufgabe von uns Christen, die Verpflichtung der Kinder der Kirche: „Wo Frieden herrscht, wird für die Menschen, die Frieden stiften, die Saat der Gerechtigkeit ausgestreut“ (Jak 3,18). Die Saat des Friedens des Evangeliums muß jeden Tag ausgestreut werden, wenn wir immer die Frucht der Gerechtigkeit genießen wollen. Mit Freude grüße ich den Herrn Präsidenten der Republik und die anwesenden Obrigkeiten. Ich danke Msgr. Fernando Saenz Lacalle, Erzbischof von San Salvador, für die liebenswürdigen Worte, mit denen er mich empfangen hat. Mit aller Herzlichkeit grüße ich den Vorsitzenden und die Mitglieder der Bischofskonferenz und die anderen Bischöfe, Priester und Ordensleute. Ich grüße Euch, alle Gläubigen, die Ihr Euch hier versammelt habt, um mit dem Papst zu beten. Ebenfalls grüße ich die große Menschenmenge, die mir bei meiner Fahrt durch die Straßen der Hauptstadt ihren Empfangsgruß geboten hat. Ich danke allen herzlich. 2. Nachdem die traurigsten Jahre Eurer Geschichte verstrichen sind, lohnt es sich, daß wir uns mit den Worten des hl. Jakobus fragen: „Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?“ (Jak 4,1). Auch Ihr habt Euch sicherlich schon einmal gefragt: Was ist eigentlich auf dieser unserer Erde geschehen? Was ist passiert in dieser christlichen Nation San Salvador? Was war wohl der Grund und die Wurzel allen Übels? Wenn man so viel Leid sieht, kann man einfach die Sünde als letzte Ursache nicht ausschließen. Diese Sünde sitzt tief im Menschenherz. Außerdem ist in diesem Zusammenhang auch die persönliche und soziale Verantwortung zu nennen, wie sie dazu beigetragen haben, eine Konflikt- bzw. Haßsituation zu verlängern. Deshalb müssen wir alle zusammen den Herrn um Verzeihung bitten. Es ist auch eine Tatsache, daß Eure Nation zu den Bruderländem Zentralamerikas gehört. In diesem Teil des Kontinentes hat sich in den letzten fünf Jahren ein dauernder Kampf entfesselt, ein Kampf von ungeheurem strategischen Interesse, dessen Ziel es ist, gegensätzliche politische und wirtschaftliche Ideologien unter das Volk zu bringen, und das sogar mittels gewalttätiger Systeme. Es sind hier vor allem der Marxismus gemeint und der ungezügelte Kapitalismus, Systeme, die an und für sich Eurem Charakter, Eurer Tradition und Euren menschlichen und christlichen Werten diametral entgegengesetzt sind. Eben diese Systeme haben das Gewebe Eurer Gesellschaft zerfressen und die Schrecken des Hasses und des Todes entfacht. Es sind dies Ideologien, die in ihrer radikalsten Spielform der menschlichen Person, in der ja das Abbild des Schöpfers eingeprägt ist, mitnichten irgend eine Achtung entgegenbringen, im Gegenteil, mitunter trachten sie sogar auf gewalttätige Weise nach dem geheiligten Charakter des menschlichen Lebens. 3. Wie viel Trauer, wie viel Tränen, wie viele brutale Tode hätten verhindert werden können, wenn man den Egoismus hintangestellt und, ohne den genannten Ideologien und Systemen nachzugeben, es unternommen hätte, und zwar von allen 210 REISEN Seiten, den Weg der Gerechtigkeit, der echten Brüderlichkeit und des sozialen Fortschrittes zu beschreiten. Wenn wir zurückschauen, so können wir nur um das göttliche Erbarmen für die Opfer des Krieges flehen und alle dazu einladen, wie es eure Bischöfe ja durch ihr Pastoralschreiben „Versöhnt euch mit Gott“ (28.2.1992) getan haben, in dieser grundlegenden Haltung der Versöhnung fortzufahren, denn die Versöhnung ist die Quelle des Verzeihens und der brüderlichen Solidarität. Das tun wir nicht zuletzt, um an jene zu erinnern, die auf wirksame Weise den Impuls für einen solchen Versöhnungsprozeß gegeben haben, und das sogar um den Preis des eigenen Lebens. Mit Gottes Hilfe sind nun endlich die unheilvollen und traurigen Jahre vorbei, die lediglich Haß und Vernichtung säten und schmerzhafte, immer noch offene Wunden im gesellschaftlichen Zusammenleben, aber auch innerhalb der Familien hinterließen. Diese Zeit hat den Fortschritt der ärmsten und an den Rand gedrängten Bevölkerungsschichten bei dem Streben nach einer tieferen gesellschaftlichen Integrierung und Wohlstand gebremst. Andererseits hat sie viele Familien zerstört, viele Bevölkerungsschichten verdrängt und viele unschuldige Leben gefordert. Deshalb kann ich nicht umhin, auszurufen: Nie wieder Krieg! Die wahre Gerechtigkeit lasse den Frieden immerdar Frucht bringen. 4. Gott sei Dank haben sich die Verhältnisse geändert. Eure Nation sowie der größte Teil der Schwestemationen Zentralamerikas erfreuen sich nunmehr, nachdem die Kontraste zwischen diesen entgegengesetzten Ideologien zum Teil überwunden sind, eines dem Zusammenleben zuträglicheren Klimas. Dies ist nun der günstige Augenblick, um den Friedensprozeß zu konsolidieren. Nur so kann eine neue Gesellschaft mit jenem christlichen Geist aufgebaut werden, die wir - zwar beinahe am Rande menschlicher Utopie, aber dennoch dem Willen Gottes entsprechend - .(Zivilisation der Liebe“ nennen. Diese kann aber in Wirklichkeit nur entstehen, wenn sich eine angemessene Pädagogik des Verzeihens entwickelt, die durchaus notwendig ist, da ja die Gegensätze überaus groß waren und deren Wirkung äußerst verheerend. Eben weil das Übel immer noch in den Herzen so vieler Menschen nistet, eben weil die Sünde immer noch die letzte Ursache persönlicher und gesellschaftlicher Unordnung, die letzte Ursache aller Arten von Egoismus und Unterdrückung, von Gewalt und Rache ist, eben deshalb ist es notwendig, daß die Christen sich verpflichten, die Aufgabe der Erziehung zum Frieden durch die Praxis des Verzeihens zu unterstützen, um so der Seligpreisung Jesu würdig zu werden: „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ (Mt 5,9). Die Worte des Evangeliums, die wir eben hörten, stellen eine hohe Anforderung und liegen außerhalb der menschlichen Logik, jedoch sind sie imstande, diese Revolution der Liebe Wirklichkeit werden zu lassen, die damit beginnt, das Herz für Verzeihung und Erbarmen zu öffnen: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du 211 REISEN sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen (Mt 5,43-44). Diese Worte laden uns zur Umkehr ein. Wenn wir zwischen dem, was uns das Evangelium nahelegt, und dem, was uns unser Gefühl eingibt, einen gewissen Gegensatz spüren, so deshalb, weil diese Worte himmlischen und nicht irdischen Ursprungs sind. Christus spricht sie aus, der sie selbst in vollkommener Weise durch sein Beispiel erfüllt hat; er hat uns seinen Geist gesandt, damit auch wir unsere Feinde lieben können, damit auch wir denen Gutes tun können, die uns hassen, damit auch wir für die beten können, die uns verfolgen und verleumden. In Wirklichkeit ist Christus selbst durch sein Beispiel, durch seinen Tod und seine Auferstehung das Maß der Vergebung, die uns von Gott zuteil wird, damit auch wir ganz und gar vergeben können. Er ist es, der uns am Ostermorgen den Frieden kündet, auf daß wir ihn untereinander teilen können in einer durch die Liebe erneuerten Welt, Er erfüllt uns mit seinem Geist, auf daß wir alle Heben können. Den Feinden zu vergeben, was die Märtyrer aller Zeiten taten, ist die entscheidende Probe und die glaubwürdige Manifestation der Radikalität christlicher Liebe. Wir haben zu verzeihen, da Gott uns verzeiht, und er hat uns in Christus erneuert. Wenn wir nicht völlig verzeihen, können wir nicht verlangen, daß uns verziehen wird. Wenn sich unsere Herzen jedoch dem Erbarmen öffnen, wenn Vergebung durch eine brüderliche Umarmung besiegelt wird und die Bande der Gemeinschaft geknüpft werden, verkünden wir vor der Welt die übernatürliche Kraft der Erlösung Christi. Als Baumeister des Friedens werden wir Söhne Gottes genannt; wir sind „Söhne des Vaters im Himmel, der die Sonne über Bösen und Guten aufgehen läßt und über Gerechte und Ungerechte regnen läßt“ (Mt 5,45). 5. Von daher entspringt auch die Weisheit des Friedens. Dies haben wir in der Ermahnung des Apostels Jakobus vernommen. Es gibt eine Weisheit auf der Welt, die er „irdische, eigennützige und teuflische Weisheit“ nennt (Jak 3,15). Diese ist es, die irdischen Instinkten entstammt und die Trennung der Herzen provoziert; jene Weisheit, die aus der Boshaftigkeit kommt und lediglich persönlichen Interessen dient. Doch die Weisheit von oben ist „heilig, ... friedlich, freundlich, gehorsam, voll Erbarmen und reich an guten Früchten, sie ist unparteiisch, sie heuchelt nicht“ (ebd., 3,17). Es ist, als ob Euch Gott vor zwei Wege stellt, um die Zukunft Eurer Nation zu wählen: den Weg des Todes oder den Weg des Lebens; ein Zusammenleben, das sich nach der eitlen Weisheit dieser Welt richtet und die Eintracht zerstört oder aber ein Zusammenleben, das durch jene Weisheit geleitet wird, die von oben kommt und die Zivilisation der Liebe errichtet. Erbaut eine Zukunft der Hoffnung mit der Weisheit des Friedens! Hinterlaßt der Jugend, den Kindern, den Familien von San Salvador eine lichte und verheißungsvolle Zukunft der Solidarität und Gerechtigkeit. Richten wir gemeinsam die Augen empor zu Gott, unser aller Vater, auf daß er uns den Pfad der Versöhnung weise. Hören wir auf die dringende Einladung Jesu, vollkommen und erbarmungs- 212 REISEN voll zu sein, wie auch unser himmlischer Vater vollkommen ist (vgl. Mt 5,48; Lk 6,36). 6. An diesem neuen Horizont, der hoffnungsvoll in die Zukunft weist, erklingt die Botschaft des göttlichen Wortes, das einst verkündet wurde: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht... Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt ... man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber ... Fürst des Friedens“ (Jes 9,1.5). Mit diesen Worten wird jedes Jahr an Weihnachten, d. h. in der Heiligen Nacht, den Menschen, die Gott liebt, der Friede verkündet (vgl. Lk 2,14). Sie sind auch die Botschaft des Nachfolgers Petri. Wie den Hirten in der taghellen Nacht von Betlehem verkünde ich euch die Freude der Anwesenheit dessen, der unser Friede ist: „Euch ist der Retter geboren, er ist der Messias, der Herr“ (ebd., 2,11). Um Frieden in Gerechtigkeit zu stiften, um Brüderlichkeit und Versöhnung zu schaffen, ist der Erlöser den Weg gegangen, der der Gewalt, dem Stolz und Egoismus und der Logik der Macht entgegengesetzt ist, indem er die Armut und den Dienst wählte. Er hat unsere Wunden mit der Medizin der Liebe und Demut geheilt. Christus also ist unser Heiland und unser Friede. An der Schwelle zum Großen Zweitausendjährigen Jubiläum, d. h. der Zweitausendjahrfeier Christi Geburt, ermutige ich Euch, Ihm das Vorhaben entgegenzubringen, gemeinsam ein Zeitalter des Friedens in Eurer Heimat einzuleiten, indem Ihr mit Ihm eine neue Gesellschaft errichtet, die „durch Recht und Gerechtigkeit“ (Jes 9,6) unterstützt und gefestigt wird. In dieser Absicht feiern wir die Eucharistie. Mit Gott und nicht mit Dokumenten und bloßen Worten wollen wir einen Bund der Liebe und des Friedens mit Ihm und unter uns besiegeln, mit dem Blut Christi, das er am Kreuz vergossen hat. So wollen wir dem Haß und der Gewalt widersagen, um einen neuen Pfad der Brüderlichkeit und des sozialen Fortschrittes zu begehen und so das Wohl aller Einwohner von El Salvador zu suchen. Kirche von El Salvador, all ihr Kinder dieser Nation, bitten wir auf die Fürsprache der Jungfrau Maria, die wir als Mutter Christi und Friedenskönigin anrufen: Oh Herr, gib, daß die Gerechtigkeit in diesem Lande El Salvador blühe; gib, daß in diesem Lande allenthalben reichlicher Friede herrsche! (vgl. Ps 71,7). Vor dem Segen sagte der Papst noch: Liebe Brüder und Schwestern! Ich möchte Euch noch einmal meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß ich nach dreizehn Jahren in dieses schöne Land zurückkehren konnte und eine Friedensstimmung vorgefunden habe. Verliert sie nie mehr! Ich wünsche Euch einen dynamischen geistlichen und materiellen Fortschritt, und jedem wünsche ich, er möge in seiner Umgebung seinen Platz finden zum Aufbau der neuen Gesellschaft und um sich als Person und als Gotteskind zu verwirklichen. Ich danke Euch für Eure Anwesenheit, für diese schöne Feier, für das Zeugnis des Glaubens, für die Lieder, für die Gebete. 213 REISEN Bringt den Gruß des Papstes in Eure Häuser und zu allen, die nicht kommen konnten, besonders zu den Kranken, den Alten und den Kindern. Bringt ihnen meinen Gruß und meinen Segen. Vielen Dank! Gott segne Euch! Die Gottesmutter als einzigartiges Glaubensvorbild Predigt bei der Einweihung des Marienheiligtums Coromoto in Venezuela am 10. Februar 1. „Du bist der Stolz unseres Volkes“ (Jdt 15,9). An den zahlreichen Marienwallfahrtsorten, die sich an so vielen Orten der Erde erheben, wiederholen wir die Worte aus dem Buche Judith, um so unserer Freude Ausdruck zu verleihen, daß die Gottesmutter ihre Wohnstatt inmitten ihres Volkes errichtet hat. Heute sind es die Einwohner Venezuelas, die diese Worte aussprechen. Genau hier, in Coromoto, versammeln sie sich, um Maria als die Patronin ihres Vaterlandes zu verehren. Auch ich freue mich sehr, daß die göttliche Vorsehung es mir vergönnt hat, dieses Nationalheiligtum der Jungfrau von Coromoto heute einzuweihen, deren Bild ich während meiner vorigen Reise gekrönt und der ich die Kinder dieses erhabenen Landes anbefohlen habe. Viele Männer und Frauen haben ihre Verehrung in Venezuela verbreitet, unter ihnen ganz besonders ein Ordensmann der Christlichen Schulen, Frater Nectario Maria. Seit dem 8. September 1652 begleitet Unsere Liebe Frau von Coromoto den Glauben der Indios und der Weißen, der Mestizen und der Schwarzen des venezolanischen Landes. Ihr, unserer geliebten Mutter, rufe ich abermals zu: „Du, die Du durch das Zeichen Deiner Anwesenheit tief in die Herzen der Gläubigen eingedrungen bist, mögest Du auch in Zukunft in diesen Herzen wie in Deiner eigenen Wohnstatt leben“ (Predigt vom 27. Januar 1979). „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1,48), so sprach Maria, als sie ihre Base Elisabeth besuchte. Eben diese Worte erfüllen sich an so vielen Orten der Erde, und auch hier, in eurem Land, auf ganz besondere Weise an diesem Marienwallfahrtsort. 2. Im Brief an die Galater spricht der hl. Paulus über die Mutterschaft Mariens: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ {Gal 4,4). Die ,Fülle der Zeit“ weist auf das hin, was so intensiv im Advent zum Ausdruck kommt, nämlich: daß der Ankunft des Gottessohnes eine Zeit der Erwartung und Vorbereitung voranging. Eben diese Zeit der Erwartung und Vorbereitung hat sich hier, während der ersten Aussaat des Evangeliums durch die Missionare, erfüllt, deren Aufgabe, so hart und schwierig sie war, fruchtbaren Boden in den Herzen der Männer und Frauen gefunden hat, die nach Transzendenz und jenen höheren Werten dürsteten, welche den Sinn des menschlichen Lebens ausmachen. Und jeden Augenblick war es die 214 REISEN so nahe und mütterliche Gestalt Mariens, die es als bestes Beispiel nachzuahmen und nachzufolgen galt. So gehörte also die Mutter jeweils in dem Maße zum Erscheinungsbild, in dem sich in diesen Ländern das Gebot Christi erfüllte, in dem sich durch die Taufgnade überall die Kinderschar der göttlichen Adoption vergrößerte (vgl. Predigt vom 27. Januar 1979). 3. Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau. Dies ereignete sich in der Weihnacht, woran uns auch das Lukasevangelium erinnert, das wir soeben vernommen haben. Die Hirten, die in der Nähe von Betlehem ihre Herden hüteten, sahen um Mitternacht ein helles Licht am Himmel und hörten die kündenden Worte des Engels, der sie aufforderte, zur Grotte zu eilen. Sie gingen dorthin und fanden Maria und Josef und das Kind in einer Krippe liegend (vgl. Lk 2,8-17). Das ist die zusammenfassende Beschreibung des Ereignisses, das von Lukas dargestellt wird. Der hl. Paulus enthüllt im Brief an die Galater die volle Dimension dieses Geschehens. „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau (...), damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,4-7). Die volle Dimension dieses Mysteriums ist nicht nur von historischem Charakter. Der hl. Johannes erklärt uns dies im Prolog zu seinem Evangelium: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt (...). Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Rinder Gottes zu werden“ (Joh 1,14.16.12). Daher ist die Geburt des Herrn gleichzeitig auch das höchste Marienfest. Verehren wir doch die göttliche Mutterschaft der Gottesmutter, wodurch das ewige Wort Fleisch wurde. Die Weisheit Gottes „faßte Wurzel in einem ruhmreichen Volk“ (Sir 24,12), im Volke Gottes, und durch dieses in allen Nationen, die die Frohbotschaft des Heiles aufnehmen. 4. „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19). Maria ist eine einzigartige Zeugin des göttlichen Geheimnisses der Fleischwerdung und Errettung. Sie ist es als Mutter. Eine Mutter erfährt auf einzige und ausschließliche Weise, was die Geburt eines Kindes bedeutet. Und dann verfolgt sie auch von den Jahren der Kindheit an aus unmittelbarer Nähe das ganze Leben ihres Kindes. Zusammenfassend, aber sehr transparent stellt uns das Evangelium das Zeugnis dieser mütterlichen Erfahrung Mariens vor Augen, die nicht nur die Jahre der Kindheit umfaßt, sondern ebenfalls die Zeit seines öffentlichen Wirkens, seine messianische Tätigkeit in Israel und schließlich seine Passion, seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung. Wenn sich im Lauf der Jahrhunderte vielerorts auf dieser Erde die Marienheiligtümer vervielfacht haben, wenn sie in Lateinamerika so zahlreich sind und auch hier in Venezuela, wo sich unter den anderen jenes von Coromoto, in dem wir heute versammelt sind, besonders auszeichnet - so ist das deshalb, weil für die 215 REISEN Kirche, weil für uns alle das mütterliche Zeugnis Mariens über Christus sehr wichtig ist. Mit ihrer achtsamen Sorge begleitet sie die Verbreitung des Evangeliums unter allen Nationen. Dieses Zeugnis Mariens ist von besonderer Wichtigkeit für das ständige Wachstum und die Ausbreitung der Kirche. Maria ist Mutter der Kirche, weil sie Christi Mutter ist. Wie gewichtig sind also die Gründe, weswegen eure christliche Nation an diesem Wallfahrtsort die Worte wiederholt: „Du bist der Stolz unseres Volkes“ (Jdt 15,9)! 5. Maria ist inmitten des Gottesvolkes anwesend, das durch den Willen des Vaters in der Kirche zusammengerufen wurde. In der Enzyklika Redemptoris Mater habe ich geschrieben: „Diese Gegenwart Mariens findet heute wie in der ganzen Geschichte der Kirche vielfältige Ausdrucksweisen. Sie hat auch einen vielseitigen Wirkungsbereich: durch den Glauben und die Frömmigkeit der einzelnen Gläubigen, durch die Traditionen der christlichen Familien oder der ,Hauskirche‘, der Pfarr- und Missionsgemeinden, der Ordensgemeinschaften, der Diözesen, durch die werbende und ausstrahlende Kraft der großen Heiligtümer, in denen nicht nur einzelne oder örtliche Gruppen, sondern bisweilen ganze Nationen und Kontinente die Begegnung mit der Mutter des Herrn suchen, mit derjenigen, die selig ist, weil sie geglaubt hat“ (Nr. 28). Maria, Tempel des Neuen Bundes und Wohnstatt Gottes unter den Menschen, ist anwesend! Die Einweihung dieses Nationalheiligtums, eines Ortes der Begegnung mit Gott durch die Mutter des Erlösers, ist eine Einladung dazu, den Glauben wieder zu beleben; die Kirche und die Menschheit mit der Liebe Christi selbst zu lieben; die Neuevangelisierung auf der Linie der Seligpreisungen durchzuführen im Geiste der Armut, der Sanftmut, der Annahme der Leiden und Verfolgungen; im Wirken für Gerechtigkeit und Frieden; im Einsatz für die Errichtung einer brüderlicheren und solidarischeren Gesellschaft; und schließlich ist sie eine Einladung zur Heiligkeit, „fundamentale Bedingung und unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche“ (Christifideles laici, Nr. 17). 6. Zu Füßen Unserer Lieben Frau möchte ich abermals all diese Bitten niederlegen: O Jungfrau und unsere Mutter von Coromoto, die du immerdar den Glauben des venezolanischen Volkes erhalten hast, in deine Hände empfehle ich dessen Freuden und Hoffnungen, die Betrübnisse und die Leiden all seiner Kinder. Flehe die Gaben des Geistes auf die Bischöfe und Priester herab, damit sie, ihrem priesterlichen Versprechen treu, unermüdliche Herolde der Frohbotschaft seien, besonders unter den Ärmsten und Bedürftigsten. Erfülle die Ordensleute nach deinem Beispiel mit totaler Hingabe an Gott, damit sie im selbstlosen Dienst an den Brüdern ihnen in ihrer Arbeit und ihren Nöten nahe seien. 216 REISEN Mutter der Kirche, stehe den gläubigen Laien bei, die sich der Neuevangelisierung widmen, damit sie durch die menschliche Förderung und die Evangelisierung der Kultur echte Apostel im Dritten Jahrtausend seien. Beschütze alle Familien Venezuelas, auf daß sie wahre Hauskirchen seien, in denen der Schatz des Glaubens und des Lebens bewahrt und die brüderliche Liebe stets gelehrt und geübt wird. Hilf den Katholiken, Salz und Licht für die anderen zu sein als echte Zeugen Christi, seiner heilbringenden Anwesenheit, Quelle von Frieden, Freude und Hoffnung. Königin und Heilige Mutter von Coromoto, erleuchte jene, die das Geschick Venezuelas lenken, auf daß sie für den Fortschritt aller arbeiten und die christlichen moralischen und sozialen Werte schützen. Hilf allen und jedem deiner Söhne und Töchter, damit sie mit Christus, unserem Herrn und Bruder, gemeinsam zum Vater gehen in der Einheit des Heiligen Geistes. Amen. Baut eine neue Gesellschaft in Gerechtigkeit und Frieden! Ansprache bei der Begegnung mit den Repräsentanten der Gesellschaft und des Staates in Caracas (Venezuela) am 10. Februar Meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine Freude, mit Ihnen, Vertretern und Verantwortlichen des sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Lebens dieses Landes hier zusammenzutreffen. Aus allen Landesteilen sind Sie hierhergekommen, um dem Papst zu begegnen. Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit und grüße Sie ganz herzüch. Ich grüße den Herrn Präsidenten der Republik und seine Begleitung. Ich danke Msgr. Ramon Ovidio Perez Morales, Erzbischof von Maracaibo und Präsident der Bischofskonferenz, für die an mich gerichteten Begrüßungsworte zu dieser Feierstunde. Ich danke auch Francisco und America Gonzales für ihr Zeugnis zum Familienleben. Durch Sie möchte ich mein Wort an alle Mitglieder der diversen Bereiche und Institutionen richten, in denen Sie Ihre Tätigkeiten durchführen. Von Ihnen hängt zum großen Teil die Aufgabe ab, ein immer besseres Venezuela aufzubauen, das dem Fortschritt und allgemeinem Wohlstand aller und jedes einzelnen der Glieder Ihrer nationalen Gemeinschaft entgegengeht, indem es das Beste aus der Vergangenheit übernimmt. 2. Ihre Nation ist von Gott reichlich mit natürlichen Schätzen gesegnet. Sie kann auf eine mehrheitlich junge und dynamische Bevölkerung zählen, sie verfügt über Leute, die in den verschiedensten Sektoren ihre Fähigkeiten aufweisen, und ihre Bevölkerung hat eine tief eingewurzelte Religiosität. In den letzten Jahrzehnten hat Venezuela einen wirklichen und bedeutenden Wirtschaftsfortschritt erlebt, der 217 REISEN Hand in Hand ging mit der Entwicklung eines demokratisch freiheitlichen Verfassungssystems im Rahmen eines Rechtsstaates. Trotzdem sieht sich dieses Land zur Zeit mit beträchtlichen Schwierigkeiten in verschiedenen Bereichen des nationalen Lebens konfrontiert, das heißt, es ist einer ernsthaften Wirtschaftskrise ausgesetzt, die sich langsam, aber sicher und unerbittlich anbahnte und von der nun in härtester Weise die mittleren und unteren Bevölkerungsschichten betroffen sind. So kommt es, daß die Armut drastisch anwächst und in einigen Fällen in regelrechtes Elend mündet. Es ist nicht zu vergessen, daß der materielle Verarmungsprozeß sehr oft zu einem moralischen und spirituellen Verarmungsprozeß von Personen und ganzen sozialen Gruppen führt, besonders bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Dies löst aufgrund des Nichtvorhandenseins moralischer Werte eine schlimme Krise aus im Bereich der Ethik, der Gerechtigkeit, des sozialen Zusammenlebens, des Respekts vor dem Leben und vor der Würde der menschlichen Person. Dieser besorgniserregende Zustand führt seinerseits zur Orientierungslosigkeit, er ruft Mutlosigkeit und Verzweiflung hervor sowie ein gewisses Mißtrauen gegenüber Institutionen. Der Ausweg aus dieser Situation wird von denen immer mehr ersehnt, die die Respektierung und Förderung ihrer unverletzbaren Menschenwürde in allen Bereichen der Gesellschaft fordern. 3. Angesichts dieser Umstände möchte ich allen Venezolanern Mut zusprechen -ganz besonders aber Ihnen, die Sie diese so bedeutungsvolle Gruppe des nationalen Lebens darstellen und ich möchte Ihnen Hoffnung einflößen für den Aufbau einer neuen Gesellschaft, die auf der Kultur des Lebens und der Solidarität gründet, denn darin besteht, wie ich ja schon bei verschiedenen Gelegenheiten zum Ausdruck brachte, die Zivilisation der Liebe. Diesbezüglich lehrt das Zweite Vatikanische Konzil: „In Verfolgung ihrer eigenen Heilsabsicht vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern läßt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung. So glaubt die Kirche durch ihre einzelnen Glieder und als ganze viel zu einer humaneren Gestaltung der Menschenfamilie und ihrer Geschichte beitragen zu können“ (Gaudium et spes, Nr. 40). 4. Sie tragen Verantwortung in vielen Bereichen des nationalen Lebens. Heute sind einige fundamentale Aspekte und die Hierarchie der Welt schwächer geworden, so z. B. die Wertschätzung der Wahrheit, die Praxis der Solidarität, die Verantwortung in der Suche und Pflege des Allgemeinwohls und die Festigkeit der Institution Familie. Angesichts dieser Tatsachen ist ein richtiges Verständnis dieser Phänomene vonnöten, denn das Sich-bewußt-Werden der eigenen Grenzen ist ein unerläßlicher Schritt für eine Wiederaufarbeitung. Die Erfahrungen, die sich 218 REISEN als negativ herausgestellt haben, müssen dazu dienen, dieselben Fehler nicht zu wiederholen, sondern in gemeinsamer Verantwortung gegenüber dem Land eine Verpflichtung auf sich zu nehmen, die Hoffnung bestärkend, die ihr Fundament in Gott und im Potential der menschlichen Intelligenz und Freiheit hat. In der Tat gilt es, die Schwierigkeiten zu überwinden und einer gesellschaftlichen Ordnung entgegenzugehen, „die sich ständig weiterentwickeln muß; sie muß in Wahrheit gegründet, in Gerechtigkeit aufgebaut und von Liebe beseelt werden und muß in Freiheit ein immer humaneres Gleichgewicht finden. Um dies zu verwirklichen, sind Gesinnungswandel und weitreichende Änderungen in der Gesellschaft selbst notwendig“ (vgl. ebd., Nr. 26). 5. Die Kirche, die ihrer Sendung treu und offen ist für alle Gläubigen sowie für alle Menschen guten Willens, hat hinsichtlich dieser Situation ein Wort zu sagen. Im gegenwärtigen Augenblick, an der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend, hat sie die begeisternde Aufgabe der Neuevangelisierung übernommen, die zum Ziel hat, das Leben im Licht der Botschaft Jesu Christi zu erneuern, die Werte des Evangeliums zum durchdringenden Sauerteig einer neuen Gesellschaft werden zu lassen, unter den gläubigen Christen die Folgerichtigkeit zwischen Glauben und Leben zu fördern und überall soziale Ungerechtigkeit und soziale Irrtümer zu überwinden. Auch sollen die Menschenwürde, das rechte Familien- und Arbeitsleben, die rechten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorangebracht werden. Die Verkündigung und die Aufnahme des Evangeliums, das die Kirche anbietet, hilft den Christen, neue Menschen zu sein (vgl. Kol 3,10), die zum Aufbau einer neuen Gesellschaft beitragen können, einer auf Gerechtigkeit, Dialog und Dienst begründeten Gesellschaft, die imstande ist, die Herausforderungen der Zukunft anzugehen. Diese Aufgabe muß begonnen werden mit der unaufhörlichen Aufwertung der Würde des Menschen, damit er die Wahrheit über sich selbst als Ebenbild Gottes (vgl. Gen 1,27) und Weg der Kirche (vgl. Redemptor hominis, Nr. 14) achte. So wird dazu beigetragen, die Gesellschaft zu heben, denn „aus der gesellschaftlichen Natur des Menschen geht hervor, daß der Fortschritt der menschlichen Person und das Wachsen der Gesellschaft als solcher sich gegenseitig bedingen“ (Gaudium et spes, Nr. 25). Auf diese Weise wird die wirkliche Förderung der Humanität geplant, die die ganzheitliche Befreiung der Person beabsichtigt (vgl. Evangelii nuntiandi, Nm. 29-39). Die notwendige „Änderung der Gesinnung, des Verhaltens und der Strukturen“ (Centesimus annus, Nr. 60) wird einer Kultur der Solidarität zuträglich sein, die dem Willen, zu herrschen, und einem egoistischen Leben überlegen sein soll, zuträglich auch einer Wirtschaftsstruktur der Teilhabe, anstelle eines Systems der Güteranhäufung, welches einen Abgrund nicht nur zwischen den verschiedenen Staaten auftut, sondern auch zwischen den Bürgern ein und desselben Landes. 6. Aus den Themen, die besondere Beachtung bezüglich des Aufbaues einer wirklich neuen und dynamischen Gesellschaft verdienen, müssen natürlich vor allem 219 REISEN die Themen Familie und Leben hervorgehoben werden. In der Tat führt ja der Weg der zukünftigen Gesellschaft über die Familie (vgl. Familiaris consortio, Nr. 51), und „das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft ist zutiefst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden. Darum begrüßen die Christen zusammen mit allen, welche diese Gemeinschaft hochschätzen, aufrichtig all die verschiedenen Hilfen, mittels derer man heute in der Förderung dieser Gemeinschaft der Liebe und im Schutz des Lebens vorwärtskommt und Gatten und Eltern bei ihrer großen Aufgabe unterstützt werden“ (Gaudium et spes, Nr. 47). Es ist auch dringend geraten, den Kindern Beachtung zu schenken, die, da sie außerhalb der Institution „Familie“ geboren wurden oder in einem Zustand der Verwahrlosung leben müssen, schutzlos und ohne Hilfe eines Vater oder einer Mutter aufwachsen und sich daher nur schwerlich in die Gesellschaft integrieren, sind sie doch von Entbehrung an Zuneigung und schlimmem materiellen Mangel gezeichnet. So unterliegen sie vielen Gefahren, die Folgen von Erziehungs- und Bildungsmangel sind, wie zum Beispiel Jugendkriminalität, Gewalt, Drogen und Kinderprostitution. Es ist ebenfalls vonnöten, eine Lebenskultur zu schaffen. Zu Recht haben die venezolanischen Bischöfe das vergangene Jahr 1995 als „Jahr für das Leben“ erklärt und dazu aufgerufen, daß alle Überlegungen, Verpflichtungen und Aktionen darauf ausgerichtet sein sollten, sowohl das Bewußtsein zu wecken als auch eine Haltung der Verteidigung und des offenen Bekenntnisses zum kostbaren Geschenk des Lebens in all seinen Daseinsäußerungen zu manifestieren“ (Exhorta-ciön Compromiso por la vi'a, 8). Sie haben so gehandelt, da sie mit pastoralem Geist wachsam die Realität des Landes betrachtet und sie als eine „ernste Lage“ bezeichnet haben, die im Gegensatz zur christlichen Wahrheit über „die Erhabenheit des menschlichen Lebens“ steht. 7. Man darf auch nicht vergessen, welche vorherrschende Rolle die Wirtschaft in diesem Zusammenhang einnimmt, wenn sie eine gerechtere und richtigere Verteilung der Rohstoffe unterstützt. Auf diese Weise wird dem Menschen die Ehre gegeben, „ist er doch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft“ (Gaudium et spes, Nr. 63). Auch muß die Kultur Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit beim Aufbau der Gesellschaft sein. „Unter dem Begriff ,Kultur im allgemeinen versteht man alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet“ (ebd., Nr. 53). All das muß auf die ganzheitliche Ausbildung der menschlichen Person und auf das Wohl der Gesellschaft hinzielen. 8. Sehr geehrte Damen und Herren, Leiter und Erbauer der venezolanischen Gesellschaft, ich ermuntere Sie dazu, entschieden im Bereich der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Friedens zu wirken. Schauen Sie mit Optimismus in die Zukunft, erklären Sie sich solidarisch mit dem Schicksal Ihres Volkes und seinen 220 REISEN Werten, die ihren Mittel und Höhepunkt im grundlegenden Gebot der Liebe haben. Bewegten Herzens erinnere ich mich an so viele berühmte Söhne Venezuelas und rufe die Politiker auf, Parteiunterschiede und spezielle Interessen zu überwinden, sich mit vereinten Kräften auf die verantwortungsvolle und selbstlose Suche nach dem Allgemeinwohl zu machen und dabei ganz besonders die bedürftigsten Schichten im Auge zu haben. In dieser schweren, aber entscheidenden Stunde im Leben dieser Nation fordere ich die Politiker und alle, die einen leitenden Posten innehaben, dazu auf, unermüdlich für das wahre Wohl des Landes zu arbeiten, Initiativen wirksam zu unterstützen, die dem Land zum Wohl gereichen, und ein deutliches Zeugnis von Aufrichtigkeit sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben zu geben. Die militärische Körperschaft, Erbe Bollvars und Sucres, ist dazu aufgerufen, ihre Heeresberufung dergestalt zu leben, daß sie Sicherheitsbedingungen, Stabilität und Brüderlichkeit schafft in einer Welt, aus der der Krieg verbannt und der Friede ein wahres Gut sein möge. Deshalb möchte ich alle Heeresangehörigen dazu ermutigen, stets den Frieden in Freiheit, Souveränität und Würde zu garantieren. Ich rufe auch die Intellektuellen, die Künstler und die Erzieher auf, sich nach dem Beispiel von Andres Bello, Cecilio Acosta und Caracciolo Parra an den Quellen des Guten und des wahrhaft Schönen zu nähren, ihre Tätigkeit in der Gesellschaft ganz zu erfüllen und die Menschen zur höchsten Wahrheit hinzuführen, nämlich zu Gott. Den Menschen aus Wissenschaft und Technik spricht die Kirche Mut zu, weiterhin so wie Doktor Jose Gregorio Hemändez den integralen Fortschritt zu unterstützen, der es dem Menschen erlaubt, sich selbst besser zu kennen und sich in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens einzusetzen. Die Arbeiter und Unternehmer erinnere ich an ihre Verantwortung, die sie tragen, um eine Produktion sicherzustellen, die hinreichend die grundlegenden Bedürfnisse deckt. Mögt ihr Arbeitsverhältnisse aufrechterhalten, die die eigenen Interessen mit dem solidarischen Geist und den Umweltbedürfnissen der jetzigen und zukünftigen Generationen verbinden. So wird ein akzeptables Niveau an Lebensqualität möglich. Ebenso richte ich mich an jene, die in der sozialen Kommunikation tätig sind und hervorragende Beispiele in den Gestalten eines Msgr. Jesus Maria Pellrn, eines Juan Gonzales und eines Nünez Ponte finden. Die Mühe der Schriftsteller und Publizisten, welche die Kirche in hohen Ehren hält, muß sich gleichfalls der Herausforderung stellen, alles Geistige zu verteidigen und zu fördern, das zur Würde der Personen, Gemeinschaften und Völker beiträgt, indem sie das ethische Niveau der Bevölkerung anhebt, einen Sinn für die Freiheit in der Wahrheit entwickelt und all das vermeidet, was herabwürdigend und abwertend wirkt. 221 REISEN Schließlich möchte ich die Rolle der Frau in Venezuela hervorheben, ist sie doch Protagonistin im gesellschaftlichen Bereich, da sie das Leben weitergibt und zum Frieden erzieht. Sie muß weiterhin in Freude teilhaben am Aufbau der Gesellschaft und am Emeuerungsprojekt des Landes, indem sie jenen weiblichen „Genius“ beisteuert, der unter allen Umständen die Sensibilität für all das sichert, was wesentlich menschlich ist (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 30). 9. Bürger Venezuelas, auch wenn ernste Schwierigkeiten und immense Herausforderungen bestehen, muß euer Einsatz groß sein. Angesichts einer Gegenwart voll von Unsicherheiten und einer Zukunft voll von Fragezeichen bringt eure Fähigkeiten mit Vorstellungskraft und vor allem mit Großmut zur Geltung, vertraut auf Gott: denn Gott liebt den Menschen. Venezuela nimmt einen herausragenden Platz auf einem großen Kontinent voller Hoffnung ein. Stellt Euch furchtlos den Herausforderungen Eurer Geschichte, erhebt die Augen zum Allerhöchsten, und geht mit solidarischem Herzen und festen Schrittes dem Dritten Jahrtausend entgegen, indem ihr großzügig eure Talente zum Aufbau einer neuen Ordnung beisteuert, die gerechter ist, da sie menschlicher ist. Es segne und führe euch Jesus Christus, der „Retter und Verkünder des Evangeliums“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 40), auf diesem Weg! Am Ende seiner Ansprache sagte der Papst noch: „An alle hier Anwesenden richte ich bei dieser Gelegenheit ebenfalls meine sehr herzlichen Worte. Es ist der erste Abschnitt meines Besuches in Venezuela. Ich hoffe, daß dieser Besuch unter dem Schutz Unserer Lieben Frau von Coromoto allen Venezolanern zum Wohl gereiche. Gott segne alle hier Anwesenden! Vielen Dank!“ Krankheit - eine Quelle des Heils und der Versöhnung Angelus in Caracas (Venezuela) am 11. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. An diesem Sonntag wird der 4. Welttag des Kranken begangen. In ihrer Hirtensorge um alle, die körperlich leiden, wendet die Kirche sich ihnen mit derselben Aufmerksamkeit und Liebe zu, die Christus gezeigt hat. Die Krankheit ist ein Kreuz, und manchmal ein sehr schweres, aber in Verbindung mit dem Kreuz Christi wandelt sie sich in eine Quelle des Heils, des Lebens und der Wiedergeburt für den Kranken selbst und für die anderen. Deshalb lade ich alle Leidenden ein, diese Prüfung bereitwillig zusammen mit dem leidenden Christus und mit Maria aufzuopfem. 222 REISEN Der Festgottesdienst aus diesem Anlaß findet heute in der Wallfahrtsbasilika von Guadalupe in Mexiko in Anwesenheit meines Legaten Kardinal Fiorenzo Angelini statt. Dort hörte einst ein einfacher Ureinwohner, der sei. Juan Diego, von den Lippen der seligsten Jungfrau die Worte: ,3in nicht ich dein Heil?“ Sie zeigte sich als diejenige, die das christliche Volk unter dem Titel „Salus infirmorum“ (Heil der Kranken) anruft. Ich wallfahre heute im Geist zu diesem Heiligtum, das ich zu Beginn meines Pontifikats besucht habe. Die Jungfrau hat sich leuchtend im farbigen Antlitz des Marienbildes von Guadalupe gezeigt, das zu Beginn der Evangelisierung entstanden ist (vgl. Dokument von Puebla, 446). Deshalb wird sie als die „erste Glaubensbotin von Lateinamerika“ verehrt (Ansprache 6.5.1990, Nr. 4). 2. Während wir uns jetzt auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vorbereiten, begleitet die Jungfrau Maria jeden ihrer Söhne und jede ihrer Töchter durch ihre mütterliche Gegenwart. Ich bitte sie, gleichsam in einer „peregrinatio Mariae“ als „Pilgerin des Glaubens“ alle Diözesen, Pfarreien, kirchlichen Gemeinschaften und Familien Amerikas einzeln zu besuchen und ihren Kinder das zu wiederholen, was sie in Kana sprach: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Möge sie durch diesen Erdteil eilen und „Leben, Freude und Hoffnung“ bringen! Möge sie das Werk der Neuevangelisierung ermutigen und schützen, damit die Christen ihren Glauben mit Kohärenz und Eifer leben und die Fernstehenden ihn wiedererlangen. Möge sie die Einheit der Kirche fördern, indem sie wie in einem neuen Pfingsten alle, die an Jesus Christus glauben, und alle, die der Erneuerung im Geist bedürfen, vereint! Jungfrau Maria, Mutter der Menschen und der Völker, auf meiner Rückreise nach Rom zum Grab des hl. Petrus vertraue ich dir von neuem deine Söhne und deine Töchter von Lateinamerika an! Ich reise voll Zuversicht ab, weil ich weiß, daß sie in deinen Händen geborgen sind! Ich bitte dich, sie mit derselben Liebe und Sorge, mit der du Elisabet besuchtest (vgl. Mt 1,39-41), heute und immer „Jesus, der ge-benedeiten Frucht deines Leibes“, vorzustellen. Blicke auf sie ständig mit deinen barmherzigen Augen, und durch deine Fürsprache beim göttlichen Erlöser heile sie von ihren Leiden, erlöse sie von allem Übel, und erfülle sie mit deiner Liebe. Nach dem Angelusgebet begrüßte der Papst die Pilger in verschiedenen Sprachen. In Italienisch sagte er: Einen herzlichen Gruß richte ich an die Italiener, die aus allen Teilen Venezuelas und aus den Nachbarländern gekommen sind, um dem Papst zu begegnen. Danke, meine Lieben, für Eure Anwesenheit und für die Liebe, mit der Ihr mich begleitet! Bleibt Euren christlichen Wurzeln immer treu, und seid lebendige Glieder der Kirche. Die Gottesmutter schütze Euch alle und Eure Lieben! In Englisch sagte der Papst: Mit herzlicher Liebe grüßa ich die Mitglieder der englischsprachigen Gemeinde, die an der heutigen Feier teilnehmen. Möge das Licht des Glaubens Euch leiten 223 REISEN und in Euren Herzen immer mehr leuchten, damit Ihr die anderen zu Christus und zur Kirche führen könnt! In Portugiesisch sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich an die Brüder und Schwestern und an die Freunde Brasiliens und an alle Einwanderer portugiesischer Sprache oder Herkunft, einschließlich ihrer Familien. Bleibt standhaft in Eurer Treue zur Kirche im Geist brüderlicher Solidarität in diesem hochherzigen Land, das Euch aufnimmt. Ich wünsche allen viel Glück, Gesundheit und die Gnade Gottes. Die Kirche Venezuelas — Sauerteig der Gesellschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Predigt bei der Eucharistiefeier für die Evangelisierung der Völker in Caracas (Venezuela) am 11. Februar Geliebte Brüder im Bischofsamt, gebebte Söhne und Töchter Venezuelas! 1. „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (Joh 17,18). Diese hl. Messe feiern wir im Rahmen der Vorbereitung auf die 500-Jahr-Feier der Ankunft des christlichen Glaubens in Venezuela. Wir sind gleichzeitig aufgefordert, uns wieder neu für die Neuevangelisierung einzusetzen. Sie hat, auch wenn sie im Eifer, in ihren Methoden und ihrer Ausdrucksweise neu ist, doch die Kraft ihres ursprünglichen Inhalts bewahrt: Gott liebt den Menschen, und er hat sich in Christus, dem fleischgewordenen Wort und Heiland, kundgetan. Jeder, der Christus als Retter annimmt, empfängt die Sohnschaft und das göttliche Leben. Die Kirche gehorcht dem Auftrag Christi, und indem sie ihn verkündet, setzt sie seine Sendung in der Welt fort; so erfüllt sie eine Aufgabe, in die die gesamte Christengemeinschaft mit eingebunden ist. Gern richte ich nun einen achtungsvollen Gruß an den Präsidenten der Republik und die ihn begleitenden Obrigkeiten. Ich danke Bischof Ignacio Velasco Garcla für seine an mich gerichteten Worte und erwidere sie herzbch. Ich grüße alle meine Brüder im Bischofsamt, die an der hl. Messe teilnehmen, sowie die Priester und Ordensleute. Ich grüße Euch, liebe Gläubigen, die Ihr so zahlreich erschienen seid. Ich weiß, daß viele von Euch die Nacht hindurch hier auf diesem Platz gewacht und sich so auf diese Feier vorbereitet haben. Von Herzen umarme ich alle. Die Sendung, die die Kirche zu erfüllen hat, wird ihre ganze Aktualität bis ans Ende der Zeiten bewahren. „Die missionarische Verkündigung macht vorrangig den Dienst aus, den die Kirche jedem Menschen und der ganzen Menschheit von heute erweisen kann“ (Redemptoris missio, Nr. 2). Es handelt sich um eine Verkündigung, die Christus zum Gegenstand hat, den Gekreuzigten, Gestorbenen und 224 REISEN Auferstandenen, der uns vom Bösen und von der Sünde befreit (vgl. ebd., Nr. 44) und so die Menschheit von innen heraus umwandelt (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 18). Die Verkündigung Christi ist immer und überall der erste notwendige Schritt, um das Gottesreich inmitten eines jeden Volkes und einer jeden Kultur zu errichten. 2. Der Text Ezechiels, den wir vorhin gehört haben, zeigt uns diese innere Verwandlung, welche die Evangelisierung bewirkt. Der Prophet übermittelt uns die von Gott inspirierten Worte und schreibt: „Ich führe euch aus allen Völkern zusammen, sammle euch aus den Ländern, in die ihr zerstreut seid, und gebe euch das Land Israel“ (Ez 11,17). Und er fügt hinzu: „Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist“ (11,19). Was bedeutet das, „ein anderes Herz“? Es bedeutet die Überwindung des Götzendienstes und die Zugehörigkeit zum einzigen wahren Gott. Das ist ein fundamentales Thema im Alten Testament. Und Ezechiel fährt fort: „Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch, damit sie nach meinen Gesetzen leben und auf meine Rechtsvorschriften achten und sie erfüllen. Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein“ (11,19-20). Wenn auch der Text Ezechiels in einem bestimmten historischen Kontext geschrieben wurde, d. h. er bezieht sich auf die Rückkehr aus dem babylonischen Exil und verkündet die Befreiung aus der Sklaverei und die Wiederherstellung Israels als Volk Gottes, so hat er dennoch für uns eine direkte Bedeutung im Hinblick auf das Thema der Evangelisierung. In der Tat führt ja die Sendung zur Verkündigung der Frohbotschaft den Menschen dahin, die Vergötterung des Materiellen zu überwinden und gänzlich zum auserwählten Gottesvolk zu gehören. Die Absage an die Götzen bedeutet aber, Gott als den Mittelpunkt des eigenen Lebens anzunehmen, sein Herz zu verändern und es menschlicher werden zu lassen. Zu den Götzen von heute zählen u. a. der Materialismus und der Egoismus mit ihren Abarten von Sensualismus und Hedonismus, Gewalt und Korruption. Die Kirche übermittelt allen die Kraft des Evangeliums, das imstande ist, die menschlichen Beziehungen zu verwandeln, so daß „die Menschen lernen, einander zu lieben, einander zu vergeben und einander zu dienen“ (Redemptoris missio, Nr. 15). Für die so ersehnte Erneuerung der venezolanischen Gesellschaft und die Überwindung der Krisen und Schwierigkeiten ist es notwendig, daß die Menschen, die Familien und die verschiedenen Sektoren der Nation an der Kraft des Evangeliums teilhaben. So wird die für die menschlichen und christlichen Werte geeignete Umwelt unterstützt: für Brüderlichkeit und Solidarität, Gerechtigkeit und Wahrheit, sowohl in jedem einzelnen Glied der Gesellschaft als auch in deren Gesamtheit. 3. In der zweiten Lesung, die der Offenbarung des Johannes entnommen ist, hat der Apostel die Vision von „einem neuen Himmel und einer neuen Erde“ (21,1). Er sieht die heilige Stadt, das neue Jerusalem, das vom Himmel herabkommt, „wie 225 REISEN Jesu Christi leben und sie innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen dem Menschen von heute und den Generationen von morgen vermitteln. Möge Maria, die Mutter der Kirche, die wir gestern mit Liebe in ihrem Heiligtum von Coromoto verehrten, uns durch ihre mütterliche Fürsprache helfen, den Plan Gottes durch die Neuevangelisierung zu verwirklichen. Amen. Baut und bildet eine humane Lebenskultur! Ansprache an die Jugendlichen von Venezuela am 11. Februar Liebe Jugendliche! 1. Ich bin wirklich tief bewegt ob eures stürmischen und herzlichen Empfanges, und ich gestehe Euch, daß dies ein Moment ist, auf den ich bei meinem Besuch hier in Venezuela regelrecht gewartet habe, denn es ist für mich eine Gelegenheit zum direkten Kontakt mit Euch Jugendlichen, die Ihr so zahlreich in diesem Land seid. Im gewissen Sinn gebt Ihr Jugendlichen diesem Land den Namen: Amerika, Kontinent der Hoffnung! Ich danke Euch für die Worte, die Ihr an mich gerichtet habt, und begrüße Euch alle mit Freude. Den Seminaristen, Novizen und Aspiranten fürs Ordensleben sage ich: Ihr seid eine sehr große Hoffnung für die Kirche in Eurem schönen Land, und ich rufe Euch auf, Eure großzügige Antwort auf den Ruf des Herrn weiter zu entfalten. Euch Studenten rufe ich dazu auf, Euch eine solide Bildung angedeihen zu lassen, um ein neues Venezuela aufzubauen. An Euch Jugendliche, die Ihr Euren militärischen Dienst leistet, appelliere ich, die Werte Eures Vaterlandes zu verteidigen, indem Ihr für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Allgemeinwohl arbeitet, Grundsätze, die Christus, der Friedensfürst, gelehrt hat. Euch alle möchte ich symbolisch umarmen mit meinen Worten und meiner Hochschätzung: die arbeitende Jugend und die Arbeitslosen, die Ureinwohner, die Afroamerikaner, die Bauern und all jene, die an Leib oder Geist leiden. Ihr alle seid in gleicher Weise die Hoffnung der Gesellschaft Venezuelas. Diese schöne ujd geschwisterliche Begegnung, die auf den Tag der Jugend in Venezuela fällt, ruft in mir viele Erinnerungen an Augenblicke tiefer und bewegender Gemeinschaft mit den Jugendlichen in verschiedenen Teilen der Welt wach. Der Papst glaubt an Euch, denn er hat Euren unstillbaren Durst nach Wahrheit, Frieden und Freiheit erfahren, und er war Zeuge Eurer großzügigen Dienstbereitschaft, Eurer Lebensfreude und Eures Willens, Euch für die Eröffnung neuer Horizonte in der Kirche und in der Gesellschaft einzusetzen. 2. Angesichts einer Welt des Scheines, der Ungerechtigkeit und des Materialismus, die Euch umgibt, rufe ich Euch alle, Jungen und Mädchen von Venezuela, dazu auf, mit Verantwortung und Freude in Eurem Leben eine grundlegende Wahl für Christus zu treffen: Ihr Jugendlichen, öffnet Christus die Pforten Eurer Herzen! 228 REISEN Er enttäuscht nie. Er ist der Weg des Friedens, er ist die Wahrheit, die uns frei macht, er ist das Leben, das uns mit Freude erfüllt (vgl. Eucharistisches Hochgebet V/b). Habt keine Angst vor der Zukunft, vor Verpflichtungen oder Scheitern ... Er ist der geistige Fels (vgl. 1 Kor 10,4). Angesichts falscher und destruktiver Lehren der Menschen wisset, daß er das Licht ist, das von oben kommt (vgl. Lk 1,78). Von den Versuchungen der Götzen der Macht, des Geldes und des Vergnügens wird er uns frei machen (vgl. Gal 5,1). Jesus ist der einzige Retter, und es gibt keinen anderen Namen unter der Sonne, durch den wir gerettet werden können! (vgl. Apg 4,12). 3. Liebe Freunde! Christus ist das Wort des Lebens (vgl. 1 Joh 1,1-2). Daher bedeutet die Pforten für Christus öffnen, das Geschenk des Lebens zu verkünden, zu feiern und zu bewahren. In dieser Epoche, die bedroht ist von der Kultur des Todes, sollt Ihr junge Christen mutige Zeugen für die Menschenwürde sein, Verteidiger des menschlichen Lebens in allen seinen Formen und unermüdliche Förderer seiner Rechte. Angesichts einer Kultur des Todes, angesichts von Verirrungen wie Drogenhandel, Gewalt, Nachlässigkeit gegenüber den Bedürfnissen verlassener Kinder, Kranker und alter Menschen und vor allem angesichts zerstörerischer Taten wie Abtreibung und Euthanasie fordere ich Euch auf, „Propheten des Lebens“ zu sein und mit der Kreativität und dem Edelmut, die für Euch charakteristisch sind, für eine Kultur des Lebens zu wirken. In diesem Augenblick möchte ich einen Aufruf an Eure Eltern und Lehrer und an alle für die Erziehung in Venezuela Verantwortlichen ergehen lassen. „Besonders notwendig ist es, zum Wert des Lebens, von seinen Ursprüngen an, zu erziehen. Es ist eine Illusion, zu meinen, man könne eine echte Kultur des menschlichen Lebens aufbauen, wenn man den jungen Menschen nicht hilft, die Sexualität, die Liebe und das ganze Sein in ihrer wahren Bedeutung und in ihrer tiefen Wechselbeziehung zu egreifen und zu leben“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 97). Davon hängt es zum großen Teil ab, ob die Jugendlichen imstande sind, in ihrer Umgebung wahre Lebensideale zu verbreiten, und ob sie fähig sind, in Respekt und Dienstbereitschaft vor jeder Person in Familie und Gesellschaft aufzuwachsen. 4. Christus, der Erlöser des Menschen, ist ebenfalls der Erlöser der Familie. Die Pforten für Christus öffnen bedeutet daher auch das Familienleben stärken. Der ewige Gottessohn, in der heiligen Familie Marias und Josefs Mensch geworden, manifestiert und heiligt die Familie als Heiligtum des Lebens, als fundamentale Keimzelle der Gesellschaft. Er heiligt sie durch das Sakrament der Ehe, und er konstituiert sie als „Zentrum und Herz der Zivilisation der Liebe“ (Brief an die Familien, Nr. 13). Ihr jungen Menschen Venezuelas, es ist notwendig, daß Ihr Euch gut darauf vorbereitet, in solider Weise Eure eigene Familie zu gründen. Lernt die echte menschliche Liebe schätzen und bewahren! Unterstützt alles, was die Heiligkeit, 229 REISEN 2. Pastoralbesuch in Siena (30. März) Kirche als Anwalt für eine humane Arbeitswelt Ansprache an die Arbeiter in Colle di Val d’Elsa-Montalcino am 30. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, endlich bei Euch zu sein, zu diesem der Arbeitswelt gewidmetem Treffen. Es war schon für den 19. März - das Fest Josefs, des Arbeiters - festgelegt, aber wir können es erst heute verwirklichen. Die Erwartung hat es noch begehrenswerter gemacht. Daher danke ich dem Herrn, daß er mir die Freude bereitet hat, zu Euch zu kommen. Euch allen entbiete ich meinen herzlichen Gruß. Ein besonderes Gedenken richte ich an die hier zusammengekommenen Bischöfe, in ganz besonderer Weise an den Hirten Eurer Diözese, Msgr. Gaetano Bonicelli, dem ich für die im Namen aller ausgesprochenen Willkommensgrüße danke. Ich danke auch Herrn Franco Luche-rini, dem Präsidenten des Verwaltungsrats der „Cristalleria Artistica La Piana“ für seine Begleitung beim Besuch der Einrichtungen des Betriebs wie auch für die Worte, die er kurz zuvor an mich gerichtet hat. Gleiche Dankesworte möchte ich den Vertretern der Arbeiterschaft aussprechen, die ihre Hoffnungen und Erwartungen ausdrücken wollten. Ich grüße auch die zivilen und militärischen Obrigkeiten, die gemeinsam mit uns hier bei diesem Treffen sind, und danke ihnen. Liebe Brüder und Schwestern, die Ihr in dieser Fabrik und in anderen Industriebereichen dieser Region arbeitet, Ihr repräsentiert die Arbeitswelt dieser Stadt und der Toscana. Ich bin wirklich froh, Euch zu treffen und Euch Anerkennung zu zollen für Eure unternehmerische Tüchtigkeit und Arbeitskraft, die den Namen dieses Landes weit über die Grenzen Italiens hinaus berühmt gemacht haben. Mit der Verarbeitung kostbarer Kristalle, die auf der ganzen Welt bekannt sind, lassen die Künstler von Colle Val d’Elsa eine jahrhundertealte künstlerische Tradition fortleben, welche in der Kunst des Amolfo di Cambio ihren unübertroffenen Ausdruck gefunden hat. Mit dieser ehrwürdigen Kunst- und Kulturgeschichte vereinigt sich das Erbe einer großen sozialen Einsatzbereitschaft, die im Verlauf dieses Jahrhunderts im Bischof Alessandro Toti, einem Wegbereiter der Verbreitung der „Rerum-Nova-rum“-Lehrsätze in der Toscana, und im Salesianerpriester Don Nino Rainen bedeutende Anreger gefunden hat. 2. Das Gedenken an den hl. Josef, Patron der Arbeiter, bietet uns die Möglichkeit, gemeinsam über die Arbeitswirklichkeit und über die Forderungen von Gerechtig- 232 REISEN keit und Solidarität nachzudenken, die aus der Bejahung des Vorrangs der Person herrühren. Solche Ansprüche, ständiger Gegenstand des kirchlichen Lehramts, werden immer dringender und erforderlicher gegenüber der gegenwärtigen Wirtschaftsentwicklung und den mit ihr verbundenen Problemen. Die Kirche muß sich zu Rate gezogen fühlen von dieser neuen Phase der „sozialen Frage“, welche naheliegende ethische Kehrseiten aufweist und die untergeordnete Auffassung vom Menschen ins Blickfeld rückt. Ein besonderer Anreiz zum Nachdenken ist durch das Näherrücken des Großen Jubiläums des Jahres 2000 gegeben, welches die Kirche ausgerufen hat zur Vergebung der Sünden, zur Aussöhnung zwischen den Menschen, zur Umkehr und Buße. Welche Frage stellt dieses „Gnadenjahr“ an die Arbeitswelt? In der biblischen Tradition sollte ein Jubiläum „die Gleichheit zwischen allen Söhnen und Töchtern Israels wiederherstellen, indem es den Sippen, die ihren Besitz und sogar die persönliche Freiheit verloren hatten, neue Möglichkeiten eröff-nete ...“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 13). Aufgrund dieser Praxis gab es die tiefe Gewißheit, daß die Güter der Erde von Gott geschaffen wurden und ihm zu eigen sind. „Wer diese Güter als sein Eigentum besaß, war tatsächlich nur deren Verwalter, das heißt ein Diener, der verpflichtet war, im Namen Gottes, des einzigen wahren Eigentümers, zu handeln, denn es ist Gottes Wille, daß die Güter der Schöpfung allen in richtiger Weise dienten. Das Jubeljahr sollte eben zur Wiederherstellung auch dieser sozialen Gerechtigkeit dienen“ (ebd.). Von diesen Voraussetzungen ausgehend, hat die Kirche stets den Vorrang des Menschen vor den Gütern der Erde festgestellt als Lösungskriterium für soziale und wirtschaftliche Konflikte und als Kriterium für die Bildung eines gerechten und gleichen Zusammenlebens. Wie ich in Laborem exercens erinnerte: „Man muß den Primat des Menschen im Produktionsprozeß, den Primat des Menschen gegenüber den Dingen unterstreichen und herausstellen ... Der Mensch als Subjekt der Arbeit und unabhängig von der Arbeit, die er verrichtet, der Mensch und er allein ist Person“ (Nr. 12). Den Unternehmern, Politikern, Gewerkschaften, den Arbeiterinnen und Arbeitern wird mit dem Jubiläum eine neue Möglichkeit geboten, die eigene Verantwortlichkeit auf das beginnende Jahrtausend hin zu prüfen, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen und neue Beziehungen zu knüpfen - auch im Arbeitsumfeld -, die sich durch Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität auszeichnen. Mir ist es besonders angenehm, solche Ziele den Vertretern der Arbeitswelt dieser Stadt aufzuzeigen, die in der Vergangenheit zum Schauplatz harter gewerkschaftlicher Kämpfe geworden ist und manchmal auch zum Schauplatz des Unverständnisses zwischen Kirche und Arbeitswelt, sich aber heute durch ein Klima des Dialogs und der Verpflichtung auszeichnet. 3. Die tiefgreifenden technologischen, ökonomischen und soziokulturellen Veränderungen der gegenwärtigen Zeit betreffen in grundlegender Weise auch die Welt 233 REISEN der Arbeit, die, auch wenn sich einige positive Gesichtspunkte zeigen, leider neue und schwere Probleme aufweist. Bei allem taucht das traurige Problem der Arbeitslosigkeit auf, das immer weiter um sich greift - und das nicht nur bei den jungen Menschen, die ihre erste Anstellung suchen. Nicht weniger ernst ist das Problem der Unterbeschäftigung oder der sogenannten „Schwarzarbeit“, das vor allem die schwachen und weniger geschützten sozialen Bindungen berührt: die Jungen auf ihrer Suche nach einer ersten Stellung, die Frauen, die Einwanderer und manchmal sogar die Kinder. Diese Realität der Ausbeutung menschlicher Arbeit kann uns nicht gleichgültig lassen. Ein anderer besorgniserregender Umstand ist das Problem der Sicherheit am Arbeitsplatz, das die technologische Rationalisierung, oft beherrscht von der Suche nach reinem Profit, noch nicht hat beseitigen können: viele, zu viele sind Opfer von Arbeitsunfällen! Das Blut, das auf den Baustellen und in den Fabriken vergossen wurde, muß alle aneifem, geeignete Mittel und Wege zu finden, damit sich diese schmerzlichen Ereignisse nicht wiederholen. 4. Dieses Szenario, das weltweit dramatische Ausmaße annimmt im Hinblick auf die Entwicklungsländer und auf die Millionen Männer, Frauen und Kinder, die ein trostloses Dasein fristen müssen und sogar zum Hungertod verurteilt sind, verlangt uns ein mutiges und übereinstimmendes Nachdenken ab, um die Ursachen zu erkennen und zu beseitigen. Und der erste Grund ist ohne Zweifel das Sich-Verdunkeln des moralischen Gewissens, Frucht auch des Ausklammems Gottes aus dem Blickfeld des menschlichen Herzens und dem gesellschaftlichen Umfeld. Wenn das Gefühl für Pflicht und Verantwortung abnimmt, wenn hier nur noch eine rein materialistische und hedonistische Lebensanschauung herrscht, ist es wirklich schwierig, daß die Denkweise der Privatinteressen ersetzt wird von einer Einstellung für das Gemeinwohl und man das Bedürfnis hat, den ganzen Menschen in jedem Menschen zu respektieren, ihm zu dienen und ihn zu fördern - ganz besonders den schwachen und schutzlosen Menschen. 5. Äußerst aktuell erweist sich daher die Ermahnung des hl. Paulus: „Wir bitten an Christi Statt: ,Laßt euch mit Gott versöhnen1“ (2 Kor 5,20). Mit diesen ernsten Worten ruft der Apostel jeden auf, sich zu der befreienden Denkweise des Evangeliums zu bekehren. Je mehr sich der Mensch von der Gnade erneuern läßt, um so mehr wird es möglich, die Ansprüche der Person mit denen der Gemeinschaft zu vereinbaren: die Politik mit dem Gemeinwohl, die Wirtschaft mit der Ethik, das Kapital mit der Arbeit, den Produktionsprozeß mit der Ökologie, das materielle Wohlbefinden mit dem geistigen, die Rechte jedes einzelnen mit den Bedürfnissen aller. In diesem Zusammenhang taucht in ihrer eigentlichen Identität die menschliche Arbeit auf, die nicht nur als Mittel zum Besorgen des Lebensnotwendigen betrachtet werden darf. „Die Arbeit ist ein Gut für den Menschen - für sein 234 REISEN Menschsein -, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen ,mehr Mensch wird1“ (Laborem exercens, Nr. 9). Die Arbeit ist Teilnahme am Schöpfungswerk Gottes und Faktor des persönlichen Reifens, sie ist ebenso Dienst am Gemeinwohl, Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen und Instrument der Kultur und der Zivilisation. Die Geschichte so vieler Städte Eurer Region ist der deutliche Nachweis, welch großen Wert die Arbeit für den Menschen darstellt. In ihr hat der Einsatz für die eigene Tätigkeit, verbunden mit einer weitgehend vom Christentum inspirierten Lebensanschauung, nicht nur eine solide städtische Wirtschaft hervorgebracht, sondern gleichzeitig Kunst, Kultur und Solidarität bewirkt, indem die Bürger zum Bewußtsein über und zur Ausübung von demokratischen Rechten erzogen wurden. 6. Der Begriff der Arbeit, inbegriffen im Vorrang der Person und verankert in der Ethik der Solidarität, erfordert ein Überwinden des Antagonismus zwischen den Ansprüchen des Kapitals und denen der Arbeit, welcher zahlreiche Konflikte im Lauf des 20. Jahrhunderts heraufbeschworen hat (vgl. Laborem exercens, Nr. 13). In diesem Zusammenhang gilt es, über den Betrieb nachzudenken, ihn nicht als Ort von Interessenkonflikten zu betrachten, sondern als Arbeitsgemeinschaft - auf den Erwerb von Gemeinwohl für alle seine Glieder ausgerichtet. In ihm muß die voranschreitende weltweite Erfassung der Wirtschaft das geeignete Gegengewicht eines Lebensumfelds finden, in welchem die menschlichen Beziehungen nicht von Anonymität und autoritativen Entscheidungen erstickt werden, sondern wo man in irgendeiner Weise Möglichkeiten Raum schafft, einen kreativen Beitrag auf den verschiedenen Ebenen der Mitverantwortung eben von seiten der menschlichen Person zu leisten. Neben diesem ersten Gegenstand ist die Aussöhnung zwischen Arbeit und Umwelt nicht weniger wichtig. Sie bringt Einklang von produktiven Erfodemissen und Schutz der Landschaft mit sich: ein kostbares Gut, welches den nachfolgenden Generationen unversehrt übergeben werden sollte. Außerdem ist es notwendig, das Solidaritätsprinzip zum beständigen und qualifizierenden Kriterium der wirtschaftspolitischen Entscheidungen zu machen. Leider glaubt man sogar noch heutzutage, daß weitestgehende Marktfreiheit automatisch zu Reichtum für alle führen würde, eben weil sie Initiative und Wirtschaftswachstum begünstige. Aber Geschichte und erkennbare Wirklichkeit zeigen zur Genüge, daß dem nicht so ist. Im Gegenteil: Wir erleben Perioden großer produktiver Expansion, die - auch wegen der technologischen Erneuerung - einhergehen mit wachsender Arbeitslosigkeit und entsprechendem sozialem Unbehagen. Daher muß man einen übereinstimmenden Ausgleichspunkt zwischen den Anforderungen der freien Wirtschaft, die nicht ungerecht verurteilt werden darf, und denen einer „Regelkultur“ finden, der einerseits die Vorteile eines aufrichtigen Wettbewerbs garantiert und andererseits die Arbeitsrechte in Schutz nimmt - und als erstes dieser Rechte das Recht 235 REISEN auf Arbeit für alle. Die Suche nach diesem Ausgleich ist nicht leicht, aber sie stellt eine Herausforderung dar, der sich kein Sozialpartner entziehen darf. 7. Es ist also Zeit für eine neue Politik sozialer Solidarität, die nichts mit Wohlstandsbequemlichkeit zu tun hat, die auf die Dauer schädlich für die Unterstützten selbst ist, sondern welche vor allem auf Interventionen anregender Art basiert in Aussicht auf das Subsidiaritätsprinzip, den Sinn für Verantwortung und Arbeitswilligkeit der schwächeren Stände, indem sie ihnen gleichzeitig die konkrete Möglichkeit zusichem, ihre eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Das erfordert die Erschließung der lokalen Leistungskapazitäten ebenso wie das Zusammenwirken der Initiativen der verschiedenen Trägerinstitutionen - von den öffentlichen bis zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einrichtungen -, damit die Rahmenbedingungen eines Übereinkommens für die Entwicklung geschaffen werden, welche den bestmöglichen Gebrauch der im Lande zur Verfügung stehenden Ressourcen erlaubt. Hinsichtlich solcher Aktualität sind die Worte, die die hl. Katharina an die Herrschenden gerichtet hat, für alle gültig: „Ihr habt den Wunsch, eure Stadt zu reformieren; ich aber sage euch, daß sich dieser Wunsch nie erfüllen wird, wenn ihr euch nicht anstrengt, den Haß und die Feindseligkeiten beizulegen, die unter euch herrschen aufgrund von Eigenliebe, das heißt, wenn ihr euch nicht anstrengt, auf das umfassende Wohl der gesamten Stadt zu achten, statt nur auf euren privaten Vorteil. Wer die Amtsgewalt hat... ist in dieses Amt nicht eingesetzt, um für sein eigenes Wohlergehen zu sorgen, sondern für das Wohl der ganzen Stadt“ (aus dem Dialogo della Divina Provvidenza). 8. Liebe Brüder und Schwestern! Der hl. Josef, ein „!ufrechter Mann“, den die göttliche Vorsehung neben Jesus und Maria gestellt hat, damit er die Heilige Familie durch seine tägliche Arbeit versorge, erinnert uns daran, daß die Wege des Heils auch über die menschliche Arbeit führen, und er lädt alle ein, die in ihr enthaltenen Kräfte zu nutzen. In der Erfüllung seiner Aufgabe stellt sich der hl. Josef als ein Mensch dar, der fähig ist, eine Verbindung zwischen Glauben und Leben herzustellen, zwischen den Anforderungen Gottes und denen des Menschen, zwischen persönlichen Bedürfnissen und dem Wohl aller. Ich wünsche, daß nach dem Vorbild des großen Heiligen ein jeder in der Welt der Arbeit sich verpflichtet fühlt, Förderer einer harmonischen Entwicklung von solidarischer Gerechtigkeit zu sein. Ich vertraue der hl. Jungfrau Maria, der Braut des heiligen Zimmermanns aus Na-zaret und Mutter Jesu, des göttlichen Arbeiters, die Euren und Eure Familien, zusammen mit den Familien der Arbeiter auf der ganzen Welt an, und einem jedem von Euch erteile ich herzlich meinen Segen. 236 REISEN Nicht allein Gesetze schaffen Gerechtigkeit und Solidarität, sondern die Menschen Predigt in Siena am 30. März 1. „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ {Mt 21,9). Die Lesungen dieser Eucharistiefeier tragen Züge der Liturgie des Palmsonntags. Sie laden ein, uns auf den Weg zu machen in die Heilige Woche, die morgen beginnt; sie rufen uns, im Geiste Christus zu begleiten, der seinen triumphalen Einzug in Jerusalem hält. Christus ist nach Jerusalem gekommen. Christus ist in die Welt gekommen. Christus möchte in das Herz eines jeden von uns kommen. Nehmen wir ihn auf! Nicht mit Palm- oder Olivenzweigen, sondern mit der Opfergabe demütiger und reuevoller Herzen, eines großmütigen Glaubens und Werken brüderlicher Liebe. „Und als er in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung und man sagte: ,Wer ist dieser?“1 {Mt 21,10). Christus will auch in diese altehrwürdige, herrliche Stadt Siena kommen durch das Zeugnis der Kirche, seiner Fortführung in der Welt. Die Heiligen, unter ihnen die hl. Katharina, wiederholen heute: Siehe, dein König kommt zu dir, Siena! Aber er tritt nicht auf mit dem Gepränge von Macht, wie die Großen dieser Welt, sondern mit Demut und Milde (vgl. Mt 21,5). Und in unseren Städten, oft gänzlich beansprucht von den sich stets verändernden Dingen und weit entfernt von einer Blickrichtung auf Gott, stellen sich nicht wenige wieder die Frage: Aber wer ist dieser? 2. In der ersten Lesung antwortet der Prophet Jesaja: Der Gesalbte hat das Aussehen des Dieners des Herrn, eines geheimnisvollen Gesandten Gottes, in allem seinem Willen gehorsam, soweit, daß er einem ungerechten Urteil mit vertrauensvoller Hingabe entgegenblickt. Dein König, Jerusalem, dein König, Siena, ist „nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ {Mt 20,28). Sieh da, das ist dein König. Sein Reich ist nicht von dieser Welt: Er will in den Herzen regieren, freiwillig aufgenommen; er will in den Beziehungen zwischen den Personen regieren, in den sozialen Beziehungen, beseelt von brüderlicher Liebe, vom Geist der Solidarität, der Gerechtigkeit, des Verzei-hens und des Friedens. Er will, ausgehend von den Menschenherzen und von menschlichen Beziehungen, in den Familien und an den Arbeitsplätzen herrschen. 3. Liebe Sieneser, ich bin froh, heute bei Euch zu sein. Vor sechzehn Jahren bin ich in Eurer Stadt gewesen. Im Programm war ein weiterer Besuch anläßlich des Nationalen Eucharistischen Kongresses 1994 vorgesehen, aber leider war es mir damals nicht möglich zu kommen. Heute, endlich, freue ich mich, diesen Besuch zu machen, und grüße jeden von Euch, Brüder und Schwestern der Diözese Siena-Colle di Val d’Elsa-Montalcino, ganz herzlich. Ich grüße Euren Erzbischof, Msgr. 237 REISEN Gaetano Bonicelli, und ich versichere ihm meinen aufrichtigen Dank für die Grußworte, die er zu Beginn der Eucharistiefeier an mich gerichtet hat. Mit ihm umarme ich alle Priester und ermutige sie, stets in großer Treue der Kirche Gottes zu dienen. Mit Zuneigung grüße ich auch die Ordensfrauen und Ordensmänner sowie die engagierten Laien, deren Arbeit so wertvoll ist. Einen ehrerbietigen Gruß richte ich an die städtischen Autoritäten, denen ich für ihre herzliche Aufnahme danke. Es ist mir sehr willkommen, diese Eucharistie mit allen Mitbrüdem im Bischofsamt aus der Toskana zu feiern. Ich wende mich zugleich an die Diözesen Eurer Region und grüße alle mit dem Wunsch für eine gute Karwoche und frohe Ostern. Ich grüße vor allem die Jugend, die ich hier so zahlreich versammelt sehe. Liebe Jugendliche, Ihr habt Euch verabredet, gemeinsam den Weltjugendtag zu feiern und so mit dem Enthusiasmus, der Euch auszeichnet, die Freude auszudrücken, an Christus zu glauben und seinem anspruchsvollen Evangelium zu folgen. Euch wie auch allen Einwohnern Sienas wiederhole ich: Habt keine Angst, Christus aufzunehmen in eure Häuser, in die Büros, in die Geschäfte, in die Fabriken, in die landwirtschaftlichen Betriebe und in die Handwerksbetriebe, in die Schulen, in die Freizeitstätten und auf den Sportplätzen. Habt keine Angst, Raum zu schaffen für Gott, der dem Menschen entgegenkommt, soweit, daß er seinen Willen kundtut, seinen Sohn mit Maria und Joseph ein normales Familienleben führen und teilhaben zu lassen an ihrer täglichen Arbeit, die notwendig ist, um das Brot zu verdienen. 4. Fürchtet Euch auch nicht, Christus in Eure Familien aufzunehmen. Er wird Euch lehren, unter allen Umständen auf das Wohl der eigenen Familie und auf den kleinsten und bedürftigsten Familienangehörigen zu achten. Wie vielen Schwierigkeiten muß eine Familie heute gewachsen sein; eine Familie, die nicht immer innerlich stark und geschlossen ist. Die Kinder haben das Recht auf einen Vater und eine Mutter, die sich lieben, sich verstehen und sich gegenseitig unterstützen. Das Bedürfnis danach haben sie vor allem in der Kindheit und während des Heranwachsens. Warum richten wir nicht erneut einen dringenden Appell an diejenigen, die Verantwortung als Gesetzgeber oder die Regierungsverantwortung tragen oder diese zu übernehmen beabsichtigen, um sie daran zu erinnern, daß die Familie die Urzelle der Gesellschaft ist und als solche stets verteidigt und beschützt werden muß. In besonderer Weise gilt es, den Familien aus der Mittel- und der Unterschicht die Aufmerksamkeit zuzuwenden und ihnen die ihnen notwendigen Dienstleistungen mit größtem Einsatz, mit Unparteilichkeit und Wirksamkeit zu garantieren. Es wiegt besonders schwer, daß die Muttebsahaft manchmal zu einem Grund von Angst für die jungen Mütter werden kann, die sie dazu antreibt, ihrer Berufung als Mutter gegenzusteuem oder im Extremfall sie sogar zu verweigern aus Furcht, den Arbeitsplatz zu verlieren oder gar keinen zu finden. 238 REISEN 5. Liebe Sieneser, schaut auf die hl. Katharina, Eure berühmte Mitbürgerin: Vor 25 Jahren wurde sie von meinem verehrten Vorgänger, dem Diener Gottes Paul VI., zur „Kirchenlehrerin“ erklärt! Katharina öffnet Gott ihr Herz ganz, und er läßt sie weise und stark handeln in einer gespaltenen und verunsicherten Gesellschaft, in einer damals bedrängten und den Versuchungen der Verweltlichung und politischen Ambitionen ausgesetzten Kirche. Siena, brauchst du vielleicht nicht auch heute durch die Fürsprache deiner großen Heiligen jenes „Zusätzliche an Seele“, das dir erlaubt, deine alten religiösen Traditionen zu beleben? Tausende Menschen kommen jedes Jahr hierher zum Studieren, Arbeiten oder nur um die Schönheit dieser Stadt zu bewundern. Die Frage ist offen: Finden sie hier noch die Prägung, welche die hl. Katharina, der hl. Bemhardin und zahlreiche andere Heilige und Selige dieses Landes hinterlassen haben? Nehmen sie den christlichen Optimismus noch wahr, der die Heilige von Siena auch in widrigen Umständen und andauernden Schwierigkeiten nie verlassen hat? Liebe Brüder und Schwestern, die hl. Katharina spornt alle an, eine innige Verbindung mit Gott zu suchen, unermüdlich für die Einheit der Kirche und den Frieden in der Welt zu arbeiten und sich mit Eifer in den Dienst der Neuevangelisierung zu stellen. 6. Der Nationale Eucharistische Kongreß, der hier 1994 abgehalten wurde, ist eine hervorragende Station auf diesem Weg der geistlichen Erneuerung. Der heutige Besuch als Ausgleich für meine erzwungene Abwesenheit damals bietet mir die günstige Gelegenheit, das einfache und deutliche Thema wieder aufzugreifen: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Eucharistie: von der Gemeinschaft zum Dienst.“ Es sind fast zwei Jahre vergangen, und wir fragen uns, ob die intensive Erfahrung des Kongresses die erhofften Früchte getragen hat. Sind Brüderlichkeit, Zusammenarbeit, die Aktivitäten der verschiedenen Organe der Gemeinschaft gewachsen, welche die Pastoral nach dem II. Vatikanum charakterisieren? Ist die Kirche von Siena wirklich Sakrament Christi in der Welt? Haben die Christen den Mut und die Kühnheit, sich den unterschiedlichen Diensten der kirchlichen Gemeinschaft zu widmen, den verschiedenen Bereichen des sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Lebens? Es scheint, daß wir aufgrund vieler Zeichen bejahend antworten können - und dafür danken wir dem Herrn mit ganzem Herzen! Allerdings bleibt noch vieles zu tun. In der Schule Jesu, gegenwärtig in der Eucharistie, sind wir gerufen, die „Füße unserer Brüder zu waschen“ (vgl. Joh 13,14). Nach Auslegung der Kirchenväter bedeutet dieses „Füße waschen“, Sorge zu tragen, daß das Böse nicht Überhand nimmt, bedeutet zu bewirken, daß Offenheit und Großzügigkeit die Auswahl desjenigen bestimmen, der in kommunaler oder kirchlicher Gemeinschaft irgendeine Verantwortung übernehmen möchte. Neulich erst, beim Kirchentreffen in Palermo, hatte ich die Möglichkeit, die Gläubigen zur Pflicht zu ermahnen, sich 239 REISEN für Gerechtigkeit und Solidarität einzusetzen und sich in den Dienst besonders der Benachteiligten, Kleinen und Schwachen zu stellen. Wie notwendig ein derart großzügiger Einsatz doch ist! Man braucht bestimmte Gesetze zum Schutz der Schwächeren, aber noch wichtiger sind offene und vom echten Geist der Liebe beseelte Menschen. „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“ (vgl. Mt 25,35): Hier haben wir beispielsweise eine Herausforderung, die sich unseren Gemeinschaften an der Schwelle zum dritten Jahrtausend stellt. Sie stellt sich in besonderer Weise Euch, liebe Jugendliche, die ihr die Hoffnung der Kirche und die Zukunft der Menschheit seid. Christus schenkt Euch die Eucharistie, schenkt allen Gläubigen die Kraft, eine freudige und zustimmende Antwort zu geben. 7. Zu einer derartigen Antwort kommt man nicht unmittelbar. Man gelangt zu ihr über den Weg reifen Glaubens und inniger Verbundenheit mit dem Herrn. Man muß Zeit und Freude am Gebet finden - und vor allem an der Anbetung. Gott ist verborgen in der Eucharistie und erwartet, daß wir in der Stille und in der Anbetung das Geheimnis seiner Gegenwart entdecken. Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte Euch in Erinnerung rufen, was ich in der Radiobotschaft zum Abschluß des Kongresses sagte: „Wenn wir an diesem [dem eucharistischen] Opfer teilnehmen, entdecken wir jedesmal neu die Verpflichtung und Freude, auch aus uns ein hochherziges und vorbehaltloses Geschenk an den Herrn und an den Nächsten zu machen ... Aus der Kommunion er-fließt der Dienst“ (Nr. 3; in: O.R.dt., 17. Juni 1994, S. 7). Das ist ein Lebensprogramm, das Jesus allen seinen Jüngern anbietet. Er präsentiert es in einzigartiger Weise Euch, liebe Jugendliche, Euch Katecheten, die ihr eine Schar tüchtiger Mitarbeiter im Werk der Evangelisierung bildet. Der Papst ist heute hier, um Euch zu sagen: Seid großherzig in Eurer Antwort an Christus, den Herrn! Setzt Euch mit Freude und ohne Vorbehalt für das Reich Gottes ein im Eheleben, durch die Jungfräulichkeit und den Zölibat in großzügiger Bejahung auf den Ruf des Herrn. So werdet ihr Leben im Überfluß haben, und eure Freude wird vollständig sein (vgl. Joh 10,10; 15,11). 8. Kehren wir nun im Geist zurück auf die Straße, die von Betanien nach Jerusalem führt, vorbei am Ölberg, um den Einzug Christi in die Heilige Stadt nachzuerleben, den Palmsonntag. Und auf diesem so eindrucksvollen Hintergrund möchte ich Euch meine Wünsche für ein gutes und heiliges Ostern mitgeben. Christus kommt zu uns und ruft uns, mit ihm teilzunehmen am Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung. Gehen wir ihm entgegen, und heißen wir ihn voller Vertrauen willkommen, um all denen eine überzeugende Antwort geben zu können, die uns nach dem Grund unserer Hoffnung fragen. Jeder Gläubige wird lebendiges Zeugnis und überzeugende Antwort, da ,jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr - zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,11). Amen. 240 REISEN Habt keine Angst! Begegnung mit den Jugendlichen am Erzbischöflichen Palast -Angelus am 30. März Liebe Jugendliche von Siena! 1. Ich grüße Euch herzlich. Und mit Euch grüße ich auch eure Altersgenossen der gesamten Diözese von Siena-Colle di Val d’Elsa-Montalcino. Da ich hier bin im Gedenken an das Josephsfest, das kürzlich begangen wurde, möchte ich zunächst jedem von Euch die Worte wiederholen, die Gott durch sein Evangelium gerade an ihn gerichtet hat: ,Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen!“ {Mt 1,20). Auch ich sage Euch: Habt keine Angst, Maria als eure Mutter mit auf euren Lebensweg zu nehmen! Maria sei für Euch Vorbild, wie man Jesus nachfolgt. Fürchtet Euch nicht, Vertrauen zu ihr aufzubauen, ihren mütterlichen Händen jedes Problem, jede Sorge, jede Erwartung und jedes Vorhaben anzuvertrauen. Vor allem, vertraut ihr das Vorhaben an, das Euer ganzes Leben betrifft: die Berufung, in der ehrlichen Gabe dessen, was Ihr seid, zur vollen Verwirklichung Eurer selbst. 2. Da ist noch ein weiterer Umstand, der für mein Treffen mit Euch bedeutend ist, hebe Jugendliche. Heute ist nun der Vorabend vom Palmsonntag, seit elf Jahren der Weltjugendtag. Deshalb möchte ich Euch zwei Weisungen mitgeben, die ich den Jugendlichen der ganzen Welt in der Botschaft dieses Tages anvertraut habe: Ich bitte Euch „Propheten für das Leben“ und „Propheten für die Freude“ zu werden (Botschaft von Johannes Paul II. zum Weltjugendtag, in: O.R. dt., Nr. 49, 1995, S. 7, Nr. 6 u. 8). Vor allem aber Propheten des Lebens. „Seid es durch Worte und Gesten, indem ihr der Zivilisation des Egoismus widersteht, die die Menschen oft als Werkzeug anstatt als Ziel betrachtet und ihre Würde und Gefühle dem reinen Profit opfert; tut es, indem ihr den Notleidenden unter euch, die ohne eure Hilfe vielleicht verzweifeln würden, konkret beisteht“ {ebd., Nr. 6). „Ich bitte euch auch, ,Propheten für die Freude' zu sein: Die Welt soll uns daran erkennen, daß wir unseren Zeitgenossen das Zeichen einer großen, schon erfüllten Hoffnung zu vermitteln wissen, der Hoffnung Jesu, der für uns gestorben und auferstanden ist. Vergeßt nicht, daß ,das künftige Schicksal der Menschheit in den Händen jener ruht, die den kommenden Geschlechtern Triebkräfte des Lebens und der Hoffnung vermitteln können“ {Gaudium et spes, Nr. 31)“ {ebd., Nr. 8). 3. Meine Lieben, wenn Ihr Euch von Maria auf dem Lebensweg begleiten laßt, werdet auch Ihr wahre Jünger Christi, Weg, Wahrheit und Leben. Macht Euch mit inniger Überzeugung die Worte des Apostels Petrus zu eigen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ {Joh 6,68). 241 243 REISEN Ich bitte die Mutter des Herrn, die in Siena unter dem Titel „Madonna del voto“ REISEN licher Zeuge. Auf vollkommenste Weise drückt er das Geheimnis aus, zu dem die Auferstehung Christi uns den Zugang erschließt: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Schon vorher hatte Simon Petrus diesen Glauben bekannt, als er auf eine Frage Jesu die Antwort gab: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16). Jetzt, nach der Auferstehung, kommt diese Wahrheit mit noch größerer Kraft zum Durchbruch: Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch. Die Apostel sind Zeugen dafür: Augenzeugen, die ersten Zeugen. Aufgrund dieses Zeugnisses sind sie auch „gesandt“: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Sie sind als erste gesandt. Andere werden ihnen folgen, und von diesen wird Christus sagen: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). Diese werden ihrerseits zu Zeugen, weil sie den Augenzeugen Glauben geschenkt haben. Und so geht es weiter - von Generation zu Generation. Sie alle bilden die Kirche Christi. 4. Brüder und Schwestern in Tunesien und Nordafrika, Ihr bildet hier die Kirche Christi. Ihr seid Zeugen der Frohbotschaft in der Nachfolge der großen Heiligen, die diese Gegend in den ersten Jahrhunderten des Christentums geprägt haben. Seid treue Erben derer, die bis zum äußersten Zeugen waren: der Märtyrerinnen Felicitas und Perpetua. Greift die Lehren der Väter und der Hirten vergangener Zeiten wie des hl. Fulgentius wieder auf. Folgt dem Beispiel des hl. Cyprianus von Karthago, der einer der bedeutendsten Bischöfe der ersten Jahrhunderte gewesen ist: Gedenkt seiner Liebe zur Kirche und seiner unermüdlichen Suche nach Einheit. Der hl. Augustinus, der hier gelebt hat, war Bischof von Flippo - zugleich war er aber Diener der ganzen Kirche, des Leibes Christi, der sich über die Welt erstreckt: Sein der Suche nach Gott hingegebenes Leben, seine tiefe Erkenntnis der Schrift und sein scharfer Sinn für die Gnadengabe sind nach wie vor eine Quelle der Inspiration für die christliche Welt. Und die Kathedrale, in der wir versammelt sind, die Ihr sorgfältig restauriert, ruft weitere mit diesem Land verbundene Heilige in Erinnerung: den hl. Vinzenz von Paul und die hl. Oliva; auch sie sind Eure Fürsprecher. Gewiß seid Ihr eine kleine Herde: Aber mit Eurer Vielfalt der Sprachen, der Kulturen und der Herkunft seid Ihr ein lebendiges Bild der Gesamtkirche. Dank Eurer Bande zu Nord und Süd, zu Ost und West, seid Ihr hier Ferment der Einheit und der Solidarität. Bringt durch Eure Verwurzelung im Gastland, durch Eure brüderliche Freundschaft mit den Arbeitskollegen oder Nachbarn, durch den Austausch in Eurem Alltagsleben sowie im Nachdenken über den Sinn des Lebens und über die Lage der Welt die Gnade zum Vorschein, die Euch zuteil geworden ist, nämlich Jünger Jesu Christi zu sein! 5. Die Apostelgeschichte beschreibt die Anfänge der Kirche als Gemeinschaft des Glaubens und das Gebets, Gemeinschaft des Wortes und der Eucharistie: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42). 244 REISEN Auch heute, zwanzig Jahrhunderte später, ist die Kirche immer noch dieselbe Gemeinschaft. In diesen Apostelworten findet Ihr die Richtlinien für das Leben der christlichen Gemeinde. Wir lesen weiter: „Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt“ (Apg 2,47). Diese Wendung erinnert in gewisser Weise an das doppelte Grundgebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Denn Gott wird würdig verehrt, wenn die, die ihn anbeten, den Menschen als sein Geschöpf achten. Setzt Tag für Tag dieses christliche Lebensprogramm in Gebet und Tat um. Ich denke an die Werke der Erziehung und beruflichen Ausbildung, die Ihr voranbringt. Und ich weiß, daß viele von Euch sich großherzig der Pflege der kranken, der behinderten und der allerärmsten Eurer Brüder widmen - ohne Unterschied und selbstlos in Zusammenarbeit mit euren muslimischen Freunden. Fahrt mit diesen brüderlichen Diensten und diesen Werken der Barmherzigkeit fort, die der Liebe zum Nächsten einen konkreten Gehalt geben. Manchmal müßt Ihr Unverständnisse überwinden, die aus der Geschichte resultieren mögen: Daß Jesus, der Herr, dessen Liebe jedes Hindernis überwindet, Euch Mut gebe und im Frieden bewahre! 6. Die Worte, die der Apostel Petrus an die erste Generation der Christen gerichtet hat, betreffen auch uns. Er schreibt: „Ihn [Christus] habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn.“ Und: „Gottes Macht behütet euch durch den Glauben, damit ihr das Heil erlangt, das am Ende der Zeit offenbart werden soll“ (1 Petr 1,8-5). Dieser Glauben und diese Hoffnung auf das Heil verbinden uns eng mit dem auferstandenen Christus. Der Apostel Petrus bezeugt dies mit folgenden Worten: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen, das im Himmel für euch aufbewahrt ist“ (i Petr 1,3-4). Brüder und Schwestern in Tunesien und in Nordafrika, ich sage dank für die Gaben, die Ihr erhalten habt, für den Glauben und die Hoffnung, die Ihr trotz Eurer kleinen Zahl lebendig bewahrt in allen Prüfungen, die Ihr durchmachen mögt. Ich danke dem Herrn für Eure Freundlichkeit, für Eure Liebe zu den Armen, für Eure Offenheit gegenüber den Brüdern in diesem Land. Diese Eucharistie sei für Euch alle, die Ihr das Herz voll österlicher Freude und Hoffnung habt, ein tiefes Zeichen der Gemeinschaft mit dem lebendigen Christus und mit allen Menschen, die er liebt! 245 REISEN Christen und Muslime sind Glieder der einen Menschheitsfamilie Regina Caeli in Tunis am 14. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Schluß dieses feierlichen Gottesdienstes lade ich Euch ein, Euch der Jungfrau Maria zuzuwenden, die Ihr hier unter dem Namen Unsere Liebe Frau von Karthago verehrt. Seit den Anfängen des Christentums wurde die Mutter Jesu im Norden Afrikas verehrt. Unter ihrem Schutz blühte heiligmäßiges Leben in dieser Region. Ich freue mich, mit Euch die Heiligen in Erinnerung zu rufen, die seit dem hl. Speratus und seinen Gefährten - den ersten Märtyrern in Karthago am Ende des 2. Jahrhunderts - das Leben der Kirche in Eurer Region gekennzeichnet haben. Ich möchte hier das Zeugnis all jener Männer und Frauen hinzufügen, die auch heute bereit sind, wie unser Herr Jesus Christus ihr Leben zu geben, um ihren Brüdern zu dienen. 2. Nun, da ich mich im Maghreb befinde, gehen meine Gedanken unverzüglich zu den sieben Trappistenbrüdem des Klosters „Unsere Liebe Frau vom Atlas“ in Algerien - zu ihnen, dia unter ihren Brüdern hochherzige Zeugen Gottes als des Absoluten sein wollen. Möge der auferstandene Christus auf die Fürsprache der Jungfrau Maria ihrer Prüfung ein Ende bereiten und ihnen die Befreiung schenken! Möge Gott die Hoffnung der Kirche in jenem Land stärken und das algerische Volk auf den Weg des Friedens und der Versöhnung führen! 3. Auf diesem afrikanischen und zugleich mediterranen Boden dürfen wir unsere Brüder in Liberia und Nahost nicht vergessen, die ein weiteres Mal mit der grausamen Gewalt der Waffen konfrontiert sind. Ich denke vor allem an die Zivilbevölkerung, unschuldiges Opfer der Konflikte, und an die vielen Menschen, die in der Angst vor dem Morgen gezwungen sind, alles zu verlassen, um eine unsichere Zuflucht zu suchen. Möge Gott auf die Fürsprache Marias, der mitleidvollen Mutter, alle Verantwortlichen der internationalen Gemeinschaft erleuchten, damit niemand diesen menschlichen Tragödien gegenüber gleichgültig bleibe! Mögen diese Völker den Mut finden, den Frieden wiederaufzubauen! 4. In dieser Osterzeit empfangen wir aus Marias Händen das Geschenk, das Gott der ganzen Welt in seinem Sohn Jesus macht. Die Jungfrau zeigt uns auch, daß wir eine einzige Menschheitsfamilie bilden, die zusammenzuführen Jesus gekommen ist. Die Mutter Jesu ist die Mutter aller Menschen: Christus am Kreuz selbst hat sie uns gegeben. Wir wissen, daß die Gläubigen des Islam Maria, die jungfräuliche Mutter Jesu, ehren und sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Bitten wir sie, all ihren Kindern zu helfen, daß sie sich als Glieder der einen Menschheitsfamilie erkennen und im gegenseitigen Verständnis Zusammenarbeiten, um die soziale 246 REISEN Gerechtigkeit, die moralischen Werte, den Frieden und die Freiheit zugunsten aller Menschen zu fördern (vgl. Nostra aetate, Nr. 3)! 5. Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte Euch einladen, diese Osterzeit als eine Zeit der geistlichen Erneuerung zu nutzen. Die Jünger Christi „sollen die Einheit untereinander leben, sie sollen im Vater und im Sohn ,bleiben“, damit die Welt erkennt und glaubt“ (Ecclesia in Africa, Nr. 77). Das tägliche Leben Marias zeigt klar, daß man Apostel „zuallererst durch das ist, was man ist als Kirche, die zutiefst die Einheit in der Liebe lebt, bevor man es ist durch das, was man sagt oder tut“ (ebd., Nr. 77). Seid Apostel der universalen Liebe Christi! Maria, Unsere Liebe Frau von Afrika, helfe Euch, in kindlichem Vertrauen zu ihr zu verharren, um ihrem Sohn in der Treue zu Eurer Taufberufung entgegenzugehen. Begegnung mit den Muslimen muß mehr sein als geteilter Lebensalltag Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen der regionalen Bischofskonferenz von Nordafrika (CERNA) in Tunis am 14. April Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, Euch Bischöfe der Regionalen Bischofskonferenz Nordafrikas zum ersten Mal in der Region zu treffen, in der Ihr Euer Hirtenamt ausübt. Ich danke Msgr. Fouad Twal, dem Hirten der Kirche in Tunesien, für den angenehmen Empfang, den er mir bereitet hat, zusammen mit der ganzen christlichen Gemeinschaft, die auf dieser tunesischen Erde mit großer Vitalität die allumfassende Liebe Christi bezeugt. Vor zehn Jahren hatte ich die Freude, dem Maghreb meinen ersten Besuch abzustatten, und zwar in Casablanca. In meinem Gedächtnis ist die Erinnerung an die warmherzige Aufnahme, die mir von seiten der marokkanischen Würdenträger und des marokkanischen Volkes zuteil wurde, immer noch lebendig. Damals hatte ich die Möglichkeit, mir eine Vorstellung von der Tatkraft der um ihre Bischöfe gescharten Diözesangemeinschaften Marokkos zu machen. Meine Gedanken richten sich natürlich an Euch, hebe Brüder im Bischofsamt, Hirten der Kirche in Algerien. Erlaubt mir auch, bei Euch den verehrten Kardinal Duval zu erwähnen, eine große Gestalt der Kirche und Eures Landes. Jedem von Euch und jedem Mitglied Eurer Gemeinden drücke ich erneut meine herzliche Zuneigung aus in einer Zeit, die so schwierig ist für die Kirche und das algerische Volk, für das Ihr Euch mit großer Selbstlosigkeit eingesetzt habt, manchmal bis zum Opfer des eigenen Lebens. Ich bete mit Euch zum Herrn, daß für Algerien bald die Zeit der Versöhnung und des Friedens anbrechen möge, wobei die Unterschiede in angemessener Weise geachtet werden sollen. 247 REISEN Meine Gedanken richten sich auch an die christliche Gemeinschaft Libyens und an ihren Bischof, eine Gemeinde von Menschen sehr unterschiedlicher Herkunft, die in einer Gesellschaft, die sie rücksichtsvoll aufnimmt, mit großem Eifer und großer Hingabe für das Evangelium Zeugnis ablegt. Auch sie teilt die Entbehrungen, die dem libyschen Volk durch ein Embargo auferlegt werden, das so schwerwiegende Auswirkungen auf das tägliche Leben der Bevölkerung hat. Alle christlichen Gemeinschaften des Maghreb möchte ich hier aus Tunis und durch Euch im Namen Christi grüßen. 2. Anläßlich meines Besuchs in Tunesien möchte ich Euch in Eurem Dienst am Evangelium auf diesem Boden Nordafrikas bestärken. Aus der Kirche dieser Region sind Cyprian, Perpetua und Felicitas, Augustinus, die Päpste Viktor, Miltia-des und Gelas sowie viele weitere große Gestalten der Christenheit in den ersten Jahrhunderten hervorgegangen. Die Jünger des hl. Franz von Assisi, des hl. Dominikus und des hl. Vinzenz von Paul sind ebenfalls sehr früh hierher gesandt worden. In näherer Vergangenheit sind aus der Erfahrung der Kirche im Maghreb das missionarische Denken von Kardinal Lavigerie und die Spiritualität von Nazareth von Bruder Charles de Foucauld hervorgegangen. Seit ihren Ursprüngen war die Kirche Nordafrikas eine Quelle großen geistigen Reichtums für die ganze Kirche. Heute schreibt ihr einen neuen Abschnitt der Geschichte dieser Kirche in einem Kontext, der ganz anders ist als der, den eure Väter im Glauben gekannt haben, nämlich den Abschnitt des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Gläubigen verschiedener Konfessionen. Diese besondere kirchliche Berufung ist auch ein Reichtum für die Universalkirche. Ich ermutige Euch, mit ihr das zu teilen, was Ihr hier vom Werk Gottes entdeckt. 3. Im Rahmen Eures Zeugnisses nimmt die Beziehung zu den Gläubigen des Islam einen speziellen Platz ein. Oft macht Ihr die Erfahrung der Verwundbarkeit der kleinen Herde, und Ihr macht oft Prüfungen durch, die bis zum Heldentum führen können. Aber Ihr macht auch die Erfahrung der Unentgeltlichkeit der Gabe Gottes, die Ihr Eurerseits mit allen anderen erleben wollt. Das, was Ihr also im Glauben bezeugt, wird Euch stärken zu einer immer tieferen und geistigeren brüderlichen Beziehung zu den Muslimen, die Euch dazu bringt, mit ihnen die Wohltaten Gottes zu entdecken, sie zu empfangen und zu teilen. Dort, wo Gewalt und Zwietracht herrschen, sollt Ihr Boten des Friedens sein, der von Gott kommt, und der Versöhnung, jenes Weges, der zu Ihm führt. Niemand darf im Namen Gottes töten, niemand darf zustimmen, seinem Bruder den Tod zu geben. Knüpft mit den Männern und Frauen guten Willens Bande der Brüderlichkeit, die das Kommen des Reiches Gottes ankündigen. Macht Eure Überzeugung sichtbar, daß Gott der Gott des Lebens ist, daß Er das Leben des Menschen will und nicht seinen Tod. Geht trotz der Schwierigkeiten und der Mißverständnisse auf Eure Brüder und Schwestern zu, ohne Unterschied hinsichtlich der Abstammung oder der Religion. Es ist der Herr, der Euch zu ihnen schickt. „Ich weiß, daß 248 REISEN nicht wenige Missionare und christliche Gemeinschaften im schwierigen und oft unverstandenen Weg des Dialogs die einzige Möglichkeit sehen, aufrichtig für Christus Zeugnis abzulegen und den Menschen großzügig zu dienen, und möchte sie ermutigen, in Glauben und Liebe auch dort auszuharren, wo ihre Bemühungen weder Gehör noch Antwort finden ... Der Dialog ist ein Weg zum Reich Gottes und wird sicherlich Frucht bringen, auch wenn Zeiten und Fristen dem Vater Vorbehalten sind (vgl. Apg 1,7)“ (Redemptoris missio, Nr. 57). 4. Die Begegnung mit den Muslimen muß über ein einfaches Teilen des täglichen Lebens hinaus gehen. Sie muß echte Zusammenarbeit ermöglichen. „Gott... will, daß wir seine Zeugen sind, indem wir die Werte und religiösen Traditionen eines jeden achten, gemeinsam für die Förderung und Entwicklung des Menschen auf allen Ebenen arbeiten“ (Ecclesia in Africa, Nr. 66). Ich kenne den vielfältigen Einsatz Eurer Gemeinschaften in gemeinsamen Werken zum Dienst an den Menschen. Aber erlaubt mir, an dieser Stelle die wichtige Rolle der Ordensschwestern zugunsten der Frau, ihrer Würde und ihrer Stellung in der Gesellschaft zu unterstreichen (vgl. Vita consecrata, Nr. 57-58). Ich möchte hier erneut meine Anerkennung gegenüber allen gottgeweihten Menschen ausdrücken: Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, die sich in Euren Ländern so großzügig für die Armen, die Kranken, die Frauen und die Erziehung der lugendlichen ein-setzen mit einer Hingabe, die sie manchmal sogar zum Martyrium geführt hat. Durch die Förderung der Einzelpersonen und der menschlichen Gemeinschaften setzen sie die zärtliche Liebe Gottes zu allen Menschen in die Tat um. In der Enzyklika Redemptoris missio schrieb ich: „Die Kirche bildet die Gewissen, sie offenbart den Völkern den Gott, den sie suchen, aber nicht kennen, die Größe des von Gott nach seinem Bild geschaffenen und geliebten Menschen, die Gleichheit aller Menschen als Kinder Gottes, die Herrschaft über die geschaffene Natur als Dienst des Menschen und die Pflicht, sich für die Entwicklung jedes und aller Menschen einzusetzen“ (Nr. 58). 5. In Eurer Mission nimmt die Begegnung der Kulturen einen wichtigen Platz ein. Die Kirche betrachtet die Kulturen aller Völker mit großer Achtung. Durch Euren Einsatz im Dienste der Erziehung, der Ausbildung und des intellektuellen Aus-tauschs wollt Ihr diese Achtung der Kirche vor jenen Kulturen, die die Männer und Frauen in euren Ländern formen, zum Ausdruck bringen. Schon letztes Jahr sagte ich in meiner Rede vor der Organisation der Vereinten Nationen: „Darum hat unsere Achtung vor der Kultur der anderen ihre Wurzel in unserer Achtung vor dem Versuch, den jede Gemeinschaft macht, um Antwort auf das Problem des menschlichen Lebens zu geben“ (Nr. 10). 6. Um in Begegnung und Zusammenarbeit mit den anderen zu leben, müssen die Christen einen sicheren Glauben haben. Ich freue mich, die geistige Vitalität Eurer Diözesen im Maghreb feststellen zu können. Um dem Nächsten in Wahrheit zu begegnen, ist eine wirkliche Bekehrung des Herzens nötig. Liebe Brüder, ich for- 249 REISEN dere Euch auf, Gemeinschaften zu bilden, die Christus offenbaren, weil sie selbst ihn auf ihrem Weg getroffen haben. Diese Osterzeit lädt uns ein, uns daran zu erinnern, daß wir vor allem Zeugen des Auferstandenen sein müssen, Zeugen des lebendigen Christus, den wir auf konkrete Weise in unserem Dasein erfahren. Die Eucharistie ist das kostbare Gut, das Euch angeboten wird, um echte Gemeinschaften aufzubauen. Seid eucharistische Gemeinden, die bereit sind, jeden Tag ihr Opfer „zum Gedächtnis des Herrn“ zu leben. Die Christen sollen sich Zeit nehmen für die Anbetung des Herrn, des Höchsten, der einer von uns geworden ist, damit alle das Leben haben. Dann werdet Ihr zu brüderlichen Versammlungen, die den Menschen offenbaren, was „die neue Welt, die neue Erde“ ist, auf die wir warten und deren Keim und Ursprung im österlichen Geheimnis Christi zu finden sind. Habt keine Angst davor, eine strahlende Kirche zu sein, die die anderen menschlichen und geistlichen Traditionen achtet, die aber auch klar und ohne Furcht das offenbart, was sie ist. Für den Christen ist es unbedingt notwendig, das auszudrücken, was er durch die Taufe geworden ist. 7. Als Kirche Christi im Maghreb seid Ihr auch ein Teil der Kirche in Afrika. In dieser Eurer Eigenschaft habt Ihr an der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika teilgenommen. Für Euch war dies eine Gelegenheit zum Austausch mit den Hirten anderer Ortskirchen auf diesem Kontinent. Mit ihnen nehmt Ihr dieselbe Verantwortung auf Euch, nämlich den Männern und Frauen dieses Kontinents die Frohbotschaft zu verkünden. Ihr beschäftigt Euch mit denselben Fragen, insbesondere hinsichtlich der Begegnung mit den Gläubigen des Islam. Junge Afrikaner werden in den Universitäten Eurer Länder ausgebildet, andere befinden sich nur kurze Zeit wegen ihrer Arbeit oder auf Reisen hier. Ich fordere Euch auf, den Austausch zwischen den Kirchen dieses Kontinents zu entwickeln, vor allem im Hinblick auf eine größere Solidarität in der Aufteilung der apostolischen Mitarbeiter. Das nachsynodale apostolische Schreiben Ecclesia in Africa ist nunmehr für Euch das grundlegende Dokument Eurer gemeinsamen Mission im Dienste des Evangeliums. Diese Solidarität mit den anderen christlichen Gemeinschaften wollt Ihr auch mit den Kirchen des Mittleren Ostens konkretisieren, die wie Ihr in mehrheitlich muslimischen Gesellschaften leben und mit denen Ihr kulturell verwandt seid. Ich ermutige Euch, diese brüderlichen Beziehungen zu entwickeln, den Erfahrungsaustausch zu fördern und die Treffen und Zusammenarbeit zwischen den Menschen, die sich in dieser Region für das Evangelium einsetzen, zu unterstützen. 8. Zum Schluß möchte ich Euch einladen, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken. Ihr seid eine kleine und verwundbare Herde. Aber Ihr seid die Kirche Christi auf dieser Erde im Norden Afrikas. Ihr dürft Eure Hoffnung nur auf Ihn setzen. Laßt Euch auf den beschwerlichen Wegen des Evangeliums vom Heiligen Geist leiten. Möge Gott Euch den Wagemut der Zeugen der Frohbotschaft geben, möge 250 REISEN Er Euch helfen, die geheimnisvollen Wege des Heiligen Geistes zu erforschen, damit Ihr Euch von ihm in die ganze Wahrheit führen laßt (vgl. Joh 16,13; Re-demptoris missio, Nr. 87)! Der mütterlichen Fürsorge der Jungfrau Maria, Unserer Lieben Frau von Karthago und Unserer Lieben Frau von Afrika, vertraue ich Euer Amt an, das Ihr mit Opferbereitschaft und Mut ausübt im Dienst an dem Volk, das Euch anvertraut worden ist. Ihr vertraue ich auch jede Eurer Gemeinden an, die großherzig ihr Zeugnis inmitten der Völker dieser Region leben. Besonders bitte ich sie, Euch in schwierigen Zeiten zu unterstützen und Euch zu ihrem Sohn zu führen. Von ganzem Herzen spende ich Euch meinen apostolischen Segen: Euch, Euren Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen und allen Gläubigen Eurer Diözesen. Dialog erfordert Offenheit für andere und eigene Glaubensbasis Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern aus Politik, Kultur und Religion im Präsidentenpalais in Karthago am 14. April Herr Präsident der Republik, meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine Freude, hier in Tunesien zu sein, in diesem gastlichen und freundlichen Land. Ich danke Ihnen sehr herzlich, Herr Präsident, für die liebenswürdigen Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben und die von der Achtung zeugen, die die Kirche in Ihrer Nation genießt. Ich danke außerdem den Persönlichkeiten, die an dieser Zusammenkunft haben teilnehmen wollen. Ich freue mich, durch Sie, Vertreter aus Politik, Kultur und Religion, die Möglichkeit zu haben, ein weiteres Mal - wenn auch nur kurz - dem tunesischen Volk zu begegnen, dessen Höflichkeit, Offenheit und Toleranz dem Land zur Ehre gereichen. Diese tunesischen Charaktereigenschaften sind zweifellos auch ein Resultat der geographischen Lage des Landes sowie dessen Geschichte. Tunesien gehört zur arabischen Welt, genauer gesagt zum Maghreb, und ebenso zum Mittelmeerraum. Im Lauf der Geschichte ist mit der Aufeinanderfolge glanzvoller Kulturen, die hier zusammentrafen, ein Geflecht von Beziehungen entstanden, die dem Land seine Prägung gegeben haben. Heute noch spielt Tunesien, das sich in den letzten Jahrzehnten durch seine Leistungen in den Bereichen der Erziehung und des Gesundheitswesens ausgezeichnet hat, eine wichtige Rolle für die Zusammenarbeit und den Austausch, die sich in dieser Region entwickeln. 2. In der Tat erleben wir in letzter Zeit große Anstrengungen, um das Verständnis und die Zusammenarbeit unter den Anrainerstaaten des Mittelmeers zu fördern. Der Hl. Stuhl verfolgt diese Bemühungen mit großem Interesse. Man kann sich gewiß nur darüber freuen, daß durch Investitionen und technologischen und kulturellen Austausch Möglichkeiten eines größeren Wohlstands für die Völker der 251 REISEN beiden Mittelmeerufer geschaffen werden. Es ist unerläßlich, daß die Vorteile des erwarteten Wirtschaftswachstums allen Schichten der Bevölkerung dieser Länder zugute kommen. Auch ist es Pflicht der Gerechtigkeit und gegenseitigen Achtung, daß jede Nation in den Beziehungen zu den anderen ihre Freiheit bewahren und jedes Volk seine Identität erhalten kann. In diesem Kontext kann man alle nur ermutigen, die unverzagt am Aufbau eines gerechten und dauerhaften Friedens in Nahost mitwirken. Wer könnte ohne eine angemessene Lösung für die Probleme dieser Region begründet von Entwicklung und Wohlstand sprechen? 3. Die internationale Zusammenarbeit sollte also zu Fortschritten in der Gesamtentwicklung des Menschen und der Gesellschaft beitragen; damit ist eine Entwicklung gemeint, die nicht nur den wirtschaftlichen Aspekt betrifft, sondern alle Dimensionen des menschlichen Daseins erfaßt. Unter solchen Voraussetzungen wird die Zusammenarbeit die Stabilität und den Frieden fördern. Wenn tiefe Wünsche eines Volkes nicht befriedigt werden, können die Folgen verheerend sein, was zu einseitigen Lösungen führt, die eine Bedrohung der Freiheit von Personen und Gesellschaften sind und die man womöglich mit Gewalt durchzusetzen versucht. Wenn sich den Bürgern dagegen Zukunfts aus sichten öffnen, die auf echter Solidarität unter allen gründen, werden diese um so mehr geneigt sein, auf dem Weg wahren Fortschritts für den Menschen in Gerechtigkeit und Eintracht voranzugehen. 4. Es ist offensichtlich, daß die religiösen Verantwortlichen nicht dafür zuständig sind, technische Lösungen für die Probleme der modernen Wirtschaft und der internationalen Zusammenarbeit anzubieten. Dennoch haben sie eine große Verantwortung im gesellschaftlichen Leben. Sie müssen in gewisser Weise das Gewissen der Gesellschaft sein, indem sie an die sittlichen Grundsätze erinnern, die man bei konkreten Entscheidungen in Betracht ziehen muß und indem sie zur Beachtung der wahren menschlichen Werte wie Achtung vor dem Leben, Würde der Person und Rechtschaffenheit auffordem. Sie haben auch die Pflicht, im Namen der Schwächsten und Bedürftigsten zu sprechen, deren Stimme sich kein Gehör verschaffen kann. 5. Die Sorge für die am meisten benachteiligten Mitglieder der Bevölkerung fällt nicht in die Verantwortung der öffentlichen Behörden allein; sie muß ein Anliegen aller sein. Auch die Kirche in Tunesien möchte in der ihr zukommenden Position beitragen, den auftretenden Bedürfnissen zu begegnen. Ihre Einrichtungen im sozialen Bereich, in der Entwicklungshilfe, im Erziehungs- und im Gesundheitswesen wollen im Dienst aller Tunesier stehen. Es sind Orte fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Christen, um miteinander zum Gemeinwohl beizutragen. 252 REISEN 6. Nicht ohne Ergriffenheit - das muß ich gestehen - komme ich in dieses Land, das ruhmvolle Zeiten in der Geschichte des Christentums in Erinnerung bringt. Wer könnte die Namen Cyprians, Tertullians oder Augustinus’ vergessen? Ich habe ihrer heute morgen gedacht, als ich mit der christlichen Gemeinde betete. Wie sollte ich jedoch nicht auch mit Bewunderung den Beitrag der arabischen Kultur und die Rolle ihrer Gelehrten, namentlich bei der Vermittlung der Wissenschaften, erwähnen oder auch die Schriften des großen tunesischen Philosophen Ibn Khaldun, eines Wegbereiters auf dem Gebiet der historischen und soziologischen Forschung? Die von den großen Geistern dieses Landes - Christen wie Muslimen - hervorgebrachten Werke bilden ein reiches Erbe, das es verdient, besser bekanntzuwerden. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle die Wichtigkeit des kulturellen Austauschs zwischen Bevölkerungsgruppen, die stark vom Christentum oder vom Islam geprägt sind. Ein solcher Austausch muß gefördert und unterstützt werden, denn die Kultur ist - wie ich letztes Jahr anläßlich meines Besuchs bei der Organisation der Vereinten Nationen schon sagte - „eine Weise, der transzendenten Dimension des menschlichen Lebens Ausdruck zu geben. Das Herz jeder Kultur ist ihr Streben, dem größten aller Geheimnisse näherzukommen, dem Geheimnis Gottes“ (Nr. 9). Aber ein Paradox unserer heutigen Welt ist es auch, daß in einer Epoche, wo die Kommunikation immer einfacher und schneller wird, die Kenntnis voneinander Gefahr läuft, in einem oberflächlichen Stadium stehenzubleiben. 7. In unserer Zeit hat es eine wichtige Entwicklung im Dialog zwischen Muslimen und Christen gegeben. Das Zweite Vatikanische Konzil war für die Katholiken ein entscheidender Schritt, denn sie wurden aufgefordert, sich dem Dialog und der Zusammenarbeit mit den Muslimen zu öffnen. Das Konzil ermahnte Christen und Muslime in den wohlbekannten Worten der Erklärung Nostra aetate, „sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen“ (Nr. 3). Man muß dem Land Tunesien für seine Initiativen auf diesem Gebiet Ehre erweisen: beispielsweise die vom Zentrum für Wirtschafts- und Sozialstudien organisierten islamisch-christlichen Symposien oder den Beitrag tunesischer Muslime und in Tunesien lebender Christen in verschiedenen Forschungs- und Studiengruppen, deren Arbeit große Anerkennung findet. Und mit Genugtuung habe ich erfahren, daß man daran ist, Programme akademischen Austauschs zwischen der bedeutenden Universität Zaytouna und verschiedenen päpstlichen Universitäten in Rom zu entwickeln. 8. Erlauben Sie mir noch, zusammen mit Ihnen einen Augenblick über die Bedingungen nachzudenken, die notwendig sind, damit dieser Dialog Frucht bringt. Es ist zu allererst unerläßlich, daß der Dialog von dem echten Wunsch getragen ist, den anderen kennenzulemen. Es handelt sich dabei nicht um einfache menschliche 253 REISEN Neugier. Die Öffnung für den anderen ist gewissermaßen eine Antwort auf Gott, der unsere Verschiedenheit zuläßt und will, daß wir uns besser kennen. Eine grundlegende Voraussetzung dafür ist es, daß wir uns in Wahrheit einander gegenüberstellen. Die Dialogpartner werden sich in dem Maß ruhig und sicher fühlen, als sie in ihren jeweiligen Religionen wirklich verwurzelt sind. Eine solche Verwurzelung wird die Annahme der Unterschiede ermöglichen und zwei entgegengesetzte Gefahren vermeiden helfen: Synkretismus und Gleichgültigkeit. Sie wird es außerdem ermöglichen, aus dem kritischen Blick des anderen betreffs der Art und Weise, wie der eigene Glaube formuliert und gelebt wird, Nutzen zu ziehen. Der Glaube ist auch die Grundlage der Form des Dialogs, von der ich vorhin sprach, nämlich der Zusammenarbeit im Dienste des Menschen. Denn durch die Tatsache, daß wir an Gott als Schöpfer glauben, anerkennen wir die Würde jedes von ihm geschaffenen Menschenwesens. In Gott haben wir unseren Ursprung und unsere gemeinsame Bestimmung. Zwischen diesen beiden Polen sind wir auf dem Weg der Geschichte unterwegs, auf dem wir als Brüder und in der Gesinnung gegenseitiger Hilfe voranschreiten müssen, um das transzendente Ziel zu erreichen, das Gott uns bestimmt hat. Ich möchte hier den Aufruf wiederholen, den ich während meines Besuchs im Senegal gemacht hatte: ,Mögen wir uns gemeinsam ernsthaft bemühen, zu einem gegenseitigen tieferen Verstehen zu gelangen. Möge unsere Zusammenarbeit, die wir im Namen unseres Glaubens an Gott unternehmen, ein Segen und eine Wohltat für das ganze Volk sein!“ (Ansprache beim Treffen mit den muslimischen Reli-gionsfiihrem in Dakar, 22. Februar 1992, Nr. 7). 9. Das sind einige Denkanstöße anläßlich dieses Besuchs. Es ist nur ein kurzer Besuch - das ist wahr -, aber sehr bedeutungsvoll. Ich werde das tunesische Volk in meinem Herzen in Erinnerung bewahren. Ich versichere Sie meines Gebets, damit der allmächtige und barmherzige Gott diesem Land und allen seinen Bewohnern seinen reichen Segen gewähre. 254 REISEN 4. Pastoralbesuch in Como (4./5. Mai) Beschützt und belebt die traditionsreiche Stadt und Kirche von Como! Ansprache bei der Begegnung mit der Bürgerschaft von Como auf der Piazza Cavour am 4. Mai Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vielen Dank für Euren warmherzigen Empfang. Ich danke zunächst dem Herrn Minister und den beiden Bürgermeistern, die mich auch in eurem Namen begrüßt haben. In ihren Worten sind eure Probleme und eure Hoffnungen wirksam zum Ausdruck gebracht worden. An jeden von Euch richte ich meinen herzlichen Gruß und denke dabei besonders an den Präsidenten der Region, an die hier anwesenden Vertreter der Zivilbehörden und an die Vertreter der zur Diözese Como gehörenden Gemeinden und Berggemeinden. Ich grüße den Hirten dieser Kirche, Bischof Alessandro Maggiolini, zusammen mit den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen und den Kirchengemeinden Eurer großen Diözese. Aus tiefstem Herzen danke ich all jenen, die sich persönlich für die Vorbereitung dieses Pastoralbesuchs eingesetzt haben. Ich freue mich, heute mit Euch in dieser berühmten und arbeitsamen Gegend zu sein. 2. Ihr lebt in einer Gegend von besonderer Schönheit, rings um den anmutigen See, auf den Eure Stadt blickt. Hier hat Alessandro Manzoni die Handlung seines Romans spielen lassen, der zur Weltliteratur gehört und der gerade mit dem Namen Eurer Stadt beginnt: „Der Arm des Comersees ...“. Dann sind dort die grünen Berge und die verschneiten Gipfel, der Schmuck des Chiavennatals, überragt vom Piz Tambö und vom Piz Stella, von wo die Nebenflüsse dreier großer Flüsse Europas entspringen, nämlich des Rheins, der Donau und des Po. Und wie könnte man die Pracht des Malencotals vergessen, wo man Bernina und Disgrazia bewundern kann; oder die Schönheit des „Val di Dentro“, jenseits derer die höchste Gemeinde Europas liegt, auf über 2000 Meter, und das Furvatal, das bei der Ort-lergruppe, dem Gran Zebra und dem Cevedale endet? Es sind dies wunderbare Ortschaften, die ihre Besucher einladen, ihre Gedanken zu Gott zu erheben, zu seiner Größe und seiner Güte. Bei meiner Ankunft im Hubschrauber hatte ich die Möglichkeit, von oben die Schönheit der Berge und Täler Eurer Gegend mit ihrem einzigartigen geographischen Charakter zu bewundern. Ich habe meinen Blick besonders auf das Veltliner Tal gerichtet und mit großer innerer Bewegung an diese Region gedacht, die von der schrecklichen Überschwemmung im Juli 1987 heim- 255 REISEN gesucht worden ist, mit dem dramatischen Erdrutsch von Sant’Antonio Morignone und Tartano. Es waren furchtbare Augenblicke, die uns immer in Erinnerung bleiben werden. In wenigen Stunden wurde das Veltliner Tal Opfer einer Tragödie, die Angst und Verzweiflung, Trümmer und Schrecken hinterlassen hat. Nun, nach fast zehn Jahren, habe ich mit Freude erfahren, daß dieses Tal mutig alle Schwierigkeiten überwunden hat und einen sichtbaren und positiven Aufschwung erlebt. Ich habe für die Opfer jenes plötzlichen Unglücks gebetet und sie erneut der Barmherzigkeit des Herrn anvertraut. Dies tue ich jeden Tag. Und ich habe für die Einwohner des Veltliner Tals gebetet, daß sie vertrauensvoll und von der Gnade Gottes gestützt in die Zukunft blicken mögen, denn Gott - wie Man-zoni schreibt - „trübt nie die Freude seiner Kinder, außer um ihnen eine noch sicherere und größere Freude zu bereiten“ (vgl. A. Manzoni, Die Verlobten, Kap. 8). Auch Euch Veltlinern gilt mein herzlicher Gruß. 3. Wie Ihr wi_t, markiert mein Besuch die feierliche Eröffnung des Vorbereitungsjahres auf den eucharistischen Diözesankongreß, der im September 1997 abgehalten werden wird. Ich komme zu Euch, um das Bekenntnis des Petrus vor Christus zu wiederholen: ,,Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ CMt 16,16) und um die flehentliche Frage zu erneuern: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Ich komme, um Euren Glauben an den gestorbenen und auferstandenen Christus, das fleischgewordene Wort, zu stärken: Euer Glaube an Christus, den Erstgeborenen des Vaters, Vorbild und Ziel jedes Menschen und des ganzen Universums, der in der Eucharistie unter den Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig ist; an Christus, der in seinen Dienern lebt, in der Verkündigung seines Wortes und in den Sakramenten; an Christus, der die Menschlichkeit des Menschen nicht einschränkt oder unterdrückt, sondern sie auf sich nimmt, ihr ein Bewußtsein gibt und sie durch die Erlösung zu ihrer Vollendung führt. Liebe Brüder und Schwestern, ich bin gekommen, um eine Ortskirche mit einer langjährigen Geschichte zu besuchen. Ich komme in die Diözese der frühen Märtyrer Karpophorus und seiner Gefährten - nächstes Jahr werdet Ihr die 1700-Jahr-Feier ihres Martyriums begehen, das auf halber Strecke der Baradello-Küste stattgefunden hat - und der hll. Bischöfe Felix und Abbondius, des sei. Innozenz XI., des sei. Kard. Ferrari und der Seligen der Nächstenhebe, Don Luigi Guanella und Schwester Maria Chiara Bosatta. In die Reihe der Gedenktage - und Ihr tut wohl daran, sie zu begehen, denn sie sind die Garantie für einen immer neuen Weg! -fällt dieses Jahr auch der 600. Jahrestag seit dem Beginn der Bauarbeiten Eurer wunderbaren Kathedrale, Wahrzeichen des Glaubens und der Einheit, das die tiefsten Gefühle des Glaubens und des Zusammenlebens in sich vereint; und letztes Jahr habt Ihr den 900. Jahrestag der Einweihung der Basilika von Sant’Abbondio durch meinen Vorgänger Urban II. gefeiert. 256 REISEN Im Jahr 1999 werdet Ihr dann einem großen Wissenschaftler und Mann Gottes die Ehre erweisen, und zwar Alessandro Volta, zweihundert Jahre nach der Erfindung der Voltaschen Säule. Man sieht, daß Ihr reich seid: reich an Natur, reich an Geschichte, reich in Euren Herzen. Die Leute in Como sind sehr, sehr reich. 4. Liebe Brüder und Schwestern! Ich freue mich mit Euch über Eure tausendjährige religiöse Tradition: Diese Tradition hat klare und strenge Gewissen geformt. Ich möchte meine Hochachtung auch Euch aufrichtigen Laien aussprechen, die Ihr mit großem Eifer die menschlichen Werte der Redlichkeit, der Arbeitsamkeit, der Treue zum gegebenen Wort und der Fähigkeit zu tiefgehenden und beständigen Beziehungen hochhaltet. Du, Stadt Como, sollst in der Spur einer solch fruchtbaren geistigen Tradition voranschreiten! Geh deinen Weg im Vertrauen auf Gott, und öffne ihm die Türen deiner Häuser! Euch Christen dieser Kirche fordere ich auf, den Glauben mit großem Eifer zu bekennen. Ihr sollt ein leibhaftiges Zeugnis der Einheit und der Gemeinschaft mit Eurem Bischof und den Priestern sein. Als Antwort auf den Empfang, den mir die Kinder im Stadion der Stadt bereitet haben, habe ich zu Bischof Maggiolini gesagt, daß er ein glücklicher Mensch ist, weil er der Bischof von Como ist. Ich dachte dabei vor allem an die Naturschönheiten, aber es gibt auch andere Gründe. Dem Prozeß der Entchristlichung und der Entmenschlichung, der ein solch reiches religiöses und menschliches Erbe zu vergiften und zu verderben droht, muß immer Euer Mut zur Standhaftigkeit und Seelenstärke gegenüberstehen, zusammen mit der Fähigkeit, einen Vorschlag für ein im Evangelium und in der Lehre der Kirche verwurzeltes Leben zu vermitteln. Ihr sollt unverzagte Jünger Christi und unermüdliche Verkünder seiner Heilsbotschaft sein. Schaut auf das historische Ereignis, das uns bevorsteht: das Große Jubeljahr 2000, ein bedeutsamer Meilenstein im Laufe der Geschichte und auf unserem Weg des Glaubens. Euch alle Menschen guten Willens bitte ich, die echten sittlichen Werte anzuerkennen und vorzustellen als eine unverzichtbare Stütze für ein freies und gerechtes Zusammenleben unter der Leitung von verantwortlichen Menschen, die bereit sind, sich in den Dienst aller zu stellen und die ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Ärmsten und Bedürftigsten richten. Alle Einwohner dieser Stadt und dieser Diözese, vor allem die Familien, die Jugendlichen, die alten Leute, die Kinder und die Kranken, drücke ich an mein Herz und gebe allen meinen besonderen Apostolischen Segen. 257 REISEN Wirtschaftlicher Ertrag kann nicht einziges Kriterium der Unternehmensführung sein Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der Welt der Arbeit in der Kathedrale von Como am 5. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, hier bei Euch Vertretern der Arbeitswelt zu sein, besonders bei den Handwerkern, Betriebsleitern und Unternehmern, die Ihr das Rückgrat der Wirtschaft dieser Gegend darstellt. An alle richte ich meinen herzlichen Gruß. Speziell grüße ich Euren Bischof Sandro Maggiolini und danke ihm für die Worte, die er soeben in Euer aller Namen an mich gerichtet hat. Besonders möchte ich mich aber für die Worte der beiden Vertreter der Arbeitswelt bedanken. Ich freue mich über unsere Begegnung in dieser Kathedrale, die auf beredte Weise die Traditionen des Glaubens und den Fleiß Eurer Gemeinschaft bezeugt: Eure Väter haben in den architektonischen Linien dieses berühmten Bauwerks sowie in seinen Bildern und Schriften ihre Überzeugung ausdrücken wollen, daß „die Erde den Himmel schenkt“, wenn der Mensch sich für eine Besserung der Welt einsetzt und dabei seinen Blick „auf die Dinge da oben“ richtet. So fordern sie Euch auf, die traditionellen Eigenschaften der Menschen von Como zur vollen Blüte zu bringen, wie zum Beispiel den Arbeitseifer, den Untemehmergeist und die Standfestigkeit, die der Ursprung des einzigartigen Reichtums an handwerklichen und kleinen und mittleren Unternehmen ist, Grundstein eures gegenwärtigen Wohlstands sowie grundlegendes Element der Wirtschaft dieses Landes. 2. Indem ich die Achtung der Kirche zum Ausdruck bringe, möchte ich mit Euch, meine Lieben, einige Überlegungen anstellen, die aus der christlichen Auffassung hinsichtlich des Wirtschaftslebens hervorgehen. Die Welt der Arbeit - in all ihren Formen - liegt der Kirche sehr am Herzen. Auf den ersten Blick könnten die Themenbereiche Wirtschaft, Gewinn und Beschäftigung als nicht zu ihrer Mission gehörig scheinen. Hat die Kirche etwa nicht einen vorrangig geistigen Auftrag? Aber wenn man es sich recht überlegt, kann die Arbeit auf keinen Fall als frei von geistlichen Komponenten angesehen werden, denn sie existiert nicht unabhängig vom Menschen, sie ist vielmehr ein wesentlicher Bestandteil seiner Berufung und seiner Sendung, sie ist ein Element seiner Würde. Am Ursprung der Arbeit ist der wunderbare Plan Gottes, der den Menschen über alle Dinge gestellt und ihm den Schutz und die Fürsorge für die Schöpfung anvertraut hat. Dieser ursprüngliche Plan ist von Jesus, dem menschgewordenen Sohn Gottes, vollständig offenbart worden, da er auch die tatsächliche Arbeit hat auf sich nehmen und erlösen wollen, indem er als Sohn eines Handwerkers gelebt und mit den eigenen Händen gearbeitet hat. Christus hat uns ein wahrhaftes „Evangelium der Arbeit“ gegeben. Darin ist der volle Sinn des menschlichen Wirkens ent- 258 REISEN hüllt, dessen tiefgehende Würde unterstrichen wird. Deshalb erachtet es die Kirche „als ihre Pflicht sich zur Arbeit zu äußern ... und [sieht] darin eine wichtige Aufgabe im Rahmen ihres Dienstes an der gesamten Frohbotschaft“ {Laborem exercens, Nr. 24). 3. Viele Probleme des Wirtschaftslebens rühren daher, daß in erster Linie die objektiven Aspekte der Arbeit in Betracht gezogen werden und dabei die Arbeit vor allem als produktiver Prozeß betrachtet wird. Ohne die objektiven Aspekte außer acht zu lassen, schaut die Kirche vor allem auf den Menschen: In der Arbeit wird die Person selbst verwirklicht und gefördert, und es ist genau diese Subjektivität der Arbeit, die im Mittelpunkt des Plans Gottes steht. Denn es ist ja so, „daß der Mensch, als Abbild Gottes geschaffen, durch seine Arbeit am Werk des Schöpfers teilnimmt und es im Rahmen seiner menschlichen Möglichkeiten in gewissem Sinne weiterentwickelt und vollendet, indem er unaufhörlich voranschreitet in der Entdekkung der Schätze und Werte, welche die gesamte Schöpfung in sich birgt“ (,Laborem exercens, Nr. 25). Die Arbeit macht das Universum zu einer Stimme, die die Macht und Güte Gottes preist, indem der Kosmos immer weiter vervollkommnet wird, um ihn in den Dienst des Menschen zu stellen. Wegen der Erbsünde (vgl. Gen 3,17-19), die den Plan Gottes getrübt hat, ist die Aufgabe, die Welt bis zur Vollendung der Geschichte und des Kosmos zu „vervollkommnen“ und zu vermenschlichen, mühe-und manchmal sogar leidvoll. Aber sowohl die Mühe als auch das Leid können -in Christus gelebt - ein Anlaß zur Läuterung und zur Zusammenarbeit beim Erlösungswerk werden. Diese in gewissem Sinne „religiöse“ Dimension der Arbeit schließt ihrer Natur nach auch die Solidarität und die Brüderlichkeit mit ein. Genau in dieser Perspektive können die Achtung der Gerechtigkeit und die volle Anerkennung der Rechte der Arbeiter ihre beständigste Grundlage finden. Der arbeitende Mensch darf niemals den Sachen unterstellt werden, er darf nie als einfaches Produktionswerkzeug behandelt werden. Seine Würde als Person macht ihn über jede materielle Wirklichkeit erhaben. In Erwartung der Wiederkunft Christi bereiten die Gläubigen in gewisser Weise auch durch ihre Arbeit „die neuen Himmel und die neue Erde“ vor, und sie flehen, daß sich die Weltgeschichte mit der Erhörung der Bitte erfüllen möge: „Komm, Herr Jesus!“ (vgl. Gaudium etspes, Nr. 38). 4. Im Lichte des göttlichen Heilsplans kann man einige wichtige Folgerungen für die rechte Organisation der Arbeit erkennen. Insbesondere zeigt sich die Notwendigkeit, die Arbeit in einer Weise zu organisieren, die die positiven Eigenschaften und die Kompetenz jedes einzelnen herausstellt und dadurch die Gefahr der Vermassung der Personen und der übertriebenen Spezialisierung bannt, weil diese der Menschlichkeit der Arbeiter entgegenwirken. 259 REISEN Zusammenfassend ist es also notwendig, Bedingungen zu schaffen, die eine Art der Beschäftigung ermöglichen, in der einerseits eine wirksame und rationale Produktion von Gütern und Dienstleistungen bewirkt wird und andererseits die persönlichen Fähigkeiten entwickelt werden, um dem Arbeiter zu helfen, sich tief in den Produktionsprozeß miteinbezogen zu fühlen und das, was er produziert, in gewisser Weise immer auch als etwas „Eigenes“ zu betrachten. Dies alles wird von einem Klima der Untemehmensfreiheit gefördert, die von den Verwaltern der öffentlichen Hand unterstützt werden muß, obwohl auch korrigierende Maßnahmen, die sich an den Prinzipien der gegenseitigen Hilfe orientieren und von den Bedürfnissen des Gemeinwohls vorgeschrieben werden, nicht unterlassen werden dürfen, mit besonderer Aufmerksamkeit für die weniger begünstigten sozialen Schichten. Eine absolute Freiheit, ohne Rücksicht auf die Erfordernisse der Solidarität, entspräche dem Plan Gottes sicher nicht. 5. Wie ist in diesem Kontext das Streben nach Gewinn einzuschätzen? Es ist sicher nicht unerlaubt, im Gegenteil: In dem Maße, wie es das Anzeichen der Funktionsfähigkeit eines Betriebs ist, ist es sogar vorgeschrieben. Der Ertrag kann allerdings nicht das einzige Kriterium sein, auf dessen Grundlage ein Unternehmen organisiert wird, manchmal sogar auf Kosten des allgemeinen Fortschritts der Menschen. Der Erfolg eines Betriebs in wirtschaftlicher Hinsicht kann nicht um den Preis des Verlustes der Lebens- und Arbeitsfreude bei den Angestellten erreicht werden. Eine Koexistenz von Vermenschlichung der Arbeitsumwelt und der Leistungsfähigkeit ist möglich, wenn es zu einer echten Teilnahme kommt und sich alle der Ziele des Gewinns und seiner Verwendung bewußt sind. Im Licht dieses Prinzips anerkennt die Kirche „die grundlegende und positive Rolle des Unternehmens, des Marktes, des Privateigentums und der daraus folgenden Verantwortung für die Produktionsmittel, der freien Kreativität des Menschen im Bereich der Wirtschaft“ (Centesimus annus, Nr. 42) und befürwortet außerdem eine gesunde Konkurrenz zwischen den Unternehmen. Andererseits warnt sie vor überspitztem Antagonismus und systematisch aufgebauten Konfliktsituationen, die sich über das Gemeinwohl hinwegsetzen und Angestellte wie Arbeitgeber aufreiben, ohne gleichzeitig die Qualität des Unternehmens zu verbessern. Die Konkurrenz darf also nicht die Betriebe vom Dialog und der Aussprache femhalten, und man darf die Tatsache nicht übersehen, daß der Betrieb ein Gut ist, das die Allgemeinheit angeht, ein Gut, das es auch in schwersten Krisenzeiten zu schützen und zu verteidigen gilt. Eine allumfassende Einschätzung der Arbeit und des Unternehmens fordert außerdem eine Harmonisierung der Produktion mit dem Schutz unserer Umwelt, dieses kostbaren Gutes, das wir den kommenden Generationen unbeschädigt übergeben müssen. Die Achtung vor der Schöpfung ist ein Akt der Huldigung gegenüber dem Schöpfer und ein Akt der Liebe gegenüber uns selbst und unseresgleichen. Ein Wirtschaftswachstum, das die Umwelt zerstört oder verschmutzt, führt letztendlich zu einer schlimmen Verarmung aller. 260 REISEN 6. Liebe Brüder und Schwestern! Eure Verbundenheit mit dem Betrieb und Eure Verantwortung als Arbeitgeber mögen Euch zu einer ständigen Aktualisierung der Methoden und Techniken und zu einer reichen und gehaltvollen Berufstätigkeit führen, aber auch zur Verwirklichung menschlicher, sozialer, kultureller und ethischer Werte, die die Arbeit produktiv und gleichzeitig befriedigend gestalten. Elabt keine Angst, Möglichkeiten der Mitverantwortung zu unterstützen, die eine gewisse Beteiligung am Gewinn des Betriebs vorsehen und dadurch ein positiveres Betriebsklima fördern, wodurch die Arbeitnehmer zur korrekten Ausübung ihrer Tätigkeit motiviert werden und die Arbeit als eine Gelegenheit zu persönlichem und gemeinschaftlichem Wachstums erleben. Eine solche Ausrichtung ist alles andere als schwierig, ja sie ist gerade in Eurer Gegend schon mancherorts in die Tat umgesetzt worden, denn hier gibt es viele Betriebe, wo die Kinder die Arbeit ihrer Eltern und Großeltern weiterführen und ausbauen. Die häufige Verbindung von Unternehmen und Familie hat eine Art ,Eamilienwirtschaft“ ins Leben gerufen, die eher auf Verwandtschaftsbande als auf einem Angestellten Verhältnis beruht: In der Tat ist es oft so, daß der Handwerker oder Unternehmer seinen Betrieb zusammen mit seinen Familienangehörigen leitet. Ich beglückwünsche Euch von Herzen zu dieser besonderen Eigenart Eurer Unternehmen, die dazu führt, eher nach der Qualität des Produkts als nach dessen Quantität zu streben. Die bedeutenden Ergebnisse, die dank dieser Einstellung in den Bereichen der Seiden- und Holzverarbeitung erzielt werden konnten, sind wohlbekannt. Oft ist dabei die Perfektion der Produkte mit eindrucksvollen künstlerischen Erfolgen gekoppelt. 7. Man muß allerdings besonders wachsam sein, damit das von solch lobenswerten Ergebnissen erzeugte Interesse, die Hingabe und das Niveau der Zusammengehörigkeit nicht vom Individualismus, von der Vergötterung der Arbeit und von schwerwiegenden Nachlässigkeiten gegenüber den allerhöchsten Werten der Familie in Gefahr gebracht werden. Die wichtige Lehre der christlichen Tradition, die uns beibringt, in den irdischen Gütern ein Mittel, und nicht den Zweck der menschlichen Tätigkeit zu sehen, wird Euch helfen, schädliche Überteibungen zu vermeiden und eine geordnete Entwicklung zu fördern. Sie wird auch zur Ausrottung von alter und neuer Armut führen sowie zur Lösung von Problemen, die auch Eure Gegend betreffen, wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit, die heute vor allem für die Jugendlichen dramatische Ausmaße angenommen hat, und die mit dem Grenzverkehr und der technologischen Umstellung verbundenen Schwierigkeiten. Diese Entscheidungen verlangen einen großen Einsatz von seiten der Verantwortlichen der öffentlichen Behörden, um eine beständige politische Lage zu bieten, die die nötigen Bedingungen schafft für die Entwicklung und Unterstützung des Qualitätsniveaus Eurer Betriebe, wobei gleichzeitig konkrete Initiativen der Solidarität für jene ausgearbeitet 261 REISEN werden müssen, die auf Arbeitssuche zu Euch kommen, und auch hinsichtlich des Gemeinwohls der ganzen italienischen und internationalen Gemeinschaft. 8. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr Unternehmer und Arbeiter seid aufgerufen, eine wichtige Rolle in der modernen Gesellschaft zu spielen, denn ihre Zukunft hängt zum großen Teil von Eurer Initiative, Eurer Verbundenheit mit euren Betrieben und Euren geordneten und gegenseitigen Beziehungen ab. Bei der Erfüllung dieser Pflichten dürft Ihr die höchsten Werte des Daseins nie aus den Augen verlieren. Neben den Stunden der Arbeit sollt Ihr auch andere Zeiten einplanen, die Gott, Euch selbst und Euren Familien Vorbehalten sind, damit Ihr die Wichtigkeit und Dringlichkeit der Gründe, die Euch zu Eurem täglichen Tun drängen, nicht außer acht laßt. Das Gebet und der stete Bezug auf die Werte des Evangeliums mögen Euch in der Alltäglichkeit Halt sein, in Zeiten des Erfolgs wie auch in schwierigen Lebenslagen. Der hl. Josef, Schutzpatron der Arbeiter, stehe Euch bei; Maria, die Jungfrau von Nazaret, beschütze Euch, damit Ihr immer die Kraft habt, in Ruhe zu leben und Eure Sendung als Arbeitende verantwortlich weiterzuführen. Mit diesem Wunsch spende ich Euch und Euren Familien sehr gerne meinen Segen. Ich möchte allen Anwesenden für dieses Treffen danken und für diese Geschenke, die mir zum Schluß überreicht worden sind. Am heutigen Sonntag, dem Tag des Herrn, hat sich die Arbeitswelt in der Kirche zusammengefunden. Und auf diese Weise kann sie jede Woche neuen Lebensatem schöpfen. Dieser Atem ist unverzichtbar, um Mensch zu sein, um Person zu sein, um Gottes Abbild zu sein und um mit diesem Abbild Gottes die sichtbare Welt zu verändern. Möge Gott in allen seinen Geschöpfen gegenwärtig sein, damit der Mensch aus diesen Geschöpfen, die der Herr ihm zur Verfügung gestellt hat, eine bessere und menschlichere Welt formen kann, die Gott näher ist. Dies ist mein Wunsch, liebe Brüder und Schwestern, zum Abschluß unserer außerordentlich wichtigen Begegnung hier in der Kathedrale von Como. Gelobt sei Jesus Christus! 262 REISEN 5. Pastoraireise nach Slowenien (17. bis 19. Mai) Setzt sichtbare Zeichen des Glaubens für eine Neuorientierung von Kirche und Gesellschaft! Ansprache während der Vesperfeier mit Priestern, Ordensleuten und einer Abordnung von Gläubigen in der Kathedrale von Ljubljana (Laibach) am 17. Mai Verehrte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt! Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen! Brüder und Schwestern! 1. Euch zu begegnen, die Ihr in unterschiedlichen Weisen dem Volk Gottes mit Eifer dient oder Euch auf diese anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet, ist mir Anlaß zu großer Freude. Mit Zuneigung grüße ich den Hirten der Erzdiözese, Msgr. Alojzij Sustar, seine Weihbischöfe sowie alle Bischöfe Sloweniens. Mögen meine herzlichen Wünsche durch sie dem ganzen slowenischen Volk zukommen. Unsere Begegnung findet im Rahmen einer feierlichen Vesperliturgie in dieser Osterzeit statt, die sich bereits dem Pfingstfest zuwendet. Wir möchten gewissermaßen die Erfahrung der Urgemeinschaft in den Tagen vor der Herabkunft des Heiligen Geists wiederholen, als die Apostel „einmütig im Gebet [verharrten] zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Auch wir, liebe Brüder und Schwestern, sind im Gebet vereint - zusammen mit der Mutter im Himmel -, um den Herrn zu bitten, daß er erneut den Heiligen Geist ausgieße. Die Kirche in Slowenien wie in allen Ländern der Welt braucht die göttliche Kraft des Geistes, um das Werk der Neuevangelisierung fortzuführen. Möge Maria dieses große Geschenk für die ganze Gemeinschaft der Kirche erbitten, in besonderer Weise für die Bischöfe, die Priester und die gottgeweihten Männer und Frauen, damit sie ihre Sendung im Dienste des Evangeliums zu erfüllen vermögen. In den Prüfungen, die das slowenische Volk im Laufe der Jahrhunderte wiederholt zu erleiden hatte, haben es die Hirten der Kirche nicht unterlassen, sich zu erheben, um das Evangelium vom Leben zu verkünden und die Würde und die unveräußerlichen Rechte jedes Menschen zu verteidigen. Mit noch größerem Mut haben sie es in jüngeren Jahren während des Faschismus, des Nationalsozialismus und des Kommunismus getan. Wie könnte man das heroische Beispiel unerschrockener Hingabe von Bischöfen, Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen vergessen, die das Los des Volkes Gottes mit tiefem Glauben an die göttliche Vorsehung 263 REISEN geteilt haben? Und wie sollte das Wirken vieler Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen nicht nur auf religiösem und humanitärem Gebiet, sondern auch im Bereich der Kultur, der Schule, der Wissenschaft und der Wirtschaft unerwähnt bleiben? Unter den vielen leuchtenden Beispielen ragt jenes einer berühmten, ganz dem Dienst an der eigenen Herde ergebenen Hirtenfigur hervor: des ehrwürdigen Dieners Gottes Anton Martin Slomsek, dessen Seligsprechungsprozeß glücklich dem Ende zugeht. 2. Euch Priestern, Euch Gottgeweihten, Euch Missionaren des Evangeliums möchte ich heute meine dankbare Anerkennung aussprechen für alles, was Ihr, den Spuren dieser mutigen Zeugen folgend, in den zurückliegenden schwierigen Jahren getan habt. Die Erinnerung an die Vergangenheit soll Antrieb sein, die Zukunft zu planen. Die Kirche in Slowenien ist, wenn sie der eigenen Tradition und vor allem dem Evangelium treu bleiben will, heute gerufen, neue Ziele anzusteuem und sich angemessen darauf vorzubereiten, in das dritte Jahrtausend des Glaubens einzutreten. Das verlangt erneuerten Eifer und uneingeschränkte Treue zu Christus und seiner Heilsbotschaft. Liebe Priester! Wenn das christliche Dasein „geistliches Leben ist, das heißt ein vom Geist beseeltes Leben, das von ihm zur Heiligkeit bzw. zur vollkommenen Liebe geführt wird“ (Pastores dabo vobis, Nr. 19), so gilt dies in besonderem Maß für den Priester. Das slowenische Wort „duhovnik“ (Priester) will sagen: ein vom Geist Christi Durchdrungener, jemand, der diesen Geist in die Welt bringt. Diese Sendung kann er allerdings nicht allein, isoliert erfüllen; er muß eine Gemeinschaft mit den Mitbrüdem und vor allem mit seinem Bischof bilden. Der Priester ist der „Mann für die Gemeinschaft“. In dem Schreiben Pastores dabo vobis habe ich darauf hingewiesen: „Das geweihte Amt hat eine radikale ,Gemeinschaftsform1 und kann nur als ,Gemeinschaftswerk“ erfüllt werden. Mit diesem Gemeinschaftscharakter des Priestertums hat sich das Konzil lange beschäftigt, indem es das Verhältnis des Priesters zu seinem Bischof, zu den anderen Priestern und zu den gläubigen Laien jeweils eigens untersuchte“ (Pastores dabo vobis, Nr. 17). Die vorrangige Aufgabe der Neuevangelisierung verlangt daher Priester, die „radikal und vollständig in das Geheimnis Christi eingetaucht und fähig sind, einen neuen, von der tiefen Verbundenheit mit dem Papst, den Bischöfen und untereinander und von einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit den gläubigen Laien gekennzeichneten pastoralen Lebensstil zu verwirklichen in der Achtung und Förderung der verschiedenen Rollen, Charismen und Dienste innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft“ (Pastores dabo vobis, Nr. 18). Im Zusammenhang mit diesem Dienst an der Gemeinschaft steht der Zölibat. Er soll vom Priester nicht als ein „Preis“, der für die Weihe zu zahlen ist, gelebt werden, sondern - wie die Tradition der lateinischen Kirche deutlich hervorhebt - als wesentliche Gabe seiner Selbst, um ganz für Gott und ganz für die anderen da zu 264 REISEN sein. Als Gegenleistung für diese Gabe verspricht der göttliche Meister im Evangelium das Hundertfache und das ewige Leben (vgl. Mt 19,29). 3. Ich wende mich nun an Euch, liebe Gottgeweihte, die Ihr in der Kirche gerufen seid, durch das Gelübde der evangelischen Räte in radikalerer Weise eine „verklärte“ Existenz zu leben (vgl. Vita consecrata, Nr. 20). Eure Berufung verpflichtet Euch zur Suche des Reiches Gottes in der persönlichen Heiligung und im hochherzigen Beitrag zur christlichen Begeisterung der Umwelt (vgl. Vita consecrata, Nr. 35). Das werdet Ihr in dem Maß erreichen, als Ihr die Eucharistie zum Mittelpunkt eures Lebens und das Gebet zum Atem Eurer täglichen Arbeit macht. Die Radikalität Eurer Hingabe, getragen von einem ständigen Gespräch mit dem Herrn, wird Euch helfen, nicht dem ,(Zeitgeist“ zu verfallen. Der geschwisterliche Lebensstil, das „sentire cum Ecclesia“, die Gemeinschaft mit dem Bischof und allen tragenden Kräften der Ortskirche werden Euch helfen, die Charismen, die Ihr zum Wohl des ganzen christlichen Volkes vom Heiligen Geist empfangen habt, reichlich Frucht bringen zu lassen (vgl. Vita consecrata, Nm. 42-51). Ihr pflegt eine große Verehrung der Jungfrau Maria, Mutter und Königin Sloweniens, die Ihr unter dem schönen Titel „Hilfe der Christen“ anruft. Betreut nicht Ihr, hebe Ordensmänner und Ordensfrauen, die größeren Marienheiligtümer in eurem Land, darunter so bekannte wie Brezje, Ptujska Gora und Sveta Gora? Als Behüter und Förderer der Marienfrömmigkeit, die in der christlichen Spiritualität einen wichtigen Platz einnimmt, mögt Ihr lebendige Vorbilder der Tugenden sein, welche in der Mutter des Herrn erstrahlen. Sie wird Euch den Weg zeigen, der zu Christus führt (vgl. Vita consecrata, Nr. 28). 4. Liebe Priester, liebe Gottgeweihte, die Gesellschaft erwartet von Euch eine beständige geistliche Stütze. Sie braucht Euer konsequentes, dem Evangelium entsprechendes Zeugnis. Geht mit einem großen und freien Herzen auf alle zu, um eure Brüder mit Güte und Entschlossenheit dazu zu bringen, ganz die Berufung der Kinder des einen Vaters im Himmel zu leben, der will, daß alle gerettet seien (vgl. 1 Tim 2,4). Euer Volk geht durch eine Epoche radikaler Umwandlung hindurch: Während es sich allmählich von den negativen Folgen einer totalitären Ideologie, die es stark beeinträchtigt hat, zu befreien sucht, ist es mit allen Kräften auf die Verwirklichung einer brüderlicheren und demokratischeren Gesellschaft ausgerichtet. Man muß allerdings besonders wachsam bleiben, um zu verhindern, daß eine andere, nicht weniger gefährliche Ideologie - nämlich ein ungebremster Liberalismus -den Platz einnimmt, den die frühere leer gelassen hat. Dies sind Jahre des Übergangs, und Euer Wort, verbunden mit dem Beispiel, ist unerläßlich wie einst die Führung des Mose, dem es im festen Vertrauen auf Gott gelang, das auserwählte Volk auf dem schweren Weg von der Knechtschaft in die wahre Freiheit zu führen (vgl. Gen 14,15-31). 265 REISEN Diese Aufgabe vertraue ich Euch an in der Gewißheit, daß Ihr sie mit der Hilfe Gottes ganz erfüllen könnt. Ihr werdet so auch einen wesentlichen Beitrag zur zivilen und geistlichen Wiedergeburt der geliebten slowenischen Nation leisten und den gegenwärtigen Anstrengungen für den materiellen und moralischen Wiederaufbau eures Landes Zuversicht und Optimismus verleihen. Sorgt vor allem dafür,die neuen Generationen auf die Verantwortungen vorzubereiten, die auf sie zukommen. 5. Besondere Sorge muß in dieser Hinsicht den Berufungen sowohl zum Priestertum als auch zum geweihten Leben gewidmet werden. Es ist wahr: Die gesamte Christengemeinschaft ist aufgerufen, „den Herrn der Ernte (zu bitten), Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2), und Konkretes dafür zu tun. Aber speziell von Euch ist eine ständige Aufmerksamkeit für die Keime der Berufung verlangt, die der Herr auch heute in viele junge Herzen sät. Ich denke diesbezüglich an die einzigartige Verantwortung der Priester, die in der Seelsorge tätig sind. Ihre Pflicht ist es, alle zu ermutigen, welche den Ruf des Herrn verspüren, und sie Schritt für Schritt auf ihrem Weg zu begleiten; ihrer Sorge obliegt es auch, die Eltern anzuleiten, die Anzeichen der Berufung im Herzen ihrer Kinder zu erkennen und anzunehmen. Mit Zuneigung wende ich mich an Euch, liebe Seminaristen, Novizen und Novizinnen, und an Euch Theologiestudenten. Eure jugendliche Begeisterung, eure Sehnsucht nach authentischen Werten und eure Liebe zu Christus sind ein tragendes Motiv zur Hoffnung für die Kirche. Ihr seid gerufen, in den nächsten Jahrzehnten im unmittelbaren Dienst des Volkes Gottes zu stehen. Bereitet Euch mit Emst und Kompetenz auf diese Sendung vor! Das Studium und die Ausbildung in den Seminaren und Noviziaten sollen vom Rhythmus des Gebets, von der Offenheit für einander und von der Liebe zu allen geprägt sein. Arbeitet bereitwillig mit euren Erziehern zusammen. Der jugendliche Eifer, der Euch erfüllt, möge die Orte, an denen Ihr Euren Ausbildungsgang abschließt, erhellen und erwärmen. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Priester, hebe Ordensmänner und Ordensfrauen, liebe Brüder und Schwestern: Das slowenische Volk braucht Euch. Europa und die Welt brauchen Euch, weil sie Christus brauchen. Ihm habt Ihr Euch „versprochen“. In seinen Dienst habt Ihr Euch durch die Priesterweihe oder das Ordensversprechen gesteht. Erneuert heute Eure Verpflichtungen, und geht mit Ruhe und Zuversicht weiter auf Eurem Weg! Ich vertraue Euch Maria an, der ersten Jüngerin des auferstandenen Christus, die wir zu Recht als „Königin der Apostel“ anrufen. Sie, der Leitstern der Neuevan-gelisierung, möge Eure Schritte lenken und Euch auf dem beschwerlichen täglichen Weg beistehen, damit Ihr hochherzig und beständig auf Eure Berufung zu antworten wißt. Vergeßt nicht: „Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn“ (1 Kor 1,9). Ihr sollt wissen, daß 266 REISEN Euch der Papst mit seinem Gebet nahe ist. Allen erteile ich nun mit Zuneigung meinen Segen: im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Macht Eure Erfahrung mit dem Herrn — Es gibt keine Trennung von Glaube und Leben Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend in Postojna am 18. Mai „Haec est dies, quam fecit Dominus ...“: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 118,24). 1. Liebe Jugendliche, ich begrüße Euch mit diesen Worten des Psalms, die uns aus der Osterliturgie bekannt sind. Sie sind eine Einladung zur Freude, die besonders für die heutige Gelegenheit passend ist, bei der der Papst sich voll Freude mit Euch, den Jugendlichen von Slowenien, trifft, die Ihr so zahlreich hier in Postojna versammelt seid, wo sich viele Straßen kreuzen, auf denen im Laufe der Jahrhunderte Menschen aus allen Teilen Europas gegangen sind. Es ist mir eine große Freude, mit Euch meinen sechsundsiebzigsten Geburtstag zu feiern. Geburt und Taufe erinnern an die Geschenke des Lebens und der jugendlichen Frische des Glaubens, die Gott unaufhörlich erneuert. Daher bin ich froh, heute mit Euch über den Sinn des Lebens und die Berufung nachzudenken - die wesentliche Eigenheit des Jungseins. Ich danke dem Bischof von Köper, Msgr. Metod Pirih, für die freundlichen Worte, die er soeben an mich gerichtet hat. Ebenso danke ich den drei jungen Sprechern, die Eure Gedanken zum Ausdruck gebracht haben und, ebenfalls in Eurem Namen, einige interessante Fragen an mich gerichtet haben. Ich danke allen für den herzlichen Empfang! „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat...“ Dieser Tag des Herrn ist Ostern, der in sich das gesamte Schöpfungswerk zusammenfaßt - „Gott sah, daß es gut war“ (Gen 1,18) - und gleichzeitig die göttliche Erlösungskraft offenbart. Der auferstandene Christus, der Bezwinger des Todes, bringt der gesamten Schöpfung das Licht des Evangeliums; er ist es, der sagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen“ Uoh 8,12). 2. Christus nachfolgen bedeutet, an ihn zu glauben und seine Lehre anzunehmen; in ihm den Weg, die Wahrheit und das Leben zu sehen. Die eben verkündigte Stelle aus dem Johannesevangelium verdeutlicht uns erneut die zweifache Erscheinung des Auferstandenen vor den Aposteln im Abendmahlssaal. In dieser Schilderung wird die Gestalt des Thomas besonders hervorgehoben. Ich möchte mit Euch auf die Erfahrung dieses ungläubigen Apostels eingehen, der schließlich zu einem feierlichen Bekenntnis seines Glaubens gelangt. Dieses Erlebnis setzt sich in der Geschichte der Menschheit fort: jeder ist aufgerufen, sich an ihm zu messen. 267 REISEN Der Evangelist Johannes berichtet, daß Thomas von Jesus begeistert und sogar bereit war, sein Leben für ihn hinzugeben (vgl. Joh 11,16). In Thomas können wir alle jungen Menschen erkennen, die sich für Christus und die Ideale begeistern, die er uns anbietet. Doch wenn seine Stunde schlägt, und er, Jesus, festgenommen, zum Tode verurteilt und gekreuzigt wird, überwiegen in Thomas die Zweifel. Bei der Erscheinung des Auferstandenen vor den Aposteln im Abendmahlssaal ist er nicht unter ihnen, und wenn die anderen ihm später Bericht erstatten, sagt er: „Wenn ich nicht sehe ... glaube ich nicht“ (vgl. Joh 20,25). Und Jesus erscheint ein zweites Mal und zeigt ihm seine offenen Wunden, die Zeichen der immerwährenden Liebe des Herrn für uns Sünder. Thomas sieht und glaubt schließlich. In dieser Begegnung mit dem auferstandenen Herrn findet er voll und ganz zu sich selbst und glaubt mit Leib und Seele. „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). Sind die Schwierigkeiten vieler Gläubigen heute nicht mit denen des Thomas vergleichbar? Wir sind aufgerufen, für Jesus Stellung zu beziehen. In Thomas erkennen wir einen wahrhaft Suchenden: Er schämt sich nicht, seine Zweifel zum Ausdruck zu bringen. Wenn er dem Auferstandenen begegnet und die Zeichen des Leidens mit seinen Händen berühren kann, schwinden all seine Zweifel, und er braucht keinerlei Bestätigung mehr. Diese Begegnung löst eine tiefgreifende Wandlung in ihm aus, und er sagt:,,Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28)! 3. Liebe junge Freunde! Welche Haltung habt Ihr Christus gegenüber? Er steht nicht sichtbar vor Euch, so wie er an jenem Tag dem Apostel Thomas erschienen ist. Aber auch heute zeigt er Euch auf irgendeine Weise die Wunden seines glorreichen Leibes durch das schmerzliche Zeugnis derjenigen, die im Laufe der Jahrhunderte an ihn geglaubt und sich durch persönliche, manchmal auch heroische Opfer ihm zuliebe für die Brüder hingegeben haben. Ihr habt zahlreiche Zeugen Christi vor Euch: Generationen christlicher Frauen und Männer, auch aus Eurem Volk, die ihr Leben für ihn geopfert haben. Heute möchte ich erneut zu Euch Jugendlichen sagen: Glücklich seid Ihr, wenn Ihr fähig seid zu glauben, ohne zu sehen, ohne zu berühren, lediglich aufgrund jener Anziehungskraft, die von der Schönheit und Wahrheit des Evangeliums ausgeht, dessen Zeugen die Heiligen sind. Glücklich seid Ihr, wenn das Vertrauen in die Liebe Gottes stärker ist als Zweifel und Vorurteile; wenn Ihr mit ihrer Hilfe Enttäuschungen und jeden Anflug von Mutlosigkeit und Kapitulation zu überwinden wißt. Glücklich seid Ihr, wenn Ihr den Mut aufbringt, Euch den Begegnungen mit Jesus nicht zu entziehen, sondern ihm in der Treue, der Barmherzigkeit, der Vergebung und der liebevollen Aufopferung entgegenzugehen. Glücklich seid Ihr, wenn Euer Blick nicht nur die Oberfläche von Dingen und Personen berührt, sondern zum Kern der Sache vordringt; wenn Ihr durch das Sichtbare und Berührbare zum Wesentlichen vordringt, das stets verborgen und verhüllt ist, um in Freiheit geschenkt und angenommen zu werden. Glücklich seid Ihr! 268 REISEN 4. Nun, meine Lieben, möchte ich jene Fragen beantworten, die Ihr zu Beginn dieses Treffens an mich gerichtet habt. Bei der ersten Frage geht es um Angst und Hoffnung. Wenn ich mein Leben zurückverfolge, kann ich sagen, daß der Krieg zweifellos eine unvergeßliche Erfahrung voller Gefahren und Angst ist. Ich war zwanzig Jahre alt, als über Europa und die Welt der Tod und Zerstörung bringende Sturm des zweiten Weltkriegs hereinbrach. Meine Generation ist von der Angst vor Bombenangriffen, Deportationen und Vergeltungsmaßnahmen gekennzeichnet. Ich weiß leider sehr wohl, was es bedeutet, Angst zu haben. Daher kann ich die Gemütsverfassung der Apostel sehr gut nachempfinden, die sich - nach dem Evangelium - „aus Furcht vor den Juden“ (Joh 20,19) eingeschlossen hatten. Wahrscheinlich glaubten sie, daß nunmehr alles verloren sei, daß es keine Hoffnung mehr gebe. Aber dann tritt Jesus „durch die verschlossene Tür“ in ihre Mitte, und plötzlich sieht alles anders aus. Meine Lieben, hier ist die Antwort auf Eure Frage: Es ist Christus, der stets in den Abendmahlssaal kommt. Er tritt in soviele Abendmahlssäle ein, wo er verängstigte und hoffnungslose Menschen findet, wie die Apostel nach der Prüfung vom Karfreitag. Christus tritt ein und begegnet den zahlreichen „Thomas““ von heute, um sie von seinem Sieg über den Tod, von seiner den Frieden schenkenden Liebe, von der Heilungskraft, der Erlösung und der Gnade zu überzeugen. Wir müssen bereit sein, ihn aufzunehmen, um „zu erfahren, wie gütig der Herr ist“ (i Petr 2,3). Meine Lieben, wenn Ihr versucht seid, Euch zu verschließen, weil das Leben Euch Sorgen bereitet oder erschreckt, erinnert Euch daran, daß der auferstandene Jesus an euer Herz klopft und darauf wartet, eingelassen zu werden. Wenn Ihr ihn aufnehmt, wird er zu jedem einzelnen sagen: „Friede sei mit dir.“ Nehmt ihn auf! Öffnet ihm! Fürchtet Euch nicht! Viele Jugendliche sehen keine Zukunft vor sich und suchen Zuflucht im Vergnügen, im Alkohol, in der Sexualität und den Drogen; andere erleiden einen seelischen Zusammenbruch, wiederum andere suchen einen Ausweg in der Gleichgültigkeit oder lassen sich mit gewalttätigen Gruppen ein. All das sind Versuche, der inneren Leere zu entfliehen. Aber Furcht und Verzweiflung liegen auf der Lauer. Nur der Glaube und die Liebe können die Angst bezwingen und die Hoffnung zurückgeben. Ich wünsche Euch von ganzem Herzen, jede Furcht mit Liebe überwinden und überall neue Hoffnung wecken zu können. Auch in unserer heutigen Zeit fehlen die wunderbaren Zeugnisse jener Personen nicht, die an die Liebe Christi glauben und aus ihr die notwendige Kraft schöpfen, um Frieden dorthin zu bringen, wo Krieg herrscht, Wahrheit, wo Lüge ist, Vergebung, wo Streitigkeiten bestehen, Solidarität und Einigkeit, wo Ausstoßung und Selbstsucht dominieren. Liebe Jugendliche, schaut auf Maria! Sie ist ein außergewöhnliches Beispiel für jenen Mut und jene Zuversicht, über die all diejenigen verfügen, die an das Wort Gottes glauben und es zum Bestandteil ihres Lebens machen. Möget Ihr wie Maria 269 REISEN auf den Herrn vertrauen! Wenn Ihr auf ihn baut, könnt Ihr nicht enttäuscht werden! 5. Eure zweite Frage lautet: Wie können wir die Kirche aufbauen? Hier kommt uns die Stelle aus dem ersten Petrusbrief zu Hilfe, die eingangs verlesen worden ist. Der hl. Petrus bezeichnet Christus als „lebendigen Stein“ (vgl. 2,4), als denjenigen, der mit seinem Heiligen Geist das Leben schenkt, damit alle, die ihn aufnehmen, ihrerseits zu „lebendigen Steinen“, zu Erbauern eines „geistigen Hauses“ (2,5) werden. Der Apostel wendet sich an die ersten Christen und erinnert sie an diese wunderbare, geheimnisvolle Berufung: „Ihr aber seid ein ausgewähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (2,9). Liebe lugendliche, bemüht Euch, Kirche zu „sein“. Deshalb muß Eure Gemeinschaft mit lesus durch die Liturgie, die Katechese und ein Leben in brüderlicher Gemeinschaft stets vollkommener werden. Erkennt in Eurer Taufe eine Realität, die auch in eurem gegenwärtigen Dasein weiterhin wirksam ist. Vertieft Eure Zugehörigkeit zu Christus durch die Sakramente der Buße und der Eucharistie. Seid stolz darauf, der Kirche anzugehören, und beteiligt Euch an ihrer großen Heilssendung. Nehmt auf demütige und hochherzige Weise teil am Leben der Pfarrge-meinschaft, der verschiedenen Vereinigungen und apostolischen Bewegungen, denen Ihr angehört. Müht Euch, damit die Brüderlichkeit und der missionarische Einsatz in ihnen wachse und viele Eurer Altersgenossen ihnen beitreten mögen. Macht Eure Gemeinschaften somit zu Werkstätten des Friedens und der Einheit, in denen, auch zugunsten Eurer eigenen Nation, eine von Solidarität geprägte Zukunft aufgebaut wird. 6. Bei Eurer dritten Frage geht es um die Notwendigkeit, Glauben und Leben zu vereinen: eine Anforderung, die heute dringlicher denn je ist und Euch Jugendlichen zurecht sehr am Herzen liegt. Meine Lieben, wir brauchen den Glauben für das Leben, für ein volles, wahres, ewiges Leben. Die Sakramente, die Liturgie, die Katechese, alles ist darauf hingeordnet. Wer an Jesus glaubt und ihm folgt, bereichert sein Leben mit seinem Geist und trägt auf verantwortungsbewußte und kreative Weise zum Aufbau der kirchlichen Gemeinde und der Gesellschaft bei. Sicher, auch Christen sind dem Einfluß einer individualistischen und konsumbewußten Mentalität ausgesetzt, die bisweilen von den Massenkommunikationsmitteln mit trügerischen Vorstellungen von Glückseligkeit und falschen Idealen zur Selbstverwirklichung verbreitet wird. Aber ich möchte Euch heute erneut sagen: Lernt Euch selbst kennen, entdeckt die Wahrheit über Euch selbst, denn nur sie allein wird Euch befreien. Thomas begegnete dem Bericht der anderen Apostel mit kritischer Skepsis, aber dennoch blieb er offen fpr die Wahrheit. Und in der Begegnung mit dem Auferstandenen erkannte er vollends, daß diese Wahrheit eine lebendige Person ist: Jesus Christus. Ihm gegenüber stehend, sah er 270 REISEN sein Leben als Berufung und Mission. Er stellte Jesus all seine Kraft und selbst sein Leben zur Verfügung, indem er bis in das ferne Indien reiste, um das Evangelium dorthin zu bringen. Liebe junge Freunde, Ihr braucht keine persönliche, physische Begegnung mit Jesus. Um zu glauben, reicht Euch das Zeugnis des Thomas1, das der anderen Apostel und der Kirche. Möge Jesus für Euch jene Person werden, für die es sich lohnt, das ganze Leben einzusetzen. Laßt ihn an Euren Plänen, an all Euren Aktivitäten teilhaben. So werdet Ihr zu Missionaren im täglichen Leben, in den Beziehungen zu den Familienangehörigen, zu den Schulkameraden und Arbeitskollegen, zu den Freunden in der Freizeit und beim Sport, im sozialen Einsatz. Folgt Jesus bei den wichtigen Entscheidungen Eures Lebens: bei der Entscheidung zur Ehe oder zur Jungfräulichkeit im Dienst für das Reich Gottes. Mögen die zum Priesteramt Erwählten diese Bereitschaft mit Dankbarkeit annehmen und ihr voll Großzügigkeit begegnen. Der Papst sagte weiter auf italienisch: Ein Wort für die Jugendlichen italienischer Sprache. Meine Lieben, Christus liebt und begleitet Euch. Zweifelt nie daran! Er ist es, der allem einen Sinn gibt: den positiven wie auch den negativen Momenten. Vertieft Eure Freundschaft mit Jesus: Sucht ihn im Evangelium, in der Eucharistie, im Angesicht Eurer Brüder; sprecht mit ihm im Gebet; stellt ihm jene Fragen, die für Euch, Euer Leben und die Aufgabe wichtig sind, die Euch in der Kirche und in der Gesellschaft erwarten. Wenn Eure Existenz Tag für Tag von seiner Gegenwart erfüllt ist, wird es in Euch keine Trennung mehr zwischen Glauben und Leben geben; Ihr werdet reine, treue Menschen sein, die fähig sind, auf demütige und gleichzeitig mutige Weise seine Liebe zu bezeugen. So werdet Ihr zur Erneuerung der Welt beitragen; Ihr werdet sie menschlicher und somit göttlicher gestalten. Liebt die Jungfrau Maria! Ihr, Mutter und Vorbild der Jünger, vertraue ich Euch alle an. Der Papst sagte auf slowenisch: Liebe Freunde, nochmals danke ich Euch für den herzlichen Empfang. Habt Mut! Geht den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Öffnet Euch und Euer Leben der Eingebung des Heiligen Geistes, und laßt Euch von ihm auf das weite Meer des dritten Jahrtausends hinaustreiben. Der Papst liebt Euch. Dank an die Jugendlichen, Dank an Slowenien. Gelobt seien Jesus und Maria. 271 REISEN Gemeinsam die Schwelle der Hoffnung überschreiten! Predigt bei der Eucharistiefeier im Hippodrom von Ljubljana (Laibach) am 18. Mai 1. „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Joh 16,28). Diese Worte sind Teil der Abschiedsrede Christi im Abendmahlssaal am Vorabend seiner Passion und seines Todes am Kreuz. Jetzt, nach der Auferstehung, ist der Moment ihrer Erfüllung gekommen: Wir haben am letzten Donnerstag, vierzig Tage nach Ostern, dessen gedacht, als wir die Himmelfahrt Christi gefeiert haben. Nun, da die Himmelfahrt tatsächlich stattgefunden hat, erwartet die Kirche zusammen mit den Aposteln den Tröster, den Heiligen Geist. Dies ist eine Zeit des besonderen und eindringlichen Gebets. Auf das Gebet beziehen sich auch die Worte Christi, die wir in der heutigen Peri-kope des Evangeliums gehört haben: „Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben ... Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist... Ich sage nicht, daß ich den Vater für euch bitten werde; denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt und weil ihr geglaubt habt, daß ich von Gott ausgegangen bin“ (Joh 16,23-24.26-27). Dieser liebende Vater wird „den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“ (Lk 11,13). Im Abendmahlssaal versammelt, bitten die Apostel gerade um die Gabe des Heiligen Geistes. Und auch die Kirche, die sich auf das Pfingstfest vorbereitet, bittet in tiefem Glauben darum. 2. Die Kirche bittet um die Gabe des Heiligen Geistes, um in der Lage zu sein, die ihr von Christus anvertraute Sendung zu übernehmen. Er hatte zu den Aposteln gesagt: „Geht... und lehrt alle Völker“ (vgl. Mt 29,19-20). Am Pfingsttag waren Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt betroffen von den Wirkungen der Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel. Das Buch der Apostelgeschichte zählt die Nationen auf, die an jenem Tag in Jerusalem vertreten waren. Wie viele Jahre sind seitdem vergangen! Die Verkündigung des Evangeliums hat die Straßen der Welt beschritten. Heute könnte die in der Apostelgeschichte widergegebene Liste um ein Vielfaches erweitert werden, und sie würde auch die Völker des slawischen Sprachraums enthalten, besonders das slowenische Volk. Im Laufe der Jahrhunderte gelangten die Missionare des Evangeliums nämlich bis in Euer Land, um Eurem Volk in Eurer Sprache die frohe Botschaft der Erlösung zu verkünden. Damals wurde also der Abendmahlssaal in Jerusalem erneut geöffnet, und es staunten nicht mehr nur die Völker Mesopotamiens oder Judäas, Ägyptens oder Asiens, Griechenlands oder Roms, sondern auch die slawischen Völker und die anderen Menschen, die diesen Teil Europas bewohnten. Auch sie hörten die Apostel Jesu Christi in ihrer Sprache reden und 272 REISEN von „Großtaten Gottes“ in dem ihnen vertrauten Dialekt berichten (vgl. Predigt in der Kathedrale von Gnesen, 3. Juni 1979; in: O.R.dt., Nr. 23, 8. Juni 1979). 3. Das Christentum wurde zu Euch gebracht durch Missionare, die aus verschiedenen Städten in der Nachbarschaft Sloweniens kamen: aus Salzburg, aus Aquileia und aus Pannonien. Es waren Bischöfe wie die hll. Vigilius, Modestus und Paulinus und die Jünger der hll. Kyrill und Methodius, die Euch den christlichen Glauben überbracht haben. Die ersten Schriftstücke, die in Eurer Sprache abgefaßt und etwa tausend Jahre alt sind, enthalten Gebete sowie katechetische und liturgische Texte. Die ersten Fassungen der Bibel in slowenischer Sprache gehen auf die Zeit der Reformation und der katholischen Erneuerung zurück. Euer Volk hat sich für das Geschenk des Glaubens erkenntlich gezeigt und seinerseits der Universalkirche zahlreiche Missionare dargeboten. Unter ihnen finden wir den Bischof Friedrich Baraga, der als Missionar bei den Indianern Nordamerikas tätig war, und Pater Ignatius Knoblehar in Afrika. Ihrem Beispiel folgend, sind andere in die ganze Welt hinausgegangen. Ich möchte hier ganz besonders an Schwester Ksaverija Pirc und an den Arzt Janez Janez erinnern. Ihr Zeugnis ist ein beredter Ausdruck der geistigen Vitalität und der Fruchtbarkeit Eurer Diözesen. Trotzdem wird das Evangelium, solange die Kirche eine Pilgerin hier auf Erden ist, nie ein für allemal verkündet. Es verlangt neue Verkündiger und Zeugen für jede Zeit. Es reicht nicht aus, sich auf das Erbe der Vergangenheit zu berufen, denn jede Generation muß ihre Entscheidung für das Christentum wiederholen. Angesichts des Risikos der Trennung von Glauben und Kultur, von Glauben und Leben stellt sich Euch heute die wichtige Aufgabe, die Verkündigung des Evangeliums erneut aufzunehmen und zu den anderen zu bringen. Die Zunahme von Verbänden und Bewegungen für das Apostolat, die verschiedenen Formen der Nächstenliebe und der Hilfe für die Bedürftigen, die Mitarbeit der Laien am Leben der Kirche, besonders in der Katechese, sind kostbare Früchte der neuen Evangelisierung. Aber noch mehr, hebe Brüder und Schwestern, ist das Beispiel Eures christlichen Lebens vonnöten: Wenn das Evangelium zu Eurem Leben wird, wird es als das Licht der Welt leuchten. 4. Im Laufe der Geschichte hat Eure christliche Gemeinschaft sehr schwere Prüfungen erlebt und in neuerer Zeit sogar die Greuel zweier Weltkriege. Und wie könnte man die gewaltträchtige, kommunistische Revolution vergessen? Zu den von der fremden Besatzung verursachten Leiden kam noch die Geißel des Bürgerkriegs hinzu, wo der Mensch die Hand gegen den eigenen Bruder erhoben hat. Der Diener Gottes Lojze Grozde war nur eines der unzähligen und unschuldigen Opfer, die die Palme ihres Martyriums hochhalten als unauslöschliche Erinnerung und Mahnung. Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien haben während und nach dem Krieg Gefangenschaft, Folter, Verschleppung und gewaltsamen Tod erlitten. 273 REISEN Jetzt erflehen sie von Gott Wiederversöhnung, Frieden und Eintracht für alle Teile der Nation. 5. Dieser Blick in die Vergangenheit war notwendig, um die Zukunft realistisch planen zu können. Liebe Brüder und Schwestern! Auch die Kirche in Eurem Land, die nunmehr an die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends angelangt ist, hat die dringende Pflicht, im Hinblick auf die neue Evangelisierung zu ihren Ursprüngen zurückzukehren. Ich bin zu Euch gekommen, um Euch in dieser Verpflichtung zur der Bekehrung zum Evangelium und zu einer echten, geistlichen Erneuerung zu bestärken. Ich bin heute hier in Ljubljana, dem „Weißen Ljubljana“, unter dem slowenischen Volk als Pilger und Bote des Evangeliums. „Vater, stärke uns im Glauben“ ist der Wahlspruch, den Ihr für diesen Besuch gewählt habt. Und genau dies will ich tun: Euch im Glauben Eurer Väter stärken und Euch zum Festhalten am Evangelium auf Eurem Weg ins dritte Jahrtausend ermutigen. Ich drücke Euch meine Freude darüber aus, daß ich mich heute in einem unabhängigen slowenischen Staat befinde, am Anfang eines neuen und verheißungsvollen Abschnitts seiner Geschichte. Ich grüße Euch alle sehr herzlich. Besonders begrüße ich den Hirten dieser Diözese, Msgr. Alojzij Sustar, und danke ihm für die Worte, die er zu Beginn dieser Feier an mich gerichtet hat. Ich grüße die Kardinäle, alle weiteren, hier anwesenden Bischöfe, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen sowie die Laien, die mit großem Engagement in den verschiedenen Verbänden und Bewegungen des Apostolats tätig sind. Ich grüße die Jugendlichen, die Kranken und diejenigen, die von fern hierher gereist sind, um sich uns bei dieser Feier anzuschließen. Ich begrüße die hier versammelten Autoritäten: an erster Stelle den Präsidenten der Republik, den Chef und die Mit glieder der Regierung und all jene, die an der Vorbereitung dieser liturgischen Begegnung beteiligt waren. Euch allen gilt mein herzlicher Dank. 6. „Stärke deine Brüder“ (Lk 22,32). So gebot Jesus dem Apostel Petrus und seinen Nachfolgern. In Erfüllung dieser besonderen Aufgabe des Petrusamts möchte ich Euch in der Wahrheit des Evangeliums stärken. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch ...“: So verkündet Jesus das Evangelium. Sein Wort ist Wahrheit (vgl. Joh 17,17). Mit dem Apostel Paulus sage ich Euch erneut: „Das Wort ist glaubwürdig und wert, daß man es beherzigt“ (7 Tim 1,15). Das Evangelium, das die Kirche Euch verkündet, „stammt nicht von Menschen“ (Gal 1,11), sondern es ist „das Evangelium Gottes“ (Röm 1,1), „eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1,16). Der Herr hat versprochen, daß er seine Kirche auf Petrus aufbauen wird, das heißt auf einen ,Felsen“, der seine Festigkeit aus Jesus Christus gewinnt, denn „einen anderen Grund kann niemand legen“ (7 Kor 3,11). Er ist der Eckstein, den die Bauleute verworfen haben (vgl. Mt 21,42). Unser Jahrhundert hat erfahren, was es bedeutet, auf dem Sand von Ideologien zu bauen, die Gott verachten. Und wurde 274 REISEN nicht gerade deshalb unser Jahrhundert vom Blut der Unschuldigen und der Märtyrer befleckt? Diejenigen, die eine Welt ohne Gott aufbauen, können das wahrlich nur gegen den Menschen, gegen seine wahre Verwirklichung und sein wahres Glück erreichen (vgl. Reconciliatio et paenitentia, Nr. 18). 7. Im Antwortpsalm haben wir gebetet: „Ihr Völker alle, klatscht in die Hände, jauchzt Gott zu mit lautem Jubel!“ (Ps 47,2). Und im Kehrvers haben wir wiederholt: „Dich sollen preisen, o Gott, alle Völker der Erde.“ Christliches Volk von Slowenien, singe mit Freude zu Gott! Der Besuch des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, soll dich an deinen Platz in der großen Gemeinschaft der Weltkirche erinnern. Mit dem Apostel Petrus möchte auch ich Euch sagen: „Ich halte es für richtig, euch durch meine Ermahnungen wach zu halten. Ich will aber dafür sorgen, daß ihr auch nach meinem Weggang euch jederzeit daran erinnern könnt“ (vgl. 2 Petr 1,13.15). Vergeßt nicht die Großtaten Gottes, der seine Herrlichkeit in eurem Volk offenbart hat durch das Zeugnis großherziger Christen, wahrer Abbilder seiner Gegenwart, die alles verklärt und alles heiligt. Mit dem Apostel Petrus möchte ich noch hinzufügen: „Meine Brüder, bemüht euch noch mehr darum, daß eure Berufung und Erwählung Bestand hat“ (2 Petr 1,10). Dieser Besuch des Papstes, den Ihr gewiß mit großem Eifer und Einsatz vorbereitet habt, muß genau dazu dienen. Möge diese Arbeit nun reiche Frucht bringen! Auf serbisch fuhr der Papst fort: Ich freue mich, auch die Vertreter der Serbisch-Orthodoxen Kirche begrüßen zu können, denen ich herzlich für ihre brüderliche Anwesenheit bei dieser Eucharistiefeier danke. Ihnen und allen Gläubigen dieser Kirche wünsche ich den Frieden des auferstandenen Herrn. An die Pilger deutscher Sprache gewandt, sagte der Papst: Mein herzlicher Gruß gilt den deutschsprachigen Gläubigen, die zur Feier des Gottesdienstes nach Ljubljana gekommen sind. Wir müssen uns alle zusammen bewußt werden, daß das Evangelium zu jeder Zeit neue Verkünder und Zeugen braucht. Es reicht nicht, sich nur auf das Erbe der Vergangenheit zu berufen, denn jede Generation muß die je eigene Wahl für das Christentum treffen. Die Neuevangelisierung der Völker in Europa ist uns allen aufgegeben; eine wesentliche Voraussetzung dafür ist das Beispiel eures christlichen Lebens, das in der Welt leuchten soll. Mit diesem Beispiel sollt Ihr auch auf das Große Jubiläumsjahr 2000 zugehen, bestärkt durch unsere Hoffnung, die Christus ist. 275 REISEN ... und wieder auf slowenisch: 8. Heute wiederhole ich, was ich schon am Anfang meines Amts auf dem Stuhl Petri sagte: „Habt keine Angst!“ Habt keine Angst vor Christus; glaubt an ihn und an seine Liebe. Reißt die Tore weit auf für den Heiland! Habt keine Angst vor der Kirche, denn sie möchte, daß jeder Mensch Christus begegnet und in Ihm seine Rettung findet. Christus, unsere Hoffnung, ist auferstanden! Liebe Brüder und Schwestern, die österliche Hoffnung möge Euch in diesem und den kommenden Jahren begleiten und Euch zum Großen Jubeljahr 2000 führen. Überschreitet auch Ihr, zusammen mit mir und euren Bischöfen und Priestern, die Schwelle der Hoffnung! Unsere Hoffnung ist Christus, der von den Toten Auferstandene. Amen! Setzt Zeichen der Eintracht und des Friedens unter den Völkern! Regina Caeli in Maribor (Slowenien) am 19. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine Freude, heute zum Abschluß einer so feierlichen Liturgie mit Euch das Mariengebet Regina caeli beten zu können. Und mit Euch wende ich mich gern an Maria und vertraue ihr Slowenien an, das die 1250-Jahr-Feier der Evangelisierung begeht. Diese Tage sind erfüllt von großer Dankbarkeit gegenüber dem Herrn für das unschätzbare Glaubensgut. Das Christentum hat der slowenischen Kultur seinen unauslöschlichen Stempel aufgedrückt; in der Tat ist die erste in slowenischer Sprache überlieferte Niederschrift ein Gebet. Slowenien, edle Nation im Herzen Europas, bleibe dem Evangelium, das du empfangen hast, treu! Sei der Sauerteig der Eintracht und 'es friedlichen Zusammenlebens unter den Völkern! 2. Liebe Brüder und Schwestern! Euer Land, das durch zahllose in Weiß strahlende Kirchen, durch Kapellen und Wegkreuze geweiht ist, zeigt uns auch heute noch, daß hier ein Volk mit festen christlichen Wurzeln lebt. Viele Eurer Kirchen sind der Gottesmutter Maria geweiht. Sie sind das Zeichen, daß die Slowenen im Laufe ihrer Geschichte ihre Freuden mit denen Marias und ihre Leiden mit ihren Schmerzen vereinen wollten. Im Geist pilgere ich mit Euch zu Euren Marienheiligtümem: zu Maria Hilf in Brezje, zu Mariä Himmelfahrt und zur Madonna von Ptujska Gora, die als Königin der Slowenen angerufen wird. Ihr habe ich im Marianischen Jahr Eure Nation ge- 276 REISEN weiht. An die Jungfrau Maria richten sich auch heute in diesem ihr gewidmeten Monat mein dankbares Gedenken und mein Gebet für Euch alle. 3. Meine Lieben, ich empfehle Euch der Gottesmutter, die am Pfingsttag unter den ersten Gliedern der entstehenden Barche war. Maria verharrte im Gebet mit den Aposteln! Maria nimmt ständig an der Evangelisierung, an der Sendung der Kirche teil. „Sie geht dem ganzen Volk Gottes auf dem Glaubensweg voran“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 58). Sie geht auch Euch slowenischen Christen auf diesem Weg voran! Maria ist „unsere Freude und Hoffnung“, denn von ihr „ist das Licht der Welt gekommen“. Maria wende uns von Brezje, von Sveta Gora und von Ptujska Gora aus ihre barmherzigen Augen zu und zeige uns nach diesem Elend die gebenedeite Frucht ihres Leibes, Jesus! Nach dem Regina caeli begrüßte der Papst die Piiger in verschiedenen Sprachen; er sagte auf deutsch: Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an Euch, liebe deutschsprachige Gläubige, die Ihr heute nach Maribor gekommen seid, um Gott für das unschätzbare Geschenk des Glaubens zu danken. Wir vertrauen uns besonders in diesem Monat Mai in unserer Freude und in unserem Leid Maria, der Königin Sloweniens, an. Der Papst sagte in Ungarisch: Voll Liebe grüße ich auch Euch, liebe ungarische Pilger, die Ihr in Slowenien lebt, und Euch, die Ihr aus Ungarn gekommen seid. Maria ist unsere ,Freude und Hoffnung“, weil von Ihr „das Licht der Welt gekommen ist“. Unser Herr Jesus Christus führe Euch und Eure ungarischen Brüder und Schwestern auf dem Weg des Glaubens, der Hoffnung und eines dauerhaften friedlichen Zusammenlebens durch die Fürsprache der jungfräulichen Mutter, der Königin von Slowenien. In Kroatisch sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich an die kroatischen Pilger, vor allem an die vielen Jugendlichen, die mit ihren Bischöfen, Priestern und Katecheten gekommen sind. Meine Lieben, in herzlicher Erinnerung an meinen Pastoralbesuch in Kroatien wünsche ich Euch ständiges Wachstum im Glauben und erbitte vom Herrn Frieden und Eintracht für Euer Vaterland. Gelobt seien Jesus und Maria! 277 REISEN 4. Slowenien hat einen wichtigen und vielversprechenden Schritt in eben diese Richtung mit der Wiedereingliederung der theologischen Fakultät in seine Universität getan. In das Gesamtbild anderer Disziplinen eingefügt, zeigt die Theologie einerseits, daß sie die Herausforderung der Rationalität in vollem Umfang annimmt; andererseits kann sie nicht umhin, gerade die Rationalität zu provozieren, sich dem Mysterium zu öffnen, das über sie selbst hinausgeht. Bei der Erfüllung ihrer Aufgabe - nämlich dem Angebot und der Vertiefung der „Wahrheit des Evangeliums“ (Gal 2,5) - beleuchtet sie auch den Sinn des Lebens und der Geschichte und leistet auf diese Weise einen unersetzlichen Beitrag zur Aufbau der Welt und zur Verbesserung des Zusammenlebens der Menschen. Ihre „Effizienz“ kann sicher nicht mit den Maßstäben der „technologischen Rationalität“ gemessen werden, sie darf aber trotzdem nicht als weniger wirklich oder weniger nötig angesehen werden. 5. In der von der Theologie erarbeiteten Perspektive kann die Wissenschaft selbst an ihren Grenzen einem neuen Horizont begegnen und erkennen, daß sie jenseits dieser Grenzen eine „Vollendung“ braucht. Es ist dies eine Begegnung, die in der gegenwärtigen Kulturphase sogar für das Schicksal der irdischen Hoffnung als besonders entscheidend erscheint. Es ist nämlich wohlbekannt, daß der Zusammenbruch der großen Ideologien den Optimismus eines gewissen laizistischen Humanismus, der die Kulturszene lange Zeit beherrscht hat, auf eine harte Probe stellt. Heutzutage besteht die vorherrschende Versuchung nicht mehr darin, alles auf die menschliche Vernunft zu gründen, sondern im Verzicht auf die Perspektive selbst irgendeiner Grundlage, um sich von einer gefährlichen Skepsis treiben zu lassen, im Zeichen der Müdigkeit und der Frustration. In diesem Kontext tiefer, kultureller Krise ist in vielen Wissenschaftlern die Überzeugung wiedererwacht, daß Wissenschaft und Glauben sich nicht länger gegenseitig unbeachtet lassen dürfen und daß es notwendig ist, eine Brücke zwischen beiden zu bauen. Es handelt sich dabei nicht um eine nur durch zufällige Gründe auferlegte Annäherung. Tatsächlich kann die religiöse Frage im Herzen des Menschen nicht erstickt werden, und sogar die von der Wissenschaft gebotene Weltanschauung muß auf grundlegende Fragestellungen verweisen: Warum ist die Natur rational erkennbar? Warum ist sie geordnet und nicht chaotisch? Die harmonische Dynamik des Kosmos wirft die Frage der metaphysischen Kausalität und der letztendlichen Zielbestimmung aller Dinge auf. Am Ende der Epoche der Wissenschaftsgläubigkeit kann man jetzt mit größerer Klarheit sehen, daß die Perspektive des Glaubens derjenigen der echten, wissenschaftlichen Erkenntnis nicht widerspricht. Im Gegenteil, es wird uns bewußt, daß zwischen ihnen ein fruchtbarer Dialog zustande kommen kann, trotz der Unterscheidung der Ebenen und der jeweiligen Kompetenzen. 6. Dieser Dialog erscheint besonders dringend vor allem in bezug auf ganz konkrete Probleme des persönlichen und sozialen Lebens. Es handelt sich um kom- 280 REISEN plexe und manchmal sogar dramatische Probleme. Viele davon hängen mit der Anerkennung des transzendenten Charakters der menschlichen Person und ihrer unveräußerlichen Rechte zusammen, von der Empfängnis bis hin zu seinem natürlichen Ende. Die Welt der Wissenschaft und der Kultur ist in dieser Hinsicht zu einem außerordentlichen Einsatz aufgerufen, insbesondere durch die Schule und die anderen Erziehungseinrichtungen. Ich wende mich deshalb an Sie, die Sie im öffentüchen Leben große Verantwortung tragen: Löschen Sie das Licht des Glaubens in den jungen Generationen nicht aus; nähren Sie in ihnen die Hingabe an jene Werte, die sie vor Skeptizismus, Egoismus, Gewalt und Drogen bewahren können. Sie als Denker, Wissenschaftler und Künstler, Sie, die Sie seinerzeit einen entscheidenden Beitrag zur Verteidigung der Menschenrechte in Ihrem Land geleistet haben, lassen Sie in Ihrer Wachsamkeit nicht nach, damit keines dieser Rechte in irgendeiner Weise bedroht werde. Setzen Sie sich vor allem für das Recht der freien Ausübung des Glaubens ein, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben. Die Kirche verfolgt ihrerseits kein anderes Ziel als das, dem Menschen die Rettung in Jesus Christus zu verkünden. Haben Sie keine Angst vor Christus! Haben Sie keine Angst vor der Kirche! Sie steht jenen zur Seite, denen die Würde des Menschen und seine wahrhafte Freiheit am Herzen liegen. Sie war und bleibt eine treue Hüterin Ihrer geschichtlichen Überlieferung und der edelsten Traditionen der slowenischen Nation. 7. Meine Damen und Herren! Die Förderung und Entwicklung der Kultur und der Wissenschaft ist von grundlegender Bedeutung sowohl für das ganzheitliche Wachstum der Einzelpersonen als auch für das Leben der Völker. Nur eine lebendige und reiche Kultur der Nation wird Sie vor der Gefahr schützen, sich in eine Welt einzugliedem, die dem Risiko der Anpassung an eine flache Einförmigkeit ausgesetzt ist, und fast „unterzugehen“. Gleichzeitig wird sie Ihre Eingliederung in das neue Europa erleichtern in einer Situation voller Gleichberechtigung mit den anderen Ländern, und dort werden Sie Ihren spezifischen Beitrag zum Zusammenspiel der Nationen leisten können. Ihr Eifer soll von dem Bewußtsein geleitet werden, daß Slowenien - im Laufe seiner langen und nicht leichten Geschichte - im christlichen Glauben immer einen wesentlichen Bestandteil seiner Kultur gehabt hat. Den vor 1250 Jahren erhaltenen Glauben zu achten und zu erhalten und der Kirche den Platz zuzuerkennen, der ihr im öffentüchen Leben gebührt, ohne ihr die zur Ausübung ihrer Sendung notwendigen Mittel zu entziehen, ist nicht nur ein Anspruch der Gerechtigkeit in einem Rechtsstaat, sondern auch eine Bedingung für die Wahrung Ihrer eigenen Identität. Die Treue zu dieser Kultur, die vom christlichen Glauben durchdrungen ist, ist die beste Gewähr für Ihre Zukunft. Ich wünsche Ihnen, daß diese Zukunft reich an Hoffnung und vom Segen Gottes gezeichnet sei, während wir erwartungs- und hoffnungsvoll auf das dritte Jahrtausend zugehen, vor dessen Tor wir stehen. 281 REISEN Danke für Ihr aufmerksames und freundliches Zuhören. Gott segne Sie und Ihre Arbeit! Telegramm an den österreichischen Bundespräsidenten beim Überfliegen des Landes bei der Rückkehr nach Rom am 19. Mai Seiner Exzellenz Herrn Dr. Thomas Klestil, Bundespräsident der Republik Österreich, Wien Während ich auf der Rückkehr von meinem Pastoralbesuch in die Republik Slowenien Ihr Land überfliege, übersende ich Ihnen und dem ganzen österreichischen Volk meine aufrichtigsten Grüße. Möge Österreich, das heuer das Millennium der „Ostarrichi“-Urkunde begeht, weiterhin sein gesellschaftliches Leben an christlichen Werten orientieren. Dazu erbitte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, und allen Bürgern der Republik Österreich Gottes Segen. Joannes Paulus PP. II 282 REISEN 6. Pastoralbesuch in Deutschland (21. bis 23. Juni) Videobotschaft an die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Juni Liebe Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland! 1. Vor Beginn meines dritten Pastoralbesuchs in der Bundesrepublik Deutschland, den ich mit großer Hoffnung und Erwartung antrete, möchte ich Ihnen allen meinen herzlichen Gruß entbieten. Mein Gruß gilt allen Bewohnern Ihres Landes, dessen Kultur und Sprache ich mich zeit meines Lebens sehr verbunden weiß. Ich grüße die Katholiken, besonders in den Erzdiözesen Paderborn und Berlin, von denen ich vielen persönlich begegnen werde; ich grüße die Christen der aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften, ich grüße aber ebenso die Schwestern und Brüder jüdischen Glaubens und anderer religiöser Bekenntnisse. Ich wende mich gleichermaßen an alle Menschen guten Willens, die keiner christlichen Konfession angehören und bisher die Gegenwart Gottes in ihrem Leben nicht zu erspüren vermochten. 2. Zum ersten Mal werde ich in Ihr Land kommen nach der Vollendung der staatlichen Einheit, nach den Jahrzehnten schmerzlicher Trennung, die ganz Europa gespalten und entzweit hat. Ich werde zunächst nach Paderborn reisen, in eine Erzdiözese mit reichem christlichen Erbe, einem Missionszentrum, dem bereits im Jahre 799 der Besuch eines Papstes, nämlich Leos des Dritten, galt. Dort möchte ich in der Begegnung mit Vertretern anderer christlicher Kirchen und Gemeinschaften die unverfügbare Verpflichtung aller Christen in Erinnerung rufen, dem Auftrag des Herrn um die Einheit seiner Kirche gerecht zu werden. 3. In Berlin habe ich die große Freude, zwei Glaubenszeugen Ihres Landes aus der Zeit des Nationalsozialismus als Märtyrer seligzusprechen: den Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg und den Priester Karl Leisner aus dem Bistum Münster. Diese eindrucksvollen Gestalten sind uns allen eine unüberhörbare Botschaft von der göttlichen Liebe, die alle Menschen erreichen möchte und niemanden ausschließt; von der Hoffnung auf das Leben in Gott, das über den irdischen Tod hinaus dauert; vom Glauben an Jesus Christus, der alle Ideologien überwindet. 4. Am Brandenburger Tor möchte ich dann meine Verbundenheit und Sympathie mit den Berlinern bekunden, die über Jahrzehnte in beispielhafter Weise an die Freiheit geglaubt haben. Außerdem werde ich führende Vertreter des Staates tref- 283 REISEN fen, denen auch von dieser Stelle mein besonderer Gruß gilt. Wie kein anderer Punkt in der heutigen Bundeshauptstadt Berlin ist das Brandenburger Tor über Jahrzehnte hin Symbol der Teilung dieser Stadt und der Spaltung des ganzen europäischen Kontinents gewesen. Nach dem Niedergang der totalitären Systeme in Mittel- und Osteuropa ist dieses Tor heute zum Zeichen der Öffnung und Verbundenheit aller Völker in Ost und West geworden. Es ist meine feste Hoffnung, die, wie ich weiß, von unzähligen Menschen in Deutschland und in Europa geteilt wird, daß dieser hier symbolisierten wiedergewonnenen Einheit Europas auch weiterhin konkrete Schritte der solidarischen Mitverantwortung folgen, die nach übereinstimmender Ansicht nur dann für die Zukunft tragfähig bleiben, wenn sie im Bewußtsein einer verbindenden Grundlage geistiger und ethischer Werte unternommen werden. Ohne gemeinsame und bindende Überzeugungen, die auf der Gewißheit basieren, daß das menschliche Leben Geschenk ist und in Gott seinen unverfügbaren Ursprung und sein alleiniges Ziel hat, wird dieses Zusammenwachsen nicht gelingen. Dem Besuch in Ihrem gebebten Land sehe ich mit freudiger Erwartung entgegen. Ihnen allen ein herzliches „Grüß Gott“ und „Aufwiedersehen“. Erwartung und Zuversicht im vereinigten Deutschland Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen Paderbom-Lippstadt am 21. Juni 1. Zum dritten Mal führt mich mein Weg zu Ihnen nach Deutschland, seitdem mir der apostolische Dienst des Nachfolgers des hl. Petrus übertragen wurde. Es ist für mich eine besondere Verpflichtung und Verantwortung für die ganze Kirche Christi, die Schwestern und Brüder in aller Welt in ihrem Glauben zu stärken und das Band der Einheit zwischen dem Stuhl Petri und den Ortskirchen zu festigen und zu verlebendigen. Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, danke ich aufrichtig für die sehr freundlichen Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben, und erwidere Ihnen von Herzen den Ausdruck hoher Wertschätzung, mit dem Sie mich im Namen Ihres Volkes zu meinem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland willkommen heißen. Mit Ihnen grüße ich Herrn Minister Rüttgers für die Bundesregierung, den Herrn Ministerpräsidenten Rau des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen sowie alle anwesenden Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft und alle Bürger in Ihrem Land. Mein brüderlicher Gruß gilt insbesondere den kirchlichen Vertretern, vor allem dem geschätzten Herrn Erzbischof von Paderborn, den anwesenden Kardinälen und Herrn Bischof Karl Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Euch und allen Gläubigen bekunde ich meine innige Verbundenheit und Zuneigung. 284 REISEN 2. Die Kirche, die sich weltweit zunehmend ihres vielgestaltigen, geistlichen Reichtums bewußt wird, ist gerufen, die Erfahrungen der Hoffnung und der Liebe, die sie in ihren unterschiedlichen Gruppen und Gemeinschaften, vor allem in den Pfarreien und Diözesen, macht, mitzuteilen und zur Stärkung ihrer universalen Gemeinschaft einzusetzen. Die Kirche in Deutschland hat sich, wie ich aus vielen Begegnungen weiß und wie ich selbst bei meinen beiden vorangegangenen Besuchen erfahren durfte, durch großes weltumfassendes Engagement ausgezeichnet und erfreut sich daher in vielen Kirchen, ja besonders in den jungen, dankbarer Beliebtheit. Auch die künstlerischen, intellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen in Ihrem Land finden berechtigte Anerkennung und verdienen Respekt. Doch ist sich auch Deutschland bewußt, daß es in einer Welt zunehmender Vernetzung und gegenseitiger Abhängigkeit nicht minder darauf angewiesen ist, selbst zu empfangen und die Begabungen und Fähigkeiten anderer zum eigenen Nutzen entgegenzunehmen und fruchtbar zu machen. Dies gilt für viele Bereiche in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft; es gilt aber nicht zuletzt auch für den Bereich des geistlichen und kirchlichen Lebens. Auch hier besteht die Aufgabe, das vorhandene Gute zu erhalten und zu stärken und manches, was ein zeitgemäßes, doch tief in den Erfahrungen der Kirche verwurzeltes Glaubensleben erschwert oder was die bleibenden Wahrheiten verdunkelt, zu überwinden und aus den vielen und frischen Erfahrungen anderer Ortskirchen zu schöpfen und zu lernen. 3. Aus diesen Überlegungen geht schon hervor, daß mein Besuch in der Bundesrepublik Deutschland auf der einen Seite der Kirche und den Katholiken gilt, vor allem denjenigen in der altehrwürdigen Erzdiözese Paderborn und in dem neuen Erzbistum Berlin. Doch wende ich mich nicht weniger herzlich auch an die Schwestern und Brüder deijenigen Gemeinschaften, die aus der Reformation hervorgegangen sind, an die Schwestern und Brüder der orthodoxen Kirchen und anderer christlicher Kirchen und Gemeinschaften, die in Deutschland vertreten sind. Ihnen allen gilt von dieser Stelle aus bereits mein aufrichtiger und freundschaftlicher Gruß. Schließlich wende ich mich an alle Frauen und Männer guten Willens, vor allem in den neuen Bundesländern, die keiner Kirche angehören. Ihnen allen gilt mein Besuch. Sie alle möchte ich mit meinem Wort erreichen, um alle guten Kräfte echter Menschlichkeit anzusprechen und einzuladen, dem göttlichen Willen und seinem durch die Vermittlung eines aufrichtig geformten Gewissens zur Geltung kommenden Wirken in seiner Schöpfung zum Durchbruch zu verhelfen, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Menschheit an der Schwelle zum dritten christlichen Jahrtausend wirksam begegnen zu können. Niemand weiß so gut wie Sie in einem Land, das durch Jahrzehnte gewaltsam gespalten war und große innere Entfremdungen zu erleiden hatte, wie groß die Anstrengungen sein müssen, um Ihrem Land im Herzen Europas, dem ganzen Kontinent sowie der ganzen Welt eine, friedliche und menschliche Zukunft zu sichern. Eine solche Zukunft in Frieden und Sicherheit, in Freiheit und Gerechtigkeit kann es nur geben, wenn sich die Menschen und Völker ihrer tragenden Gemeinsam- 285 REISEN keiten bewußt werden. Diese liegen nicht nur und nicht in erster Linie im strukturellen Angleichen der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Systeme. Diesem zumindest vorgängig muß es allen Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft darum zu tun sein, sich der gottgegebenen Wahrheit über den Menschen, die durch das Naturgesetz im Gewissen verhaftet ist, gemeinsam zu versichern. Nur aus einer solchen neuen und umfassenden Vergewisserung heraus kann es eine Zukunft der Menschheit geben, die alte und hoffentlich überwundene Zerrissenheiten endgültig heilt und einer Zeit die Tür öffnet, die einen Rückfall in zerstörerische Polarisierungen, wie Sie sie im eigenen Land über Jahrzehnte erdulden mußten, für immer vermeidet. Daran tatkräftig mitzuwirken, ist unser aller Verantwortung. Wir Christen sind entschlossen, unseren unaufgebbaren Beitrag dazu zu leisten. Um die gläubigen Menschen in ihren Gemeinschaften zu ermuntern und zu stärken sowie um alle Menschen guten Willens einzuladen, sich in ihrem Gewissen nicht dem göttlichen Licht zu verschließen, bin ich zu Ihnen gekommen. 4. Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, und allen, die mich zusammen mit Ihnen durch ihre Anwesenheit beehren, danke ich noch einmal aufrichtig für den freundlichen Empfang und die mir hierdurch gewährte herzliche Gastfreundschaft in Ihrem Land für meinen nun beginnenden dritten Pastoralbesuch. Da ich erstmals in das vereinigte Deutschland komme, erfüllt mich die große Zuversicht und die freudige Erwartung, erste Früchte des neuen Zusammenwachsens des Kontinents in Ihrem Land zu erleben. Dem sehe ich mit Dankbarkeit und Hoffnung für Deutschland und ganz Europa entgegen. Bitten wir den allmächtigen Gott, er möge uns allen dafür seinen Segen und seinen göttlichen Beistand nicht versagen. Gott beschütze die Bundesrepublik Deutschland! Bemühen um das gemeinsame Zeugnis der Einheit Ansprache bei der Begegnung mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) in Paderborn am 22. Juni Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, verehrte Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, verehrte Vorstandsmitglieder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland! 1. Es freut mich sehr, Sie hier in Paderborn, an einem Ort kontinuierlicher Arbeit zur Förderung der Verständigung zwischen den Kirchen und christlichen Gemeinschaften, begrüßen zu können. Hier ist der Sitz des weit bekannten Johann Adam Möhler Instituts, und Paderborn war der Bischofssitz eines der größten Förderer der Ökumene, nämlich von Lorenz Kardinal Jaeger. Wir sind hier zusammenge- 286 REISEN kommen im Namen des Vaters, der uns aus Liebe den Sohn gesandt hat (vgl. 1 Joh 4,10), im Namen des Sohnes, der für uns gestorben ist (vgl. Rom 5,8), und im Namen des Heiligen Geistes, der uns beisteht (vgl. Joh 16,7) und uns zum Guten antreibt (vgl. Gal 5,22 f). 2. Ich danke Ihnen herzlich, daß Sie der Einladung zu dieser Begegnung gefolgt sind. Wir begehen in diesem Jahr die 450. Wiederkehr des Todestages Martin Luthers. Das Gedenken an ihn läßt uns heute nach Jahrhunderten leidvoller Entfremdung und Auseinandersetzung deutlicher den hohen Stellenwert seiner Forderung nach einer schriftnahen Theologie und seines Willens zu einer geistlichen Erneuerung der Kirche erkennen. Seine außerordentliche Leistung zur deutschen Sprachentwicklung sowie sein kulturelles Erbe stehen außer Frage. Seine Aufmerksamkeit für das Wort Gottes wie auch seine Entschiedenheit, den als richtig erkannten Weg des Glaubens zu gehen, lassen gewiß nicht seine persönlichen Grenzen übersehen und ebensowenig die Tatsache, daß grundsätzliche Probleme im Verhältnis von Glaube, Schrift Überlieferung und Kirche, wie sie Luther gesehen hat, bis heute noch nicht ausreichend geklärt sind. 3. Ihnen, Herr Ratsvorsitzender, danke ich für Ihre Worte und Ihre Ausführungen über den Rezeptionsprozeß des Studiendokumentes ,Lehrverurteilungen - kirchentrennend?“ innerhalb der Mitgliedskirchen der EKD. Gern erinnere ich mich an unsere erste Begegnung, als Sie im Dezember 1994 in Begleitung Ihrer engsten Mitarbeiter nach Rom gekommen sind, um mir die „Gemeinsame evangelische Stellungnahme“ zum Dokument,Lehrverurteilungen - kirchentrennend?“ zu überreichen. Viele Synodale haben sich mit den Ergebnissen dieses Studiendokuments intensiv auseinandergesetzt. Ich bin dankbar für alle Klärungen, die durch die Synoden erfolgt sind. Dabei nehme ich auch zur Kenntnis, daß polemische und ungebührliche Ausdrucks weisen der Vergangenheit zurückgenommen und dem geschichtlichen Vergessen anheimgegeben wurden. An dieser Stelle möchte ich es nicht versäumen, den Mitgliedern der „Gemeinsamen ökumenischen Kommission“ zu danken, die im Anschluß an meinen ersten Besuch in Deutschland im Herbst 1980 angeregt haben, die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts der katholischen Kirche und der evangelischen Bekenntnisschriften im ökumenischen Dialog historisch und systematisch zu behandeln. Besonders danke ich den Mitgliedern des „ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen“, die diese Untersuchung durch ihren persönlichen Einsatz verwirklicht haben. 4. Viele Kontroversen des 16. Jahrhunderts erscheinen heute dank der vorliegenden Studie in einem neuen Licht. Gräben wurden überbrückt, die frühere Generationen für unüberbrückbar hielten. Dieser Fortschritt ist möglich geworden, weil methodisch sorgsam darauf geachtet wurde, zwischen dem Glaubensgut selbst und der Formulierung, in der es ausgedrückt wird, zu unterscheiden (vgl. Ul unum sint, 287 REISEN Nr. 81 \Mysterium Ecclesiae, Nr. 5, § 6). Eine solche Unterscheidung ist in der Tat eines der wichtigen Elemente für die ökumenische Verständigung. Wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, ist es „zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Gemeinschaft und Einheit notwendig, ,keine Lasten aufzuerlegen, die über das Notwendige hinausgehen (Apg 15,28)“ (Unitatis redintegratio, Nr. 18). Die Einheit, die wir anstreben, erfordert eine echte Übereinstimmung im Glaubensgut selbst. Sie will damit in keiner Weise die Verbindlichkeit der kirchlichen Lehre antasten; andererseits zwingt sie jedoch auch nicht dazu, „die reiche Vielfalt der Spiritualität, der Ordnung, der liturgischen Riten und der theologischen Darstellung der geoffenbarten Wahrheit, die unter den Christen gewachsen ist, aufzugeben, sofern diese Verschiedenheit der apostolischen Tradition treu bleibt“ (Ökumenisches Direktorium, Nr. 20). Angesichts des Umfangs und der Qualität der Studie „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?“ war es nicht nur angebracht, sondern unabdingbar, die Tragfähigkeit ihrer Ergebnisse gewissenhaft und gründlich zu überprüfen. Den intensiven Prozeß auf evangelischer Seite haben Sie, Herr Ratsvorsitzender, soeben skizziert. Im gleichen Zeitraum ist auch auf katholischer Seite ein Auswertungsprozeß erfolgt, an dem verschiedene Gremien auf verschiedenen Ebenen beteiligt waren. Im Jahre 1992 nahm der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen in einem sorgsam erarbeiteten Gutachten zu der Studie des „ökumenischen Arbeitskreises“ Stellung. Im Juni 1994 legte die Deutsche Bischofskonferenz ihre Stellungnahme vor. Beide Stellungnahmen bekunden \bereinstimmung mit den in der Studie erarbeiteten Ergebnissen, weisen zugleich aber auch auf Fragen und Probleme hin, die einer weiteren Erörterung bedürfen. Mit seinen Studien hat der „ökumenische Arbeitskreis“ zu einem vertieften Verständnis der Lehraussagen des Konzils von Trient beigetragen. Das Konzil von Trient war darauf ausgerichtet, die Identität des katholischen Glaubens zu schützen, und hat damit einen bleibenden Wert für die Lehrentwicklung innerhalb der katholischen Kirche. Seither hat uns eine erneute Besinnung auf die geoffenbarte Wahrheit im Gehorsam gegenüber dem Geist Gottes und in einer Haltung des gegenseitigen Zuhörens einander näher gebracht. Es ist ein Verdienst der Studie „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?“, eine Vielzahl von Übereinstimmungen und Annäherungen in wesentlichen Glaubensfragen herausgearbeitet zu haben. 5. In der Rechtfertigungslehre wurde eine weitreichende Annäherung erzielt. Wenn man die verschiedenen Konsensdokumente zur Rechtfertigungslehre insgesamt betrachtet, wird der Eindruck immer stärker, daß man in den tragenden Grundfragen des Verständnisses der Rechtfertigungsbotschaft zu einer fundamentalen Übereinstimmung kommt. Damit sind nicht alle Unterschiede aufgehoben, aber wir können nun genauer fragen, welches Gewicht die verbleibenden Unterschiede haben. Auch wenn die theologische Verbindung lutherischer Rechtfertigungsvorstellung mit der katholischen Tauf- und Kirchenlehre noch weiterer Gespräche bedarf, so ist doch zu hoffen, daß wir zur Übereinstimmung finden in 288 REISEN jener Frage, die zu den Kernpunkten der theologischen Kontroversen des 16. Jahrhunderts gehörte. Jede erzielte Verständigung muß von einer erneuten Hinwendung zum biblischen Zeugnis getragen sein. Eine Verständigung zwischen Lutheranern und Katholiken in dieser wichtigen Frage ist ihrem Wesen nach dafür offen, auch mit evangelischen Landeskirchen nichtlutherischer Prägung zu ähnlichen Klärungen zu gelangen. In anderen Bereichen und Einzelfragen, in denen noch keine volle Übereinstimmung erzielt wurde, hat die Studie den Weg für vielversprechende weitere Gespräche geebnet. In der Sakramentenlehre und in der Amtsfrage konnten gemeinsame Elemente aufgezeigt werden, die jedoch noch einer weiteren Vertiefung bedürfen. Nun gilt es, die noch ungelösten Fragen anzugehen, und dazu möchte ich Sie nachdrücklich ermutigen. 6. Auch wenn die Ökumene der Begegnung mit den reformatorischen Kirchen in Deutschland einen besonderen Vorrang hat, so richtet sich unser Blick doch zugleich auf die Kirchen des Ostens. Denn viele Mitglieder der orthodoxen und der altorientalischen Kirchen leben zum Teil schon seit Jahrzehnten in Ihrem Land und pflegen dabei die kirchliche Gemeinschaft mit ihrer Heimat. Ihnen allen sage ich ein herzliches Wort des Grußes. Für sie haben sich gute ökumenische Beziehungen zu den Kirchen in diesem Land gebildet. Sie arbeiten aktiv mit in den ökumenischen Gremien, so besonders in der ,Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland“ (ACK). Manche hilfreiche Anregung für die Gestaltung kirchlicher Gemeinschaft gelangt so auch nach Deutschland. Auch im privaten Leben haben die Christen aus den Ostkirchen die Nachbarschaft anderer Christen, aber auch von Nichtchristen und Nichtglaubenden kennengelemt und sich darauf eingestellt. Ich möchte Sie ermutigen, Ihre Traditionen zu bewahren und sie in guter Nachbarschaft mit anderen zu leben. So wächst das Verständnis füreinander, und zugleich stärken sie das Bewußtsein von einer gemeinsamen Grundlage unseres christlichen Glaubens in der Mannigfaltigkeit der geschichtlich gewachsenen Formen. 7. Zusammen mit den evangelischen und orthodoxen Christen möchte ich in diesem Wort der Begrüßung und des Segenswunsches auch die Brüder und Schwestern der evangelischen Freikirchen ansprechen, die ebenso an der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen beteiligt sind. Ihr Augenmerk ist dabei besonders auf die Dimension des gelebten Glaubens in den Gemeinden gerichtet. Es waren wohl auch besonders Christen aus Ihren Reihen, die die Bekehrung zum Gotteswort der Heiligen Schrift gefördert haben. Hieraus entwickelte sich dann auch die Idee eines „Jahres mit der Bibel“, das 1992 in Deutschland mit großem Erfolg durchgeführt worden ist. 8. Die Einheit, die wir anstreben, muß schrittweise wachsen. Wir müssen Mut und Phantasie entwickeln, heute jene Schritte zu tun, die möglich sind, im festen Ver- 289 REISEN trauen auf die Führung des Heiligen Geistes, der uns anleitet und vorbereitet auf jene Schritte, die morgen möglich sein werden. Ich bin mir bewußt, daß viele Menschen unter der Trennung leiden. Deshalb ist es unsere Pflicht, Barrieren abzubauen und ein größeres Maß an Gemeinschaft zu erstreben im festen Vertrauen darauf, daß der Herr uns zu „jenem segensreichen Tag“ führt, „an dem die volle Einheit im Glauben erreicht sein wird und wir einträchtig miteinander die heilige Eucharistie des Herrn werden feiern können“ (Ut unum sint, Nr. 77). Hinter unserer Sehnsucht nach Einheit stehen der Wille Christi und sein Gebet im Abendmahlssaal. Von ihm kommt uns auch unsere zentrale Verpflichtung, im theologischen Suchen und Forschen, in konfessionsübergreifenden Aktionen und Stellungnahmen gegenüber der Gesellschaft und im brüderlichen Gespräch sowie im gemeinsamen Gebet den schon gewährten Raum des gemeinsamen Tuns voll auszuschreiten. Deswegen bitte ich Sie, nicht nachzulassen, den Dialog der Verständigung weiterzuführen. Eine zukunftsträchtige Ökumene kann es nur geben, wenn wir uns der Frage nach der Wahrheit selbstlos stellen und wenn wir einander geduldig anhören und einander auch mit unseren eigenen Lasten tragen (vgl. Gal 6,2). Die ökumenische Bewegung wird so zu einem geistlichen Prozeß persönlicher Bekehrung zur vollen Wahrheit, nämlich in dem Vertrauen, daß er, „der Geist der Wahrheit, euch in die ganze Wahrheit führen wird“ {Joh 16,13). Nachdrücklich wollen wir auf Christus setzen in einer Zeit, die leicht alle verfolgten Ziele vorwiegend unserem menschlichen Vermögen anvertraut. Deshalb ist es gut, daß wir uns im Anschluß an unser Treffen ihm, dem Herrn der Kirche, im herrlichen Paderbomer Dom lobend, betend und fürbittend zuwenden. Gemeinsam neue Schritte wagen Predigt im Ökumenischen Wortgottesdienst in Paderborn am 22. Juni Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! 1. In der kleinasiatischen Stadt Troas hatte der Völkerapostel Paulus auf seiner zweiten Missionsreise eine nächtliche Vision: „Ein Mazedonier stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien, und hilf uns!“ (Apg 16,9). Paulus versteht diese Vision als Ruf Gottes, umgehend nach Europa überzusetzen, um dort die Frohbotschaft des Herrn zu verkündigen: ,,Auf diese Vision hin wollten wir sofort nach Mazedonien abfahren; denn wir waren überzeugt, daß uns Gott dazu berufen hatte, dort das Evangelium zu verkünden“ (Apg 16,10). Diese Begebenheit markiert eine entscheidende Stunde in der Geschichte Europas: Der Geist Gottes selbst hat dem Evangelium den Weg nach Europa gewiesen. 290 REISEN 2. Aus dem Gang der Geschichte wissen wir, mit welch unermüdlichem Einsatz der Apostel Paulus zusammen mit seinen Mitarbeitern dem Ruf Gottes gefolgt ist. Er hat mit der Gründung der ersten Gemeinden jene Fundamente gelegt, auf denen jede spätere Mission aufbauen konnte. Die Bemühungen um die Evangelisierung waren und sind kein leichtes Unterfangen. Dies mußte der Völkerapostel Paulus bereits bei seiner Verkündigung des Evangeliums in Athen, Korinth und Rom erfahren. Dies erfuhren in ähnlicher Weise diejenigen, die das Evangelium in späteren Jahrhunderten zu neuen Völkern gebracht haben: der hl. Patrick, der hl. Bonifatius, der hl. Kilian, der hl. Willibrord, der hl. Emmeram, die hll. Brüder Cyrillus und Methodius. Und dies erfuhren in unserem Jahrhundert jene evangelischen, katholischen und orthodoxen Christen, die gegenüber den totalitären Diktaturen mutig und unerschrocken ihr Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums ablegten: Edith Stein, Alfred Delp, Bernhard Lichtenberg, Karl Leisner und Bernhard Letterhaus, Dietrich Bonhoeffer und Helmuth Graf Moltke. 3. „Komm herüber und hilf uns!“ Der Ruf, für die Wahrheit des Evangeliums Zeugnis abzulegen, ergeht heute an uns. Unsagbar viel hängt davon ab, ob das Evangelium glaubwürdig verkündigt und gelebt wird. Seit meinem letzten Besuch in Deutschland im Jahre 1987 hat sich das politische Bild Europas in einer geradezu unvorstellbaren Weise verändert. Die Mauer ist gefallen; den Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs wurde nach 40jähriger kommunistischer Diktatur das kostbare Geschenk der Freiheit zuteil. Diese neue Freiheit gilt es nun gemeinsam zu gestalten. Neue Möglichkeiten und Aufgaben tun sich auf, sich neuen Herausforderungen im Osten wie im Westen zu stellen und sie zu bestehen. Im Osten haben die atheistischen Regime geistig-seelische Wüsten in den Herzen vieler Menschen und insbesondere bei der Jugend hinterlassen, während im Westen der Gefahr einer übermäßigen Konsumorientierung zu begegnen ist, die die geistigen Werte der Gesellschaft zu ersticken droht. Neu-Evangelisierung ist daher das Gebot der Stunde. Dabei geht es nicht um die „Restauration“ einer längst vergangenen Epoche. Vielmehr müssen neue Schritte gewagt werden. Gemeinsam haben wir den Menschen Europas erneut die froh- und freimachende Botschaft des Evangeliums zu verkündigen. Auf diese Weise gilt es zugleich, die christlichen Wurzeln Europas wiederzuentdecken, um damit eine Zivilisation zu gestalten, in der die vom christlichen Glauben vermittelten Werte wahrer Menschlichkeit ihren festen Platz haben. 4. Herzlich grüße ich von hier aus die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Kirchentages in Eisleben, der von katholischen und evangelischen Christen gemeinsam vorbereitet wurde. Sie sind aus Anlaß des 450. Todestages von Martin Luther zusammengekommen. Möge Ihr gemeinsames Nachdenken dazu beitragen, uns einander näher zu bringen. „Komm herüber und hilf uns!“ Wir dürfen heute nicht zögern, uns der drängenden Aufgabe der Neu-Evangelisierung zu stellen. Ihre Kembotschaft lautet: „Gott hat 291 REISEN die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder,der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). In Jesus Christus haben wir Anteil an seinem Sieg über Sünde und Tod; in Jesus Christus ist uns Auferstehung und ewiges Leben verheißen. Dieses Wissen um Sünde und Tod sowie um Auferstehung und ewiges Leben relativiert die Mächte und die Mächtigen dieser Welt und verleiht uns die Kraft, bei der Gestaltung Europas in einer immer mehr eins werdenden Welt mitzuwirken, damit die aus dem Glauben kommenden sittlichen Kräfte darin auf neue Weise wirksam werden können. 5. Der Auftrag der Evangelisierung geht alle Christen - Katholiken, Orthodoxe, Protestanten - gleichermaßen an. Das Zeugnis für Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, der von den Toten auferstanden ist und allen Menschen das Antlitz des einen Gottes offenbart, muß einmütig von uns in die Welt hineingetragen werden. Alle Christen sind aufgerufen, sich entsprechend ihrer Berufung dieser Aufgabe zu stellen. Der Auftrag der Evangelisierung schließt das Zueinandergehen und Miteinandergehen der Christen von innen her mit ein; Evangelisierung und Einheit, Evangelisierung und Ökumene sind unlösbar aufeinander bezogen. Wie ich in meiner Enzyklika über den Einsatz für die Ökumene Ut unum sint betont habe, „liegt es auf der Hand, daß die Spaltung der Christen im Widerspruch zu der Wahrheit steht, die sie zu verbreiten beauftragt sind, und daher ihr Zeugnis schwer verletzt“ (Nr. 98). Daher ist - um die Worte meines Vorgängers Papst Paul VI. zu gebrauchen - „das Schicksal der Evangelisierung mit aller Bestimmtheit an das von der Kirche gebotene Zeugnis der Einheit gebunden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 77). Weil mir das Anliegen der Neu-Evangelisierung ein Herzensanliegen ist, sehe ich als Bischof von Rom in der Überwindung der Spaltung der Christenheit „eine der pastoralen Prioritäten“. „Wie kann man denn das Evangelium von der Versöhnung verkünden, ohne sich gleichzeitig tätig für die Versöhnung der Christen einzusetzen?“ {Ut unum sint, Nr. 98). 6. Unser heutiges Bemühen um das gemeinsame Zeugnis für die Einheit kann nicht darauf verzichten, auch auf Martin Luther einzugehen. Heute, 450 Jahre nach seinem Tod, ist es aus dem zeitlichen Abstand heraus möglich, Person und Wirken des deutschen Reformators besser zu verstehen und ihm besser gerecht zu werden. Nicht nur die Forschungen bedeutender evangelischer und katholischer Wissenschaftler haben dazu beigetragen, ein vollständigeres und differenzierteres Bild von der Persönlichkeit Martin Luthers zu entwerfen. Auch der lutherischkatholische Dialog hat einen bedeutenden Beitrag geleistet, alte Polemiken zu überwinden und einer gemeinsamen Sichtweise näherzukommen. Luthers Denken war geprägt durch eine starke Betonung des Individuums, wodurch das Bewußtsein für die Anforderungen der Gemeinschaft geschwächt wurde. Luthers Ruf nach Reform der Kirche war in seiner ursprünglichen Absicht ein Aufruf zu Buße und Erneuerung, die im Leben eines jeden einzelnen zu beginnen haben. Daß dennoch Trennung aus diesem Anfang geworden ist, hat viele Gründe. 292 REISEN Dazu gehört jenes Versagen in der katholischen Kirche, das bereits Papst Hadrian VI. mit bewegenden Worten beklagt hat, sowie das Hereintreten politischer und wirtschaftlicher Interessen, aber auch Luthers eigene Leidenschaft, die ihn weit über das anfangs Gewollte hinaus in eine radikale Kritik der katholischen Kirche, ihrer Lebensordnung und ihrer Lehre hineingetrieben hat. Wir alle haben Schuld auf uns geladen. Deshalb sind wir alle zur Buße aufgefordert und müssen uns alle immer wieder neu vom Herrn reinigen lassen. 7. „Komm herüber und hilf uns!“ Heute kommt es mehr denn je darauf an, daß alle Christen ihre besonderen Gaben und Charismen in das geistige Leben Europas einbringen, damit der eine vom Reichtum des anderen lernen kann. Die protestantische Christenheit hat mit ihren Kirchenliedern, ihrer großen Kirchenmusik und ihrer unablässigen theologischen Reflexion die ganze Christenheit bereichert. Die Göttliche Liturgie, das Mönchtum und die mystische Frömmigkeit der Orthodoxie wie ihr beharrlich von den Vätern her genährtes Denken sind ein Schatz, der uns allen zugute kommt. Die katholische Kirche hat mit der Fülle missionarischer und sozialer Ordensgemeinschaften, mit ihrer eucharistischen Frömmigkeit, mit der Liebe zu Maria, die sie mit der Orthodoxie teilt, mit der Kraft ihres Lehramtes, besonders mit der weltweit vernommenen Stimme der Päpste, wiederum eigene Gaben, ohne die das christliche Zeugnis in der Welt von heute nicht zu denken ist. Es gehört zu den grundlegenden Erkenntnissen, daß es den Christen im neuen Europa vor allem dann gelingt, sich Gehör zu verschaffen, wenn sie gemeinsam Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums und für die Verantwortung gegenüber der Welt ablegen. Von daher ist es unerläßlich, dieses gemeinsame Zeugnis zu verstärken. 8. In Deutschland gibt es bereits eine gute Tradition intensiver Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen auf ethisch-sozialem Gebiet: angefangen von den Bemühungen, sich den Herausforderungen und Aufgaben zum Schutz des menschlichen Lebens zu stellen, bis hin zur Entwicklung gemeinsamer Perspektiven zur wirtschaftlichen und sozialen Verantwortung. Wir wollen dem Herrn danken, daß es heute möglich ist, daß Protestanten, Orthodoxe und Katholiken in vielen zentralen Fragen mit einer Stimme sprechen. Dies ist nicht zuletzt eine Frucht langjährigen Bemühens, im ökumenischen Dialog die bestehenden Lehrunterschiede aufzuarbeiten. Führende Theologen aus Deutschland haben dazu sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene einen entscheidenden Beitrag geleistet. Im Anschluß an meinen ersten Deutschlandbesuch hat sich eine Expertengruppe daranbegeben, die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts im ökumenischen Dialog historisch und systematisch zu behandeln. Gerade vorhin bin ich bei meiner Begegnung mit dem Herrn Ratsvorsitzenden der EKD ausführlich auf die Ergebnisse dieser Studie eingegangen. Viele der damaligen Kontroversen erscheinen heute dank dieser Untersuchung in einem neuen Licht. Es wurden Gräben überbrückt, die frühere Generationen für unüberbrückbar 293 REISEN hielten. Die in Deutschland erarbeiteten Ergebnisse reichen in der Bedeutung auf dem Weg der Wiederannäherung von Katholiken und Protestanten weit über den nationalen Rahmen hinaus und geben Hoffnung an der Schwelle des dritten Jahrtausends christlicher Geschichte. 9. Nur noch wenige Jahre trennen uns vom Jahr 2000. Diese Zeit ist eine einzigartige Gelegenheit für alle Christen zur Verkündigung des Evangeliums. Gleichzeitig „spornt das Herannahen des Endes des zweiten Jahrtausends alle zu einer Gewissensprüfung und zu passenden ökumenischen Initiativen an, so daß man im Großen Jubeljahr, wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auftreten kann, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Der bevorstehende Übergang ins neue Jahrtausend sollte uns alle antreiben, für die zentralen Wahrheiten unseres Glaubens in verstärktem Maße gemeinsames Zeugnis abzulegen, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). „Komm herüber und hilf uns!“ Diesen Bittruf richte ich in dieser Stunde an den Herrn; denn ich weiß, daß die Evangelisierung nur gelingen kann, wenn er selbst uns hilft. „Komm herüber und hilf uns!“ Dieser Bittruf verlangt aber zugleich auch, daß wir alle diesen Ruf ernst nehmen und uns als Zeugen des Herrn aussenden lassen. Es geht dabei um die Zukunft der Welt. Möge das einmütige Gebet aller Christen (vgl. Apg 1,14) dazu beitragen, den Tag beschleunigt herbeizuführen, an dem der Herr selbst vor aller Augen sichtbar „das gute Werk vollenden wird, das er bei uns begonnen hat“ (Phil 1,6). Amen! Seid Diener des frohen Glaubens der Kirche Ansprache bei der Begegnung mit den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz in Paderborn am 22. Juni Verehrte, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Im vergangenen Dezember waren es dreißig Jahre, daß am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils der Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe erfolgte. Dieser Briefwechsel stellte einen bedeutenden Schritt dar für die Versöhnung zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk. Sie haben damit eine Zukunft in Aussicht gestellt, die die beiden Völker in Frieden und Freundschaft, in Eintracht und Zusammenarbeit verbindet. Dazu reichten sie sich damals die Hände, sie gewährten Vergebung und baten um Vergebung. Ihr habt im vergangenen Jahr dieses historischen Schrittes vor 30 Jahren eigens gedacht im Bewußtsein und in der festen Entschlossenheit, alles zu begünstigen und zu fördern, was dazu beiträgt, die Beziehungen der Freundschaft zu einer stets lebendigen Wirklichkeit werden zu lassen. 294 REISEN Dieser Schritt, den die Bischöfe beider Länder getan haben, muß beispielhaft sein für ganz Europa und den europäischen Einigungsprozeß. Brüderlichkeit, gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit, vor allem auch auf kirchlicher Ebene, sind ein wesentliches Element zur Einigung. Die Kirche hat hier eine Vorreiterrolle einzunehmen, auch im Bewußtsein, daß alles nur mit Gottes Hilfe gelingen kann: „Damit ... die Versuche der Menschen zu ihrer Verwirklichung Erfolg haben, braucht es das Geschenk der Gnade, die von Gott kommt. Durch sie vollzieht sich im Zusammenhang mit der Freiheit der Menschen jene geheimnisvolle Gegenwart Gottes in der Geschichte, die die Vorsehung ist“ (Centesimus annus, Nr. 59). 2. Am Ende des ausgehenden zweiten Jahrtausends wird sich die Kirche immer mehr ihrer Sendung in der von Christus erlösten Welt bewußt, um mit noch stärkerem Einsatz die ihr zukommende Sendung innerhalb der Gesellschaft wahrzunehmen, wobei Gesellschaft natürlich nicht als kollektive, den Menschen und sein Schicksal verschlingende Größe verstanden werden kann. Viele von uns haben selbst erfahren, daß „politische Messianismen ... meist in die schlimmsten Tyranneien [münden]. Die Strukturen, die die Gesellschaften sich geben, sind niemals endgültig;... insbesondere können sie nicht das Gewissen des Menschen und auch nicht seine Suche nach der Wahrheit und nach dem Absoluten ersetzen“ {Ansprache vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, 11.10.1988). Wir müssen als Kirche verstärkt die Aufgabe des moralischen Gewissens der Gesellschaft wahmehmen. Als Christen müssen wir wieder „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ {Mt 5,13) werden. Kirchliches Leben, das sich ausschließlich auf den Wahrheiten des Glaubens zu gründen hat, muß Christus und der Botschaft des Evangeliums treu bleiben, wenn wir den Gliedern der Kirche helfen wollen, die sich in einer Gesellschaft befinden, die alle Lebensbereiche zu relativieren und zu säkularisieren versucht. „Tatsächlich besteht heute die Gefahr, die Demokratie auf einen sittlichen Relativismus zu gründen, der jede Gewißheit hinsichtlich des Sinnes des menschlichen Lebens und seiner Würde sowie hinsichtlich der grundlegenden Rechte und Pflichten des Menschen verwischt. Wenn sich eine solche Mentalität breit macht, kommt es früher oder später zu einer sittlichen Krise der Demokratie. Der Relativismus verhindert die notwendige Unterscheidung zwischen den verschiedenen Erfordernissen, die an der Basis der Gesellschaft zutage treten, sowie die Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Das Leben einer Gesellschaft beruht auf Entscheidungen, die notwendigerweise feste sittliche Überzeugungen voraussetzen“ {Ansprache beim internationalen Treffen der Führer der Christdemokraten in Rom, 23.11.1991). Das Evangelium ist eine inspirierende und erhellende Kraft für das Leben des Gottesvolkes. Wo der Inhalt des Evangeliums geschwächt wird, sind die Konsequenzen für den Menschen - für die Einzelpersonen und die Gesellschaft -schwerwiegend. Nur auf einer soliden Grundlage können die Christen ihre Verantwortung im kulturellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben wahr- 295 REISEN nehmen. Dabei gilt es, das Propagieren von Werten zu vermeiden, die zwar mehrheitsfähig sind, die aber die wahre Natur des Evangeliums verdunkeln können. Die Wahrheit des Glaubens muß ruhig und überlegt verkündet werden, „opportune, importune“. 3. Die Gesellschaft in Deutschland ist durch kein Ereignis der vergangenen Jahrzehnte so tiefgreifend verändert worden wie durch den Fall der Mauer, die Euer Land definitiv und sichtbar gespalten und ganz Europa in zwei Teile gerissen hatte. So sehr für Deutschland die wiedergewonnene politische und staatliche Einheit ein Geschenk darstellt, so bietet sie gleichermaßen eine bedeutsame Herausforderung, für die Zukunft verläßliche Formen der friedlichen Nachbarschaft in Europa zu entwickeln. Doch stellen sich hier nicht nur politische und wirtschaftliche Aufgaben, die oft unter großen Mühen und im solidarischen Mittragen der unverschuldet überkommenen Belastungen zu bewältigen sind, die die Herrschaft der totalitären Diktatur des Kommunismus hinterlassen hat. Durch den Fall von Stacheldraht und Mauer wurde unsere Aufmerksamkeit auch auf die verheerende Situation gelenkt, in der der DDR-Staat die Menschen in ihrem religiösen Sehnen und Suchen zurückgelassen hat. Durch die Unterdrückung und Verächtlichmachung öffentlicher Religionsausübung ist eine große Fremdheit bei vielen eingetreten, die der Kirche und dem überkommenen Glauben der Vorfahren positiv gegenüberstanden. So traten die unendlich schmerzlichen Wunden und Verletzt-heiten in den Blick, die die damaligen Machthaber im Leben und in den Herzen der Menschen verursacht haben. Viele von ihnen sind noch längst nicht verheilt und prägen noch immer den Alltag zahlloser Menschen. Dabei hat der staatlich verordnete Atheismus der DDR versucht, den Menschen auch die Freiheit des Glaubens und die Beheimatung in der Kirche zu nehmen. Auch wenn der ausgeübte Druck bei nicht wenigen seine Wirkung nicht verfehlt hat, so vermochte das Regime doch nicht die oft verborgene und gar verschüttete Sehnsucht nach Gott vollkommen auszulöschen. Zurückgeblieben sind allerdings ein großes Vakuum an Glaubenswissen und an christlichem Lebensgefühl sowie eine große Orientierungslosigkeit, die den Menschen im privaten Bereich und auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene spürbar und wahrnehmbar zu schaffen machen. Laut verschiedenen Statistiken sind mehr als siebzig Prozent der Menschen in den neuen Bundesländern konfessionslos. Religion und Kirche waren in der DDR über weite Strecken ideologisch stigmatisiert und gesellschaftlich ausgegrenzt. Kirchenaustritt oder sichtbare Distanz empfahl sich allen, die im gesellschaftlichen Leben eine Rolle spielen wollten. Allerdings will heute kaum jemand mehr einräumen, daß er selber der antiklerikalen Propaganda oder dem politischen Druck nachgegeben, geschweige denn sich an der Ausübung des Druckes beteiligt habe. Deswegen herrscht auch heute noch weitgehend das Bedürfnis vor, den Kirchenaustritt als wohlüberlegte, persönlich und frei getroffene und deswegen dauerhafte Entscheidung zu rechtfertigen. Bisweilen wurde religiöse Tradition sogar als Herrschaftsinstrument des Westens interpretiert. 296 REISEN 4. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung waren vor allem politische und wirtschaftliche Fragen zu lösen und eine Angleichung der äußeren Lebensbedingungen der Menschen in Ost und West zu meistern; dies war ein Bemühen, das unter großen Anstrengungen und solidarischem Mittragen der Lasten in beachtlichem Maße zu Erfolgen geführt hat und dem ein dauerhafter, gerechter und wirtschaftlich tragfähiger Erfolg zu wünschen ist. Hierbei konnten die Menschen lernen, sich in der neuen offenen und freien Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik mit ihren unübersehbaren materiellen Angeboten und vielfältigen Herausforderungen zurechtzufinden. In jüngster Zeit zeigt sich jedoch zunehmend deutlich das sehr persönliche Bedürfnis und die innerlich drängende Notwendigkeit nach einer geistigen, ethischen und religiösen Sinnvermittlung. Nicht nur bei denjenigen, die nach der politischen Wende aus dem Osten in westliche Teile eures Landes übergesiedelt sind, sondern auch bei denen, die in ihrer ursprünglichen Umgebung verblieben sind, erweist sich inzwischen ein deutlich wahrnehmbares neues Interesse an Religion. Deshalb ist es entscheidend, den missionarischen Geist zu fördern und ihn in den Gemeinden neu zu beleben. Es ist Aufgabe aller Glieder der Kirche, die Fernstehenden und Ungetauften zu Christus zu führen, wie ich es den jungen Menschen anläßlich des Weltjugendtreffens in Denver aufgetragen hatte: „In dieser historischen Stunde liegt die befreiende Botschaft des Evangeliums vom Leben in euren Händen. Und die Sendung, es bis an die Grenzen der Erde auszurufen, ist Eurer Generation aufgetragen. Wie der Völkerapostel Paulus so müßt auch ihr die ganze Dringlichkeit des Auftrags spüren: ,Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde1 (7 Kor 9,16). Habt also keine Angst, auf die Straßen und Gassen zu gehen, wie die ersten Apostel, die Christus und die frohe Botschaft vom Heil auf den Plätzen der Städte, in den Zentren und Dörfern verkündet haben. Jetzt ist nicht die Zeit, sich des Evangeliums zu schämen (vgl. Röm 1,16). Es ist die Zeit, es von den Dächern zu rufen (vgl. Mt 10,27). Die Sicherung der Institution Kirche und ihrer Sendung in Staat und Gesellschaft ist notwendig; aber das Christentum lebt in der Hauptsache von der Vitalität des Glaubens der Christen, von ihrer persönlichen Christusverbundenheit und ihrer Zeugniskraft. Die Kirche dient dem Menschen und der Menschheit, wenn sie Christus verkündet. „Durch die Mission wird die Kirche tatsächlich erneuert, Glaube und christliche Identität werden bestärkt und erhalten neuen Schwung und neue Motivation. Der Glaube wird stark durch Weitergabe“ (Redemptoris missio, Nr. 2). Nicht unerwähnt sei in diesem Zusammenhang, daß es nicht nur Männer und Frauen aus den östlichen Teilen Deutschlands sind, die in die Kirche ihre Hoffnung setzen, sondern auch Menschen, die aus weiten östlichen Gebieten des ehemaligen sowjetischen Machtbereiches stammen und die in Eurem Land eine neue Heimat suchen. Bei aller emotionalen Fremdheit, die sich diesen Aussiedlem bei der Ankunft in Deutschland auftut, suchen viele Familien zuerst den Kontakt zur Kirche und bitten oft auch um die Taufe, um auch ganz zu den Gemeinden gehö- 297 REISEN ren zu können. Häufig ist mit der Suche nach äußerer neuer Beheimatung und innerer Geborgenheit die noch tiefere Freude und Dankbarkeit verbunden, nach Jahren unmenschlicher und glaubensfeindlicher Unterdrückung endlich den oft nur sehr rudimentär ererbten Glauben der Vorfahren in Freiheit leben zu können. Wo Aussiedler um den Empfang der Sakramente der Kirche bitten, wird dieser Wunsch auch für die Pfarreien selber zum Geschenk, wenn sie sich dafür zu öffnen vermögen und dadurch leibhaftig vermitteln, daß Gott in seiner Kirche allen Heimatrecht schenkt, die ihn gläubigen Herzens suchen. 5. Zwar sind es in vielen Gemeinden bisher meist nur einzelne, die nach oft langer Suche und aus sehr unterschiedlichen Beweggründen um die Eingliederung in die Kirche bitten. Doch wo die Suchenden auf das gelebte christliche Zeugnis in den Gemeinden aufmerksam werden und eine intanaive Begegnung mit Christus entsteht (vgl. Evangelii nuntiandi, Nm. 21-24), kommt es durch Gottes gnadenhaftes Wirken zu einer Einladung und Chance für immer mehr christliche Gemeinden, sich von der Bekehrung einzelner neu anstecken und herausfordem zu lassen. Die sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen für das gläubige Leben der Kirche in Eurem Land und die Bitte einer zunehmend größer werdenden Zahl von Erwachsenen um die Taufe erinnern an die Zeit der frühen Kirche und die Lebendigkeit der christlichen Gemeinden, wie sie oft gerade durch das Katechumenat der Taufbewerber hervorgebracht wurde. Deshalb ist es so wichtig, daß sich auch in Deutschland die Kirche in ihren Pfarreien für die mancherorts noch ungewohnt und als außergewöhnlich empfundene Bitte jugendlicher und erwachsener Menschen um die Taufe öffnet und den Weg der Vorbereitung mit ihnen gemeinsam geht. Denn viele, die als Kinder getauft wurden, sind auch hier „Quasikatechume-nen“ (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 44). Die Bekehrung der Taufbewerber inmitten der Gemeinde vermag gerade auch die getauften Christen in ihre „zweite Bekehrung“ zu führen. Überlassen wir uns also, wie seit den Anfängen der Kirche, in Zuversicht und Vertrauen der Führung des Geistes, der der Kirche auch in Zeiten mancher Schwierigkeiten und Müdigkeit neue Lebenskraft schenkt. Sein Wirken zeigt sich auch heute in der Verwirklichung des Sendungsauftrages der Kirche, dem sich die Apostel seit dem Pfingsttag verpflichtet wissen (vgl. Redemptoris missio, Nr. 24). 6. Die Kirche kann ihren Auftrag nur verwirklichen, wenn sie sich als Hort der Freude am Glauben und des Vertrauens in die Zukunft darstallt. Die Aufgabe der Selbstprüfung und Reinigung, wie sie vom II. Vatikanischen Konzil gefordert wurde, ist bei nicht wenigen Gliedern der Kirche leider in zersetzende Kritik an den Institutionen und in Verbreitung von Unzufriedenheit umgeschlagen, die noch von einem gereizten Subjektivismus der „postmodemen“ Kultur gefördert wird. Trotzdem besteht kein Grand zur Angst, wenn wir Glauben haben: „Das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1 Joh 5,4). Der Glaube entfernt uns nicht von der Welt. Er bringt uns im Gegenteil ihren Problemen und Hoffnungen 298 REISEN näher. Der wahre Glaube an den Erlöser entfernt uns nicht von den Menschen - im Gegenteil: „Zur Förderung dieser Gemeinschaft der Personen bietet die christliche Offenbarung eine große Hilfe; gleichzeitig führt sie uns zu einem tieferen Verständnis der Gesetze des gesellschaftlichen Lebens, die der Schöpfer in die geistliche und sittliche Natur des Menschen eingeschrieben hat“ (Gaudium et spes, Nr. 23). Der Glaube nährt sich an der Quelle der Wahrheit und bezieht aus ihr Leben und Kraft. Es wird notwendig sein, die Aufmerksamkeit der Gläubigen neu auf den Mittelpunkt der geoffenbarten Wahrheit zu lenken: Christus und das Leben in Christus. Natürlich ist nicht zu erwarten, daß sich die Menschen an der Kirche begeistern und in ihr die Freude am Glauben finden, wenn Fragen, die eigentlich sekundärer Natur und Bedeutung sind, in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt werden; und dies um so mehr, wenn solche Fragen den Gläubigen unter Vortäuschung einer objektiven und sachlichen Argumentation und mit instrumentalisierenden Methoden unterbreitet werden. Es ist gerade Aufgabe der Bischöfe, Diener des frohen Glaubens der Kirche zu sein. Es ist ein Dienst, der Wachsamkeit erfordert und nicht von der Ausübung der Autorität dispensieren darf und ferner weder in Foren noch in Pastoralgesprächen zur Disposition gestellt werden kann: Der Dienst muß zwar versehen werden im Dialog und immer mit großer Liebe, aber auch mit Klarheit und Entscheidungskraft. 7. Traditionsgemäß haben Verkündigung und Predigt in Eurem Land einen hohen Rang. Auch die Feier der Sakramente wird nicht zu Unrecht gerühmt. Achtet besonders auf die Eucharistie und das Bußsakrament. Die Synode der Bischöfe hatte das individuelle Bekenntnis 1983 als unersetzlich herausgestellt. In einer Zeit der Mechanisierung menschlicher Beziehungen und der Anonymisierung aller Kontakte erscheint es als eine der wenigen Möglichkeiten individuell-persönlicher Begegnung. Versucht daher, es den Gemeinden neu zu erläutern und nahezubringen. Priester und Seminaristen sind anzuhalten, es selbst zu empfangen; denn sie werden niemanden für dieses Sakrament gewinnen, wenn sie selbst nicht seine Gnade suchen und erfahren. Und mancher Priester hat gerade als Beichtvater erlebt, daß sein Priesterdasein einen Sinn hat; er hat neue Freude an seinem Dienst gewonnen. Die Verbindung und der Kontakt zwischen Priestern und Bischöfen gestalten sich in Deutschland aufgrund der enormen flächenmäßigen Ausdehnung vieler Diözesen schwierig, aber gerade deswegen sind sie besonders notwendig. Zu würdigen ist in diesem Zusammenhang auch die bemerkenswerte Flilfe, die die Priester von Laien in hauptamtlicher und ehrenamtlicher Tätigkeit erfahren. Allerdings ist bei aller aufgrund des Priestermangels notwendigen personellen Planung darauf zu achten, daß hauptamtliche Laienmitarbeiter nicht in die Rolle des „Ersatzpriesters“ oder „Ersatzkaplans“ schlüpfen. Dies gilt vor allem in den Pfarreien, die keinen eigenen Seelsorger mehr haben. 299 REISEN Die geistliche Formung der Priesteramtskandidaten in den Seminarien und theologischen Fakultäten ist entscheidend für die Entwicklung der Persönlichkeit des Priesters: „Es handelt sich ... um eine geistliche Formung, die allen Gläubigen gemeinsam ist, die aber entsprechend jenen Sinngehalten und Merkmalen gestaltet werden will, die sich aus der Identität des Priesters und seines Dienstes herleiten“ {Pastores dabo vobis, Nr. 45). Ferner sind häufige und regelmäßige Kontakte der Bischöfe mit den Professoren an den theologischen Fakultäten unabdingbar. „Die Theologen und die Bischöfe [stehen] im Dienst der Kirche selbst bei der Vertiefung des Glaubens, sie sollen wechselseitiges Vertrauen entfalten und pflegen und in diesem Geist auch die Spannungen und Konflikte überwinden“ {ebd., Nr. 67). Die augenblicklichen Sparzwänge in Eurem Land berühren auch den Universitätsund Hochschulbereich. Bei eventuellen Notwendigkeiten, das Personal zu reduzieren, ist dennoch darauf zu achten, daß die inhaltliche Ausbildung in den verschiedenen Fächern nicht noch weiter reduziert wird. Gewisse Fächer können nicht einfach ersatzlos gestrichen werden. So sind zum Beispiel die Katholische Soziallehre und der Beitrag zu ihrer Entwicklung gerade im deutschsprachigen Raum Verpflichtung genug, ihr auch weiterhin den ihr zukommenden Stellenwert beizumessen. Von entscheidender Bedeutung für die nächsten Jahre ist Euer Einsatz für die Berufungspastoral. Die Berufungen gibt es; denn der Herr läßt es nicht an den Gaben mangeln, derer die Kirche bedarf. „Die Erzieher und besonders die Priester sollen sich nicht fürchten, die Berufung zum Priestertum klar und nachdrücklich als eine reale Möglichkeit für jene jungen Männer vorzuschlagen, bei denen sich zeigt, daß sie die entsprechenden Gaben und Anlagen besitzen“ {ebd., Nr. 39). Neben Eurer Verantwortung als Bischöfe und jener der Priester ist es die christliche Familie, der eine besondere Aufgabe für das Entstehen von geistlichen Berufen obliegt (vgl. ebd., Nr. 41). Familienpastoral muß einen stärkeren Akzent als bisher zur Berufungspastoral hin enthalten, wobei auf eine enge Zusammenarbeit mit den religiösen Orden Wert zu legen ist: „Die Aufgabe der Förderung von Berufungen muß so erfüllt werden, daß sie zunehmend als eine gemeinsame Verpflichtung der ganzen Kirche erscheint. Sie erfordert daher die aktive Zusammenarbeit von Seelsorgern, Ordensleuten, Familien und Erziehern“ {Vita consecrata, Nr. 64). 8. Das Problem der Förderung von Berufungen kann natürlich nicht isoliert von der Frage der Weitergabe des Glaubens betrachtet werden. Um den Glauben weitergeben zu können, ist die Rolle der Familie entscheidend: sie ist die Hauskirche. Auch von diesem Aspekt her ist die Familienpastoral ein entscheidender Eckpfeiler kirchlicher pastoraler Arbeit, vor allem was unsere Verantwortung für die Unauflöslichkeit der Ehe und für die Heiligkeit der Familie betrifft. Dies ist eine besondere Pflicht, die wir gegenüber den jungen Menschen und gegenüber den künftigen Generationen haben. Mit den Problemen der Familie hängen die Situa- 300 REISEN tion und die Rolle der Frau in der Gesellschaft eng zusammen. „Zweifellos recht-fertigen die gleiche Würde und Verantwortlichkeit von Mann und Frau voll den Zugang der Frau zu öffentlichen Aufgaben. Andererseits verlangt die wirkliche Förderung der Frau auch, daß der Wert ihrer mütterlichen und familiären Aufgabe im Vergleich mit allen öffentlichen Aufgaben und allen anderen Berufen klare Anerkennung finde. Übrigens müssen solche Aufgaben und Berufe sich gegenseitig integrieren, soll die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung wahrhaft und voll menschlich sein“ (Familiaris consortio, Nr. 23). In der Familie hat die Frau eine unersetzliche und vorrangige Aufgabe in der Weitergabe des Lebens und der Erziehung der Kinder. Aufgrund der sozialen Entwicklung erleben wir heute eine allarmierende Schwächung der Beziehung Mutter - Kind. Achtet vor allem darauf, daß in der Sozialgesetzgebung nicht auf Kosten der Schwächeren verfahren wird, die keine oder nur eine kleine Lobby bei den Verfassungsorganen besitzen. 9. Dieses Problem weitet sich natürlich auch auf den Schutz des Lebens aus. Die Kirche verteidigt das menschliche Leben ohne irgendeinen Kompromiß, vom Anfang bis zum Ende. „Wie kann es Freiheit geben, wenn das Leben, jedes menschliche Leben, nicht angenommen und geliebt wird? Wie kann es wahren sozialen Fortschritt geben, wenn die Bedrohungen und Angriffe auf das Leben des Menschen, das freie Geschenk der Liebe und Vorsehung Gottes, gerechtfertigt und legalisiert werden? ... Das Leben muß immer verteidigt, mit Liebe angenommen und mit ständiger Achtung begleitet werden“ {Angelus, 3.2.1991). Von immer größerer Dringlichkeit wird auch die Notwendigkeit des Eintretens gegen jede Form von Euthanasie. „Wenn die Neigung vorherrscht, das Leben nur in dem Maße zu schätzen, wie es Vergnügen und Wohlbefinden mit sich bringt, erscheint das Leiden als eine unerträgliche Niederlage, von der man sich um jeden Preis befreien muß“ {Evangelium, vitae, Nr. 64). Die Euthanasie ist eine schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes, da es sich um die vorsätzliche Tötung einer menschlichen Person handelt. In diesem Zusammenhang danke ich Euch aufrichtig für Eure gemeinsame Initiative „Sterben vom Leben umfangen“, die Ihr zusammen mit den Evangelischen Kirchen Deutschlands ergriffen habt. Zum Problem der Organtransplantationen in Verbindung mit der Feststellung des Augenblicks des Todes verweise ich ebenso auf die entsprechenden Ausführungen in der Enzyklika Evangelium vitae, vor allem auch im Hinblick auf eine Bewertung der Gesetzesentwürfe, die der Bundestag zu prüfen haben wird. Im Zusammenhang mit dem Gesetz über die Schwangerschaftskonfliktberatung steht die Entscheidung über die Zuordnung der kirchlichen Beratungsstellen zur staatlich geregelten Beratung an. Diese Entscheidung muß mit großer Sorgfalt im Bewußtsein unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen vorbereitet und gefällt werden. Von unserem Glauben her ist klar, daß von kirchlichen Institutionen nichts getan werden darf, was in irgendeiner Form der Rechtfertigung der Abtreibung dienen kann. 301 REISEN 10. Viele andere Fragen wären noch einer Erwähnung oder Vertiefung wert; Fragen, die ebenso einen ausgesprochenen Aktualitätscharakter besitzen. So ist das Recht auf Religionsunterricht an den staatlichen Schulen neu zu betonen. „Zu sagen, daß es der religiösen Gemeinschaft und nicht dem Staat zusteht, sich dessen, ,was Gottes ist* (Mt 22,21), anzunehmen, heißt der Macht des Menschen eine heilsame Grenze setzen; diese Grenze ist der Bereich des Gewissens, der letzten Ziele, des letzten Sinnes der Existenz, der Offenheit für das Absolute“ (Ansprache vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, 11.10.1988). Die Schule ist nicht nur eine Veranstaltung des Staates, sondern der Gesellschaft. Der Staat hat eine dienende und ordnende Funktion im Bereich der Schule. Der Eltemwille ist entscheidend zu berücksichtigen. Was an Werten, Symbolen und Vorstellungen in der Schule Platz hat und gelehrt wird, darüber entscheiden die Eltern und Schulträger. Das Recht der Religionsfreiheit ist kein Recht zur Verhinderung der Religion. Wer Gott aus unserem Leben und das Kreuz aus unserer Gesellschaft verbannt, der wird auch die Gottes- und Nächstenliebe, Solidarität und Toleranz, die Achtung vor Menschenwürde und Menschenrecht aus unserem Leben und unserer Gesellschaft entfernen. In der Frage des Religionsunterrichts an den Schulen bitte ich Euch auch, auf den Glauben und eine qualifizierte Ausbildung der Lehrer zu achten. Die Missio kann nicht nur Formalität sein. Wer sie annimmt, bekundet damit, daß er nicht Privatmeinungen über Glaube und gläubiges Leben in den Unterricht bringen, sondern den Glauben der Kirche vermitteln will, der ihm selbst zum Weg des Lebens geworden ist. Das innere Ja des Lehrers zu diesem Glauben wird ihm helfen, zum einen das nötige Wissen weiterzugeben, es aber zugleich mit Überzeugung anzufüllen, die wieder Überzeugung schafft. Der Katechismus der katholischen Kirche muß selbstverständlich methodisch in vielfältigen Weisen umgesetzt werden. Aber er gibt allem Religionsunterricht die großen Inhalte vor, um die es geht und die nicht durch schnell vorübergehende theologische Moden verdeckt werden dürfen. Ich bitte Euch von Herzen darum, dafür zu sorgen, daß die Katechese in all ihren Formen vom Katechismus her ihren gemeinsamen festen Grund erhält. Zugleich möchte ich allen Religionslehrem danken für ihren Mut und für ihr Zeugnis. 11. Das Problem der Arbeitslosigkeit stellt sich in Eurem Land in einem vorher nicht gekannten Ausmaß. Es ist vor allem wegen der schweren Konsequenzen für die jungen Menschen besorgniserregend, aber auch wegen der Verursachung neuer Armut. „Die Verpflichtung, im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu verdienen, besagt ein Recht. Eine Gesellschaft, in der dieses Recht systematisch verweigert wird, in der es die wirtschaftspolitischen Maßnahmen den Arbeitern nicht ermöglichen, eine befriedigende Beschäftigungslage zu erreichen, kann weder ihre sittliche Rechtfertigung noch den gerechten sozialen Frieden erlangen“ (Centesimus annus, Nr. 43). Die Kirche bietet ihre Soziallehre an, aber keine technischen Lösungen; sie möchte jedoch vor allem in sozial schwierigen Zeiten mit allen betroffenen Par- 302 REISEN teien aus menschlicher Solidarität in engem Kontakt bleiben, um ihren Beitrag zu leisten, die Gegensätze zwischen den Partnern abzubauen und neue Begegnungspunkte zu finden. 12. Um in diesem bedeutsamen Augenblick der Geschichte die schwierigen Aufgaben, die vor der Kirche liegen, anzugehen, bedarf es einer großen Geschlossenheit des Episkopats: einer Geschlossenheit, die nichts von der nötigen Freiheit des Meinungsaustausches nimmt und die in keiner Weise die Verantwortung „de iure divino et canonico“ eines jeden Bischofs in seiner eigenen Diözese vermindern könnte; die Koordination in der pastoralen Tätigkeit, die vor allem im Bereich der Bischofskonferenz erfolgt, ist darauf ausgerichtet, die harte Arbeit der Bischöfe zu erleichtern und ihre Autorität zu unterstützen Indem ich die Gaben des Heiligen Geistes auf Euch herabrufe, erteile ich Euch von Herzen den Apostolischen Segen. Für Solidarität und Gerechtigkeit — Teilen lernen Predigt bei der Eucharistiefeier in Paderborn am 22. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Was ist das für ein Mensch, daß ihm sogar die Winde und der See gehorchen?“ CMt 8,27). Es schien, als ob jener Wind, der auf dem See Genezareth losgebrochen war, das Boot versenken würde. Als die Wogen das Deck überfluteten, weckten die Apostel Jesus, der aufgrund seiner Erschöpfung schlief. „Herr, rette uns, wir gehen zugrunde! (...) Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen? Dann stand er auf, drohte den Winden und dem See, und es trat völlige Stille ein“ (Mt 8,25-26). Seit zweitausend Jahren lesen wir von diesem Ereignis. Es ist das Bild der Kirche: das Schifflein Petri, das apostolische Schiff. Die Kirche angesichts von Kräften, die sie von außen treffen. Die Kirche in unserem Jahrhundert. Wem kommt da nicht die Gefahr in den Sinn, in der sich gerade die Kirche in Deutschland befunden hat. Hier, in diesem Land. Die Gefahr dehnte sich aus: Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Fast ganz Europa in Flammen. Ich gehöre zu der Generation, die sich daran erinnert. „Rette uns, Herr, wir sind verloren!“ Das Flehen in den Kirchen: „Heiliger Gott, heiliger starker Gott, heiliger unsterblicher Gott, erbarme dich unser! Vor Seuchen, Hunger, Ungewitter und Krieg bewahre uns, o Herr!“ Wir erinnern uns auch an die Menschen, die in jener Zeit der Verachtung die Würde der Personen und der Nationen retteten. 2. Wir gehen auf das große Jubiläumsjahr 2000 zu ohne Angst und Verzagtheit, im Gegenteil, mit großer Zuversicht und einig in der Hoffnung. Denn wir wissen, daß 303 REISEN der Herr mit im Schiff sitzt und uns die Kraft gibt, Kleingläubigkeit und Mutlosigkeit zu überwinden, seinem Wort zu vertrauen und so das Ziel zu erreichen. Die Kirche geht ihren Weg durch die Zeit in der Vielfalt der Völker und Kulturen. Sie bleibt aber immer das eine Volk Gottes. Sie weiß sich geführt durch den Geist Gottes, der sie durch die Geschichte hindurch in der Einheit und Wahrheit hält (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25). Hier an diesem Ort, liebe Schwestern und Brüder, wird uns dies besonders bewußt. Fast zwölfhundert Jahre ist es her, daß der Frankenkönig Karl der Große und mein Vorgänger, der heilige Papst Leo III., hier in Paderborn diese für das Wohl der Menschen so notwendige Zusammenarbeit von Papst und Kaiser oder, wie wir heute sagen, von Staat und Kirche grundgelegt und bekräftigt haben. Das christliche Abendland hat dadurch für Jahrhunderte eine entscheidende Prägung erhalten. In einigen Jahren werdet Ihr das zwölfhundertjährige Jubiläum der Erzdiözese Paderborn feiern. Es soll auch daran erinnern. Deshalb möchte ich gerade hier an diesem so wichtigen Ort Paderborn der ganzen Kirche in Deutschland zurufen: Laßt Euch nicht durch Sturm und See in Mutlosigkeit und Resignation stürzen! Seid vielmehr einig in der Hoffnung, und stärkt Euch im gemeinsamen Glauben! Erinnert Euch an die lange Geschichte des christlichen Glaubens in diesem Land! Laßt nicht zu, daß dieser Glaube schwächer und kraftloser wird! Habt keine Angst um die Zukunft des christlichen Glaubens und der Kirche! Im Gegenteil: Schreitet mutig und im Vertrauen auf Jesus Christus ins nächste Jahrtausend. Wir wissen, daß sich in Zukunft viele äußere Bedingungen des privaten und öffentlichen Lebens verändern werden. Dies läßt auch die Kirche nicht unberührt. Aber niemals dürfen an Bord des Kirchenschiffes Ängstlichkeit und Klagen die Herzen beherrschen. Wir vertrauen auf den Herrn, weil wir an seine lebendige Gegenwart in der Kirche glauben. 3. Liebe Schwestern und Brüder, laßt uns gemeinsam unsere christliche Berufung leben, wozu uns der Apostel Paulus, Gefangener um des Herrn willen (vgl. EphA,\), in der heutigen Lesung ermahnt hat: „... ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch Zusammenhalt“ (Eph 4,1-3). „Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin.“ So heißt es im Epheserbrief. Dies ruft uns erneut so viele Gefangene in Erinnerung, die die zeitgenössischen Seiten der Kirchengeschichte geschrieben haben. Bernhard Lichtenberg - Dompropst von Berlin -, Karl Leisner - ein Diakon, der als Gefangener im Konzentrationslager Dachau zum Priester geweiht wurde. Morgen werde ich sie in Berlin zu Seligen erklären. Sie waren jedoch nicht allein. Schon vor neun Jahren konnte ich hier in Eurem Land Schwester Teresia Benedicta a Cruce, besser bekannt als Edith Stein, und Pater Rupert Mayer seligspre- 304 REISEN chen. Auch deren Martyrium war ein Zeugnis für Christus und ein Zeichen des Widerstandes gegen die dämonischen Mächte einer gottfemen Welt. Die vier Seligen stehen stellvertretend für die vielen katholischen Frauen und Männer, die sich unter vielfältigen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verweigerten und der braunen Ideologie widerstanden haben. Sie sind somit ein Teil des Widerstandes, den die gesamte Kirche jenem gott- und menschenverachtenden System gegenüber geleistet hat. Und sie stehen letztlich auch für die vielen Menschen, die durch ihren Widerstand und ihre Opfer das Vertrauen in das Gute im Menschen und in ein anderes und besseres Deutschland wachhalten konnten. Auch unser Jahrhundert hinterläßt ein reiches Martyrologium (vgl. Tertio millen-nio adveniente, Nr. 37). Beeilen wir uns, damit alle diese Zeugnisse einer echten Größe des Geistes und der Heiligkeit nicht in Vergessenheit geraten. Ein Martyrologium ist nicht nur eine Registrierung von Tatsachen. Es ist eine Ermahnung. Auch das Martyrium unseres Jahrhunderts ist eine Ermahnung. Ist aus ihr nicht das Werk des Zweiten Vatikanischen Konzils entstanden? Der jährliche Weltgebetstag für den Frieden? Und auch so viele apostolische Initiativen? Zum Beispiel die Weltjugendtreffen? Durch das Martyrium, das die Erfahrung unseres Jahrhunderts darstellt, hat die Kirche ein besseres Verständnis von sich selbst und von ihrem Auftrag in der Welt gewonnen. 4. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich auch die Notwendigkeit betont, sich besonders um die Anerkennung der heroischen Tugenden von Männern und Frauen zu bemühen, die ihre Berufung in der Ehe verwirklicht haben (vgl. Nr. 37). Die Berufung zum Leben in der christlichen Ehe und Familie erfordert den Dienst der Liebe und den Dienst des Lebens. Liebe und Leben bilden den Wesenskem der Heilssendung der christlichen Familie in der Kirche und für die Kirche (vgl. Familiaris consortio, Nr. 50). Sie hat entscheidend als Ort der Erziehung aufzutreten. Vernachlässigt als Eltern die Kinder nicht! Und kümmert Euch um Eure Eltern, vor allem wenn sie alt und gebrechlich werden! Als Familien sollt ihr auch eine evangelisierende Gemeinschaft sein, in der das Evangelium empfangen und in die Praxis umgesetzt wird, in der das Gebet gelernt und gemeinsam gepflegt wird, in der alle Mitglieder durch Wort und Tat und ihre Liebe zueinander Zeugnis für die Frohe Botschaft der Erlösung ablegen. „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles in allem ist“ (Eph 4,4-6). Diese „Einheit des Geistes“ (Eph 4,3) ist kein Traum, keine bloße Idee, sondern sichtbare Realität in der Gemeinschaft der Kirche. Die „gemeinsame Hoffnung“ (Eph 4,4) ist in der „communio“ der einen Kirche erfahrbar. Der Blick auf die Geschichte des Volkes Gottes zeigt uns, wie wichtig es ist, diese „Einheit des Geistes“ und die „gemeinsame Hoffnung“ sichtbar zu bezeugen. 305 REISEN 5. Deshalb bitte ich vor allem Euch Bischöfe und Priester, dem ganzen Volk Gottes zu helfen, immer neu dem Herrn zu begegnen, auf sein Wort zu hören und seinem Beispiel zu folgen. Ihr Priester und Bischöfe seid in besonderer Weise Diener der Einheit des Volkes Gottes, das eins sein soll im Glauben und im gemeinsamen Leben mit der Kirche aller Zeiten. Ich bitte Euch herzlich, mit ganzem Herzen dieser Einheit zu dienen. Ermutigt alle Schwestern und Brüder, ihrer christlichen Berufung treu zu bleiben. Weist den Zweifelnden den Weg! Ermutigt und begleitet die jungen Menschen! Seid den Gescheiterten und Resignierten nahe! Euch alle, liebe Schwestern und Brüder, rufe ich auf, für geistliche Berufe zu beten. Haltet den Sinn für die besondere Nachfolge Christi wach, damit die Berufung Gottes zum Dienst der Einheit nicht ungehört verhallt. Blickt auf die Lebensart Jesu in den evangelischen Räten: Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit; und erkennt in Ihr einen Weg zu wahrer Freiheit und persönlicher Erfüllung. Laßt Euch nicht einreden, daß die zölibatäre Lebensform der Priester überholt sei. Wie kann etwas überholt sein, was dem Beispiel Jesu entspricht? Die Einheit mit Christus finden wir nur, wenn wir dem Vorbild seines Lebens folgen. Zu dieser Nachfolge und lebendigen Einheit mit dem Herrn sind nicht nur Priester und Ordensleute, sondern alle Christen aufgefordert. Erfahrbar wird dies, wenn wir neu ja sagen zu unserer Taufe, zur Firmung, zum Eheversprechen. Wir alle sollten die Chance dieser Stunde ergreifen und neu eins werden mit Jesus Christus und untereinander. 6. Liebe Schwestern und Brüder, die „gemeinsame Hoffnung“ und die „Einheit des Geistes“ verbinden uns als katholische, das heißt universale Kirche. An diesem Ort, der nicht zuletzt durch den Einsatz des unvergessenen Kardinals Jaeger für die Ökumene von großer Bedeutung ist, rufe ich erneut alle Christen zur Einheit auf! Gerade im Blick auf das Heilige Jahr 2000 wendet sich die Kirche mit inständiger Bitte an den Heiligen Geist und erfleht von ihm die Gnade der Einheit aller Christen (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 34). Liebe Schwestern und Brüder, die Kirche ist nicht für sich selbst da, sondern für das Heil der Welt. Ihre Einheit kann nicht die einer „geschlossenen Gesellschaft“ sein. Sie soll vielmehr eine missionarische Gemeinschaft bilden, die mitten in der Welt Zeugnis ablegt von der größeren Hoffnung, die uns Christen bewegt. „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium., Nr. 1). Deshalb gehört es zur Berufung der Kirche, nicht teilnahmslos an den Sorgen und Nöten der Menschen vorbeizugehen, sondern die Gesellschaft im Geist des Evangeliums zu inspirieren. Der christliche Glaube strebt danach, daß Gottes Wille geschieht im Himmel und auf Erden. Darum muß er auch die Bereiche der Politik, der Wirtschaft und der Kultur beseelen; sonst wird er seiner Berufung nicht gerecht. Der erste Satz der Konzilskonstitution Gaudium et spes ist das Leitmotiv dieses Einsatzes: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Be- 306 REISEN drängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi“ (Gaudium et spes, Nr. 1). 7. Liebe Schwestern und Brüder, das Jahr 1989 hat die Welt radikal verändert. Die eine Welt wächst immer enger und schneller zusammen. Wir sollten diesen Prozeß begrüßen, denn er gibt unzähligen Menschen eine neue Lebensperspektive. Aber dieses Zusammenwachsen von Nord und Süd, Ost und West muß menschenwürdig gestaltet werden. Es darf nicht eine Welt entstehen, die erneut von einer „radikalen kapitalistischen Ideologie“ (Centesimus annus, Nr. 42) geprägt werden könnte. Die Welt hofft auf ein Miteinander der Nationen und Staaten, das die Lebensrechte aller Menschen respektiert und ihre Entwicklung fördert. Besonders für die reichen Länder bedeutet dies: Teilen zu lernen und den benachteiligten Völkern nicht nur zu helfen, sondern sie als Partner zuzulassen und anzunehmen. Dieser unausweichliche Wandel muß und kann in Solidarität und Gerechtigkeit gestaltet werden. In diesem Zusammenhang möchte ich den deutschen Katholiken danken für ihre Hilfe, die den Menschen und der Kirche weltweit zugute kommt. Besonders freue ich mich über die solidarische Tätigkeit Eurer jüngsten Hilfsaktion „Renovabis“ mit den Nachbarn in Mittel-, Südost- und Osteuropa. Ihr fördert damit auch Kontakte zwischen den Menschen in West und Ost. 8. Solidarität und Gerechtigkeit gelten auch für die Entwicklung in eurem eigenen Land, das nach der Wiedervereinigung seinen Weg in eine gemeinsame Zukunft sucht. In diesem Prozeß gibt es heute noch Probleme, die viele Menschen bedrücken. Es darf sich nicht ein radikaler Individualismus durchsetzen, der am Ende die Gesellschaft zerstört. Ein harmonisches Zusammenleben kann aber nur gelingen, wenn Ihr gemeinsame Werte und Orientierungen behaltet, wenn Gerechtigkeit und Solidarität, Menschenwürde und Barmherzigkeit nicht nur das Ideal einer kleinen Gruppe sind, sondern Ziele für die ganze Gesellschaft bleiben. Auch deshalb ist es für Euer Land wichtig, daß der christliche Glaube und seine Botschaft präsent bleiben, daß Christen sich in Politik und Gesellschaft einsetzen, daß unser Glaube Orientierung für alle sein kann. Auch für die Nichtglaubenden gilt die Soziallehre der Kirche, die Grundsätze des Naturrechts enthält. Ebenso ist es mit der Einheit Europas. Sie darf nicht nur in einer Gemeinsamkeit der materiellen Interessen bestehen. Ihre Grundlagen sind: der Konsens in den grundlegenden Zielen und Wertvorstellungen, das gemeinsame kulturelle Erbe und nicht zuletzt eine Verbundenheit des Geistes und der Herzen. Ohne den christlichen Glauben wird Europa die Seele fehlen. Wir Christen sind berufen, Sorge zu tragen für den Geist, der das künftige Europa eint und gestaltet. Dies ist eine große Verantwortung und Herausforderung, der wir uns über die Grenzen hinweg ernsthaft stellen wollen und müssen. Mit diesem Wunsch wende ich mich vor allem an die Mitbrüder im Bischofsamt, denen mein herzlicher Gruß gilt. Besonders begrüße ich die anwesenden Herren 307 REISEN Kardinale, den Herrn Erzbischof von Paderborn, den Herrn Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz sowie alle Bischöfe aus Deutschland und der Welt. Sehr herzlich grüße ich auch die Vertreter des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Stadt Paderborn. 9. Liebe Schwestern und Brüder, auch am Ende des zweiten Jahrtausends ruft uns Christus in das Schiff seiner Kirche. Er lädt uns ein, mit ihm durch das Meer der Zeit zu fahren, ihm zu glauben und zu vertrauen, eins zu sein in der Hoffnung und in der Liebe. Im Blick auf das Heilige Jahr 2000 und die damit eröffnete neue Epoche will uns der Geist Gottes zusammenfügen in „einem Leib, einer Berufung, einer gemeinsamen Hoffnung“ (Eph 4,3-4). Er will die eine Kirche für die Einheit der Welt wirksam werden lassen. Dabei haben wir eine starke und hilfreiche Begleiterin: Maria, die Mutter des Herrn und die Mutter der Kirche. Unter ihren Schutz wollen wir die Kirche und uns selbst stellen. Gott, der Vater aller Menschen, zeigt uns einen Weg. In Jesus Christus hat er sich mit allen Menschen verbunden, besonders mit den Armen und Leidenden (vgl. Redemptor hominis, Nr. 14). Im Vertrauen auf seinen Heiligen Geist dürfen wir der Zukunft entgegengehen. Dieser dreifältige Gott segne und behüte Euch: der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen. Seligsprechung von Karl Leisner und Bernhard Lichtenberg Worte bei der Eucharistiefeier im Olympiastadion in Berlin am 23. Juni Nach Beratung mit der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsverfahren erfülle ich gern die Bitte meiner Brüder Georg Kardinal Sterzinsky, des Erzbischofs von Berlin, und Reinhard Lettmann, des Bischofs von Münster, sowie zahlreicher Christgläubiger und gestatte kraft meiner Apostolischen Autorität, daß die ehrwürdigen Diener Gottes Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner künftig Selige genannt werden. Das Gedächtnis des Seligen Bernhard Lichtenberg soll alljährlich am 5. November, das Gedächtnis des Seligen Karl Leisner alljährlich am 12. August an den hierfür vorgesehenen Orten gefeiert werden. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. 308 REISEN Zeugen für ein Leben, das über den Tod hinaus geht Predigt bei der Eucharistiefeier mit Seligsprechung von Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner in Berlin am 23. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“ {Mt 10,28). Die einst von Christus an seine Jünger im Heiligen Land gerichteten Worte beziehen sich auf alle Christen über die Jahrhunderte hinweg. Sie gelten für alle geographischen Längen- und Breitengrade. Sie gewannen eine besondere Bedeutung für jene Jünger Christi, deren Seligsprechung wir heute in Berlin feiern: Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner. Diese Feier ist eine Gnadenstunde für die Kirche von Berlin und von Münster. Und sie ist auch eine Gnadenstunde für das ganze deutsche Volk. In der großen Danksagung der Kirche, der Eucharistie, dürfen wir am heutigen Tag einen zusätzlichen und besonderen Dank sagen. Es ist der Dank an Gott, der seiner Kirche und der Welt zwei Menschen geschenkt hat, die in der bedingungslosen Nachfolge Jesu Christi Zeugnis abgelegt haben für den Sieg des Glaubens. Die Geschichte stellte beide auf eine harte Probe, aber sie fürchteten sich nicht „vor denen, die den Leib töten“. Das furchtbare totalitäre System gestattete mit einer Großzügigkeit sondergleichen den Tod für die, die sich dem System nicht unterwarfen. Auf diese Weise versuchte man, die Seelen zu beherrschen. Unsere Sehgen jedoch schöpften aus den Worten Christi die Gewißheit, daß jene „die Seele nicht töten können“. Von hier aus ist ihr Sieg zu verstehen. Sie haben diesen Sieg errungen, indem sie Christus vor den Menschen bekannten: „Wer sich (...) vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen“ {Mt 10,32). Der vor den Menschen bekannte Christus war ihre Stärke. Christus blieb ihnen auch nach dem Märtyrertod treu. Er ist ihr Zeuge vor dem Vater, und in diesem Zeugnis ist das „Urteil ihrer Heiligkeit“ enthalten - das „Urteil“, das heute im Olympiastadion von Berlin von der Kirche öffentlich bekannt gemacht wird. Genau an dem Ort, wo das nationalsozialistische Regime vor 60 Jahren die Feier der olympischen Spiele zu einem Triumph für seine menschenverachtende Ideologie nutzen wollte, an dem Ort, wo der Idealismus der Jugend mißbraucht und Menschen statt zum friedlichen Miteinander zu Haß und Feindschaft angestachelt wurden, triumphieren heute zwei selige Märtyrer. Wir grüßen Euch, unerschrockene Diener Christi, des Königs mit der Dornenkrone. Möge diese Stadt, die Zeugin des Kampfes Bernhard Lichtenbergs gegen die Macht des Bösen und Zeugin des Gefängnisses, der Folter und des Todes wurde, heute Zeugin Eurer Erhöhung in der Kirche des lebendigen Gottes werden. 309 REISEN 2. Um die Umstände zu verstehen, unter denen unsere beiden Seligen von heute ihren geistlichen Kampf gekämpft haben, greift die Liturgie auf den Propheten Jeremia zurück: „Hörte ich doch das Flüstern der Vielen: Grauen ringsum! Zeigt ihn an! Wir wollen ihn anzeigen“ (20,10). Diese Worte wurden vor zweitausendfünfhundert Jahren geschrieben - aber sie klingen, als würden sie sich auf die jüngste Zeit beziehen. Das System bediente sich der Methode „Terror aller Orten“, um freie Menschen in Denunzianten zu verwandeln. Jeremia ist die Gestalt Christi und durch Christus die Gestalt aller, die sich nicht betören ließen (vgl. Jer 20,10); aller, die auf die Macht Gottes vertrauten und so den Sieg davongetragen haben. „Der Herr steht mir bei wie ein gewaltiger Held. Darum straucheln meine Verfolger und kommen nicht auf“ (Jer 20,11). Der Herr „rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter“ (Jer 20,13). Im Text des Propheten Jeremia finden wir einen hinreichend klaren Bezug auf die zwei Seligen von heute: Bernhard und Karl. Sie lebten in Zeiten des systematischen Terrors. Durch ihren Glauben und durch ihr Bekenntnis haben sie gesiegt. Nicht der Beifall der Welt, sondern das treue Bekenntnis zu Jesus Christus ist der Ausweis einer echten Nachfolge Christi. Der Herr verlangt von seinen Jüngern kein Allerweltsbekenntnis, sondern ein Glaubensbekenntnis, das bereit ist, auch Opfer zu bringen. Dieses Bekenntnis haben Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner abgelegt, nicht nur mit Worten, sondern mit ihrem Leben und ihrem Sterben. Sie haben sich in einer unmenschlich gewordenen Welt zu Christus bekannt, der allein der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. 3. Christus ist der Weg. Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner haben dies in einer Zeit bezeugt, in der viele den rechten Weg verlassen hatten und aus Opportunismus oder Angst in die Irre gegangen sind. Wer den Weg der beiden Märtyrer betrachtet, weiß: Ihr Martyrium war kein zufälliges Mißgeschick auf ihrem Lebensweg, son'em die letzte und zwangsläufige Konsequenz eines Lebens, das in der Nachfolge Christi gelebt wurde. Schon in früher Jugend haben sich beide auf den Weg gemacht, auf den Gott sie gerufen hat und den er mit ihnen gehen wollte. „Christus, du hast mich gerufen. Ich spreche bescheiden und bestimmt: ,Hier bin ich, sende mich““, schreibt Karl Leisner zu Beginn seines Theologiestudiums. Er, der frühzeitig den antichristlichen Charakter der damals herrschenden Partei erkannt hatte, fühlte sich berufen, durch den angestrebten Dienst als Priester den Menschen den Weg Gottes zu lehren und keine Zugeständnisse an die sogenannte „völkische Weltanschauung“ zu machen. Noch bevor er in Dachau gefangen war, entwickelte er bereits eine tiefe Marienverehrung, zu der er von Pater Kentenich und der Schönstattbewegung angeregt worden war. Sein Glaubensmut und seine Begeisterung für Christus sollen vor allem den jungen Menschen, die in einem weithin von Unglauben und Gleichgültigkeit geprägten Umfeld leben, Anstoß und Vorbild sein. Denn nicht nur politische Diktatoren schränken die Freiheit ein; es braucht ebenso Mut und Kraft, sich gegen den Sog 310 REISEN des Zeitgeistes zu behaupten, der sich an Konsum und egoistischem Lebensgenuß orientiert oder gelegentlich mit Kirchenfeindschaft, ja sogar mit militantem Atheismus hebäugelt. Der Dienst an den Menschen verlangte von Bernhard Lichtenberg seinen ganzen Einsatz und seine ganze Hingabe. Sein unerschütterlicher Glaube gab ihm dazu die Kraft. „Er stand mit jeder seiner Faser hinter jedem Wort: er predigte durch sich selbst ... Er hatte den Glauben, der Berge versetzt“, schreibt einer seiner Zeitgenossen später über ihn. Bernhard und Karl ermuntern uns, auf dem Weg zu bleiben, der Christus heißt. Wir dürfen nicht müde werden, auch wenn dieser Weg manches Mal dunkel erscheint und Opfer verlangt. Hüten wir uns vor den falschen Propheten, die uns andere Wege weisen wollen. Christus ist der Weg, der ins Leben führt. Alle anderen Wege werden sich als Umwege oder Irrwege erweisen. 4. Christus ist die Wahrheit. Dafür hat Bernhard Lichtenberg bis zum letzten Atemzug Zeugnis abgelegt. Gegen die Lüge der nationalsozialistischen Ideologie bekannte Lichtenberg darum mutig: „Mein Führer ist Christus!“ Jeden Tag betete er in den Fürbitten des Abendgebetes „für die schwerbedrängten ,nichtarischen Christen, für die verfolgten Juden, für die Gefangenen in den Konzentrationslagern ...“ Daß der neue Selige ein Heiliger des fürbittenden Gebetes war, zeigt sich nicht nur in diesem Gebet für die Juden und die Häftlinge in den Konzentrationslagern, es zeigt sich ebenso in seinem Gebet für die geistlichen Berufe. Er war ein unermüdlicher Förderer des Apostolats für Priesterberufe. Seine Seligsprechung soll deswegen ein Anruf sein, den Welttag und die monatlichen Gebetstage für geistliche Berufe mit neuer Hingabe und Zuversicht zu begehen. Ich möchte Euch auch ermutigen, in den Gemeinden und besonders im Päpstlichen Werk für geistliche Berufe im Sinn Bernhard Lichtenbergs die Sorge der Kirche mitzutragen. Bernhard Lichtenberg erkannte klar, daß dort, wo die Wahrheit Gottes nicht mehr geachtet wird, auch die Würde des Menschen verletzt wird. Wo die Lüge herrscht, regiert auch immer das falsche und böse Handeln: „Die Taten eines Menschen sind die Konsequenzen seiner Grundsätze. Sind die Grundsätze falsch, werden die Taten nicht richtig sein ... Ich bekämpfe falsche Grundsätze, aus welchen falsche Taten entstehen müssen“, schreibt er im Protokoll seiner ersten Vorführung vor den Nazirichtem. Und er nannte auch einige dieser falschen Grundsätze klar und deutlich beim Namen: „... die Beseitigung des Religionsunterrichtes an den Schulen. Kampf gegen das Kreuz ... Verweltlichung der Ehe, absichtliche Tötung angeblich lebensunwerten Lebens (Euthanasie), Judenverfolgung ...“ Auf der Basis seiner klaren Grundsätze sprach und agierte Bernhard Lichtenberg eigenständig und unerschrocken. Dennoch war er von Glück und Freude fast überwältigt, als ihm sein Bischof Konrad von Preysing beim letzten Besuch im Gefängnis Ende September 1943 eine Botschaft meines Vorgängers Pius XII. überbrachte, in der ihm dessen innigstes Mitgefühl und väterliche Anerkennung bezeugt wurde. Wer sich nicht auf billige Polemik beschränkt, weiß sehr wohl, 311 REISEN was Pius XII. über das Nazi-Regime dachte und wieviel er unternommen hat, um unzähligen Menschen, die von jenem Regime verfolgt wurden, zu helfen. Für Bernhard Lichtenberg war das Gewissen „der Ort... der heilige Raum, in dem Gott zum Menschen spricht ...“ (Veritatis splendor, Nr. 58). Und die Würde des Gewissens beruhte für ihn immer auf der Wahrheit (vgl. ebd., Nr. 63). Liebe Schwestern und Brüder! Das Beispiel des seligen Bernhard ruft uns auf, „Mitarbeiter für die Wahrheit“ (3 Joh 8) zu werden. Laßt Euch nicht beirren, wenn Gott und der christliche Glaube auch in unseren Tagen schlecht gemacht oder verspottet werden. Bleibt der Wahrheit treu, die Christus ist. Meldet Euch mutig zu Wort, wenn falsche Grundsätze wieder zu falschen Taten führen, wenn die Würde des Menschen verletzt oder die sittliche Ordnung Gottes in Frage gestellt wird. In diesem Zusammenhang zeigt uns die zweite Lesung an die Römer in gewissem Sinne eine tiefere Dimension der Wirklichkeit, in die das Leben und die Berufung der beiden Seligen eingebettet war. Es handelt sich um die Wurzeln des Bösen selbst in der Geschichte der Abstammung von Adam („durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod“ [Röm 5,12]). „Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden“ (Röm 5,15). Zu Zeiten, als sich „die Sünde“ durch das System absoluter Gewalttätigkeit und Grausamkeit als Herrin aufspielte, gewinnen diese beiden Zeugen Christi, die aus seiner Gnade die Kraft zum Sieg schöpfen, eine besondere Bedeutung. Die heutige Seligsprechung ist Beweis dafür. In ihr drückt sich „die Erinnerung“ der Kirche aus: „die Taten Gottes nicht vergessen“ (Ps 77[78],7). Mit Gottes Hilfe werden wir dann wie Bernhard Lichtenberg und wie der Apostel Paulus vor den kommenden Generationen sagen können: „... wir haben ihnen nicht nachgegeben, damit euch die Wahrheit des Evangeliums erhalten bleibe“ (Gal 2,5). 5. Christus ist das Leben: Das war die Überzeugung, für die Karl Leisner gelebt hat und für die er schließlich starb. Er hat sein Leben lang die Nähe Christi gesucht im Gebet, in der täglichen Schriftlesung und in der Meditation. Und er hat diese Nähe schließlich in besonderer Weise gefunden in der eucharistischen Begegnung mit dem Herrn. Das eucharistische Opfer, das Karl Leisner nach seiner Priesterweihe im Konzentrationslager Dachau dann doch noch als Priester feiern durfte, war für ihn aber nicht nur Begegnung mit dem Herrn und Kraftquelle für sein Leben. Karl Leisner wußte auch: Wer mit Christus lebt, tritt ein in die Schicksalsgemeinschaft mit dem Herrn. Karl Leisner und Bernhard Lichtenberg sind nicht Zeugen des Todes, sie sind Zeugen des Lebens: eines Lebens, das über den Tod hinausgeht. Sie sind Zeugen für Christus, der das Leben ist, und der gekommen ist, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Joh 10,10). In einer Kultur des Todes haben beide Zeugnis abgelegt für das Leben. 312 REISEN Wie die beiden Seligen sind wir alle dazu berufen, für das Leben Zeugnis zu geben. Darum haltet fest am Leben, das Christus ist. Widersteht der Kultur des Hasses und des Todes, unter welchem Gewand sie auch immer auftritt. Und werdet nicht müde, Euch gerade für die einzusetzen, deren Leben und Lebenswürde bedroht ist: die Ungeborenen, die Schwerstkranken, die Alten und die vielen Notleidenden unserer Welt. In ihrem Sterben haben Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner das Leben sichtbar gemacht, das Christus ist und das Christus gibt. Die Kirche wird sie und ihr Zeugnis für immer in Ehren halten. 6. Das Zeugnis, das die beiden Seligen abgelegt haben, war ihnen nicht zuletzt möglich durch das leuchtende Beispiel, das ihnen ihre eigenen Bischöfe gegeben haben: Konrad von Preysing in Berlin und Clemens August von Galen in Münster. Gerade in einer Zeit und Umwelt, die den Wert des christlichen Glaubens oftmals nicht mehr erkennen kann oder will und damit auch die Grundlage ihrer Kultur in Frage stellt, ist ein solches Zeugnis nötig. Dabei geht es nicht nur um das Zeugnis des Wortes, sondern eben um das Zeugnis eines Lebens, das in Gottes Wort seinen Grund hat, so wie es Karl Sonnenschein, der Berliner Großstadtapostel, bereits 1927 formuliert hat: „Vor den heidnischen Menschen der Großstadt ist Apologetik des Wortes fruchtlos ... Nur eines reicht an diese Menschen heran, die das Christentum auch nicht mehr aus den Erzählungen ihrer Väter kennen, auch nicht mehr vom Rosenkranz ihrer Mutter, auch nicht aus dem Religionsunterricht der eigenen Schulzeit... : Die am eigenen Leibe, an eigener Seele, an eigener Not erlebte Güte dieser Religion in ihren Vertretern.“ Dieses Zeugnis des Wortes und des Lebens haben nicht nur in dieser so lange Zeit zweigeteilten Stadt, sondern auch in dem Gebiet der ehemaligen DDR Bischöfe und Laien in großer Treue gegeben. In Dankbarkeit nenne ich die Berliner Bischöfe Wilhelm Weskamm, Julius Kardinal Döpfner, Alfred Bengsch und schließlich - unter uns weilend - Joachim Kardinal Meisner. Ich sage ebenso an diesem Tag einen herzlichen Dank den vielen Laien, Frauen und Männern, ja auch Kindern und Jugendlichen, die über Jahrzehnte in der Unterdrückung dem katholischen Glauben und ihren Gemeinden treu geblieben sind. 7. Liebe Schwestern und Brüder! Unser Weltauftrag verlangt von uns Christen nicht, daß wir zu angepaßten und bequemen Zeitgenossen werden und dafür unsere Identität preisgeben. Er verlangt vielmehr, daß wir Christen bleiben, daß wir unseren Glauben bewahren und leben und als wesentlichen Anteil in die menschliche Gesellschaft einbringen. Darum dürfen wir an diesem Auftrag durch niemanden gehindert werden, auch nicht durch den Staat. Bei Wahrung gegenseitiger Freiheit und Unabhängigkeit ist das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Deutschland auf Kooperation hin angelegt und nicht auf Trennung. Die geschichtlich gewachsene Beziehung verpflichtet den Staat zum Schutz der Institutionen, die gesellschaftlich wichtige Aufgaben wahmehmen, und verbietet jegliche Form von staatlichem Eingriff. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, daß der 313 REISEN vollen Durchsetzung des Grundgesetzes sowohl dem Geist als auch dem Buchstaben nach auch in den neuen Bundesländern Rechnung getragen wird. Unter Berücksichtigung der Dienstfunktion des Staates ist die Religionsfreiheit zu gewährleisten, vor allem im erzieherischen Bereich und in der religiösen Erziehung. Neutral ist der Staat und nicht der Religionsuntericht! 8. Meine besondere Verbundenheit bekunde ich in dieser Stunde dem Erzbischof von Berlin, Georg Maximilian Kardinal Sterzinsky, sowie den anwesenden Kardi-nälen, dem Bischof von Münster als Heimatbischof von Karl Leisner, dem Herrn Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und den Bischöfen aus Deutschland und den Nachbarländern, allen Priestern, Diakonen und Ordensleuten. Sehr herzlich begrüße ich den Herrn Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, die Frau Präsidentin des Deutschen Bundestages, den Herrn Bundeskanzler, die Minister der Bundesregierung, den Herrn Regierenden Bürgermeister von Berlin mit Mitgliedern des Senats, die Ministerpräsidenten der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und des Freistaates Thüringen sowie Repräsentanten der Landesregierungen und Landesparlamente, der übrigen Verfassungsorgane und die zahlreichen Vertreter des Diplomatischen Corps. Schließlich grüße ich Euch alle, die zahllosen Gläubigen, und danke für Euer Kommen und für die Mitfeier. Besonders begrüße ich die Angehörigen unserer zwei neuen Seligen, wie auch die Gruppe ehemaliger Häftlinge der Konzentrationslager, Frauen und Männer. Vor allem grüße ich auch die große Zahl von Jugendlichen. Ihr habt die vergangene Nacht gewacht und gebetet und seid heute früh mit dem Kreuz des Heiligen Jahres, das zum Symbol der Weltjugendtreffen wurde, ins Stadion gezogen. Ich danke Euch von Herzen für dieses mutige Bekenntnis eures Glaubens! Wie könnte ich in diesem Augenblick vergessen, daß ich mich im August nächsten Jahres zu einer erneuten Begegnung mit der Jugend der Welt nach Paris begeben möchte. Schon heute lade ich Euch alle herzlich zu diesem großen Fest ein. Kommt selbst und bringt viele Eurer Altersgenossen mit. Die Weltjugendtreffen sind für alle, die sich einfinden, immer eine Stunde außergewöhnlicher Gnade. Ferner begrüße ich die große Zahl meiner Landsleute. Eure heutige Anwesenheit in Berlin und die gemeinsame Feier ist ein beredtes Zeichen der Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen, zu deren Gelingen die Bischöfe und Gläubigen in beiden Ländern wesentlich beigetragen haben. Es würde mich freuen, zahlreiche Schwestern und Brüder aus Deutschland im Mai nächsten Jahres in Breslau anläßlich des eucharistischen Weltkongresses wieder begrüßen zu können. 9. Der ganzen Kirche in Deutschland möchte ich Mut machen, unserer christlichen Sendung treu zu bleiben und stets auf das Vorbild der beiden seligen Märtyrer Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner zu blicken. „Mater habebit curam“ - die himmlische Mutter wird sorgen! Mit diesem hoffnungsfrohen Wort Karl Leisners 314 REISEN empfehle ich Euch der Fürsprache Mariens, die als erste Christin ihr Jawort zum unbegreiflichen Willen Gottes gesagt hat. Von Herzen segne ich Euch alle in der Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Dank sei und die Ehre in Ewigkeit. Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa Ansprache vor dem Angelusgebet im Olympiastadion in Berlin am 23. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. Zum Schluß dieses Gottesdienstes möchte ich euch alle nochmals herzlich grüßen und euch danken für diese beeindruckende Feier der Seligsprechung von Karl Leisner und Bernhard Lichtenberg. Gerade die Geschichte und der Symbolcharakter dieser Stadt fordern uns dazu auf, die ihnen und uns aufgetragene Verantwortung wahrzunehmen - sei es gelegen oder ungelegen. Wir müssen Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Menschlichkeit und Unmenschlichkeit freimütig jeweils beim Namen nennen und offen und entschieden für Freiheit, Solidarität und Menschenwürde eintreten. 2. Von dieser berühmten Stadt aus, die in ganz besonderer Weise das Schicksal der europäischen Geschichte dieses Jahrhunderts erfahren hat, möchte ich der ganzen Kirche meine Absicht ankündigen, eine zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa einzuberufen. Sie soll zusammen mit ähnlichen Synodenversammlungen in anderen Erdteilen die Vorbereitung auf das große Jubiläum des Jahres 2000 unterstützen (vgl. Tertio Millennio Adveniente, Nr. 38). Nach den bekannten Ereignissen von 1989 und den neuentstandenen Gegebenheiten nach dem Fall der Mauer, die gerade in dieser Stadt errichtet worden war, schien ein Nachdenken unter Vertretern der Bischofskonferenzen des Kontinents notwendig. Diese Aufgabe nahm die Sonderversammlung von 1991 wahr. Die weiteren Entwicklungen der nachfolgenden fünf Jahre in Europa legten die passende Gelegenheit nahe für ein neues Treffen mit den Vertretern der europäischen Bischöfe zum Zweck einer eingehenden Überprüfung der kirchlichen Lage im Hinblick auf den bevorstehenden Jubiläumstermin. Es ist notwendig, dahingehend zu wirken, daß die gewaltigen geistlichen Kraftreserven des Kontinents in allen Breiten wirkliche Entfaltung finden und die Voraussetzungen für eine Epoche der wahren Wiedergeburt auf religiöser, wirtschaftlicher und sozialer Ebene geschaffen werden. Dies wird Frucht einer neuen Verkündigung des Evangeliums sein. 3. Ich lade alle ein, von jetzt an die himmlische Fürsprache der Schutzpatrone Europas, des heiligen Benedikt und der heiligen Brüder Cyrillus und Methodius, zu erbitten. Ausgehend von den jeweiligen westlichen und östlichen Traditionen 315 REISEN verstanden sie es, einen grundlegenden Beitrag zur kulturellen und geistlichen Einheit dieses Erdteils zu liefern. Wir möchten die nächste Synodenversammlung auch allen Heiligen und Seligen des alten Kontinents und in besonderer Weise dem mütterlichen Schutz der seligsten Jungfrau Maria anvertrauen, die bei allen Völkern Europas so große Verehrung genießt. Sie, die als erste durch ihr „ fiat“ das fleischgewordene Wort aufnahm und es der ganzen Menschheit darbot, begleite und unterstütze unseren Weg zum historischen Termin des Beginns des dritten christlichen Jahrtausends. Improvisierte Grußworte nach dem Angelusgebet In sorbischer Sprache sagte der Papst: Mit besonderer Freude grüße ich Euch, Lausitzer Sorben. Ihr seid mir besonders nahe, nicht nur der Sprache und der gemeinsamen Geschichte nach. Vor allem jedoch deshalb, weil Ihr über Jahrhunderte den Glauben und die Treue zu unserer Mutter Kirche in der säkularisierten Umwelt eures Landes bewahrt habt. Ihr habt die Treue gehalten in Zeiten der Verfolgung und der Gewaltherrschaft der vergangenen Jahre. Bleibt auf die Fürsprache der Mutter Gottes Maria, die Ihr so liebt, weiterhin treue und lebendige Glieder des Volkes Gottes! In polnischer Sprache sagte der Papst: Herzlich begrüße ich die bei der heutigen Eucharistiefeier anwesenden Pilger, die aus Polen gekommen sind. Die Kirche hat heute zwei Märtyrer-Priester, Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner, zur Ehre der Altäre erhoben. Wir danken der Göttlichen Vorsehung für diese unerschrockenen Glaubenszeugen und authentischen Verteidiger der Unantastbarkeit der moralischen Ordnung. Wir danken für das neue Vorbild. Sie gaben dadurch von Christus Zeugnis, daß sie sich selbst völlig hingaben, indem sie zum Opfer des Systems wurden, das den Menschen verachtete und Gott haßte. In Gedanken schließe ich in diesem Augenblick alle diese unsere Brüder und Schwestern ein, die durch die Folter der Konzentrationslager hindurchgegangen sind. In besonderer Weise möchte ich hier, an dieser Stelle, an die Professoren der [Anm. des Übersetzers: Krakauer] Jagiellonen-Universtiät erinnern, die in den ersten Kriegstagen in das Vernichtungslager Sachsenhausen deportiert worden sind. Viele von ihnen sind nicht mehr nach Krakau zurückgekehrt, sie starben unter schrecklichen Bedingungen. Tief im Herzen und in der Erinnerung trage ich auch das Schicksal vieler Tausender Frauen aus ganz Europa, insbesondere aus Polen, die im Konzentrationslager Ravensbrück schreckliche Leiden und unmenschliche Demütigungen durchgemacht haben, die meisten von ihnen starben einen grausamen Tod. Wir möchten heute diese Frauen ehren, und die Erinnerung an sie möge von Generation zu Generation übergehen. 316 REISEN Im Geiste knien wir nieder an diesen Orten der Vernichtung, um auch alle Häftlinge der Konzentrationslager zu ehren und ihnen unsere Dankbarkeit auszudrücken für das Opfer ihres Lebens und für ihr unendliches Leiden, das zur Saat für eine bessere Zukunft geworden ist. Gemeinsam menschliche und religiöse Werte bezeugen und leben Ansprache bei der Begegnung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland im Bemhard-Lichtenberg-Haus in Berlin am 23. Juni Geehrte Herren, liebe Brüder! 1. In Freude und Dankbarkeit nehme ich auch bei meinem dritten Deutschlandbesuch die Möglichkeit wahr, mit Ihnen zusammenzutreffen. Unsere heutige Begegnung findet in Berlin statt. In dieser Stadt, die von den nationalsozialistischen Machthabern zum Zentrum ihrer verbrecherischen Diktatur gemacht wurde und die selber unter den Folgen dieser Diktatur bis in die jüngste Zeit zutiefst gelitten hat, ist ein solches Zusammentreffen von besonderer Bedeutung. Gerade die Jüdische Gemeinde zu Berlin, von der das kulturelle und wissenschaftliche Leben dieser Stadt so sehr geprägt blieb, hat in der dunklen Zeit des Nationalsozialismus einen hohen Blutzoll zahlen müssen und ist klein geworden. Dennoch ist sie auch heute sehr lebendig, und dies ist ein Zeichen untrüglicher Hoffnung. 2. Das jüdische Volk ist durch seine Berufung und durch seine Geschichte in besonderer Weise erwählt worden, den Heilswillen Gottes für das ganze Menschengeschlecht kundzutun (vgl. Del Verbum, Nr. 14). Das unvorstellbare Leiden Ihres Volkes hat in schrecklichster Weise jedoch ebenso deutlich gemacht, welches Unheil dort entsteht, wo der Mensch sich in eigenmächtiger Anmaßung und Überheblichkeit von seinem Gott und von dessen Geboten entfernt. Mit dem jüdischen Volk teilt die Christenheit den Glauben, daß Gott der Schöpfer der Welt und der Herr der Geschichte ist und der Mensch nach seinem Bilde geschaffen wurde, so wie es schon im ersten Buch der Bibel heißt: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild: als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (iGen 1,27). Diese Ebenbildlichkeit mit Gott aber ist die Grundlage für die unantastbare Würde des Menschen und für die Menschenrechte, die sich aus eben dieser Würde ergeben. Gottesachtung und Menschenwürde sind dadurch auf das engste miteinander verbunden. Gerade die bedrückende Erfahrung der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft hat gezeigt, daß ohne die Achtung vor Gott auch die Achtung vor der Würde des Menschen verlorengeht. Angesichts jener Schreckensherrschaft stellen sich viele Menschen die Frage nach Gott, der dieses fürchterliche 317 REISEN Unheil zugelassen hat, aber noch stärker brennt die Einsicht, wozu der Mensch, der Gott nicht achtet, fähig ist, und welches Gesicht ein Humanismus ohne Gott haben kann. 3. Die Kirche ehrt heute, stellvertretend für viele andere, die beiden Priester Karl Leisner und Bernhard Lichtenberg, die aufgrund ihres Glaubens jener menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus widerstanden haben und dafür das Opfer ihres Lebens brachten. Besonders Dompropst Bernhard Lichtenberg hat dabei für die von Gott verliehene Würde aller Menschen Zeugnis abgelegt. Wir sehen in ihrem Zeugnis die Kraft dessen, was Kraftlosigkeit zu sein scheint, die Kraft derer, die Gott kennen und die Gott kennt. Als er die Leiden seines auserwählten Volkes in der Sklaverei sieht, sagt Gott: „Ich kenne ihr Leid“ (Ex 3,7). Wir entdecken in ihrem Zeugnis die tiefe Bedeutung des Wortes: Victor in vincu-lis - Sieger in Fesseln, das auf beide zutrifft, und wir verstehen, was Karl Leisner in sein Tagebuch schrieb: „Wenn ich vor Gottes klarem Richterblick bestehen kann, was können Menschen mir dann schon antun.“ Dompropst Bernhard Lichtenberg hatte mit seinen eigenen Augen gesehen, was Menschen ihren Mitmenschen antun können, als er am 9. und 10. November 1938 die furchtbaren Spuren der Judenpogrome sah. Er sagte an jenem Abend auf der Kanzel der Sankt-Hedwigs-Kathedrale: „Draußen brennt der Tempel - das ist auch ein Gotteshaus.“ Und er begann, jeden Abend öffentlich in der Kathedrale „für die verfolgten nichtarischen Christen, für die Juden“, zu beten. Diese Gebete erstreckten sich in den folgenden Jahren auch auf „die Gefangenen in den Konzentrationslagern, für die Millionen namen- und staatenloser Flüchtlinge, für die verwundeten, sterbenden und kämpfenden Soldaten hüben und drüben, für die bombardierten Städte in Freundes- und Feindesland“ (Verhörprotokoll vom 25. Oktober 1941). Wegen dieses Gebetes denunziert, wurde er am 23. Oktober 1941 verhaftet. Zwei Jahre später starb er auf dem Transport in das Konzentrationslager Dachau. 4. Bei aller auf uns lastenden Erinnerung vergegenwärtigt der heutige Tag die kostbare historische Tatsache, daß Bernhard Lichtenberg bei seinem Einsatz für die Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes nicht allein war; dies zeigt das Engagement vieler Katholiken, die als einzelne oder in verschiedenen Gruppierungen unter Gefahr für ihr Leben aktiv, jedoch oft verborgen Hilfe geleistet haben. Hierzu gehört aber auch das Bemühen der kirchlichen Hierarchie, durch Protest und durch Hirtenworte jenes unmenschliche System in seinem schrecklichen Tun zu hindern. Stellvertretend für die vielen, die Widerstand und Hilfe geleistet haben, sei in dieser Stadt nur erinnert an Margarete Sommer, die durch das „Hilfswerk für Nichtarier“ versuchte, verfolgte Mitmenschen vor dem Zugriff der Nationalsozialisten in Schutz zu nehmen; an den großen Bischof von Berlin, Konrad Kardinal von Preysing, der den Widerstand gegen das Hitlerregime nach besten Kräften unter- 318 REISEN stützte, sowie an Maria Terwiel, eine junge Frau, die jüdischen Mitbürgern mit Personalpapieren und Lebensmittelkarten weiterhalf und wegen „Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt wurde. Auch wenn es viele Priester und Laien waren, wie die Flistoriker mittlerweile aufgezeigt haben, die sich gegen dieses Terrorregime wandten, und viele Formen des Widerstands sich auch im Alltag der Menschen regte, so waren es doch zu wenige. Ihnen allen gilt heute unser Dank und unsere Hochachtung. Ihr Beispiel und ihr Andenken bleiben uns aber nicht nur ein immerwährendes Vorbild. Sie sind gleichzeitig ein Aufruf an Christen wie an Juden, sich gemeinsam für die Würde aller Menschen einzusetzen, wo immer diese Würde auch heute noch oder heute wieder bedroht ist. Dazu gehört insbesondere der Einsatz gegen jegliche Form des Antisemitismus, damit Geschehnisse wie die „Shoah“ sich niemals mehr ereignen können. 5. Anläßlich meines Besuches der römischen Synagoge am 13. April 1986 habe ich darauf hingewiesen, „daß die Kirche Christi ihre ,Bindung1 zum Judentum entdeckt, indem sie sich auf ihr eigenes Geheimnis besinnt. Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas .äußerliches1, sondern gehört in gewisser Weise zum .Inneren1 unserer Religion. Zu ihr haben wir somit Beziehungen wie zu keiner anderen Religion“. Diese Beziehungen immer mehr zu vertiefen bleibt ein großes Anliegen der Kirche. Bereits das II. Vatikanische Konzil hat deshalb zu einem intensiven Dialog zwischen den beiden Religionen aufgerufen, der „die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern“ soll. Dieser Dialog ist zu ergänzen durch einen „.Dialog des Lebens1, in dem die Gläubigen ... einander im Alltag die eigenen menschlichen und religiösen Werte bezeugen und einander helfen, diese zu leben und so eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft zu schaffen“ (Redemptoris missio, Nr. 57). Die Kirche in Berlin und in Deutschland wird um einen solchen Dialog besonders bemüht sein. Durch vielfältige Aktivitäten hat sie ja auch schon gezeigt, wie sehr ihr dieser Dialog am Herzen liegt. Und mit Freude konnte sie dabei feststellen, daß ihr Bemühen von seiten der Jüdischen Gemeinden nicht nur wohlwollend aufgenommen, sondern in herzlichem Entgegenkommen unterstützt worden ist. 6. Aus dieser Stadt ergeht heute eine Botschaft des Lebens, die ausgerichtet ist auf ein Zusammenleben von Juden und Christen in Frieden und in gegenseitigem Verständnis, das sich gegenüber Menschen anderer Überzeugung nicht verschließt. Zugleich geht es darum, die gemeinsame Verantwortung für eine humane Gestaltung der Zukunft wahrzunehmen. Unser Lobpreis und unser Dank gelten heute Gott. Ihm gilt aber auch unsere Bitte, daß er unseren gemeinsamen Weg und unser Bemühen unter seinen Segen stelle. Möge es Deutschland und Europa gewährt werden, den Mächten des Todes zu widerstehen, sich der Botschaft vom Leben zu öffnen und den Weg in das dritte Jahrtausend unter dem Zeichen einer neuen Hoffnung zu beschreiten. Shalom! 319 REISEN Gebet am Grab des sei. Bernhard Lichtenberg in der Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin am 23. Juni Gott, unser Vater, / du hast in Jesus, deinem Sohn, / alle Menschen als deine Kinder angenommen. / Er ist allen Bruder und Freund geworden, / besonders den Armen und den Ausgegrenzten. Sieh auf die vielen Menschen / überall auf der Welt, / die verachtet werden; / sieh auf die vielen, / die menschenunwürdig leben müssen. Dein Diener Bernhard Lichtenberg / hat in dieser Stadt / als Zeuge des Glaubens und der Liebe gewirkt. / Er hat selber viel gelitten, / um Menschen in ihrer leiblichen / und seelischen Not beizustehen. / Er hat seine Freiheit und sein Leben gewagt, / indem er für die Verfolgten des NaziRegimes, / besonders für die Juden, eingetreten ist. Wir bitten dich, Vater aller Menschen, / erlöse die Welt vom Übel des Egoismus und der Gewalt. / Hilf uns, nach dem Beispiel / Bernhard Lichtenbergs / die Menschen zu lieben, wie du sie liebst: / bedingungslos und ohne Grenzen. / Erhöre unser Gebet durch Jesus Christus, deinen Sohn, / unseren Herrn und Gott, / der in der Einheit des Heiligen Geistes / mit dir lebt und herrscht / in alle Ewigkeit. Amen. Der freie Mensch ist der Wahrheit verpflichtet Ansprache am Brandenburger Tor in Berlin am 23. Juni Liebe Berliner, meine Damen und Herren! 1. Es ist die Stunde des Abschieds und für mich ein zutiefst bewegender Augenblick, in den heutigen Abendstunden mit Ihnen hier am Brandenburger Tor im Herzen Berlins Zusammentreffen zu können. Lassen Sie mich beginnen mit einem vielfachen Dank. Mein Dank gilt zuerst dem Herrn Bundespräsidenten für seine Einladung, Deutschland zu besuchen. Die überaus freundlichen Worte, mit denen er mich am Freitag bei meiner Ankunft auf dem Flughafen Paderbom/Lippstadt willkommen geheißen, und die Herzlichkeit, mit der er mich heute morgen auf Schloß Bellevue hier in der Bundeshauptstadt empfangen hat, haben mich unter Ihnen wie zu Hause fühlen lassen. Herr Bundeskanzler, ich bin sehr glücklich über Ihre Anwesenheit. Sie sind der Baumeister der neugewonnenen Einheit Ihres Volkes. Sie haben die weltgeschichtliche Chance genutzt, siebzehn Millionen Landsleuten die Freiheit zu erringen und die Einheit des deutschen Volkes zu vollenden. Sie haben es gewagt, den Menschen Ihres Landes um der Einheit in Freiheit willen nicht geringe Opfer 320 REISEN zuzumuten. Möge Gott Ihnen und Ihrem deutschen Vaterland die Kraft geben, dieses Werk zu vollenden. Mein aufrichtiger Dank geht ebenso an Sie, Herr Regierender Bürgermeister, der Sie mit dem Herrn Bundeskanzler so bedenkenswerte Worte an uns alle gerichtet haben. Ferner begrüße ich die Präsidentin des Deutschen Bundestages sowie den Parlamentspräsidenten von Berlin, die Mitglieder der Bundesregierung, des Berliner Senats sowie die Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Parlamentes von Berlin. Mein inniger Dank gilt dem deutschen Episkopat, Euch, meinen Mitbrüdem im Bischofsamt, die Ihr diese Reise wesentlich mitgestaltet habt. Für Euch ist diese Reise auch eine Reise dessen, - der im Auftrag Christi, des Hauptes der Kirche, die Gläubigen aufsucht, um sie im Glauben zu stärken und zu ermutigen, - der mit den Sprechern der getrennten Schwestern und Brüder zusammentrifft, um die Suche nach der Einheit zu vertiefen, - der den Repräsentanten der jüdischen Gemeinschaft in diesem Land begegnet, um ihnen nochmals die Hochachtung der katholischen Kirche zum Ausdruck zu bringen, - der allen Menschen nichts anderes als die befreiende Botschaft des Evangeliums verkündigen möchte und die Erkenntnis Jesu Christi, die alles übertrifft (vgl. Phil 3,8). Eure Nähe, liebe Brüder im Bischofsamt, erfüllt mich mit Zuversicht: Es ist die Sendung des einen Herrn, die Euch und mich beseelt, es ist die eine Liebe, die Euch und mich erfüllt: daß nämlich die Botschaft von der Liebe Gottes, die auch vor dem Kreuz nicht zurückschreckte, die Herzen aller Menschen erreicht und sie in selbstloser Liebe antworten läßt. Mein Dank geht insbesondere an meine Mitbrüder Georg Maximilian Kardinal Sterzinsky und Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt, deren Erzdiözesen ich besuchen durfte. Danken möchte ich ferner dem Herrn Vorsitzenden Eurer Bischofskonferenz für die sehr herzlichen Worte zum Abschied. An dieser Stelle danke ich all denen, die diesen Besuch in mühevoller und sorgfältiger Arbeit vorbereitet, und denen, die den reibungslosen Ablauf gewährleistet haben, sowie den Mitarbeitern der Medien, die ihn begleitet haben. Die Berliner und die Deutschen haben mich bei diesem Besuch ihre Verbundenheit und Nähe spüren lassen. Ihnen allen sage ich meinen herzlichsten Dank. 2. Es war von allem Anfang an mein aufrichtiger Wunsch, bei diesem Pastoralbe-such in Deutschland auch nach Berlin zu kommen. Zunächst wollte ich natürlich den Gläubigen dieses Erzbistums begegnen, die wie alle Berlinar die schmerzvolle Spaltung ihrer Stadt über Jahrzehnte erdulden mußten und trotzdem sich nicht haben beirren lassen und in innerer Verbundenheit und Solidarität erfuhren, daß die Macht der Gewalt und des Zwanges, der Mauern und des Stacheldrahtes die Herzen der Menschen nicht auseinanderreißen konnte. 321 REISEN Nirgendwo sonst haben sich während der gewaltsamen Teilung Ihres Landes die Sehnsüchte nach Einheit so sehr mit einem Bauwerk verbunden wie hier. Das Brandenburger Tor wurde von zwei deutschen Diktaturen besetzt. Den nationalsozialistischen Gewaltherrschern diente es als imposante Kulisse für Paraden und Fackelzüge, und von den kommunistischen Tyrannen wurde dieses Tor mitten in dieser Stadt zugemauert. Weil sie Angst vor der Freiheit hatten, pervertierten die Ideologen ein Tor zur Mauer. Gerade an dieser Stelle Berlins, die zugleich zur Nahtstelle Europas wurde, zur unnatürlichen Schnittstelle zwischen Ost und West, gerade an dieser Stelle offenbarte sich für alle Welt sichtbar die grausame Fratze des Kommunismus, dem die menschlichen Sehnsüchte nach Freiheit und Frieden suspekt sind. Vor allem aber fürchtet er die Freiheit des Geistes. Auch sie wollten die braunen und roten Diktatoren zumauem. 3. Menschen waren durch Mauern und tödliche Grenzen voneinander getrennt. Und in dieser Situation wurde das Brandenburger Tor im November 1989 Zeuge davon, daß Menschen das Joch der Unterdrückung abschüttelten und zerbrachen. Das geschlossene Brandenburger Tor stand da wie ein Symbol der Trennung; als es endlich geöffnet wurde, wurde es zum Symbol der Einheit und zum Zeichen dafür, daß die Forderung des Grundgesetzes nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung erfüllt ist. So kann man zu Recht sagen: Das Brandenburger Tor ist zum Tor der Freiheit geworden. An diesem so geschichtsträchtigen Ort fühle ich mich veranlaßt, an Sie alle, die Sie hier anwesend sind, an das deutsche Volk, an Europa - das auch zur Einheit in Freiheit gerufen ist an alle Menschen guten Willens einen dringenden Appell für die Freiheit zu richten. Möge dieser Appell auch jene Völker erreichen, denen bis heute das Recht auf Selbstbestimmung verweigert wird, jene nicht wenigen Völker - es sind sogar viele bei denen die Grundfreiheiten der Person - die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die politische Freiheit - nicht gewährleistet sind. Der Mensch ist zur Freiheit berufen. 4. Freiheit bedeutet nicht das Recht zur Beliebigkeit. Freiheit ist kein Freibrief! Wer aus der Freiheit einen Freibrief macht, hat der Freiheit bereits den Todesstoß versetzt. Der freie Mensch ist vielmehr der Wahrheit verpflichtet. Sonst hat seine Freiheit keinen festeren Bestand als ein schöner Traum, der beim Erwachen zerbricht. Der Mensch verdankt sich nicht sich selbst, sondern ist Geschöpf Gottes; er ist nicht Herr über sein Leben und über das der anderen; er ist - will er in Wahrheit Mensch sein - ein Hörender und Horchender: Seine freie Schaffenskraft wird sich nur dann wirksam und dauerhaft entfalten, wenn sie auf der Wahrheit, die dem Menschen vorgegeben ist, als unzerbrechlichem Fundament gründet. Dann wird der Mensch sich verwirklichen, ja über sich hinauswachsen können. - Es gibt keine Freiheit ohne Wahrheit. Der Mensch ist zur Freiheit berufen. 5. Die Idee der Freiheit kann nur da in Lebenswirklichkeit umgesetzt werden, wo Menschen gemeinsam von ihr überzeugt und durchdrungen sind - in dem Wissen 322 REISEN um die Einmaligkeit und Würde des Menschen und um seine Verantwortung vor Gott und den Menschen. Da - und nur da wo sie zusammen für die Freiheit einstehen und in Solidarität für sie kämpfen, wird sie errungen und bleibt sie erhalten. Die Freiheit des einzelnen ist nicht zu trennen von der Freiheit der anderen, aller anderen Menschen. Wo die Menschen ihren Blick auf das je eigene Lebensfeld begrenzen und nicht mehr bereit sind, auch ohne Vorteile für sich selbst sich für andere zu engagieren, da ist die Freiheit in Gefahr. In Solidarität gelebte Freiheit demgegenüber wirkt sich aus im Einsatz für Gerechtigkeit im politischen und sozialen Bereich und lenkt den Blick auf die Freiheit. - Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität. Der Mensch ist zur Freiheit berufen. 6. Die Freiheit ist ein überaus kostbares Gut, das einen hohen Preis verlangt. Sie verlangt Hochherzigkeit, und die schließt Opferbereitschaft mit ein; sie verlangt Wachsamkeit und Mut gegenüber den Kräften, die sie von innen oder von außen bedrohen. In der Haltung der Opferbereitschaft sind im alltäglichen Leben viele Menschen mit Selbstverständlichkeit zu Verzicht bereit - in der Familie oder unter Freunden. Opfer für die Freiheit bringen die, die für die Verteidigung nach innen oder nach außen Nachteile in Kauf nehmen, die anderen erspart bleiben - bis hin zu Gefahren für Leib und Leben. Keiner kann sich von seiner persönlichen Verantwortung für die Freiheit dispensieren. Es gibt keine Freiheit ohne Opfer. Der Mensch ist zur Freiheit berufen. 7. Berlin ist eine zutiefst lebendige und in vielerlei Hinsicht kreative Stadt. In ihrer unübersehbaren Intemationalität treffen hier vielfältige Traditionen und Lebensformen aufeinander. Berlin ist eine anerkannte Stadt der Kultur und der Kunst, des Filmes und der Museen, ein Ort des Austausches und der Vermittlung. Mir liegt sehr viel an der Aussagekraft dieser Formen menschlicher Kultur, ist es doch die Gabe, mit unseren Kräften die göttliche Schöpfung weiterzuführen und zu konkretisieren. Ich rufe daher alle Künstler und Wissenschaftler auf, ihre Gaben zum konstruktiven Aufbau einer umfassenden „Zivilisation der Liebe“, wie ich es nach meinem Vorgänger Paul VI. gelegentlich genannt habe, zu nutzen, einer Zivilisation, „die auf den universellen Werten des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Freiheit gegründet ist. Die ,Seele“ der Zivilisation der Liebe ist die Kultur der Freiheit, die Freiheit des einzelnen und die Freiheit der Nationen, die in einer selbstgegebenen Solidarität und Verantwortung gelebt werden kann“ (Ansprache vor der UNO-Vollversammlung, 5.10.1995, Nr. 18). Wenn einer die Erfahrung der Liebe hat, hat er auch die Erfahrung der Freiheit. In der Liebe überschreitet der Mensch sich selbst, er läßt sich los, weil ihm am anderen liegt, weil er will, daß das Leben des anderen gelingt. So fallen die Schranken der Selbstbezogenheit, und so findet man die Freude am gemeinsamen Einsatz für höhere Ziele. Achtet die unantastbare Würde eines jeden Menschen, vom ersten Moment seiner irdischen Existenz bis hin zum letzten Atemzug! Erinnert Euch immer wieder an die Erkenntnis, die Euer Grundgesetz allen anderen Erklärungen 323 REISEN voranstellt: Die Würde des Menschen ist unantastbar! Befreit Euch zur Freiheit in Verantwortung! Öffnet die Tore für Gott! Das neue Haus Europa, von dem wir sprechen, braucht ein freies Berlin und ein freies Deutschland. Es braucht vor allem die Luft zum Atmen, geöffnete Fenster, durch die der Geist des Friedens und der Freiheit eindringen kann. Europa braucht nicht zuletzt deshalb überzeugte Türöffner, also Menschen, die die Freiheit schützen durch Solidarität und Verantwortung. Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa braucht dazu den unentbehrlichen Beitrag der Christen. Den Berlinern und allen Deutschen, denen ich dankbar bin für die friedliche Revolution des Geistes, die zur Öffnung dieses Brandenburger Tores führte, rufe ich zu: Löscht den Geist nicht aus! Haltet dieses Tor geöffnet für Euch und alle Menschen! Haltet es geöffnet durch den Geist der Liebe, durch den Geist der Gerechtigkeit und den Geist des Friedens! Haltet das Tor offen durch die Öffnung Eurer Herzen! Es gibt keine Freiheit ohne Liebe. Der Mensch ist zur Freiheit berufen. - Ihnen allen, die Sie mich jetzt hören, verkündige ich: Die Fülle und die Vollkommenheit dieser Freiheit hat einen Namen: Jesus Christus. Er ist der, der über sich bezeugt hat: Ich bin die Tür. In ihm ist den Menschen der Zugang geöffnet zur Fülle der Freiheit und des Lebens. Er ist der, der den Menschen wirklich frei macht, indem er die Finsternis aus dem menschlichen Herzen vertreibt und die Wahrheit aufdeckt. Er vollendet seinen Weg als unser Bruder und seine Solidarität mit uns in der Hingabe seines Lebens für uns. So befreit er uns von Sünde und Tod. Er läßt uns in unserem Nächsten sein eigenes Angesicht, das Gesicht des wahren Bruders, erkennen. Er zeigt uns das Antlitz des Vaters und wird für alle das Band der Liebe. Christus ist unser Erlöser, ist unsere Freiheit. 8. Der Tag neigt sich dem Abend zu. Aber wir bewahren in unseren Herzen das Licht, dessen wir uns heute haben erfreuen dürfen. Und wir bleiben eins in der Hoffnung, die uns beseelt. Vor meiner Rückkehr nach Rom lade ich Sie herzlich ein zu einem Wiedersehen in der Ewigen Stadt beim Großen Jubiläum des Jahres Zweitausend. Gott segne Berlin, Gott beschütze Deutschland! 324 REISEN 7. Pastoralbesuch in Lorenzago [Ferien] (14. bis 21. Juli) Respektvolleren Umgang mit der Natur pflegen Angelus in Lorenzago am 14. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist ein Geschenk des Herrn, daß wir auch in diesem Jahr in einer so malerischen Landschaft und in einer so frischen und gastfreundlichen, heiteren und friedlichen Umgebung Zusammentreffen können. Herzlich grüße ich die Bewohner von Lorenzago und Cadore, die wachsame und tatkräftige Hüter der von den Vorfahren überlieferten menschlichen und christlichen Werte sind. Allen, angefangen von den Obrigkeiten, danke ich für die stets herzliche Aufnahme und spreche meine lebhafte Wertschätzung dafür aus, daß sie für den Schutz dieser herrlichen Gebirgsgegend Sorge tragen. Ich grüße den Bischof von Treviso, Msgr. Paolo Magnani, dem ich für die brüderliche Gastfreundschaft in seinem Sommerwohnsitz danke. Mit ihm grüße ich die große Schar der Treviser Gläubigen, die mich heute aufsuchen wollten, um mir die vielfältigen diözesanen Initiativen im Bereich der Bildung, der Freundschaft und der Gastlichkeit vorzustellen. Ich denke an die Jungen der Katholischen Aktion, die an den Sommerschulzeltlagem teilnehmen, an die Pfadfinder AGESCI und an die des Europäischen Pfadfinderverbandes (FSE), an die Seminaristen und an die Jugendlichen von Tschernobyl, die in euren Familien zu Gast sind, sowie an die behinderten Jugendlichen, die an den Wochen der Freundschaft und der sozialen Eingliederung teilnehmen. Schließlich denke ich auch an die Verantwortlichen der verschiedenen Laienverbände, die in so vielen Bereichen der Evangelisierung und der menschlichen Förderung tätig sind. Jedem von Euch gilt mein herzhcher Dank für die persönliche Teilnahme an diesem Gebet und für das Bemühen, den Sommer als eine Zeit der Ruhe und der körperlichen und geistlichen Erholung zu nutzen. 2. Mit Aufmerksamkeit hörte ich das, was Euer Sprecher soeben berichtet hat in bezug auf die Zielsetzungen eurer verschiedenen Sommerangebote. Ich glaube, daß die Vorsehung Euch eine günstige Gelegenheit bietet, einige Zeit an diesen Orten verbringen zu können, die von Natur aus den Geist zu Gott erheben. Die Freude über dieses herrliche Panorama vor uns erinnert wirklich an den ersten Blick Gottes auf die Schöpfung und an sein Gefallen, das er an dem Werk seiner Hände fand. Das Buch Genesis sagt darüber: „Gott sah, daß es gut war“ (Gen 1,12). Fühlen wir uns nicht umfangen von der Liebe Gottes, der vor uns das 325 REISEN Buch der Natur aufschlägt und uns einlädt, darin die Zeichen seiner Gegenwart und seiner Liebe zu lesen? Fern von dem nicht selten hektischen und manchmal leider entfremdenden Alltagsleben können wir in diesen malerischen Gebirgsorten die Größe Gottes und des Menschen in der Schönheit der Schöpfung entdecken und werden wir angeregt, in vollerem Einklang mit dem Schöpfer des Universums zu stehen. Angesichts der Majestät der Bergwelt werden wir gedrängt, einen respektvolleren Umgang mit der Natur zu pflegen. Durch das wachsende Bewußtsein vom Wert des Kosmos werden wir zugleich angeregt, über die Schwere so vieler Mißbräuche der Umwelt nachzudenken, die oft mit unzulässigem Leichtsinn verübt werden. Wenn der Mensch unserer Zeit sich von falschen Mythen verleiten läßt, verliert er den Blick für die lebendigen Reichtümer und Hoffnungen, die in der Schöpfung, dem wunderbaren Geschenk der göttlichen Vorsehung für die gesamte Menschheit, verborgen sind. 3. Liebe Brüder und Schwestern, während wir unsere Gedanken zum Herrn erheben und ihm danken für die gebotene Gelegenheit, die Gebirgsfrische zu genießen, dürfen wir diejenigen nicht vergessen - und derer sind nicht wenige -, für die die Sommermonate vielleicht eine Zeit verstärkten Leidens und größerer Vereinsamung bedeuten. In unserem Gebet soll es nicht an Aufmerksamkeit für die Kranken, die Betagten, die Alleinstehenden, die Strafgefangenen und die an Leib und Seele Leidenden fehlen. Möge unser Gedenken von konkreten Zeichen der Aufnahme und Solidarität begleitet sein. Die Mutter des Herrn sei unser Vorbild und führe uns: Auch in diesen Tälern und im Gebirge stoßen wir gelegentlich auf kleine Kapellen und Bildstöcke, die auf ihren mütterlichen Schutz hinweisen. Fühlen wir ihre Nähe; rufen wir sie oft an; ahmen wir sie hochherzig nach, indem wir unser Leben zu einem Geschenk der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen machen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute ist der liturgische Gedenktag des hl. Kamillus von Lellis, des Priesters und Gründers des Krankenpflegeordens der Kamillianer. Seine Gestalt ist ein aktuelles Zeugnis der Nächstenliebe zu den Kranken, ein Zeugnis, das Scharen von geistlichen Söhnen und Töchtern angezogen hat, von denen nicht wenige ihr Leben für die Kranken opferten. Meine Lieben, während ich Euch einlade, Euch mit mir im Gebet für die in der Krankenpflege in aller Welt tätige Familie der Kamillianer zu vereinen, empfehle ich dem hl. Kamillus das schwere Problem der Gesundheitspflege vor allem in den ärmeren Ländern. Von diesem friedvollen Ort aus möchte ich Euch heute einladen, weiter für die Eintracht unter den Völkern in allen Ländern der Erde zu beten. Die Leiden so vieler Männer und Frauen, die körperlich und geistlich so schwer geprüft werden, 326 REISEN sind mir immer gegenwärtig. Heute möchte ich Euch einladen, besonders für den Frieden unter Achtung der Rechte jeder Person und jeder Gesellschaftsgruppe in Irland zu beten. Maria, Königin des Friedens, bitte für diese so geliebte Nation. Ferien - eine Gelegenheit zur Selbstbesinnung Angelus in Pieve di Cadore am 21. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es freut mich sehr, heute zusammen mit Euch den „Engel des Herrn“ beten zu können in der herrlichen Umgebung von Pieve di Cadore, diesem reizvollen Städtchen, das so reich an Geschichte, Arbeitsamkeit und Naturschönheiten ist. Ich grüße Euch alle voller Liebe und danke für die herzliche Aufnahme den Ortsbewohnern und den vielen anwesenden Touristen. Insbesondere grüße ich den Bischof der Diözese Belluno, Msgr. Pietro Brollo, dem ich für seinen Hirtendienst, den er vor wenigen Monaten in dieser geliebten Diözese begonnen hat, alles Gute wünsche. In Liebe und Dankbarkeit möchte ich auch an seinen Vorgänger Msgr. Maffeo Ducoli erinnern. Herzlich grüße ich ebenso die Priester, die Ordensleute und die ganze Diözesangemeinschaft. Ich grüße alle Obrigkeiten der Region, der Provinz und der Stadt Pieve wie auch alle, die durch ihre freundliche Hilfsbereitschaft zum guten Verlauf meiner Ruhepause im Gebirge beitragen. Mein Gruß gilt auch allen für den Tourismus Tätigen in dieser Stadt und in der ganzen Umgebung von Cadore: Ich denke an die vielen Personen und Familien, die sich bemühen, den Feriengästen einen angenehmen Aufenthalt zu gewährleisten. Für ihre Arbeit bringe ich ihnen meine Wertschätzung zum Ausdruck und lege ihnen nahe, den Gästen immer ein gutes christliches Lebenszeugnis vorzustellen. In dieser Region, die ihrem berühmten Sohn Tiziano Vecellio als ein Vorbild von Schönheit diente, erholen sich die körperlichen und geistigen Kräfte, und man fühlt sich gedrängt, die in der Schöpfung verborgenen tiefen Signale aufzufangen. Ganz beansprucht von der wachsenden Hektik des Alltagslebens, brauchen wir alle ab und zu ein Abschalten, bei dem wir uns mehr Zeit nehmen, um nachzudenken und zu beten. 2. Das Buch Genesis berichtet: Gott „ruhte am siebten Tag ... Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte“ (2,2-3). So wurde der geistliche Sinn der Ruhe offenbart und ihr möglicher religiöser Wert unterstrichen. Die Bibel stellt uns den Herrn vor, der den besonders für die Ruhe bestimmten Tag segnet, und will uns auf das Erfordernis für den Menschen hin weisen, einen Teil seiner Zeit der Erfahrung zu widmen, von den Sachzwängen frei zu sein, um 327 REISEN wieder zu sich zu kommen und den Sinn der eigenen Größe und Würde als Bild Gottes zu in seiner ganzen Tiefe zu erfassen. Deshalb sollen die Ferien nicht einfach als eine Ablenkung betrachtet werden, die innerlich armmacht und entwürdigt, sondern als eine Gelegenheit, das Dasein der Person zu bereichern. Wenn man den Alltagsrhythmus unterbricht, der körperlich und geistig anstrengt und ermüdet, hat man die Möglichkeit, die tieferen Ausblicke des Lebens und Arbeitern wiederzugewinnen. In den Ruhepausen und besonders während der Ferien ist der Mensch gefordert, sich der Tatsache bewußt zu werden, daß die Arbeit ein Mittel und nicht der Zweck des Lebens ist. Er hat dann Gelegenheit, die Wohltat der Stille als einen Raum zu entdecken, in dem er wieder zu sich kommt, um sich der Danksagung und dem Gebet zu öffnen. Er wird dann spontan das eigene Dasein und das der anderen mit neuen Augen sehen: Frei von den dringenden Alltagsgeschäften hat er Gelegenheit, die eigene kontemplative Dimension wiederzuentdecken, indem er Gottes Spuren in der Natur und vor allem in den anderen Menschen erkennt. Das ist eine Erfahrung, die in ihm eine neue Aufmerksamkeit für die Menschen in seiner Umgebung und vor allem für die Familienangehörigen weckt. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Ich wünsche allen herzlich, diese Möglichkeit zu nutzen, die der Herr uns bietet. Wenn wir ihm nun für diese Gelegenheit danken, können wir nicht umhin, an diejenigen zu denken, die - wie ich am vergangenen Sonntag sagte - aus verschiedenen Gründen keine angemessene Ruhephase und Ferienzeit verleben können. Wir gedenken ihrer wie auch der Alten und Kranken im Gebet und vertrauen jeden einzelnen der Jungfrau Maria an. Als tüchtige Frau, bereit, den Bedürfnissen der Mitmenschen abzuhelfen, vermochte sie gerade aus ihrer ständigen inneren Sammlung und Kontemplation die Fähigkeit zu entwickeln, alles, was in ihrem Leben geschehen war, in ihrem Herzen zu bewahren, darüber nachzudenken (vgl. Lk 2,19) und dessen tiefen Sinn zu erfassen. Ihr Beispiel leite uns dazu an, den Wert unseres Daseins besser zu verstehen, und mache uns zu aufmerksameren Jüngern des Herrn, immer bereit, unser Herz dem Mitmenschen in Not zu öffnen. Dank für die Ehrenbürgerschaft von Pieve di Cadore Dank Ihnen, Herr Präsident der „Magnifica Cumunitä Cadorina“, für die Ehrenurkunde und für die Grußworte, die Sie an mich richteten. Eure herrliche Region, die der Schöpfner mit so vielen Naturschönheiten ausstattete, ist auch ein an Glauben und Geschichte reiches Land. Ein Land, das das Leid von Auswanderung erfahren hat, das aber auch durch zähe Arbeit, Ausdauer und unternehmerische Fähigkeit diese Schwierigkeiten zu überwinden verstand. Ein Land mit einer edlen und ruhmvollen Geschichte, das in der Verfassung dieser „Magnifica Cumunitä Cadorina“ ein bedeutendes Beispiel der Mitverantwortung 328 REISEN des Volkes bei der Verwaltung der öffentlichen Hand durch ihre „Regeln“ und Traditionen besitzt. Ein Land, dem es notwendig erschien, den Weg der zivilen Gesellschaft mit dem Sauerteig des Glaubens zu verbinden, und das deshalb den Stil dieses Zusammenlebens mit einem bedeutsamen Motto besiegelt hat:, Justitia et fide conservabitur“, in Gerechtigkeit und im Glauben wird diese Gemeinschaft in der Zeit fortdauem. Ein Land, das seine tiefen Werte aus der Feme schöpft, als Abkömmling des ruhmreichen Aquileja, das auch für dieses Volk Mutter der Zivilisation und des Glaubens war; ein Land, in dem so viele berühmte Söhne geboten wurden. Ihr habt mir diese Ehrenurkunde überreicht, damit ich mich auf diesem Boden zuhause fühlen kann. Ich danke Euch sehr herzhch. Ich grüße Euch und möchte besonders auf die Familie, auf alle ,Familien“ der Bellunesen in aller Welt wie auch auf Eure Familien in dieser Diözese und hier in Cadore hinweisen, um ihren unersetzlichen Wert hervorzuheben und sie aus ganzem Herzen zu segnen. Neben den vorgenannten Personen möchte ich die Emigranten von Belluno grüßen, die hier anwesend sind oder in der Welt verstreut leben. Mit ihnen grüße ich auch die vielen Einwanderer, die hier Aufnahme und Arbeit gefunden haben. Ich grüße die Chöre, die Musik- und die Trachtengruppen, die unsere Begegnung verschönert haben. Ich grüße die Gmppen des Freiwilligendienstes, die vor allem den alten und kranken Menschen so große Hilfe leisten. Zum Schluß grüße ich die Jugendlichen, besonders die der Jungendpastoral, die Pfadfinder und die Ministranten. Euch Jugendlichen sage ich: ,Folgt dem Herrn immer mit Freude!“ Der Papst fügte spontan folgende Worte hinzu: Ein Bürger - besonders als Ehrenbürger - sollte sich korrekt verhalten und ... auch seine Steuern zahlen. Ich danke Euch für diesen Ehrenerweis, der mir gestattet, Bürger unter Euch und Bewohner dieser Berge, dieser Wälder, dieser herrlichen Gegend zu sein. Gelobt sei Jesus Christus. Internationale Begegnung im olympischen Wettkampf Am vergangenen Freitag wurden in Atlanta die 26. Olympischen Spiele eröffnet. Dieses Mal haben sie eine besondere Bedeutung als Hundertjahrfeier der Wiederaufnahme der Olympischen Spiele von Athen in der Neuzeit. Die Olympischen Spiele sind eine der wichtigsten Gelegenheiten der Begegnung zwischen Sportlern aus allen Teilen der Welt. Ich hoffe, daß die Spiele der Hundertjahrfeier das Ideal des Sports zur Fördemng des Menschen und der friedlichen, solidarischen Begegnung unter dne Völkern mit Nachdruck hochhalten. Leider wurde der Vortrag der Sportveranstaltungen durch ein trauriges Ereignis gestört: den Absturz eines „Jumbo“ kurz nach dem Start von New York. Wir ver- 329 REISEN trauen jedes der Opfer der Barmherzigkeit Gottes an und beten für ihre Familienangehörigen. Wir erbitten den Schutz des Herrn für die Olympiade, damit sie in einer Atmosphäre der Brüderlichkeit und heiteren Gelassenheit verlaufen möge. 330 REISEN 8. Pastoraireise nach Ungarn (6./7. September) Erneuert den Glauben an Christus — den Weg, die Wahrheit und das Leben Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen „Ferihegy“ am 6. September Herr Präsident! 1. Tief berührt, besuche ich zum zweiten Mal dieses hochgeachtete Land, dessen Schicksal viele Berührungspunkte mit dem meines Heimatlandes hat. Ich grüße Sie mit Achtung und danke Ihnen herzlich für die freundlichen Worte des Willkommens, die Sie auch im Namen Ihrer Mitbürger an mich gerichtet haben. Ich grüße auch die Vertreter der Regierung und der Nationalversammlung, die Mitglieder des Diplomatischen Corps und den Herrn Bürgermeister von Budapest, die mit ihrer Anwesenheit diese Begegnung beehren. Ich grüße darüber hinaus Kardinal Läszlo Paskai, zusammen mit den verehrten Brüdern im Bischofsamt, die Priester, die Ordensleute, die Schwestern und die ganze ungarische Christengemeinde. Ich grüße besonders herzlich die Lehrer und die Schüler, die in großer Zahl als Vertretungen der ungarischen katholischen Schulen heute hier anwesend sind. Liebe Jugendliche, vergeßt nicht: Ihr seid die Zukunft der Kirche! Ich weite meinen Dank aus auf alle diejenigen, die hierher gekommen sind, um mich zu empfangen, und auf alle, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. Diese apostolische Reise hat ganz bedeutungsvolle Gründe: Ungarn feiert in diesem Jahr das 1100jährige Bestehen und gedenkt im besonderen der Gründung der Abtei Pannonhalma vor 1000 Jahren. Wie sollte man Gott nicht dafür danken, was er im Laufe dieser Jahrhunderte gewirkt hat? Ich freute mich sehr über die erhaltene Einladung, an den für die Erzbabtei vorhergesehenen Feierlichkeiten teilzunehmen und die Stadt Györ zu besuchen, eines der ersten kirchlichen Zentren Eures Landes. So habe ich die Gelegenheit, mich in Eure Geschichte hineinzufinden und die Quelle der Kultur besser kennenzulemen, aus der Ihr, Ungarn, Licht und Kraft im Laufe der Jahrhunderte geschöpft habt. Auf sie bezieht Ihr Euch auch heute, um daraus weiterhin den für die Gestaltung der Zukunft nötigen Mut und die Weisheit zu schöpfen. Diese wird je nach dem Ausmaß der Prinzipien, welche die hehren Traditionen Eurer Vergangenheit inspiriert haben, gefestigt sein. Viele Heilige und Helden, umgeben von Scharen demütiger und arbeitsamer Leute, haben die Seiten Eurer Geschichte gezeichnet. Mein Wunsch ist, daß diese 331 REISEN über tausendjährige Geschichte jeden von Euch stärke in der Überzeugung: „Glücklich das Volk, dessen Gott der Herr ist“ (Ps 144,15). 2. An der Schwelle eines neuen Jahrtausends ist es angebracht, den Blick auf die Vergangenheit zu richten, um die großen Lehren zusammenzutragen, die für die Aufgaben der Gegenwart und für die Planung der Zukunft Orientierung bieten können. Und dies ist um so richtiger, wenn man die sozialen Bedingungen betrachtet, in denen sich die Völker Zentral- und Osteuropas befinden. Sie haben endlich nach einer langen Phase harter kommunistischer Diktatur die Freiheit wiedergewonnen. Sie sind heute vor nicht wenige Probleme gestellt. Sie durchleben schwierige Jahre. Der mit dem historischen Zusammenbruch der Ideologien verbundene Optimismus war leider nur von kurzer Dauer. Unterschwellig kam ziemlich bald eine Phase von ertragenen Belastungen, die, auch in Ungarn, die Existenz aller gezeichnet hat und weiterhin zeichnet. Meine lieben ungarischen Bürger, niemand möge durch die Schwierigkeiten der Gegenwart entmutigt werden, keiner schätze die bislang erreichten Ergebnisse gering ein! Nach den dramatischen Ereignissen dieses Jahrhunderts, das gerade zu Ende geht, darf man nicht erstaunt sein, wenn die Wiedergeburt und die erwünschte Entwicklung Zeit beanspruchen. Die verhängnisvollen Folgen von langen Jahren der Diktatur können, materiell wie geistig, nur mit geduldigem und ausdauerndem Eifer aller, besonders der jungen Generationen, überwunden werden. Auf der anderen Seite: Befragt man die ungarische Geschichte, ergibt es sich vielleicht nicht, daß sich Eure Vorfahren viele Male mit schwierigen Herausforderungen konfrontiert sahen? So war es im Krieg gegen die osmanischen Streitkräfte, so in anderen Konflikten und Prüfungen, denen sich Euer Land im Laufe der Jahrhunderte stellen mußte. Wie sich das Volk damals wiederaufzurichten wußte, indem es seine erneuerte Kraft aus den Prüfungen zog, mit denen es konfrontiert war, so wird es auch jetzt sein: Ungarn wird wieder glücklich und zufrieden sein, um mit Glaubwürdigkeit die Sendung zu übernehmen, zu der es im Konzert mit den anderen freien Nationen berufen ist. 3. Herr Präsident, es ist wichtig, in dem Bestreben nach dem Wohl ausdauernd zu sein. Dabei gilt es, auch um den Preis von Opfern, jenen Bereich von geistigen Werten zu wahren und zu fördern, die den Kern des historischen Erbes der Nation bilden: Diese müssen ständig jedes persönliche und gemeinschaftliche Projekt anregen. Das bedeutet offensichtlich die faire Zusammenarbeit aller: Junge und Alte, Reiche und Arme, Glaubende und Nichtglaubende, in der einträchtigen Erwartung desselben Ziels, des Gemeinwohls. In dieser gemeinschaftlichen Anstrengung haben diejenigen große Verantwortung, die öffentliche Funktionen bekleiden: In ihrem Dienst dürfen sie niemals das Wohl der ganzen Sozialgemeinschaft aus den Augen verlieren. Jeder ist dazu aufgerufen, seinen eigenen Beitrag zu leisten, da- 332 REISEN mit Ungarn wirklich das Gemeinschaftshaus eines jeden seiner Einwohner werden kann. Herr Präsident, ich möchte in diesem Augenblick meine Hochachtung gegenüber der Arbeit erneuern, die das ganze ungarische Volk zielbewußt anstrebt. Ich bin sicher, daß die Opfer dieser Zeit - dank des loyalen Beitrags eines jeden - dazu beitragen, das angestrebte Ziel zu erreichen: die intellektuelle, moralische und materielle Erneuerung des ganzen Landes. Man gestatte mir, an die Verse eines bekannten Gedichtes von Vörösmarty zu erinnern, die meine Gedanken gut zusammenfassen können: „In so großem Unglück, nach so großer Zwietracht, an Zahl gemindert, aber nicht zerstört, lebt diese Nation auf ihrem Boden“ (Szözat). 4. Herr Präsident, das ist mein Wunsch, begleitet mit der Zusicherung eines besonderen Gedenkens im Gebet. Wir nähern uns mit großen Schritten dem Jubiläum des Jahres 2000, geeigneter Anlaß für das großherzige ungarische Volk, den eigenen Glauben an Christus zu erneuern, dessen Licht seinen jahrhundertelangen Weg erleuchtete. Für die Gläubigen ist Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben. Möge mit erneuerter Kraft die heilbringende Verkündigung seines Wortes auf ungarischem Boden widerhallen und mögen die Bürger die belebende geistliche Wirkung wieder verspüren können. Dafür werde ich in der historischen Abtei von Pannonhalma und während der festlichen Eucharistiefeier in Györ beten. Keine andere Absicht als die Erneuerung dieser Ankündigung des Heils hat mich erneut zu Euch geführt. Ich bin gekommen, um die Ängste und Erwartungen eures Volkes zu teilen, davon überzeugt, wie der Dichter Vörösmarty sagt, daß die Erneuerung Ungarns kommen wird, wenn „Hunderttausende mit Inbrunst dafür beten werden“ (Szözat). Die Kirche verkündet mit Mut an jedem Winkel der Erde: Öffnet die Tore für Christus! Er ist gekommen, damit alle das Leben in Fülle haben. Und im Licht der Sendung Christi beginne ich heute meinen Pastoralbesuch. Mit diesen Empfindungen schließe ich im Geiste das ganze ungarische Volk in die Arme. Gott segne Ungarn! Krankheit und Alter als Dimensionen christlichen Lebens Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken und Alten in Pannonhalma am 6. September Diese kurze Begegnung mit Euch auf meiner Pastoraireise nach Ungarn ist für mich wichtig, meine heben Brüder und Schwestern, die Ihr gezeichnet seid von Krankheit und der Bürde der Jahre. Ich danke Euch, daß Ihr mich eingeladen habt und damit die Verbundenheit und die geistige Nähe eines jeden von Euch mit dem Papst bezeugt. Meine Gedanken gehen auch zu den vielen, die wegen Krankheit 333 REISEN oder Alter diesen meinen Besuch von zu Hause, von einer Klinik, vom Krankenhaus aus verfolgen. An alle ein herzliches Dankeschön, besonders für die Gebete! Groß ist der Wert des menschlichen Leidens, und unabkömmlich ist der Beitrag des sogenannten „Dritten Lebensabschnitts“! Der Zustand des Krankseins ist ein zwiespältiger: auf der einen Seite behindert er auf verschiedene Weise den Menschen und bringt ihn dazu, die eigenen Grenzen und die eigene Gebrechlichkeit zu erfahren. Auf der anderen Seite bringt er ihn in unmittelbaren Kontakt zum Kreuz Christi und bereichert ihn mit neuen Möglichkeiten. Mit der Aufopferung des eigenen Leidens an Christus kann der kranke Mensch einen persönlichen Beitrag leisten zu seinem Erlösungswerk und kann aktiv am Aufbau der Kirche teilnehmen. Auch für Familie und Gesellschaft ist der alte Mensch sehr wertvoll. Ihr Alten seid die Hüter eines an Werten und Erfahrung reichen Erbes. Haltet es nicht verschlossen in Euch selbst, sondern vermittelt es mit Weisheit und Feinfühligkeit den Jüngeren. Und diese selbst werden Euch dafür dankbar sein. Meine lieben Brüder und Schwestern, die Jungfrau Maria schenke Euch, daß Ihr Eure Lage in der Fülle des Glaubens auslebt und bei den anderen Achtung, Gehör und Solidarität findet. Jedem von Euch und allen Kranken und Alten dieses geliebten Landes erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen, und ich spende ihn auch gerne den Personen, die sich großmütig im helfenden Dienst aufopfem. Gestaltung der Zukunft bedeutet nicht Anpassung an den Zeitgeist: Das Vorbild des hl. Benedikt Predigt beim Vespergottesdienst in Pannonhalma am 6. September Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, lieber Herr Erzabt, liebe Patres dieser Abtei, meine lieben Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude bin ich als Pilger hier auf den Martinsberg, in die altehrwürdige Abtei Pannonhalma gekommen. Wir gedenken gemeinsam des tausendjährigen Bestehens dieses historischen Zentrums des geistlichen Lebens und der Kultur, in dem eine bis zu unseren Tagen ununterbrochen lebendig gebliebene Tradition ihren Anfang genommen hat. Zum ersten Mal begibt sich der Bischof von Rom auf Besuch zu Euch, die Ihr von Anbeginn an sehr eng mit dem Apostolischen Stuhl verbunden geblieben seid. Es begann mit einer kleinen Schar von Mönchen - Mitbrüder und Schüler des hl. Adalbert, Bischof von Prag -, die von Rom gekommen waren, um Brevnov (bei Prag) zu gründen und von dort aus Eure Abtei. Der hl. Adalbert (Wojciech), Erzmärtyrer und Patron meines Vaterlandes, ist der gemeinsame Heilige der Völker der historischen böhmischen, polnischen und ungarischen Krone. Die besondere Verehrung für den hl. Adalbert verbindet Euch so mit den Völkern, die in 334 REISEN Mitteleuropa mit den Slawen zusammenlebten und -leben. Im Frühling kommenden Jahres werde ich, so Gott will, die Freude haben, anläßlich des tausendsten Jahrestages des Martyriums des hl. Adalbert/Wojciech dessen einstigen Sitz zu besuchen. Der Hügel, auf dem Ihr wohnt, trägt den Namen des hl. Martin. Ihr lebt also unter der Schutzherrschaft eines Heiligen, der in dieser Region geboren wurde, die seinerzeit die römische Provinz Pannonien bildete. Der hl. Martin wird seit tausendfünfhundert Jahren in zahlreichen Ländern Europas verehrt. Mit ihnen seid Ihr durch seine an Charisma so reichen Person geistig verbunden. Von dieser Gegend, wo er das Licht der Welt erblickte, ist es mir lieb, einen Gruß an die Einwohner von Tours, in Frankreich, zu senden, wohin ich in wenigen Tagen die Freude haben werde, mich in Pilgerfahrt zu begeben. Die Anfänge Eurer Geschichte bringen uns in die Zeit zurück, in der christlicher Osten und christlicher Westen noch ungetrennt waren. Des tausendjährigen Bestehens von Pannonhalma zu gedenken bedeutet daher, in der Erinnerung zu jener Situation der Einheit zurückzukehren, die das erste Jahrtausend kennzeichnete. Eure Wurzeln gründen in jener gesegneten Zeit. Eure Vergangenheit bindet und verpflichtet Euch, zugleich aber gibt sie Euch Gewißheit für eure Zukunft. 2. „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Wer hat ihm etwas gegeben, so daß Gott ihm etwas zurückgeben müßte?“ (Röm 11,33-35). Die Worte aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer erhalten im Kontext der heutigen Feier eine besondere Bedeutung. Wir haben vor kurzem das Millennium der Taufe Ungarns gefeiert - fast gleichzeitig mit derjenigen Polens -, und heute erheben wir aus dieser altehrwürdigen Bendiktinerabtei ein feierliches Dankeslied zum Herrn für die vergangenen tausend Jahre. Es sind Gedenktage von beachtlicher geschichtlicher Bedeutung, ist doch mit ihnen die Erinnerung an den hl. König Stephan verbunden. Die Liturgie führt uns indes über die historische Dimension des Ereignisses hinaus und läßt uns dessen tiefste Wurzeln in der Weisheit und der Erkenntnis Gottes suchen, die Grundlage der geschaffenen Ordnung und der Geschichte ist. Wenn in der Tat Menschen im Lauf der Jahrhunderte große Werke begonnen haben, wenn die Anfänge von Staaten und Königreichen mit einzelnen Persönlichkeiten Zusammenhängen, vermag der Glaubende in diesen menschlichen Geschehnissen das geheimnisvolle und weise Wirken der göttlichen Vorsehung wahrzunehmen. Die Menschen, die am Anfang von solchen historischen Ereignissen standen, erkannten oft selbst, daß ihre Schaffenskraft und ihre Initiativen allein in Gott wurzelten, in seiner unendlichen Weisheit und in seiner ewigen Liebe. Und da - wie der Apostel sagt - alles „aus ihm und durch ihn“ ist, ist auch alles „auf 335 REISEN ihn hin“ (vgl. Rom 11,36). Ut in omnibus glorificetur Deus - wie der hl. Benedikt zu sagen pflegte. Alles ist auf ihn hin. Ihm sei Ehre und Ruhm in Ewigkeit! 3., Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst“ {Röm 12,1). Der Apostel hat hier die Gestalt des Gottesknechts vor Augen, wie ihn Jesaja prophezeit hat: Der Knecht bringt sich selbst als lebendiges, heiliges und gefälliges Opfer dar, er wird „gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Durch diesen Gehorsam hat er die Welt erlöst. Mit ihm hat er in gewisser Weise nicht nur die Regel des hl. Benedikt, sondern auch die Regeln aller religiösen Orden inspiriert und so Männern und Frauen Jahrhunderte hindurch die Möglichkeit gegeben, den heiligen Weg des Gottesdienstes einzuschlagen als treue Antwort auf die Berufung zur vollkommenen bräutlichen Liebe Christi. In der Menschwerdung „entäußerte sich“ der Sohn Gottes „und wurde wie ein Sklave“ (Phil 2,7). Er schuf so und schafft für viele Menschen den wunderbaren Weg der Berufung. Dort sagt er zu jedem: „Folge mir nach!“; er sagt es normalerweise mit Worten, die allein das Herz zu vernehmen vermag. Er spricht mit der beredten Kraft des Geheimnisses seines Todes und seiner Auferstehung. Er offenbart so eine Form menschlichen Lebens, die es dem Menschen gestattet, den tiefsten Sinn seines Seins zu finden. In der benediktinischen Berufung - wie übrigens in jeder christlichen Berufung und speziell im geweihten Leben - ist der Mensch aufgerufen, „Gottesdienst“ (Röm 12,1) darzubringen, aufgerufen, vollkommen das persönliche Sein zu verwirklichen, das Gott nach seinem Abbild, ihm ähnlich, geschaffen hat (vgl. Gen 1,26). Wie das II. Vatikanische Konzil lehrt, ist der Mensch die einzige Kreatur auf Erden, die Gott um ihrer selbst willen gewollt hat, und kann sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). Das ist der Grund, weshalb Ihr alle hier seid, verehrte und geliebte Brüder: Christus hat Euch gerufen durch die einmalige und freiwillige Gabe, als die er sich selbst hingab; er hat Euch gerufen durch das dem Vater auf dem Kreuzesaltar dargebrachte Opfer. Auf diese Weise hat Er in Euch die Bereitschaft erzeugt, wie Er und in Ihm unentgeltliche Gabe für sein heiliges Volk zu werden, indem ihr das Leben Eurer benediktinischen Gemeinschaft teilt. Und so wird seit tausend Jahren die Geschichte dieser Abtei, die Pannonhalma heißt, geschrieben. 4. Der Apostel fährt in seiner Ermahnung fort: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert Euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ {Röm 12,2). Möglicherweise hatte der hl. Benedikt diese Worte vor Augen, als er seine Regel schrieb. Es ist jedenfalls bedeutsam, daß er, sich vom Zeitgeist distanzierend, eine Sammlung von außerordentlich wirksamen Grundsätzen in seine Regel aufgenommen hat, die auf die Umwandlung der Welt hinzielen. 336 REISEN Darüber sind sich alle einig. Sogar Autoren, die dem Christentum gegenüber nicht immer sehr objektiv sind, anerkennen einstimmig, daß der hl. Benedikt und seine Söhne „das Antlitz der Erde erneuerten“ (vgl. Ps 104,30) und daß Europa - vor allem im ersten Jahrtausend - großenteils ihnen die gigantische kulturelle und gesellschaftliche Erneuerung verdankt, die ihm zuteil wurde. Der einfache Ausdruck „ora et labora“ hat die Grundlagen geschaffen für ein großangelegtes Programm, dank dem der Kontinent nach den Ereignissen der großen Völkerwanderung begann, die kulturellen Formen anzunehmen, die die europäischen Nationen und ihre besondere Rolle in der Welt bis heute gekennzeichnet haben. Die Wirtschaft war damals überwiegend agrarisch. Die Urbarmachung ausgedehnter Waldgebiete und der Anbau von Feldern waren der bedeutsamste Beitrag, womit die Söhne des hl. Benedikt auf eine Besserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung einwirkten. Das hat zu entscheidenden sozialen und kulturellen Wandlungsprozessen geführt. Im Kontext dieser jahrhundertelangen Vorbereitung konnten sich im zweiten Jahrtausend die europäischen Städte herausbilden mit den Kunstund Bauwerken, die wir heute noch bestaunen können. Wenn wir das Jahrtausend seit der Gründung der Abtei Pannonhalma feiern, gedenken wir in gewisser Weise eines Jahrtausends jenes benediktinischen Europas, auf dessen Fundament die europäische Zivilisation und auch die eures Vaterlandes Ungarn aufge-baut wurde. 5. Paulus schreibt: „Wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ (Rom 12,2). Die Umwandlung des äußeren Erscheinungsbildes der Erde hat ihre Grundlage und ihren Ursprung in der Umwandlung des Herzens des Menschen, in seiner inneren Erneuerung. Jedes wirtschaftliche, kulturelle und ästhetische Gut, das aus dem großen Werk der Benediktiner entstanden ist, findet seinen ersten Anfang im Geist Eurer Vorgänger in alten Zeiten, die in den Werken ihre innere Reife weitergegeben haben. Der hl. Benedikt lehrte, daß nichts der Liebe Christi vorangestellt werden darf: Die Liebe Christi, die gekreuzigte und auferstandene Liebe, hat in der Vergangenheit in Eurer Abtei geherrscht und herrscht dort heute noch. Sie ist zugegen im Beitrag der Kultur und Zivilisation, den eure Abtei zur Geschichte der ungarischen Nation und ganz Europas geleistet hat. Für all das danken wir nach tausend Jahren heute der göttlichen Vorsehung. Der Bischof von Rom freut sich, teilnehmen zu können an dem feierlichen Te Deum der Gemeinschaft von Pannonhalma und des ungarischen Volkes. 6. Laßt uns miteinander Gott danken für die Wundertaten, die er in diesen tausend Jahren vollbracht hat. Und du, Benediktinergemeinschaft von Pannonhalma, fahre fort, als Stadt auf dem Berg Quelle des Lichts für diese Gegend und für die ganze Nation zu sein. Bleib dieser deiner Berufung treu, wie du es im Lauf der Jahrhunderte tatest. Fahre fort, die neuen Generationen auf die Wege der menschlichen 337 REISEN und göttlichen Weisheit zu bringen, und - um dies mit unveränderter Wirksamkeit bewerkstelligen zu können - werde du selbst nach den Worten des hl. Benedikt Schülerin „der Schule, in der man dem Herrn dient“ {Regula Benedicti, Prol. 45). Wenn Ihr als eifrige Schüler des Wortes Gottes aufmerksam Hinhörende bleibt, meine lieben Brüder, macht Ihr Euer Herz für alles bereit, was Euch der Herr als Antwort auf die Erfordernisse jeder Geschichtsepoche eingibt. Seid wach und achtsam beim Erforschen der „Zeichen der Zeit“, Eure Haltung sei demütiger Gehorsam gegenüber dem Herrn, damit seine Heilsbotschaft von Euch recht verstanden und wirksam weitergeben werden kann. Nunmehr an der Schwelle zum dritten Jahrtausend erwartet die Kirche von Euch einen erneuerten geistlichen und apostolischen Elan. Der gekreuzigte und auferstandene Christus erleuchte Eure Schritte auf Eurer Sendung. Er sei für Euch alles: Alpha und Omega, Anfang und Ende. Seid Zeugen seiner Auferstehung und Apostel seiner Liebe. Seid im täglichen Dienst darum bemüht, die Einheit der Christen zu fördern und mit allen den Dialog zu pflegen. Die ökumenische Bewegung kann großen Nutzen aus eurem Einsatz im Dialog, im Zuhören und im Bestärken von Übereinstimmungen ziehen. Eure Abtei möge ein stets offenes Haus für die Bedürfnisse der Brüder sein. Auf diesem täglichen Weg begleite Euch das Vorbild eures Patrons Sankt Martin, der seinen Besitz und sogar die Hälfte seines Mantels dem Armen ließ, der sich dann als Christus selbst herausstellte. Euch beschütze der hl. Bischof Adalbert, der sein Leben für Jesus geopfert hat, der erste hl. König Stephan, treuer Diener Gottes und des Volkes in einem langen Leben voller Entsagung und Selbstlosigkeit. Stets lebendig bleibe in einem jeden von Euch der Geist des hl. Benedikt, damit die Kette der Benediktinerklöster die Nationen und die Christen im Westen und im Osten miteinander verbinde. Auch dank Eurem Dienst möge der Bogen des Friedens und der Versöhnung über dem Karpatenbecken leuchten. Maria, „delicia Benedictorum“, begleite und beschütze Euch allezeit. Erneuert Euch im Glauben und im christlichen Lebensvollzug! Predigt bei der Eucharistiefeier im Ipari-Park in Györ am 7. September Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, liebe Gläubige! 1. Wir haben das ergreifende Wort Jesu gehört: „Ich bin der gute Hirt. Der Gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). 338 REISEN Wie immer man sie betrachten mag, die Kirche ist untrennbar mit dem Bild des Guten Hirten verbunden. Der Hirt sorgt sich um seine Herde und verläßt nicht seine Schafe, auch angesichts der Gefahren und der Angriffe der Wölfe, und flieht nicht. Er ist kein bezahlter Knecht; deshalb ist er bereit, die Schafe auch auf Gefahr seines eigenen Lebens zu verteidigen (vgl. Joh 10,11-12). Dieses Bild, das seit den Anfängen aufgegriffen und geschätzt wurde, führte die christliche Gemeinschaft zu einem klaren Bewußtsein ihrer Identität. Die Gestalt des Guten Hirten war schon während der Christenverfolgungen der ersten Jahrhunderte bekannt, wie den Fresken in den Katakomben zu entnehmen ist. Sie leitete auch danach, als der Kirche die Freiheit geschenkt wurde, deren Tätigkeit und wurde sozusagen zum Vorbild für ihre neue Beziehung zur Welt und ihren missionarischen Einsatz. Die Kirche fühlte sich verpflichtet, die Schafe, die noch nicht zu ihrer Herde gehörten und auf der Suche nach Frieden und Erlösung waren, zu sammeln und zu leiten, damit gemäß dem Willen Christi „es nur eine Herde (...) und einen Hirten“ geben würde (Joh 10,16). Schritt für Schritt traten so im Laufe des ersten Jahrtausends verschiedene Nationen der Herde Christi bei: Dort fanden auch die Völker Mittel- und Osteuropas Aufnahme, und im zehnten Jahrhundert wurde auch Eure Nation ein Teil davon. Liebe Brüder und Schwestern! Durch die Taufe erwarben eure Vorfahren das Bewußtsein einer neuen Zugehörigkeit, nämlich der einer Herde zu ihrem Hirten, von dem sie sich verteidigt und beschützt fühlt. In dem Wissen, Christus zu gehören, entdeckten die Einwohner Pannoniens, des heutigen Ungarns, eine tiefere kulturelle Identität und wurden so auf eine neue Art und Weise zur Nation. Sie wurden sich darüber klar, daß jemand sein Leben für sie hingegeben hatte, und verstanden, daß sie einen besonderen Wert hatten, weil sie „losgekauft“ waren „mit dem kostbaren Blut Christi“ (1 Petr 1,18-19). All das führte zu einer Bereicherung des personalen wie des nationalen Bewußtseins: Eine Bereicherung, die natürlich nicht materieller Natur war, jedoch für den Geist einer sich entwickelnden Gesellschaft große Bedeutung hatte. Das tausendjährige Jubiläum der Abtei Pannonhalma, das wir gestern gefeiert haben, ist ein wesentlicher Teil dieses Erbes. Es bestätigt, daß in Eurem Land seit tausend Jahren eine Gemeinschaft von Menschen gegenwärtig und am Werk ist, für die die von Christus vollbrachte Erlösung eine Berufung darstellt, die das ganze Leben durchdringt. Diese Menschen betrachten das Zeugnis für Jesus und sein Evangelium als ihr oberstes Lebensziel, um die Frohe Botschaft der Erlösung der Welt und der Erneuerung des Menschen in Christus zu verkünden: „Der Gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). 2. „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ (Ps 23,1). Die Worte des soeben gesungenen Antwortpsalms bringen das neue Bewußtsein, das in den Menschen heranreifte, gut zum Ausdruck. Unter diesen Menschen entfaltet die Abtei seit tausend Jahren ihre segensreiche Tätigkeit. Das Volk verstand sehr wohl, daß sich die Fürsorge Christi, des Guten Hirten, in den Aktivitäten der Kirche widerspiegelte. Mit der ihr eigenen hierarchischen 339 REISEN Ordnung, d. h. unterteilt in Diözesen und Pfarreien, die den Bischöfen und Priestern unterstehen und sich um den Primas von Esztergom scharen, wurde die Kirche als Konsequenz ihres geistlichen Handelns auch zum Förderer einer neuen Lebensform der Nation. Als priesterliche Gemeinschaft wußte die Kirche, daß sie gesandt war, um die Eucharistie zu feiern, durch die das Volk Gottes aufgebaut wird. Dieses ist seinerseits dazu berufen, den dreifachen priesterlichen, prophetischen und königlichen Auftrag zu erfüllen unter der Leitung derjenigen, die an der Nachfolge der Apostel beteiligt waren. Von diesem Zeitpunkt an - Hungaria coepit habere episcopum - wurde also das Leben des christlichen Volkes, historisch betrachtet, in Diözesen gegliedert, darunter die von Györ, die ich heute besuchen darf. Die Anfänge der Kirche in dieser Gegend waren jedoch kein rein geistliches Geschehen; sie hatten auch Auswirkungen auf das zivile Leben und markierten den Beginn einer neuen Epoche der Geschichte und Kultur Eurer Nation. Im Laufe der Jahrhunderte hat Euer Land - und mit ihm die christliche Gemeinschaft - mehrmals einen Neuanfang machen müssen, wie es sich in jüngster Zeit im Jahr 1989 zugetragen hat. In diesem Zusammenhang möchte ich den Hirten der Kirche in Ungarn meine Anerkennung für die Arbeit aussprechen, die sie im Laufe der vergangenen fünf Jahre geleistet haben. Ihr, verehrte Brüder im Bischofsamt, habt die Einheit der Kirche erhalten und unter den Bedingungen zurückerhaltener Freiheit die missionarische Tätigkeit in allen Bereichen des christlichen Lebens neu entfaltet. Ihr seid auf nicht geringe Hindernisse gestoßen, aber Ihr habt die Hoffnung nicht verloren! Für den geistigen Wiederaufbau des Landes könnt Ihr nun auf religiöse Orden und Kongregationen zählen, die dabei sind, sich zu erneuern, sowie auf katholische Lehrer und engagierte Laien. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Laßt Euch nicht entmutigen von den wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten, von der Arbeitslosigkeit, von der Verarmung vieler, von dem Zerfall der sittlichen Werte in der Generation, die ohne den Glauben aufgewachsen ist! Die Versuchung ist groß, sich treiben zu lassen und diese Situation passiv zu akzeptieren. Der hl. Paulus beschreibt die Heiden als die, „die keine Hoffnung haben“ (7 Thess 4,13). Wir Christen aber leben von der Gegenwart Christi. Christus ist unsere Hoffnung! Wir sind nie allein! Wir sind die Schafe Christi, des Guten Hirten, der immer bei uns ist. Ihr habt leuchtende Vorbilder, auf die Ihr schauen könnt, auch wenn sich die Wolken über Euch zusammenziehen. Vor allem die Märtyrer und die Zeugen des Glaubens aus den letzten vierzig Jahren legen ihr Zeugnis im Lichte Christi ab. Ich denke an den Bischof Vilmos Apor, der in dieser Stadt sein Leben für diejenigen, die ihm anvertraut waren, hingegeben hat; ich denke an Kardinal Jözsef Minds-zenty und an den unbeugsamen Widerstand, den er gegenüber der Diktatur leistete, mit dem langen, anschließenden „Kreuzweg“, den er deshalb gehen mußte; ich denke an den Arzt der Armen, Läszlö Batthyäny Strattmann, einen wahren Helden der Nächstenliebe; ich denke an die Priester, an die Ordensmänner und 340 REISEN Ordensfrauen wie auch an die vielen christlichen Laien, die ihr Leben für Christus gegeben haben. Erweisen wir all jenen die Ehre, die in den vergangenen Jahrzehnten Verfolgungen auf sich genommen haben, nur um den Glauben nicht zu verleugnen! 4. „Ich bin der Gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne“ (Joh 10,14-15). Den Vater, seine Barmherzigkeit und seine Liebe den Menschen zu zeigen: Das war für Jesus die wichtigste Aufgabe. Wie groß ist - am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts - das Bedürfnis, Christus zu kennen: seine Person, sein Leben und seine Lehre! Zahlreiche Ideologien und kulturelle Strömungen machen für sich selbst Propaganda: Sie versprechen Glück, Erfolg und Freiheit, können aber den wirklichen Sinn des Lebens nicht aufzeigen. Christus allein ist der Weg und die Wahrheit und das Leben. Er hat nicht einfach den Weg des Heils gezeigt, sondern hat uns gesagt: „Wer glaubt, hat das ewige Leben“ (Joh 6,47). In ihm wurde die Wahrheit offenbart,nach der sich alle Menschen im Grunde ihres Herzens sehnen. Christus, der Gute Hirt, ist gekommen, „damit wir das Leben haben und es in Fülle haben“. Der Apostel Johannes schreibt von ihm: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh 1,4). Von niemandem sonst wurde im Laufe der ganzen Geschichte so etwas gesagt. Nur Christus, das Leben, hat den Tod besiegt. Nur er konnte verkünden: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25). 5. Wir haben eben gehört, wie der hl. Paulus die Epheser ermahnte, sich der Lehre Christi gemäß zu verhalten: „Ihr habt doch von ihm gehört und seid unterrichtet worden in der Wahrheit, die Jesus ist. Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht... und erneuert euren Geist und Sinn! Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,21-24). Diese Worte - an gerade aus dem Heidentum übergetretene Christen gerichtet - haben nichts von ihrer Aktualität verloren; sie sind auch für die Menschen von heute gültig. Das christliche Leben erfordert ständiges Bemühen, den alten Menschen abzulegen, der von der dreifachen, durch die Erbsünde weitergegebenen Begierde gezeichnet ist: „die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz“ (I Joh 2,16). Ruft uns unsere tägliche Erfahrung etwa nicht in Erinnerung, daß das Erbe des ersten Adam in uns ist? Gleichzeitig wissen wir jedoch, daß wir uns von der dreifachen, ererbten Last befreien können, denn die Macht Christi und die von ihm erwirkte Erlösung haben uns in die Lage versetzt, den neuen Menschen anzuziehen, uns im Geiste zu erneuern und ein wahrhaft christliches Leben zu führen. Ganze Generationen haben gearbeitet, um dieses Bewußtsein zu festigen. Die Kirche sät das Evangelium in die Herzen der Menschen und in die Kultur der Völker und bringt auf diese Weise in ihnen immer neue Früchte der Heiligkeit und der 341 REISEN Zivilisation hervor. Sie wird unterstützt von allen Heiligen und Seligen, die ein leibhaftiges Zeugnis der Erneuerung in Christus sind, von der der Apostel spricht. Das Evangelium hat aus Euch, liebe ungarische Gläubige, neue Menschen, eine neue Nation gemacht. „Zieht den neuen Menschen an!“, wie es vor Euch, vor tausend Jahren, Eure Vorfahren getan haben, indem sie unter der Leitung des hl. Stephan vom Heidentum konvertierten! Ihr alle kennt die Geschichte Eures Vaterlands, Ihr wißt, wie viele Gefahren es im Laufe seines nun schon langen Weges überwinden mußte. Trotz allem ist das edle ungarische Volk treu geblieben, weil es ihm in den entscheidenden Augenblicken, sogar inmitten der schlimmsten Tragödien, immer gelungen ist, sich in seinem Festhalten am Glauben und in der Praxis des christlichen Lebens zu erneuern. Auch hat es nicht an prophetischen Gestalten gefehlt, die gemäß der Unterweisung des hl. Paulus ihren Brüdern dabei geholfen haben, „den alten Menschen abzulegen“. Unter diesen müssen wir mit besonderer Zuneigung jene erwähnen, die durch das Opfer ihres Lebens für Christus und sein Evangelium Zeugnis abgelegt haben. Welch besondere Gnade Gottes wird uns heute, am 7. September, zuteil, wenn wir der drei Märtyrer von Kassa gedenken, die vor einem Jahr seliggesprochen worden sind. Wir feiern sie hier in Györ, der Stadt, in der der Diener Gottes, Msgr. Vilmos Apor, sein Leben für die ihm anvertrauen Menschen hingegeben hat. 6. Von ganzen Herzen grüße ich Kardinal Läszlo Paskai, Erzbischof von Eszter-gom-Budapest, sowie alle hier anwesenden Kardinäle. Mit besonderer Herzlichkeit grüße ich den Hirten, der der Diözese Györ vorsteht, den lieben Msgr. Lajos Päpai, und alle Bischöfe, die zu dieser Feier gekommen sind. Einen besonderen Gruß möchte ich auch an die Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen richten, vor allem an jene, die wegen des Evangeliums lange Gefängnisstrafen und viele Demütigungen erlitten haben: Viele von ihnen stehen heute hier mit uns am Altar des Herrn. Mein Gruß erstreckt sich dann auf alle Gläubigen, die hier zusammengekommen sind, vor allem auf die Jugendlichen, die ich in großer Zahl sehe. Meine Lieben, ich freue mich, Euch an diesem so bedeutungsvollen Tag treffen zu können. Ich spreche Euch meine Anerkennung für Euren lebhaften Enthusiasmus und für den großherzigen Beitrag aus, den Ihr zum Leben der Kirche in Eurer Heimat leistet, und lade Euch schon jetzt zu unserer nächsten Begegnung im August des nächsten Jahres, anläßlich des Weltjugendtags, in Paris ein. Ich richte außerdem einen brüderlichen Gruß an die hier anwesenden Hirten und Gläubigen der nichtkatholischen Kirchen. Möge es Gott so fügen, daß die gegenseitige Liebe und Hochachtung die Fortschritte zur vollen Einheit beschleunigen, mit der Christus seine Kirche bereichert hat. Herzlich grüße ich die Vertreter der Regierung und der Stadt, die an dieser Feier teilnehmen, und möchte dabei meine tiefe Dankbarkeit für den mir bereiteten Empfang ausdrücken. Schließlich grüße ich die Brüder und Schwestern, die aus den Nachbarstaaten angereist sind, beson- 342 REISEN ders die Pilger aus Österreich und Deutschland, aus Kroatien, aus der Tschechischen Republik, aus der Slowakei und aus Rumänien. Der Papst fuhr auf deutsch fort: Sehr herzlich begrüße ich die Pilger, die vom Nachbarland Österreich und aus der Bundesrepublik Deutschland hierhergekommen sind. Liebe Schwestern und Brüder, ich wünsche Euch, die Bande der Freundschaft und der Zusammenarbeit mit den Bürgern Ungarns immer mehr zu verstärken, denn mit ihnen verbinden Euch starke kulturelle Beziehungen und das Festhalten am gemeinsamen Erbe religiöser Werte. Auf kroatisch sagte der Papst: Von Herzen grüße ich die Gläubigen, die aus Kroatien gekommen sind oder die aus diesem Land stammen. Liebe Brüder und Schwestern, Ihr habt jahrhundertelang die wechselnden Geschicke des ungarischen Volkes geteilt und möchtet heute an seiner Freude bei der Annahme derselben christlichen Werte teilhaben. Seid stolz auf dieses Erbe vieler Jahrhunderte! Auf dieser Grundlage nämlich wird Euer Volk zusammen mit seinen Nachbarvölkern eine Zukunft des ruhigen Zusammenlebens in der Solidarität und gegenseitigen Achtung aufbauen können. Auf slowakisch sagte der Papst: Mit besonderer Herzlichkeit wende ich mich nun an die Gläubigen, die aus der Slowakei angereist sind, um zusammen mit ihren ungarischen Brüdern und Schwestern zu beten. Meine Lieben, Eure Geschichte ist eng mit der ungarischen Geschichte verbunden. Aus den freudigen und leidvollen Ereignissen der Vergangenheit sollt Ihr die für die Entscheidungen der Gegenwart notwendigen Hinweise gewinnen. Ich bete zu Gott, daß der gemeinsame, christliche Glaube eure beiden Völker auf der Suche nach dem Frieden und der Solidarität vereine. Zur ungarischen Sprache zurückkehrend, sagte der Papst: 7. Liebe Brüder und Schwestern, schaut vertrauensvoll in eure Zukunft! Die pessimistischen Voraussichten von verschiedenen Seiten dürfen Euch nicht entmutigen, und die Hindernisse, die andere Euch in den Weg gelegt haben, dürfen Euch nicht aufhalten. Mit der Hilfe Gottes und mit eurem Einsatz werdet Ihr die Schwierigkeiten überwinden und die angestrebten Ziele erreichen. Ihr habt die Aufgabe, den alten Menschen mit seinem früheren Verhalten abzulegen, um den neuen Menschen anzuziehen, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (vgl. Eph 4,22-24). Dies ist das ununterbrochene Programm des Christentums: Erneuerung in Geist und Sinn, indem der neue Mensch angezogen wird, der in Christus, dem auferstandenen Herrn, lebt. 343 REISEN Ich möchte noch meine hier anwesenden Landsleute grüßen, besonders die Teilnehmer der von der Arbeiterpastoral der Erzdiözese Warschau organisierten Pilgerreise, die aus ganz Polen kommen. Die Teilnahme an der heutigen Eucharistiefeier möge Euren Glauben an Christus und an seine Lehren stärken. Gott segne Euch, Eure Familien und Eure Lieben. Laßt uns zusammen beten, damit die ungarische Nation an der Schwelle zum dritten Jahrtausend im Evangelium Christi erneuert, stärker und glücklicher wiederaufgebaut werden möge. Es helfe Euch Gott, der allmächtige Vater, der Sohn und der Heilige Geist durch die Fürsprache der Magna Domina Hungarorum! Amen! Zum Schluß sagte der Papst: Ich möchte Euch für diese eucharistische Begegnung danken, für die so zahlreiche Teilnahme aus der Diözese Györ. Ich möchte Euch danken für die würdevolle Vorbereitung, für die Gesänge, für alles das, was uns zur Eucharistie führt. Lasset uns diesem so starken Wind danken. Wir wissen, daß bei der Geburt der Kirche während des Letzten Abendmahles in Jerusalem solches Geschehen vom Wehen gezeichnet wurde. Es ruft den Heiligen Geist, der weht. Ich wünsche Eurem Vaterland und der Kirche, daß in Ungarn dieses starke Wehen des Heiligen Geistes spürbar wird. Gelobt sei Jesus Christus! Christlicher Glaube muß Konsequenzen für das Leben haben Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen am 7. September Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Es freut mich, Euch bei diesem meinem zweiten Besuch der geliebten ungarischen Nation zu treffen. Wenn er auch nur kurz ist, so gibt dieser Aufenthalt bei Euch mir doch die Gelegenheit, die Wahrheit des Psalmwortes zu erfahren: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ CPs 132/133,1). Ich bin bei Euch, um Eure Sorgen und Hoffnungen in dieser besonderen geschichtlichen Stunde mit Euch zu teilen. Ich bin bei Euch, um dem Herrn zu danken für den Weg, den Eure Nation bisher zurückgelegt hat. Wie andere Länder, die von den Leiden einer schwierigen Vergangenheit geprüft waren, hat auch Ungarn sich auf den vielversprechenden Weg der Erneuerung gemacht. Es ist ein vielversprechender, aber auch beschwerlicher Weg, und es ist zu rechtfertigen, daß es dabei Augenblicke des Bangens und der Bestürzung, wenn nicht gar der Mutlosigkeit geben kann. Heute bin ich hier bei Euch, um Euch das Zeugnis meiner Solidarität und meiner Unterstützung zu bringen. 344 REISEN Es ist die Berufung und Aufgabe eines jeden von Euch, das Euch anvertraute Volk dem „neuen Himmel“ und der „neuen Erde“, von denen die Schrift spricht (vgl. Offb 21,1; 2 Petr 3,13), entgegenzuführen. Bleibt fest in dieser Berufung. Seid für Eure Landsleute, die das christliche Europa jahrhundertelang verteidigt haben, ohne je die Hoffnung zu verlieren, die mutigen Verwalter des Evangeliums Gottes, das allen Menschen das Heil bringt. Gott hat Euch in seiner geheimnisvollen Vorsehung diese Aufgabe anvertraut. Nehmt sie mit Zuversicht an, und erbittet von Ihm die Kraft der Beharrlichkeit. 2. Bewahrt vor allem die Unversehrtheit des Wortes Gottes und der christlichen Lehre. Aufgrund der irrigen, durch die Diktaturen ihnen auf gezwungenen Sicht vom Menschen und von der Geschichte haben sich die in den letzten Jahrzehnten aufgewachsenen Generationen im Denken, im Sprechen und im Lebensstil von der christlichen Tradition entfernt. Viele trauen der Kirche und ihrer Lehre nicht. In ihren Erwartungen enttäuscht, halten sie es mit der heute weitverbreiteten Behauptung, nach der die Kirche nicht nur eine Randerscheinung, sondern praktisch überflüssig ist. Sie habe für das irdische Leben, das einzige, das bei ihnen zählt, nichts anzubieten. In diesem, weithin von betrügerischen Lehren (vgl. 1 TimA,\) verseuchten Kontext spielt sich Euer pastoraler Einsatz ab. Wie sollte man da nicht spüren, daß ein neuer apostolischer Aufschwung dringend notwendig ist, der die Gewissen aufrüttelt und sie dazu bringt, sich aufrichtig mit den wesentlichen Fragen auseinanderzusetzen, die der Mensch im Herzen trägt? In diesen mitteleuropäischen Ländern hat es in der Vergangenheit eine echte Blütezeit an Märtyrern und Heiligen gegeben. Warum nicht auf die Möglichkeit hoffen, daß ein neuer Frühling christlichen Lebens aufblühe? 3. Mit Freude habe ich vernommen, daß der Katechismus der Katholischen Kirche in ungarischer Sprache erschienen ist und daß gleichzeitig auch Vorbereitungen zu einer neuen Übersetzung und Neuausgabe der Bibel getroffen werden. „Denn lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Für den Menschen aller Zeiten leuchtet es als Licht im Labyrinth des Lebens. Macht alle Anstrengung, damit das Wort der Schrift in die Hände aller gelangt, wenn das auch nicht wenig Mühen und Opfer kostet. Auch ausgearbeitete Hilfsmittel für die religiöse Unterweisung der Jugend sind mehr denn je von Nutzen für die Evangelisierung einer stark säkularisierten Gesellschaft wie der heutigen. Die Abfassung von katechetischen Handbüchern, die den verschiedenen Altersstufen angepaßt sind, wird auch für die säkularisierte Generation der Erwachsenen eine zweckmäßige Einführung in die aktuelleren, besonders dringenden Fragen des Glaubens und der Moral ermöglichen. Wie ich weiß, habt Ihr auch für die Übersetzung nicht weniger päpstlicher Dokumente in die ungarische Sprache gesorgt. Von besonderer Bedeutung sind dabei diejenigen, die grundlegende Themen der Glaubenslehre und der Moral betreffen. 345 REISEN Heute ist es sodann erforderlich, dahin zu wirken, daß die Frohe Botschaft des Heiles auch in den Medien den ihr gebührenden Platz erhält. Bildet Fachleute für den Gebrauch der modernen Kommunikationsmittel aus. Von bedeutender Hilfe wird auch eine katholische Rundfunkstation sein, die der Stimme der Kirche die Möglichkeit gibt, zu den Gläubigen im gesamten Bereich der Nation zu gelangen. Macht im übrigen auch den Intellektuellen unter den Gläubigen Mut, öffentlich Stellung für den Glauben zu beziehen. Auch für sie gilt das Wort Jesu: „Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern“ (Mt 10,27). 4. Die Ernte ist groß, und der Arbeiter sind wenige! In Ungarn ist, auch infolge der vom vergangenen Regime auferlegten Beschränkungen, die Zahl der Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen ziemlich gering. Darum ist ein erneuter Einsatz in der Pastoral der Berufe dringend notwendig. Zugleich kann auch nicht darauf verzichtet werden, den Beitrag gut ausgebildeter, von apostolischem Eifer erfüllter Laien in Anspruch zu nehmen. Für die Verkündigung des Evangeliums müssen alle Kräfte eingesetzt werden. Jeder soll sich verpflichtet fühlen, mit Freude das Wort der Wahrheit zu verbreiten; es wird im Leben der kommenden Generationen Frucht tragen. Das Senfkorn des Evangeliums muß heute ausgesät werden, um zu seiner Zeit nach der Vorsehung Gottes zu einem großen Baum zu werden. Die Kirche wurde von Christus gegründet, um die Frohe Botschaft in alle Winkel der Erde hinein zu verbreiten. Die Kirche ist der in den Jahrhunderten fortlebende Christus, das Volk Gottes, das der himmlischen Heimat entgegenpilgert. Auf dieser Wanderung zum Heil werden wir von der Hoffnung und der erneuernden Kraft des Heiligen Geistes unterstützt. Seine wirksame Gegenwart ist uns durch das Versprechen Christi zugesichert (vgl. Apg 1,7-8). Lassen wir es also auch bei Mißerfolgen nicht an Vertrauen fehlen, sondern werfen wir weiterhin mit Optimismus das Netz aus. 5. Besondere Aufmerksamkeit wird einigen großen Problemen des gegenwärtigen Augenblicks gelten müssen, vor allem im sozialen Bereich. In den vergangenen Wochen hat eure Konferenz dazu ein umfassendes Dokument veröffentlicht mit dem Titel: „Eine gerechtere und brüderlichere Welt“. Es ist nicht nur an die Katholiken gerichtet, sondern auch an alle Menschen guten Willens. Ich vertraue darauf, daß der Text Gelegenheit zu fruchtbarer Gegenüberstellung mit allen bietet, denen das wahre Wohl des Landes am Herzen hegt, so daß die von Euch gegebenen Anregungen zu konkreten Initiativen in den überprüften grundlegenden sozialen Sektoren ausreifen. Liebe und ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, als Boten des Evangeliums seid Ihr Verteidiger des nach dem Bild Gottes erschaffenen und durch das Blut Christi erlösten Menschen. Seid vor allem Verteidiger des menschlichen Lebens. Manchmal hat man den Eindruck, als seien es fast nur mehr die Christen, die sich für den Schutz des Lebens einsetzen. Heutzutage bringt die konsumistische und hedonisti- 346 REISEN sehe Gesellschaft vor allem das noch nicht geborene und das seinem Ende entgegengehende Leben in Gefahr. Es ist die Aufgabe der Glaubenden, seinen Wert durch Wort und Handeln hervorzuheben und zu verteidigen. Die Kirche hat eine besondere Berufung, dem Leben zu dienen, vor allem angesichts der Gefahren der Kultur des Todes. Ein anderes wichtiges Kapitel bildet die Verteidigung der Schwächsten, angefangen bei den Minderheiten. Ich denke an die Minderheiten Eurer Landsleute in anderen Ländern wie auch an die verschiedenen ethnischen Gruppen, die hier in Ungarn leben, unter ihnen besonders an die Flüchtlinge. Den Menschen, jeden Menschen, verteidigen und fördern ist unerläßliche Bedingung für die Verkündigung des Evangeliums. Neben dem Schutz des menschlichen Lebens sei es Eure Sorge, die Familie zu verteidigen. Sie bildet die Grundlage jeder gesunden Gesellschaft und ist die Quelle der Zukunft einer jeden Nation. Ist es denn nicht Aufgabe der Kirche, alles zu tun, was möglich ist, damit die Institution Ehe als gottgewollte Ordnung und als tragendes Fundament der bürgerüchen Eintracht erhalten bleibt? Darum tut Ihr gut daran, oft in Erinnerung zu rufen, daß Ungarn nur dann eine Zukunft hat, wenn die Familien eures geliebten Vaterlandes sich in den Dienst des Lebens stellen. In diesem Jahr hat die katholische Schule in Ungarn tausend Jahre vollendet. Wie viele Generationen sind in der Schule des Evangeliums herangebildet worden! Das ist ein Erbteil, das erhalten bleiben muß. Erzieht vor allem die Jugendlichen zur Achtung vor diesem ruhmvollen Erbe. Es bildet das solideste Fundament für den Aufbau jenes „gemeinsamen Hauses Europa“, das heute so viele herbeiwünschen. Die Schulen, die Eure Kinder im Zeichen des Evangeliums aufs Leben vorbereiten, sichern Ungarn einen Platz im dritten Jahrtausend, und dieses Land wird von neuem ein blumengeschmückter Garten, ein Land der Heiligen werden. 6. Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, ein besorgniserregendes Symptom unserer Zeit besteht darin, daß viele Menschen das Empfinden für Schuld und Sünde verloren haben. Wenn der Mensch seine Sündhaftigkeit nicht mehr erkennt, dann ist er auch nicht mehr fähig, Vergebung zu erlangen und Versöhnung zu empfangen. Es ist die Gefahr unserer Tage, daß der Mensch, der sich selbst an die Stelle Gottes setzt, von sich aus entscheiden will, was gut und was böse ist. Hier erhebt sich wieder die alte Auflehnung. Ihr gegenüber muß unsere Haltung als Hirten barmherzig und fest sein, stets der Worte Christi eingedenk: ,Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten“ (Lk 5,31-32). Ein großes Maß an Geduld und Ausdauer ist notwendig. Wir müssen die Herzen durch wohlwollende Aufnahme und Verständnis bereit machen, sich dem Wirken der Gnade zu öffnen, die zur Umkehr einlädt. Wenn es wahr ist, daß die Reue eine persönliche Initiative ist, zu der man niemand delegieren kann, so ist doch auch die Hilfe unbestreitbar, die in dieser Hinsicht vom brüderlichen Wort, vom Beispiel und vom Gebet ausgehen kann. 347 REISEN Unser Herz muß daher bereit sein, alle als Brüder und Schwestern anzunehmen, auch jene, die die religiöse Praxis aufgegeben haben und momentan noch nicht zur Reue bereit sind. Die Verurteilung der Sünde und der Untreue geht in gleichem Schritt mit dem Verständnis gegenüber dem Irrenden und dem Sünder. 7. Im entschiedenen Festhalten an diesen Grundsätzen der Lehre und der Moral könnt Ihr dazu beitragen, das christliche Erbe der ungarischen Nation zu bewahren und zu entfalten. Die in mehr als tausend Jahren Geschichte angehäuften Werte stellen ein Gut dar, das die Ungarn als erste verwalten müssen. Wenn sie sich nicht dafür einsetzen, wer wird es für sie tun? Andere tun es nicht für sie. Ihr, die Ihr als Bürger der Nation zugehört und als Nachfolger der Apostel dem Gottesvolk vorsteht, habt in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung. Fördert in besonderer Weise die Verehrung Eurer Heiligen. In ihnen ist das Beste Eurer tausendjährigen Geschichte zusammengefaßt. Ihr Beispiel muß den neuen Generationen wieder vorgestellt werden. Die echte Heiligkeit kommt nie aus der Mode. Im Leben der ungarischen Heiligen kann man den unerschrockenen Glauben und die apostolische Kühnheit, den Adel der Gesinnung und die Demut des Herzens, den Geist der Buße und den Dienst an den Armen, den Kranken und den Geringsten bewundern. Unter ihnen gibt es Vertreter aller sozialen Schichten, die es verstanden haben, in jeder Situation, auch in der des letzten Opfers, Zeugen Christi zu sein. 8. Bemüht Euch auch Eurerseits, Eure Lehre mit der Folgerichtigkeit des Lebens zu bekräftigen. So werdet Ihr jeden Getauften daran erinnern, daß die Berufung zur Heiligkeit an alle insgesamt ergeht. „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2). Bekannt sind die Worte des Herrn: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48). Was der Völkerapostel an Timotheus schreibt, gilt für alle Bischöfe:„Du aber, ein Mann Gottes ... , strebe unermüdlich nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut... (wofür) du vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis abgelegt hast“ (1 Tim 6,11-12). „Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit ... Vernachlässige die Gnade nicht, die in dir ist und die dir verliehen wurde, als dir die Ältesten gemeinsam die Hände auflegten“ (1 Tim 4,12-15). So könnt Ihr wirksam Euer Apostolat ausüben, den lichtvollen Hinweisen des Konzilsdekretes Christus Dominus über den Hirtendienst der Bischöfe in der Kirche folgend. 9. Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, ich möchte noch ein Wort hinzufügen. Im Jahre 1993 wurden die Diözesen Eures Landes neu strukturiert. Dieser aufgrund pastoraler Erfordernisse notwendig gewordene Schritt darf auf keinen Fall die Gemeinschaft zwischen allen Gläubigen schwächen. Sie sollen vielmehr unter der Sorge des Bischofs zum Geist wahrer „communio“ finden und ihn aufrechterhalten, zutiefst ihre Zugehörigkeit zum Mystischen Leib Christi spüren und als deren 348 REISEN Folge die Verantwortung, die die einen mit den andern verbindet (vgl. Christus Dominus, Nm. 16, 22, 23). Die Erfahrung dieser Jahre hat im übrigen auch die Wichtigkeit einer organischen und koordinierten Pastoral erkennen lassen. Gerade von diesem Gesichtspunkt her rechtfertigt sich voll und ganz die Rolle der Bischofskonferenzen. Setzt Euch deshalb dafür ein, zusammen die Pastoralfragen in Angriff zu nehmen, die auf nationaler Ebene wichtig sind, um sie im einzelnen zu analysieren und einhellig Beschlüsse zu fassen, wie es das Dekret Christus Dominus (vgl. Nr. 37) und die betreffenden kanonischen Normen darlegen. In Eurem Land sind die Christgläubigen, die anderen christlichen Konfessionen angehören, zahlreich. Mein verehrter Vorgänger Papst Johannes XXITL pflegte zu sagen: Wir müssen das suchen, was uns eint, und nicht das, was uns trennt. Nie möge in Euch die Sehnsucht nach der vollen Einheit der Christen nachlassen. Der einmütige Einsatz der Kirchen und der christlichen Gemeinschaften wird Eurer ganzen Nation zum Wohl gereichen. Der Herr stehe Euch bei und bestärke Euch in Eurem ökumenischen Eifer und leite Euch in jeder Initiative, die Ihr mit allen Menschen guten Willens unternehmt, um den Frieden zu erhalten und zu fördern. Das Gedenken an Eure Mitbrüder, die in Jahrzehnten der Prüfung gelitten haben, um den Glauben zu verteidigen und die Verständigung unter den Bürgern zu erreichen, ist für Euch ein Grund zu berechtigtem Stolz, und es möge auch zu einer Quelle der Inspiration und der Orientierung für die unter den neuen Umständen zu treffenden Entscheidungen werden. 10. Ich möchte schließen, indem ich Euch, verehrte und liebe Brüder im Bischofsamt, einlade, zusammen mit mir all Euer Vertrauen in die Heilige Jungfrau, die „Magna Domina Hungarorum“, zu setzen. So, wie es schon der erste hl. König Stephan tat, der die Zukunft seines Volkes unter den Schutz der Muttergottes stellte, möchte auch ich heute mit Euch den Akt gemeinsamen Anvertrauens an ihr Makelloses Herz erneuern. Maria sei stets die Hoffnung eures Landes, und unter ihrem Schutz möge Ungarn mit all seinen Söhnen und Töchtern leben und voranschreiten. Diese Wünsche bekräftige ich mit einem besonderen Apostolischen Segen. Damit Hoffnung zum Durchbruch kommt Ansprache beim Treffen mit Vertretern der Diözese Györ am 7. September Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Priester, Ordensleute und Gläubige der Diözese Györ! 1. Ich freue mich über dieses Treffen mit Euch am heutigen Fest der drei heiligen Märtyrer von Kassa und in dieser Kathedrale, die Ihr alle sehr hebt, nicht nur wegen des Gnadenbildes der Gottesmutter, sondern auch wegen der hier verehrten 349 REISEN Reliquie des hl. Königs Ladislaus und der Grabstätte des Dieners Gottes Bischof Vilmos Apor, der auf den Spuren des Guten Hirten vor etwa fünfzig Jahren sein Leben hingab zur Verteidigung der ihm Anvertrauten. Ich danke Bischof Lajos Päpai für seine an mich gerichteten Worte, und mit ihm grüße ich die anwesenden ungarischen Bischöfe. Allen und jedem meinen liebevollen und dankbaren Gruß. Im Lauf dieses Jahrhunderts war die ungarische Nation einige Jahrzehnte lang großen Prüfungen unterworfen, zuerst wegen der nationalsozialistischen Diktatur und dann durch den sowjetischen Imperialismus. Nach der Aufhebung des Rechtsstaates und der ihm entsprechenden Garantien stellten sich beide hartnäckig gegen die Kirche, die sie als Hauptfeind betrachteten. Das ging bis zur Auflösung der kirchlichen Verbände und Vereinigungen, der Verstaatlichung der katholischen Schulen und der gewaltsamen Unterdrückung der christlich ausgerichteten Presse. Auf diese Weise wurde die Kirche aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen, und die Gläubigen wurden zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Viele von Euch sind unmittelbare Zeugen dieser schlimmen Ereignisse. Sie haben Gefängnis und vielerlei Unterdrückung erleiden müssen. Die gegen die Kirche gerichtete Verfolgung betraf auch den Bereich der Glaubenserziehung: Der Religionsunterricht, der offiziell zwar wahlfrei war, wurde in der Praxis durch Einschüchterungen und Schikanen aller Art behindert, mit dem Erfolg, daß ganze Generationen von Ungarn nichts über die Wahrheiten der Offenbarung erfuhren. Dazu kam in neuerer Zeit das verderbliche Wirken eines um sich greifenden praktischen Materialismus und eines betonten Säkularismus, die beide die religiöse Praxis noch mehr hemmten. Aber dank der Priester und Gläubigen, die, wie Bischof Apor, mutig den Glauben an Christus zu bezeugen wußten und Verfolgung, Gefängnis, Verlust ihrer Arbeitsstelle und Ausgrenzung aus dem sozialen und politischen Leben ertrugen, blieb die Kirche weiterhin wie eine Handvoll Sauerteig in der oft gleichgültigen oder feindseligen Masse gegenwärtig. In dieser schwierigen Umgebung waren es vor allem die gläubigen Familien, wo der Glaube weitergegeben wurde und wo Christen heranwachsen und sogar Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben sich entfalten konnten. 2. Trotz einiger verheißungsvoller Anzeichen der Neubelebung, die schon in den Jahren vor 1989 auf dem Gebiet der Katechese und der Ausbildung der Katecheten erkennbar waren, fanden sich die Christen eher unvorbereitet gegenüber den neuen Möglichkeiten, die sich durch den Fall der kommunistischen Diktatur eröff-neten. Bemerkenswert war daher in diesen letzten Jahren - allerdings unter enormen Schwierigkeiten - der Einsatz für die Neuorganisierung des kirchlichen Lebens: Die Orden und religiösen Kongregationen haben mit neuem Schwung ihr Gemeinschaftsleben wieder aufgenommen; neue katholische Bildungszentren wurden gegründet; Konvikte für Studenten an höheren Bildungsanstalten und an Universitäten wurden eröffnet; parallel dazu entwickelt sich die katholische Uni- 350 REISEN versität und die Präsenz der Kirche innerhalb der höheren pädagogischen Bildungsanstalten. Ebenso wurde die Caritas auf diözesaner und nationaler Ebene neu organisiert; die kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, vor allem die Union der christlichen Intellektuellen, haben hier in Györ und in anderen Städten ihre Tätigkeiten wieder aufgenommen. Vielversprechende Erfolge kündigen sich auch in der Seminaraus-bildung an, die nach den Weisungen des Konzils passend erneuert wurde, und in der Berufungspastoral, dank der die Zahl der Jugendlichen in den Seminaren und Ordensinstituten einen gewissen Anstieg zeigt. 3. Neben diesen positiven Ergebnissen fehlt es aber auch nicht an Enttäuschungen: Es ist bedrückend, wie langsam es geht mit der Wiederaufnahme der religiösen Praxis; bedauerlich sind die Schwierigkeiten bezüglich der Rückgabe der schulischen Einrichtungen, die der Kirche gehören, und das nicht immer positive Wirken der Medien, die oft ein weit vom Evangelium entferntes Menschenbild und Gesellschaftsmodell anbieten. Aber statt zur Resignation zu verleiten sollen diese Tatsachen für die Gläubigen ein Antrieb sein, ihre Bemühungen zu verstärken. Allen sind die sozialen Probleme zur Genüge bekannt, mit denen sich Euer Land heute messen muß: die weiterbestehende Arbeitslosigkeit, die allgemeine Unsicherheit, der verbreitete Laxismus, die Ausschreitungen des ungezähmten Kapitalismus mit den daraus sich ergebenden Erscheinungen moralischer Verwilderung. Laßt es nicht zu, daß Solidarität und Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem Nächsten durch Individualismus und Egoismus zunichte gemacht werden! In einer Gesellschaft, die dazu neigt, solche Werte in Vergessenheit geraten zu lassen, sind die Christen berufen, den Sinn für das Gemeinwohl zu fördern, im Gegensatz zu denen, die, an die Verfolgung der eigenen Interessen versklavt, das Leiden der Armen und die Pflicht, eine gerechte und gastfreundliche Gesellschaft zu schaffen, vergessen. Beständig müssen wirtschaftlicher Aufstieg und soziale Solidarität, Freiheit und Dienstbereitschaft, die Rechte des einzelnen und das Wohl aller Hand in Hand gehen. 4. Der Einsatz für eine erneuerte Verkündigung des Evangeliums in der ungarischen Gesellschaft erfordert als erstrangige Zielsetzung die Wiederentdeckung Jesu Christi, des Gottessohnes, und die volle Zustimmung zu seiner Wahrheit, denn „in Christus ist die Religion nicht mehr ein Tastendes Suchen1 (vgl. Apg El ,21), sondern Glaubensantwort an Gott, der sich offenbart“ (Tertio millen-nio adveniente, Nr. 6). Aus dieser unbedingten Treue zum Evangelium geht die Sendung der Kirche hervor, die, obschon sie zu einer nur auf weltliche Interessen bedachten Mentalität im Gegensatz steht (vgl. Joh 17,14), in der Welt lebt als „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Am Vorabend des Gedächtnisses der zweitausend Jahre, die seit der 351 REISEN Menschwerdung des Sohnes Gottes vergangen sind, habe ich alle Christen zu einer tiefen geistlichen Erneuerung und einer verantwortungsbewußten Gewissensprüfung aufgefordert, um mit Eifer den Eintritt ins dritte christliche Jahrtausend vorzubereiten. Auch an Eure Diözesangemeinschaft richte ich heute diese dringende Aufforderung: Öffnet entschlossen euren Geist und euer Herz für Jesus Christus! Er „ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). In Ihm, nicht in der utilitaristischen und materialistischen Mentalität der heutigen Welt, ist das Heil für die Menschheit! In keinem anderen „Evangelium“ gibt es Hoffnung auf eine menschenwürdige Zukunft! Ein neuer apostolischer Eifer soll die Christen unumgänglich dazu bringen, sich Fragen zu stellen über die Gründe der religiösen Gleichgültigkeit und des moralischen Relativismus: über die Versäumnisse im Bezeugen des Glaubens, über Inkonsequenz und Untreue, über die nachgiebige Haltung hinsichtlich der Abtreibung und der anderen Verbrechen gegen das werdende Leben, „verabscheuungswürdige Verbrechen“ (Gaudium et spes, Nr. 51), die das kirchliche Lehramt stets verurteilt hap. Zugleich aber darf die Betrachtung der Schatten nicht die zahllosen positiven Zeugnisse der Gläubigen aller Zeiten vergessen lassen. Der am 5. Juni 1996 herausgegebene Hirtenbrief Eurer Bischöfe lädt dazu ein, einige Gipfelhöhen dieser Geschichte des Glaubens und des Lichtes zu erforschen, die der Herr trotz der Sünden der Menschen auch in Eurem Land geschrieben hat: das Zeugnis der christlichen Familien, die Diskriminierung ertragen, aber nicht ihren Glauben verleugnet haben; sie haben ihre Kinder im Glauben an Christus erzogen, auch um den Preis großer Opfer; das Beispiel mutiger Standhaftigkeit, das Bischöfe, Priester und Ordensleute gegeben haben, die den Preis unsagbarer Leiden und auch des Lebens zu zahlen wußten, um nicht von ihrer Pflicht abzulassen. Gestalten wie die des Kardinals Jozsef Mindszenty und des Bischofs Vilmos Apor sprechen beredt zum Herzen jedes Ungarn. 5. Meine Lieben, die Stunde ist da, die Kräfte mit neuer Hochherzigkeit zu vereinen! Vor allem zu Euch, Ihr Priester der Diözese Györ, sage ich es. Die volle Gemeinschaft mit Eurem Bischof, ein intensives geistliches Leben und der selbstlose Dienst seien die Angelpunkte eures Priesterlebens! Überwindet die in der Zeit der Verfolgung aufgekommenen Schwierigkeiten, und dankt dem Herrn, daß Ihr in jenen schweren Stunden Eurer Berufung treu bleiben konntet. Der Papst ist hier, um Eure Standhaftigkeit und Euer Leiden anzuerkennen. Ich wünsche Euch, daß sich in der wiedererlangten Atmosphäre der Freiheit in Euch immer mehr der Eifer und die Freude entfalten, zu einem unersetzbaren Dienst für das Leben der Brüder berufen zu sein. Ich möchte wünschen, die begeisterte Hochherzigkeit eines jeden rege viele junge Menschen dazu an, mit Freude die Berufung zum Priestertum zu entdecken und anzunehmen. 352 REISEN Euch Ordensmännem und Ordensfrauen, die Ihr in der kurz zurückliegenden Vergangenheit schweigend eine harte Verfolgung durchgestanden habt und nun mit nicht geringen Schwierigkeiten dabei seid, das Gemeinschaftsleben in Ungarn wieder erstehen zu lassen, bringe ich lebhafte Wertschätzung zum Ausdruck. Ich fordere Euch auf, auf Den zu vertrauen, der treu ist, und Euer Leben, das dem Evangelium gewidmet ist, nach den Euch eigenen Charismen in den Dienst der Neuevangelisierung zu stellen. Euch, Seminaristen, ermahne ich, unaufhörlich Gott für das außerordentliche Geschenk der Berufung zu danken. Berufen, die Priester des dritten Jahrtausends zu sein, gebt Euch rückhaltlos hin an den Dienst Christi und seiner Kirche. Folgt dem Beispiel der Heiligen, und steht mit Freude zum Zölibat, um im Gehorsam und in der vollen kirchlichen Gemeinschaft „allen alles“ zu werden. 6. Die Katecheten und die an katholischen Schulen Lehrenden mögen sich zu einem echten kirchlichen Dienst berufen wissen und großmütig ihre Energien ein-setzen zum Bereiten der „lebendigen Steine“ für den Aufbau der Kirche des neuen christlichen Jahrtausends. Die katholischen Familien, „Hauskirchen“, eingefügt in die größeren Gemeinschaft der Pfarrei, seien Schulen der Liebe, der Treue und der Selbstlosigkeit und mögen die Kinder als einen Segen des Herrn annehmen. Sie sollen den jungen Menschen konkret Zeugnis geben von der Schönheit eines im Licht des Evangeliums gelebten Ehelebens. Zu diesem Zweck wünsche ich, die Evangelisierung der Familien und die Vorbereitung der Brautleute auf das Ehesakrament mögen grundlegende Elemente in der gesamten Pastoral der Diözese sein. Die Pastoralräte und die katholischen Organisationen sollen tragende Strukturen der Pfarrei sein. In voller Gemeinschaft mit den Hirten und in aufmerksamem Hören auf das Wort Gottes mögen sie „täglich im missionarischen Geist und Eifer, in missionarischer Einsatzbereitschaft und Ausstrahlungskraft wachsen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 58). Auf diese Weise werden sie einen Bezugspunkt für die Erwachsenen bilden können, die sich für das Evangelium und für die Kirche interessieren, obschon sie sich in ihrer Jugend nicht einer angemessenen Erziehung zum Glauben haben erfreuen können. Einen besonderen Gruß richte ich an die Kranken und bitte sie, Hauptmitwirkende für das Heil der Brüder zu werden. Ihr Kreuz, verbunden mit dem Kreuz Christi, kann für sie selbst und für viele zur Quelle des Lebens und der Hoffnung werden. Die Sorge für die Armen, die Notleidenden und die Ausgegrenzten, denen sich -wenn auch unter mancherlei Schwierigkeiten — die Diözesan- und die Pfarrcaritas, der ungarische Malteserorden, die Kolping-Vereinigungen und andere verdienstvolle Gruppen widmen, sind das konkrete Zeichen für den Anbruch der Kultur der Liebe, die die Christen auf ungarischer Erde errichten wollen. 353 REISEN 7. Die Vielfalt der zu lösenden Aufgaben macht den überzeugten und verantwortungsbewußten Einsatz der Laien notwendig. Von dem Gedanken geleitet, daß in der Evangelisierung die ausgedehnte und komplizierte Welt der Politik, der sozialen Wirklichkeiten, der Wirtschaft, der sozialen Kommunikationsmittel, der Wissenschaften und Künste und des internationalen Lebens das besondere Betätigungsfeld der Laien ist, bittet die Kirche sie, die ihnen zukommenden Verantwortlichkeiten zu übernehmen. Angesichts der neuen Möglichkeiten zur Teilnahme am öffentlichen Leben wird ihre Aufgabe immer dringender. In diesem Umfeld wird die christliche Laienschaft, erfüllt von der Überzeugung, daß das Wachsen des Gottesreiches ein Geschenk und zugleich eine Aufgabe ist, jede Form von Integralismus vermeiden und eine Haltung des Dialogs und des Dienstes annehmen, in voller Achtung vor der Würde jeder Person, die stets das Ziel alles sozialen Handelns bleibt. 8. Liebe Brüder und Schwestern! Der einzigartige Schatz des christlichen Glaubens, dem nach der Aufforderung des Evangeliums alles andere unterzuordnen ist (vgl. Mt 13,44), verpflichtet Euch, in der Gesellschaft ein Ferment zu sein, damit Hoffnung zum Durchbruch kommt. Christus, der Erlöser, der Mittelpunkt Eures Lebens, ist bei Euch! Die „Magna Domina Hungarorum“, die Muttergottes von Györ, der hl. König Ladislaus, die Märtyrer von Kassa und alle ungarischen Heiligen mögen Euch beistehen. Das Beispiel des mutigen Dieners Gottes Bischof Vilmos Apor ermutige Euch in eurem apostolischen Einsatz. Allen meinen Segen! Amen! Den Herausforderungen der Zeit im Glauben begegnen Ansprache bei der Abschiedszeremonie am 7. September Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Bürger Ungarns! 1. Nun da mein Pastoralbesuch zu Ende geht, empfinde ich das Bedürfnis, Euch allen erneut meine Gefühle tiefer Dankbarkeit auszudrücken. Ich bin mit großer Freude nach Ungarn gekommen, um an den Jubiläumsfeierlichkeiten in der Erzabtei von Pannonhalma teilzunehmen und um Györ zu besuchen, eine Stadt mit reicher Geschichte und eine Diözese, die auf den hl. König Stephan zurückgeht. Der neuerliche Kontakt zum ungarischen Volk hat mich in meiner Hochachtung für diese Nation bestärkt, denn in den großen geistigen und bürgerlichen Traditionen der Vergangenheit liegt das Geheimnis ihres gegenwärtigen Aufschwungs begründet. Ihr habt mir die Hoffnungen und Sorgen mitgeteilt, die den jetzigen Abschnitt Eurer Geschichte begleiten. Ich trete nun die Rückreise an und nehme da- 354 REISEN bei das lebendige Bild eines Volkes mit, das mit Entschlossenheit danach strebt, eine Zukunft der Gerechtigkeit und des Friedens für alle aufzubauen. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für Ihre überaus freundliche Aufnahme; ich danke Ihnen dafür, daß Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, eine, wenn auch nur kurze Strecke mit dem geliebten ungarischen Volk auf seinem Weg der Erneuerung zurückzulegen, der von großem Einsatz und Mut gezeichnet ist. Im Laufe der letzten zwei Tage konnte ich auch die Verantwortlichen der Zivilbehörden des Landes treffen. Es war mir außerdem gegeben, viele Glaubensbrüder wiederzusehen: Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Mitglieder der Säkularinstitute und gläubige Laien. Nun möchte ich zum Abschied einen dankbaren Graß an alle richten: an die Ungarn, die in ihrem Vaterland leben, und an jene, die im Ausland sind, an die Minderheiten im Land und an die Flüchtlinge, an alle Einwohner dieser Nation im Herzen Europas. Dank an all jene, die an meinem Besuch beteiligt waren, an jene, die ihn vorbereitet haben, und an jene, die seinen friedlichen und ruhigen Verlauf sichergestellt haben. 2. Ich mache mich auf den Rückweg in dem Bewußtsein, einem großherzigen Volk begegnet zu sein, in dessen Geschichte - das kann man auf die Vergangenheit zurückblickend wohl sagen - sich die Geschichte Europas widerspiegelt. Ungarn erlebt heute eine Periode besonderen Bürgereinsatzes auf der Suche nach einem echten sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt. Bei dieser schwierigen Aufgabe schaut Ungarn vertrauensvoll auf Europa als das große gemeinsame Haus, in dem jedes Volk den speziellen Reichtum, der es kennzeichnet, zum Ausdruck bringen können muß. Damit dies auch wirklich geschieht, ist es notwendig, daß das Zusammenleben der verschiedenen Nationen immer auf solide Fundamente des Rechts, der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Zusammenarbeit gegründet wird. Ich richte einen besonderen Gedanken an die Jugendlichen, mit denen ich diesmal kein gesondertes Treffen haben konnte. Trotzdem habe ich mit Freude bemerkt, daß sie zahlreich an den verschiedenen Feierlichkeiten teilgenommen haben. Ihr lieben ungarischen Jugendlichen! Der Zweite Weltkrieg und ein großer Teil der darauffolgenden Diktatur sind für Euch nur Episoden der Geschichte, von denen Ihr keine direkte Erfahrung habt. Ihr seid die erste Generation nach den tiefgreifenden sozialen Umwälzungen der Jahre 1989/90. Unterlaßt es nicht, Euch über das zu informieren, was sich in diesem Jahrhundert, das nun zu Ende geht, ereignet hat. Informiert Euch und denkt darüber nach, damit die Fehler und Leiden derer, die vor Euch gelebt haben, zu einer aufschlußreichen Lehre für Euch werden. Das dritte Jahrtausend, das schon vor den Toren steht, beginnt mit Euch. Ihr seid die Hoffnung Eurer Nation, und Ihr habt deshalb die Aufgabe, ihre Geschichte durch eine neue Vitalität zu prägen. Ihr habt gewiß kein leichtes Erbe! Aber mit der Hilfe Gottes werdet Ihr in der Lage sein, es auf Euch zu nehmen. Verliert nicht den Mut und folgt dem Weg der Wahrheit und des Glaubens. Nehmt die Euch gebotene Herausforderung an. Werdet selbst zu Erbauern einer neuen Welt, die auf 355 REISEN die Grandlage jener Werte aufbaut, die auch die Taten des hl. Königs Stephan inspirierten. Ihr könnt sicher sein, daß Gott, der Herr der Geschichte, Euch bei der Erfüllung eures Auftrags zum Wohle aller helfen wird. 3. Sehr geehrter Herr Präsident! Der Augenblick des Abschieds ist nun gekommen. Ich danke Ihnen noch einmal für die Herzlichkeit, mit der ich zunächst empfangen und dann in den - leider allzu kurzen - Stunden meines Aufenthalts in diesem Lande begleitet worden bin. Ich kehre nun zurück nach Rom, in die Stadt, mit der die Geschichte des ungarischen Volkes sehr eng verbunden ist. Schon in ältester Zeit war Rom ein begehrtes Ziel für viele Pilger aus dieser Gegend. In Rom baute der hl. Stephan das erste Haus für die ungarischen Wallfahrer. In Erinnerung an diese Bande des Glaubens und der Nächstenliebe bin ich zu Euch gekommen, als ein Pilger des Friedens und der Hoffnung. Möge mein Besuch jeden Gläubigen in seiner großherzigen Zustimmung zum Evangelium und zur Kirche bestärken, damit das Licht der Wahrheit und der Liebe Christi in jeder Ecke der Welt leuchte. Dies habe ich dir, der katholischen Gemeinschaft von Ungarn, wiederholen wollen, und ich richte einen letzten, herzlichen Graß an dich. Liebe Gläubige, mit Freude habe ich Euer Stehen zur Kirche und euren Einsatz für das Wohl des Landes bemerken können. Ich danke besonders Ihnen, Herr Kardinal, und dem Bischof von Györ, dem Erzabt von Pannonhalma und der ganzen Bischofskonferenz für die Einladung und die brüderliche Gastfreundschaft. Während ich nun auf alle den Segen Gottes herabrufe, wünsche ich von Herzen Eurem Vaterland und jedem Ungarn, in Frieden zu leben und zusammen jenes Glück zu erreichen, das jedes menschliche Wesen so sehnlich sucht. Gott segne dieses Land und seine Bewohner! 356 REISEN 9. Pastoraireise nach Frankreich (19. bis 22. September) Als Pilger aus Rom in Frankreich Ansprache beim Treffen mit dem Präsidenten der Französischen Republik, Jacques Chirac, in Tours am 19. September Sehr geehrter Herr Präsident! 1. Ich danke Ihnen für Ihren Empfang und Ihre Willkommensgrüße. Ich freue mich über dieses neuerliche Treffen mit demjenigen, der die Geschicke dieses Landes leitet. Ich möchte die Persönlichkeiten begrüßen, die Sie hierher begleitet haben, und generell alle, die sich verantwortlich im öffentlichen Leben für die ganze Nation einsetzen, sowie die verschiedenen Mitarbeiter, die zur Vorbereitung meines Besuchs beigetragen haben. Bei meiner Ankunft möchte ich an alle Ihre Mitbürger einen sehr herzlichen Gruß richten. 2. Ich komme als Pilger hierher, um den Katholiken Frankreichs zu begegnen und um mich an wichtigen Orten der Religionsgeschichte dieses Landes und ganz Europas ihrem Gebet anzuschließen, damit sie in ihrem christlichen Glauben und Leben bestärkt werden. Im Laufe der verschiedenen Etappen werde ich sie zusammen mit ihren Landsleuten deshalb auffordem, das besser in die Tat umzusetzen, was die Kirche einigen ihrer Vorfahren verdankt, deren Andenken in der Vendee und der Bretagne, in Tours und Reims noch sehr lebendig ist. Ich werde mich zuerst nach Saint-Laurent-sur-Sevre begeben, zum Grab des hl. Louis-Marie Grignion de Montfort, um dort zu beten mit den religiösen Gemeinschaften, die ein öffentliches Zeugnis für ihre Praxis der Gelübde der Armut, der Keuschheit und der Gehorsamkeit ablegen. Auch werde ich die Katholiken der Vendee treffen. Danach werde ich nach Sainte-Anne d’Au-ray fahren zu einer Begegnung mit den Pilgern und Christen aus dem Westen Frankreichs und um die Familien zu treffen, die die Kraft und Hoffnung einer Nation sind. Wie ich schon in meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente sagte (vgl. Nr. 17), stelle ich mich in die Perspektive des Großen Jubeljahrs, in dessen Verlauf alle Jünger Christi zu einem Prozeß der Bekehrung der Herzen aufgefordert sind. 3. Ich vergesse nicht, daß die französische Gesellschaft vielen Herausforderungen gegenübersteht, wie z. B. der Wirtschaftskrise, die im übrigen alle Kontinente erfaßt hat. Meine Gedanken wenden sich zuerst an jene, die Prüfungen durch machen, insbesondere an die Menschen, die krank sind oder in Situationen der Armut, der Ausgrenzung oder Unsicherheit leben müssen. Unser Herz wird keine Ruhe finden können, solange sich diese Menschen mit solch schwierigen Lebenslagen herumschlagen müssen, die schwer auf ihnen lasten. Unser Herz kann keine 357 REISEN Ruhe finden, solange wir nicht alles getan haben, um den vom Leben Verletzten, die nicht aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden dürfen, unseren Beistand zu sichern und um ihnen eine hilfsbereite Hand zu reichen, so wie es der hl. Martin getan hat, dem ich während des dritten Abschnitts meiner Reise die Ehre erweisen werde. Der hl. Bischof von Tours erinnert uns daran, daß die grundsätzliche Einstellung eines jeden Menschen von Feinfühligkeit und Respekt, von Anteilnahme und Mitleid gegenüber jedem einzelnen seiner Brüder im Menschengeschlecht geprägt sein muß. In dieser Hinsicht möchte ich den Franzosen meine Hochachtung aussprechen, denn sie führen eine uralte Tradition der Solidarität und Brüderlichkeit fort. Ich schätze die Unterstützung Eurer Mitbürger zugunsten der Entwicklungsländer, die ja von Prüfungen wahrlich nicht verschont werden. Die Aufmerksamkeit gegenüber diesen Ländern muß mit neuen Verhaltensweisen von seiten der westlichen Staaten gepaart sein, bei denen die Güter, die in Ländern mit benachteiligteren Völkergruppen hergestellt werden, nicht nur zum eigenen Nutzen verbraucht werden. Die reicheren Staaten unseres Planeten tragen die spezifische Verantwortung, alles zu tun, damit die ärmeren Länder zu den Hauptbegünstigten ihrer eigenen Ressourcen und der Früchte ihrer Wirtschaft werden. Sie, Herr Präsident, haben bei einer ihrer letzten Reisen nach Afrika zu Recht auf diesen Umstand hingewiesen. 4. Die katholische Gemeinschaft in Frankreich hat eine reiche Geschichte aufzuweisen. Indem sie ihre geistigen Wurzeln wiederfinden, werden die Gläubigen und die Hirten in ihrem Glauben und ihrer Sendung gefestigt; so führen sie den Dialog mit allen Trägem der Nation unermüdlich weiter, besonders mit den Mitgliedern der anderen christlichen Konfessionen, sowie der jüdischen und der muslimischen Religionsgemeinschaft. Für die Christen lädt die willige Aufnahme des Wortes Gottes zu einer Einstellung der Achtung aller Menschen ein. Auf der Suche nach der Wahrheit möchten sie zu all ihren im gleichen Lande lebenden Brüdern, was immer ihre Überzeugungen auch sein mögen, freundliche und konstruktive Beziehungen aufbauen. Im Laufe meiner Reise werde ich in Reims an die Gestalten der hl. Remigius, Clothilde* und Chlodwig erinnern. Letzterer hat durch seine Konversion zum katholischen Glauben - auf seine Weise und gemäß der Vorstellungen seiner Zeit -verschiedene Völker zum Aufbau einer einzigen Nation führen können. Es trifft sich deshalb besonders gut, daß Frankreich durch Bürgerinitiativen, Kulturereignisse und religiöse Feiern eines der bezeichnendsten Momente seiner Ursprünge gedenken möchte, ohne Verwirrung und abhängig von seinen Empfindungen und Anschauungen, bei gleichzeitiger Achtung der verschiedenen Kompetenzen und Motiviemngen. Es macht Frankreich Ehre, wenn die berechtigten Meinungsunterschiede aus dem Wege geräumt werden, um daran zu erinnern, daß die Taufe Chlodwigs zu den Ereignissen gehört, die dem Land seine Gestalt gegeben haben. Es ist gut, daß die Bürger eines Landes sich auf ihre Geschichte bezie- 358 REISEN hen können, indem sie die Werte hervorheben, die ihre Vorfahren gelebt haben und die sowohl eine Grundlage für ihr gegenwärtiges Leben als auch ein Wegweiser für ihre Zukunft sind. 5. Für die Katholiken ist das Engagement in der bürgerlichen Gesellschaft eine Haltung der Hoffnung, eine Umsetzung ihres persönlichen Glaubens, ein Dienst am Menschen und eine Teilnahme an der brüderlichen Gemeinschaft zwischen Personen, die auf der Liebe gründet. Deshalb beteiligen sie sich natürlich am öffentlichen Leben und übernehmen ihre legitime Verantwortung als Bürger, indem sie sich für die politische Freiheit einsetzen, den Frieden fördern und jedem dabei helfen, „ein wirklich menschliches Leben“ zu führen, wie es der französische Philosoph Jacques Maritain ausgedrückt hat (in: L’homme et l’Etat, S. 57). Dem Evangelium und dem Vorbild Christi treu, sind die Christen an der Seite ihrer Mitbürger vollberechtigte Partner im Leben der Stadt, und sie versuchen, selbstlos und großherzig zu handeln. Die Nächstenliebe, die Gerechtigkeit und der Sinn für die anderen sind Ursprung, Anregung und belebende Energie ihres Einsatzes. Genau deshalb weiß die Kirche, daß sie mit einer spirituellen Sendung betraut ist, die sie dazu verpflichtet, unter anderem an die Werte zu erinnern, die den Grundstein zum Sozialleben, zur Berufung des Menschen und zum transzendenten Wesen des Individuums legen, dessen Würde unter allen Umständen anerkannt werden muß. Auch fordert sie alle Bürger auf, zusammen eine menschenfreundliche Gesellschaft aufzubauen, wo ein jeder seine Art der Mitwirkung frei wählen kann und das Gemeinwohl geachtet wird (vgl. Centesimus annus, Nr. 43). 6. Frankreich, eine der ältesten Nationen dieses Kontinents, muß innerhalb der Nationenfamilie eine wichtige Rolle spielen, vor allem im Rahmen des Aufbaus der europäischen Staatengemeinschaft. Die Einheit und die Solidarität zwischen den Staaten sind notwendig, damit der Frieden über den Krieg siegt, damit jeder Mensch seinen rechtmäßigen Platz bekommt und damit alle Völker als lebendige, kulturelle und geistige Realitäten anerkannt werden. Bei meiner Ankunft auf französischer Erde anläßlich eines Pastoralbesuchs möchte ich Ihnen noch einmal sagen, Herr Präsident, wie dankbar ich Ihnen für Ihren Empfang bin. Ich spreche Ihnen meine besten Wünsche für Sie selbst, Ihre Familie und Ihre Landsleute aus. Auf alle rufe ich den Segen Gottes herab. 359 REISEN Gott nicht abschlagen, was ihm gehört Graßwort bei der Begegnung mit der Bevölkerung von Saint-Laurent-sur-Sevre und den Jugendlichen der Schulen und Gymnasien am 19. September Liebe Freunde aus Saint-Laurent-sur-Sevre und aus der Diözese Lucon, liebe Jugendliche! 1. Ich danke Euch dafür, daß Ihr gekommen seid, mich auf dem Weg meiner Pilgerfahrt zum Grab des hl. Louis-Marie Grignion de Montfort zu empfangen. Ich freue mich, Euch hier begrüßen zu können, Euch, die Ihr in der Vendee geboren seid, Euch, die Ihr das kostbare Andenken an tragische und zugleich schöne Episoden Eurer Geschichte bewahrt. Ihr seid die Erben jener Männer und Frauen, die den Mut gehabt haben, der Kirche Christi treu zu bleiben, auch als ihre Freiheit und Unabhängigkeit in Gefahr waren. Sie sind nicht abseits von den Bewegungen der damaligen Zeit geblieben, und sie sehnten sich wahrhaftig nach der notwendigen Erneuerung der Gesellschaft, aber sie konnten es nicht hinnehmen, daß man ihnen den Brach ihrer Gemeinschaft mit der Universalkirche, vor allem mit dem Nachfolger Petri, aufzwingen wollte. Deshalb hatte Joseph Herbert, der Pfarrer von Maille, angeregt von den Worten Christi, so edelmütig gesagt: „Als Bürger dieses Staates habe ich immer dem Kaiser gegeben, was dem Kaiser gehört; aber ich werde Gott nicht das abschlagen, was Gott gehört.“ Im Laufe der schrecklichen Auseinandersetzungen waren viele Handlungen auf beiden Seiten von Schuld gezeichnet. Aber zahlreiche Märtyrer, mit Christus in Heiligkeit vereint, haben ihr Leben hier hingegeben und sich auf diese Weise dem Sohn Gottes in seinem Opfertod am Kreuz angeschlossen. Sie sind ihrem wahren Meister bis zuletzt gefolgt, demjenigen, der gekommen ist, um die freimachende Wahrheit und die Tiefe der Liebe Gottes für alle Menschen zu offenbaren. Wenn man die vielen Zeugnisse jener Zeit untersucht, die zu uns gedrungen sind, ist es beeindruckend, zu bemerken, daß die Einwohner der Vendee ihren Gemeinden und Priestern trotz der grausamen Verfolgungen treu geblieben sind. Sie empfanden einen wahrhaften Hunger nach der Eucharistie; auch unter Einsatz ihres Lebens wollten sie an der Messe teilnehmen und das Brot des Lebens empfangen. Sie sehnten sich nach dem Sakrament der Wiederversöhnung in dem Bewußtsein, daß man die Barmherzigkeit Gottes immer braucht. Einige von ihnen, Ordensleute und Laien, haben einen ergreifenden christlichen Geist an den Tag gelegt, als sie die Verwundeten unabhängig von ihrer Zugehörigkeit pflegten, oder auch als sie sich entschlossen - angetrieben von Anführern wie d’Elbee, der sie zur ernsthaften Umsetzung der im Vater Unser gebeteten Vergebung aufforderte -, ihre Gegner zu verschonen. Liebe Freunde, ich möchte nur an einige Merkmale Eurer Geschichte erinnern und lade Euch ein, das Beste davon in Eurem Gedächtnis zu bewahren. Bleibt mit 360 REISEN Christus verbunden; liebt wie er die ganze Menschheit, beginnend mit ihren benachteiligteren Mitgliedern. Bleibt der Kirche, der Eucharistie und dem Sakrament der Vergebung treu. Laßt Euch von der Liebe, die von Gott kommt, durchdringen! Dann werdet Ihr, weit davon entfernt, sterile Nostalgien zu pflegen, Eurer Väter würdig sein, und Ihr werdet auch in Zukunft großzügig wie lebendige Steine der Kirche leben, die so eng mit ihr verbunden sind, daß sie sogar bereit sind, ihr Blut für sie zu vergießen. „Kommt und seht“. 2. Nun wende ich mich an die hier versammelten Jugendlichen, die an den katholischen und öffentlichen schulischen Einrichtungen ausgebildet werden. Meine Freunde, was ich eben sagte, betrifft Euch genauso wie all jene, die älter sind als Ihr. Ich weiß, daß Ihr oft wirkliche Schwierigkeiten dabei habt, Euren Glauben und Eure Zugehörigkeit zur Kirche zu behaupten. Also sage ich Euch: Habt Mut! Laßt Euch nicht von der um Euch so weit verbreiteten Gleichgültigkeit ergreifen! Laßt Euch nicht von denen beeindrucken, die die Forderungen des christlichen Glaubens ablehnen öder ihn lächerlich machen. Ihr sollt jetzt Euren Weg selbst abstecken! Eure Ausbildung stellt in dieser Hinsicht ein echtes Training dar. Erinnert Euch an die Worte des hl. Paulus: Er sprach von den Wettkämpfern, die hart für den Endlauf trainieren, um einen vergänglichen Sieg zu erringen; der Christ aber weiß, wohin ihn sein Einsatz führt: zur siegreichen Bewältigung des Lebenswettkampfs als Jünger Jesu (vgl. 1 Kor 9,24-27). Wenn Ihr auf die Lehren Christi hört, werdet Ihr den besten Teil in Euch entwickeln, und Ihr werdet lernen, zu geben und zu empfangen. Ihr seid nicht allein, ihr seid Teil einer großen Gemeinschaft. In der Kirche sind der Papst, die mit ihm vereinten Bischöfe, die Priester, die Ordensmänner, die Ordensfrauen und die weltlichen Erzieher - in Verbindung mit euren Familien -für Euch da, um Euch zuzuhören, Euch zu begleiten und Euch zu beraten. Sie haben keinen anderen Ehrgeiz, als die Frohe Botschaft Christi an Euch weiterzugeben. Zögert nicht, Euch an sie zu wenden, um im Glauben zu wachsen! Wie damals die Jünger an den Ufern des Jordan, so fragt auch Ihr den Herrn: „Meister, wo wohnst du?“ Er antwortet: „Kommt und seht“ (Joh 1,38-39). Ihr wißt, daß diese Worte das Thema der Weltjugendtage des nächsten Jahres in Paris sind. Der Weltjugendtag wird für viele von Euch eine Gelegenheit sein, um ihre christliche Erfahrung mit Jugendlichen aus anderen Ländern der Erde zu teilen. Bereitet Euch darauf vor, sie brüderlich aufzunehmen. Liebe Freunde, schenkt Christus Euer Vertrauen, verharrt mit ihm im Gebet, seid aktive Mitglieder in der Gemeinschaft seiner Gefährten. Nehmt Euren Platz in der Kirche ein, ohne zu zaudern. Setzt Euch zusammen mit Euren Brüdern und Schwestern aller Generationen dafür ein, daß „Huld und Treue (sich) begegnen, Gerechtigkeit und Friede (sich) küssen“, wie es in einem Psalm gesagt ist (85/84,11). 361 REISEN Ich bete dafür, daß die Märtyrer vergangener Zeiten Euch auf Eurem Weg leiten, daß sie Euch dabei helfen, von allen Beeinflussungen und Mächten unabhängig zu bleiben, daß sie Euch ihre Freude am Glauben und ihren Mut zum Dienen in der Nachfolge Christi vermitteln mögen. 3. Für Euch, meine jungen Freunde, und für Euch alle, liebe Gläubige der Vendee, erflehe ich die Fürsprache des hl. Missionars Louis Marie und die der anderen sei. Märtyrer Eurer Gegend. Möge Unsere Liebe Frau Euch beschützen! Von ganzem Herzen spende ich Euch den Apostolischen Segen. Der Papst fügte spontan die folgenden Worte hinzu: Ich möchte Euch dafür danken, daß Ihr den Regen besänftigt habt. Das Land hat Regen nötig, aber manchmal möchte man doch, daß es nicht so stark regnet. Genau das ist hier dank Euch eingetroffen! Im Zeichen der Heiligen Frankreichs Predigt während der Vesper am Grab des hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort in Saint-Laurent-sur-Sevre am 19. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Bei dieser Pilgerfahrt zu den Gräbern des hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort und der sei. Marie-Louise de lesus habe ich die Freude, das liturgische Abendoffizium mit Euch, den geweihten Personen, zu feiern, die Ihr aus ganz Westfrankreich hierhergekommen seid. Ich danke dem Bischof von Lucon, Msgr. Francois Garnier, und den Oberen der montfortanischen Familie für die Worte, die sie in Eurem Namen und im Namen der hier vertretenen Diözesangemeinschaft an mich gerichtet haben. Allen entbiete ich meinen herzlichen Gruß. 2. Die Lesung aus dem Brief an die Römer, die wir soeben gehört haben, spricht uns von der Berufung der Menschheit in Christus. Von Ewigkeit her sind wir in Christus erkannt und berufen, dem Bilde dessen gleichförmig zu werden, der „der Erstgeborene von vielen Brüdern“ ist (Röm 8,29). In Ihm, dem wahren Gott und wahren Menschen, zeigt der Vater uns den Sinn unserer Berufung. Es besteht ein enges Band zwischen der ewigen Kenntnis, die Gottvater in seinem Sohn, dem göttlichen Wort, vom Menschen hat, und dem Ruf, den er an den Menschen in der Zeit richtet. Christus weiß, daß sein Kommen in die Welt und besonders sein Leiden und Sterben und seine Auferstehung den Menschen ihre Berufung enthüllen sollen, die der Vater in das Geheimnis der Menschwerdung seines Sohnes eingeschrieben hat. Dessen bewußt, richtet Christus am Ende seiner irdischen Sendung an die Apostel die Aufforderung: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu 362 REISEN meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,19-20). 3. Von Jahrhundert zu Jahrhundert haben Apostel und zahlreiche Jünger an der Erfüllung dieser ihnen vom Herrn anvertrauten Sendung gearbeitet. In Eurer Region war der hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort einer der bedeutendsten. Ich bin glücklich, meine Pilgerfahrt auf dem Boden Frankreichs im Zeichen dieser großen Gestalt zu beginnen. Ihr wißt, daß ich diesem Heiligen und seinem „Traite de la vraie devotion ä la Sainte Vierge“ (Abhandlung über die wahre Verehrung der Heiligen Jungfrau) viel verdanke. Da mein Pastoralbesuch zum großen Teil unter dem Zeichen der Taufe steht, möchte ich heute vor allem die Tatsache hervorheben, daß nach dem Geist des hl. Ludwig Maria das ganze geistliche Leben unmittelbar aus dem Sakrament der Taufe entspringt, wie es eine bezeichnende Stelle in dem von Montfort verfaßten Weiheakt an Jesus Christus durch die Hände Marias zeigt. Im Mittelpunkt dieses Weiheaktes stehen die Worte: „Ich - hier sagt man seinen Namen, z. B. Ludwig Maria, oder Johannes Paul oder Karl -, treuloser Sünder, erneuere und bestätige heute in deine Hände (in die Hände Marias) meine Taufgelübde: Ich widersage für immer dem Satan, seinem Prunk und seinen Werken, und ich überantworte mich ganz und gar Jesus Christus, der menschgewordenen Weisheit, um alle Tage meines Lebens in seiner Nachfolge mein Kreuz zu tragen ... “ (L’Amour de la Sagesse etemelle, 225). Die Erinnerung an die Versprechen der heiligen Taufe ist deutlich. In der Taufliturgie wurde jeder von uns gefragt: „Widersagt ihr dem Satan, all seinen Werken und all seinen Verlockungen?“ Dann: „Glaubt ihr?“ Der Taufakt geht Hand in Hand mit der Entscheidung für Gott, der Entscheidung für Christus, der Entscheidung, in der Gnade des Heiligen Geistes zu leben. Die so getroffene Wahl ist in gewissem Sinn der Sieg über die Erbsünde. Die sakramentale Taufgnade tilgt die Erbsünde. Aber der Mensch selbst, der sie empfängt, muß der Sünde entsagen, um so der Gnade der Rechtfertigung zu entsprechen, die ihm im Glauben an Christus angeboten ist. Im Taufsakrament geschieht eine gewisse Rückkehr an den Anfang, den Ursprung, als es darum ging, das Gute und nicht das Böse zu wählen, sich für das Heil zu entscheiden und es nicht abzuweisen. Wenn Grignion de Montfort das in den Inhalt seines Buches über die wahre Verehrung der Muttergottes einfügt, so tut er das, weil Maria durch den Willen Gottes vom Beginn ihrer Unbefleckten Empfängnis an im Plan Gottes zur Überwindung der Sünde eingeschrieben war kraft der Rechtfertigung durch die von Christus kommenden Gnade. Es ist gut, daß wir zu Beginn dieser Pilgerfahrt, die mich zur Fünfzehnhundertjahrfeier der Taufe Chlodwigs auch nach Reims führen wird, die wesentliche Bedeutung des Taufsakramentes hier von einem marianischen Gesichtspunkt aus betrachten können. 363 REISEN 4. An Euch mich wendend, ihr Männer und Frauen im Ordensleben, möchte ich wiederholen, daß „in der Tradition der Kirche die Ordensprofeß als eine einzigartige und fruchtbare Vertiefung der Taufweihe betrachtet (wird), da sich durch sie die ... innige Verbindung mit Christus ... entfaltet“ (Vita consecrata, Nr. 30). Ihr seid berufen, dank „einer spezifischen Gabe des Heiligen Geistes“ (ebd.), noch weiter zu gehen, denn Ihr habt die Wahl getroffen, radikal die evangelischen Räte zu leben, um Christus zu folgen, und Ihr nehmt Euch die Jungfrau Maria als Beispiel, sie, „das höchste Vorbild vollkommener Weihe in der vollen Zugehörigkeit und Ganzhingabe an Gott“ (ebd., Nr. 28). Die Anforderung dessen, wozu Ihr Euch verpflichtet habt, kann Euren Zeitgenossen schwierig erscheinen, ja sie mögen es fast für unmöglich halten, danach zu leben. Doch das soll Euch nicht beirren! Ihr gebt in Wahrheit, treu und demütig, ein Zeugnis, das die Welt braucht. Eure freiwillige Entscheidung zu Ehelosigkeit, Güterverzicht und Gehorsam ist eine Antwort auf Fragen, die viele sich über die echten Werte ihres Lebens stellen. Alles in allem hat eure Praxis der evangelischen Räte keinen anderen Sinn, als mit ungeteiltem Herzen die unendliche Liebe Gottes zu bekennen, der des Menschen größter Reichtum ist, und die befreiende Schönheit einer kindlichen und nicht sklavischen Abhängigkeit (vgl. Vita consecrata, Nr. 21). Ihr habt die Berufung, lebendige Zeichen Gottes für die Welt zu sein, teilhabend „an Wesen und Gestalt seines Sohnes“ (Röm 8,29). 5. Ihr, die Ihr gekommen seid, um die geweihten Menschen des ganzen Westens Frankreichs zu vertreten, bietet ein Bild der Verschiedenheit der Euch zu Eurem Dienst anregenden Charismen im kontemplativen und im apostolischen Leben, in den Säkularinstituten und im Orden der geweihten Jungfrauen. Ich weiß, daß viele von Euch beunruhigt sind wegen des augenblicklichen Rückgangs der Berufungen und der Überalterung der Gemeinschaften. So wird Euch eine Art Teilnahme am Geheimnis des Kreuzes abverlangt. Aber die Prüfung bedeutet nicht das Ende. Es liegt mir viel daran, hier zu sagen, wie bewundernswert die Treue, der Eifer und die Erfindungsgabe sind, die die Ordensleute bis in ihr hohes Alter hinein an den Tag legen. Beachtlich ist das von den zahlreichen in Eurer Region gegründeten Kongregationen vollbrachte Werk für den Wiederaufbau der Kirche im vorigen Jahrhundert, die Arbeit in der Erziehung, in der Krankenfürsorge und in der Teilnahme am pastoralen Leben. Man sagt zu Recht, wie vorteilhaft es ist, wenn das Evangelium „mit dem Akzent des Landes“ verkündigt wird! Setzt mit Begeisterung auch heute die Charismen Eurer Gründer ins Werk! Fahrt fort, die lebendige Geschichte Eurer Kongregationen zu schreiben! Hier möchte ich auch die große Zahl von Missionaren ehren, die vom Westen Frankreichs aus in alle Welt gereist, und jene, die noch jetzt in zahlreichen Ländern vertreten sind. Und ich kann Euch sagen, daß in den jungen Kirchen noch immer ein großer Bedarf an Gott geweihten Menschen besteht. 364 REISEN 6. Euer Zeugnis und Euer Apostolat bilden einen Reichtum für die örtlichen Gemeinden. Habt den Mut, den Wert Eurer Erfahrung, die Bedeutung Eurer Spiritualität und der Charismen Eurer verschiedenen Gründungen sowie Eure Freude am Dienen bekannt zu machen. Sei es für den Diözesanklerus oder für die Laien, die Anwesenheit geweihter Menschen bleibt eine wertvolle Anregung und vielfach ein unverzichtbares Element für die Evangelisierung. Ich bin überzeugt, daß die geweihten Menschen, wenn sie für die Bedürfnisse unserer Zeit wach und der Ursprungsidee ihrer Gründung treu sind, Jugendlichen helfen, den Anruf des Herrn zu hören und ihm mit der Ganzhingabe ihrer selbst zu dienen. 7. Das Opfer Eures Lebens, im Alltag sowohl wie in der Stunde des Kreuzes, ist von geheimnisvoller Fruchtbarkeit. Ich denke an das im Namen des Evangeliums und aus Treue zur Kirche dargebrachte Opfer zahlreicher Ordensleute hier im Land oder in der Feme. Erschüttert erinnere ich hier an die sieben Trappistenbrüder „Unserer Lieben Frau vom Atlas“. Drei von ihnen waren Mönche von Bellefontaine. Nach anderen apostolischen Ordensmännem und Ordensfrauen waren sie bis zum Tod reine und selbstlose Zeugen für die Liebe Christi bei Menschenbrü-dem, denen sie dienen wollten. Fahren wir fort zu beten, daß ihr Opfer zur Quelle des Lebens werde und daß ihr Beim-Herm-Sein ihre Brüder und Schwestern heute unterstütze. Ich möchte schließen und Euch mit den Worten von Grignion de Montfort wiederholen, wie sehr Euer Leben all seinen Sinn in der Person Christi findet: „Gott hat uns gar kein anderes Fundament für unser Heil, unsere Vollkommenheit und unsere Ehre gelegt als Jesus Christus“ (Vraie devotion, 61). Mit ihm betend wollen wir den Herrn mit der Heiligen Jungfrau anrufen: „Du, Herr, bist immer bei Maria, und Maria ist immer bei dir“ (ebd., 63). Und ich möchte daran erinnern, daß wir im Gebet vereint sind mit den Pilgern in La Salette, die an diesem Tag das hundertfünfzigste Jahresgedächtnis der Erscheinung Unserer Lieben Frau an jenem Ort feiern. Die mütterliche Zärtlichkeit Unserer Lieben Frau führe Euch jeden Tag auf Eurem Weg der Nachfolge Jesu, um „alle Ehre und allen Ruhm dem Vater zu erweisen in der Einheit des Heiligen Geistes, und euch vollkommen zu machen und für euren Nächsten zu einem Wohlgeruch ewigen Lebens“ (vgl. ebd., 61). Ein Aufbruch im Vertrauen auf Gott Predigt während der Eucharistiefeier in Sainte-Anne-d’Auray am 20. September l.Der auferstandene Christus sendet seine Apostel in die ganze Welt. „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ {Mt 28,19-20). Diese Sendung zur 365 REISEN Mission hat göttliche Kraft. Sie geht aus von dem mit dem Vater wesensgleichen Sohn und zugleich von einem gekreuzigten und auferstandenen Menschen. Das Osterereignis hat seine Macht im Himmel und auf Erden bestätigt. Das gibt diesem Auftrag seine Kraft für alle Nationen und für alle Zeiten: Lehrt, verkündet das Evangelium, tauft im Wasser und im Heiligen Geist. Dieses neue, von Christus geschenkte Leben, Anfang der neuen Schöpfung, muß durch die Jünger bei allen Völkern der Erde eingepflanzt werden. Diese göttliche Saat wird dem Dasein des Menschen vollen Sinn geben, denn er ist berufen, am Leben Gottes teilzunehmen. Christus ist der Urheber dieses Aufrufs, er ist sein Bürge. 2. Wenn das Wort Gottes im Herzen des Menschen Wurzeln schlagen soll, muß es seinerseits die rechte Antwort erhalten: Diese Antwort ist der Glaube. Diese Glaubensantwort nimmt in der heutigen Liturgiefeier eine bedeutende Stellung ein. Im Brief an die Hebräer schreibt der Apostel: „Glaube ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ {Hebr 11,1). Um diese Erklärung zu verdeutlichen, greift der Apostel zurück auf das Zeugnis Abrahams, des Vaters der Glaubenden (vgl. Röm 4,11-12.16-17), der dem Aufruf Gottes gehorchte. Er machte sich auf den Weg. Er zeigte damit, daß Glauben bedeutet, sich auf den Weg machen zum verheißenen Land. Es handelte sich nicht nur darum, das Tal des Euphrat zu verlassen, um nach Palästina zu gelangen; es handelte sich und es handelt sich immer um eine andere Pilgerschaft, um einen ganz und gar im Vertrauen auf Gott unternommenen Aufbruch, denn Gott selbst erschloß den Sinn für das Handeln Abrahams und Saras. Der zurückgelegte Weg wurde zum Symbol für die Pilgerfahrt des Glaubens hin zu einem anderen Land, einer anderen Stadt, „denn er erwartete die Stadt mit den festen Grundmauern, die Gott selbst geplant und gebaut hat“ (Hebr 11,10). Gott hat ihm eine zahlreiche Nachkommenschaft verheißen, obschon seine Frau Sara kinderlos war: Diese Verheißung menschlicher Fruchtbarkeit weist auch hin auf die geistliche Fruchtbarkeit des Glaubens. Und weiter sagt der Apostel, daß Abraham und seine Nachkommen „alle gestorben (sind), ohne das Verheißene (hier auf Erden) erlangt zu haben; nur von fern haben sie es geschaut und gegrüßt“ (Hebr 11,13). Sie hatten die Gewißheit, daß die auf den göttlichen Fundamenten errichtete Stadt für immer ihr Anteil sein werde. Sie haben ihr Vertrauen in den Gott des Bundes gesetzt. 3. „Gepriesen bist du, Herr, du treuer Gott“ (Ps 88/89,6). Diesen Kehrvers aus dem Antwortpsalm der heutigen Liturgie wiederholen wir mit dem Geschlecht der Glaubenden, das mit Abraham begonnen hat. In diesem Heiligtum der hl. Anna wollen wir uns an alle erinnern, die als Zeugen Christi zu Euch gekommen sind, um das Evangelium des Bundes zu verkündigen, und an alle, die durch sie, von Generation zu Generation, die Heilsbotschaft als Erbe empfangen haben. Der christliche Glaube, der vor so vielen Jahrhunderten zu Eurer bretonischen Erde und in den Westen Frankreichs gelangte, hat nach und nach in der Kultur Wurzeln 366 REISEN geschlagen und ist stark geworden. An allererster Stelle richten wir unseren Blick auf die hl. Anna, die dem Yves Nicolazic hier in diesem Dorf erschien, wo er und seine Frau Guillemette als von allen geachtete christliche Eheleute lebten. Die hl. Anna sagte zu ihm: „Yves Nicolazic, fürchte dich nicht. Ich bin Anna, die Mutter Marias. Gott will, daß ich an diesem Ort verehrt werde.“ Auf bretonisch: „Iwan Nikolazig, n’ho pet ket eun. Me zo Anna, mämm Mari. An Aotrou Doue e fall dehon ma veinme inouret amän.“ Lang ist die Liste derer, die, von den heiligen Gründern Eurer Diözesen an, zu Fürsprechern bei Gott geworden sind: Märtyrer, wie der sei. Pierre-Rene Rogue, dessen zweihundertsten Todestag die Diözese Vannes dieses Jahr feiert; Priester, wie der hl. Yves, der hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort und der hl. Johannes Eudes; Ordensfrauen, wie die hl. Therese vom Kinde Jesus und die sei. Johanna Jugan; und dann in unserem Jahrhundert Laien, wie Marcel Callo, den ich kürzlich seliggesprochen habe. Noch viele andere haben im Lauf der Jahrhunderte die Geschichte des Glaubens in Eurer Region durch ihr Zeugnis gekennzeichnet. 4. Ich bin glücklich, auf diesem Boden der Bretagne, die durch ihre solide christliche Tradition bekannt ist, Euch zu grüßen, Pilger, die Ihr aus der ganzen apostolischen Region des Westens gekommen seid, um den Nachfolger des Petrus zu empfangen, Pilger von Sainte-Anne-d’Auray und von anderen der Mutter der Jungfrau Maria geweihten Heiligtümern, wie dem von Apt, das seine Neunhundertjahrfeier begeht. Herzlich grüße ich auch die Vertreter der zivilen Obrigkeiten, die Wert darauf gelegt haben, an der heutigen Feier mit teilzunehmen. Ich danke dem Bischof von Vannes, Msgr. Francoi s-Mathurin Gourves, für sein Grußwort. Es bezeugt die Vitalität eures Glaubens und eure Treue zur Kirche. Dieser Glaube, Euer gemeinsames Erbe, ist vor zahlreiche Herausforderungen gestellt. Gewiß, es gibt mancherlei Gründe zur Beunruhigung. So sieht man z. B„ daß sich eine Atmosphäre der Gleichgültigkeit und des Individualismus entwickelt; manche verstehen es nicht, den anderen in seiner Verschiedenheit anzunehmen; manche verzweifeln angesichts des Bösen in der Welt. Allzu oft ist das christliche Bewußtsein verblaßt, besonders bei den jungen Generationen, die große Mühe haben, sich ihr religiöses Erbe zu eigen zu machen. Aber es sind bei Euch auch viele Zeichen von Vitalität festzustellen. Der Heilige Geist ist in den Herzen am Werk und regt wunderbare innere Umwandlungen an, unerwartete Berufungen und einen erneuten Sinn für das eheliche Leben; in immer größerer Zahl setzen sich Laien zur Animation in der christlichen Gemeinschaft und in den Strukturen des öffentlichen und sozialen Lebens ein. Heute bin ich gekommen, um Euch aufzufordem, die Hoffnung in Euch und um Euch her wachsen zu lassen. Seid, wie Eure Väter im Glauben, Erbauer der Kirche in den jungen Generationen! 5. Lebt die Hoffnung, setzt Euer Vertrauen in jenen Gott, der in der Person seines Sohnes Jesus mit den Menschen einen Bund geschlossen hat! Eine traditionelle Darstellung der hl. Anna zeigt sie uns, wie sie ihre Tochter Maria die Bibel lesen 367 REISEN läßt. Das ist eine Einladung dazu, das Wort Gottes aufzunehmen und sich davon durchdringen zu lassen, um in den menschlichen Wirklichkeiten davon Zeugnis zu geben. Öffnet Eure Herzen für Christus! Sein Wort zeigt Euch den Weg zum Vater! In der schlichten Treue gegenüber dem Anruf Gottes im täglichen Leben gibt jeder seine eigene Glaubensantwort auf das Wort Gottes. Viele Familien Eurer Region haben das getan. So bewahrt Ihr etwa das vorbildliche Beispiel der mildtätigen Eheleute Claude und Marguerite de la Garaye oder auch das der Eltern der hl. Therese von Lisieux, Louis und Zelie Martin, in Erinnerung. Brüder und Schwestern, auch Ihr seid auf dem Pilgerweg zu der Stadt Gottes. Auf Eurem Weg sei Euer Glaube fest gegründet auf das Wort Christi, das in seiner Kirche überliefert ist! Er sei freudig und strahlend! Er soll zeigen, daß das Kommen Christi in unsere Menschheit dem Leben der Menschen, jedes Menschen, einen Sinn gibt! 6. Heute ruft Christus Euch dazu auf, diese Botschaft der Hoffnung weiterzugeben! Das ganze Volk Gottes ist ein missionarisches Volk. Das Evangelium dieser Messe unterstreicht nachhaltig die drängende Aufgabe, die Sendung Christi in allen Völkern und allen Kulturen fortzusetzen. Die Kirche ist zu allen, gesellschaftlich so verschiedenen, Menschen gesandt, um ihnen das von Gott angebotene Heil zu verkünden. Alle Christen sind verantwortlich für diese Mission. Sie sollen zusammen daran arbeiten, das Gottesreich zu errichten, das „die Gemeinschaft aller Menschen untereinander und mit Gott“ ist (Redemptoris missi, Nr. 15) und das die Bande der Solidarität knüpft, die die Beziehungen zwischen den Menschen umwandeln und in der Gesellschaft gerechtere und brüderlichere Verhältnisse schaffen. „Jeder Laie muß sich immer bewußt sein, daß er,Glied der Kirche1 ist, dem eine originale, unersetzliche und unübertragbare Aufgabe anvertraut wurde, die er zum Wohl aller erfüllen muß“ (Christifideles laici, Nr. 28). In Gemeinschaft mit den Hirten ermutige ich Euch, dem Laienapostolat einen kräftigen Schwung zu geben und die Suche nach neuen Formen der Präsenz der Kirche in der Gesellschaft fortzusetzen. Eure Region hat der Kirche zahlreiche Apostel geschenkt. Seit mehreren Jahrhunderten sind unzählige Missionare, Männer und Frauen, in alle Kontinente gezogen, um Christus zu verkündigen. Ich möchte die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und die Laienmissionare grüßen und ermutigen, die bei Euch und überall in der Welt sich hochherzig, trotz Schwierigkeiten und manchmal um den Preis ihres Lebens, der Verkündigung des Evangeliums widmen. Liebe junge Freunde, habt keine Furcht, Christus, der Euch zu seiner Gefolgschaft einlädt, hochherzig zu antworten! In der Priester- oder Ordensberufung werdet Ihr den Reichtum und die Freude finden, Euch hinzugeben im Dienst Gottes und Eurer Brüder und Schwestern. Eure Diözesen haben eine lange missionarische Tradition. Laßt sie nicht erlöschen. So viele Männer und Frauen warten auf Zeugen des Lichtes und der Hoffnung! 368 REISEN 7. Wir preisen den Gott des Bundes, denn viel schuldet Euer Land in der Geschichte seiner Gemeinschaften und seiner Kultur der Botschaft des Evangeliums. Wir haben den Wunsch, daß die Kirche in Frankreich, ihrem Weg auf den Spuren ihrer Väter im Glauben folgend, stolz auf ihre tausendjährige Kultur, weiterhin heilsam hineinstrahle in die Geschichte der Völker und Nationen. Das Zeugnis für das Evangelium ist nicht menschliche Eroberung, es ist Dienst Gottes und des Nächsten. Die hl. Therese von Lisieux brachte das, was die Mitte der missionarischen Tätigkeit ausmacht, glänzend zum Ausdruck, als sie schrieb: ,Dieben heißt: Alles geben und sich selbst geben.“ Geht auch ihr das Evangelium Euren Brüdern und Schwestern verkünden! Baut zusammen mit allen Menschen guten Willens die Zivilisation der Liebe auf! Gebt, ohne Zögern Christus, dem Retter der Welt, nachfolgend, Zeugnis für die allen Menschen angebotene Liebe Gottes! Nach der hl. Messe sagte der Papst noch folgendes: Ich bin glücklich, daß ich mit Euch allen hier in der Bretagne gebetet habe. In Liebe grüße ich die zahlreich anwesenden jungen Leute: Das ist eine gute Hoffnung für nächstes Jahr in Paris. Im Namen des Herrn wünsche ich Euch guten Mut! Ihr seid die Freude der Kirche. Ich danke Euch nochmals für Eure Anwesenheit in so großer Zahl, in besonderer Weise auch den jungen Braut und Eheleuten. Gott hat uns auf dem gleichen Weg und und in der gleichen Liebe zusammengebracht. Ich danke Euch, daß Ihr mich auf dieser Pilgerfahrt nach Sainte-Anne-d’Auray begleitet habt. Ich wünsche Euch große Hoffnung. Und nun muß ich Euch sagen, daß ich hier viel Hoffnung gefunden habe. Allen meinen Dank! Salz der Erde und Licht der Welt Ansprache beim Treffen mit den Familien in Sainte-Anne-d’Auray am 20. September Der Papst leitete die Ansprache mit folgenden frei gesprochenen Worten ein: Liebe Freunde, als ich durch Eure Reihen ging, war es für mich eine Freude, so viele Kinder zu sehen. Dabei hatte ich alle Kinder, die in Frankreich leben, vor Augen - ohne ein einziges auszulassen. Allen Kindern drücke ich meine hebevolle Zuneigung aus. Leider konnte ich nicht zu allen hingehen, aber es waren Vertreter von ihnen da, und diesen habe ich gesagt, was ich für alle, für die Familien und für die Kinder, im Herzen hatte. 369 REISEN ... und kam dann zum vorbereiteten Text: Liebe Eltern, liebe Kinder! 1. „Dir seid das Salz der Erde ... Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,13-14). Christus richtet diese Worte an die Jünger, die ihm gefolgt waren und zugehört hatten, als er die Seligpreisungen verkündete (vgl. Mt 5,3-12). Heute richtet er dieselbe Botschaft an Euch, Ihr jungen Familien, die Ihr Euch hier versammelt habt. Ich freue mich, Euch im Laufe dieses Besuchs begegnen zu können. Eure Anwesenheit in so großer Zahl beweist die Vitalität der französischen Familien. Gewiß, die Familie macht momentan in Frankreich wie anderswo viele Schwierigkeiten durch, die sie manchmal schwächen. Eure Gegend leidet besonders unter der Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit bewirkt und die Jugendlichen zwingt, diese Region zu verlassen. Ihr stoßt auf vielfältige Probleme hinsichtlich der Gesundheit, der Unterkunft und der Frauenarbeit. Ich verstehe Eure Befürchtungen für die Zukunft Eurer Kinder. Wie vielen anderen Eltern stellt sich Euch die Aufgabe der menschlichen und sittlichen Erziehung der Jugend, da der Sinn für die Geistigkeit immer weiter abnimmt und viele grundlegende Werte, wie zum Beispiel die Unauflöslichkeit der Ehe oder die Achtung des Lebens, wieder in Frage gestellt werden. 2. Liebe Familien, ich möchte Euch die Worte Christi wiederholen: Ihr seid „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“. Das fleischgewordene Wort ist der Meister dessen, was er sagt, und er liefert auch die entsprechende Interpretation. Wh können die zwei von Jesus vorgeschlagenen Vergleiche gut verstehen, egal ob wir jung oder alt sind: „Ihr seid das Salz der Erde“; wir wissen alle, daß Nahrungsmittel ohne Salz geschmacklos sind. Ein richtig gewürztes Gericht hat Geschmack, und man mag es gern essen. Wenn es an Salz fehlt, ist es fade. Wenn das Salz sich zersetzt und nicht mehr zum Würzen verwendet werden kann, „taugt (es) zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten“ (Mt 5,13). „Ihr seid das Licht der Welt.“ Was ist eigentlich das Licht? Auch das entdecken wir durch unsere Erfahrung: Das Licht leuchtet und erhellt. Dank des Lichts müssen unsere Städte und unsere Straßen nicht in der Dunkelheit bleiben. Das Licht kann man aus der Feme sehen: Es vertreibt die Finsternis und erlaubt uns, das Gesicht des anderen zu sehen. Es ist schön, sich abends in der Familie um den Schein des Herdfeuers zu versammeln. Mit den beiden Sinnbildern des Salzes und des Lichts wendet sich Christus heute an Euch, an die hier zusammengekommenen Familien. Seid das Salz der Erde! Seid das Licht der Welt! Was soll das bedeuten? Der Herr erklärt es uns: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). 3. Laßt mich diese Worte des Herrn noch einmal zu Euch sagen: Ihr seid „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“. Die Kirche schenkt Euch ihr Vertrauen und rechnet mit Euch Eltern, vor allem im Hinblick auf das dritte Jahrtausend, damit die Jugendlichen Christus kennenlemen und ihm mit ganzem Herzen folgen kön- 370 REISEN nen. Durch Eure Art zu leben bezeugt Ihr die Schönheit der Berufung zur Ehe. Das tagtägliche Vorbild einträchtiger Paare nährt in der Jugend den Wunsch, sie nachzuahmen. Die Jugendlichen, die innerhalb ihrer Familien das Zeugnis der Liebe Gottes erfahren, werden dazu geführt, die Tiefen dieser Liebe zu erforschen. Die Vorbereitung des großen Jubeljahrs läuft über jede Person und jede Familie, damit die Welt das Licht Christi, der allein der menschlichen Existenz ihre letzten Sinn verleiht, aufnehmen möge (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 28). Wie viele der heute vorgelegten Zeugnisse beweisen, seid ihr Träger einer reichen geistigen Energie. In ihrem Herzen hegen Eure Kinder den Wunsch, etwas Großes aus ihrem Leben zu machen. Oft entstehen auch die Berufungen zum Priesteramt und zum religiösen Leben in den Familien mit einem voll entfalteten Glauben. 4. Ihr seid „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“. Mit diesen Worten lädt der Herr Euch ein, Zeugen und Missionare bei Euren Brüdern zu sein. Möge Euer Leben, das seinen Sinn durch Christus erhält, Geschmack haben für jene, die um Euch sind! Möge Euer Leben strahlen, weil der Herr in der Tiefe Eures Herzen gegenwärtig ist; er liebt Euch und ruft Euch zu seiner Freude auf! Nur wenn man sich geliebt fühlt, kann man vertrauensvoll auf dem eigenen Weg voranschreiten. Das Leben der Getauften besteht zuallererst darin, mit Christus, dem Quell des Lebens, verbunden zu sein, von ihm das Leben in Fülle zu erhalten und zu seinen Zeugen zu werden. „Das allgemeine Priestertum aus der Taufe wird in der sakramentalen Ehe für die Gatten und die Familie zum Fundament einer priesterlichen Berufung und Sendung“ (Familiaris consortio, Nr. 59). Einige der Zeugnisse, die wir gehört haben, unterstreichen die wesentliche Rolle der Eucharistie. Ihr habt Recht, denn sie ist eine Quelle, an der sich die christlichen Eheleute laben. Im Opfer des Neuen Bundes, den Christus mit der Menschheit schließt, entdecken sie ein Vorbild für ihre Liebe, die ein unverdientes Geschenk und eine Gnadentat ist. Die ehelichen Beziehungen können sich nicht nur auf Gefühle der Liebe stützen; sie gründen vor allem auf eine endgültige und klar gewollte Verpflichtung, auf den Bund und auf das Geschenk, die die Treue voraussetzen. Durch ihr Eheleben bezeugen die Gatten die wahre Liebe, die alle Dimensionen des Menschen - die des Geistes, des Intellekts, des Willens, der Gefühle und des Körpers - zusammenfügt. 5. Die Liebesbeziehung trägt zum Wachstum des Ehepartners bei. Sie ist ein Dienst am anderen, nach dem Beispiel des dienenden Christus, der am Gründonnerstag die Füße seiner Apostel gewaschen hat. Das Eheleben ist nie ganz frei von Schwierigkeiten, die auch schmerzhafte Erfahrungen verursachen, bei denen die Liebe und das Vertrauen zum anderen und zu sich selbst zu wanken scheinen. Die Eheleute schöpfen ihre Kraft, indem sie sich den Gefühlen Christi während der Karfreitagsnacht anschließen. Viele haben dieselbe Erfahrung gemacht: Das Durchmachen einer Prüfung kann dazu beitragen, die Liebe zu läutern. Aber es gibt auch Augenblicke großen Glücks, die aus der Gemeinschaft in der Liebe her- 371 REISEN vorgehen. Diese Momente erinnern daran, daß jenseits allen Leids das blendende Licht und der endgültige Sieg des Ostermorgens stehen. Also hat das Sakrament der Ehe eine österliche Struktur. Das eheliche und familiäre Leben ist ein geistiger Weg. In der Tat fordert jede Begegnung, sei es innerhalb eines Paares oder in der Familie, eine freundliche Aufnahme des anderen. Ihr kennt die Bedeutung des Dialogs für Paare und Familien. In unserer Welt, wo die Sorge um die Rentabilität einer jeden Tätigkeit den uneigennützigen Begegnungen nur wenig Platz läßt, ist es wichtig, daß sich die Ehepaare und die Familien Zeiten des Austauschs Vorbehalten, um ihre Liebe zu bestätigen. 6. Das eheliche Leben läuft auch durch die Erfahrung des Verzeihens; denn was wäre eine Liebe, die nicht bis hin zum Verzeihen ginge? Diese erhabenste Form der Einigkeit betrifft das ganze Wesen, das es durch seinen Willen und durch die Liebe akzeptiert, nicht bei der Beleidigung stehenzubleiben und zu glauben, daß eine Zukunft immer noch möglich ist. Die Vergebung ist eine der höchsten Ausdrucksformen des Geschenks, das die Würde des anderen bekräftigt, indem er für das anerkannt wird, was er ist, ungeachtet dessen, was er tut. Jeder Mensch, der verzeiht, erlaubt auch jenem, dem verziehen wird, die unendliche Größe der Vergebung Gottes kennenzulemen. Die Vergebung gibt dem Menschen sein Selbstvertrauen zurück und stellt die zwischenmenschliche Gemeinschaft wieder her, denn es gibt kein hochwertiges Ehe- und Familienleben ohne eine ständige Bekehrung oder ohne daß man den eigenen Egoismen entsagen würde. Der Christ findet die Kraft zur Vergebung, indem er den verzeihenden Christus am Kreuz betrachtet. Im Jahr 1986, während der Messe für die Familien in Paray-le-Monial hatte ich gezeigt, daß die Liebe des Herzen Jesu der Ursprung aller menschlichen Liebe sein muß. 7. Im Eheleben sind die fleischlichen Beziehungen das Zeichen und der Ausdruck der Gemeinschaft zwischen den Personen. Die Äußerungen der Zärtlichkeit und die Körpersprache tun den ehelichen Pakt kund und repräsentieren das Geheimnis des Bundes und das der Verbindung Christi und der Kirche. Die Momente tiefempfundener Gemeinschaft geben jedem Familienmitglied eine wirkliche Kraft für seine Mission bei seinen Brüdern und für seine tägliche Arbeit. Ihr seid aufgerufen, der Welt die Schönheit der Vaterschaft und Mutterschaft zu zeigen und die Kultur des Lebens zu fördern, die darin besteht, die Kinder, die Euch geschenkt worden sind, anzunehmen und großzuziehen. Jedes einmal empfangene menschliche Wesen hat ein Recht auf Leben, denn das geschenkte Leben gehört nicht mehr denen, die es geboren haben. Eure Anwesenheit hier zusammen mit Euren Kindern ist ein Zeichen des Glücks, das man empfindet, wenn man großherzig das Leben schenkt und in der Liebe lebt. 8. Auch Ihr jungen Leute seid das Salz der Erde und das Licht der Welt. Für jeden von Euch stellt das Zuhause einen bevorzugten Ort dar, wo ihr liebt und geliebt 372 REISEN werdet. Eure Eltern haben Euch zum Leben berufen und möchten Euch während Eures Wachstums leiten. Seid ihnen dankbar, und sagt auch dem Herrn Dank dafür! Es soll Euch auch in schwierigen Augenblicken immer bewußt sein, daß Eure Eltern Euch dabei helfen wollen, glücklich zu werden, daß der Zugang zum Glück aber auch seine Anforderungen hat! Wie Eure Eltern seid auch ihr für das Leben in der Familie und für den Aufbau eines immer friedfertigeren Klimas verantwortlich, in dem jeder genug Platz hat, um das Beste von sich zu geben und um seine Persönlichkeit zu entfalten. Wir hatten es schon vorhin gehört: In dem Moment, wo das geistige Leben in den Kindern erwacht und sie sich über Gott Fragen stellen, finden die Eltern dank ihnen den Weg der Kirche und des Glaubens wieder, der sich in ihnen verwischt hatte. So bringt der Herr seine Wunder durch die Allerkleinsten zustande und vertraut jedem eine Rolle der Evangelisierung in seiner Familie an. Einigen Berichten zufolge gibt es Familien, wo eine Gebetsnische eingerichtet worden ist: Den Kindern macht es Spaß, sie auszuschmücken, und sie ziehen sich auch gerne dorthin zurück, um Jesus in der Stille zu begegnen. Ich freue mich über diesen wichtigen Platz, der Jesus und der Jungfrau Maria in euren Häusern eingeräumt wird. 9. Die Gesellschaft muß den hohen Wert der Rolle der Eltern anerkennen, denn sie bereiten die Zukunft einer Nation vor. In der Tat seid Ihr die ersten Verantwortlichen für die menschliche und sittliche Erziehung Eurer Kinder. Die auf Liebe und Treue begründete familiäre Gemeinschaft bietet den Kindern die Sicherheit und Beständigkeit, die es ihnen erlauben, erwachsen zu werden. In einem Klima der Liebe und Zärtlichkeit, des Gebens und Verzeihens kann sich die Persönlichkeit am besten formen und harmonisch entwickeln. Im Westen Frankreichs haben die katholischen Schulen eine reiche Tradition; die religiösen Gemeinschaften haben ihre Kräfte nicht gespart, um sie dynamisch zu machen. Diese Einrichtungen müssen ein spezifisches, pädagogisches Projekt entwickeln, um den Jugendlichen die christlichen Werte vorzustellen, allen voran aber die Entdeckung der Person Christi; denn die Werte, die nicht mit der lebenden Quelle, die der Herr ist, verbunden sind, laufen die Gefahr der Entstellung. Das hindert diese Schulen - bei gleichzeitiger Achtung der sie kennzeichnenden christlichen Orientierungen - natürlich nicht daran, auch viele nichtkatholische Kinder aufzunehmen und bei ihren Studien fürsorglich zu betreuen. Ebenfalls begrüße ich die Arbeit der Verantwortlichen für Religionserziehung im öffentlichen Schulsystem, die den jungen Leuten die religiöse Ausbildung bieten, die für die Entwicklung ihres Glaubenslebens nötig ist. Sie steht vielen anderen außerschulischen Aktivitäten gegenüber, worin sich die Kinder engagieren und die der Katechese nur wenig Platz lassen. Auch die Bewegungen spielen eine unersetzliche Rolle, so zum Beispiel die Action catholique de l’Enfance, das Mouvement eucharistique des Jeunes oder die Pfadfinder. 373 REISEN 10. Viele Paare nehmen aktiv am Leben der Kirche teil, und zwar in den diözesa-nen Diensten, in den Bewegungen und Gemeinden. Ich möchte Euch für die bisher geleistete Arbeit danken und ermutige alle Familien, ihre Aktion fortzusetzen. Insbesondere veranlaßt Euch Eure Erfahrung dazu, Euren Zeitgenossen eine Orientierungshilfe in Fragen der Ehe und Familie zu sein. In diesem Geist stellen die Ehevorbereitungszentren Orte des Nachdenkens und der Ausbildung für die jungen Leute dar, die sich darauf vorbereiten, die endgültige Verpflichtung durch das Sakrament der Ehe einzugehen. Mit großer Klarheit stellen sie die christliche Botschaft über die wahre Liebe und die sexuelle Praxis in der Keuschheit vor, die dem Eheleben seine volle Würde verleiht. Die Familienbewegungen regen die Ehepaare zum Nachdenken und zum geistigen Leben an. Ich schätze auch die Arbeit der Gruppen, die Tagungen und Zeiten der Einkehr für Paare, Familien und Jugendliche organisieren. 11. Meine Gedanken sind nun bei den Paaren und Familien, die schwere Lasten tragen, vor allem bei den Eltern, die ein behindertes Kind zu betreuen haben, und den Familien, die sich mit großer Aufopferung um kranke und alte Menschen in ihrer Umgebung kümmern. Ich danke dem Herrn für ihre Hingebung und für die Größe ihrer Liebe. Sie verstehen es, im leidgeprüften Menschen einen besonders geliebten Sohn Gottes zu erkennen. Auch verstehe ich den Schmerz jener, die keine Kinder haben und darunter leiden. Mögen sie innerhalb der christlichen Gemeinschaft aufmerksame Mitmenschen finden und das Glück entdecken, das darin besteht, sich im Dienst am Nächsten hinzugeben! Ich möchte auch jene nicht vergessen, die in Einsamkeit leben, weil sie ihre Heiratspläne nicht verwirklichen konnten. Sie müssen bei den Familien Trost und Freundschaft finden. Die Kirche sorgt sich darüber hinaus um getrennt lebende, geschiedene und wiederverheiratete geschiedene Menschen; sie bleiben Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, „da sie als Getaufte an ihrem Leben teilnehmen können, ja dazu verpflichtet sind“ (Familiaris consortio, Nr. 84), wobei sie auch gläubig die Wahrheit aufnehmen sollen, die die Kirche in ihren Lehren über die Ehe zu den Menschen bringt. Wenn man über die Familie spricht, denkt man auch an die Großeltern. Durch die Weisheit, die sie im Laufe ihres langjährigen Ehelebens entwickelt haben, stellen sie eine Unterstützung für ihre Kinder und einen Bezugspunkt für die Enkel dar; oft sind sie die ersten, die zu den Enkeln über Gott sprechen. Der Dialog und die Nähe der verschiedenen Generationen zueinander bleiben auch weiterhin nicht unwesentliche Aspekte des Familienlebens. 12. Die Familie ist ein unübertrefbliches Milieu für die Entfaltung des Menschen. Möget ihr, dank Christus und der Liebe, die Euch eint, in der Freude leben! An diesem Wallfahrtsort verehrt das Christenvolk die hl. Anna, Mutter der Jungfrau Maria; es kommt hierher, um sich ihrem mütterlichen Schutz anzuvertrauen. Eure 374 REISEN Familien möchte ich ihrer Fürsprache übergeben, und ich spende Euch und allen Personen, die Ihr liebhabt, von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Nach der Ansprache sagte der Papst spontan die folgenden Dankesworte: Ganz, ganz großen Dank für diese großartige Begegnung. Ich möchte Euch danken für Eure Anwesenheit, für das, was Ihr seid als Familien, als Bewegungen, als Hauskirche - Familienkirche: danken für alles, was Ihr hineintragt in das Leben Eurer Nation, Eures Vaterlandes, der Kirche in Frankreich, der Kirche in der ganzen Welt. Ganz, ganz großen Dank. Um Sainte-Anne d’Auray haben wir einen Tag der Hoffnung gelebt. Heute morgen hätte ich mir beim Verlassen von Tours nicht denken können, daß ich hier Sonnenschein antreffen würde. Wir alle haben also viele Gründe, dem Herrn zu danken: zu danken auch für die Sonne von Sainte-Anne-d’Auray, zu danken für seine Liebe und für die Verantwortung, die ihr tragt. Indem wir danken, segnen wir Euch alle, die Ihr hier anwesend seid, Eure Familien, Eure Rosenkränze, Eure Häuser, Euer Vaterland, alles, was durch Euer Leben entsteht und sich entwickelt! 1600 Jahre Hymne auf die Nächstenliebe Predigt während der Messe zum 1600. Todestag des hl. Martin im Luftstützpunkt von Tours am 21. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Von deiner Liebe, Herr, will ich ewig singen“ (vgl. Ps 89,2). In Frankreich singt die Kirche schon seit sechzehn Jahrhunderten ihre Hymne auf die Nächstenliebe. Durch das Zeugnis der lebenden Menschen singt die Kirche den Lobgesang der Liebe, die vom hl. Paulus in seinem Brief an die Korinther beschrieben worden ist (vgl. 1 Kor 13,1-3). Dieser Lobgesang erhebt sich aus mehreren Gegenden eures Landes. Der hl. Martin von Tours ist ein bedeutender Zeuge der im Evangelium dargestellten Liebe. Jedes Jahr erinnert uns die Liturgie am 11. November an seine erhabene Gestalt. Sein Leben ist eine Aufzählung der Wunder, die Gott in ihm gewirkt hat, und die Ereignisse, aus denen dieses Leben bestand, haben sozusagen Symbolcharakter bekommen: Bezogen auf die Figur dieses Heiligen, der zuerst Soldat war und dann Bischof wurde, sind sie der ganzen Kirche wohlbekannt. Die Stadt, deren Bischof er war, empfängt heute den Bischof von Rom, den Garanten der Einheit der Kirche, für die sich Martin so sehr eingesetzt hat. Herzlich danke ich Msgr. Jean Honore, dem Erzbischof von Tours und Nachfolger des hl. Martin, für die Willkommensgrüße, die er an mich gerichtet hat, und ich begrüße mit großer Herzlichkeit die Kardinäle und Bischöfe Frankreichs und anderer Länder, die heute mit uns sind; ich begrüße Euch alle. Einen herzlichen Gruß 375 REISEN richte ich auch an Euch, hebe Gläubige dieser Diözese und der Nachbardiözesen. Das laufende Martinsjahr stellt für Euch eine hervorragende Gelegenheit dar, um das Beste Eures geistigen Erbes wieder an Euch zu bringen. Ich denke dabei auch besonders an die Christen von Blois und von Loiret-Cher, deren Diözese vor dreizehn Jahrhunderten gegründet worden ist. Ich heiße die Mitglieder des Büros des Rates der christlichen Kirchen in Frankreich willkommen, die sich unserem heutigen Gebet haben anschließen wollen. Außerdem gilt mein herzlicher Gruß den Vertretern der Zivilbehörden, die an dieser Feier zu Ehren einer wichtigen Gestalt Eurer Nation teilnehmen. 2. Der hl. Martin wurde in einem Land geboren, das hunderte Kilometer von hier entfernt ist: Pannonien, das heißt Ungarn, wo ich vor kurzem gewesen bin, und er legte beachtliche Entfernungen zurück, um „den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden“. Heute gilt mein Dank Kardinal Läszlö Paskai dafür, daß er aus Liebe zum hl. Martin denselben Weg eingeschlagen hat. Die Verehrung für ihn breitete sich (im Laufe der Jahre) nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa aus. Die langanhaltende Kraft seiner Ausstrahlung spielte eine wichtige Rolle bei der Konversion von König Chlodwig und im Leben des französischen Volkes. Tausende von Kirchen und Gemeinden wurden nach dem hl. Martin benannt. Wir alle kennen die berühmte Begebenheit aus dem Leben des hl. Martin, als er nämlich eines Tages während seiner Zeit als Soldat einen Bettler traf, nackt und vor Kälte zitternd. Martin nahm seinen Mantel, schnitt ihn entzwei und bedeckte damit den Armen. Genau dasselbe sagt das Evangelium nach Matthäus, das wir gerade gehört haben: „Ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben“ {Mt 25,36). Am Tag des Jüngsten Gerichts wird Jesus diese Worte an jene richten, die zu seiner Rechten stehen werden, das heißt an diejenigen, die Gutes getan haben. Dann werden sie fragen: „Herr, wann haben wir dich ... nackt (gesehen) und dir Kleidung gegeben?“ {Mt 25,37-38). Und Christus wird ihnen antworten: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). Als er dem Armen von Amiens die Hälfte seines Mantels gab, übersetzte Martin durch eine konkrete Geste die Worte Christi, die das Jüngste Gericht ankünden: wenn in Anwesenheit des Menschensohnes alle Völker zusammengerufen werden, „und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken“ {Mt 25,32-33). Und er wird zu jenen, die ihm zur Rechten stehen, sagen: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“ {Mt 25,34). Die Kirche hat über das Leben des hl. Martin nachgedacht, vor allem über seinen Eifer in der Nächstenliebe, und sie war sofort davon überzeugt, daß der Bischof von Tours zum Kreis der Auserwählten gehört. 376 REISEN 3. Um Christus zu erkennen, der in jedem dieser Geringsten, die die Seinen sind, gegenwärtig ist (vgl. Mt 25,45), muß man seine Anwesenheit in innerlicher Sammlung wahrgenommen haben. Als Mann des Gebets ließ sich Martin ganz von Christus erfassen. Er konnte also wie der hl. Paulus sagen: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Sein Dasein war von der Suche nach Schlichtheit gekennzeichnet. Er war gegen seinen Willen zum Bischofsamt berufen worden und bewahrte immer seinen Sinn für Demut; er blieb der Mönch, der er seit seiner Jugend eigentlich hatte sein wollen. Es lag ihm, der einer der Gründer des westlichen Mönchtums gewesen war, besonders am Herzen, an seiner Seite, in der Nähe von Tours, eine Klostergemeinschaft einzurichten, um ein Leben des Lobpreises zur Herrlichkeit Gottes zu führen und die christlichen Tugenden zu praktizieren, vor allem die gegebene und empfangene Vergebung. 4. Als Evangelisierer der Dörfer und ländlichen Gegenden war Martin ein Gründer, dessen Werk auch heute noch einen Aufruf zur Verbreitung des Evangeliums „in alle Winkel der Welt“ darstellt (vgl. Mt 28,20). Liebe Brüder und Schwestern: Der Aufbau der Kirche geht weiter. Belebt Eure Pfarreien und Gemeinschaften mit der ganzen Kraft der Hoffnung! Man muß sich fragen: Wie kann die christliche Gemeinschaft die Werte des Evangeliums in einer Welt, die sie oft verkennt, Vorschlägen und verteidigen? Laßt Euch vom Wort Christi erfassen, und setzt es im täglichen Leben in die Tat um! Hört auf die Lehren, die die Kirche Euch von seiten des Herrn übermittelt, lernt, sie zu verstehen und sie klar weiterzugeben! Ihr habt verschiedene Gnadengaben empfangen, aber alle in demselben Geist (vgl. 1 Kor 12,4). Die einen setzen sich zusammen mit ihren Hirten speziell für das Leben der Gemeinschaft ein, insbesondere um die Liturgie lebendig und schön zu gestalten; andere stellen sich spontan in den demütigen und selbstlosen Dienst an den Armen, den Ausländem und den Kranken; wieder andere verstehen es am besten, ihren Brüdern und Schwestern die Frohe Botschaft zu überbringen, um ihnen zu vermitteln, wie Christus alle Straßen des Lebens erleuchtet. Möge ein jeder im Gebet das aufnehmen, was der Geist ihm eingibt, möge jeder Getaufte, egal welchen Alters, seinen Teil der Verantwortung und des Dienens in einträchtigen, offenen und freundschaftlichen kirchlichen Gemeinschaften übernehmen! So werdet Ihr auf dem vom hl. Martin abgesteckten Weg voranschreiten: Er hatte verstanden, daß Christus alle Menschen erreichen möchte, um ihnen zu sagen, daß sie von Gott beseelt und berufen sind, ihn kennenzulemen. Jesus hat sein Leben aus Liebe zur ganzen Menschheit hingegeben. Und Ihr, die Ihr durch die Taufe Christus ähnlich seid, wie antwortet ihr auf seine Liebe? 5. Der hl. Martin blieb ein guter Hirte bis zuletzt. Ein Bericht seines Todes ist bis zu uns gedmngen. Martin machte sich die Worte des hl. Paulus zu eigen: „Daß ... Christus ... durch meinem Leib verherrlicht wird, ob ich lebe oder sterbe“ (Phil 1,20). Was wir im Brief an die Philipper lesen, stellt in einem gewissen Sinne das Vorbild dar, an dem er sich orientiert hat. Wie der hl. Paulus konnte 377 REISEN auch er behaupten: „Denn für mich ist Christus das Leben und das Sterben Gewinn. Wenn ich aber weiterleben soll, bedeutet das für mich fruchtbare Arbeit. Was soll ich wählen? Ich weiß es nicht. Es zieht mich nach beiden Seiten: Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu sein - um wieviel besser wäre das! Aber euretwegen ist es notwendiger, daß ich am Leben bleibe“ {Phil 1,21-24). Angesichts des Todes drückt Martin, wie der Apostel, seinen Wunsch zu sterben aus, um bei Christus zu sein, aber er akzeptiert, auch weiterhin als Hirte zu dienen, falls die Menschen ihn brauchen. Diese Einstellung symbolisiert die ganze Wahrheit des christlichen Daseins. 6. Das Evangelium ist die Spur, die zu Christus führt und - durch ihn - zum Haus des Vaters. Alle seine Jünger möchten zu diesem Haus gelangen; sie sehnen sich danach, bei Christus zu sein. Aber ein solche Aussicht entbindet jene, die sich zu Christus bekennen, nicht von der Verpflichtung, sich im täglichen Leben einzusetzen. Christus folgend, sind sich die Menschen nach dem Schlag des hl. Martin bewußt, daß dieser Weg durch verschiedene Formen des Dienstes am Nächsten führt, angefangen mit dem allerersten dieser Dienste, der Verkündigung des von Christus gewirkten Heils. Dieser Dienst wird Euch auf den Straßen, die Christus eröffnet hat, dem Haus des Vaters näherbringen. Liebe Brüder und Schwestern! Der hl. Martin hat Euch ein einzigartiges Zeugnis der Zugehörigkeit zu Christus hinterlassen. Seine vollkommene Hingabe ist für Euch Beispiel und Ermutigung: Verkündet weiter das Evangelium, so wie er es tat, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2)! Schenkt Christus vertrauensvoll und freudig Euer Leben: Er wird es annehmen und so gestalten, daß es das Beste von sich gibt. Der hl. Martin war ein bewundernswerter Apostel, aber es genügt nicht, sich nur daran zu erinnern. Unter den heutigen Umständen sollt Ihr Eurerseits lebendige Mitglieder der lebendigen Kirche sowie einträchtiger und aufnahmebereiter Gemeinschaften sein, die es verstehen, über die „Hoffnung, die sie erfüllt, Rede und Antwort zu stehen“ (vgl. 1 Petr 3,15). Nur wenige Jahre trennen uns noch vom dritten Jahrtausend: Seid für diesen Termin bereit! Der hl. Martin von Tours begleitet Euch. Glücklich seid Ihr, Christen von Frankreich, daß Ihr es verdient habt, zu Beginn Eurer Geschichte einen solchen Schutzpatron zu bekommen! Ich danke dir, Kirche von Tours. Möge dich die Sonne heute begleiten, so wie sie es gestern in Sainte-Anne-d’Auray getan hat! Herzliche Glückwünsche! 378 REISEN Der hl. Martin als Vorbild der Nächstenliebe Ansprache beim Treffen mit den „vom Leben Verwundeten“ in der Basilika von St. Martin in Tours am 21. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Selig seid ihr, denn euch gehört das Himmelreich!“ Ich begrüße Euch alle mit herzlicher Zuneigung, denn ich messe unserem Treffen große Bedeutung bei. Eure Gesichter drücken Hoffnung aus; Eure Gesichter sprechen auch von Gott, denn Ihr seid wertvoll in seinen Augen. Der hl. Martin hat uns an diesem Nachmittag in der Basilika versammelt, wo sich sein Grab befindet. Während seines ganzen Daseins versuchte er, die Botschaft der Seligpreisungen, so wie wir sie gerade eben erneut gehört haben, in Vollendung zu leben. Er begleitet uns auf unsichtbare Weise, und ich bitte ihn, zu uns zu kommen und uns zu erleuchten, denn er war einer der größten Apostel des Evangeliums in eurem Land. In ihm erkennt die Kirche das Vorbild des Christen, der sich ganz seinem Nächsten zuwendet: Er hat sein Leben für seine Brüder hingegeben, wie Christus es getan hatte. Jede der Seligpreisungen ist vom hl. Martin gelebt worden: Er war arm vor Gott und erwartete alles von Gott, ohne auf die eigenen körperlichen, intellektuellen und geistigen Kräfte zu zählen. In einem Geist völliger Hingabe wußte er, daß der Wille Christi für ihn sein einziger Lebenszweck war. Er wollte keine Gewalt mehr anwenden und legte die Waffen ab, um seinem Nächsten zu dienen. Er war traurig über das geistige Elend seiner Zeit und wanderte durch das ganze Land, „um den Armen die Frohe Botschaft, den Gefangenen Freiheit und den Trauernden Freude zu verkünden“. Er hungerte und dürstete nach Gerechtigkeit und verstand es, eine Lebensart gemäß der Gerechtigkeit Gottes zu finden, die über die der Menschen hinausgeht. „Mit dem Herrn durch eine sehr fürsorgliche Barmherzigkeit verbunden“ (Sulpicius Severus), war er ein Mann des Verzeihens und eilte den Armen zu Hilfe, die Gott auf seinen Weg schickte. Er hatte ein reines Herz und konnte so den Versuchungen widerstehen. Er war ein Friedensstifter und deshalb in der Lage, mehrere Konflikte seiner Zeit zu einem friedlichen Ende zu bringen, ohne „die Last des Tages und die Arbeit“ {Mt 20,12) zu scheuen. Er wurde um der Gerechtigkeit willen verfolgt und bewies, daß Christus ein ganzes Leben erfüllt und verdient, daß man ihm um jeden Preis nachfolgt. 2. In der heutigen Gesellschaft kennen wir zuviele Formen der Armut, der Traurigkeit und der Bedrängnis. Materielle Armut, Krankheit, körperliches Leiden, verschiedene Arten der Ausgrenzung, von denen unsere Zeitgenossen betroffen sind: Die Ausdrucksformen des Unglücks sind vielfältig. Keiner kann sicher sein, ihnen sein ganzes Leben lang zu entgehen. Manche Menschen erleben sogar mehrere davon, weil diese Dinge sich gegenseitig verursachen. Und es kommt dann ein Augenblick, wo nirgends mehr ein Ausweg zu sehen ist, wo das Leben nicht 379 REISEN mehr als ein Geschenk Gottes, sondern als eine Last erscheint. In diesen Momenten erhält die Seligpreisung der Leidgeplagten ihren ganzen Sinn. Christus hat es gewagt, zu verkünden, daß die Weinenden glücklich sind und Trost finden werden (vgl. Mt 5,4). Er bekräftigt, daß sie zu einer Freude ohne Ende berufen sind. Durch seine unendliche Liebe antwortet der Herr also auf den Wunsch, glücklich zu sein, der im Herzen eines jeden Menschen wohnt. Denn was ist größer und wichtiger, als geliebt und anerkannt zu werden, und zwar für das, was man ist, für die Schönheit des eigenen inneren Wesens, das weder vom Aussehen noch vom unmittelbaren Nutzen, den man den anderen bringen kann, abhängig ist? Wie der hl. Martin, so sind auch wir aufgefordert, unsere Augen zu öffnen und in dem Armen, der am Stadttor vor Kälte umkommt, oder im Fremden, der an unsere Tür klopft, einen Bruder zu erkennen, den es aufzunehmen und zu lieben gilt. Eine Gesellschaft wird nach der Beachtung beurteilt, die sie den vom Leben Verwundeten schenkt, und nach der Haltung, die sie ihnen gegenüber einnimmt. Jedes ihrer Mitglieder wird eines Tages Rechenschaft ablegen müssen für seine Worte und Taten gegenüber jenen, die niemand beachtet und von denen man sich abwendet. Der Arme von Amiens, so steht es im Leben des hl. Martin [Sulpicius Severus, Vita S. Martini, 3,1] zu lesen, „flehte die Passanten vergeblich an, sie möchten Mitleid mit seinem Elend haben: Sie liefen einfach an ihm vorbei“. Durch ihre Gleichgültigkeit waren sie nicht in der Lage, ihren Bruder zu erkennen. Indem sie ihren Nächsten nicht beachteten, haben sie einen Teil ihrer eigenen Menschlichkeit verhöhnt. An jenem Tag verstand es keiner von ihnen, in der Person des Armen den vor Kälte zitternden Christus zu erkennen. Jeder an Körper oder Geist Verwundete, jeder seiner grundlegenden Rechte beraubte Mensch ist ein lebendes Abbild Christi. „In den Armen und Leidenden erkennt sie [die Kirche] das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war“ (Lumen Gentium, Nr. 8). Durch seinen Tod am Kreuz bleibt Christus, der das äußerste Leiden kennengelemt hat, uns allen nahe. Aber wenn wir über das Geheimnis seiner Passion nachdenken, entdecken wir die vom Herrn angebotene Hoffnung. Durch seine Liebe zu uns hat Er uns einen neuen Weg eröffnet. Durch seine Auferstehung am Ostermorgen bezeugt Er, daß der Tod und das Leiden nicht mehr das letzte Wort über den Menschen haben und daß eine Zukunft immer möglich ist. Eine Existenz, die, mit menschlichen Maßstäben gemessen, scheinbar in einer Sackgasse steckt, ist in Wirklichkeit zu einem Durchgang geworden. Ja, liebe Freunde: Ihr, auf denen das Leiden lastet, Ihr steht in der ersten Reihe derer, die Gott liebt. Wie auf all jene, denen er auf den Straßen Palästinas begegnete, so hat Jesus seinen liebevollen Blick auch auf Euch geworfen; seine Liebe wird Euch nie fehlen. Da ihr seit eurem Ursprung Kinder Gottes seid, habt ihr in der Kirche, dem Leib Christi, einen bevorzugten Platz. Angesichts der zunehmenden Angriffe auf die Würde und Unversehrtheit der Personen und angesichts der zunehmenden Zahl der Ausgeschlossenen muß man neue 380 REISEN Wege für das persönliche und gemeinschaftliche Leben finden, die eine Überwindung der Krisen ermöglichen, vor allem in Ländern wie dem euren, die über große menschliche und natürliche Ressourcen verfügen. Es ist nötig, neue Formen der Solidarität zu entwickeln, sowohl im Innern einer jeden Gesellschaft als auch zwischen den verschiedenen Nationen. Wäre es nicht angebracht, gewisse Verfahren zu überdenken und eine gerechtere Verteilung der Güter zu fördern, um allen Menschen Zugang zur Arbeit zu sichern? Sind jene, die das Glück haben, genug zu besitzen, bereit, mit den anderen zu teilen, die nicht genug haben, um ein anständiges Leben führen zu können? Ein schlichterer Lebensstil würde es vielen Menschen erlauben, Verschwendung zu vermeiden und den Bedürfnissen ihrer Nächsten gegenüber aufmerksamer zu sein. Jeder Mensch, wie bedürftig er auch sein mag, ist nach dem Abbild Gottes geschaffen, und er kann diese Würde durch nichts verlieren. Wo immer er auch her-kommen und was immer auch die Schwere seiner Prüfung sein mag: Wer ihn nicht anerkennt, spricht sich selbst das Urteil, daß er nichts vom Leben versteht. 3. Hören wir die Botschaft der Seligpreisungen: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden“ (Mt 5,7). Die Barmherzigkeit, von der Christus spricht, das ist die zärtliche Liebe Gottes; sie drückt sich in besonders hohem Grad in der Vergebung aus. Das erbarmungsvolle Herz läßt sich auch vom Elend der anderen berühren und findet keine Ruhe, solange es nicht alles getan hat, was in seiner Macht ist, um den Menschen in Not Hilfe zu bringen. Um in das Himmelreich zu gelangen, muß man dieses Herz voll Erbarmen haben, das nicht nur empfänglich ist für die Not der anderen, sondern auch in der Lage, das Leid zu lindem, die Einsamkeit aufzubrechen und sich aktiv für die Aufnahme bedürftiger Brüder und Schwestern einzusetzen. Die Barmherzigen werden Erbarmen finden. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40), wird Christus am Jüngsten Tag zu ihnen sagen. Das Glück der Ewigkeit wird in dem Glück bestehen, Gott zu sehen und ihn zu erkennen in all jenen, die von ihm auf unseren Weg gestellt worden sind und mit denen wir dann endgültig von der Liebe leben werden, die kein Ende hat. Dieses Glück ahnen wir schon heute. Das Evangelium fordert uns auf, unserem Nächsten gegenüber brüderlich zu handeln, weil Gott in ihm gegenwärtig ist und auf uns wartet. Die Beziehung zu Gott ist untrennbar von der Liebe zum Nächsten, vor allem zum Armen, dem wir begegnen. 4. Die Aufmerksamkeit für die Bedürftigen ist eines der Hauptkriterien der Zugehörigkeit zu Christus. Sie muß das weltliche Engagement eines Christen kennzeichnen. Der Glaube geht Hand in Hand mit einer Aktion zugunsten unserer Brüder im Menschengeschlecht, denn „die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14), jedem Menschen zu dienen: dem, den wir heben, und dem, den wir nicht genug lieben. Darum rufe ich zu einer wirklichen Solidarität unter allen Menschen auf. 381 REISEN Wann werden die Rechte eines jeden Menschen auf Arbeit, Unterkunft, Kultur, Gesundheit und auf ein Dasein, das dieses Namens würdig ist, wirklich geachtet? Die Kirche würde in ihrer Sendung jämmerlich versagen, wenn sie nicht an diese dringende Pflicht erinnern würde, daß - in den reichen westlichen Gesellschaften wie in jeder anderen Gesellschaft - alles getan werden muß, um die Plagen auszurotten, die immer noch auf unserem Planeten grassieren. Christus ist gekommen, um „den Armen eine gute Nachricht“ zu bringen (Lk 4,18). Keiner seiner Jünger, keiner seiner Brüder ist von der Verpflichtung befreit, sich an dieser anspruchsvollen, heilsamen und lohnenden Arbeit zu beteiligen. 5. Möge der hl. Martin Euch alle Tage leiten! Möge er Euch die Worte, Taten und Gesten der Liebe, der Brüderlichkeit und des Mitleids eingeben, die Euch helfen, zu leben! Seit 1600 Jahren ist er der Fürsprecher beim Vater für all jene, die sich vertrauensvoll an ihn wenden. Wenn Ihr ihn bittet, wird er keinen von Euch verlassen, keinen von denen, die er auf den gewundenen Wegen des Lebens sich plagen sieht. Am Tor von Amiens schenkte Martin die Hälfte seines Mantels. Möge er unser Vorbild der konkreten und wahrhaften Nächstenliebe bleiben! Als Zeichen der Liebe, die von Gott kommt, und als Unterpfand der auf Christus begründeten Hoffnung spende ich Euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen, und ich dehne ihn aus auf all jene, die Ihr vertretet, und auf all jene, die unter einer Verwundung leiden und den Herrn bitten, sie zu heilen. Ich möchte unserer Welt folgendes sagen: Teilen macht glücklich! Freude ist möglich! Gott behüte Euch allezeit! Zu den Ursprüngen unserer Taufe zurückkehren Predigt während der Messe auf dem Flughafen von Reims am 22. September 1. Liebe, hier versammelte Brüder und Schwestern! Der Bischof von Rom begrüßt Euch anläßlich dieser feierlichen Gedenkstunde zu einem Ereignis, das die Geschichte Eures Landes geprägt hat. Ich danke dem Erzbischof von Reims, Msgr. Defois, für seine Aufnahme und allen anderen Bischöfen, die um mich sind. Ich freue mich über die Anwesenheit der Hirten und Gläubigen aus den Nachbargebieten, die Euer Erbe teilen. Besonders grüße ich die Kardinäle und die Bischöfe, die aus zahlreichen Ländern Europas gekommen sind. Ich richte einen brüderlichen Gruß an die Vertreter der anderen christlichen Konfessionen, deren Gegenwart ihre freundschaftlichen Beziehungen zu den Katholiken Frankreichs beweist. Außerdem möchte ich der jüdischen Gemeinschaft, die heute abend ihr Fasten und Beten zum Yom Kippur beginnt, meine besten Wünsche aussprechen. Herzlich begrüße ich die Regierungsvertreter, die sich dieser Feierstunde angeschlossen haben. 382 REISEN 2. „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5). Die Liturgie dieser hl. Messe fordert uns auf, zu den Ursprüngen unserer Taufe zurückzukehren. Vor fünfzehn Jahrhunderten wurde dem französischen König Chlodwig dieses Sakrament gespendet. Seine Taufe hatte denselben Sinn wie jede andere Taufe auch. Erinnern wir uns an die Worte Christi: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh 3,5). Es war also dem Oberhaupt der Franken gegeben, zum Leben im Reich Gottes bestimmt zu sein. Er hatte lange Zeit über die christliche Botschaft nachgedacht, für die Clothilde, Remigius, Vaast und Genevieve bei ihm Zeugnis ablegten. Er entschied sich dafür, dem Geist des Bösen und all dem, was zum Bösen führt, sowie allem Hochmut zu widersagen; gleichzeitig bekehrte er sich zum Glauben der Kirche und bekannte sich zu Jesus, dem menschgewordenen Sohn Gottes, gestorben und auferstanden für die Erlösung der Welt. Die Taufe hat ihn von der Erbsünde und jeder zuvor begangenen Sünde befreit, und sie hat ihn, durch die heiligmachende Gnade, am Leben Gottes teilhaben lassen. Seine mit ihm getauften Landsleute erhielten dieselben Gaben. Sie wurden Christen, Adoptivkinder Gottes. Sie wurden auch zu Mitgliedern des Volkes Gottes, der Kirche. 3. Wir haben die Worte des Propheten Ezechiel gehört, die besonders diesen zweiten Aspekt der Taufe unterstreichen. Er wendet sich, im Plural und nicht im Singular, an die Söhne und Töchter des Gottesvolkes, und das hat seine Bedeutung. Er sagt: „Ich hole euch heraus aus den Völkern ... Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit... Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch ... Ich bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (Ez 36,24-27). Wenn der Neugetaufte den Geist empfängt, tritt er in die Gemeinschaft der Getauften ein, die durch dieses Geschenk bereichert wird; es ist dies die Gemeinschaft, die Gott versammelt und reinigt, um ihr einen neuen Geist zu geben. Der Prophet Ezechiel richtet sich an das Gottesvolk des Alten Bundes, an Israel. Das Volk des Neuen Bundes, das sind alle Getauften aller Völker und Nationen, und jede dieser Nationen hat ihre eigene Geschichte: eine Geschichte, die von der Hinwendung zu Christus von vielen Männer und Frauen aus allen Generationen gezeichnet ist. 4. Das Evangelium dieser Messe zeigt andererseits, daß die Taufe auch die ganze Gemeinschaft angeht. Christus sagt zu seinen Jüngern: „ihr seid das Salz der Erde ... Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,13.14). Wenn er so spricht, meint er jeden Menschen: Jeder Christ ist das Salz der Erde, und jeder muß sich dafür einsetzen, daß das Salz seinen Geschmack nicht verliert; wenn es geschmacklos wird, taugt es zu nichts mehr. Gleichzeitig wendet sich Christus aber auch an die ganze Gemeinschaft: Ihr getauften Christen, Ihr Katholiken Frankreichs, Ihr könnt als Gemeinschaft den Geschmack der Botschaft des Evangeliums erhalten, aber Ihr könnt ihn auch verlieren. Als Gemeinschaft, die das von Gott kommende Licht in 383 REISEN ihrem Herzen trägt, könnt Ihr das Licht sein, das den anderen leuchtet, wie eine Stadt oben auf einem Berg, aber Ihr könnt auch zum Gegenteil dieses Lichts werden, das den anderen leuchtet. Die Menschen können Eure guten Werke sehen und den Vater im Himmel dafür preisen (vgl. Mt 5,16), oder sie können sie auch nicht sehen, vielleicht einfach deshalb, weil das Licht unter dem Scheffel verborgen oder weil es schwächer geworden ist! Diese große Jubiläumsfeier zur Taufe Chlodwigs gibt Euch Gelegenheit, über die von Euch empfangenen Gaben und über die sich daraus ergebende Verantwortung nachzudenken. Im Laufe der Jahrhunderte sind diese Gaben ganz sicher zahlreiche Male in jenen gemehrt worden, die in Eurem Land zum Salz der Erde geworden sind, das heißt in jenen, die das große Licht des christlichen Zeugnisses, des Apostolats, des missionarischen Geistes, des Martyriums und aller Formen der Heiligkeit in der Vergangenheit haben erstrahlen lassen und dies auch in Zukunft tun werden. Man denke nur an die Märtyrer seit Pothin und Blandine aus Lyon, an die Hirten wie Martin oder Remigius, Franz von Sales oder Eugen de Mazenod, an die heiligen Frauen wie Jeanne d’Arc, Marguerite-Marie oder Therese von Lisieux, an die Apostel der Nächstenliebe wie Vinzenz von Paul, an die heiligen Erzieher wie Nicolas Roland oder Johann Baptist de la Salle in dieser selben Stadt, an die Gründerinnen von missionarischen Orden wie Anne-Marie Javouhey oder Claudine Thevenet. Dieses große Jubeljahr der Taufe soll Euch dazu führen, eine großangelegte Bilanz der geistigen Geschichte der „französischen Seele“ zu ziehen. Mit Sicherheit erinnert Ihr Euch an dunkle Zeiten, an viel Treulosigkeit und Konfrontation als Ergebnis der Sünde. Aber Ihr seid Euch sicher auch bewußt, daß jede durchgemachte Prüfung einen dringenden Aufruf zur Bekehrung und zur Heiligkeit darstellt, um Christus, der sein Leben für das Heil der Welt hingegeben hat, bis zum Äußersten zu folgen. Gerade wenn die Nacht überall um uns ist, sollten wir an die bevorstehende Morgendämmerung denken, wollen wir glauben, daß die Kirche jeden Morgen durch ihre Heiligen wiedergeboren wird. „Wer dies einmal verstanden hat - sagte Bemanos -, ist in den Mittelpunkt des katholischen Glaubens vorgedrungen; er hat in seinem sterblichen Fleisch ... das Zucken einer übermenschlichen Hoffnung verspürt“ (in: Jeanne, relapse et sainte). 5. Der hl. Paulus schrieb an die Epheser: „Ich ... ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging“ (4,1). Paulus denkt dabei natürlich an die persönliche Berufung jedes einzelnen Empfängers seines Briefes, aber auch in diesem Fall wendet er sich genauso an die ganze Gemeinschaft der Kirche in Ephesus. Als Kirche müssen sich die Epheser in einer ihrer Berufung würdigen Weise verhalten, demütig und friedfertig, geduldig und hebevoll (vgl. Eph 4,2). Es sollte allen am Herzen hegen, „die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden“ (Eph 4,3). Damit der Leib Christi eins sei, müssen alle vom gleichen Geist beseelt sein. Paulus schreibt: „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alle und in allem ist“ (Eph 4,5-6). Alle Getauften sind zur Einheit aufgerufen: Einheit des Glaubens, der Nächstenliebe und 384 REISEN des christlichen Lebens, sakramentale Einheit der Kirche. Diese Einheit ist das Werk Gottes - des Heiligen Geistes aber sie ist gleichzeitig auch jedem einzelnen anvertraut, damit er gemäß der ihm geschenkten Gaben dazu beiträgt. Im Kontext des heute gefeierten Jubiläums offenbaren die Worte des hl. Paulus eine tiefe Bedeutung. Gerade weil ihr schon so viele Jahrhunderte der Christenheit hinter Euch habt, seid Ihr aufgerufen, in einer der christlichen Berufung würdigen Art zu handeln. Die Berufung der Getauften hat eine konstante, ewige Dimension, und sie hat eine individuelle, irdische Dimension. In einem gewissen Sinne haben die Christen unserer Zeit dieselbe Berufung wie die ersten Generationen der Christen Eures Landes, aber gleichzeitig wird ihre Berufung von der aktuellen Epoche der Geschichte bestimmt. Die Kirche ist immer eine Kirche der Gegenwart. Sie betrachtet ihr Erbe nicht als den Schatz einer überholten Vergangenheit, sondern als eine kraftvolle Inspiration, um die Pilgerreise des Glaubens auf immer neuen Wegen voranzutreiben. Bald wird die Kirche in ihr drittes Jahrtausend ein-treten. Wir müssen unsere christliche Berufung im Hinblick auf unsere Zeit entschlüsseln, im Licht der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche als das Licht der Völker und über die Kirche in der Welt von heute: mit einer brüderlichen Haltung und Liebe zu allen Menschen hat die Kirche keinen anderen Zweck, als „unter der Führung des Geistes, des Trösters, das Werk Christi selbst weiterzuführen, der in die Welt kam, um der Wahrheit Zeugnis zu geben; zu retten, nicht zu richten; zu dienen, nicht sich bedienen zu lassen“ (Gaudium et spes, Nr. 3). In Eurer Gemeinschaft im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe mit euren Brüdern in allen Teilen der Welt, sollt Ihr Katholiken Frankreichs heute der lebendige Abglanz des Antlitzes Christi sein, der in seinem Leib, der Kirche, gegenwärtig ist! 6. Brüder und Schwestern, wir haben als Kehrvers des Psalms gesungen: „Ich habe gewählt, im Haus Gottes zu wohnen; ich habe das Glück und das Leben gewählt.“ Möge Euch diese Jubiläumsfeier der Taufe Chlodwigs mit Freude erfüllen, denn sie erinnert an die Entscheidung vor fünfzehn Jahrhunderten. Man darf sich freuen über diese Entscheidung, die im Laufe der Jahrhunderte von so vielen Söhnen und Töchtern Eures Landes wiederaufgenommen worden ist; und man darf sich jetzt über die Entscheidung unserer Generation zum Ende des zweiten Jahrtausends freuen, „ich habe gewählt, im Haus Gottes zu wohnen; ich habe das Glück und das Leben gewählt.“ Diese Worte versetzen uns auch in die eschatologische Perspektive der christlichen Berufung, in die Perspektive des Endes aller Zeiten, wenn Christus alle Mitglieder seines Leibes im Reich des Vaters versammeln wird. Durch die uns geschenkte Gnade können auch wir singen: „Ich habe das Glück und das Leben gewählt.“ Ja, im Hause Gottes zu leben ist ein Quell des Lebens und der Freude. Wir gedenken derer, die uns vorangegangen und nunmehr im Hause Gottes aufgenommen worden sind; wir beten außerdem für jene, die noch auf dem Weg sind, und dafür, daß sich auch viele andere 385 REISEN auf diesen Weg machen. Möge das Licht des Glaubens nie aufhören, zu leuchten! Es begleite Euch die Freude darüber, Euch frei für eine Vereinigung mit Christus in der Taufe entschieden zu haben, um mit Euren Brüdern die Wege des Lebens zu gehen! So feiern wir heute das Gedächtnis der Taufe von König Chlodwig vor tausendfünfhundert Jahren. Amen! Die Mutter Christi wacht über dieses Volk Angelus am Schluß der hl. Messe in Reims am 22. September Am Ende dieser festlichen Messe, wo wir der Taufe Chlodwigs gedacht und Dank gesagt haben für das Volk der Getauften, das heute die Kirche in Frankreich bildet, wenden wir uns Unserer Lieben Frau, der Patronin dieses Landes, zu. Die Mutter Christi wacht über dieses Volk, dem sie seit Jahrhunderten auf dem Pilgerweg des Glaubens vorangeht. Maria ist die erste unter zahllosen Heiligen, die in diesem Land gelebt haben: In der Menge sehe ich die Bildnisse, die Ihr ihnen gewidmet habt; damit beweist Ihr, daß sie in der Gemeinschaft der Glaubenden lebendig gegenwärtig sind. An zahlreichen Orten Frankreichs hat die Jungfrau Maria ihre mütterliche Gegenwart gezeigt. Sie empfängt die Pilger, die kommen, um ihre Freuden und Leiden ihr anzuvertrauen. Sie tröstet die Leidenden. Sie begleitet so manche Bekehrung. Sie ermutigt so manche Berufung. An diesem feierlichen Tag bieten wir dir, o heiligste Jungfrau, deine Söhne und Töchter in Frankreich dar. Bewahre die Kirche in diesem Land in der Treue zum Evangelium deines Sohnes, in der Einheit des Glaubens und in der Tatkraft der Hoffnung. Mach die Getauften dieses Volkes zu mutigen Zeugen der Wahrheit und zu Baumeistern des Friedens. Wunderbare Mutter, breite deinen Mantel der Zärtlichkeit über die Familien dieses Landes aus, damit sie das Glück erfahren, zu lieben und Leben weiterzugeben. Treue Jungfrau, hilf den Jugendlichen, die ich hier so zahlreich sehe, hilf den Jugendlichen, im Leben vorwärts zu gehen. Hilf den Jugendlichen, denn sie sind die Hoffnung und die Freude der Kirche und ihres Landes, Frankreich. Hilf den Söhnen der Kirche in Frankreich, daß sie den Schwierigkeiten dieser Zeit in loyaler Zusammenarbeit mit ihren Landsleuten, die anderen religiösen Traditionen oder geistlichen Gemeinschaften angehören, entgegentreten. Du hast der Welt Christus, den Retter, geschenkt: Öffne die Herzen für jede Not, inspiriere alle zu Taten der Solidarität und Gastfreundschaft gegenüber den Brüdern aus den ärmsten Ländern. 386 REISEN O Liebe Frau, Patronin von Frankreich, die du die Wundertaten des Herrn hochgepriesen, die du die Treue Gottes zu den den Vätern gemachten Verheißungen besungen hast, wir loben dich, denn du bist die, die an die Erfüllung des Wortes Gottes und an seine Liebe geglaubt hat, die von Ewigkeit zu Ewigkeit währt. Nach dem Schlußsegen sagte der Papst spontan noch die folgenden Worte: Liebe Freunde, vieles gäbe es zu sagen, vor allem wenn man an den Ersten und an den Zweiten Weltkrieg denkt und an diejenigen, die in dieser Gegend begraben sind; aber ich möchte, um auf Eure Freude und Begeisterung zu antworten, Euch nur danken und Euch nächstes Jahr, so hoffe ich, nach Paris einladen. Sich dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen Frankreichs im Diözesanhaus St.-Sixte in Reims am TL. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. An diesem letzten Tag meines Pastoralbesuchs in Frankreich bin ich glücklich, mit Euch zusammenzutreffen, und ich freue mich über Eure Anwesenheit und über den mir bereiteten Empfang. Ich danke Msgr. Joseph Duval für die soeben in eurem Namen an mich gerichteten Worte, worin er unsere tiefe Gemeinschaft deutlich machte und eine Anzahl Eurer Sorgen erwähnte. Mein Dank geht an Msgr. Gerard Defois, der uns in dieser alten Bischofsstadt Reims und, eben jetzt, im Diözesanhaus Saint-Sixte empfängt. Auch Msgr. Honore, Msgr. Gourves und Msgr. Garnier möchte ich noch einmal danken, die mit ihren Diözesanen die einzelnen Etappen dieser Reise wunderbar organisiert haben. Einen freundschaftlichen Gruß entbiete ich auch den Bischöfen im Ruhestand und versichere ihnen, daß die Kirche sich immer auf ihr Gebet und ihre während ihrer Dienstjahre erworbene Erfahrung verläßt. Besonders grüße ich die unter Euch, die kürzlich ernannt wurden, und jene, die bereit waren, ihren Sitz zu verlassen und die Sorge für eine neue Diözese zu übernehmen. Ich wurde an verschiedene Orte geführt, um große Heilige Eures Landes zu ehren. Wie sollte ich mir hier nicht wiederum ins Gedächtis rufen, daß ich mich unter den Nachfolgern von Martin und Remigius, von Irenäus und Dionysius, von Hilarius und Cäsarius, von Corentin und Patemus, von Franz von Sales und Eugen de Mazenod befinde! Und ich könnte gar nicht alle die heiligen Bischöfe nennen, die Eure Kirchen gegründet oder berühmt gemacht haben. Das Andenken an diese erhabenen Gestalten Eurer Kirchen verweist uns nicht auf eine abgelaufene Vergangenheit; es sagt uns etwas von dem reichen und lebendigen geistlichen Erbe, das Ihr übernommen habt und fortsetzt. Im Lauf der Zeiten wurden Wege eröffnet, und ihr geht jetzt auf diesen Wegen in getreuer und zugleich neuer Weise voran. 387 REISEN 2. Euer Dienst mag manchmal schwer erscheinen; die Sorgen häufen sich an. Als Nachfolger des Petrus komme ich, um Euch mein Vertrauen auszusprechen und Euch Mut zu machen. Der Geist des Herrn schenke Euch Kraft und Licht. Die Eucharistie, die an erster Stelle der Bischof im Herzen der Teilkirche feiert, macht die Gemeinschaft aller offenbar; auf den Wegen des Lebens stärkt Euch die Gegenwart des Erlösers durch sein Wort und sein Opfer. Nie wird Euch die Gnade Eurer Bischofsweihe fehlen, um Eure Sendung zur Einheit in der Liebe und zur Unterscheidung in der Wahrheit zu erfüllen. Unter Eurer Führung wirken alle, Priester, Diakone, Ordensmänner, Ordensfrauen und gläubige Laien, zusammen, um dem Gebäude aus lebendigen Steinen, das ja die Kirche ist, Leben zu geben. Da Ihr nun hier versammelt seid, möchte ich gern die Arbeiten erwähnen, die Ihr gemeinsam im Rahmen der Französischen Bischofskonferenz durchführt. Als Instanz für konzertierte Planung und gegenseitige Hilfe, für Studium und Anregung bietet sie Euch dank dem Austausch Eurer Erfahrungen und allseitigem Aufeinanderhören in kollegialem Geist wertvolle Hilfe im Ausüben Eurer eigenen Verantwortlichkeiten. In Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom und dem gesamten Episkopat der Welt läßt Euch Eure Konferenz die Sorge für die Universalkirche, die das H. Vatikanische Konzil gefordert hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23), ins Konkrete übertragen. Über die versammelten Bischöfe trägt sie auf Landesebene auch zweckdienlich dazu bei, der Kirche ein Image und eine Stimme zu geben. 3. Msgr. Duval hat insbesondere erinnert an Eure Gedanken über die „Proposition de la foi“ (das Angebot des Glaubens) in der heutigen Gesellschaft, wobei deren Entwicklung Rechnung getragen wird. Diese tiefschürfende Arbeit, an der viele Leute beteiligt waren, zeigt die echte Vitalität der Katholiken in Frankreich. Ich bin überzeugt, daß, ausgehend von den umfassenden Orientierungen, die ihr gebt, die Gläubigen, die sich mehr und mehr ihrer Verantwortung und ihrer Sendung als Getaufte bewußt werden, zur Verkündigung des Evangeliums angeregt werden. Das betrifft sowohl die Katechese der Kinder mit einer großen Anzahl Katecheten als auch das Katechumenat der Erwachsenen, das bei Euch wirklich Aufschwung genommen hat. Auch die Familien, wie sie mir in Sainte-Anne-d’Auray in einer wunderbaren Gottesdienstgemeinschaft begegnet sind, haben eine erstrangige Sendung. Die Pastoral muß sie unterstützen. Es ist Eure Sache, die zahlreichen, schon lange bestehenden oder neugegründeten Bewegungen, die den geistlichen Weg und die verschiedenen Unternehmungen Eurer Diözesanen entscheidend beeinflussen, in ihrer Aktion zu koordinieren. In einer Zeit notwendiger pastoraler Neuorganisation, vor allem in den Pfarreien, kann die Tätigkeit der Pastoralräte und der Animationsgruppen in den kleineren Gemeinschaften die Dynamik der Gläubigen verstärken. Ich meine, auf allen diesen Ebenen, an die ich nur kurz erinnere, müssen das Glaubensangebot („proposition de la foi“) und die Anregung von Berufungen Hauptsorgen sein. Wie ich weiß, entwickelt Ihr Ausbildungsmöglichkeiten, die besonders für solche bestimmt sind, die auf allen Ebenen der Diözesen verantwortlich tätig sind. Es ist 388 REISEN in der Tat notwendig, ihnen zu helfen, „Rede und Antwort zu stehen über die Hoffnung“ (vgl. 1 Petr 3,15), die Ausbildung also hinzulenken auf den Inhalt des Glaubens, auf die Hauptströmungen christlicher Erfahrung und auf die Soziallehre der Kirche, ohne zu vergessen, heutige Situationen mit einer guten Kenntnis der Hl. Schrift und der Tradition zu beleuchten, kurz: durch eine solide theologische und geistliche Ausbildung. 4. Seit Jahren war es Eure Sorge, Initiativen zu entwickeln und zu koordinieren, damit die ganze Kirche solidarisch sei mit den Bedürftigsten. Das verpflichtet jeden Getauften, denn er kann nur dann dem Evangelium treu sein, wenn er sich der schwächsten Glieder am Leibe Christi annimmt, dieser „vom Leben Verwundeten“, mit denen in Tours zusammenzutreffen ihr mir ermöglicht habt, sowie aller Menschenbrüder, die vielfältige Zeichen von Elend und Not an sich tragen. Körperlich Arme und im Herzen Arme, ratlos im Hinblick auf den Sinn ihres Lebens, ausgeschlossen von der Arbeit und ohne anständige Lebensbedingungen, seien es eigene Landsleute oder Fremde, sie alle sind es, die der Herr die Kleinen und Demütigen nannte und denen gegenüber er besondere Liebe zeigte. Die Jünger Christi können nicht anders als ihm auf den Wegen der Solidarität folgen. Sie ist Bedingung für den Frieden und Ausdruck der Liebe zum Nächsten. 5. Noch eine andere Ebene der kirchlichen Gemeinschaft möchte ich unterstreichen, nämlich die der Mission jenseits der Grenzen. Im Lauf dieser Reise habe ich bereits gesagt, daß die Großzügigkeit Eurer Kirchen seit langem sehr beachtlich gewesen ist. Trotz der Schwierigkeiten muß sie das auch weiterhin sein. Ich freue mich darüber, daß Eure Diözesen aus ihrer Armut geben, indem sie zustimmen, daß Priester oder Laien ausreisen und geschwisterliche Beziehungen zu jungen Kirchen entwickeln oder zu Kirchen, die nach den Prüfungen der letzten Jahrzehnte sich wieder zu entfalten beginnen. 6. Es wäre mir nicht möglich, alle Aspekte Eures Dienstes zu erörtern. Wir werden dazu mehr Zeit haben bei Euren Ad-limina-Besuchen anfangs nächsten Jahres. Doch möchte ich Euch noch mit einem Wort zur Pastoral der Jugend ermutigen, der ebenfalls die Arbeit Eurer Konferenz galt. Laßt in Eurem Bemühen nicht nach, die Jugend wieder zu erreichen, trotz der Überalterung vieler führenden Gruppen. Sie erwarten, daß man sie hört, daß man sie begleitet, und vor allem, daß man ihren Platz und ihre Initiativen im kirchlichen Leben anerkennt. Zahlreich haben sie sich bei der Vorbereitung des Weltjugendtages in Paris eingesetzt. Sagt ihnen, daß der Papst auf sie zählt, wenn es darum geht, ihre Gefährten aus der ganzen Welt zu empfangen und mit ihnen ihre besten Erfahrungen zu teilen. 7. In der öffentlichen Meinung, die durch die Medien verbreitet wird, stoßt Ihr auf - manchmal geräuschvollen - Widerstand, ein Wort der Kirche über wichtige Aspekte des persönlichen Lebens oder über die soziale und wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen. Möge Euer Bemühen, in der Kommunikation zu investieren, Euch 389 REISEN die Möglichkeit geben, Mißverständnisse zu beseitigen! Wir haben den Wunsch, gleichzeitig mit der Verkündigung des Heils in Jesus Christus (vgl. Apg 4,12) die Würde des Menschen, die Treue gegenüber seiner tiefsten Natur und die Treue zu seiner Berufung zu fördern. In einer Gesellschaft, die viel zur Anerkennung der menschlichen Freiheit und der Rechte der Person beigetragen hat, versteht es sich von selbst, daß das Aussprechen der eigenen Überzeugungen nicht bedeutet, diese Überzeugungen aufzwingen zu wollen, sondern daß damit von einem unveräußerlichen Recht Gebrauch gemacht wird (vgl. Dignitatis humanae). Die christliche Auffassung der Achtung vor dem Leben und der Würde der Person wird erhellt durch eine von Generation zu Generation im Licht des Glaubens gemachte tiefe Erfahrung und Reflexion. Ein ruhiger und respektvoller Dialog aller Geistesrichtungen sollte die augenblicklichen Debatten positiver gestalten. Wir haben keine andere Absicht, als dem Menschen im Geist universaler Brüderlichkeit zu dienen, wie es das II. Vatikanische Konzil so stark zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 3 ff.). 8. Beim Nahen des dritten Jahrtausends werdet Ihr an bedeutenden Treffen teilnehmen müssen, wie an der Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa, die ich kürzlich angekündigt habe. Es ist auch angemessen, daß Eure Teilkirchen aufmerksam bleiben für das Bestreben der Kirchen in allen Kontinenten, ihre Treue zu der von Christus gegebenen Sendung zu entfalten. Die Vorbereitung auf das Große Jubiläum tritt jetzt in eine aktivere Phase. Wie ich es im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente gewünscht habe, müssen wir einen klaren Blick auf die vergangenen Zeiten richten, wie wir es heute tun in der Erinnerung an die Taufe Chlodwigs, seit der die Nation nach und nach tiefe Bande mit der Kirche Christi angeknüpft und festgelegt hat. Doch das Jubiläum fordert dazu auf, Perspektiven zu eröffnen: zweifellos soll das Edelste in den Überheferungen Eurer Nation, die eine so weite Ausstrahlung hatte, zur Geltung gebracht werden, aber diese Erfahrung soll zum Ausgangspunkt werden, um besser auf die Herausforderungen unserer Zeit zu antworten. Das Jubiläum stellt auch einen dringenden Appell dar, die Evangelisierung zu entwickeln, sich dem Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen, der den Weg der Kirche erhellt, denn „der Geist ist auch für unsere Zeit die Hauptkraft der Neuevangelisierung“ (ebd., Nr. 45). Mögen in Euren Diözesangemeinschaften das Gebet und die Überlegungen aller eine Einladung dazu sein, dieses Jubiläum als ein Ereignis in der Geschichte der Erlösung aufzunehmen, in der spirituellen Geschichte der Kirchen wie in der eines jeden Menschen. Dieses Jubiläum feiert das Kommen des Herrn in die Menschheit, um sie zu versöhnen. Christus ist unsere Hoffnung. Liebe Brüder im Bischofsamt, ich danke Euch noch einmal für Euren Empfang. Ich vertraue Euch selbst und die Erfüllung Eures Dienstes der mütterlichen Fürsprache Unserer Lieben Frau und dem Gebet aller Heiligen Frankreichs an. Überbringt auch den Priestern, Diakonen, Ordensmännem, Ordensfrauen und Laien 390 REISEN Eurer Diözesen meinen ermunternden Gruß. Von ganzem Herzen rufe ich auf alle den Segen des Herrn herab. Das allgemeine Priestertum verwirklichen! Ansprache bei der Begegnung mit der Diözese Reims in der Kathedrale am 22. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es trifft sich gut, daß ihr für dieses Treffen, bei dem ihr den „synodalen Weg“ der Diözese Reims bezeugt, das so wichtige Gespräch Jesu mit der Frau aus Sama-ria gewählt habt, um darüber zu meditieren. Ich danke eurem Erzbischof, Msgr. Gerard Defois, für den Empfang sowie allen, die diese ausführliche Betrachtung über die Kirche in der Champagne und den Ardennen dargeboten haben. Durch euch, die ihr in eurer herrlichen Kathedrale versammelt seid, möchte ich alle Gläubigen dieser Diözese begrüßen, die alte und tiefe christliche Wurzeln hat. 2. Mit euch möchte ich die Meditation über den bedeutenden Abschnitt des Evangeliums, den wir eben gehört haben, fortführen. Wir sehen Jesus, müde von seiner Reise, der sich an den Rand eines Brunnens setzt; da kommt eine samaritische Frau vorbei, die Wasser aus dem Brunnen schöpfen will. Jesus sagt zu ihr: „Gib mir zu trinken!“ (Joh 4,7). Die samaritische Frau entgegnet ihm: „Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten?“ {Joh 4,9). Jesus antwortet ihr: „Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“ {Joh 4,10). In der Tat: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ {Joh 4,13-14). Jesus spricht hier nicht von dem Wasser, das die Einwohner von Samaria aus dem Jakobsbrunnen schöpften. Wie in dem einen liturgischen Gesang zu hören ist, spricht er vom Wasser, das uns „in der Unrast Ruhe, in der Hitze Kühlung, in Leid und Tod Trost“ spendet (vgl. Sequenz Veni, Sande Spiritus - Komm herab, o Heil-ger Geist). Dieses Wasser ist das Symbol des Heiligen Geistes. Wer von diesem Wasser trinkt, wird nie mehr Durst haben, denn der Geist ist die Quelle, die den Durst der Menschenseele löscht. Er ist der Brunnen der Erkenntnis und der Liebe, der nie austrocknet. Im Laufe der Überlegungen, die ihr in den vergangenen Jahren angestellt habt, habt ihr reichlich aus dieser Quelle lebendigen Wassers schöpfen müssen. Ich bin sicher, daß der Heilige Geist mit euch war, daß er in euren Pfarreien und sozialen Einrichtungen am Werk war. Er hat eure Begegnungen mit Männern und Frauen 391 REISEN beseelt, die durch euch entdecken sollen, daß allein der Herr ihre Erwartungen erfüllen und ihren Durst löschen kann und daß er an die Türe jedes Menschen klopft. Der Heilige Geist hat euch mit seinen Gaben geleitet und unterstützt: den Gaben der Weisheit und der Einsicht, der Erkenntnis und des Rates, der Stärke, der Frömmigkeit und der Gottesfurcht. 3. Verfolgen wir nun den außerordentlichen Dialog Christi mit der Samariterin am Rande des Jakobsbrunnens weiter. Auf einmal erkennt diese Frau, daß Jesus kein normaler Wanderer ist, der sich beim Brunnen ausruhen möchte. Sie entdeckt, daß er ein Prophet ist, und sagt es ihm ohne Umschweife: „Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist“ (Joh 4,19). Die Propheten gehören zur Tradition Israels. Sie sind es, die im Namen Gottes reden und die das Gottesvolk auf den Weg der Gottesverehrung führen. Deshalb sagt die Frau: „Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muß“ (Joh 4,20). Diese Worte spiegeln den Streit zwischen Samaritern und Juden über den Tempel wider, das heißt über den richtigen Ort der Anbetung. Da antwortet Jesus: „Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet [...] Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,21.23-24). In diesem Augenblick vertraut Christus dieser Frau - einer Sünderin - eine der größten Wahrheiten der Frohen Botschaft an: Die Verehrung Gottes hängt nicht vom Ort ab, von dem von Menschen erbauten Tempel; der Heilige Geist selbst erbaut dieses innerliche Heiligtum in jedem Menschen, der Gott aufrichtig sucht und sein Herz für den Ruf der Gnade nicht verschließt. Dieser geistige Tempel ist die Stätte der Anbetung, die der Mensch Gott, dem Vater „im Geist und in der Wahrheit“, erweisen muß. 4. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Lehre über das allgemeine Priesterum aller Gläubigen und über das Amtspriestertum erneuert. Ich bin sicher, daß eure Arbeit sich an der Konzilslehre orientiert hat, wie sie vor allem in der Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, ausgedrückt ist. Diese Lehre ist erstaunlich: Sie befreit unsere Denkweise und christliche Erfahrung von allen engstirnigen Ritualismen. Sie bringt uns dazu, aus unserem Leben ein geistiges Opfer zu machen (vgl. Rom 12,1). Der Weg des Konzils lädt uns darüber hinaus ein, auf tiefstmögliche Weise am sakramentalen Leben der Kirche teilzunehmen, vor allem an der Eucharistie. Um euren synodalen Weg fortzusetzen, solltet ihr erneut die grundlegenden Konzilsdokumente lesen, die das Priestertum behandeln. Man muß den Sinn des Priestertums immer weiter vertiefen - sowohl des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen, das mit der Taufe verbunden ist, als auch des Amtspriestertums. Ihr gläubigen Laien: Ihr werdet in eurem Leben und eurer Tätigkeit sichereren Halt haben, wenn 392 REISEN ihr besser versteht, was eure Weihe durch die Taufe und eure Sendung in der kirchlichen Gemeinschaft mit sich bringen. Denkt auch über die unersetzliche Rolle der Bischöfe und Priester nach: Sie sind geweiht worden, um die Eucharistie des Herrn zu feiern und um die Gnadengaben durch die anderen Sakramente weiterzugeben, um die Gläubigen im Namen Christi zu versammeln und um die ersten Träger des Wortes Gottes zu sein. Ich möchte an dieser Stelle meine Anerkennung für den Einsatz der Priester, Diakone, Ordensmänner und Ordensfrauen eurer Diözese ausdrücken; ich bete mit euch dafür, daß die Jugendlichen den Aufruf des Herrn hören und sich innerhalb der Kirche ganz in seinen Dienst stellen mögen entweder im Priesteramt oder im geweihten Leben. 5. Im Johannesevangelium lesen wir, daß die Samariterin - nachdem sie all das gehört hatte - ihren Wasserkrug stehen ließ und in die Ortschaft zurückeilte, um den Leuten von ihrer außerordentlichen Begegnung zu erzählen (vgl. Joh 4,28). „Kommt her, seht, da ist ein Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Messias?“ (Joh 4,29). Kommt her, seht, da ist ein Mann. Kommt her, seht Christus, den Messias. Diese Aufforderung ist an die ganze Gemeinschaft der Kirche in Reims gerichtet: Kommt her, seht Christus! Eines Tages stellt Pilatus Jesus die Frage: ,3ist du der König der Juden?“ (Joh 18,33). Er erhält die folgende Antwort: Wenn ich es wäre, „würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde“ (Joh 18,36). Schau, ich stehe hier vor dir gefesselt und angeklagt, und man verlangt, daß ich zum Tode verurteilt werde; menschlich gesprochen, ist in mir absolut nichts Königliches. Pilatus wiederholt die Frage: „Also bist du doch ein König?“ Christus antwortet: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18,37). Ich glaube, daß eine wichtige Verbindung zwischen diesem Ereignis am Karfreitag und dem Dialog am Rande des Jakobsbrunnens besteht: Kommt her, seht den Mann, der mir die ganze Wahrheit gesagt hat (vgl. Joh 4,29). Es ist dieser Mann, der vor Pilatus sagen wird: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege“ (Joh 18,37). Wenn ihr diesen beiden Unterredungen gefolgt seid, habt ihr euch erneut davon überzeugen können, daß Christus der erste und letzte Zeuge der Wahrheit ist. Die Samariter glaubten an Christus und sagten zu der Frau: „Nicht mehr aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt“ (Joh 4,42). Liebe Brüder und Schwestern! Ich wünsche, daß eure gemeinsame Suche dazu beiträgt, euren Glauben zu vertiefen, für diesen Glauben in der französischen Gesellschaft ohne Furcht Zeugnis abzulegen und euch aufmerksamer für die Bedürfnisse eurer Zeit zu machen in der Gewißheit, daß allein der gestorbene und auferstandene Christus der Retter der Welt ist; daß er Worte des ewigen Lebens hat; daß der, der ihm folgt, ,glicht in der Finsternis umhergehen, sondern [...] das Licht des Lebens haben“ wird (Joh 8,12). Ich mache mir hier euer Gebet zu eigen: „Herr, mache uns 393 REISEN zu Propheten des Lebens, der Liebe und der Freude; dann wird die Kirche durch den Glauben der jungen Menschen erstrahlen!“ 6. Möge Jesus Christus, der der Weg und die Wahrheit und das Leben ist, euch geben, daß ihr ihn kennenlemt und ihm nachfolgt, seine Zeugen seid und mit all euren Brüdern das Licht des Glaubens, die Kraft der Hoffnung und das höchste Geschenk der Liebe des Vaters teilt! Dies ist der Wunsch, den ich euch zum Abschluß unseres schönen Treffens hinterlassen möchte. Gott segne euch! Belebt den Geist des Glaubens und des Dienens! Ansprache bei der Abschiedszeremonie am Flughafen von Reims am 22. September Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! 1. Zum Abschluß meines Pastoralbesuchs in Frankreich möchte ich Ihnen herzlich dafür danken, daß Sie hierhergekommen sind, um mich zu verabschieden; ich habe die Worte, die Sie eben an mich gerichtet haben, mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Bitte übermitteln Sie dem Präsidenten der Republik den Ausdruck meiner Dankbarkeit für den warmherzigen Empfang, den er mir bereitet hat. Mein Dank gilt auch Ihnen sowie den Mitgliedern der Regierung und den Vertretern der öffentlichen Behörden für die Zuvorkommenheit, die ich im Laufe dieser Tage erfahren durfte. 2. Die verschiedenen Etappen meiner Reise waren alle sehr reich an Bedeu'ulg. Ich freue mich darüber, daß ich nach Saint-Laurent-sur-Sevre reisen konnte, wo die Anwesenheit zahlreicher Personen, die im Ordensleben engagiert sind, ein beredtes Zeichen gewesen ist für die Hingabe und Treue der Diener der Kirche, die ihrem Land Ehre machen, indem sie die Tradition der Unterstützung und Hilfe zugunsten ihrer Brüder weiterführen, sowohl in ihren eigenen Gegenden als auch in den Missionen im Ausland. In Sainte-Anne-d’Auray haben die Katholiken Westfrankreichs und viele Familien, die aus noch entfernteren Gebieten angereist waren, durch ihren Eifer die Ernsthaftigkeit ihres Engagements bewiesen. Die Feierlichkeiten in Tours standen unter dem Zeichen des großen Bischofs, des hl. Martin, dessen Einfluß für die Entwicklung der Kirche in Ihrem Land wesentlich gewesen ist, wie auch für den Beistand zugunsten der Bedürftigsten, der vom französischen Volk immer geleistet worden ist. In Reims war heute die Gedächtnisfeier zur Taufe Chlodwigs für zahlreiche Katholiken ein willkommener Anlaß, um sich erneut über den Sinn ihrer eigenen Taufe bewußt zu werden, in der Nachfolge vieler Generationen von Gläubigen, die in der Geschichte dieser Nation und 394 REISEN bei der Ausarbeitung seiner hohen Auffassung des Menschen und seiner Kultur eine Rolle gespielt haben. 3. Die verschiedenen Themen meiner Begegnungen vervollständigen sich, wenn man an viele der anerkannten Eigenschaften denkt, die zu dem gehören, was ich „die französische Seele“ genannt habe. Ich freue mich über die mir gebotene Gelegenheit, so viele dieser Eigenschaften zur Geltung bringen zu können; gleichzeitig habe ich Ihre Mitbürger aufgefordert, ihren Einsatz zugunsten einer menschlichen Solidarität, die die ganze Welt in unserer Zeit braucht, fortzuführen. 4. Es ist mir ein Anliegen, den Bischöfen von Frankreich, die diesen Besuch in Zusammenarbeit mit vielen anderen Personen so intensiv vorbereitet haben, noch einmal meine aufrichtige Dankbarkeit auszusprechen. Ich war von der Art ihrer Aufnahme gerührt und möchte alle Katholiken der Kirche in Frankreich, Klerus und Laien, meiner Zuneigung in einer tiefen, geistigen Gemeinschaft versichern. Ich lade sie ein, sich dafür einzusetzen, daß die kirchlichen Gemeinschaften ihre Tatkraft entwickeln können im Glauben und in einem Geist des Dienens, der die Jünger Christi auszeichnet. Sie haben ein schönes Erbe erhalten; mögen sie es auch in Zukunft in immer neuer Weise Frucht bringen lassen! Außerdem möchte ich einen respektvollen Gruß an die Christen der anderen Konfessionen, an die Glaubenden des Judentums und des Islam, richten mit dem Wunsch, daß der religiöse Dialog und die Zusammenarbeit sich unter uns allen entwickeln mögen mit dem Ziel des harmonischen Zusammenhalts der französischen Gesellschaft insgesamt. 5. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Durch Sie grüße ich alle Franzosen und spreche ihnen meine innigen Wünsche für Wohlstand und Glück in brüderlichem Einvernehmen aus. Möge Ihre Nation aufnahmebereit bleiben, möge sie auch weiterhin andere an ihrer Kultur teilhaben lassen und möge sie zum unaufhörlichen Fortschritt der Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit beitragen, die sie der Welt hat präsentieren können. Ich drücke Ihnen erneut meine Dankbarkeit für die Aufnahme in Frankreich aus und rufe auf alle ihre Mitbürger den Segen Gottes in Fülle herab. 395 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN humanitären Bestimmungen vorgesehenen Schutz zunichte. Die Kinder sind sogar zur Zielscheibe von Heckenschützen geworden, ihre Schulen sind vorsätzlich zerstört und die Krankenhäuser, in denen sie behandelt werden, bombardiert worden. Wie sollte man angesichts solcher ungeheuerlichen Verstöße nicht in einer einstimmigen Verurteilung seine Stimme erheben? Die vorsätzliche Tötung eines Kindes stellt eines der bestürzendsten Zeichen der Verfinsterung jeglicher Achtung vor dem menschlichen Leben dar. <2> <2> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae (26. März 1995), Nr. 3: zL4S 87(1995)404. Zusammen mit den getöteten möchte ich auch an die in und nach den Konflikten verstümmelten Kinder erinnern. Meine Gedanken gehen schließlich zu den während der sogenannten „ethnischen Säuberungen“ systematisch verfolgten, vergewaltigten und getöteten Kindern. 3. Es gibt nicht nur Kinder, die die Gewalt der Kriege erleiden; nicht wenige unter ihnen werden gezwungen, zu deren Hauptfiguren zu werden. In einigen Ländern der Welt ist man an dem Punkt angekommen, Jungen und Mädchen, selbst in ganz jungen Jahren, zu zwingen, in den militärischen Verbänden der Kriegsparteien Dienst zu tun. Mit dem verlockenden Versprechen von Nahrung und Schulbildung werden sie in abgesonderte Lager verbannt, wo sie Hunger und Mißhandlung zu erleiden haben und dazu angestiftet werden, sogar Personen ihres eigenen Dorfes zu töten. Häufig werden sie als Voraustrupp zum Reinigen der Minenfelder ausgeschickt. Offensichtlich ist ihr Leben in den Augen derer, die sich ihrer auf solche Art bedienen, nicht viel wert! Die Zukunft dieser Kinder unter Waffen ist oft vorgezeichnet. Nach jahrelangem Militärdienst werden einige einfach normalisiert und nach Hause geschickt, und es gelingt ihnen meistens nicht, sich wieder in das zivile Leben zu integrieren. Andere schämen sich, daß sie ihre Kameraden überlebt haben, und enden im Verbrechertum oder in der Drogensucht. Wer weiß, welche gespenstischen Bilder ihre Herzen und Sinne immer wieder heimsuchen werden! Wird ihr Gedächtnis jemals frei sein von so vielen Erinnerungen an Gewalt und Tod? Lebhafte Anerkennung verdienen jene humanitären und religiösen Organisationen, die sich um die Linderung solch unmenschlicher Leiden bemühen. Und Dankbarkeit schuldet man auch den Personen guten Willens und den Familien, die die als Waisen zurückgebliebenen Kinder liebevoll aufnehmen und sich voll Aufopferung bemühen, sie von ihren Traumata zu heilen und ihre Wiedereingliederung in die ursprünglichen Gemeinschaften zu fördern. 4. Das Gedenken an Millionen getöteter Kinder, die traurigen Augen so vieler ihrer grauenvoll leidenden Altersgenossen drängen uns, alle nur möglichen Wege zu beschreiten, um den Frieden zu bewahren oder wiederherzustellen, indem wir die Beendigung der Konflikte und Kriege anstreben. Im Vorfeld der im vergangenen September in Peking abgehaltenen 4. Weltfrauenkonferenz habe ich die katholischen Sozial- und Bildungseinrichtungen zu einer 400 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN koordinierten und vordringlichen Strategie gegenüber den Mädchen und jungen Frauen, insbesondere den ärmsten unter ihnen, aufgefordert. <3> Diesen Aufruf möchte ich nun erneuern und ihn dabei in besonderer Weise auf jene katholischen Einrichtungen und Organisationen ausweiten, die sich den Minderjährigen widmen: Helft den Mädchen, die auf Grund von Krieg und Gewalt gelitten haben; lehrt die Jungen, die Würde der Frau anzuerkennen und zu achten; helft den Kindern, die Zärtlichkeit der Liebe Gottes wiederzuentdecken, der Mensch geworden ist und durch seinen Tod der Welt das Geschenk seines Friedens hinterlassen hat (vgl. Joh 14,27). <3> Vgl. Botschaft an die Delegation des Hl. Stuhls bei der 4. Weltfrauenkonferenz (29. August 1995): L’Osservatore Romano, 30. August 1995, S. 1. Ich werde nicht müde zu wiederholen, daß wir alle aufgerufen sind, angefangen von den höchsten internationalen Organisationen bis hin zu den Vereinigungen auf lokaler Ebene, von den Staatsoberhäuptern bis hin zum einfachen Bürger, unseren Beitrag zum Frieden zu leisten und jegliche Unterstützung des Krieges abzulehnen. Die Kinder als Opfer mannigfacher Formen von Gewalt 5. Millionen von Kindern leiden unter anderen Formen von Gewalt, wie sie sowohl in den von Verelendung heimgesuchten Gesellschaften als auch in den entwickelten Ländern anzutreffen sind. Dabei handelt es sich oft um Gewalttätigkeiten, die nicht so auffallend, aber deshalb nicht weniger furchtbar sind. Die internationale Konferenz für soziale Entwicklung, die heuer in Kopenhagen abgehalten wurde, hat den engen Zusammenhang zwischen Armut und Gewalt unterstrichen, <4> und bei dieser Gelegenheit haben sich die Staaten verpflichtet, die Geißel des Elends durch Initiativen auf nationaler Ebene ab 1996 entschiedener zu bekämpfen. <5> Dies waren auch die aus der vorangegangenen Weltkonferenz der UNO über die Kinder (New York, 1990) hervorgegangenen Leitlinien. Die Verelendung steht in Wirklichkeit am Anfang wahrhaft unmenschlicher Lebens- und Arbeitsbedingungen. In einigen Ländern werden die Kinder in zartem Alter zum Arbeiten gezwungen, sie werden mißhandelt, unter Gewaltanwendung bestraft und mip einem Hungerlohn ausgestattet: Da sie sich nicht Geltung verschaffen können, sind sie sehr leicht zu erpressen und auszubeuten. <4> Vgl. Erklärung von Kopenhagen, Nr. 16. <5> Vgl .Aktionsprogramm, Kapitel II. Dann wiederum werden sie zu einem regelrechten Handelsobjekt <6> zum Zweck des Betteins oder, noch schlimmer, zur Verleitung zur Prostitution, auch im Zusammenhang des sogenannten „Sex-Tourismus“, eines äußerst verwerflichen Phänomens, das die entwürdigt, die es ausüben, aber auch all jene, die es auf verschiedene Weise fördern. Außerdem gibt es Menschen, die Kinder skrupellos zu krimi- <6> Vgl. Aktionsprogramm, Nr. 39 (e). 401 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nellen Handlungen heranziehen, insbesondere zum Verkauf von Drogen, wobei sie unter anderem Gefahr laufen, persönlich von diesen Substanzen Gebrauch zu machen. Es sind nicht wenige Kinder, denen schließlich als einziger Lebensraum nur die Straße bleibt: von zu Hause ausgerissen oder von der Familie verlassen oder einfach seit jeher ohne familiäre Umgebung, leben sie von Notbehelfen, im Zustand völliger Verwahrlosung, von vielen als Abfall betrachtet, den man loswerden muß. 6. Die Gewalt gegen Kinder fehlt leider nicht einmal in den Familien, die in guten Verhältnissen und Wohlstand leben. Es handelt sich glücklicherweise nicht um häufige Vorkommnisse, dennoch ist es von Wichtigkeit, sie nicht zu ignorieren. Bisweilen geschieht es, daß die kleinen Kinder innerhalb der häuslichen Mauern und gerade durch Menschen, in die man mit gutem Recht jedes Vertrauen setzen würde, Pflichtverletzungen und Gewalttätigkeiten ausgesetzt sind mit verheerenden Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Viele Kinder befinden sich außerdem in einer Lage, in der sie die von den Spannungen zwischen den Eltern oder gar von dem Zerbrechen der Familien selbst herrührenden traumatischen Belastungen zu ertragen haben. Der Sorge um ihr Wohl gelingt es nicht, Lösungen Einhalt zu gebieten, die oft vom Egoismus und der Heuchelei der Erwachsenen diktiert werden. Hinter dem Anschein von Normalität und Heiterkeit, der durch den Überfluß an materiellen Gütern noch gewinnender wirkt, müssen die Kinder oft in trostloser Einsamkeit aufwachsen, ohne mit einer richtigen und liebevollen Führung sowie mit einer adäquaten Ausbildung rechnen zu können. Sich selbst überlassen, finden sie normalerweise ihren wichtigsten Bezugspunkt im Fernsehen, dessen Programme häufig Modelle eines unwirklichen oder korrupten Lebens vorstellen, auf die ihr schwaches Unterscheidungsvermögen noch nicht zu reagieren vermag. Sollte man sich da wundem, wenn eine derart vielgestaltige und heimtückische Gewalt schließlich auch in das junge Herz der Kinder eindringt und ihre natürliche Begeisterung in Enttäuschung oder Zynismus, die spontane Gutherzigkeit in Gleichgültigkeit und Egoismus verwandelt? Wenn die Kinder trügerischen Idealen nachjagen, laufen sie Gefahr, dadurch, daß sie die Unzufriedenheit und die ihre Umgebung prägende Leere in sich aufnehmen, Verbitterung und Erniedrigung, Feindseligkeit und Haß zu begegnen. Es ist nur allzu gut bekannt, daß die Erfahrungen der Kindheit tiefgehende und bisweilen nicht wiedergutzumachende Auswirkungen auf den gesamten weiteren Lebensgang haben. Es ist schwer zu hoffen, die Kinder könnten eines Tages eine bessere Welt errichten, wenn es keinen engagierten Einsatz für ihre Erziehung zum Frieden gegeben hat. Sie müssen „den Frieden lernen“: das ist ihr Recht, das nicht mißachtet werden darf. 402 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kinder und die Friedenshoffnungen 7. Ich wollte die mitunter dramatischen Verhältnisse nachdrücklich heraussteilen, in denen sich viele Kinder heutzutage befinden. Ich halte das für eine Pflicht: sie werden ja die Erwachsenen des dritten Jahrtausends sein. Damit will ich jedoch weder dem Pessimismus das Wort reden noch die Faktoren ignorieren, die Ansporn zu Hoffnung sind. Wie könnte man zum Beispiel so viele Familien in jeder Ecke dieser Welt schweigend übersehen, in denen die Kinder in einer heiteren Umgebung aufwachsen; wie könnte man die Anstrengungen verschweigen, die so viele Personen und Organisationen unternehmen, um für Kinder in schwieriger Lage eine harmonische und frohe Entwicklung sicherzustellen? Es handelt sich um Initiativen öffentlicher und privater Einrichtungen, einzelner Familien und verdienter Gemeinschaften, deren einziges Ziel es ist, Kinder, die durch irgendwelche traumatischen Erlebnisse belastet sind, in ein normales Leben zurückzuführen. Im besonderen bestehen konkrete Vorschläge für Erziehungspläne, die eine volle Erschließung und Auswertung jeder im einzelnen Menschen potentiell vorhandenen Leistungsfähigkeit anstreben, um aus den Kindern und Jugendlichen echte Baumeister des Friedens zu machen. Auch darf das gesteigerte Bewußtsein der internationalen Gemeinschaft nicht vergessen werden, das während dieser letzten Jahre trotz Schwierigkeiten und Verzögerungen sich bemüht, die Problematik der Kinder mit Entschiedenheit und Methode anzugehen. Die erreichten Ergebnisse bestärken darin, in dem so lobenswerten Einsatz fortzufahren. Wenn die Kinder angemessene Hilfe und Zuneigung erfahren, können sie selber zu Vorkämpfern des Friedens, zu Baumeistern einer brüderlichen und solidarischen Welt werden. Mit ihrem Enthusiasmus und mit ihrer lebendigen Hingabe können sie zu „Zeugen“ und ,Hehrem“ von Hoffnung und Frieden zum Wohl der Erwachsenen selbst werden. Um diese potentiellen Leistungsfähigkeiten nicht zu vergeuden, gilt es, den Kindern mit der gebotenen Achtung vor ihrer Persönlichkeit jede günstige Gelegenheit zu ausgewogener und offener Reifung zu bieten. Eine fröhliche Kindheit wird den Kindern gestatten, mit Zuversicht ins Leben und in die Zukunft zu blicken. Wehe dem, der in ihnen den freudigen Schwung der Hoffnung erstickt! 8. Die Kinder lernen sehr schnell das Leben kennen. Sie beobachten die Handlungsweise der Erwachsenen und ahmen sie nach. Sie lernen schnell die Liebe und Achtung für die anderen, nehmen aber auch rasch und bereitwillig das Gift der Gewalt und des Hasses in sich auf. Die in der Familie gemachte Erfahrung beeinflußt entscheidend die Haltungen, die sie als Erwachsene annehmen werden. Wenn also die Familie der erste Ort ist, wo sie sich der Welt öffnen, muß die Familie für sie die erste Friedens schule sein. Die Eltern besitzen eine besondere Möglichkeit, ihre Kinder für das Bewußtsein dieses großen Wertes zu öffnen: das Zeugnis ihrer gegenseitigen Liebe. Mit ihrer 403 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gegenseitigen Liebe ermöglichen sie dem Kind vom ersten Augenblick seines Lebens an, in einem Umfeld des Friedens aufzuwachsen, das von jenen positiven Faktoren durchdrungen ist, die an sich das wirkliche Familienvermögen darstellen: gegenseitige Achtung und Annahme, Zuhören, Teilen, Dankbarkeit und Vergebung. Dank der Reziprozität, die diese Werte fördern, stellen sie eine echte Erziehung zum Frieden dar und machen das Kind von seinem frühesten Alter an zum aktiven Erbauer des Friedens. Das Kind teilt mit den Eltern und Geschwistern dadurch die Erfahrung des Lebens und der Hoffnung, daß es sieht, wie die unausweichlichen Schwierigkeiten mit Demut und Mut angepackt werden, und unter allen Umständen in einer Atmosphäre der Wertschätzung für die anderen und der Achtung gegenüber den Meinungen lebt, die von den eigenen abweichen. Vor allem zu Hause müssen die Kinder, noch vor je'em Wort, in der sie umgebenden Liebe die Liebe Gottes zu ihnen erfahren und lernen, daß Er Frieden und gegenseitiges Verständnis unter allen Menschen will, die aufgerufen sind, eine einzige, große Familie zu bilden. 9. Aber außer der Grunderziehung in der Familie haben die Kinder ein Recht darauf, eine besondere Friedensbildung in der Schule und in den anderen Erziehungseinrichtungen zu erhalten, deren Aufgabe es ist, sie schrittweise dazu anzuleiten, das Wesen und die Erfordernisse des Friedens innerhalb ihrer Welt und ihrer Kultur zu erfassen. Sie müssen unbedingt die Geschichte des Friedens und nicht nur jene der gewonnenen oder verlorenen Kriege lernen. Es sollen ihnen daher Beispiele für Frieden und nicht für Gewalt geboten werden! Solche positiven Vorbilder lassen sich glücklicherweise in jeder Kultur und in jeder Geschichtsepoche finden. Es müssen angemessene Erziehungsmöglichkeiten aufgebaut werden, wobei man auf kreative Weise neue Wege suchen sollte, vor allem dort, wo die kulturelle und moralische Verelendung am drückendsten ist. Alles muß so vorbereitet werden, daß die Kinder zu Friedensboten werden. Die Kinder stellen keine Last für die Gesellschaft dar, sie sind kein Mittel zum Gewinnmachen noch sind sie einfach rechtlose Personen; sie sind wertvolle Glieder der menschlichen Gesellschaft, deren Hoffnungen, Erwartungen und Möglichkeiten sie verkörpern. Jesus, der Weg zum Frieden 10. Der Friede ist ein Geschenk Gottes; aber es hängt von den Menschen ab, es anzunehmen, um eine friedliche Welt aufzubauen. Sie vermögen es nur, wenn sie die Einfachheit des Herzens von Kindern haben. Das ist einer der tiefgründigsten und paradoxesten Gesichtspunkte der christlichen Botschaft: werden wie Kinder ist, noch eher als eine moralische Forderung, eine Dimension des Inkamationsgeheimnisses. Der Sohn Gottes ist in der Tat nicht in Macht und Herrlichkeit gekommen, wie es am Ende der Zeiten der Fall sein wird, sondern als Kind, bedürftig und unter arm- 404 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seligen Bedingungen. Indem Er unsere menschliche Natur zur Gänze mit Ausnahme der Sünde (vgl. Hebr 4,15) mit uns teilte, hat Er auch die dem Kindesalter eigene Schwachheit und Zukunftserwartung angenommen. Seit jenem entscheidenden Augenblick für die Geschichte der Menschheit bedeutet die Verachtung der Kinder gleichzeitig die Verachtung dessen, der die Größe einer Liebe offenbar machen wollte, die, um den Menschen zu erlösen, zur Selbsterniedrigung und zum Verzicht auf jeden Ruhm bereit war. Jesus hat sich mit den Kindern identifiziert, und als die Apostel darüber stritten, wer von ihnen der Größte sei, „nahm Jesus ein Kind, stellte es neben sich und sagte zu ihnen: Wer dieses Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat“ (Lk 9,47-48). Der Herr warnte uns mit Nachdruck vor der Gefahr, die Kinder zum Bösen zu verführen: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde“ (Mt 18,6). Die Jünger forderte Jesus auf, umzukehren und zu werden wie „Kinder“, und als sie die Kleinen, die sich um ihn drängten, von ihm abzuhalten versuchten, wurde Er unwillig und sagte: „Laßt die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“ (Mk 10,14-15). So verwarf Jesus die allgemein übliche Denkweise. Die Erwachsenen müssen von den Kindern die Wege Gottes lernen: von ihrer Fähigkeit zu Vertrauen und Hingabe können sie lernen, mit dem rechten Vertrauen „Abba, Vater“, zurufen! 11. Klein werden wie die Kinder - total dem Vater anvertraut, bekleidet mit der Sanftmut des Evangeliums - ist außer einem sittlichen Imperativ ein Grund zur Hoffnung. Auch dort, wo die Schwierigkeiten so groß wären, daß sie mutlos machten, und die Kraft des Bösen so übermächtig, daß sie zum Absturz führte, vermag der Mensch, der die Einfachheit des Kindes wiedererlangt, aufs neue Hoffnung zu schöpfen: Das kann vor allem der Glaubende, der weiß, daß er auf einen Gott zählen kann, dessen Wille die Eintracht aller Menschen in der versöhnten, friedlichen Gemeinschaft seines Reiches ist; das kann aber in gewisser Weise auch derjenige, der, obwohl er das Geschenk des Glaubens nicht teilt, an die Werte der Vergebung und der Solidarität glaubt und in ihnen die Möglichkeit erahnt - freilich nicht ohne das geheime Wirken des Geistes -, der Erde ein neues Antlitz zu geben. Daher wende ich mich im Vertrauen an die Männer und Frauen guten Willens. Schließen wir uns alle zusammen, um auf jede Form von Gewalt zu reagieren und den Krieg zu besiegen! Schaffen wir die Bedingungen, damit die Kinder als Erbe von unserer Generation eine geeintere und solidarischere Welt übernehmen! Bereiten wir den Kindern eine friedliche Zukunft! Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1995 405 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unwiderrufliche Heilszusage Gottes mit der Geburt Jesu Christi Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria, 1. Januar 1. „Man gab ihm den Namen Jesus“ {Lk 2,21). Das Evangelium, das soeben verkündet wurde, erinnert daran, daß dem in Betlehem geborenen Sohn Marias, als die vorgeschriebenen acht Tage vorüber waren, der Name Jesus gegeben wurde. Es war der Name, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde (vgl. Lk 2,21). Es war also der ihm vom himmlischen Vater gegebene Name. Jesus bedeutet: „Gott errettet.“ In diesem Namen beginnen wir das neue Jahr: das Jahr 1996 nach der Geburt Christi. Die Tatsache, daß die Jahre unseres Zeitalters nach der Geburt Christi berechnet werden, ist sehr vielsagend. Sie besagt, daß Jesus die Mitte der Geschichte ist. In Christus hat der Sohn Gottes die menschliche Natur angenommen. Und gerade das Geheimnis der Menschwerdung erklärt den Namen Jesus in seiner vollen Bedeutung: „Er selbst (Gott) wird kommen und euch erretten“ (Jes 35,4). Das menschliche Zeitgeschehen ist ganz durchdrungen vom Heilsgeheimnis Gottes. Die Geschichte der Menschheit ist Geschichte des Heiles geworden. Der erste Tag des neuen Jahres, der mit der Erinnerung an den Namen Jesu verbunden ist, offenbart also diese tiefe Bedeutung. Es ist der Oktavtag der Geburt des Herrn, an dem die Kirche in besonderer Weise die göttliche Mutterschaft der Muttergottes verehrt. Der erste Tag des Neuen Jahres ist ihr Fest, das Fest der Mutter des Gottmenschen, der Theotokos. 2. Der Abschnitt aus dem Brief des hl. Paulus an die Galater, den uns die Liturgie heute vorlegt, ist in gewissem Sinn der Kommentar zum Namen Jesus. Der Apostel zeigt in gebotener Kürze alles auf, was die Bedeutung dieses Namens beinhaltet. Er zeigt, auf welche Weise Gott rettet. Wir lesen: „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau ..., damit wir die Sohnschaft erlangen“ (4,4-5). Das Heil vollzieht sich also in der Annahme an Kindes Statt: In Christus, dem eingeborenen Sohn Gottes, sind die Menschen Adoptivkinder Gottes geworden. Darum verstehen wir, wie der Name ,Jesus“ eine besondere Dynamik in sich hat. Gott ordnet nicht nur an, seinem Sohn den Namen Jesus zu geben, sondern er offenbart in dieser Namensgebung zugleich die Tiefe und die Weite des Heilsgeheimnisses. Der Name Jesus enthüllt das Geheimnis der Annahme als Kinder Gottes. Der hl. Paulus fügt noch wie in prophetischer Schau hinzu: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater!“ (Gal 4,6). Jesus hat uns gelehrt, uns an Gott zu wenden, indem wir sagen: „Vater unser“! Aber diese menschlichen Worte schöpfen die ihnen eigene Macht aus dem Heiligen Geist, der der Geist des Sohnes ist. Wenn wir beten: „Abba, Vater unser“, dann sind diese unsere menschlichen Worte vor allem eine 406 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weise, um am Leben des ewigen Wortes, des Sohnes, der mit Gott dem Vater gleichen Wesens ist, teilzuhaben. Durch diese „Teilhabe“ wird die Anrufung „Abba, Vater unser!“ zum Ausdruck der Erlösung. Christus ist der Erlöser der Welt, weil durch ihn und in ihm alle Menschen dieses Wort sprechen dürfen, ein Wort, das im vollen Sinn zu sagen, nur ihm, dem ewigen Sohn, zukommt. In ihm, Christus, ist die Gotteskindschaft unser Erbteil geworden. Durch den Willen Gottes sind wir als Adoptivkinder Miterben des ewigen Sohnes, berufen, am Leben Gottes teilzuhaben, an der ewigen Glückseligkeit in ihm. 3. Der Name Jesus, „Gott rettet“, bestätigt, daß er unser Erlöser ist. Die Lesungen der heutigen Liturgiefeier stellen uns noch einmal die universale Dimension des Heils vor Augen, zu dem alle Menschen und alle Völker durch das Geheimnis der Menschwerdung berufen sind. Das läßt der Antwortpsalm gut erkennen: „Die Nationen sollen sich freuen und jubeln, denn du richtest die Völker nach Recht und regierst die Nationen auf Erden“ (Ps 66/67,5). Was die erste Lesung auf die Kinder Israels bezieht, das dehnt der Psalm auf die Völker und die Nationen der Erde aus. Das Heil ist für die ganze Menschheit bestimmt. Es bleibt nicht das geheime Privileg einer Person oder eines Volkes, sondern wird allen Menschen zuteil. Es ist eine Teilhabe, die ihren Weg durch die Gottesfurcht, den Anfang der Weisheit, nimmt (vgl. Ps 110/111,10). Das Kommen des Welterlösers bezeichnet für jene, die ihn mit Ehrfurcht und Dank aufnehmen, den Anfang einer neuen Ordnung, der göttlichen Ordnung. Durch die Geburt des Gottessohnes in der menschlichen Natur kommt der Heilswille Gottes zum Ausdruck, offenbart sich die göttliche Vorsehung, die das Geschick der Welt lenkt, und wird die endgültige Gerechtigkeit der Geschichte angekündigt, eine mit Barmherzigkeit verbundene Gerechtigkeit. Darum sagt der Psalmist: „Gott sei uns gnädig und segne uns. Er lasse über uns sein Angesicht leuchten, damit auf Erden sein Weg erkannt wird und unter allen Völkern sein Heil“ (Ps 66/67,2-3). So sind das Weihnachtsgeheimnis und der Name Jesus für die Menschheit das Zeichen der göttlichen Ordnung, in welche die Geschichte der Schöpfung und jedes Volkes und jeder Nation eingeschlossen ist. Mit Recht also feiert die Kirche an diesem ersten Tag des Neuen Jahres den Welttag des Friedens, der in diesem Jahr die anspruchsvolle Aufforderung zum Thema hat: „Bereiten wir den Kindern eine friedliche Zukunft!“ „Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden“ (.Num 6,26), heißt es in der ersten Lesung. Der Friede, das grundlegende Zeichen der Gegenwart Gottes, muß auch in die politische Ordnung und in das Leben der Gemeinschaften und der Nationen hineinleuchten. Das bekannte Wort Pauls VI.: „Entwicklung ist der neue Name des Friedens“ (Populorum progressio, Nr. 87), könnte umgekehrt und so formuliert werden: Der Friede ist der neue Name der Entwicklung und der Sozialordnung. Friede bezeichnet in der Sprache der Bibel Teilhabe am Heil, das von Gott kommt. Der Friede ist schon in dem Namen enthalten, der dem Gottessohn acht Tage nach 407 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner Geburt gegeben wurde. Dieser Name bedeutet Erlösung von allem Bösen, vor allem von Haß, Krieg und Zerstörung. Darum wird der Apostel Paulus von Christus sagen: „Er ist unser Friede“ (Eph 2,14). 4. „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu unsem Vätern gesprochen durch die Propheten; heute aber spricht er zu uns durch den Sohn“ (Ruf vor dem Evangelium: vgl. Hehr 1,1-2). In diesen Worten finden wir den Übergang vom Alten zum Neuen Bund. Gott hat durch den Sohn zu uns gesprochen, durch sein Wort und sein Evangelium. Er hat zu uns gesprochen durch seinen Tod und seine Auferstehung und in besonderer Weise durch seinen Namen: Jesus, „Gott rettet“. Darin ist alles eingeschlossen: das Leben, das Leiden, der Tod und die Auferstehung, das Kreuz und die Verherrlichung. Die ganze Frohe Botschaft. Der Verfasser des Briefes an die Hebräer sagt, daß dieser Name für die „letzten Zeiten“ aufbewahrt ist. Am Anfang des Neuen Jahres haben wir das Bewußtsein, daß im Namen Jesus die letzte Zeit, die Zeit der Erfüllung von allem in Gott, der Menschheit in entscheidender Weise nahegekommen ist. Und kraft dieses Namens gehen wir dem endgültigen Ziel des Menschen entgegen, der endgültigen „Fülle der Zeit“ (vgl. Gal 4,4), zu der uns Christus durch den Heiligen Geist hinführt. Von dieser Kraft geleitet, sagen wir schon hier auf Erden immer wieder: „Abba, Vater!“, um uns auf die Vollendung vorzubereiten, die gerade durch den Namen Jesu am Ende der Zeit für jeden Menschen und für die ganze Menschenfamilie offenbar werden muß. Vornehmste Aufgabe der Bischöfe ist die Verkündigung der Erscheinung des Herrn Predigt bei der Bischofsweihe am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 1. Das Fest, das wir heute, am 6. Januar, feiern, hat den Namen „Epiphanie“. Das griechische Wort epiphäneia bedeutet „Offenbarung“, „Erscheinung“. im Brief an Titus wird gesagt: „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten ...“ (2,11), und weiter: „Die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, sind erschienen ...“ (3,4). Die Erscheinung besteht also darin, daß sich das Geheimnis Gottes, des Retters, offenbart. Es besteht eine enge Verbindung zwischen der Bedeutung des einen und des andern, zwischen Offenbarung und Heilsgeheimnis. Der Schöpfer hat dem Menschen die Fähigkeit gegeben, die Welt, die sichtbaren Dinge, die geschichtlichen Tatsachen zu erkennen. Er hat ihm auch die Fähigkeit gegeben, mit seinem Verstand durch die Oberfläche des Wahrnehmbaren hindurch vorzudringen. Aber Gott ist dem Menschen auch entgegengekommen, indem er unmittelbar zu ihm gesprochen hat. Darin gerade besteht die Offenbarung: Gott hat zum Menschen gesprochen und ihm kundgetan, was er, Gott, von sich selbst, vom Menschen und von der Welt kennt und denkt. So ist uns dank der Offenba- 408 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rung das Denken Gottes bekannt. Wir erkennen es durch unsere Vernunft, aber nicht kraft unserer Vernunft. Weil wir auf ihn vertrauen, nehmen wir das von Gott Geoffenbarte an. Dieses Vertrauen, das wir dem sich offenbarenden Gott entgegenbringen, heißt Glaube. Wir sind uns bewußt, daß nur Gott selbst den Menschen über die göttlichen Wirklichkeiten belehren kann. In der Konzilskonstitution Dei Verbum über die Göttliche Offenbarung lesen wir: „Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9) ... In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen“ (Nr. 2). Die Tatsache, daß Gott dem Menschen die Wahrheit über sich selbst, die Wahrheit, die ein Geheimnis ist, offenbaren wollte, bezeugt, daß der Mensch für Gott ein sehr geliebtes Geschöpf ist, ein Geschöpf, das nach seinem Bild erschaffen ist, das einzige Geschöpf in der sichtbaren Welt, mit dem Gott ein Gespräch führen kann, dem er die Wahrheit über sich selbst, über sein eigenes inneres göttliches Leben, die Wahrheit seiner göttlichen Geheimnisse anvertrauen kann. 2. „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ (,Mt 2,2). Die Magier aus dem Osten haben diese Worte in Jerusalem vor dem König Hero-des gesprochen, der sie nicht bloß auf rein menschliche Weise bedachte, sondern überdies auch mit heimtückischem Neid. Doch diese fassen die Offenbarung über die Geburt des Herrn zusammen. Die Weisen aus dem Osten sind zusammen mit den Hirten von Betlehem diejenigen, die sozusagen von Gott selbst in das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes eingeführt wurden. Die Hirten befanden sich schon fast am Ort, in der Nähe der „Stadt Davids“. Die Magier hingegen kamen von weither dorthin, weil sie die Zeichen deuteten, die auf die Zeit und den Ort der Geburt des Erlösers hinwiesen. Ein ganz besonderes Zeichen war der Stern, der sie zum Land Israel führte, zuerst nach Jerusalem und dann nach Betlehem. Im sichtbaren Zeichen des Sterns sprach der unsichtbare Gott zu ihnen. Wie konnte es geschehen, daß unter so viel Sternen, die von den Weisen am Himmelsbogen beobachtet wurden, jener eine ihnen von der Geburt des Gottessohnes im menschlichen Fleisch sprach? Das war nur durch den Glauben möglich. Als die Magier nach Jerusalem kamen, suchten sie bei den Schriftgelehrten, Experten der Offenbarung Gottes an Israel, die Bestätigung für ihre Intuition. Und sie erhielten die Antwort: Der Prophet Micha hatte angekündigt, daß der Messias in Betlehem geboren werde (vgl. Mi 5,1). Sie begaben sich also nach Betlehem und traten in das Haus, wo sich das Kind mit seiner Mutter und Josef befand. Sie fielen auf die Knie nieder und boten ihm ihre symbolischen Gaben dar. Das alles bezeugt, daß der Glaube sie auf den richtigen Weg mitten in das Geheimnis der Geburt des Herrn hinein geführt hatte. 409 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Am Fest Epiphanie ist, einem bedeutsamen Brauch entsprechend, die Petersbasilika gastlicher Ort der Bischofsweihe von einigen Priestern, die zu diesem kirchlichen Dienst berufen wurden. Wie Betlehem die Ankunft der Magier aufnahm, so nimmt Rom heute euch auf, ehrwürdige Brüder, die ihr auf einem langen Glaubensweg hierher gelangt seid und die ihr von hier aus zu der neuen Sendung zurückkehrt, die die Kirche Euch anvertraut. Die Kirche sendet Dich, Msgr. Jose Paulino Rfos Reynoso, in die Erzdiözese Hu-ancayo in Peru; und sie lädt Dich, Msgr. Riccardo Fontana, in die italienische Erzdiözese Spoleto-Norcia ein. Du, Msgr. Claudio Maria Celli, bist berufen, in der Römischen Kurie das Amt des Sekretärs der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls auszuüben. Du, Msgr. Jaime Vieira Rocha, wirst die Diözese Caicö in Brasilien leiten, und Dir, Msgr. Kurt Koch, ist die Diözese Basel anvertraut, aus der du stammst. Die Kirche weiht Dich, Msgr. Arvaldis Andrejs Brumanis, und Dich, Msgr. Antons Justs, durch die Hände des Bischofs von Rom zum Hirtendienst in den Diözesen Liepaja und Jelgava in Lettland: ein Ereignis, das man wohl historisch nennen kann. Du, Msgr. Francisco Perez Gonzales, bist zur Diözesangemeinschaft von Osma-Soria in Spanien gesandt, und Du, Msgr. Richard Burke, begibst Dich auf die Wege der Mission ad gentes, um die Aufgabe eines Bischofskoadjutors von Warri in Nigeria zu übernehmen. Das Licht Christi erleuchte Dich, Msgr. Marko Sopi, und Deinen Dienst als Weihbischof des Bischofs von Skopje-Prizren in der jugoslawischen Ex-Republik Makedonien, und es erleuchte auch Dich, Msgr. Rafael Conde Alfonzo, in Deinem Dienst als Weihbischof des Erzbischofs von Caracas in Venezuela. Auch Du, Msgr. Riccardo Ruotolo, Weihbischof des Erzbischofs von Manfredonia-Vieste, sei in der Dir anvertrauten Aufgabe ein Zeuge Christi, des Lichtes der Welt. Du, Antal Mainek, wirst es sein in der ukrainischen Region Zakarpatia als Weihbischof des Apostolischen Administrators, und Du schließlich, Msgr. Stanislaw Rilko, wirst Deiner pastoralen Sorge als Sekretär des Päpstlichen Rates für die Laien universale Weite geben müssen. Im Bischofsamt, liebe Brüder, werdet Ihr voll und ganz Hüter des großen Geheimnisses, Verwalter jener Offenbarung, von der uns soeben der hl. Paulus gesprochen hat in dem Abschnitt aus dem Brief an die Epheser, der verlesen wurde (vgl. Eph 3,2-3.5-6). Darin besteht Eure besondere Berufung in der Kirche. Jeder Bischof ist Diener der Geheimnisse Gottes, d. h. Hüter des Heilsgeheimnisses, in welchem Gott selbst sich offenbart, den Menschen nahekommt, sie sucht und jeden in der Gemeinschaft der Kirche auf dem Weg des Glaubens führt. Das Geheimnis hüten heißt nicht, es verbergen, sondern es weitergeben, wie der Apostel an der gleichen Stelle hervorhebt. Dazu hat Euch Gott aus verschiedenen Ländern und Kontinenten berufen, um in dieser Basilika geweiht zu werden im Einklang mit dem Geist des heutigen Hochfestes. Epiphanie verkündet ja, daß alle Völker der Erde zum Glauben berufen sind. 410 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. „Auf, werde licht, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir ... Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. Blick auf und schau umher: sie alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern, deine Töchter trägt man auf den Armen herbei“ (Jes 60,1.3-4). Die Magier, die aus dem Osten nach Betlehem kamen, sind die Erstlinge der großen Pilgerschaft des Glaubens, die sich von Generation zu Generation vollzieht und die Menschen, die Völker und Nationen zu Christus, dem Licht der Welt, bringt. An dieser Pilgerschaft, die seit nunmehr zweitausend Jahren dauert, haben viele Völker und viele Nationen teilgenommen. Und das Licht, das in der Fülle der Zeit über Jerusalem aufging, erlischt nicht, sondern strahlt in immer neuem Glanz. Es macht mitten in der Finsternis, die die Erde umhüllt, den Weg der Menschheit hell. Und immerzu ertönt durch die Nacht, von der der Prophet Jesaja spricht (vgl. Jes 60,2), der Ruf der Hirten, der Magier und der Gläubigen aller Zeiten: „Christus ist uns erschienen, kommt, laßt uns anbeten!“ Das Sakrament der Taufe — Wiedergeburt zu unsterblichem Leben Predigt bei der Feier der Kindertaufe in der Sixtinischen Kapelle am Fest der Taufe Jesu, 7. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das heutige Fest der Taufe Jesu ist der Abschluß der Weihnachtszeit, der liturgischen Zeit des fortschreitenden „Offenbarwerdens“ Jesu: in der Geburt in Betlehem, als im Antlitz des Kindes der „Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ erscheint, das .Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (vgl. Kol 1,15); am Fest der Erscheinung, an dem er sich darbietet als das erwartete und ersehnte Geschenk für alle Völker der Erde und als Licht, dem der innere Weg der Geschichte zustrebt; und schließlich in der heutigen Feier, die uns daran erinnert, wie er im Wasser des Jordan sich dem Menschen solidarisch macht, „sein makelloses Haupt vor seinem Vorläufer beugt und in seiner Liebe zu den Menschen das Menschengeschlecht aus der Knechtschaft befreit“ (Byzantinische Liturgie, EE; Nr. 3038). So wird der Knecht Gottes „durch priesterliche, prophetische und königliche Salbung geweiht, damit die Menschen in ihm den Messias erkennen, der gesandt ist, den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden“ (Präfation vom Fest). Es sind die Stufen einer Offenbarung Christi, die nach und nach immer innerlicher und tiefer wird. 2. Heute überträgt sie sich in ganz einzigartiger Weise auf die Tauffeier dieser zwanzig Kinder, die aus verschiedenen Ländern der Welt stammen. Dieses Sakrament läßt in ihnen das geheimnisvolle Geschenk der göttlichen Gnade erneut wirk- 411 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sam werden. Es prägt in ihre Seele ein unauslöschliches Siegel ein und ruft eine Neugeburt ins Leben. Sie sind „aus Gott geboren ... Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden ...“ (Joh 1,13.12). Die heiligmachende Gnade, die die Erbsünde ausmerzt, gießt ihnen in der Taufe die theologischen Tugenden und die Gaben des Heiligen Geistes ein; und sie gliedert sie ein in die Kirche, den mystischen Leib Christi. Was ist es Großes um die Taufe, das erste der Sakramente und das für das Heil am meisten notwendige! Sie ist Grundlage des christlichen Lebens, Türschwelle für alle anderen Sakramente und für die Wiedergeburt zu jenem unsterblichen Leben, von dem auch die wunderbaren Fresken Michelangelos zu uns sprechen, die wir in dieser eindrucksvollen Sixtinischen Kapelle bewundern können. Aus diesem Bewußtsein hat sich die Praxis entwickelt, die Kinder schon gleich zu Beginn ihres irdischen Lebens zu taufen. Dieses Handeln setzt natürlich voraus, daß die folgenden Jahre, vornehmlich die Jahre der Kindheit und der Jugend, sich zu einem echten Katechumenat gestalten, einem Weg der Einführung ins christliche Leben und der fortschreitenden Eingliederung in die Gemeinschaft der Gläubigen. 3. Liebe Eltern, liebe Paten und Patinnen, es ist eine Notwendigkeit, daß diese Kleinen, denen heute die Taufe gespendet wird, später das kostbare Geschenk des Sakramentes, das sie empfangen haben, begreifen, daß sie darüber nachdenken und es schätzen. Es ist Eure Sache, ihnen, die jetzt noch unwissend und ohne Verständnis sind, dabei zu helfen und ihre ersten Lehrer für die Unterweisung in den christlichen Wahrheiten zu sein. Hört sie an, diese Kinder! Der Glaube kommt aus dem Hören des Wortes Gottes. Und das Zuhören ist eine Haltung, die man - wie jede andere - vor allem in der Familie lernt. Wem zugehört wurde, der weiß auch zuzuhören, geradeso wie jemand, der geliebt wurde, auch leichter zu heben versteht. Helft ihnen, diesen Kindern, heranzuwachsen in der Treue zum Evangelium, bereit, Gott und die Brüder und Schwestern zu lieben. Führt sie durch Beispiel und Wort auf den Weg der christlichen Heiligkeit. Die Sendung der Eltern beschränkt sich nicht darauf, nur das leibliche Leben zu schenken. Ihr seid berufen, Euren Kindern auch im Glauben und in der geistlichen Dimension Leben zu schenken. Ahmt die Heilige Familie von Nazaret nach, und ruft den steten Schutz der hl. Jungfrau und des hl. Josef auf eure Häuser herab. Bei diesem feierlichen Anlaß, vor einer so bedeutenden Anzahl von Täuflingen, die in dieser Stunde Adoptivkinder Gottes werden, scheint es, als vernähmen wir aufs neue die Stimme des himmlischen Vaters, wie wir sie kurz zuvor im Evangelium gehört haben: „Jedes dieser Kinder ist mein vielgeliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“ Und an Euch, Eltern, Paten, Patinnen, Erwachsene und Christen, die Ihr Euch Eurer Berufung bewußt seid, ergeht die Aufforderung: „Auf ihn sollt ihr hören!“ (Mk 9,7). 412 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bei einer so anspruchsvollen Sendung mögen Euch Maria, die Mutter Gottes und der Kirche, und alle jene Heiligen helfen, die wir nachher darum anrufen werden. Hoffnungsvoller Neubeginn nach Zeit härtester Prüfungen Ansprache bei der Begegnung mit Pilgern aus Lettland am 8. Januar 1. Mit großer Freude und tief bewegt begrüße ich Euch, liebe Pilger aus Lettland. Ein besonderer Gruß geht an den Metropolitan-Erzbischof von Riga und die Bischöfe Antons Justs, Bischof von Jelgava, und Arvaldis Andrejs Brumanis, Bischof von Liepaja, die am vergangenen Samstag, dem Hochfest der Erscheinung des Herrn, die Bischofsweihe empfangen haben. Ich grüße auch ihre Familienangehörigen, ihre Verwandten und Freunde. Herzliche Grüße richte ich an die örtlichen Autoritäten, an die Vertreter des Klerus und der Gläubigen der Kirche in Lettland. In euch und durch euch möchte ich die ganze lettische Nation grüßen. 2. Das heutige Treffen und die Ereignisse, deren Zeugen wir am Hochfest der Erscheinung des Herrn in der vatikanischen Basilika waren, sprechen eine geschichtlich tiefgründige, beredte Sprache, denn vor nur wenigen Jahren war eine Begegnung dieser Art undenkbar. Für lange Jahre wurde die Kirche Lettlands, die zum Schweigen und zum Leben in den Katakomben gezwungen war, zugleich demütigenden Prüfungen und ungerechten Verfolgungen unterworfen. Wer kann all die Leiden zählen, die gläubige Laien, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen der lettischen Erde ertragen haben? Heute erfreut sich Eure Kirche der Freiheit und kann ihre Mission, das Evangelium zu verkündigen, erfüllen! Für all das ist ein vielsagendes Zeichen, daß zwei neue Bischöfe unter uns sind, die durch meine Hände die Bischofsweihe empfangen haben. Ihr seid also nach Rom zu den Gräbern der heiligen Apostel gekommen, um Gott für die Gnade des Glaubens zu danken, den Ihr in der Zeit der Verfolgungen bewahrt, und für den Mut, mit dem Ihr die Überlieferungen Eurer Väter verteidigt habt. Ihr seid auch gekommen, um für die Gabe der Treue in den Augenblicken der Prüfung und der Unterdrückung zu danken, und außerdem, um die Kraft und die aufrichtige Begeisterung für das Evangelium zu stärken, damit Ihr weiterhin jeden Tag „Rede und Antwort stehen könnt in bezug auf die Hoffnung, die euch erfüllt“ (vgl. 1 Petr 3,15). 3. Im Herzen trage ich noch die lebhafte Erinnerung an meinen Besuch in Eurem Land im September 1993. Ich konnte persönlich feststellen, wie aufrichtig die Treue des lettischen Volkes zur Kirche Christi ist und wie lebendig seine Frömmigkeit. In Riga habe ich während der hl. Messe Worte gesagt, die ich Euch noch einmal wiederholen möchte: „Wir wollen miteinander dem Herrn für den Starkmut danken, mit dem die Christen von Lettland das Kreuz der Verfolgung, des Exils, des Martyriums in Gemeinschaft mit dem Kreuz Christi auf sich genommen und 413 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN so in der jüngsten Vergangenheit die Leiden der Passion des Herrn erneuert haben. Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen dafür, daß nach dem geheimnisvollen Ratschluß des göttlichen Heilsplans die Auferstehung auf das Kreuz, die Gnade auf die Sünde und die Freude auf den Schmerz gefolgt ist“ (8. Sept. 1993, O.R.,dt., 1.10.1993, S. 8). Gemeinsam mit Euch danke ich dem Schöpfer für diese „Magna-lia Dei“ - Großtaten Gottes, die sich in Eurer Heimat in jenen letzten Jahren vollzogen haben - und für Eure Treue zu Gott und zum Evangelium. 4. Zu Beginn des neuen Jahres wünsche ich der Kirche von Lettland, unaufhörlich den Blick auf Christus, den Herrn, zu richten und um seine Hilfe zur Lösung der Probleme der Nation zu bitten und darum, zusammen mit neuen Wegen der Evangelisierung wirksamere pastorale Initiativen im Hinblick auf das dritte Jahrtausend zu unternehmen. Christus ist „das Licht der Nationen“, er ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) eines jeden Menschen und der gesamten Gesellschaft. Der Vater hat ihn der Welt geschenkt, damit die Menschheit keiner Täuschung unterliege, sich nicht verirre und nicht im Finstern gehe, sondern das ewige Leben habe (vgl. Joh 3,16). Die heiligste Mutter, die Herrin von Aglona, Beschützerin, Helferin und Zeichen sicherer Hoffnung und des Trostes, begleite eure ganze Nation auf dem Pilgerweg zum Haus des Vaters. Ich bitte Euch, nehmt diese Worte, die Ihr hier gehört habt, mit in Eure Familien, in Eure Gemeinden und Diözesen, in die Dörfer und Städte, zu allen Schwestern und Brüdern der geliebten lettischen Nation. Nehmt auch den Apostolischen Segen mit, den ich euch von Herzen erteile. Seelenheil der Gläubigen steht im Mittelpunkt aller Seelsorge Eröffnungsansprache der Synode der syro-malabarischen Kirche Indiens in der alten Synodenaula am 8. Januar Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Heute freut sich der Bischof von Rom mit den Bischöfen der Syro-malabari-schen Kirche, die mit ihrem Groß-Erzbischof Antony Kardinal Padiyara gekommen sind, um ihre Synode abzuhalten. Einen jeden von Euch heiße ich mit dem Gebet des Apostels Paulus willkommen: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7). Ich habe die Vorbereitung dieser Synode mit brüderlichem und pastoralem Interesse verfolgt in dem Bewußtsein, daß das Petrusamt ein „immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (Lumen Gentium, Nr. 18) bildet. In der Gemeinschaft der Heiligen gedenke ich im Gebet des verstorbenen Erzbischofs Mar Abraham Kattumana, der seine besten Kräfte in den Dienst der Kirche - und speziell der Syro-malabarischen Kirche - stellte und bis zuletzt keine 414 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mühe gescheut hat. Ich bewahre ein lebhaftes Andenken an unsere Begegnung wenige Stunden vor seinem plötzlichen und unerwarteten Tod. 2. Die Syro-malabarische Kirche, durch die Verkündigung des Apostels Thomas im Glauben geboren, ist eine der kirchlichen Familien, die die reiche Verschiedenartigkeit des christlichen Orients widerspiegeln. Die ostsyrische Tradition zeichnete sich durch die Bewahrung des christlichen Glaubens - manchmal um den Preis erbarmungsloser Verfolgung —, durch den Reichtum ihres monastischen Lebens, durch ihre Schulen und Akademien, wo der christliche Glaube mit wunderbarer Inspiration erklärt und besungen wurde, sowie durch einen missionarischen Eifer aus, der die gute Nachricht des Heils in Jesus Christus bis in Eure indische Heimat und sogar ins ferne China brachte. Viele Jahrhunderte lang habt Ihr dieses kirchliche Erbe mit Stolz und Begeisterung gelebt und es mit spezifischen und eigenständigen Aspekten Eurer eigenen Kultur und eures Einfühlungsvermögens bereichert. Wenn andere Christen aus dem Westen in Eure Länder kamen, habt Ihr ihnen großzügig Gastfreundschaft erwiesen. Für Euch stellten sie eine neue Offenheit für die Universalität der Kirche dar. Zugleich jedoch führte mangelndes Verständnis für Euer kulturelles und religiöses Erbe zu vielem Leiden und hinterließ eine Wunde, die nur teilweise verheilt ist und heute noch ein sehr hohes Maß an Heiligkeit und Weisheit bei den Hirten der Kirche erfordert, die die Haupverantwort-lichen für den Aufbau des Friedens und der Gemeinschaft unter allen Anhängern Christi sind. 3. Nachdem am Anfang dieses Jahrhunderts wieder eine Hierarchie von Bischöfen aus euren eigenen Ländern errichtet war, machte sich die Syro-malabarische Kirche mit Entschlossenheit daran, ihre Rolle als Teil des Erbes des christlichen Orients zu erfüllen. In meinem Apostolischen Schreiben Orientale lumen habe ich mich kürzlich damit befaßt. In Anerkennung des von Eurer Kirche Erreichten hielt ich im Dezember 1992 die Zeit für reif, Eure Kirche in den Rang einer großerzbischöflichen Kirche zu erheben. Der Akt sollte ein Ausdruck der Dankbarkeit sein für das, was Ihr seid, und für Euren Einsatz, noch weiter in der Treue zum Herrn Jesus Christus zu wachsen, durch den wir alle die Versöhnung empfangen haben (vgl. Rörri 5,11). Es war mein Wunsch, Euch während dieser Jahre besonders nahe zu sein. Als deijenige, welcher „der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht“ (Lumen Gentium, Nr. 13), will ich mit meiner hebevollen Aufmerksamkeit Euch gegenüber einzig den Zweck verfolgen, Euch zu helfen, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu überwinden. 4. Die Synodenstruktur der Ostkirchen ist eine besonders beredte Weise, das Geheimnis der Kirche als Gemeinschaft zu leben und sichtbar zu machen. Gemeinschaft ist eine Gabe des Heiligen Geistes; sie ist Teilnahme am Leben der Dreifaltigkeit. Sie muß daher Frucht des Gebets sein und erfordert großes Bemühen. Sie wird Tag für Tag aufgebaut. Jemanden auf dem Weg zurückzulassen ist eine Nie- 415 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN derlage für alle. Im gleichen Schritt voranzugehen ist ein Sieg für alle und ein Sieg für den Glauben und die Liebe. Der Bischof von Rom will Euch auf diesem Weg nicht allein lassen. Er möchte eine Hilfe, eine Brücke, ein Mittel der Gemeinschaft sein. Er wird mit Euch weiter jeden Schritt gehen, nicht um Eure rechtmäßige Autonomie zu bestreiten, sondern um das Amt, welches Christus dem Petrus anvertraut hat, bis zum letzten zu erfüllen: die Brüder zu ermutigen und sie im Glauben und der Gemeinschaft zu bestärken (vgl. Lk 22,32). Diese Synode ist somit eine wichtige, jedoch nicht definitive Etappe in dem Prozeß des Wachsens eurer Kirche auf immer mehr Einheit und Frieden, auf das Miteinander einer gemeinsamen Reise zu. In nicht allzu ferner Zukunft werde ich Euch bitten, hierher nach Rom zurückzukehren, um das Ergebnis Eurer Arbeit mit dem Papst zu teilen und den zurückgelegten Weg gemeinsam zu bewerten. 5. Während der Synode werdet Ihr sorgfältiges Augenmerk auf viele grundlegende Fragen richten, darunter die Rolle der Liturgie bei der Erziehung der Gläubigen und besonders bei der Ausbildung der künftigen Priester und Ordensleute. Was Euer missionarisches Engagement betrifft, kann die Kirche nur dankbar sein für die Hingabe so vieler Söhne und Töchter der Syro-malabarischen Kirche, die sich unter oft schwierigen Umständen hochherzig der Verkündigung des Evangeliums widmen. Sie tun es in den zu Eurer eigenen Kirche gehörigen Ordensinstituten sowie in Instituten des lateinischen Ritus. Hierin ist ein weiterer, fruchtbarer Ausdruck kirchlicher Gemeinschaft zu sehen, wie ich in meinem Brief an die Bischöfe Indiens vom 28. Mai 1987 geschrieben habe: „Im Prozeß der Evangelisierung hat es immer eine hochherzige Mitarbeit von Priestern, Ordensleuten und Laien gegeben, die im syro-malabarischen Ritus getauft waren, und in den letzten Jahren auch seitens der Syro-malabarischen Kirche selbst in bestimmten Gebieten des Nordens. Diese Mitarbeit sollte man nicht vergessen, denn sie deutet auf eine Bereitschaft bei allen Beteiligten hin, das uralte Sprichwort gelten zu lassen: ,salus animarum suprema lex“‘ (Nr. 2). 6. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Frage der geistlichen Betreuung der syro-malabarischen Gläubigen, die außerhalb des Gebietes leben, das Eurer direkten Jurisdiktion untersteht. In meinem oben zitierten Brief habe ich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, eine solche Betreuung in ständigem Dialog mit den Bischöfen der lateinischen Kirche in Indien sicherzustellen. Große Verfügbarkeit und gegenseitiges Verständnis sind unerläßlich. Die erste Form von Gemeinschaft ist die, welche alle Christgläubigen, Kinder der einen Kirche Christi, vereinigt. Alles muß in einer Atmosphäre des Vertrauens und auf das gemeinsame Ziel hin getan werden, wobei die verschiedenen Stituationen objektiv geprüft und im Geist herzlicher Zusammenarbeit gelöst werden sollen. Konflikte müssen vermieden werden, denn Gutes kann einzig aus der Liebe kommen. Nur so wird der Herr unsere Anstrengungen segnen. 416 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist meine Absicht, diese und andere Aspekte Eurer pastoralen Arbeit mit Euch allen im Rahmen der Synode zu teilen, aber auch individuell mit jedem einzelnen im Rahmen Eures Ad-limina-Besuchs. Möge Maria, die Mutter der Kirche, Euch beschützen und beistehen. Mögen Elias Kuriakose und Alphonsa, die ich die Freude hatte, in dem Land, wo sie geboren waren, der Zahl der Seligen hinzuzufügen, Fürbitte halten für Euch und die geliebten Priester, Ordensleute und Laien der Syro-malabarischen Kirche. Gott segne Eure Synodenarbeit! Anspruch und Wirklichkeit priesterlichen Einsatzes in den Ortskirchen Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Ständigen Interdikasteria-len Kommission für eine angemessenere Verteilung der Priester in der Welt am 11. Januar Meine Herren Kardinale, ehrwürdige Brüder im Bischofs- und im Priesteramt! 1. Zum Abschluß Eurer zweiten Vollversammlung freue ich mich sehr über diese Begegnung mit Euch, den Mitgliedern und Räten der Ständigen Interdikasterialen Kommission für eine angemessenere Verteilung der Priester in der Welt. Ich begrüße den Präsidenten, Pio Kardinal Laghi, dem ich für seine an mich gerichteten Worte danke, und grüße zugleich den Co-Präsidenten, Jose Kardinal Sanchez, und alle Teilnehmer. Ich möchte vor allem meinem Dank Ausdruck geben für die Verfügungsbereitschaft und die Mühen, die Ihr in diesen Dienst einbringt; liegt er doch mir und der ganzen Kirche, besonders in diesem geschichtlichen Augenblick an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends, sehr am Herzen. 2. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich die ganze Kirche aufgefordert, das große Ereignis des Jubiläumsjahres 2000 vorzubereiten, und den Wunsch geäußert, es möge eine geeignete Gelegenheit zur „Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen“ (Nr. 42) werden. Wir danken Gott für die Verbreitung des Evangeliums, das jetzt jeden Winkel der Welt erreicht hat. Es war eine außergewöhnliche Ausbreitung, imstande, Hindernisse und Schwierigkeiten aller Art zu überwinden. Die ungelösten Aufgaben aber, die noch vor uns hegen, sind weder wenige noch sind sie klein. Die stärkste Herausforderung ist selbstverständlich die Menschheit, zu der die christliche Botschaft noch nicht gelangt ist. In den letzten Jahrzehnten ist es der missionarischen Ausbreitung in der Tat nicht gelungen, mit der demographischen Ausdehnung Schritt zu halten, und es wirkte ihr, besonders in Lateinamerika, die zersetzende Tätigkeit der Sekten entgegen. In den Ländern Osteuropas gibt es andere Herausforderungen. Dort wird die zerstörerische Wirkungskraft des atheistischen Kommunismus spürbar, die sich jahrzehntelang gegen die 417 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN christlichen Werte richtete. Im Westen sodann hat die Säkularisierung oft dazu geführt, Gott zu vergessen und dem rein materiellen Wohlstand nachzujagen. 3. Die Antwort auf diese Herausforderungen sollte der einhellige Einsatz aller Ortskirchen sein, die von Natur aus missionarisch und gemeinsam verantwortlich sind für das Wachstum des Glaubens in der ganzen Welt. Die Versuchung zum Partikularismus, die die einzelnen Kirchen dazu bringen will, sich auf die Probleme innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu beschränken, muß also überwunden werden. Denn das würde die Abwertung des missionarischen Apostolats und die Erschöpfung des „Austauschs der Gaben“ zwischen den Schwesterkirchen zur Folge haben. In dieser Hinsicht müssen wir eingestehen, daß gegenüber den zahlreichen Bitten um Priester nur wenige Diözesen der interdikasterialen Kommission ihre Bereitschaft mitgeteilt haben, Hilfe anzubieten. Ich weiß im übrigen, daß viele schon direkte Beziehungen zu Schwesterkirchen angeknüpft haben, und unter diesen fehlen nicht die sogenannten „Missionskirchen“. Doch wir dürfen nicht vergessen, daß der Prozentsatz der , JFidei donum“-Priester nur wenig mehr als ein Prozent der Gesamtzahl ausmacht. Unsere Überlegungen, daß gemeinsam mehr und Besseres zustande gebracht werden könnte, sind wohl berechtigt. In der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 möchte ich also einen eindringlichen Aufruf an die Bischöfe und Priester, aber auch an die Ordensmänner, Ordensfrauen und christlichen Gemeinschaften eines jeden Landes und jeden Kontinents richten, daß sie im Geist tiefer Gemeinschaft und in lebhaft empfundenem Bewußtsein ihrer von Gott empfangenen Berufung eine größere Verantwortung im Werk der Evangelisierung übernehmen. 4. Die Bischöfe haben als Glieder des Bischofskollegiums „nicht nur für eine bestimmte Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen“ {Ad gentes, Nr. 38). Die Treue zu diesem Hinweis des Konzils verlangt, daß wir alle als Bischöfe der katholischen Kirche unsere Gemeinden sensibilisieren und konkrete Aktionen fördern, damit das Evangelium bis an die äußersten Enden der Erde verkündet werden kann. Wenn ich alle Brüder im Bischofsamt zu tatkräftiger Großherzigkeit auffordere, möchte ich an das erinnern, was der hl. Paulus hinsichtlich der Kirchen Mazedoniens an die Korinther schrieb: „Während sie durch große Not geprüft wurden, verwandelten sich ihre übergroße Freude und ihre tiefe Armut in den Reichtum ihres selbstlosen Gebens“ (2 Kor 8,2). Wir dürfen nicht vergessen, daß die Selbstlosigkeit in der Logik Gottes Quelle der Fruchtbarkeit ist! Die Priester und die Ordensleute mögen ihrerseits missionarische Herzen haben und missionarisch denken. Sie mögen für die Bedürfnisse der Kirche und der Welt offen sein. Im Gebet und vor allem im eucharistischen Opfer mögen sie die Sorge der Kirche um die ganze Menschheit spüren (vgl. Redemptoris missio, Nr. 67). 418 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn diese geistliche Haltung tief in ihrem Herzen verwurzelt ist, ermöglichen sie die Antwort „auf jenes zunehmend ernste Problem in der heutigen Kirche, das aus der ungleichen Verteilung des Klerus entsteht“ (Pastores dabo vobis, Nr. 32). Wenn eine echte innere Verfügbarkeit vorhanden ist, findet man leicht die Art und Weise, sie in konkrete Entscheidungen zu übersetzen. Die Zukunft der Kirche im dritten Jahrtausend wird sehr von dieser Verfügbarkeit und den daraus folgenden Entscheidungen abhängen. 5. Das Schlußwort dieser unserer Begegnung kann nichts anderes sein als eine Aufforderung zu einer noch verstärkteren Zusammenarbeit zwischen allen Kirchen und allen Christen im Werk der Evangelisierung. In einer Zeit starker tätiger Dynamik wie der unseren ist Koordinierung in der Zusammenarbeit mehr denn je notwendig. Das ist die Aufgabe der Kommission, der Ihr angehört. Ich wollte sie einrichten, damit sie die Nachfragen sowie die Verfügbarkeit des Klerus der Teilkirchen aufzeigen könne, bei den verfügbaren Kräften das Interesse wecke zum Einsatz dort, wo mehr Bedarf besteht, und den Fluß des „Austauschs der Gaben“ zwischen den Schwesterkirchen koordiniere. Als der hl. Paulus die Christen von Korinth aufforderte, selbstlos großherzig zu sein, sagte er zu ihnen: „Denn ihr wißt, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Das sollte der Stil aller Kirchen werden, so daß, wie geschrieben steht: „Wer viel gesammelt hatte, nicht zu viel hatte, und wer wenig, nicht zu wenig hatte“ (2 Kor 8,15). Mit dem Wunsch, daß Euer Einsatz von einem solchen Aufblühen an Großmut belohnt werde, wie wir es alle erwarten und erhoffen, erteile ich Euch in Liebe und Dankbarkeit den Apostolischen Segen. Zusammenarbeit unter den Völkern bei Achtung der Identität des anderen Ansprache beim Neujahrsempfang für das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 13. Januar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit und für die guten Wünsche, die von Ihrem Doyen mit großer Feinfühligkeit zum Ausdruck gebracht worden sind. Nehmen Sie Ihrerseits die herzlichen Wünsche entgegen, die ich Ihnen aussprechen möchte: Gott möge Sie und Ihre Familien und Nationen segnen; er möge allen ein glückliches Jahr schenken! Mit Freude sehe ich, daß die Zahl der Länder mit diplomatischen Beziehungen zum Hl. Stuhl jedes Jahr zunimmt. Es sind heute mehr als einhundertsechzig. Eine solche Entwicklung läßt eine wirkliche Hochachtung erkennen, die dem Aposto- 419 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lischen Stuhl und seiner Sendung in der Nationengemeinschaft von vielen Seiten entgegengebracht wird. Für den Papst und seine Mitarbeiter bedeutet dies einen ständigen Ansporn, immer enger mit der größtmöglichen Zahl von Personen und Organisationen zusammenzuarbeiten, die sich in Achtung vor Moral und Recht dafür einsetzen, daß Gerechtigkeit und Frieden auf unserer Erde herrschen. Da durch möchte ich ausdrücken, wie sehr ich mich über die Worte des Herrn Botschafters Joseph Amichia gefreut habe, der in Ihrem Namen einige Initiativen hervorgehoben hat, dank deren der Papst und mit ihm der Hl. Stuhl zu Fürsprechern all der Menschen geworden sind, die auf der ganzen Welt sehnlichst nach Frieden, Ruhe und Solidarität streben. 2. Es erfreut uns heute besonders, den Vertreter des palästinensischen Volkes zum ersten Mal hier mit uns vereint zu sehen. Wie Sie wissen, unterhält der Hl. Stuhl seit über einem Jahr diplomatische Beziehungen mit dem Staat Israel. Wir haben diesen glücklichen Zustand herbeigewünscht, denn er ist das beredte Zeichen dafür, daß der Mittlere Osten entschieden den Weg des Friedens eingeschlagen hat, der den Menschen von dem in Betlehem geborenen Kind verkündet worden ist. Gott möga den Israelis und Palästinensern helfen, nunmehr in Frieden nebeneinander und miteinander in gegenseitiger Achtung und aufrichtiger Zusammenarbeit zu leben! Die zukünftigen Generationen verlangen dies, und es wird der ganzen Gegend zugute kommen. Gestatten Sie mir aber, darauf hinzuweisen, daß diese Hoffnung sich als sehr kurzlebig erweisen könnte, wenn nicht das besondere Problem der Stadt Jerusalem ebenfalls eine gerechte und angemessene Lösung erfährt. Die religiöse und universale Dimension der Heiligen Stadt macht den Einsatz der ganzen internationalen Gemeinschaft erforderlich, damit sie ihre Einzigartigkeit beibehält und eine lebendige Wirklichkeit bleibt. Die heiligen Stätten der drei monotheistischen Religionen sind sicher wichtig für die Gläubigen; sie würden allerdings einen Großteil ihrer Bedeutung verlieren, wenn sie nicht auf Dauer von aktiven Gemeinschaften von Juden, Christen und Muslimen umgeben wären, die sich wirklicher Gewissens- und Religionsfreiheit erfreuen und die ihre eigenen religiösen, erzieherischen und sozialen Aktivitäten entfalten können. Das Jahr 1996 sollte den Verhandlungsbeginn über den endgültigen Status der von palästinensischer nationaler Obrigkeit verwalteten Gebiete und über die brisante Frage der Stadt Jerusalem bringen. Ich wünsche mir, daß die internationale Gemeinschaft den von diesem Problem direkt betroffenen politischen Partnern die geeigneten rechtlichen und diplomatischen Mittel an die Hand gibt, um sicherzustellen, daß Jerusalem in seiner Einzigartigkeit und Heiligkeit wahrhaft zu einem „Treffpunkt des Friedens“ wird. Dieses besonnene und entschlossene Streben nach Frieden und Brüderlichkeit wird zweifellos dazu beitragen, weitere Lösungen zu den fortdauernden Problemen dieser Region zu finden im Einklang mit den Bestrebungen der Völker, die noch immer um ihr Schicksal und ihre Zukunft besorgt sind. Ich denke besonders 420 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN an den Libanon, dessen Souveränität gefährdet bleibt, und an den Irak, dessen Bevölkerung immer noch darauf wartet, ein normales, vor aller Willkür geschütztes Dasein zu führen. 3. Ein Klima des Friedens scheint sich auch in einigen Teilen Europas auszubreiten. Bosnien-Herzegowina ist Gegenstand eines Abkommens geworden, das - wie wir hoffen - die Wesensart des Landes bewahren kann und gleichzeitig dessen ethnischer Zusammensetzung Rechnung trägt. Insbesondere sollte Sarajevo - eine weitere Stadt, die zum Sinnbild geworden ist - ebenfalls zu einem Kreuzungspunkt des Friedens werden. Nennt man es übrigens nicht „Jerusalem Europas“? Wenn der Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit dieser Stadt verbunden ist, so muß ihr Name nun zum Synonym für „Stadt des Friedens“ werden, und kulturelle, soziale und religiöse Begegnungen und Austauschmöglichkeiten sollen das multiethnische Zusammenleben bereichern. Es handelt sich um einen langwierigen Prozeß, der nicht ohne Schwierigkeiten ablaufen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hin weisen, daß nur dann ein dauerhafter Frieden auf dem Balkan erreicht werden kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind: Freizügigkeit der Menschen und freie Verbreitung ihrer Ideen, freie Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat, Vorbereitung wirklich demokratischer Wahlen und schließlich ein beharrlicher, materieller und moralischer Wiederaufbau. Nicht nur die internationale Gemeinschaft ist aufgerufen, ohne jeden Vorbehalt daran mitzuwirken, sondern auch die Kirchen und die religiösen Gemeinschaften. Wenn dieser Krieg, den ich oft als „sinnlos“ bezeichnet habe, nun beendet scheint, stellt sich das Werk des Friedens, der aufzubauen und zu festigen ist, als eine immense Herausforderung dar in erster Linie an die Europäer - aber nicht nur an sie damit nicht Gleichgültigkeit oder Egoismus eine ganze Gegend Europas mit unvorhersehbaren Folgen ihrem Untergang preisgibt. Auch Nordirland bewegt sich weiter auf eine verheißungsvollere Zukunft zu, und der laufende Prozeß vermehrt die Hoffnung auf einen stabilen und dauerhaften Frieden. Alle sind aufgerufen, auf immer zwei Übel auszumerzen, die keineswegs unvermeidlich sind: radikaler Extremismus und die politische Gewalt. Die Katholiken und Protestanten des Landes sollen sich einander gegenseitig achten, zusammen den Frieden aufbauen und im täglichen Leben Zusammenarbeiten. Unter den ermutigenden Anzeichen möchte ich außerdem die politische Entwicklung in Südamerika nennen, wo überwiegend katholische Völker leben, deren geistige Lebendigkeit den Reichtum der Kirche darstellt. Zahlreiche verschiedene Wahlen haben in den vergangenen Monaten stattgefunden und sind unter Bedingungen verlaufen, die von den internationalen Beobachtern als normal beurteilt wurden. Aber die sozialen Ungleichheiten sind immer noch sehr ausgeprägt, und die Problematik der Drogenherstellung und des Drogenhandels ist bis heute ungelöst. All dies sind Elemente, die den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen dieses Kontinents eine Gestaltung von Politik und Wirtschaft nahelegen müssen, die auf die Wünsche und auf die wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung immer 421 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mehr Rücksicht nimmt. Vergessen wir nicht, daß ein solches Verhalten das Voranschreiten des Friedensprozesses in Mittelamerika ermöglicht hat. In Nicaragua und Salvador schweigen die Waffen. In Guatemala ist die Wiederversöhnung auf gutem Weg. Sicherlich ist die Einstellung der Feindseligkeiten nicht immer gleichbedeutend mit der Befriedung der Gesellschaft. Die Entmilitarisierung ist schwer durchzusetzen, und die Beachtung der Menschenrechte ist nicht vollkommen. Dennoch breitet sich auch dort langsam ein neues Klima aus. Die katholische Kirche versäumt nicht, ihrerseits dazu beizutragen. Trotzdem muß man darauf achten, daß die neue, hoffnungsträchtige Atmosphäre, die sich dank hartnäckiger Arbeit mutiger Unterhändler entwickelt, denen unsere Dankbarkeit gilt, nicht nur eine Kampfpause ist. Zwischen drohenden Extremismen muß der Frieden eine Wirklichkeit sein. Und wenn dem so ist, dann wirkt er ansteckend. 4. Es gibt aber immer noch zu viele, mehr oder weniger versteckte Krisenherde, die die Völker unter dem unerträglichen Joch der Gewalt, des Hasses, der Unsicherheit und des Todes halten. Ich denke dabei sicher an Algerien, ganz in unserer Nähe, wo es fast täglich zum Blutvergießen kommt: Wir können nur sehnlich wünschen, daß sich in der rechten Achtung vor den Unterschieden eine Logik der Harmonie und ein nationales Projekt durchsetzt, in dem jeder Partner ist. Bei der Mittelmeerregion verbleibend, möchte ich von einer seit 1974 geteilten Insel sprechen: Zypern. Dort ist noch keine Lösung in Sicht. Eine derartige Situation, die die geteilte oder ihrer Güter enteignete Bevölkerung hindert, ihre Zukunft selbst zu gestalten, kann nicht auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten werden. Die Verhandlungen zwischen den betroffenen Parteien sollten intensiviert werden und von ehrlichem Willen auf Erfolg geprägt sein. Die Zusammenarbeit im Mittelmeeraum ist ein unerläßlicher Faktor für Stabilität und Sicherheit in Europa, wie von den Teilnehmern am jüngsten Europagipfel in Barcelona bekräftigt worden ist. In diesem Kontext dürfen wir nicht die Identitäten, die Gebiete und die Nachbarschaften sowie die Religionen vergessen: Diese unterschiedlichen Elemente müssen in Einklang gebracht werden, um aus dieser Region einen Raum kultureller, religiöser und wirtschaftlicher Zusammenarbeit zu machen zum Nutzen aller Anrainervölker. 5. Wenn wir unseren Blick nach Osten richten, müssen wir leider feststellen, daß die Kämpfe in Tschetschenien fortgesetzt werden. Afghanistan befindet sich immer noch in einer politischen Sackgasse, während die Bevölkerung ohne jeden Respekt traktiert wird und sich in einem Zustand größter Not befindet. Im Kaschmir und in Sri Lanka haben die Kampfhandlungen die Zivilbevölkerung weiter dezimiert. Auch die Einwohner von Osttimor warten noch auf geeignete Vorschläge, um ihre legitimen Ansprüche auf Anerkennung ihrer kulturellen und religiösen Eigenständigkeit verwirklichen zu können. 422 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Man muß den Mut so vieler Männer und Frauen bewundern und unterstützen, denen es gelingt, die Identität ihrer Völker zu wahren und die Fackel der Erinnerung und der Hoffnung an die jungen Generationen weiterzugeben. 6. Wenn wir uns nun Afrika zuwenden, kommen wir nicht umhin, das Andauem von Kriegsherden und von ethnischen Konflikten anzuprangem, die ein ständiges Hindernis für die Entwicklung dieses Kontinents darstellen. Die Situation in Liberia oder in Somalia, wo auch internationale Hilfe keinen Frieden schaffen konnte, bleibt dem Gesetz der Gewalt und der Partikulärinteressen unterworfen. Weitläufige bewaffnete Aktionen haben auch Sierra Leone in einen Spannungszustand versetzt und dadurch die Unsicherheit noch verstärkt. Im Süd-Sudan haben Dialog und Verhandlungen immer noch kein Bürgerrecht. Wir würden auch gerne entschiedenere Fortschritte in Angola feststellen, politische Zwistigkeiten und der ge sellschaftliche Zerfall machen es uns jedoch unmöglich, von einer „Normalisierung“ zu sprechen. Ruanda qnd Burundi sind weiterhin von einem ethnischnationalistischen Rückfall bedroht, dessen tragische Konsequenzen die Bevölkerung eigentlich schon zur Genüge erfahren hat. Letztes Jahr hatte ich in meiner Neujahrsansprache an das Diplomatische Corps um ein wenig mehr internationale Solidarität für Afrika gebeten, und in der gegenwärtigen Lage kann ich diesen Aufruf nur nachdrücklich erneuern. Heute aber möchte ich besonders das Gewissen der politisch Verantwortlichen in Afrika ansprechen: Wenn Sie sich nicht entschlossener für einen demokratischen Dialog auf nationaler Ebene einsetzen, wenn Sie die Menschenrechte nicht eindeutig respektieren, wenn Sie die öffentlichen Mittel und die auswärtigen Kredite nicht streng und unerbittlich verwalten, wenn Sie die Rassenideologie nicht öffentlich anpran-gem, wird der afrikanische Kontinent immer am Rande der Nationengemeinschaft bleiben. Um Hilfe zu erhalten, müssen die afrikanischen Regierungen politisch glaubwürdig sein. Die afrikanischen Bischöfe, die zu einer Sonderversammlung der Bischofssynode zusammengekommen waren, haben die Dringlichkeit einer guten Führung in Staatsangelegenheiten und einer guten Ausbildung der Verantwortungsträger in der Politik - Männer wie Frauen - unterstrichen, die „das eigene Volk bis zum äußersten lieben und lieber dienen wollen, als sich zu bedienen“ (Ecclesia inAfrica, Nr. 111, in O.R.,dt., 29. September 1995). 7. Diese Konfliktsituationen, die ich kurz angesprochen habe, sind keine unabwendbaren Gegebenheiten. Die positiven Entwicklungen in einigen Regionen, die ebenfalls im Netz der Gewalt gefangen waren, beweisen, daß es möglich ist, das Vertrauen zu den anderen wiederzufin den, welches in Wirklichkeit Vertrauen auf das Leben ist. Gesicherter und mutig verteidigter Frieden ist Sieg über die Kräfte des Todes, die immer und überall auf der Lauer liegen. In diesem Sinne unterstütze ich von ganzem Herzen die in wenigen Tagen in Genf stattfindende Wiederaufnahme der Konferenz zur „Revision des Abkommens über konventionelle Waffen“, die übermäßige Leiden verursachen, und den Abschluß 423 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Vertrags über ein Verbot der Atomversuche im Lauf des Jahres 1996. Diesbezüglich vertritt der Hl. Stuhl die Auffassung, daß auf dem Gebiet der Nuklearwaffen ein Versuchs- und Entwicklungsstopp, die Abrüstung und die Nichtverbreitung solcher Waffen in engem Zusammenhang zueinander stehen und so bald wie möglich unter wirksamer, internationaler Kontrolle in die Tat umgesetzt werden müssen. Es handelt sich um mehrere Etappen auf dem Weg hin zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung, die die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit ohne Verzögerung erreichen muß. 8. Wie ich schon mehrmals zu betonen die Gelegenheit hatte, vereint die internationale Gemeinschaft nicht nur Staaten, sondern Nationen, gebildet aus Männern und Frauen mit persönlicher und gemeinsamer Geschichte. Deren Rechte gilt es zu definieren und zu garantieren. Aber wie es in einer Familie geschieht, muß man sie abstufen und auf die Bedeutung der damit verbundenen Pflichten hinweisen. Anläßlich meines jüngsten Besuchs am Sitz der Vereinten Nationen in New York habe ich den Begriff „Familie der Nationen“ verwendet. Bei dieser Gelegenheit sagte ich, daß „der Begriff ,Familie sogleich an etwas denken läßt, was über die bloß funktionellen Beziehungen und das bloße Übereinstimmen von Interessen hinausgeht. Die Familie ist ihrer Natur nach eine auf gegenseitigem Vertrauen, gegenseitiger Unterstützung und gegenseitiger Achtung begründete Gemeinschaft. In einer wirklichen Familie gibt es nicht die Vorherrschaft der Starken; im Gegenteil, die schwächeren Glieder werden - gerade wegen ihrer Schwäche - mit doppeltem Wohlwollen umgeben und bedient“ {Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, 5. Oktober 1995, Nr. 14). Das ist der wahre Sinn dessen, was das internationale Recht theoretisch mit dem Begriff „Gegenseitigkeit“ eingeführt hat. Jedes Volk muß willens sein, die Identität seines Nachbarn an zuerkennen: Hier haben wir das Gegenteil der herrschsüchtigen Nationalismen, die Europa und Afrika zerrissen haben und es immer noch tun. Jede Nation muß bereit sein, ihre menschlichen, geistigen und materiellen Reichtümer zu teilen, um denen zu Hilfe zu kommen, die bedürftiger sind als die eigenen Landsleute. Rom bereitet sich zu Recht darauf vor, im kommenden November den Weltgipfel über Ernährung zu empfangen, der von der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft einberufen worden ist. Ich hoffe, daß der Geist der Solidarität und des Teilens die Arbeiten dieses Gipfeltreffens leitet, umsomehr als 1996 von der Organisation der Vereinten Nationen zum „Jahr der Bekämpfung der Armut“ erklärt worden ist. 9. Die Anerkennung des anderen und seines Erbes, wobei dieser Begriff im weitesten Sinne zu verstehen ist, betrifft selbstverständlich auch einen besonderen Bereich der Rechte der menschlichen Person, nämlich das Recht auf Gewissensund Religionsfreiheit. Ich halte es in der Tat für meine Schuldigkeit, noch einmal auf diesen grundlegenden Aspekt des geistigen Lebens von Millionen Männern 424 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Frauen zurückzukommen, denn die Lage - und ich sage das mit tiefer Betrübnis - ist weit davon entfernt, zufriedenstellend zu sein. So wie die Länder mit christlicher Tradition muslimische Gemeinschaften aufnehmen, so nehmen auch gewisse Länder mit muslimischer Mehrheit großherzig nicht-islamische Gemeinschaften auf und erlauben ihnen sogar, ihre eigenen Kultstätten zu bauen und dort ihrem Glauben gemäß zu leben. Andere praktizieren jedoch weiterhin eine Diskriminierung von Juden, Christen und anderen religiösen Gemeinschaften und gehen dabei so weit, ihnen das Recht zu verweigern, sich privat zum Gebet zu versammeln. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Es handelt sich hier um eine untragbare und nicht zu rechtfertigende Verletzung nicht nur aller geltenden internationalen Normen, sondern auch der fundamentalsten menschlichen Freiheit, nämlich seinen Glauben zu bekunden, der für den Menschen Lebensgrund ist. In China und Vietnam sind die Katholiken in jeweils unterschiedlichem Kontext ständigen Behinderungen ausgesetzt, vor allem was den sichtbaren Ausdruck des Bandes der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl betrifft. Man kann nicht unbegrenzt Millionen Gläubige unterdrücken, sie verdächtigen oder voneinander trennen, ohne daß dies negative Folgen nach sich zieht nicht nur für die internationale Glaubwürdigkeit dieser Staaten, sondern auch innerhalb der betroffenen Gesellschaften selbst: Für einen verfolgten Gläubigen wird es immer schwierig sein, einem Staat zu vertrauen, der sein Gewissen zu bevormunden trachtet. Dagegen tragen gute Beziehungen zwischen den Kirchen und dem Staat zum guten Einvernehmen aller Mitglieder der Gesellschaft bei. 10. Meine Damen und Herren, die Absicht dieser bescheidenen Überlegungen war es, die untereinander ausgetauschten Wünsche zu beleben. Sie haben ein Bild mit Licht und Schatten gezeichnet nach dem Abbild der menschlichen Seele. Der Nachfolger Petri hat aber die unabweisbare Pflicht, die Verantwortlichen der Nationen, die Sie hier bevollmächtigt vertreten, daran zu erinnern, daß die weltweite Stabilität nicht auf gewisse Werte verzichten kann, wie die Achtung vor dem Leben, vor dem Gewissen, vor den grundlegendsten Menschenrechten, der Aufmerksamkeit gegenüber den am meisten Benachteiligten, der Solidarität, um nur einige zu nennen. Der Hl. Stuhl, der unter den Nationen souverän und unabhängig und deshalb Mitglied der internationalen Gemeinschaft ist, möchte seinen spezifischen Beitrag zu dieser gemeinsamen Verpflichtung leisten. Ohne politischen Ehrgeiz, ist er vor allem darum besorgt, daß der Weg der Menschheit vom Licht dessen erhellt werde, der durch sein Kommen in diese Welt unser Weggefährte geworden ist: „In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen“ (Kol 2,3). Ihm empfehle ich erneut Sie persönlich, Ihre Familien und Ihre Nationen, insbesondere die junge Generation, an die ich gedacht habe, als ich mich an die Öffentlichkeit wandte: „Bereiten wir den Kindern eine friedliche Zukunft!“ (Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 1996)! Auf alle rufe ich den reichen Segen Gottes für das gerade begonnene Jahr herab. 425 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verpflichtung Frankreichs zur Mitarbeit für den Frieden in Europa und der Welt Ansprache beim Staatsbesuch des Präsidenten der Französischen Republik, Jacques Chirac, im Vatikan am 20. Januar Sehr geehrter Herr Präsident! 1. Es ist mir eine besondere Freude, den Staatspräsidenten der Französischen Republik in der Person Ihrer Exzellenz zu begrüßen. Die Geschichte und die Kultur Ihrer Nation haben Frankreich eng mit der katholischen Kirche und dem Hl. Stuhl verbunden. Seit den ersten Jahrhunderten der Christenheit haben die Söhne jener zuerst gallischen und dann französischen Provinzen ununterbrochen einen Platz ersten Ranges im Leben der Kirche eingenommen: Es sind die Heiligen, die Märtyrer und Hirten, die der Kirche in Frankreich ihre tiefsten Wurzeln geben; es sind die Erbauer, die Künstler und Schriftsteller mit großer Ausstrahlung; es sind im Laufe der Jahrhunderte die Denker, die Theologen und Philosophen, die mit ihrem persönlichen Talent am Aufbau des intellektuellen und geistigen Reichtums der Christenheit teilgenommen haben. In allen Bereichen der Kultur erweckt der französische Beitrag auf der ganzen Welt allgemeine Anerkennung. Dank Ihrer Mitbürger hat die wissenschaftliche Forschung oft entscheidende Schwellen überschritten hinsichtlich der Kenntnis des Universums, der Güterherstellung und der wirtschaftlichen Organisation, der Ausgestaltung des Rechts und der politischen Reflexion. Es soll hier ausreichen, mit einem Wort auf den Beitrag Ihres Landes zur Bewußtmachung der Menschenrechte hinzudeuten. Ich möchte außerdem die Verbreitung der französischen Sprache erwähnen, die ich selber gerne anwende und die ein wertvolles Medium für die Gedanken und für den Austausch in sehr unterschiedlichen Kreisen und zahlreichen Ländern bleibt. 2. Gewiß sind die Entfaltung einer Gesellschaft und der Wohlstand, den man zu einem gegebenen Zeitpunkt für alle erreichbar hält, nicht ein für allemal gesichert. Mit jedem Zeitalter tauchen neue Prüfungen auf und komplexe Phänomene, bei denen echter Fortschritt auch unselige Folgen nach sich zieht. Die gegenwärtigen Wirtschaftsbedingungen haben eine schreckliche Kehrseite, die der Arbeitslosigkeit. Wir erleben dramatische Spaltungen im sozialen Gefüge. Die grundlegende Einrichtung der Familie ist erschüttert und entwertet; zu oft sehen sich Haushalte mit Armut oder so tiefgreifender Auflösung konfrontiert, daß sie darauf verzichten, neues Leben zu schenken oder nicht mehr in der Lage sind, ihre erzieherische Funktion voll zu erfüllen. Ein Teil der Bevölkerung leistet nur geringen Widerstand gegen Plagen, die zur Gewalttätigkeit führen, wie die Verbreitung von Drogen und der Sittenverfall. 426 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das politische Amt findet dann seine echte Würde, wenn die gesellschaftlichen Übel mit klarem Verstand und Mut angegangen werden, sowohl auf der Ebene einer einzelnen Nation als auch auf der Ebene der ganzen Welt. Jacques Maritain sagte: Die Gesellschaft ist „eine Aufgabe, die es zu erfüllen, und ein Ziel, das es zu erreichen gilt“ (L’ komme et l’ Etat, S. 2). Die erste Voraussetzung ist es, jedem Menschen zu erlauben, sich der unleugbaren Werte bewußt zu werden für einen Gebrauch der Freiheit, die die Wahrheit und die Menschenwürde achtet, und für die Ausübung der gleichen Rechte eines jeden Bürgers, die der natürlichen Brüderlichkeit aller Rechnung trägt. Wie ich schon bei mehreren Gelegenheiten gesagt habe, ist auf diesem grundsätzlichen Niveau die Devise der Französischen Republik zu einem großen Teil von den Werten des Evangeliums inspiriert. 3. Sehr geehrter Herr Präsident, die Wertschätzung der Kirche gegenüber den weltlichen Einrichtungen beruht auf ihrer Auffassung von der Rolle des Staates. Gedanken über die politische Tätigkeit gehören in den Rahmen der Soziallehre und setzen ständige moralische Überlegungen voraus. Genau in diesem Sinne gibt die rechtliche und soziale Tradition in Ihrem Land dem Staat eine Verantwortung ersten Ranges, um allen Menschen die Achtung ihrer grundlegenden Rechte zu sichern und um die rechtlichen und materiellen Voraussetzungen für die Ausübung der persönlichen Freiheiten zu schaffen. Einige dieser Rechte sind auch heute noch allzuoft und auf verschiedene Weise in Frage gestellt, sowohl in den begünstigsten als auch in den bedürftigsten Gesellschaften. Ich denke selbstverständlich an das Recht auf Leben der Menschen, vom Moment der Zeugung bis zum Tod, ein Recht, das es immer zu schützen gilt. Ich denke auch an das Recht auf Religionsfreiheit, dessen vollkommene Sicherung zufriedenstellende Bedingungen für die religiöse Erziehung voraussetzt, aber auch die Möglichkeit für alle Gläubigen, ihre Überzeugungen ausdrücken zu können und diese in der Öffentlichkeit respektiert zu sehen. Durch seine Einrichtungen und Dienste kann der Staat außerdem eine bedeutende Rolle spielen, um den Dialog zwischen allen Mitgliedern der Gesellschaft zu fördern, ungeachtet ihres Milieus, ihrer Herkunft, ihrer persönlichen Fähigkeiten oder ihrer finanziellen Mittel. Dieser Dialog stellt einen ersten Schritt dar auf dem Weg zu einer Art von Solidarität, die großherzig genug ist, damit die Schwächsten nicht obdachlos, ohne Nahrung, ohne Fürsorge, ohne Sicherheit oder auch ohne Ausbildung bleiben. Das heißt mit anderen Worten, daß eine Nation sich wahrhaft solidarisch verhalten muß, damit es den bedürftigsten unter ihren Mitgliedern möglich ist, die Hoffnung nicht aufzugeben und einen positiven Sinn in ihrem Leben zu finden. Darf ich in diesem Zusammenhang sagen, daß ein Land wie das Ihre eine besondere Berufung hat, sich der hohen Auffassung von der Menschenwürde treu zu erweisen, deren unschätzbaren Wert dieses Land der ganzen Welt aufgezeigt hat? 427 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Es ist heutzutage nicht mehr möglich, den hauptsächlichen Erwartungen des Menschen zu entsprechen ohne eine breite Zusammenarbeit zwischen den Nationen. Gerne bezeichne ich die Gesamtheit aller Nationen als eine „Familie“. Dieser Begriff bezieht sich wohlverstanden auch auf Europa: Unser Kontinent hat große Schritte in Richtung auf den Frieden gemacht und die ehemaligen Spaltungen und Konflikte überwunden. Ich würdige die Bemühungen der heutigen Verantwortlichen in der Politik, die Einheit Europas zu stärken - wobei gleichzeitig die Eigenart jeder Nation bewahrt werden soll - und seine Aktion wirksamer zu gestalten mit dem Ziel, die Spannungen zu lösen, die unseren Erdteil auch in jüngster Zeit noch zerrissen haben. Ein solidarischeres Europa wird auch zur Unterstützung der benachteiligten Völker beitragen. Frankreich hat besondere Beziehungen zu Afrika aufgebaut; es hat zahlreichen Staaten dieses Kontinents seine Hilfe gebracht, und es ist wünschenswert, daß trotz der wirtschaftlichen und anderer Schwierigkeiten eine positive und uneigennützige Zusammenarbeit weitergeführt werde. In unserer heutigen Welt ist die Entwicklungsförderung eine Verantwortung aller gegenüber der Menschheits-familie. Des weiteren hat Frankreich auch im Mittelmeerraum und im Vorderen Orient eine wesentliche Rolle zu spielen, wo es seit Jahrhunderten einen Stabilitätsfaktor darstellt im Respekt der verschiedenen Kulturen und Religionen. 5. Herr Präsident, wie Sie wissen, beansprucht die Kirche keinerlei weltliche Macht. Sie erfüllt einzig ihre geistliche Sendung, die eine Sendung des Dienens ist. Indem sie versuchen, dem Evangelium Christi treu zu sein, sehen sich die Katholiken - demütig, aber durch den Glauben gestärkt - als Partner im nationalen Dialog. Sie möchten dabei helfen, das zu erkennen, was für den Menschen gut ist, sie möchten an den Sinn des Daseins und an den Wert der Gnade erinnern und die Hoffnung eines jeden unterstützen. Die Tätigkeit der Gläubigen und der katholischen Gemeinschaften, Bewegungen und Verbände ist ein Teil der Bemühungen der ganzen Nation im Hinblick auf das Gemeinwohl für ein Mehr an Gerechtigkeit und Solidarität unter den Bürgern in einem Klima loyaler Zusammenarbeit mit den anderen Einrichtungen des Landes. Ich werde der Einfachheit halber zwei Gebiete erwähnen, in denen die Kirche eine langjährige Erfahrung besitzt. Einerseits möchte sie ein familienfreundliches soziales Verhalten anregen im Hinblick auf die Sicherung der Zukunft der Nation, denn die Familie ist die grundlegende Zelle der Gesellschaft und eine Schule der Solidarität. Anderseits versucht sie dank ihrer Erziehungseinrichtungen und -initiativen - ich denke dabei besonders an das Netz der katholischen Schulen -den Jugendlichen eine Ausbildung zu geben, die es ihnen ermöglicht, ihre Persönlichkeit vollständig zu entfalten in Treue zu dem geistigen und kulturellen Erbe, das das Antlitz Frankreichs geprägt hat. 6. In wenigen Monaten werde ich bei einer weiteren Pastoraireise nach Frankreich die Freude haben, mehrere Regionen zu besuchen und zwei große Jubiläen zu fei- 428 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN em: den Jahrestag des hl. Martin in Tours und das Jubiläum der Taufe des Fran-kenkönigs Chlodwig in Reims. Dies ist ein wesentliches Geschenk für die Beziehungen zwischen Ihrem Land und der Kirche. Schon jetzt ist es mir ein Anliegen, Herr Präsident, Ihnen für die Aufnahme auf französischer Erde bei dieser Gelegenheit zu danken. Des weiteren freut es mich besonders, daß die französischen Behörden das Begehen des Weltjugendtags 1997 in Paris befürwortet und angenommen haben. Herr Präsident, ich spreche Dinen meine herzlichen Wünsche aus für die Erfüllung Ihrer wichtigen Mission im Dienst Ihres Landes. Ich dehne diese Wünsche auf Ihre Verwandten und auf die Persönlichkeiten aus, die Sie hierher begleitet haben, sowie auf die Gesamtheit Ihrer Mitbürger. Auf alle rufe ich von ganzem Herzen den Segen Gottes herab. Ehenichtigkeitsprozesse vor dem internationalen Gerichtshof der Kirche - Vielfalt der Kulturen im Licht der Offenbarung Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Römischen Rota am 22. Januar 1. Von Herzen danke ich Ihnen, Herr Dekan, für die gehaltvollen Worte, die Sie im Namen aller Anwesenden gesprochen haben. Mit Ihnen grüße ich herzlich die Richter (Auditoren), die Kirchenanwälte, die Bandverteidiger, die Kanzleibeamten, die Anwälte der Rota und die Studenten des „Studio Rotale“. Zu Beginn des neuen Gerichtsjahres wünsche ich Euch allen Frieden und eine fruchtbare Tätigkeit auf diesem anspruchsvollen Gebiet der Vertiefung und der konkreten Anwendung des Rechts. Es ist nur immer eine große Freude, Euch aus diesem traditionsreichen Anlaß zu empfangen. Er bietet mir die Gelegenheit, Euch meine aufrichtige Dankbarkeit und meine Wertschätzung für die Treue und den Einsatz auszusprechen, womit Ihr Eurem besonderen kirchlichen Dienst nachkommt. In seinem Grußwort hat der Dekan die Probleme aufgezeigt, die sich dem Verstand, dem Gewissen und dem Herzen der Auditoren bei der Ausübung der richterlichen Gewalt auf drängen. Es sind Probleme, die bei mir volles Verständnis finden und bei denen ich mit einigen Überlegungen verweilen möchte. Ich werde von einigen grundlegenden Begriffen über die wahre und echte Natur der Ehenichtigkeitsprozesse ausgehen, um dann von der spezifischen Aufgabe des kirchlichen Richters zu sprechen, die darin besteht, der Besonderheit eines jeden einzelnen Falles nachzugehen, und zwar im Kontext seines ihm eigenen kulturellen Umfeldes. 2. Die wahre Natur der Ehenichtigkeitsprozesse kann außer aus deren eigenem Gegenstand auch aus deren Einordnung innerhalb der kanonischen Normen gefolgert werden, die Einleitung, Verlauf und Entscheidung des Verfahrens regeln. 429 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN So hat der Gesetzgeber einerseits eine Reihe besonderer Normen für Ehenichtigkeitsverfahren aufgestellt (vgl. can, 1671 ff. C./.C.; can. 1357 ff. C.C.E.O.), andererseits aber verfügt, daß auch auf diese „die Canones über das Gerichtswesen im allgemeinen und über das ordentliche Streitverfahren“ angewandt werden müssen (can. 1691 C./.C.; can. 1376 C.C.E.O.). Gleichzeitig hat er ausdrücklich daran erinnert, daß es sich um Personenstandssachen handelt, d. h. um die Stellung der Personen in bezug auf die kirchliche Rechtsordnung (vgl. can. 1691 C./.C.) und in bezug auf das öffentliche Wohl der Kirche (vgl. can. 1691 C./.C.; can. 1376 C.C.E.O.). Ohne diese Vorbemerkungen ist es nicht möglich, einige Vorschriften beider Codices, des lateinischen und des orientalischen, zu verstehen, in denen vornehmlich das Handeln der öffentlichen Gewalt in Erscheinung tritt. Denken wir z. B. an die Rolle des Richters bei der Durchführung der prozessualen Beweiserhebung, bei der er sogar bei Nachlässigkeit der Parteien ergänzend tätig wird; oder an die unentbehrliche Anwesenheit des Bandverteidigers in seiner Eigenschaft als Schützer des Sakramentes und der Gültigkeit der Ehe; oder auch an die Initiative, die vom Kirchenanwalt ausgeht, wenn er in bestimmten Fällen als Kläger auftritt. Gleichzeitig aber zeigt die gegenwärtige Gesetzgebung der Kirche großes Verständnis dafür, daß der in Frage gestellte Personenstand nicht allzulange ungeklärt bleibt. Daraus leitet sich die Möglichkeit ab, verschiedene Gerichte anzugehen, um die Beweismöglich keiten zu erleichtern (vgl. can. 1673 C./.C.; can. 1359 C.C.E.O.); ebenso in der Berufungsinstanz die Kompetenz, neue Nichtigkeitsgründe als erstinstanzlich zuzulassen und darüber zu entscheiden („tamquam in prima instantia“ - vgl. can. 1683 C./.C.; can. 1369 C.C.E.O.)', oder auch das abgekürzte Berufungsverfahren, nämlich nach einem affermativen Urteil unter Wegfall aller Prozeßformalitäten das Urteil durch einfaches Dekret zu bestätigen (vgl. can. 1682 C./.C.; can. 1368 C.C.E.O.). 3. Über allem aber stehen die öffentlich-rechtliche Natur des Ehenichtigkeitprozesses und zugleich die rechtsspezifische Klärung eines Status, d. h. die Feststellung einer objektiven Wirklichkeit auf dem Prozeßweg, nämlich der Existenz eines gültiges oder nichtigen Bandes. Diese Qualifizierung kann im realen Verfahren nicht durch die Tatsache verdunkelt werden, daß der Nichtigkeitsprozeß in den breiteren Rahmen der Streitverfahren eingefügt ist. Man muß außerdem daran erinnern, daß die Eheleute zwar das Recht haben, Klage auf Nichtigkeit ihrer Ehe zu erheben, aber nicht das Recht auf deren Nichtigkeit oder Gültigkeit. Es handelt sich also in Wirklichkeit nicht darum, einen Prozeß anzustrengen, der mit einem konstitutiven Urteil abschließt, sondern eher um die rechtliche Befugnis, der zuständigen kirchlichen Autorität die Frage über die Nichtigkeit ihrer eigenen Ehe vorzulegen und um eine diesbezügliche Entscheidung nachzusuchen. Das hindert jedoch nicht, daß den Eheleuten - da es sich ja um ein Verfahren handelt, das die Definition des eigenen Personenstands betrifft - die wesentlichen 430 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Prozeßrechte zuerkannt und gewährt werden: Anhörung im Laufe des Verfahrens, Vorlage von Urkunden und Sachverständigengutachten, Benennung von Zeugen, Einsicht in alle aufgekommenen Akten sowie Einreichung von Verteidigungsschriftsätzen. 4. Nie darf man jedoch vergessen, daß es hier um ein unverfügbares Gut geht und daß dabei das oberste Ziel in der Feststellung einer objektiven Wahrheit besteht, die auch das öffentliche Wohl berührt. In dieser Hinsicht können bestimmte Prozeßhandlungen - wie z. B. die Vorlage gewisser Zwischenverfahren oder Verhaltensweisen, die das Verfahren verzögern, die nicht sachdienlich oder unerheblich sind, oder solche, die das Erreichen dieses Ziels geradezu behindern - im kirchlichen Prozeß nicht zugelassen werden. In diesem allgemeinen Rahmen erscheint deshalb der Rückgriff auf Beschwerden, die sich auf mutmaßliche Verletzungen des Verteidigungsrechts beziehen, als ein reiner Vorwand. Gleiches gilt auch für die Forderung, auf den Ehenichtigkeitspro-zeß Verfahrensnormen anzuwenden, die für Prozesse anderer Art gelten, aber für Verfahren, die nie in Rechtskraft erwachsen, völlig unangemessen sind. Diese Prinzipien müssen ausgearbeitet und in eine klare Gerichtspraxis umgesetzt werden, vor allem durch die Rechtsprechung des Gerichts der Römischen Rota, so daß weder das Universal- und Partikularrecht noch die Rechte der am Verfahren rechtmäßig beteiligten Parteien verletzt werden. Die Rota soll den Gesetzgeber außerdem zu Verbesserungen amegen oder auch zu Normen, die die spezifische Anwendung des Codex regeln, wie es schon früher geschehen ist (vgl. Instructio 5. Congregationis de Disciplina Sacramentorum Provida Mater Ecclesia, 15. August 1936). 5. Ich vertraue darauf, daß diese Überlegungen dazu beitragen, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die sich einer schnellen Entscheidung der Verfahren in den Weg stellen könnten. Für ein angemessenes Urteil in diesen Prozessen halte ich aber einige Bemerkungen hinsichtlich der Notwendigkeit, jeden einzelnen Fall zu bewerten und darüber zu beschließen, für nicht weniger bedeutend, wobei die Individualität jeder Person und gleichzeitig die Eigenart der Kultur, in der sie aufgewachsen ist und lebt, in Betracht gezogen werden muß. Schon zu Beginn meines Pontifikats habe ich deshalb, als ich die Wahrheit über die Menschenwürde verdeutlichen wollte, unterstrichen, daß der Mensch ein einmaliges, einzigartiges und nicht wiederholbares Wesen ist (vgl. AAS 71[1979]66). Diese Unwiederholbarkeit betrifft das menschliche Individuum nicht als abstrakten Begriff, sondern eingebunden in die historische, ethnische, soziale und vor allem kulturelle Wirklichkeit, die es in seiner Einmaligkeit kennzeichnet. Auf jeden Fall wird das grundlegende und unverzichtbare Prinzip der Unantastbarkeit des göttlichen Rechts - sei es das natürliche, sei es das positive -, das in den kanonischen Normen über die verschiedenen Materien authentisch formuliert ist, erneut bekräftigt. 431 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es kann nie dämm gehen, die objektive Norm dem Gutdünken der Privatpersonen anzupassen, und noch weniger, ihr eine willkürliche Bedeutung und Anwendung zu geben. Ebenso muß ständig gegenwärtig sein, daß die einzelnen, vom Kirchenrecht definierten rechtlichen Institute - ich denke dabei besonders an die Ehe, ihr Wesen, ihre Eigen schäften und ihre wesenseigenen Ziele - immer und in jedem Falle ihre Geltung und ihren wesentlichen Inhalt haben und behalten müssen. 6. Da aber das abstrakte Gesetz seine Ausführung in einzelnen, konkreten Tatbeständen findet, ist es eine Aufgabe von sehr großer Verantwortung, die spezifischen Fälle in ihren verschiedenen Aspekten zu bewerten, um festzustellen, ob und in welcher Weise sie der vorgesehenen Norm unterliegen. Es ist gerade in dieser Phase, wo die Klugheit des Richters ihre ureigenste Rolle entfaltet; hier in Wahrheit „spricht er Recht“, indem er das Gesetz und seine Zielsetzung verwirklicht, fern von vorgefaßten geistigen Kategorien, die vielleicht in einer bestimmten Kultur und in einer besonderen historischen Epoche ihre Gültigkeit haben können, aber gewiß nicht „a priori“ immer und überall und für jeden einzelnen Fall anwendbar sind. Im übrigen hätte sich die Rechtsprechung der Römischen Rota, die dann in nicht wenige Canones des geltenden Codex übertragen und gleichsam geheiligt worden ist, nicht entfalten, verfeinern und verbessern können, wenn sie nicht - mutig und zugleich umsichtig - die Aufmerksamkeit auf eine artikulierte Anthropologie gerichtet hätte, d. h. auf eine Konzeption des Menschen, die vom Fortschritt der Humanwissenschaften herkommt, die ihrerseits von einer klaren und authentisch fundierten philosophischen und theologischen Vorstellung erleuchtet sind. 7. So ist Euer sehr anspruchsvolles richterliches Amt eingefügt - gleichsam eingefangen - in dem jahrhundertealten Bemühen, mit dem die Kirche den Kulturen der Welt jeder Zeit und jeden Ortes begegnet ist. Daraus hat sie all das angenommen, was sie an wesentlich Gültigem vorfand, und das, was mit den unveränderlichen Ansprüchen der Würde des als Abbild Gottes geschaffenen Menschen in Einklang steht. Wenn diese Überlegungen für alle Richter der Gerichtshöfe, die in der Kirche tätig sind, gelten, dann scheinen sie um so mehr angemessen zu sein für Euch, Auditoren eines Gerichts, an das definitionsgemäß und aufgrund seiner erstrangigen Zuständigkeit die Prozesse aus allen Kontinenten der Erde durch Berufung herangetragen werden. Nicht also bloß um der äußeren Erscheinung willen, sondern wegen des Zusammenhanges mit der Euch anvertrauten Aufgabe sieht der erste Artikel der Normen der Römischen Rota vor, daß das Richterkollegium aus Auditoren bestehe, die „vom Papst aus verschiedenen Teilen der Erde gewählt wer den“ („e variis terrarum orbis partibus a Summo Pontifice selecti“). International ist also Euer Gerichtshof, der in sich die Beiträge der verschiedensten Kulturen vereint und sie im höheren Licht der geoffenbarten Wahrheit harmonisiert. 432 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Ich bin sicher, daß diese Überlegungen in Eurem Geist als umsichtige und erleuchtete Richter volle Zustimmung finden werden wie auch bei all denen, die bei der Gerichtsbarkeit der Rota mitarbeiten: Kirchenanwälte, Bandverteidiger und Advokaten. Ich ermahne Euch alle, dieselben Absichten zu verfolgen, sei es was die prozessualen Initiativen, sei es was die Vertiefung des Studiums der einzelnen Fälle betrifft. Indem ich für Euch die Überfülle der Gnaden und Einsichten erbitte, wie sie zu Beginn dieses Tages zur Eröffnung des Gerichtsjahres in der Liturgie vom Geist der Wahrheit erfleht wurden, spende ich Euch allen als Zeichen meiner Wertschätzung für eure großherzige Hingabe im Dienst der Kirche einen besonderen Apostolischen Segen. Roms Geschichte ist Verpflichtung für Gegenwart und Zukunft Ansprache beim Empfang für den Bürgermeister der Stadt Rom und die Kapitolinische Stadtverwaltung am 25. Januar Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren der Kapitolinischen Stadtverwaltung! 1. Willkommen zu dieser traditionellen Begegnung am Beginn des neuen Jahres! Sie ermöglicht es dem Bischof von Rom und den Mitgliedern der Kapitolinischen Stadtverwaltung, Glückwünsche auszutauschen und ihren gemeinsamen Einsatz für die Stadt zu erneuern. Herzlich begrüße ich Sie, Herr Bürgermeister, und danke Ihnen für Ihre liebenswürdigen, im Namen aller an mich gerichteten Worte. Mein achtungsvoller Gruß gilt sodann jedem von Ihnen, die Sie die Stadt Rom vertreten. Durch Sie möchte ich der ganzen Stadt meine Grüße und guten Wünsche übermitteln. Ihr Besuch ist eine weitere Bestätigung der engen Bande zwischen der Kapitolinischen Stadtverwaltung und der katholischen Kirche, die in Rom ihren Mittelpunkt hat. Diese Atmosphäre des Einvernehmens und des gegenseitigen Vertrauens stellt eine sehr positive Tatsache für die Gegenwart und die Zukunft unserer Stadt dar. Die Stadt kann aufgrund der einträchtigen Zusammenarbeit der verschiedenen in ihrem Bereich angesiedelten Institutionen zu Recht hoffen, die Ziele zu erreichen, zu denen sie ihre universale Berufung verpflichtet. Durch ihre Geschichte und wegen ihrer besonderen, mit der Anwesenheit des Nachfolgers Petri verbundenen Sendung ist Rom eine einzigartige Stadt, auf die nicht nur die Völker, die den christlichen Glauben und die christliche Tradition teilen, ihren stets aufmerksamen Blick richten. Auch all jene schauen auf Rom, die 433 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in der Stadt das immerfort lebendige Gedächtnis der Kultur und Zivilisation, kostbares Erbe der ganzen Menschheit, erblicken. Im Dienst dieser Berufung sind das kirchliche Rom und das zivile Rom aufgerufen, ihre Zusammenarbeit zu verstärken, vor allem an diesem Jahrhundertende, da wir uns der historischen Schwelle des Jahres 2000 nähern. Ja, unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf das Große Jubiläum, das den Beginn des dritten christlichen Jahrtausends anzeigt. Es ist eine überaus günstige Gelegenheit für Rom, das Bewußtsein von seiner einzigartigen Rolle in Italien und in der Welt neu zu gewinnen, zu vertiefen und zu beleben. Ich weiß um den Einsatz, mit dem Sie, Herr Bürgermeister, und die Mitglieder der Kapitolinischen Verwaltung am Werk sind, damit die Stadt Rom, gut vorbereitet, den Jubiläumsfeierlichkeiten entgegensehen kann. Dafür bringe ich Ihnen meine dankbare Wertschätzung zum Ausdruck und rufe alle in der öffentlichen Verwaltung Tätigen auf, die geeigneten Bedingungen dafür zu schaffen, daß das Heilige Jahr 2000 den Pilgern und der Welt das wahre und wirkliche Bild der Stadt zeigen kann. In den Jahrhunderten seiner Geschichte hat Rom, vom christlichen Glauben erleuchtet, verstanden, die großen Werte der Gastlichkeit, der Toleranz, der Gerechtigkeit und der Universalität zu verwirklichen. Das Jubiläum, das in erster Linie ein Anlaß zur tiefgreifenden Erneuerung des menschlichen Herzens sein will, muß unsere Stadt bestrebt sehen, sich auf ihre menschlichen und christlichen Wurzeln zurückzubesinnen, um mit neuer Kraft ihren Weg in das anbrechende Jahrtausend anzutreten. 2. Das Herz der Stadt ist die Familie. Über diesen Weg geht jedes Werk der Erneuerung und Stärkung des moralischen Gefüges Roms. Es bleibt daher Hauptaufgabe der öffentlichen Institutionen, die Grundbedingungen zu schaffen, damit die Familie ein ihrer Berufung würdiges Leben führen kann. Trotz einiger lobenswerter Resultate in der letzten Zeit leben noch zu viele römische Familien in nicht ganz der Würde des Menschen und seiner Bestimmung entsprechenden Verhältnissen. Was soll man von den im städtischen Gefüge vorhandenen ArmutsSituationen sagen, dem Los vieler Familien auf der ungewissen und bisweilen demütigenden Suche nach dem Nötigsten? Wie könnte man die Lage vieler, ja allzu vieler alleinstehender und fast vergessener alter Menschen unbeachtet lassen, die vielen Familien von Immigranten, die auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen nach Rom gekommen sind und sich oft Feindseligkeit und Ausbeutung ausgesetzt sehen. Wie könnte man an dem Drama so vieler Familien vorbeisehen, die an den enormen Problemen zu tragen haben, die die Anwesenheit eines kranken oder behinderten Menschen im Haus mit sich bringt, und an der Situation so vieler junger Paare, die die täglichen Schwierigkeiten, bedingt durch allzu hohe Wohnungskosten, Ungewißheit der Arbeit und Mangel an Dienstleistungen, unbeständig und weniger offen für die Annahme neuen Lebens machen? Leider hat auch in Rom das Phänomen des Geburtenrückgangs, das Italien und einen großen Teil der Industrieländer trifft, besorgniserregende Ausmaße ange- 434 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nominen. Diesem ernsten Problem entgegenzutreten ist eine Verpflichtung, der niemand, und am wenigsten, wer eine administrative oder institutionelle Aufgabe zu erfüllen hat, sich entziehen kann. Die Kirche Roms hat schon seit langem die Familienpastoral unter ihre Prioritäten gereiht. Manchmal wird diese Sorge um die Institution Familie nicht in ihrem wirklichen Sinn verstanden und stößt auf unerklärlichen Widerstand. Mein Wunsch ist indes, die Zusammenarbeit unter denen, die sich um das echte Wohl der Familie mühen, möge sich so intensivieren lassen, daß eine immer günstigere Atmosphäre für deren volle Entfaltung entstehen kann. Die dem Evangelium entsprechende Sicht des Lebens, wie sie die Kirche immer wieder vor Augen führt, kommt den tiefsten Erwartungen der Person entgegen, und wenn die Familie sie sich zu eigen macht, trägt sie sicherlich dazu bei, die Gesellschaft aufnahmebereiter und solidarischer zu machen. 3. Das kommende Jubiläum mahnt dazu, die transzendente Bestimmung eines jeden Menschen anzuerkennen und als eine Folge daraus seine unantastbaren Rechte zu fördern. Die Vorbereitung der Stadt auf das Jubiläumsereignis darf daher nicht an den großen Hoffnungen auf Gerechtigkeit und Solidarität in der Stadtgemeinschaft Vorbeigehen. Am vordringlichsten ist hier das Problem der Arbeitslosigkeit und das Recht auf Arbeit. Aus der Stadt erreichen mich fortwährende Hilferufe, ja fast Schmerzensschreie von arbeitslosen Erwachsenen und von Jugendlichen, die eine erste Arbeitsstelle suchen. Es ist ein Drama, welches das christliche und zivile Gewissen nicht unbeachtet lassen darf! Ich mache mich, was diese Erwartungen betrifft, zum Fürsprecher bei Ihnen, meine Damen und Herren der Stadtverwaltung, damit jede mögliche Initiative unternommen werde, um allen eine anständige Arbeit zu geben. Rom besitzt große potentielle Möglichkeiten, die mutig und kreativ unterstützt und gefördert werden sollten. Neben die traditionellen Beschäftigungskanäle wie Handwerk, öffentlicher Dienst, Baugewerbe und Handel - die neu zu beleben und im Namen eines überzeugenderen Dienstes am Menschen neu zu überdenken sind - und neben die neuere industrielle Entwicklung - die mit geeigneten wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen zu fördern ist - müssen neue Sektoren produktiver Tätigkeiten treten. Mit einem Angebot neuer Beschäftigungsmöglichkeiten sollen sie die Stadt an die Anforderungen der modernen Gesellschaft anpassen und so der Lebensqualität Vorschub leisten. Ebenfalls ist es nötig, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit Rom die Liebe zu seiner Vergangenheit, eingeschrieben in wunderbare historische und künstlerische Zeugnisse, mit seiner Gegenwart und seiner Zukunft verbinden kann und Möglichkeiten erwägt, um gerade sein geistiges und kulturelles Erbe und seine Berufung zur Gastfreundschaft in neuen Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten auszuwerten. Es ist ferner mein Wunsch, daß Rom in dem Bemühen, das Recht aller auf Arbeit zu erkennen und konkret zu fördern, nicht jene vergesse, die in den letzten Jahren, aus anderen Kulturräumen kommend, sich in unserer Stadt niedergelassen haben. 435 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nach jüngsten Statistiken bilden sie jetzt ein Zehntel der römischen Bevölkerung und stellen die Verwaltung und die Bewohner der Stadt vor neue und nicht leicht zu lösende Probleme. Ich hoffe, daß Rom in Achtung vor den Rechten und der Würde eines jeden sich auch in diesen komplexen Fragen als „katholische“ Stadt erweisen wird, das heißt: gastfreundlich und offen für Beiträge aus verschiedenen Kulturen. Auf diesem Gebiet möchte die christliche Gemeinschaft durch ihre Anwesenheit und ihre vielfältigen karitativen und pastoralen Initiativen einen wesentlichen Beitrag anbieten, um ein Klima erneuten Vertrauens in das Leben, der Achtung und guten zivilen Zusammenlebens zu schaffen. 4. Schließlich möchte ich Ihr fürsorgliches Bemühen noch auf einen anderen schwierigen Aspekt des Lebens in der Stadt hinweisen: auf die Sozialhilfe und den Gesundheitsdienst. Hier gibt es neben bedeutenden wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten sowie Beispielen hochherziger Hingabe oft Mißbehagen und ernste Funktionsstörungen, die allzu häufig auf den schwächeren, schutzlosen Schichten der Bevölkerung lasten. Von seiten der Verantwortlichen in der Öffentlichen Verwaltung müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit jeder Mensch, der in unserer Stadt lebt und bei diesen Strukturen Hilfe sucht, unverzüglich zu seinem Recht kommt und einen qualifizierten Dienst und konkrete Achtung seiner Würde findet. Das Erreichen dieses Zieles läßt keinen weiteren Aufschub zu. Es wird für unsere Stadt das erwünschte Zeichen eines realen Willens zur Umkehr und zum Einsatz für den Menschen sein. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn mit der nötigen Sorge für die Verbesserung der Strukturen sich das Streben nach einer tragfesten moralischen Ausrichtung verbindet und die auf diesem Gebiet Tätigen zu einem neuen Geist des Dienstes herangebildet werden. Es wird diesbezüglich notwendig sein, sich entschlossen für deren berufliche und ethische Bildung einzusetzen: ein umfangreiches Arbeitsfeld für die Kapitolinische Verwaltung und für die kirchlichen Institutionen! Die Kirche möchte in Respekt vor den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen zu diesem Bemühen - das ein allgemeines sein muß - beitragen sowohl durch ihre karitativen Werke als auch durch christlich inspiriertes Volontariat in öffentlichen Strukturen mit dem Ziel einer Verbesserung der Dienstleistungej sowie eines wirklichen Schutzes der Würde jedes Menschen. 5. Das Vorbild der Liebe Gottes zum Menschen vor Augen, kommt die Kirche Roms weiterhin ihrer Berufung nach, die sie in den Dienst der Stadt stellt. Die große Stadtmission zur Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000, die ich am vergangenen 8. Dezember angekündigt habe, will eine weitere Geste der Aufmerksamkeit und Liebe der christlichen Gemeinschaft Rom gegenüber sein. Bei dieser Initiative, die die Pfarreien, Familien, Schulen, Krankenhäuser und die zahlreichen Strukturen im Stadtgebiet einschließt, wollen die Christen in respektvollem Dialog dem Menschen, der in unserer Stadt lebt und seine Erwartungen, Lei- 436 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den und Freuden hat, mit neuem Eifer Jesus Christus zeigen, die Wahrheit, die den Menschen erlöst und befreit, um ein ziviles Zusammenleben nach dem Maß der Liebe Gottes zur Menschheit zu fördern. 6. Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, die Sie die Stadt vertreten! Ich danke Ihnen für den Einsatz, mit dem Sie sich bemühen, die schweren Aufgaben in Angriff zu nehmen, zu denen Sie durch das Vertrauen der Bürger gerufen sind. In besonderer Weise danke ich für den heutigen Besuch und für die guten Wünsche, die Sie mir zum Beginn des neuen Jahres ausgesprochen haben. Von Herzen erwidere ich sie Ihnen, Ihren Familien und allen Bewohnern der Stadt: Möge 1996 ein von Klarheit und Freude, Frieden und fruchtbarer Tätigkeit erfülltes Jahr sein. Mit diesen Empfindungen und mit der Zusicherung meiner geistigen Verbundenheit und meines Gebetsgedenkens erteile ich jedem von Ihnen und der ganzen geliebten Stadt Rom den Apostolischen Segen. Belastende Trennungen auf dem Weg zur Einheit gemeinsam überwinden Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der Gebetswoche für die Einheit der Christen in der Basilika St. Paul vor den Mauern am 25. Januar 1. „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Heute geht die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ zu Ende, während der wir alle erneut eingeladen waren, uns der Größe jenes Auftrages bewußt zu werden, den Christus uns anvertraut hat: Verkündet der Welt das Evangelium! Als Jesus nach seiner Auferstehung den Aposteln erschien, sagte er: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16,15-16). Man muß also predigen, damit sie glauben. Man muß so handeln, damit alle Menschen gerettet werden können. Gerade diese Verantwortung dem Evangelium gegenüber ist es, die uns antreibt, unermüdlich nach Wegen der Einheit zu suchen. Denn die Einheit der Christen ist in der Tat eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses und dessen Fruchtbarkeit. Darum betete Christus: „Ade sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Diese Wahrheit des Evangeliums kommt besonders augenfällig in der heutigen Liturgie zum Ausdruck, zu der wir in der Basilika St. Paul vor den Mauern zusammengekommen sind, die, was das Querschiff mit der prachtvollen Decke und dem Marmorboden betrifft, wieder im ursprünglichen Glanz erstrahlt. Hier sind wir nun am Ende der Gebetswoche für die Einheit der Christen wieder versammelt. 437 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Der letzte Tag der Oktav fällt mit dem liturgischen Fest der Bekehrung des hl. Paulus zusammen. Ein wirklich glückliches Zusammentreffen, denn gerade die Bekehrung sollte ja die Frucht dieser ökumenischen Woche sein. Und bei Saulus aus Tarsus handelt es sich um eine Bekehrung, die in gewisser Hinsicht beispielhaft und besonders ergreifend ist. Saulus, der Verfolger der Christen und der entstehenden Kirche, wird Apostel ebendieses Christus, dessen Feind er war. Es geschah vor den Toren von Damaskus: Saulus begab sich mit den Briefen des Hohen Rates von Jerusalem nach Damaskus mit der Absicht, die sich dort aufhaltenden Christen festzunehmen und nach Jerusalem zu bringen, wo sie bestraft werden sollten. Plötzlich umstrahlte ihn ein außergewöhnlich helles Licht. Noch Jahre später erinnert er sich an diesen Augenblick: „... da geschah es, daß mich um die Mittagszeit plötzlich vom Himmel her ein helles Licht umstrahlte. Ich stürzte zu Boden und hörte eine Stimme zu mir sagen: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Ich antwortete: Wer bist du, Herr? Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der Nazoräer, den du verfolgst“ (Apg 22,6-8). In diesem Moment wurde ihm bewußt, daß alles, was er gegen die Christen unternommen hatte, Jesus Christus selbst traf. Paulus hatte ihn nicht persönlich gekannt. Nach der Ansicht des Hohen Rates hielt er die Verurteilung zum Tod am Kreuz sicher für berechtigt und weigerte sich, das zu glauben, was man über seine Auferstehung sagte. Vor den Toren von Damaskus steht er dem Auferstandenen gegenüber, der, wie die traditionelle Ikonographie verdeutlicht, ihn mit unsichtbarer Kraft zu Boden stürzen läßt, ihn mit dem Glanz des Lichtes seiner Erscheinung blendet und sagt: Du verfolgst mich; „Ich bin Jesus, der Nazoräer, den du verfolgst“ (Apg 22,8). Mit diesen Worten identifiziert sich der auferstandene Christus mit seinen Jüngern, identifiziert er sich mit seiner Kirche. All das wird Paulus mit einem Mal klar. Blitzartig prägt es sich tief in sein Bewußtsein ein und wird Quelle aller Inspirationen, die er später in seinen Briefen zum Ausdruck bringen wird. Man könnte sagen, daß ihm in jenem Augenblick das ganze Licht des Evangeliums offenbart wurde und er sich bekehrte. 3. Tief bewegt, fragte Paulus: „Was soll ich tun?“ Der Herr antwortete: „Steh auf, und geh nach Damaskus, dort wird dir alles gesagt werden, was du nach Gottes Willen tun sollst“ (Apg 22,10). So geschah es. In Damaskus suchte Hananias ihn auf, ein frommer und gesetzestreuer Mann, der Christ geworden war. Er sagte ihm: „Bruder Saul, du sollst wieder sehen!“ Und im gleichen Augenblick erlangte Paulus sein Augenlicht zurück. Dann fügte Hananias hinzu: „Der Gott unserer Väter hat dich dazu erwählt, seinen Willen zu erkennen, den Gerechten zu sehen und die Stimme seines Mundes zu hören; denn du sollst vor allen Menschen sein Zeuge werden für das, was du gesehen und gehört hast ... Steh auf, laß dich taufen und deine Sünden abwaschen, und rufe seinen Namen an!“ (Apg 22,14-16). Zuvor hatte Hananias vom Herrn folgenden Auftrag erhalten: „Geh nur! Denn dieser Mann ist mein auserwähltes Werkzeug: Er soll meinen Namen vor Völker und 438 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Könige und die Söhne Israels tragen. Ich werde ihm zeigen, wieviel er für meinen Namen leiden muß“ (Apg 9,15-16). So wurde Paulus vom Verfolger zum Apostel Christi. Alle, die ihn sahen und hörten, wunderten sich: „Ist das nicht der Mann, der in Jerusalem alle vernichten wollte, die diesen Namen anrufen? Und ist er nicht auch hierhergekommen, um sie zu fesseln und vor die Hohenpriester zu führen?“ (Apg 9,21). „Ist das nicht jener Saulus?“ (vgl. Apg 9,21). Paulus ist tatsächlich jener Saulus aus Tarsus, der gefürchtete Verfolger des Namens Christi. Zugleich ist er aber auch ein neuer Mensch: Er ist ein Apostel, der eine unendlich große, einmalige Aufgabe vor sich hat; eine Aufgabe, der er sich, von der Gnade getragen, mit der Entschlossenheit und dem Mut, die ihm eigen sind, und mit heroischer Kraft widmen wird, um in den Anfängen der Kirche zum vielleicht größten Zeugen Christi und einem der Stützpfeiler der christlichen Urgemeinde zu werden, die errichtet ist auf dem Fundament der Apostel mit Petrus als ihrem Oberhaupt. 4. Es ist nicht möglich, die Geschichte der Bekehrujg des hl. Paulus ohne tiefe innere Bewegung zu lesen. Und es ist mehr denn je angebracht, sie an diesem letzten Tag des Gebets für die Einheit der Christen erneut zu lesen. Denn ein ökumenisches Werk kann nicht ohne eine vielgestaltige Umkehr geschehen. Wir müssen uns von „getrennten Bekennem“ zu „geeinten Bekennem“ wandeln. Christus kann nicht geteilt sein, wie wir in der Liturgie des vergangenen Sonntags vernommen haben (vgl. 1 Kor 1,13). Christus ist einer! Die Einheit Christi ist eine Herausforderung für die gespaltene Christenheit. Der lebendige Christus ist in seiner Kirche ein einziger, und die Kirche ist sein mystischer Leib. Als Glieder dieses Leibes, dieses lebendigen Organismus, müssen wir stets zur organischen Einheit zurückfinden. Diese Einheit Christi bedeutet nicht die Ungültigkeitserklärung von allen Unterschieden. In seiner Lehre über die Kirche als Leib Christi verkündet Paulus selbst die Pluraütät und die Verschiedenheit der Glieder (vgl. 1 Kor 12,1-11). Es gibt eine Pluralität, die der Einheit zugute kommt. Wir müssen für diesen Reichtum in der Vielfältigkeit beten und uns darum bemühen, daß sie zum Ausdruck kommen kann. Gleichzeitig aber müssen wir den Heiligen Geist um die Überwindung aller Unterschiede bitten, die die Einheit gefährden. Wir nähern uns dem Jahr Zweitausend. Es bringt eine besondere ökumenische Herausforderung mit sich. Anläßlich dieses Großen Jubiläums müssen wir danach streben, wenn auch nicht voll vereint, so doch wenigstens einander näher, weniger zerrissen und mit größerer Sehnsucht nach der von Christus gewollten organischen Einheit vor ihn zu treten. So wird das Jubiläum der feierliche Anlaß, an dem wir in der Einheit des mystischen Leibes Christi, der die Kirche ist, Christus loben und ehren, ihn, „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,8). 439 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dynamische Partner mit religiösem Fundament -Bildung und Erziehung im Geist des hl. Don Bosco Botschaft zum 24. Generalkapitel der Salesianer vom 31. Januar An den Hoch würdigen Priester Don Giovanni E. Vecchi, Vikar der Salesianer Don Boscos 1. Es ist mir eine besondere Freude, Ihnen und allen Mitbrüdem im Salesianerorden, vor allem denjenigen, die zu diesem 24. Generalkapitel der Kongregation zusammengekommen sind, meinen herzlichen Glückwunsch und Gruß zu entbieten. In diesem Augenblick gelten unsere Gedanken vor allem dem verstorbenen Don Egidio Viganö, der viele Jahre lang Generaloberer der Salesianer war. Voller Bewegung und Dankbarkeit möchte ich an seinen hochherzigen Einsatz zur Verbreitung der erneuernden Lehre des II. Vatikanischen Konzils sowohl innerhalb der Salesianergemeinschaft als auch in weiteren Bereichen der Kirche erinnern und an seine aktive Teilnahme an großen und wichtigen kirchlichen Versammlungen anläßlich verschiedener Gelegenheiten. Eingedenk seines treuen kirchlichen Dienstes, bete ich zum Herrn, er möge ihm in seinem Reich den Frieden schenken und die gesamte Ordensgemeinschaft im Hinblick auf das bevorstehende dritte Jahrtausend mit neuem apostolischen und missionarischen Geist erfüllen. 2. Auch dieses Generalkapitel - ein Ereignis von grundlegender Bedeutung im Leben der Kongregation - findet im Hinblick auf das Große Jubiläum statt. Jedes Generalkapitel hat stets ein zweifaches Ziel: einerseits die vergangenen sechs Jahre zurückzuverfolgen, um den Einsatz der verschiedenen Gemeinschaften bei der Verwirklichung der im vorausgegangenen Kapitel gefaßten Vorsätze zu beurteilen, und andererseits eine Planung des Ordenslebens im Licht des ursprünglichen Charismas für das kommende Jahrsechst vorzunehmen. Es ist in der Tat notwendig, dieses ursprüngliche Charisma nie aus den Augen zu verlieren. In diesem Kontext findet die spezifische erzieherische und pastorale Berufung der Salesianerkongregation in diesen Jahren beachtlicher und rascher sozialer und kultureller Veränderungen im Kapitel die Gelegenheit und die Mittel, sich zugunsten der Jugend und der gesamten christlichen Gemeinschaft auszudrücken, die auf einen erneuerten und missionarischen Impuls im Geiste des Evangeliums wartet. Welch große Verantwortung! In diesem Sinne bete ich für den Erfolg des Kapitels und möchte daran erinnern, daß das für die Versammlung gewählte Thema im Kontext der Welt von heute einen besonders dringenden Charakter erhält. 3. Mit der Realitätsnähe des Erziehers und dem Weitblick des Heiligen hat Don Bosco seinen Söhnen ein klares apostolisches Ziel gesetzt: „Rechtschaffene Bürger und gute Christen heranzubilden.“ Der Salesianerorden hat gewiß oft über die 440 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bedeutung dieser Worte nachgedacht, bis sie schließlich zu einem Leitsatz wurden, der den Erziehern den Weg weist und den Jugendlichen, denen die Erziehung im salesianischen Geist in verschiedenen Tätigkeitsbereichen zuteil wird, eine Art Herausforderung ist, die ihrer Existenz einen Sinn geben kann. Die Früchte eines solchen erzieherischen Ansatzes werden von einer mehr als hundertjährigen Geschichte dokumentiert. Die Salesianer können in der ganzen Welt auf viele Freunde Don Boscos zählen, die, wenn auch unter verschiedenen Namen, alle mit dem Heiügen der Jugend verbunden sind; sie können auf zahlreiche ehemalige Schüler zählen, die in dem Vater und Meister ihrer Jugendjahre noch immer einen wichtigen Bezugspunkt bei den familiären Verpflichtungen und der Präsenz in der Gesellschaft erblicken; sie können auf die Mitarbeiter zählen, die die Erziehungs- und Evangelisierungsvorhaben ihres Gründers verwirklichen und dazu beitragen, den authentischen Geist Don Boscos und die salesianische Spiritualität zu verbreiten. 4. Der Hinweis auf diejenigen, die Don Bosco und seine Salesianer um Hilfe bitten, um aus ihnen „rechtschaffene Bürger und gute Christen“ zu machen, bietet mir nun Gelegenheit zu einer eingehenderen Reflexion über das Thema der gegenwärtigen Kapitelversammlung: Die Beziehung zwischen den Salesianern und den Laien. Die kirchliche Soziallehre hat der Welt der „Laien“ während der letzten Jahre besondere Aufmerksamkeit gewidmet, und auch ich habe vor und nach der Bischofssynode über die „Berufung und Aufgabe der Laien in der Kirche und der Welt“ mit zahlreichen Äußerungen zu diesem Thema Stellung genommen. In meinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Christifideles laici habe ich auf organische Weise die in diesen Jahren in der Kirche gewachsenen Anforderungen und Aussichten zusammengetragen, „damit die vielversprechende ,Theorie1 über die Laien, die das Konzil zum Ausdruck gebracht hat, zur echten kirchlichen Praxis wird“ (Nr. 2). Hinsichtlich der Gefahren, denen das Zeugnis der Laien in der heutigen Welt ausgesetzt ist, schrieb ich: „Wir denken vor allem an zwei Versuchungen, denen sie nicht immer widerstanden haben: Die Versuchung, ihr Interesse so stark auf die kirchlichen Dienste und Aufgaben zu konzentrieren, daß sie sich praktisch oft von ihrer Verantwortung im Beruf, in der Gesellschaft, in der Welt der Wirtschaft, der Kultur und der Politik dispensieren; und die Versuchung, die zu Unrecht bestehende Kluft zwischen Glauben und Leben, zwischen der grundsätzlichen Annahme des Evangeliums und dem konkreten Tun in verschiedenen säkularen und weltlichen Bereichen zu rechtfertigen“ (ebd.). 5. In der Nachfolge Don Boscos, der „rechtschaffene Bürger und gute Christen“ wollte, ist es möglich, den gläubigen Laien zu helfen, die beiden eben erwähnten Gefahren zu überwinden, denn in ihrer Tradition verfügen die Salesianer über wirksame Mittel, um ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Anforderungen des heutigen Lebens herzustellen. 441 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier möchte ich insbesondere an drei Elemente erinnern: Vor allem: die Fähigkeit zur erzieherischen Begleitung. Wie immer man diese auch nennen mag - Assistenz, Animation, Familiengeist oder anders -, handelt es sich doch stets um eine „Präsenz unter den Laien und in der Gesellschaft“, die „Anregung für das Wachstum der Person ,in Situation1“ sein soll und zur „gemeinsamen Suche“ nach dem zu lebenden Plan führen soll. Daher brauchen wir dringend zahlenmäßig wie auch geistlich starke Salesianergemeinschaften, um bereit zu sein, alle zu „begleiten“ und auf Anforderungen und Bedürfnisse zu antworten. Ziel der Zusammenarbeit zwischen Salesianern und Laien muß die Bildung von „Erziehungsgemeinschaften“ sein, in denen persönliche Gaben für das Wohl aller untereinander geteilt werden. Allen unvergeßlich ist die außergewöhnliche Fähigkeit Don Boscos, zahlreiche gleichgesinnte Personen um sich zu vereinen. Das zweite Element besteht in einer dynamischen und flexiblen Organisation der Kräfte: der Kräfte der einzelnen in Interessengruppen, Vereinigungen zivilen und religiösen Engagements und in einer breiten erzieherischen und geistlichen Bewegung. Hier möchte ich wiederholen, was ich bereits früher betont habe: „Diese kirchliche Tendenz zum gemeinschaftlichen Apostolat hat zweifellos einen übernatürlichen Ursprung in der ,Liebe‘, die vom Heiligen Geist in die Herzen ausgegossen ist (vgl. Rom 5,5), aber ihre theologische Bedeutung trifft mit dem soziologischen Erfordernis zusammen, das in der modernen Welt zur Vereinigung und zur Organisation der Kräfte führt, damit die gesteckten Ziele erreicht werden ... Es geht darum, die Tätigkeiten derer zu vereinen und zu koordinieren, die sich vornehmen, durch die Botschaft des Evangeliums auf den Geist und die Mentalität der Leute einzuwirken, die unter den verschiedenen sozialen Bedingungen leben. Es handelt sich darum, die Evangelisierung in Gang zu setzen, die imstande ist, Einfluß auf die öffentliche Meinung und die Institutionen auszuüben; und um dieses Ziel zu erreichen, ist eine von Gruppen durchgeführte und gut organisierte Tätigkeit erforderlich“ (Generalaudienz vom 23. März 1994, Nr. 2). Don Bosco war ein wahrer Meister der Organisation; er fragte jeden nach dem, was er zu geben fähig und bereit war und führte alle auf konkrete, praktische und erkennbare Ziele hin. Das dritte Element, auf das wir eingehen müssen, ist der spirituelle Ansatz, dem die Erfahrung Don Boscos in Valdocco zugrunde liegt und der über die Grenzen der salesianischen Gemeinschaft hinausgeht. Heute brauchen die Laien ein tiefgehendes geistliches Leben; die an sie gestellten Aufgaben erfordern es: Je mehr sich die Verpflichtungen und gleichzeitig auch die Hindernisse für den Aufbau des Gottesreiches mehren, umso stärker wird das Bedürfnis nach einer tiefen apostolischen Innerlichkeit. Die heutige Kultur braucht überzeugte und aktive Gläubige, um Sauerteig der Güte und des Guten in der Welt zu sein. Deshalb muß die Heranbildung engagierter Laien eine Priorität des Bemühens der Gemeinschaft sein. Eine solche Formung hilft den Laien bei der Entdeckung ihrer Berufung, gibt ihnen die notwendige Grundlage für einen ständigen Reifeprozeß und bringt sie 442 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Geist des Herrn nahe. Sie führt die Laien zu, jener Einheit hin, die ihrem Sein als Glieder der Kirche und als Bürger der menschlichen Gesellschaft entspricht“ ('Christifideles laici, Nr. 59). „Ein Glaube, der nicht zur Kultur wird, ist ein Glaube, der nicht voll angenommen, nicht ganz durchdacht und nicht treu gelebt ist“ (ebd.). 6. Don Bosco hat die Bedeutung der geistlichen Bildung - verstanden als Befähigung, die gesamte Existenz in ihren verschiedenen Aspekten in der Gegenwart Gottes und im aktiven Aufbau seines Reiches zu leben - stets sehr hervorgehoben. Eine Bildung dieser Art wird die heutigen Laien darauf vorbereiten, auf die neuen Herausforderungen unserer Zeit zu antworten, um eine hoffnungsvolle Zukunft für die gesamte Menschheit aufzubauen. Die Arbeit der letzten Bischofssynode über das gottgeweihte Leben hat die Beziehung zwischen der Spiritualität eines Ordensinstituts und der Spiritualität derjenigen Laien hervorgehoben, die ihr Leben und ihre Tätigkeit an ihm orientieren. In diese Richtung gehen auch die Reflexionen des gegenwärtigen Generalkapitels, das gewiß nicht versäumen wird, Richtlinien zu geben für die apostolische Zusammenarbeit zwischen den Gottgeweihten und den Laien, welche gerufen sind, mutige Zeugen des Evangeliums in der Welt zu sein. Ich vertraue das Kapitel der Fürsprache Marias, Hilfe der Christen, an. Sie wacht immerfort über den Wünschen und Hoffnungen der Söhne Don Boscos, die - manchmal auch unter persön lichem Risiko - in den Gebieten der Erstevangelisierung ihren Einsatz leisten. Vor allem dort wird es möglich sein, auch mit Laien, die nicht der katholischen Kirche angehören, wirksam zusammenzuarbeiten, vorausgesetzt, man weiß die Erfahrung Don Boscos voll zu leben und dessen Erziehungsmethode und apostolischen Geist integral vorzulegen. Indem ich für alle, die sich dieser faszinierenden und anspruchsvollen Aufgabe widmen, den Schutz Don Boscos und der anderen salesianischen Heiligen erflehe, erteile ich Ihnen, den Teilnehmern am Generalkapitel sowie allen Mitbrüdem in den verschiedenen Gemeinschaften und der gesamten Salesianerfamilie als Zeichen der Wertschätzung und des Vertrauens einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 31. Januar 1996, Fest des hl. Johannes Bosco Joannes Paulus PP. II 443 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus - bleibendes Zeichen des Widerspruchs Predigt während der Eucharistiefeier mit den Ordensleuten am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 1. „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ {Lk 2,32). Die Lesungen, die wir soeben gehört haben, offenbaren uns die dreifache Dimension der heutigen Feier: die Dimension des Tempels, die Dimension des Opfers und die Dimension der Prophetie. In diesen drei Dimensionen kommt das Fest der Darstellung des Herrn uns entgegen. Das heutige Fest ist einzigartig, weil es einerseits das Weihnachtsgeheimnis in Erinnerung ruft und uns andererseits auf das Pascha des Herrn ausrichtet, so daß es gleichsam eine Art Bindeglied zwischen diesen beiden Hauptfesten des Kirchenjahres darstellt. Einer nunmehr festen Tradition folgend, treffen sich in der Patriarchalbasilika St. Peter die Vertreter der Frauen- und der Männerorden, um ihre Weihe an Gott durch die Gelübde gemeinsam zu erneuern. Sie tun es nicht nur in ihrem Namen, sondern auch im Namen der Mitbrüder und Mitschwestem auf der ganzen Welt. „Lumen ad revelationem gentium.“ Das Licht Christi, das für die heutige Liturgie kennzeichnend ist, erinnert an das „Licht der Welt“, das jeder Geweihte berufen ist, zu werden. „Ihr seid das Licht der Welt“, sagt der Herr {Mt 5,14). Ich grüße Euch herzlich, liebe Brüder und Schwestern! Ich grüße Euch Anwesende und alle, die geistig mit unserem Treffen vereint sind. Einen besonderen Gruß richte ich an den Herrn Kardinalpräfekten der Kongregation für die Institute gottgeweihten Lebens und für die Gemeinschaften apostolischen Lebens und danke ihm für den Dienst, den er mit dem Sekretär und den übrigen Mitarbeitern der Kongregation in diesem so wichtigen Bereich des kirchlichen Lebens versieht. 2. Die Dimension des Tempels: „Dann kam für sie der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach lerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen“ {Lk 2,22). Er, den so viele Generationen erwartet hatten, betritt den Tempel von Jerusalem. Darüber sagt die erste Lesung, die aus dem Buch des Propheten Maleachi entnommen ist: „Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht“ {Mal 3,1). Sein Einzug in den Tempel bleibt unbeachtet, die Liturgie aber verleiht ihm eine besondere Feierlichkeit, wie der Antwortpsalm deutlich zeigt: „Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch, ihr uralten Pforten; denn es kommt der König der Herrlichkeit. Wer ist der König der Herrlichkeit? Der Herr, stark und gewaltig, der Herr, mächtig im Kampf ... Wer ist der König der Herrlichkeit? Der Herr der Heerscharen, er ist der König der Herrlichkeit“ {Ps 24,7-8.10). Das Kind, das von Maria und Josef im Tempel dargebracht wird, ist wahrer Gott und wahrer Mensch: Der Herr der Heerscharen, stark und gewaltig im Kampf. Er kommt in den Tempel, um den großen Kampf anzukündigen, den er auf 444 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich nehmen muß, wenn er den Mächten des Bösen entgegentritt. Er wird den Menschen durch seinen Opfertod erlösen. 3. „Durch das eigene Opfer.“ Das Gesetz des Alten Testamentes schrieb vor, daß der erstgeborene Sohn vierzig Tage nach seiner Geburt dem Herrn dargebracht werden sollte. Und bei dieser Gelegenheit wurden ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben geopfert. Der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt: „Da nun die Kinder Menschen von Heisch und Blut sind, hat auch er in gleicher Weise Heisch und Blut angenommen, um durch seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren“ (Hebr 2,14-15). „Darum mußte er in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen. Denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden“ (Hebr 2,17-18). Der Hohepriester, der das Opfer darbringt, wird im Brief an die Hebräer beschrieben. Der Verfasser fügt bedeutungsvoll hinzu, daß Christus „sich der Nachkommen Abrahams annimmt“ (vgl. Hebr 2,16). Er tut es durch seinen Opfertod, Quelle der Erlösung und Heiligung für alle Söhne und Töchter des Volkes Gottes. 4. Die Dimension der Prophetie: In der heutigen Liturgie wird diese Dimension durch die Worte des greisen Simeon deutlich. Man kann sagen, daß nicht die Worte, sondern das ganze Leben dieses Mannes eine Prophetie war. Das gleiche gilt im übrigen für das Leben der Prophetin Hanna, die Witwe war und nie den Tempel verließ, sondern vielmehr Gott mit Beten und Fasten diente. Auch sie nahm an der Darbringung Christi im Tempel Anteil. Ihre Worte kennen wir nicht; der Evangelist sagt, daß sie Gott lobte und über den Messias zu allen sprach, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Simeons Prophepie hingegen ist in Worte gefaßt. Vom Heiligen Geist geführt, kam er, wie der Evangelist schreibt, an jenem Tag in den Tempel: Weil er gerecht und fromm war und auf die Rettung Israels wartete, handelte er unter seiner Eingebung. Der Heilige Geist war auf ihm und hatte ihm geoffenbart, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe. Der Geist hatte beide, und besonders Simeon, auf diesen Augenblick vorbereitet. Als Maria und Josef am vierzigsten Tag nach der Geburt Jesus in den Tempel brachten, nahm Simeon das Kind in seine Arme und sprach über es die wunderbaren Worte, die wir gut kennen, denn sie gehören zum Stundengebet: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 3,29-32). „Nunc dimittis servum tuum, domine ...“ Welch erstaunlichen Worte! Simeon ist Zeuge der Erfüllung aller Prophetien. Und nach diesem erleuchteten Lobpreis fügt er gleichsam als Krönung weitere Worte hinzu, die in gewissem Sinn die Definition 445 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi, des Erlösers der Welt, sind: „Dieser ist dazu bestimmt, daß viele in Israel durch ihn zu Fall kommen und viele durch ihn aufgerichtet werden; er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“ (Lk 2,34). „Ein Zeichen, dem widersprochen wird!“ Christus ist gewiß „ein Zeichen, dem widersprochen wird“. Ein Zeichen, das ihn als unermüdlichen Verkünder des Evangeliums, vor allem aber als „Gekreuzigten“ darstellt. Simeon wendet sich übrigens an Maria mit Worten, die in gewisser Weise diese messianische Vision zutiefst bekräftigen: „Dir selbst wird ein Schwert durch die Seele dringen ... Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden“ (Lk 2,35). 5. Liebe Brüder und Schwestern! Gewiß ist es eine Fügung der Vorsehung, daß nunmehr seit vielen Jahren am Fest der Darstellung des Herrn der Bischof von Rom sich mit den Vertretern der Institute gottgeweihten Lebens in der Petersbasilika trifft. Die drei Dimensionen der heutigen Liturgie sprechen in verschiedener Form von der besonderen Berufung der Ordensmänner und der Ordensfrauen: Die Dimension des Tempels, die Dimension des Opfers und die Dimension der Prophetie zeugen von ihr. Ist der Ordensberuf nicht eine einzigartige Teilhabe an der prophetischen Sendung Christi? Handelt es sich nicht um ein deutliches eschato-logisches Zeichen, das die Berufung des Menschen zur Ewigkeit und zur Teilhabe am Leben Gottes hervorhebt? Ist Eure Berufung, liebe Brüder und Schwestern, nicht auch ein dargebrachtes Opfer? Jeder von Euch läßt sich von der bräutlichen Liebe Christi leiten und bringt als Opfer sein Leben dar, das dem Herrn durch die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams geweiht wurde. Ist Eure Berufung als Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt nicht an den Tempel gebunden? Ihr dient dieser Gegenwart in vielfacher Weise: Vor allem seid Ihr selbst dieser Tempel nach den Worten des Apostel Paulus: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16). Meine Lieben, versucht wie Christus, „euch der Nachkommen Abrahams anzunehmen“. Versucht, für alle Menschen Licht zu sein, das den Weg des Lebens auf Erden erhellt. Die dem gottgeweihten Leben in der Kirche gewidmete Bischofssynode war im vergangenen Jahr ein Ereignis von außerordentlicher Bedeutung. Die Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens, in dem ich die Früchte der Arbeit dieser Versammlung zusammengefaßt habe, steht nahe bevor. Ich hoffe, daß es ein Licht sein wird, durch das Christus zu Euch, zur Kirche und zur ganzen Menschheitsfamilie spricht: das Licht der Nacht von Betlehem und das Licht der Epiphanie, das Licht der Ostemacht. „Christus, lumen gentium!“ Amen. 446 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche Kubas erwartet Freiheit und Recht für die Verkündigung Botschaft an die Teilnehmer des II. Kubanischen Kirchlichen Treffens vom 2. Februar Geliebte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester, Diakone und Ordensangehörige, liebe gläubige Katholiken Kubas! 1. Bei diesem Anlaß, der ein Gedenken und eine Ankündigung zugleich ist, möchte ich gerne unter Euch sein. Gedenken ist er insofern, als er an das Erste Kubanische Kirchliche Treffen erinnert, das vor zehn Jahren der Kirche in Kuba einen neuen Impuls gab und ihr zu einer immer lebendigeren und offeneren Evangelisierungstätigkeit verhalf. Es rief die kubanischen Katholiken dazu auf, dem Gebet einen hervorragenden Stellenwert einzuräumen, und hielt die Kirche in Eurem Lande dazu an, sich selbst zu erkennen und in jedem einzelnen ihrer Söhne und Töchter sich als einen Teil jenes Volkes zu fühlen, in das der Herr sie eingepflanzt hat. Diese Merkmale einer betenden, inkarnierten und evangelisierenden Kirche, welche Euer erstes nationales Treffen als grundlegend hervorhob, haben dem kirchlichen Leben und den kirchlichen Tätigkeiten in Kuba im Laufe eines Jahrzehnts ein deutliches Gepräge gegeben. Nun ruft die Kirche die kubanischen Katholiken zusammen, um gläubig und voll Hoffnung der 2000 Jahre seit der Geburt Jesu Christi zu gedenken. Es ist eine in ihrem missionarischen Einsatz neue belebte Kirche, die weder in ihrem zahlenmäßigen Wachstum stagniert noch im Evangelisierungseifer ihrer Gläubigen ermüdet. Dies ist die Ankündigung, welche die kubanische Kirche bei dieser Gelegenheit an das gläubige Volk richtet, auf daß es sich in den kommenden drei Jahren auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend vorbereite in Übereinstimmung mit den Richtlinien in meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente. 2. Seit dem Ersten Nationalen Treffen der kubanischen Kirche hat die Welt große Veränderungen erlebt, die in der Gesellschaft und in den internationalen Beziehungen neue Linien gezogen haben. Von diesen Veränderungen ist unter anderem der Zusammenbruch eines politischen Systems in Osteuropa zu erwähnen, das auf der marxistischen Philosophie basierte (vgl. Centesimus annus, Nr. 22) und seinen Einfluß auch auf Nationen anderer Kontinente ausübte. Eben dieses System, das den Atheismus verbreitete, hat für die Kirche dieser Länder große Prüfungen nach sich gezogen, da es das religiöse Bekenntnis und die Glaubenspraxis als irrelevant, ja sogar als schädlich betrachtete. Bei vielen Gelegenheiten behandelte es die Kirche, ihre Institutionen und überhaupt die Gläubigen bürokratisch streng und schaltete sie aus. Diese sahen sich eingeschränkt und mitunter behindert, die Botschaft Christi zu verkünden und - in nicht wenigen 447 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fällen - den eigenen Glauben zu leben (ebd., Nr. 29). Wenn auch die Bedingungen für die Kirche bei Euch nicht genau dieselben waren, wie die eben beschriebenen, so haben doch die kubanischen Katholiken, die vor zehn Jahren ihr erstes kirchliches Treffen begangen haben, durchaus schwierige Situationen erfahren müssen. 3. Auch in Kuba haben sich die Umstände in derselben Zeit geändert, was den christlichen Glauben betrifft. Die Kirche in Eurem Land strebt mit allem Recht nach voller Freiheit in ihrer Evangelisierungstätigkeit, damit sie mit den ihr eigenen Mitteln - einschließlich jenen, die die heutige Technik bietet - die christliche Botschaft allen Kubanern bringen kann. Anderseits ist es doch eine Tatsache, daß die Etappe des sogenannten wissenschaftlichen Atheismus in Eurem Land überwunden zu sein scheint und daß man sowohl von seiten des Volkes als auch von seiten der offiziellen Instanzen immer mehr die Hilfe erkennt und anerkennt, die der christliche Glaube zum Allgemeinwohl beitragen kann. Daher müssen die Planung und diese Gedenkfeier selbst, die ja das Zweite Kirchliche Treffen Kubas sein wird, von Hoffnung gekennzeichnet sein. Die katholische Kirche Kubas muß fähig sein, in ihren Evangelisierungsplänen sichere Schritte zu unternehmen. Gleichzeitig bleibt auch zu hoffen, daß sie im offenen Dialog mit den Autoritäten des Landes nicht nur über die notwendigen Mittel verfügen kann, um ihre Mission zu erfüllen, sondern auch, daß sie in ihrer Natur verstanden und akzeptiert wird. Kirche und Staat haben ihre jeweils eigenen und voneinander unabhängigen, wenn auch nicht parallelen, so doch auch nicht entgegengesetzten Zuständigskeitsbereiche. Kirche und Staat müssen dem Menschen - Mann und Frau - dienen, und zwar ohne gegenseitige Einmischung oder Unterwerfung, sondern auf einander ergänzende Weise, um das eine Gemeinwohl zu fördern. Dieses Ergänzungsprinzip in den Beziehungen zwischen Personen, Nationen und Institutionen muß an die Stelle der Anschauungen einer gewissen Dialektik treten, die lediglich Konfrontation und Kampf mit sich bringt, und an die Stelle jeder anderen Sicht der Wirklichkeit, die den religiösen Glauben als reine Privatangelegenheit begrenzen will. Der Friede - und dies gilt auch für den sozialen Frieden - fordert von allen eine Mentalitätsänderung, damit die Spannungen, die Konflikte verursachen, dem Verständnis und dem Dialog weichen. Deshalb richtet die Kirche ihre Botschaft an Menschen, die sich in vielfältigen und wechselnden, mitunter beklemmenden, mitunter mißtrauenerregenden Umständen befinden. Das Wort Gottes, das die Kirche überbringt, wird so in konkreten Situationen verkündet und sucht mit seiner wohltätigen Kraft auf das Leben der Menschen und Völker einzuwirken. 4. Das Dritte Jahrtausend tut sich vor der Menschheit und auch vor Euch, liebe Söhne und Töchter Kubas, mit vielen offenen Fragen auf, es bietet uns aber auch neue und unerwartete Perspektiven: Wie wird die Welt des 21. Jahrhunderts aus-sehen? Werden wir die Erfahrungen der Vergangenheit zu nutzen wissen und wer- 448 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den wir es verstehen, ein Zusammenleben in Frieden innerhalb einer jeden Nation und auch unter den verschiedenen Nationen aufzubauen? Wird die Sehnsucht so vieler Menschen und Völker der Erde nach Frieden in die rechten Bahnen gelenkt werden? Wenn die kollektivistischen Systeme, die wertvolle persönliche bzw. Gruppeninitiative im Keim ersticken, überwunden zu sein scheinen, wird dann wohl die Welt den blinden, unbarmherzig ökonomistisch organisierten Mechanismen verfallen, die die Schwächeren einfach übergehen und die Bestrebungen der Armen frustrieren? Es ist die Sendung der Kirche und somit der Katholiken Kubas, die Werte der Familie hervorzuheben und zur Geltung zu bringen, zu jedem Zeitpunkt an die Größe und den Vorrang der menschlichen Arbeit und deren gerechte Entlohnung zu erinnern. Auf gleiche Weise fühlt sich eben diese Kirche verpflichtet, an das Gewissen jener, die öffentliche Funktionen innehaben, zu appellieren hinsichtlich ihrer hohen Verantwortung im politischen oder in dem mit diesem eng verbundenen wirtschaftlichen Bereich. In der Tat hängt ja die Zukunft der Menschheit vom verantwortungsvollen Handeln der Menschen ab, wenn sie ihr Fundament in der Wahrheit gründen und wenn ihr Leben von hohen moralischen Prinzipien erleuchtet ist, die ihr Herz befähigen, auch das Opfer zu lieben. Das Modell dieses Menschen - des dienenden und liebenden - ist Jesus Christus. Dies ist die immerwährende Botschaft, welche die Kirche der Welt überbringt: Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8). 5. Liebe Söhne und Töchter Kubas, hört nicht auf, Jesus Christus als den einzigen Heiland zu verkünden, damit sein Evangeüum Geist und Herz verwandeln, die so ersehnte Versöhnung herbeiführen und die Menschen Kubas sowie alle Völker dieser Erde zu einer echten Brüderlichkeit ohne Haß und Neid zusammenführen kann. Ihr müßt also Christen sein, die das geoffenbarte Wort und die Moral- und Soziallehre der Kirche kennen und denen auch die Forderungen des Friedens und der Gerechtigkeit bekannt sind. Ihr müßt Euch im Dienst der Nächstenliebe engagieren und so Euer Volk fördern. Geht mit Sorgfalt vor, wenn ihr Euch um die Annäherung untereinander bemüht, und respektiert die verschiedenen Denkweisen. Wenn die Kirche die Wahrheit nicht verkündet und die Liebe nicht zeigt, wer wird es wohl sonst tun? Das ist unsere unersetzliche Sendung jetzt, beim bevorstehenden Anbruch des Zweiten Jahrtausends, sowie immer. 6. Ich bitte den Herrn durch die mütterliche Fürsprache der Jungfrau Maria de la Caridad von El Cobre, auf daß dieses Zweite Nationale Kirchliche Treffen reiche Frucht bringe. Möge sie, der leuchtende Stern der Neuevangelisierung, euch helfen, unermüdliche Herolde der Wahrheit und Zeugen der Liebe zu sein, damit die Kirche in Kuba, Christus nachfolgend und vom Geist erleuchtet, Wege der Gerechtigkeit und des Friedens in Eurer Gesellschaft bereite. So möge die Hoffnung 449 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in den Familien, in jedem einzelnen von Euch und im ganzen kubanischen Volk herrschen. In der Hoffnung, Euch möglichst bald persönlich besuchen zu können, segne ich Euch von Herzen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Vatikanstadt, den 2. Februar 1996 Joannes Paulus PP. II Kranke sollen medizinischem Fortschritt vertrauen Botschaft zum IV. Welttag der Kranken am 11. Februar 1996 vom 11. Oktober 1995 1. „Sei nicht besorgt, weder über diese Krankheit noch über jedes andere Unglück. Bin nicht ich, deine Mutter, hier bei dir? Bist du nicht in meinem Schatten geborgen? Bin nicht ich deine Gesundheit?“ Diese Worte hörte der bescheidene Eingeborene Juan Diego de Cuautilan im Dezember des Jahres 1531 von den Lippen der heiligen Jungfrau, nachdem er am Fuße des Tepeyac-Hügels, der heute Guadalupe genannt wird, die Genesung eines Verwandten erfleht hatte. Während die Kirche in der geliebten mexikanischen Nation die erste Hundertjahrfeier der Krönung des verehrten Bihdes Unserer Lieben Frau von Guadalupe begeht (1895-1995), ist es besonders bedeutsam, daß die Wahl für den Ort des feierlichsten Zeitpunktes des nächsten Weltkrankentags am 11. Februar 1996 auf dieses berühmte Heiligtum von Mexiko City gefallen ist. Dieser Tag stellt sich in die Mitte der Vorbereitungsphase (1994-1996) zum dritten christlichen Jahrtausend: „Sie soll dazu dienen, im christlichen Volk das Bewußtsein für den Wert und die Bedeutung wiederzubeleben, die das Jubeljahr 2000 in der menschlichen Geschichte hat“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 31). Die Kirche schaut mit Zuversicht auf die Ereignisse in unserer Zeit, und unter den „Anzeichen der Hoffnung, die ... in diesem letzten Abschnitt des Jahrhunderts vorhanden sind“, anerkennt sie den Fortschritt „von der Wissenschaft, der Technik und vor allem von der Medizin im Dienst am menschlichen Leben“ (ebd., Nr. 46). Es ist im Zeichen dieser Hoffnung, die von der Gegenwart Marias, „Salus infirmo-rum“ (Heil der Kranken), erhellt wird, daß ich mich als Vorbereitung auf den IV. Weltkrankentag an alle die wende, die körperliche oder seelische Zeichen menschlichen Leidens tragen, sowie an diejenigen, die den Kranken brüderliche Dienste leisten und so die wahre Nachfolge des Erlösers antreten wollen. Denn: „Christus wurde vom Vater gesandt, ,den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind“ (Lk 4,18), ,zu suchen und zu retten, was verloren war“ (Lk 19,10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer 450 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war“ (Lumen Gentium, Nr. 8). 2. Liebe Brüder und Schwestern, die Ihr in besonderer Weise das Leiden erfahrt: Ihr seid im Bereich der neuen Evangelisierung zu einer einzigartigen Sendung berufen, für die Ihr Euch nach Maria, Mutter der Liebe und des menschlichen Schmerzes, richten sollt. In diesem nicht einfachen Glaubenszeugnis werdet Ihr von den Angestellten im Krankendienst unterstützt, von Euren Familienangehörigen und von den freiwilligen Helfern, die Euch auf dem täglichen Weg der Prüfung begleiten. Wie ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente anmerkte, wird „die selige Jungfrau ... während der ganzen Vorbereitungsphase“ zum Großen Jubeljahr 2000 „sozusagen ,transversal1 gegenwärtig sein“ „als vollkommenes Beispiel der Liebe sowohl gegenüber Gott wie gegenüber dem Nächsten“, so daß wir ihre mütterliche Stimme wiederholen hören: „Was Christus euch sagt, das tut“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nm. 43.54). Wenn Ihr diese Einladung aus dem Herzen der „Salus infirmorum“ annehmt, werdet Ihr in der Lage sein, der neuen Evangelisierung ein besonderes Merkmal der Verkündung des Evangeliums des Lebens aufzudrücken, das durch das Zeugnis des Evangeliums des Leidens auf geheimnisvolle Weise vermittelt wird (vgl. Evangelium vitae, Nr. 1; Salvifici doloris, Nr. 3). „Denn eine wirklich organische Seelsorge im Krankendienst ist direkt an der Evangelisierung beteiligt“ (Ansprache vor der IV. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für Lateinamerika, Nr. 8; 23. Juni 1995). 3. Die Mutter Jesu ist für diese wirksame Verkündigung sowohl ein Beispiel als auch ein Wegweiser, denn „Maria stellt sich zwischen ihren Sohn und die Menschen in der Situation ihrer Entbehrungen, Bedürfnisse und Leiden. Sie stellt sich dazwischen1, das heißt, sie macht die Mittlerin, nicht wie eine Fremde, sondern in ihrer Stellung als Mutter, und ist sich bewußt, daß sie als solche dem Sohn die Nöte der Menschen vortragen kann, ja sogar das ,Recht1 dazu hat. Ihre Vermittlung hat also den Charakter einer Fürsprache: Maria ,spricht für1 die Menschen. Nicht nur das: Als Mutter möchte sie auch, daß sich die messianische Macht des Sohnes offenbart, nämlich seine erlösende Kraft, die darauf gerichtet ist, dem Menschen im Unglück zur Hilfe zu eilen, ihn vom Bösen zu befreien, das in verschiedenen Formen und Maßen auf seinem Leben lastet“ (Redemptoris Mater, Nr. 21). Diese Sendung macht die „Salus infirmorum“ zu jeder Zeit im Leben der Kirche gegenwärtig, weil sie, wie ganz zu Beginn der Kirche (vgl. Apg 1,14), auch heute noch „das Beispiel jener mütterlichen Liebe (ist), von der alle beseelt sein müssen, die in der apostolischen Sendung der Kirche zur Wiedergeburt der Menschen mit-wirken“ (Lumen Gentium, Nr. 65). 451 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Feier des erhabensten Moments des Weltkrankentags in der Wallfahrtskirche von Unserer Lieben Frau von Guadalupe stellt eine ideelle Verknüpfung zwischen der ersten Evangelisierung der Neuen Welt und der neuen Evangelisierung her. Denn den Bevölkerungen Lateinamerikas wurde „das Evangelium in einer Weise verkündet, die die heilige Jungfrau als ihre höchste Errungenschaft darstellte ... Das strahlende Symbol dieser Identität ist das Mestizengesicht der Maria von Guadalupe, die sich am Anfang der Evangelisierung erhebt“ (Dokument von Pue-bla, 1979, 282 und 446). Deshalb wird die heilige Jungfrau in der Neuen Welt seit fünf Jahrhunderten verehrt als die „erste Evangelisiererin Lateinamerikas“ und als „Stern der Evangelisierung“ (Brief an die Ordensleute Lateinamerikas zur 500-Jahr-Feier der Evangelisierung der Neuen Welt, Nr. 31). 4. Bei der Erfüllung ihrer missionarischen Aufgabe hat die Kirche, von der Fürsprache Marias unterstützt und gestärkt, für die Kranken und Leidenden in Südamerika eine bedeutsame Fürsorge gezeigt. Auch heute nimmt die Pastoral im Krankendienst weiterhin einen wichtigen Platz in der apostolischen Tätigkeit der Kirche ein: Sie ist für zahlreiche Hilfs- und Pflegeeinrichtungen zuständig und arbeitet mit großem Eifer unter den Ärmsten der Armen auf dem Gebiet der Krankenpflege, dank des großzügigen Einsatzes vieler Brüder im Bischofsamt, Priester, Ordensbrüder uns -Schwestern sowie vieler gläubiger Laien, die ein ausgeprägtes Feingefühl für diejenigen entwickelt haben, die sich in einem Leidenszustand befinden. Wenn man dann den Blick von Lateinamerika ausgehend auf die ganze Welt ausweitet, so begegnet man unzähligen Bestätigungen dieser mütterlichen Fürsorge der Kirche für die Kranken. Auch heute, oder vielleicht vor allem heute, erhebt sich aus der ganzen Menschheit das Wehklagen leidgeprüfter Menschenmengen. Ganze Bevölkerungsgruppen werden von der Grausamkeit der Kriege gepeinigt. Die Opfer der immer noch andauernden Konflikte sind vor allem die Schwachen: die Mütter, die Kinder, die alten Leute. Wie viele menschliche Wesen, die von Hunger und Krankheiten ausgemergelt sind, können nicht einmal die einfachsten Formen der Hilfeleistung erwarten. Und dort, wo es diese Hilfsdienste glücklicherweise gibt, wie viele Kranke werden von Angst und Verzweiflung in die Zange genommen, da es ihnen nicht gelingt, ihrem Leiden im Licht des Glaubens einen konstruktiven Sinn zu verleihen. Die lobenswerten und auch heroischen Bemühungen vieler Ärzte und Krankenpfleger und der wachsende Einsatz der freiwilligen Helfer reichen nicht aus, um die konkreten Bedürfnisse zu decken. Ich bitte den Herrn, daß sich eine noch größere Zahl von großherzigen Menschen findet, die es nicht nur verstehen, den Kranken in ihrem körperlichen Leiden zu helfen, sondern die diesen Kranken auch eine geistliche Unterstützung geben können, indem sie ihnen die tröstenden Aussichten des Glaubens eröffnen. 452 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Liebe Kranke und Ihr, Verwandte und im Krankendienst Tätige, die Ihr sie in diesem schwierigen Lebensabschnitt begleitet, Ihr sollt Euch als erste Vermittler einer Erneuerung im Geiste des Evangeliums fühlen auf dem geistigen Weg hin zum Großen Jubeljahr 2000. In dem besorgniserregenden Panorama der alten und neuen Formen der Aggression gegen das Leben, die die Geschichte unserer Tage kennzeichnen, seid Ihr wie die Volksmenge, die den Herrn berühren wollte, „denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte“ (Lk 6,19). Und genau vor diesen vielen Menschen hielt Jesus die „Bergpredigt“, in der er diejenigen, die weinen, selig pries (vgl. Lk 6,21). Leiden und jenen zur Seite stehen, die leiden: Wer diese beiden Situationen im Glauben erlebt, stellt einen besonderen Kontakt zu den Leiden Christi her und darf an „einem ganz besonderen Teil des unendlichen Schatzes der Erlösung der Welt“ teilhaben (Salvifici doloris, Nr. 27). 6. Liebe Brüder und Schwestern, die Ihr diese Prüfung durchmacht, opfert Euren Schmerz mit Großmut auf in Gemeinschaft mit dem leidenden Christus und mit Maria, seiner zärtlichen Mutter. Und Ihr, die Ihr täglich mit den Leidenden arbeitet, macht Euren Dienst zu einem wertvollen Beitrag zugunsten der Evangelisierung. Fühlt Euch alle als ein lebendiger Teil der Kirche, denn in Euch ist die christliche Gemeinschaft aufgerufen, sich mit dem Kreuz Christi zu messen, um der Welt Rede und Antwort zu stehen über die evangelische Hoffnung (vgl. 1 Petr 3,15). „Und wir bitten euch alle, die ihr leidet, uns zu unterstützen. Gerade euch, die ihr schwach seid, bitten wir, zu einer Kraftquelle für die Kirche und für die Menschheit zu werden. Möge in dem schrecklichen Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen, der sich vor uns in der heutigen Welt abspielt, euer Leiden in Einheit mit dem Kreuz Christi siegen!“ (Salvifici doloris, Nr. 31). 7. Mein Appell richtet sich auch an Euch, Hirten der kirchlichen Gemeinden, und an Euch, Verantwortliche für die Pastoral im Kranken dienst, damit Ihr mit einer angemessenen Vorbereitung daran geht, den nächsten Weltkrankentag mit solchen Initiativen zu begehen, die die Aufmerksamkeit des Gottesvolkes und der Gesellschaft überhaupt auf die breitgefächerten und komplexen Probleme des Gesundheitswesens und der Gesundheit lenken. Und Ihr, Mitarbeiter im Gesundheitswesen - Ärzte, Apotheker, Krankenpfleger, Krankenhausseelsorger, Ordensleute, Verwalter und Freiwillige -, und besonders Ihr Frauen, Vorkämpferinnen im pflegerischen und geistlichen Dienst an den Kranken: Werdet alle zu Förderern und Förderinnen der Gemeinschaft unter den Kranken, zwischen ihren Familienangehörigen und in der kirchlichen Gemeinschaft. Bleibt an der Seite der Kranken und ihrer Familien, so daß diejenigen, die sich dieser Prüfung stellen müssen, sich nie ausgeschlossen fühlen. Auf diese Weise wird die Erfahrung des Leidens und der Schmerzen für jeden zu einer Schule großzügiger Hingabe. 453 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Gerne dehne ich diesen Appell auch auf die Verantwortlichen jeder Ebene in der Gesellschaft aus, damit sie in der Aufmerksamkeit und dem Einsatz der Kirche für die Welt des Leidens eine Möglichkeit zum Dialog, zur Begegnung und zur Zusammenarbeit erkennen, um eine Zivilisation aufzubauen, die von der Fürsorge für die Leidenden ausgeht und immer weiter auf dem Weg der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Liebe und des Friedens fortschreitet. Ohne Gerechtigkeit wird die Welt keinen Frieden kennen; ohne den Frieden kann sich das Leid nur über alle Maßen ausweiten. Auf alle, die leiden müssen, und auf alle, die sich im Dienst an ihnen aufopfem, rufe ich die mütterliche Fürsorge Marias herab. Die Mutter Jesu, die seit Jahrhunderten im berühmten Heiligtum Unserer Lieben Frau von Guadalupe verehrt wird, möge das Wehklagen der vielen Leidgeprüften hören, sie trockne die Tränen der Schmerzerfüllten, und sie stehe allen Kranken in der Welt bei. Liebe Kranke, die heilige Jungfrau möge ihrem Sohn das Opfer Eures Leids darbringen, in dem sich das Antlitz des gekreuzigten Christus widerspiegelt. Ich begleite diesen Wunsch mit dem Versprechen meines inbrünstigen Gebets und spende Euch allen von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 11. Oktober 1995, Gedenktag der seligen Jungfrau Maria, Mutter der Kirche. Joannes Paulus PP. II Gemeinsam für die Botschaft vom Leben Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer eines Kurses des Ökumenischen Instituts in Bossey (Genf) am 15. Februar Liebe Freunde in Christus! Es ist mir eine große Freude, Sie bei ihrer Rom-Wallfahrt zu begrüßen, hebe Studenten und Mitarbeiter des Ökumenischen Instituts in Bossey. In den vergangenen vier Monaten haben Sie miteinander über das Thema „Eine Theologie des Lebens“ nachgedacht. Für uns Christen müssen ein solches Nachdenken und eine solche Theologie bei unserem Herrn Jesus Christus beginnen und immer wieder auf ihn Bezug nehmen - auf ihn, der „gekommen ist, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (vgl. Joh 10,10). Jesus ist in der Tat die Fülle des Lebens, zu dem jeder Mann und jede Frau gerufen sind, eine Fülle, die darin besteht, am Leben Gottes selbst teilzuhaben (vgl. Evangelium vitae, Nr. 2). Es ist die Sendung der Kirche, immer und überall diese Wahrheit, dieses „Evangelium vom Leben“, insbesondere in unserer Zeit zu verkünden, wo immer größere Gefahren das Leben von einzelnen und von Völkern bedrohen, vor allem dort, wo es schwach und schutzlos ist (vgl. Evangelium vitae, Nr. 3). 454 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tatsächlich ist sich die Kirche bewußt, daß diese Verkündigung des Evangeliums nicht nur die Verteidigung des Menschenlebens als solches, sondern auch die Verpflichtung einschließt, alles zu fördern, was der Entfaltung des Menschenlebens und der Menschenwürde dienlich ist. Es besteht eine wesentliche Beziehung zwischen der Verkündigung der guten Nachricht des Heils in Jesus Christus und dem Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Fortschritt der Menschenrechte. Eine wahre „Theologie des Lebens“ darf diese Beziehung nicht verkennen und muß klar deren praktische Konsequenzen darlegen. Liebe Freunde, bald werden Sie in Ihre Heimatländer und zu Ihren Kirchen und Gemeinschaften zurückkehren. Meine Hoffnung und mein Gebet ist es, daß Sie mit dem Beistand des Heiligen Geistes Zeugen dieses „Evangeliums vom Leben“ in seiner Fülle sein werden, wie es durch Jesus Christus offenbart wurde, welcher „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) ist. Gott segne Sie alle. Mit Ernst und Zielstrebigkeit das Große Jubiläum vorbereiten Ansprache an die Internationale Planungskonferenz des Zentralen Komitees für das Heilige Jahr 2000 und die Delegierten der nationalen Komitees am 16. Februar Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich empfange Euch alle mit großer Freude und Dankbarkeit! Ganz besonders begrüße ich Roger Kardinal Etchegaray, den Präsidenten des Zentralkomitees für das Große Jubiläum des Jahres 2000, und danke ihm für die freundlichen Worte( die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich die Kardinäle des Vorstandsrates sowie Isgr. Sergio Sebastian!, den Generalsekretär des Zentralkomitees, und die Delegierten der Bischofskonferenzen aus der ganzen Welt, die bei diesem Treffen zugegen sind. Einen besonderen Willkommensgruß möchte ich an die Vertreter der nichtkatho-lischen Kirchen und Kirchengemeinschaften richten, deren Anwesenheit die Hoffnung, daß wir die Zweitausendjahrfeier der Geburt Christi, „wenn auch nicht voll vereint, aber wenigstens doch einander näher“ (Predigt zum Abschluß der Gebetswoche für die Einheit der Christen, 25. Januar 1996, in: O.R.,dt., Nr. 6, S. 7, 4) begehen können, konkreter werden läßt. Diese beiden Tage intensiver Arbeit waren sicher nützlich für die nähere Festlegung der zur Vorbereitung des nunmehr bevorstehenden Heiligen Jahres unerläßlichen pastoralen Planung. Die Vor-Vorbereitungsphase geht nun zu Ende, und 1997 wird die eigentliche Vorbereitungsphase beginnen. Die in vielen Diözesen 455 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Pfarrgemeinden bereits in die Wege geleiteten Initiativen lassen auf eine volle und fruchtbare Teilnahme des gesamten Gottesvolkes an diesem besonderen Ereignis hoffen. 2. Wie auch in diesen Tagen wiederholt betont wurde, muß alle Planung im Hinblick auf das Jubiläum in erster Linie auf den Reichtum des II. Vatikanischen Konzils Bezug nehmen: „ein Ereignis der Vorsehung ..., durch das die Kirche die unmittelbare Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres zweitausend in Gang gesetzt hat“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 18). Das Konzil stellt gewissermaßen „die Heilige Pforte“ zu jenem neuen Frühling der Kirche dar, der durch das Jubiläumsereignis offenbar gemacht werden soll. Die Konzilsversammlung hat sich auf das Geheimnis Christi und seiner Kirche konzentriert und sich zugleich der Welt geöffnet, um aus dem Evangelium die Antwort auf die Evolution der heutigen Gesellschaft zu geben (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 18); seine „Lektion“ ist für die Vorbereitung und die Feier des Großen Jubeljahres 2000 von grundlegender Bedeutung. Die Gemeinschaft der Gläubigen wird in diesen Jahren auf Christus blicken müssen: Er ist der Mittelpunkt der Kirche, der Grund ihrer Existenz, der stets aktuelle Inhalt ihres Lebens, ihrer Verkündigung und ihres Zeugnisses. Das Jubiläum, dieses außergewöhnliche geistliche Ereignis, ist eine Gott gewidmete Zeit, ihm, der uns seinen Sohn geschenkt hat, damit die Menschen „das Leben haben, und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Es muß daher jede Anstrengung unternommen werden, damit die sicherlich notwendigen organisatorischen Anforderungen diese grundlegende Dimension nicht in den Schatten stellen. „Das Jubiläumsgedenken soll in den heutigen Christen den Glauben an Gott, der sich in Christus geoffenbart hat, festigen, ihre auf die Erwartung des ewigen Lebens ausgerichtete Hoffnung stärken, ihre im Dienst an den Brüdern tätig engagierte Liebe wiederbeleben“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 31). 3. Das Jubiläum bietet sich also als ein von der Vorsehung bestimmtes kirchliches Ereignis dar. Überall auf der Welt ist die Braut des Herrn aufgerufen, dem Vater dankzusagen für das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes, Fundament der Einheit und Überwindung aller Spaltungen im Menschen und in der Menschheit. So verwirklichen sich die Worte des Apostels Paulus: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller“ (Eph 4,4). Der Zustand der Orientierungslosigkeit und Unsicherheit, in dem die heutige Welt oft lebt, läßt erkennen, wie dringend es für die Christen als Gemeinschaft ist, die freie und volle Annahme Christi, der Wahrheit vom Menschen, zu bezeugen. Diese Zustimmung ist, wenngleich es sich um einen persönlichen Akt handelt, stets auch ein kirchliches Handeln. Wie der Katechismus der Katholischen Kirche treffend sagt, ist es die Kirche, unsere Mutter, die Gott mit ihrem Glauben antwortet und uns lehrt zu sagen: „Ich glaube“ - „Wir glauben“ (vgl. Nr. 167). Je 456 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mehr es der Katechese gelingen wird, in den Gläubigen das Bewußtsein wachzurufen, Kirche zu sein, desto mehr wird in jedem von ihnen der apostolische und missionarische Eifer wachsen. 4. Im Bewußtsein, daß wir alle der gleichen und einen geistlichen Familie angehören, wiederholen wir unermüdlich: Das ist die Zeit der Neuevangelisierung, um zu Beginn des dritten Jahrtausends der Verkündigung des Evangeliums neue Impulse zu geben. Für die Kirche handelt es sich nicht um einen beliebigen Beitrag, sondern vielmehr um eine „Pflicht, die ihr durch den Auftrag des Herrn Jesus Christus obhegt, damit die Menschen glauben und gerettet werden können“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 5). Um glaubwürdig zu sein, verlangt diese Botschaft jedoch Demut; Fähigkeit des Zuhörens; Mut und Bereitschaft, unablässig den Willen Gottes zu erforschen und hochherzig zu erfüllen. Mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., hat im apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi, der „magna Charta“ der Evangelisierung der modernen Zeit, dazu gesagt: „Die Kirche, Trägerin solcher Evangelisierung, beginnt damit, sich selbst nach dem Evangelium auszurichten. Als Gemeinschaft von Gläubigen, als Gemeinschaft gelebter und gepredigter Hoffnung, als Gemeinschaft brüderlicher Liebe muß die Kirche unablässig selbst vernehmen, was sie glauben muß, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist. Als Volk Gottes, das mitten in dieser Welt lebt und oft durch deren Idole versucht wird, muß die Kirche immer wieder die Verkündigung der Großtaten Gottes hören, die sie zum Herrn bekehrt haben, von neuem von ihm gerufen und geeint werden. Das will mit einem Wort heißen, daß es die Kirche immer nötig hat, selbst evangelisiert zu werden, wenn sie ihre Lebendigkeit, ihren Schwung und ihre Stärke bewahren will, um das Evangelium zu verkünden“ (Nr. 15). Wie sollte man im Licht dieser asketischen und apostolischen Sichtweise nicht wünschen, daß die kirchlichen Gemeinschaften aller Nationen die Vorbereitung auf das Jubiläum als eine Gelegenheit zur Umkehr und zur Prüfung des pastoralen Engagements verspüren? Mögen diese Jahre, die uns auf das Jahr 2000 hinführen, für alle eine Zeit des Hörens auf das Wort Gottes und der Zuwendung zu den Brüdern sein, sozusagen ein verlängerter „Exerzitienkurs“, der in jeder Diözese, in jeder Pfarrgemeinde, in allen Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen sowie in den christlichen Familien gelebt werden soll. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Von 1997 bis 1999 ist die Kirche aufgerufen, das in Jesus von Nazaret offenbarte trinitarische Geheimnis zu betrachten. Den Blick auf, Jesus Christus“ gerichtet, den „alleinigen Retter der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit“, wollen wir im Jahr 1997 auf ihn, den Meister und Verkünder des Evangeliums, hören, um erneut zu entdecken, daß auch wir wie er gesandt sind, „um den Armen eine gute Nachricht zu bringen; um den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Blinden das Augenlicht; um die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen“ (vgl. Lk 4,18-19). 457 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das erneuerte Interesse an der Bibel und das Festhalten an der ..Lehre der Apostel“ (Apg 2,24) und an der Katechese werden die Christen dahin führen, den Glauben an den Sohn Gottes, der Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist, als notwendige Bedingung für das Heil zu vertiefen und die Taufe als Grundlage der christlichen Existenz wiederzuentdecken. Die heilige Jungfrau, Vorbild der Gläubigen, wird, im Geheimnis ihrer göttlichen Mutterschaft betrachtet, das beharrliche und eifrige Streben nach der Einheit unter den Getauften in Übereinstimmung mit dem innigen Gebet Christi im Abendmahlssaal unterstützen (vgl. Joh 17,1-26). Das Jahr 1998 wird dem Heiligen Geist, der Seele des christlichen Volkes, gewidmet sein. Indem sie auf ihn schauen, „der die von Christus den Menschen gebrachte einzige Offenbarung in der Kirche aller Zeiten und aller Orte aktualisiert, indem er sie im Herzen eines jeden lebendig und wirksam werden läßt“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 44), und der „auch für unsere Zeit die Hauptkraft der Neuevangelisierung“ ist (ebd., Nr. 45), werden die Christen sein Wirken insbesondere im Sakrament der Firmung erkennen und sich bemühen, die vielfältigen Charismen und Dienste hervorzuheben, die er in der kirchlichen Gemeinschaft wachruft. Sie werden auch den Geist als den wiederentdecken, „der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus dadurch vorbereitet, daß er die Menschen innerlich anregt und im menschlichen Erleben die Keime der endgültigen Rettung, die am Ende der Zeiten eintreten wird, aufgehen läßt“ (ebd., Nr. 45). Durch die Vertiefung dieser in der Kirche und in der Welt gegenwärtigen „Keime“ werden sie, von der Tugend der Hoffnung getragen, Maria als Lehrmeisterin folgen, um überall zu Baumeistern der Einheit, des Frieden und einer solidarischen Brüderlichkeit zu werden. Im dritten und letzten Vorbereitungsjahr, 1999, werden die Gläubigen, den Horizont gemäß der Sichtweite des Himmelreiches erweiternd, zu einer großen Lobpreisung „des Vaters im Himmel“ (Mt 5,45) , zu einem verlängerten Magnifikat aufgefordert sein, das sie, geleitet von der Mutter des Herrn, dazu führen wird, zu tun, was Jesus ihnen sagen wird (vgl. Joh 2,5). Es handelt sich um einen Weg echter Umkehr, der in der Feier des Bußsakraments seinen Höhepunkt erreicht. Dieser geistliche Weg wird die Gläubigen anhalten, ganz Christus nachzufolgen, damit die Kirche „die würdige Braut ihres Herrn verbleibe und unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht aufhöre, sich selbst zu erneuern, bis sie durch das Kreuz zum Lichte gelangt, das keinen Untergang kennt“ (Lumen Gentium, Nr. 9). Die erneuerte Liebe zu Gott wird die Familie der Getauften veranlassen, sich zur Stimme der Armen der Erde zu machen und die Hebevolle Sorge des himmlischen Vaters für jedes menschliche Wesen zu bezeugen. Sie wird die Christen zum Dialog mit den Brüdern des gleichen Glaubens Abrahams und mit den Vertretern der großen Religionen anregen, um den absoluten Vorrang Gottes im Leben der Menschen zu verkünden, dabei jedoch jeden Synkretismus oder oberflächlichen Ire-nismus vermeiden. 458 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Liebe Brüder und Schwestern! Dieser anspruchsvolle Weg der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 betrifft jeden Gläubigen und die Kirche als Ganzes, die aufgerufen sind, den Geist der Seligpreisungen stets weiter zu vertiefen. „Selig, die arm sind vor Gott; ... Selig die Trauernden; ... Selig, die keine Gewalt anwenden; ... Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; ... Selig die Barmherzigen; ... Selig, die ein reines Herz haben; ... Selig, die Frieden stiften; ... Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden.“ Die Worte Christi mögen auf immer konkretere Richtlinien für die Entscheidungen der Gläubigen werden, damit ihr Leben geprägt sei von Armut vor Gott, von Trauer über die Feme Gottes, von Sanftmut, von Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, von Barmherzigkeit, von Reinheit des Herzens, vom wahren Wunsch nach Frieden, von Treue zu Gott und zu seinem Plan auch angesichts von Verfolgungen (vgl. Mt 5,1-12). Während die Kirche, im Glauben, in der Hoffnung, in der Liebe und auch in ihren pastoralen Methoden erneuert, sich bereit macht, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten, wird sie den Männern und Frauen der modernen Zeit mit neuer Kraft verkünden können, daß Jesus Christus der einzige Erlöser der Welt ist, gestern, heute und in Ewigkeit. 7. Bevorzugter Weg dieser Verkündigung bleiben gewiß die persönliche Begegnung und der aufmerksame und geduldige Dialog mit denen, welchen wir auf unserem Weg begegnen. Die heutige Zeit bietet aber weitere Kommunikationsmöglichkeiten, die in der modernen, schnell und ständig sich wandelnden Gesellschaft nunmehr eine wesentliche Rolle spielen. Ich beziehe mich hier auf die immer weiter fortgeschrittenen und erstaunlichen Möglichkeiten der Medien sozialer Kommunikation. Es handelt sich um weitverbreitete technische Mittel, die die Beziehungen unter den Menschen zweifellos erleichtern, die Welt zu einem „universalen Dorf“ machen können und daher der Dringlichkeit der Evangelisierung neue Gestalt verleihen. Deshalb muß man die modernen multimedialen Technologien, die die Denk- und Handlungsweise der Menschen und die Bildung der jungen Generationen entscheidend beeinflussen, mit Vernunft und Weisheit betrachten. Durch sie gelangen Botschaften und Lebensmodelle, die oft weit entfernt sind vom Evangelium, in die Wohnungen und erschüttern Traditionen und jahrhundertealtes Brauchtum. Zugleich ist es möglich, sich ihrer zu bedienen, um das Einvernehmen und 'ie Solidarität unter den Menschen und Völkern zu fördern. Niemandem bleibt die Rolle verborgen, die diese Mittel bei der Vorbereitung und Feier des bevorstehenden Jubiläums, des ersten im Zeitalter der Telematik, haben können. Zu Beginn des zweiten Jahrtausends trug die Kirche entscheidend zur Verbreitung des Evangeliums und zur Zivilisierung der Völker bei, indem sie ihnen, vor allem durch die Klöster, außer den Schätzen der christlichen Spiritualität die der klassischen Kultur zugänglich machte. Bei der gegenwärtigen epochalen Wende, die zu Beginn des dritten Jahrtausends die Merkmale einer authentischen technologischen und telematischen Revolution aufweist, ist die christliche Ge- 459 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinschaft, reich an Glauben und erfahren in ihrer mitmenschlichen Kompetenz, gerufen, sich der neuen Herausforderungen bewußt zu werden und ihnen mutig zu begegnen, indem sie diesen neuen Areopag mit christlichem Geist erfüllt. Wenn sie die allermodemsten Kommunikationsmittel in den Dienst des Evangeliums stellen, werden die Gläubigen mit der Zeit gehen und es nicht an ihrem besonderen Beitrag fehlen lassen, um die Zivilisation der Liebe aufzubauen in einer Welt, die in engerer Verbundenheit mit Gott auch dem Menschen größere Beachtung zuwendet. Möge die Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000 die Bemühungen aller vereint sehen, um Christus zum Mittelpunkt zu machen. 8. Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! In seinem Bericht über die Begebenheit in der Synagoge von Nazaret bemerkt der hl. Lukas, daß nach der Lesung aus dem Buch Jesaja, „die Augen aller auf Ihn gerichtet waren“ (Lk 4,20). Ich hoffe, daß die Feier dieses Jubiläums in den Menschen von heute die gleiche Haltung hervorrufen wird und die Erwartungen und Hoffnungen der gesamten Menschheit auf Christus gerichtet sein werden. Der Mutter des Erlösers, Urbild und Stütze der Kirche, vertraue ich Euch und Eure wertvolle Arbeit bei der Vorbereitung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 an. Meinerseits versichere ich Euch ein ständiges und dankbares Gedenken im Gebet und erteile Euch, Euren Gemeinschaften und allen, die sich, wo auch immer in der Welt, mit hochherziger Hingabe für die Vorbereitung dieses historischen Ereignisses für den christlichen Glauben einsetzen, von Herzen den Apostolischen Segen. Zur Problematik von Freiheit und Wahrheit in der Wissenschaft Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses über „Die Wurzeln der Bioethik“ am 17. Februar Ehrwürdiger Bruder im Bischofsamt, sehr geehrte Dozenten und Referenten, liebe Brüder und Schwestern! 1. Herzlich willkommen zu diesem Treffen! Ich freue mich, Sie alle zu empfangen, die Sie mit diesem Internationalen Kongreß über „Die Wurzeln der Bioethik“ den zehnten Jahrestag des Bioethischen Zentrums der Medizinischen und Chirurgischen Fakultät der Katholischen Herz Jesu-Universität begehen wollten. Mein Dank gilt Bischof Elio Sgreccia, dem Gründer und Direktor des Zentrums und des Bioethischen Instituts, für seine an mich gerichteten liebenswürdigen Worte. Mit ihm begrüße ich die Mitarbeiter und alle, die sich hochherzig in den Dienst dieser so verdienstvollen Institution stellen. Herzlich grüße ich auch den Rektor der Katholischen Universität, Prof. Adriano Bausola, und verspreche ihm ein besonderes Gebetsgedenken für seine Gesundheit. 460 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gern nehme ich diese Gelegenheit wahr, um Ihnen, verehrte Dozenten, die Sie sich der akademischen Arbeit und der Forschung verpflichtet haben, meine große Wertschätzung für Ihre Arbeit auf einem so schwierigen und komplexen Gebiet zum Ausdruck zu bringen. In den kaum zehn Jahren seit seiner Gründung hat Ihr Zentrum, zu dem dann noch der Lehrstuhl und das Institut für Bioethik hinzukamen, die ihm den nötigen akademischen Rückhalt geben, bedeutende Ziele erreicht: Die vielfältigen Initiativen auf wissenschaftlichem Gebiet, die qualifizierte Lehrtätigkeit und die zahlreichen Veröffentlichungen machen es heute in Italien und im Ausland zu einem Bezugspunkt für die Wissenschaftler und für alle, die sich mit Problembereichen beschäftigen, die mit dem biomedizinischen und biojuristischen Umfeld in Verbindung stehen. 2. Der wissenschaftliche und technologische Fortschritt stellt den Menschen täglich überraschenden Entdeckungen gegenüber, die seine Bewunderung hervorru-fen und ihn zugleich veranlassen - manchmal mit Bestürzung -, nach dem Unvorhersehbaren der Zukunft zu fragen. Er entdeckt immer mehr, daß die ethische Dimension der auf das Leben ausgerichteten Forschung ein unentbehrliches Gut ist, um sein eigenes Überleben sicherzustellen. Die Bioethik, die am Kreuzungspunkt großer menschlicher Wirklichkeiten, wie denen von Person, Familie, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz, steht, weiß, daß sie, um die Achtung vor der Natur gemäß den ethischen Forderungen einer humanistischen Kultur zu garantieren, Fragen aufzugreifen hat, die die Grenzen des Lebens selbst berühren. Von den Beiträgen der juristischen, der sozial-ökonomischen und der Umweltdisziplinen und vor allem von denen der Anthropologie Gebrauch machend, hat sie die Aufgabe, der Welt der Medizin, der Politik und der Wirtschaft wie auch der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit die moralische Ausrichtung aufzuzeigen, die der menschlichen Tätigkeit und der Planung für die Zukunft das Gepräge geben soll. Themen wie genetische Technik, Achtung vor dem menschlichen Genom, verantwortliche Weitergabe des Lebens sind - ebenso wie die Definition der Aufgaben und Ziele der Organisation des Gesundheitswesens und die mit biomedizinischen körperlichen Eingriffen beim Kranken und beim Sterbenden verbundenen Probleme - Gegenstand nicht nur kultureller und wissenschaftlicher Debatten, sondern lenken immer mehr die Aufmerksamkeit nationaler Parlamente und internationaler Versammlungen auf sich - wie vor einiger Zeit bei den Konferenzen von Kairo, Kopenhagen und Peking. Angesichts des großen Umfangs und der Vielfalt der Fragen, die von den biomedizinischen Wissenschaften gestellt werden, wird in unserer heutigen Kultur der Anspruch auf zuverlässige Führer und vertrauenswürdige Lehrer immer dringlicher. Darum scheint es unbedingt notwendig, daß die Bioethik über die ontologischen und anthropologischen Wurzeln der Normen nachdenkt, an denen sich Entscheidungen von so ausschlaggebender Bedeutung ausrichten müssen. Euer Kongreß hat diese Erwartungen aufgegriffen und sich damit beschäftigt, die grundlegenden Kriterien der Bioethik in einer anspruchsvollen und offenen Ge- 461 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN genüberstellung zwischen Vertretern verschiedener Gedankenströmungen zu untersuchen. Er hat nicht nur die geschichtlichen Aspekte, sondern auch und vor allem die philosophischen, ethischen und religiösen Problemkreise dargelegt in der Überzeugung, daß der Baum des ethischen Denkens, wenn er seine Vitalität behalten und Frucht bringen soll, seine Wurzeln fest in der ontologischen Wahrheit über den Menschen verankern muß, der nach dem Abbild Gottes geschaffen und von Christus erlöst ist. 3. Zu beachten ist in diesem Bereich, was die Offenbarung und, als Hüterin und Interpretin der Offenbarung, das Lehramt der Kirche zur bioethischen Forschung beigetragen haben. Wie das II. Vatikanische Ökumenische Konzil sagt, „klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf“ (Gaudium et spes, Nr. 22). In der Tat „wird die entscheidende Antwort auf jede Frage des Menschen, insbesondere auf seine religiösen und moralischen Fragen, von Jesus Christus gegeben, ja ist Christus selbst die Antwort“ (Ve-ritatis splendor, Nr. 2). Hervorgegangen aus der trefflichen Absicht, gegenüber den ungeheuren Umwandlungskräften, die von der wissenschaftlichen und technologischen Forschung vorgebracht werden, das Überleben und die Entwicklung der Menschheit sicherzustellen, ist die Bioethik der bevorzugte Bereich für einen aufrichtigen und nutzbringenden Dialog zwischen der Kirche und der Wissenschaft. Tatsächlich können ja in der Wahrheit über den Menschen und in seiner ontologischen Würde, wie sie von der Vernunft erkannt und von Christus voll offenbart ist, angemessene Antworten auf die ethische Frage gefunden werden, die sich aus der Genetik, aus den Vorgängen der Fortpflanzung, aus dem Leben, das dem Tode nahe ist, aus den Problemen der Umwelt und jenen über die Zukunft der Menschheit ergibt. Zu dieser Forschung möchte die Kirche den ihr eigenen Beitrag anbieten, wie sie es kürzlich mit den Enzykliken Veritatis splendor und Evangelium vitae getan hat, womit sie in einer vom Glauben erleuchteten Anthropologie und einer auf der transzendenten Würde des Menschen beruhenden Moral die tragfähige Basis für eine metaphy sisch und sozial großzügig angelegte Bioethik aufwies. In Respekt vor der legitimen Autonomie der wissenschaftlichen und philosophischen Forschung fordert die Kirche die Wissenschaftler auf, stets aufmerksam auf die tiefsten Ansprüche der Menschheit zu hören und Lösungen vorzuschlagen, die dem Menschen und seiner Bestimmung volle Achtung zollen. Diejenigen, die auf diesem schwierigen Gebiet arbeiten, dürfen nicht Angst haben vor der Wahrheit über den Menschen, die die Kirche im Auftrag Christi unermüdlich verkündet. Die ehrliche und konstruktive Gegenüberstellung mit einer vom Glauben inspirierten Anthropologie wird dazu führen, die Zukunft für die Menschheit nicht auf dem Sand des moralischen Relativismus aufbauen zu wollen oder nach kurzlebigen, nützlichkeitsorientierten Übereinkünften zu planen, sondern sie auf sichere und objektive Fundamente zu bauen, die unweigerlich die Festigung einer dem menschlichen Leben gegenüber aufnahmebereiteren Welt begünstigen. 462 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. In der Herausforderung, die die zeitgenössische Kultur auf dem Gebiet der Bioethik an die Gläubigen stellt, haben die Theologen eine besondere Rolle. In der Gegenüberstellung mit den Errungenschaften der Wissenschaft und mit den Forderungen der Philosophie sind sie aufgerufen, die gemeinsame Verantwortung zum Ausdruck zu bringen, die die Gläubigen dem Leben eines jeden Menschen und dem Schicksal der ganzen Menschheit gegenüber verbindet. Insbesondere ist es ihre Aufgabe, den Zusammenhang zwischen Freiheit und Wahrheit aufzuzeigen und zu motivieren, der grundlegend ist für eine richtige ethische Sicht und für den echten Fortschritt der Menschheit. Wie ich in der Enzyklika Evangelium vitae darlegte, „liegen die Wurzeln des Widerspruchs zwischen der feierlichen Bestätigung der Menschenrechte und ihrer tragischen Verweigerung in der Praxis in einer Auffassung von Freiheit, die das einzelne Individuum zum Absoluten erhebt und es nicht zur Solidarität, zur vollen Annahme des anderen und zum Dienst an ihm veranlaßt“ (Nr. 19). Den Wissenschaftlern, den Gesetzgebern und den Persönlichkeiten der Kultur möchten die Christen ihren Beitrag an Werten und an Glauben anbieten, um gemeinsam eine Gesellschaft aufzubauen, die alle achtet, vor allem die Schwächsten. 5. In den zehn Jahren seines Bestehens ist Ihr Bioethisches Zentrum zu einer Stätte der Konfrontierung und des Dialogs zwischen Freunden der biomedizinischen Wissenschaften, Menschen im Gesundheitsdienst, Juristen, Philosophen und Theologen geworden. Ich danke mit Ihnen dafür dem Herrn. Ich danke ihm ebenso, weil Ihre verdienstvolle Institution bedeutende Beiträge anzubieten wußte zum Schutz der vollen Würde des Menschen vom Augenblick der Befruchtung an bis zu seinem natürlichen Tod und weil sie das Recht auf Leben jedes - auch des kranken und des behinderten - Menschen verteidigt hat. Ich spreche meine große Freude aus über die bisher geleistete wertvolle Tätigkeit, und ich wünsche Ihrem Bioethischen Zentrum, es möge immer mehr eine „Schule des Lebens“ werden und Menschen, die auf diesem Gebiet tätig sind, Dozenten und Animatoren heranbilden. In den wohlhabenden wie in den Entwicklungsländern werden diese Experten der Menschlichkeit sich in den Dienst des Lebens stellen mit Werken, die auf das Evangelium ausgerichtet sind. Mit diesen Wünschen erteile ich von Herzen einem jeden von Ihnen und allen, die Ihnen täglich in Ihrer Tätigkeit begegnen, den Apostolischen Segen. 463 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ziel der Priesterausbildung - Leidenschaft für Christus und die Kirche Ansprache beim Besuch im Römischen Diözesanseminar am Fest der Madonna der Zuversicht, 17. Februar Herr Kardinal, meine Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Seminaristen und Jugendliche, liebe Gäste des Römischen Diözesanseminars! Es ist mir stets eine große Freude, mit der Gemeinschaft dieses Römischen Seminars zusammenzutreffen. Das Klima unserer jährlichen Verabredung hat sowohl Familien- wie auch Gebetscharakter. Zu Füßen der Madonna der Zuversicht erneuern wir die besondere Zuneigung, die den Papst mit diesem Seminar verbindet, und verkosten gleichzeitig Augenblicke intensiver Meditation, gefördert von den Beiträgen des Orchesters und des Chors der Diözese unter der Leitung von Msgr. Marco Frisina. Es ist schön, daß auch die Jugendlichen der während des Jahres stattfindenden Gebetsschule zu diesen Anlässen eingeladen sind. Jeden möchte ich herzlichst begrüßen: den Kardinalvikar, den Vizegerenten, den Rektor und seine Mitarbeiter und ganz besonders euch, liebe Seminaristen, die Ihr dieses große, historische Seminar mit Leben und Begeisterung erfüllt. Auch Euch Familienangehörigen der Seminaristen und den jungen Freunden aus den verschiedenen Pfarr-gemeinden und Schulen Roms, Euch allen gilt mein Gruß und mein aufrichtiger Dank: denn es ist auch Euer Verdienst, daß dieses Seminar „Familie“ und ,Jugendgemeinschaft“ ist. Aber auch die Künstler dürfen nicht vergessen werden ... Dank ihres Beitrags haben wir dieses wunderbare Oratorium, das „Oratorium der hl. Katharina von Siena“, gehört; aus verschiedenen Gründen sollten wir in diesem Jahr dieses Thema, diese Gestalt wahmehmen und darüber nachdenken. Während meiner früheren Besuche hatte ich Gelegenheit, stets von dem jeweiligen Oratorium ausgehend, über zahlreiche Aspekte der christlichen Erfahrung und Berufung sozusagen laut mit euch nachzudenken. Dieses Jahr komme ich mit einer Idee zu Euch: gemeint ist das 30. Jahr nach dem Abschluß des II. Vatikanischen Konzils, ein Jubiläum, dessen ihr Euch, wie ich mit Freude festgestellt habe, gut bewußt seid. Aber nachdem ich mit lebhafter innerer Teilnahme das Oratorium der hl. Katharina von Siena erlebt habe, möchte ich sagen, daß zwischen dem Charisma Katharinas und dem, wie ich es nennen möchte, Charisma des II. Vatikanums, eine ausgezeichnete Verbindung besteht, die wir als leidenschaftliche Liebe zu Christus und in ihm zum Mysterium der Kirche bezeichnen könnten. Am 2. Dezember 1965, sechs Tage vor dem feierlichen Abschluß, besuchte mein verehrter Vorgänger und Diener Gottes Papst Paul VI. dieses Römische Diözesanseminar anläßlich seines vierhundertjährigen Bestehens. Bei diesem Anlaß krönte er das Bildnis der Madonna der Zuversicht, weihte restaurierte und neue Säle ein und - was uns jetzt am meisten interessiert - berichtete vom Konzil. Er 464 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sprach von ihm, vertraute seine Lehren der aufmerksamen Seminargemeinschaft an und stellte sie vor als den „Kodex zur Erneuerung des kirchlichen Lebens“, dessen stärkende Autorität bestimmt ist, auf alle Bereiche der Kirche, insbesondere auf die Seminare, Einfluß zu nehmen (Insegnamenti Pauls VI., HI, 1965, S. 689). Heute, an der Schwelle des Jubiläumsjahres Zweitausend, möchte ich das alles vor einer neuen Generation von Seminaristen wieder aufgreifen und erneuern. Bei diesem Treffen möchte ich Euch, liebe Alumnen des Römischen Diözesanseminars, und allen anwesenden Jugendlichen das Erbe dessen anvertrauen, was das wichtigste Ereignis in der Geschichte der Kirche dieses Jahrhunderts war, ein wirkliches „Eingangstor“ in das dritte christliche Jahrtausend. Die Konzilsdokumente waren Gegenstand meiner „Angelusansprachen“ dieses Monats, und wie Ihr wißt, habe ich bereits bei anderen Anlässen das Konzil den neuen Generationen symbolisch anvertraut. Insbesondere im vergangenen September, am Ende der Pilgerschaft der europäischen Jugend nach Loreto, an der meines Wissens auch einige von Euch teilgenommen haben, legte ich den Jugendlichen die Pastoralkonstitution Gaudium et spes nahe und forderte sie auf, dieses Dokument zu lesen und darüber zu meditieren (vgl. Osservatore Romano, 11.-12. Sept. 1995, S. 7). Euch, die Ihr in einer intensiven und besonderen Zeit der Formung und geistlichen Unterscheidung steht, übergebe ich hingegen die „Lektion“ des Konzils in ihrem vollem Umfang, in der Vielfalt und Komplementarität ihrer Dokumente, von denen die Dekrete Optatam totius über die Ausbildung der Priester und Presbyterorum Ordinis über Amt und Leben der Priester sicher die bekanntesten für Euch sind. Insbesondere bewahrt das letztere eine ausgesprochen starke geistliche und pastorale Kraft, wie auch die Treffen der vergangenen Monate zur Erinnerung an seine Verkündung gezeigt haben. In diesem Augenblick aber möchte ich Euch aufrufen, das II. Vatikanische Konzil im Hinblick auf seinen tieferen Kern, seine Inspiration, auf das, was Paul VI. bei seinem Besuch 1965 als seinen „Brennpunkt“ bezeichnete, zu betrachten, d. h. seine Reflexionen über die Kirche. Lernt Ihr, die Ihr Euch auf Eure Aufgabe als Diener Christi in der Kirche vorbereitet, das Mysterium der Kirche erforschen! Erkennt im Antlitz der Kirche die Züge Christi, und begeistert Euch daran in leidenschaftlicher Liebe zu Christus und der Kirche. Das ist auch die Botschaft, die aus dem Zeugnis der hl. Katharina von Siena hervorgeht, wie es uns dieses Jahr im Oratorium erneut dargelegt wurde. Meine aufrichtige Anerkennung und mein herzlicher Dank gelten wiederum Marco Frisina, den Darstellern und den Chor- und Orchestermitgliedem, die die spirituelle Erfahrung der Schutzheiligen Italiens in ausdrucksvoller Synthese wiedergegeben haben. Mittelpunkt dieses Erlebnisses, die Leidenschaft, die Katharina heiligte, ist ihre Liebe zu Christus und der Kirche. Die göttliche Vorsehung wollte, 465 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß sie auf mystische Weise die volle Intensität dieser Liebe erfahren sollte, ohne jedoch die Verbindung zur Realität des Lebens und der Geschichte des Gottesvolkes zu verlieren. So kam es, daß Katharina eine Hauptrolle im kirchlichen Leben ihrer Zeit spielte. Und ich habe auch gedacht: „Was sagt sie, was sagt mir Katharina: Soll ich mehr oder weniger reisen ... ?“ Ich erhielt die Antwort: „la, reisen kannst du, aber verlege nie den Heiligen Stuhl weg von Rom ... reisen ja, aber immer sollst du zurückkehren ...!“ Der Geist der Liebe, der auf so einzigartige Weise in Katharina von Siena wirkte, inspirierte in unserer heutigen Zeit das II. Vatikanische Konzil. Der gleiche Geist ist in diesem Euren Seminar wie auch in anderen überall in der Welt zugegen, um sie zu Abendmahlskreisen zu machen, in denen das Pfingstereignis sich erneuert in den täglichen Schritten durch die Anstrengungen und Nöte, wie sie der Weg der priesterlichen Ausbildung mit sich bringt. In diesen Abendmahlskreisen spürt man auf ganz besondere Weise die Gegenwart Marias, der Königin der Apostel und Begleiterin jeder Berufung. Hier, in diesem Römischen Seminar, ist Maria ein Synonym für „Zuversicht“, für die vertrauensvolle und verantwortliche Hingabe an den Willen Gottes. Ihrem mütterlichen Schutz vertraue ich jeden von Euch an; möge sie in Euch eine innige Liebe zu Christus wecken, damit Ihr der Kirche auf dem Weg der Neuevangelisierung dienen könnt. Darum bete ich und segne Euch von Herzen. Aus meinem Priesterleben Improvisierte Ansprache beim Abendessen mit den Seminaristen im Römischen Diözesanseminar am 17. Februar Ich danke Euch für dieses letzte Wort: auf die Torte hat jemand die Zahl „fünfzig“ geschrieben zur Erinnerung an mein fünfzigjähriges Priesterjubiläum am kommenden 1. November. Meine ersten drei Messen habe ich in der unterirdischen Kapelle der Kathedrale in Krakau gefeiert. Zwölf von diesen fünfzig Jahren war ich Priester und Diözesan-geistlicher, drei Jahre lang Vizepfarrer, dann Dozent für Philosophie in Krakau und Lublin und schließlich auch Universitätskaplan in Krakau. Mit dieser Zeit sind viele Erinnerungen verbunden. Nach zwölf Jahren fragte mich der Erzbischof: Was willst Du tun? Willst Du weiter Kaplan sein oder lieber studieren? Willst Du Deine Habilitationsarbeit machen? Darauf habe ich geantwortet, daß die Diözese mir das Studium in Rom ermöglicht hatte und ich daher weitermachen müßte. Ich habe also diese Habilitation, wie sie damals genannt wurde, über Max Scheler geschrieben und dann mein Lehramt in Krakau und Lublin begonnen. 466 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zwölf Jahre später wurde ich Weihbischof von Krakau, dann Kapitularvikar und schließlich Erzbischof und Metropolit: zwanzig Jahre lang habe ich der Erzdiözese Krakau gedient. Seit siebzehn Jahren bin ich nun in Rom; das ist sogar schon das achtzehnte Jahr meines Pontifikats. Jedes Jahr, am letzten Samstag vor der Fastenzeit, kehre ich in dieses Römische Seminar zurück, um das Oratorium Msgr. Marco Frisinas zu hören, um die Seminaristen zu begrüßen und schließlich auch, um an einem feierlichen Abendessen teilzunehmen. Dafür danke ich Euren guten Schwestern. Sie verdienen wirklich ein großes Lob. Wenn ich an meine Seminarzeit zurückdenke, muß ich sagen, daß sie ziemlich außergewöhnlich war: mindestens die Hälfte der Jahre des Theologiestudiums habe ich als Arbeiter in der Fabrik verbracht. Es war sicherlich eine positive Erfahrung. Ich erinnere mich daran, daß die Arbeiter, mit denen ich zusammen war, mich gut behandelt haben. Sie ließen mich auch während der Arbeitszeit studieren. Dann, nachdem die Deutschen Krakau verlassen hatten, konnte ich mein Seminar- und Universitätsstudium beginnen. Also genau genommen habe ich meine Seminarzeit folgendermaßen verbracht: zwei Jahre in der Fabrik, dann mehr oder weniger zwei Jahre im Seminar in Krakau und danach noch mal zwei Jahre hier unten zu Hochschulstudium und Promotion im Belgischen Kolleg in Rom. Ihr seid besser dran, denn aus verschiedenen Diözesen kommend, habt Ihr den Vorteil, sechs Jahre lang in diesem Römischen Seminar zu studieren. Aber wie man sieht, erreicht man auch mit der anderen Methode gewisse Resultate. Ich wünsche Euch, das zu verwirklichen, was der Herr für jeden von Euch geplant hat; möget Ihr Euren Weg finden und bis zur Priesterweihe gelangen, denn das ist das Wichtigste von allem. Auch wenn jemand Bischof, Kardinal oder Papst ist, bleibt die tägliche Feier der hl. Eucharistie stets das Allerwichtigste. Auch das Beichtehören ist wichtig, sehr wichtig. Am Beispiel des hl. Pfarrers von Ars, Giovanni Maria Vianney, erkennt man, wie wichtig der Beichtstuhl ist. Ich muß sagen, daß ich hier nur geringe Möglichkeiten habe, aber etwas bleibt doch immer. Ich wünsche allen, das Priestertum zu lieben, Euch gut darauf vorzubereiten und von Eurer Berufung überzeugt zu sein; diese Wünsche gelten vor allem für die Gruppe der fünfzehn Seminaristen, die im April ihre Weihe empfangen werden. Überall werden in der Kirche dringend Priester gebraucht. Während der Ad-limina-Besuche begegne ich vielen Bischöfen, und immer freuen wir uns über neue Berufungen. Angesichts dieser reichen europäischen Seminare, dieses Römische und auch die in Polen und Krakau, wollen wir dem Herrn für die Güte und Großzügigkeit danken, mit der er uns Berufungen Morgen steht wieder ein Pfarrgemeindebesuch auf dem Programm, der 245., was nicht schlecht ist. Ich wünsche Euch ein gutes akademisches Jahr und ein gutes Jahr am Seminar. 467 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebt ihr ihnen zu essen (Mt 14,16) Botschaft zur Fastenzeit [21. Februar bis 4. April] 1996 vom 8. September 1995 Liebe Schwestern und Brüder! 1. Der Herr ruft uns erneut, ihm auf dem Weg der Fastenzeit zu folgen, jenem Weg, der jährlich allen Gläubigen vorgegeben wird, damit sie ihre persönliche und gemeinsame Antwort auf die Berufung durch die Taufe erneuern und Früchte der Bekehrung bringen. Die Fastenzeit ist ein Weg des dynamischen und kreativen Nachdenkens, der zur Buße einlädt, um jedes Vorhaben zum Einsatz für das Evangelium wieder zu erneuern; es ist ein Weg der Liebe, der das Herz der Gläubigen zu den Brüdern und Schwestern öffnet und sie auf Gott hin ausrichtet. Jesus verlangt von seinen Jüngern, die Nächstenliebe zu leben und zu verkünden, das neue Gebot, das das Lehrkompendium des göttlichen Dekalogs darstellt, der Moses am Berg Sinai anvertraut wurde. Im Alltagsleben begegnen wir Hungernden, Dürstenden, Kranken, Ausgegrenzten und Auswanderern. In der Fastenzeit sind wir eingeladen, mit größerer Aufmerksamkeit auf ihr leidendes Gesicht zu schauen; es sind Gesichter, die die Herausforderung der Armut unserer Zeit bezeugen. 2. Das Evangelium hebt den Erlöser hervor, der einzigartiges Mitleid für die in Schwierigkeiten befindlichen Menschen zeigt; er spricht zu ihnen vom Reich Gottes und heilt alle, die der Gesundung des Körpers und des Geistes bedürfen. Dann sagt er zu den Jüngern: „Gebt ihr ihnen zu essen.“ Aber sie stellen fest, daß sie nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische haben. Wie die Apostel damals in Betsaida, so verfügen auch wir heute sicher nur über unzureichende Mittel, um den etwa achthundert Millionen hungernden und unterernährten Menschen, die an der Schwelle zum Jahr 2000 noch um ihr Überleben kämpfen, wirksam entgegenzukommen. Was ist also zu tun? Sollen wir die Dinge auf sich beruhen lassen und uns der Ohnmacht ergeben? Das ist die Frage, auf die ich zu Beginn der Fastenzeit die Aufmerksamkeit eines jeden Gläubigen und der ganzen kirchlichen Gemeinschaft lenken möchte. Die Masse der Hungernden, die aus Kindern, Frauen, alten Menschen, Auswanderern, Flüchtlingen und Arbeitslosen besteht, erhebt zu uns ihren Schmerzensschrei. Sie flehen uns an in der Hoffnung, Gehör zu finden. Wie könnten wir nicht unsere Ohren öffnen und unsere Herzen wachsam werden lassen und beginnen, jene fünf Brote und zwei Fische zur Verfügung zu stellen, die Gott in unsere Hände gelegt hat? Alle können wir etwas für sie tun, wenn jeder seinen eigenen Beitrag leistet. Das erfordert gewiß Verzicht, der eine innere und tiefe Bekehrung voraussetzt. Selbstverständlich gilt es, die Haltung des Konsumismus zu überdenken, den Hedonismus zu bekämpfen, sich der Gleichgültigkeit und des Abschiebens von Verantwortung zu widersetzen. 468 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Der Hunger ist ein riesiges Drama, das die Menschheit betrübt; es wird noch dringlicher, sich dessen bewußt zu werden und den verschiedenen Organisationen und Bewegungen eine überzeugende und hochherzige Unterstützung zukommen zu lassen, die entstanden sind, um die Leiden derer zu lindem, die sich wegen Mangel an Nahrang in Todesgefahr befinden, wobei der Vorzug jenen zu gelten hat, die von Regierungs- oder internationalen Hilfsprogrammen nicht erreicht werden. Es gilt, den Kampf gegen den Hunger sowohl in den weniger fortgeschrittenen Ländern zu unterstützen als auch in den hochindustrialisierten Nationen, wo sich der Unterschied zwischen den Reichen und Armen leider vergrößert. Die Erde ist mit den nötigen Ressourcen ausgestattet, um die ganze Menschheit zu versorgen. Wir müssen sie nur mit Verstand zu nützen verstehen, indem wir die Umwelt und die Abläufe der Natur achten, Gleichheit und Gerechtigkeit im Handelsaustausch sowie eine Verteilung der Reichtümer gewährleisten, die der Verpflichtung zur Solidarität Rechnung trägt. Jemand könnte erwidern, daß dies eine große und nicht zu verwirklichende Utopie sei. Die Soziallehre und das soziale Handeln der Kirche beweisen jedoch das Gegenteil: Dort, wo die Menschen sich zum Evangelium bekehren, wird dieses Projekt des Miteinanderteilens und der Solidarität außerordentliche Wirklichkeit. 4. In der Tat, während wir auf der einen Seite sehen, wie Riesenmengen von für den Menschen lebensnotwendigen Erzeugnissen vernichtet werden, stellen wir auf der anderen Seite mit Verbitterung lange Menschenschlangen fest, die vor den Tischen der Armen oder an den Konvois humanitärer Organisationen, die Hilfen jeglicher Art verteilen möchten, warten, bis sie an der Reihe sind. Auch in den modernen Großstädten kann man zu den Schließungszeiten der Großmärkte nicht selten unbekannte Leute beobachten, die sich bücken, um die am Ort zurückgelassenen Warenreste aufzulesen. Wie soll man angesichts solcher Szenen, Symptome tiefgehender Widersprüche, im Herzen nicht das Gefühl einer inneren Rebellion haben? Wie kann man sich da nicht von einem spontanen Ansporn zu christlicher Nächstenliebe berührt wissen? Echte Solidarität jedoch kann man nicht improvisieren; nur durch eine geduldige und verantwortungsbewußte Bildungsarbeit, die von Kindheit an durchgeführt wird, wird sie zur gesinnungsmäßigen Gewohnheit des Menschen und umfaßt die verschiedenen Betätigungs- und Verantwortungsfelder. Es erfordert einen allgemeinen Sensibilisierungsprozeß, der in der Lage ist, die ganze Gesellschaft einzubeziehen. Zu diesem Prozeß möchte die katholische Kirche in herzlicher Zusammenarbeit mit den anderen Konfessionen ihren eigenen qualifizierten Beitrag leisten. Es handelt sich um eine grundlegende Anstrengung bei der Förderung des Menschen und des brüderlichen Miteinanderteilens, die dann allerdings auch die Armen selbst auf Grund ihrer Möglichkeiten einbezogen wissen muß. 5. Liebe Schwestern und Brüder! Indem ich Euch diese Überlegungen zur Fastenzeit anvertraue, damit Ihr sie individuell und gemeinschaftlich unter der Leitung 469 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eurer Hirten weiter entwickelt, ermuntere ich Euch, bedeutsame und konkrete Handlungen zu vollbringen, die geeignet sind, jene wenigen Brote und Fische, über die wir verfügen, zu vermehren. So wird man wirksam dazu beitragen, den verschiedenen Arten von Hunger entgegenzutreten und auf eine authentische Art und Weise die günstige Periode der Fastenzeit, der Zeit der Umkehr und der Versöhnung, zu leben. Bei diesem ernsthaften Vorhaben sei Euch der Apostolische Segen Stütze und Ermutigung, den ich gerne jedem von Euch erteile, während ich den Herrn um die Gnade bitte, daß wir uns großherzig durch Gebet und Buße auf den Weg zur Feier von Ostern machen. Castel Gandolfo, am 8. September 1995, dem Fest Mariä Geburt, dem siebzehnten meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Glauben bedeutet Annahme der gesamten Wahrheit Christi Predigt bei der Aschermittwochsliturgie in Santa Sabina am 21. Februar 1. „Memento, homo ... quia pulvis es, et in pulverem reverteris“ (vgl. Gen 3,19) -„Bedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ Die Kirche spricht diese Worte in der heutigen Liturgie, während den Gläubigen das Aschenkreuz aufgelegt wird. Es sind Worte, die dem Buch Genesis entnommen sind: Unsere Stammeitem hörten sie, nachdem sie gesündigt hatten. Erbsünde und ererbtes Urteil. Durch den ersten Adam kam der Tod in die Welt, und jeder Nachkomme Adams trägt in sich das Todeszeichen. An diesem Erbe haben alle Generationen der Menschheit teil. In der Krakauer Kathedrale war ich einmal Augenzeuge der Öffnung eines Kö-nigssarkophages. Er war ein bedeutender Monarch, der regierte, als sich das Vaterland auf dem Gipfel seiner Glanzzeit und seiner Macht befand. Unsere Augen sahen deutlich, daß sein Körper zu Staub geworden war. Bei ihm hatte sich das unabwendbare Gesetz des Todes verwirklicht. So wird es mit uns allen geschehen: „Zum Staub wirst du zurückkehren.“ 2. Nach dem Konzil wiederholt die Kirche bei der Aschenauflegung auch gern eine andere liturgische Formel: „Convertimini!“ - „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Am Aschermittwoch, zu Beginn der Fastenzeit, stellen diese Worte für uns ein Lebensprogramm dar. Es sind die Worte, mit denen Christus seine Verkündigung begonnen hat. Bekehrt euch! Metanoeite! Vor allem davon sprechen die Lesungen der heutigen Liturgie. „Kehrt um zu mir“, mahnt der Prophet Joel (2,12). 470 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und der Psalmist spricht: „Miserere mei, Deus secundum misericordiam tuam“ -„Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld ... Wasche ab meine Schuld ... meine bösen Taten erkenne ich ... Gegen dich allein hab‘ ich gesündigt ... Ein reines Herz erschaffe mir, Gott, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 51,3-13). Im Evangelium nach Matthäus erklärt Christus selbst die Bedeutung des Almosengebens, des Gebets und des Fastens, das heißt der Werke, mit deren Hilfe wir der Sünde den Rücken kehren und uns zu Gott hinwenden. „Kehrt um zum Herrn, eurem Gott“ (Joel 2,13), mahnt der Zwischengesang der Fastenzeit. „Kehrt um!“ „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!“ 3. Was heißt „an das Evangelium glauben“? Es bedeutet, die ganze Wahrheit über Christus anzunehmen. Der Apostel Paulus schreibt: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,21). Christus, unsere Rechtfertigung. In ihm und durch ihn wird dieser dramatische Knoten gelöst, der Tod und Sünde untrennbar verbindet. „Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen“ (Jes 53,6), und er, Christus, nahm diese furchtbare Last auf sich, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden. Deshalb gilt jetzt nicht mehr der Doppelbegriff Sünde und Tod, sondern der andere Doppelbegriff Tod, sein Kreuzestod, und Rechtfertigung. Und so wird Wirklichkeit, was der Psalm ankündigt: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz. Erschaffe! Die Erlösung ist die neue Schöpfung in der Gerechtigkeit und in der Heiligkeit der Wahrheit. 4. Warum legt die Kirche uns heute das Aschenkreuz auf? Warum erinnert sie uns an den Tod, den Tod, der die Auswirkung der Sünde ist? Warum? Um uns auf das Pascha Christi vorzubereiten, auf das Ostergeheimnis des Erlösers der Welt. Ostern bedeutet das, was wir im Credo bekennen: „am dritten Tage auferstanden!“ Ja, heute muß man das ,3edenke, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ des Aschermittwochs hören, damit uns die endgültige Wahrheit des Evangeliums aufgeht, die Wahrheit von der Auferstehung: „Glaubt an das Evangelium!“ Um an das Evangelium mit der ganzen Wahrheit unserer sterblichen Existenz bis zum Letzten zu glauben, müssen wir an der Schwelle der Fastenzeit diesen Ausblick vor uns haben. Wir sind berufen, an der Auferstehung Christi teilzuhaben. Damit dieser Aufruf in uns starken Widerhall findet, müssen wir uns zu Beginn der Fastenzeit darüber im klaren sein, was der Tod ist: „Bedenke, daß du Staub bist ... Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!“ 471 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN UNIVERSIDOMINICIGREGIS Apostolische Konstitution über die Vakanz des Apostolischen Stuhles und die Wahl des Papstes von Rom vom 22. Februar JOHANNES PAUL, BISCHOF DIENER DER DIENER GOTTES ZUR BLEIBENDEN ERINNERUNG Hirte der gesamten Herde des Herrn ist der Bischof der Kirche von Rom, in der der hl. Apostel Petrus durch höchste Verfügung der göttlichen Vorsehung Christus im Martyrium das höchste Blutzeugnis gegeben hat. Daher ist es leicht verständlich, daß die rechtmäßige apostolische Sukzession auf diesem Stuhl, mit dem sich „wegen des außerordentlichen Vorranges jede andere Kirche in Einheit befinden muß“, <7> schon immer ein besonderes Anliegen gewesen ist. ' Hl. Irenaus, Adv. haereses. m, 3, 2: SCh 211, 33. Genau deswegen haben die Päpste im Laufe der Jahrhunderte es als ihre gewissenhafte Pflicht und ihr eigentliches Recht angesehen, mit entsprechenden Normen eine wohlgeordnete Wahl des Nachfolgers festzulegen. Dies taten auch vor nicht allzu langer Zeit meine Vorgänger, der heilige Pius X., <8> Pius XI., <9> Pius XII., <10> Johannes XXIII. <11> und zuletzt Paul VI., <12> ein jeder in der Absicht, den Anforderungen des besonderen geschichtlichen Augenblicks zu entsprechen. Sie haben diesbezüglich für den Erlaß weiser und geeigneter Regeln Sorge getragen, um die würdige Vorbereitung und den geordneten Ablauf der Versammlung der Wähler zu lenken, denen aufgrund der Vakanz des Apostolischen Stuhles das wichtige und schwierige Amt übertragen worden ist, den Papst von Rom zu wählen. <8> Vgl. Apost. Konst. Vacante Sede Apostolica (25. Dezember 1904): Pii X Pontificis Maximi Acta III (1908), 239-288. <9> Vgl. Motu proprio Cum Proxime (1. März 1922): AAS 14(1922)145-146; Apost. Konst. Qitac divinitus (25. März 1935): AAS 27(1935)97-113. <10> Vgl. Apost. Konst. Vacantis Apostolicae Sedis (8. Dezember 1945): AAS 38(1946)65-99. <11> Vgl. Motu proprio Summi Pontificis electio (5. September 1962): AAS 54(1962)632 bis 640. <12> Vgl. Apost. Konst. Regimini Ecclesiae universae (15. August 1967): AAS 59(1967)885-928; Motu proprio Ingravescentem aetatem (21. November 1970): AAS 62(1970)810-813; Apost. Konst. Romano Pontifici eligendo (1. Oktober 1975): AAS 67(1975)609-645. Wenn ich mich heute anschicke, dieses Thema aufzugreifen, dann tue ich das nicht etwa, weil ich die genannten Normen geringschätze - im Gegenteil, ich schätze sie sehr hoch und möchte sie größtenteils auch bestätigen, zumindest in der Substanz und in den Grundprinzipien, die sie inspiriert haben. Was mich zu diesem Schritt bewegt, ist das Bewußtsein der veränderten Situation, in der heute die Kirche lebt, und ferner die Notwendigkeit, sich die allgemeine Revision des kanonischen Rechtes zu vergegenwärtigen, die mit Zustimmung des gesamten Episkopates durch die Veröffentlichung und die Promulgation zuerst des Kodex des kanonischen Rechtes und dann des Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen in trefflicher Weise verwirklicht worden ist. Nach dieser vom II. Vatikanischen Kon- 472 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zil hervorgegangenen Revision ist es mein Bemühen gewesen, danach die Reform der Römischen Kurie mit der Apostolischen Konstitution Pastor bonus <13> in Gang zu setzen. Die von can. 335 des Kodex des kanonischen Rechtes aufgestellte und die von can. 47 des Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen wiederholte Anordnung macht übrigens gerade die Pflicht zum Erlaß und zur dauernden Überarbeitung besonderer Gesetze deutlich, die die kanonische Besetzung des Bischöflichen Stuhles in Rom regeln, wenn dieser aus irgendeinem Grund vakant werden sollte. <13> Vgl. AAS 80(1988)841-912. Wenn auch die Anforderungen unserer Zeit berücksichtigt worden sind, habe ich mich bei der Formulierung der neuen Ordnung dafür ein gesetzt, in der Substanz nicht von der Linie der weisen und bis zum heutigen Tag geltenden verehrungswürdigen Tradition abzuweichen. In der Tat scheint das Prinzip unangefochten zu sein, wonach es den Päpsten zusteht, unter Anpassung an die Änderung der Zeiten die Art und Weise zu bestimmen, wie die Ernennung der Person vonstatten gehen soll, die bestellt wird, die Nachfolge des heiligen Petrus auf dem Bischöflichen Stuhl in Rom anzutreten. Dies betrifft an erster Stelle das Organ, dem die Aufgabe übertragen ist, für die Wahl des Römischen Papstes zu sorgen: Dieses Organ besteht gemäß einer tausendjährigen Praxis, bestätigt durch genaue kanonische Normen, die auch durch eine ausdrückliche Verfügung des geltenden Kodex des kanonischen Rechts bekräftigt sind (vgl. can. 349 C./.C.), aus dem Kardinalskollegium der Heiligen Römischen Kirche. Wenn es tatsächlich Glaubenslehre ist, daß die Vollmacht des Papstes direkt von Christus abgeleitet wird, dessen Stellvertreter er auf Erden ist, <14> so steht auch außer Zweifel, daß diese höchste Gewalt in der Kirche ihm „durch die Annahme der rechtmäßig erfolgten Wahl zusammen mit der Bischofsweihe“ <15> zuteil wird. Die Aufgabe, die diesem zur Wahl bestimmten Organ obliegt, ist also sehr gewichtig. Dementsprechend genau und klar werden auch die Normen sein müssen, die den Hergang regeln, damit die Wahl selbst in einem möglichst würdigen und dem äußerst verantwortungsvollen Amt entsprechenden Rahmen ablaufen kann, das der Gewählte kraft göttlicher Einsetzung mit seiner eigenen Zustimmung auf sich wird nehmen müssen. <14> Vgl. I. Vat. Konzil, Dogm. Konst, über die Kirche Christi Pastor aetemus, III; II. Vat. Konzil, Dogm. Konst, über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 18. <15> Kodex des kanonischen Rechtes, can. 332 Par. 1; vgl. Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 44 Par. 1. Deswegen bestätige ich die Norm des in Kraft befindlichen Kodex des kanonischen Rechtes (vgl. can. 349 C./.C.), in dem sich die nunmehr tausendjährige Praxis der Kirche widerspiegelt, und bekräftige nochmals, daß das Kollegium der Wähler des Papstes einzig aus den Kardinälen der Heiligen Römischen Kirche zusammengesetzt ist. In ihnen kommen die beiden Aspekte, die die Gestalt und das Amt des Römischen Papstes charakterisieren, gleichsam in einer wunderbaren Synthese zum Ausdruck: Römisch, weil er identifiziert wird mit der Person des 473 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bischofs der Kirche, die in Rom ist, und daher in enger Beziehung mit dem Klerus dieser Stadt steht, der repräsentiert wird durch die Kardinale der Presbyteral- und Diakonatstitel von Rom, und mit den Kardinalbischöfen der suburbikarischen Sitze; Pontifex der universalen Kirche, weil er bestellt worden ist, sichtbar den unsichtbaren Hirten zu vertreten, der die gesamte Herde zu den Weiden des ewigen Lebens führt. Die Universalität der Kirche nimmt in dieser Weise trefflich Gestalt an durch die Zusammensetzung des Kardinalskollegiums selbst, das aus Purpurträgern aller Kontinente besteht. Unter den aktuellen historischen Umständen scheint die universale Dimension der Kirche genügend zum Ausdruck gebracht durch das Kollegium der einhundertzwanzig wahlberechtigten Kardinale, das aus Purpurträgem zusammengesetzt ist, die von allen Teilen der Erde und von den verschiedensten Kulturen kommen. Ich bestätige also diese Höchstzahl von wahlberechtigten Kardinälen und mache gleichzeitig deutlich, daß die Beibehaltung der von meinem Vorgänger Paul VI. aufgestellten Norm, gemäß der alle, die am Tag des Beginns der Vakanz des Apostolischen Stuhles schon das achtzigste Lebensjahr vollendet haben, <16> nicht an der Wahl teilnehmen, keineswegs ein Zeichen von Geringschätzung darstellen soll. Der Grand dieser Verfügung ist im Willen zu suchen, solch einem verehrungswürdigen Alter nicht noch die zusätzliche Last aufzubürden, die in der Verantwortung besteht, jemanden zu wählen, der die Herde Christi in einer den Erfordernissen der Zeit gemäßen Weise führen muß. Dies stellt jedoch kein Hindernis dar, daß die über achtzigjährigen Kardinäle an den Vorbereitungssitzungen zum Konklave gemäß den weiter unten festgelegten Vorschriften teilnehmen. Von ihnen wird weiterhin in besonderer Weise erwartet, daß sie während der Sedisvakanz und insbesondere während des Ablaufs der Papstwahl die Aufgabe der Wähler mit intensivem Gebet und Fürbitten zum Heiligen Geist unterstützen und sich so gleichsam zu Führern des Volkes Gottes machen, das sich in den Patriarchalbasiliken Roms wie auch in anderen Kirchen der Diözesen der gesamten Welt versammelt, um den wählenden Kardinälen die nötige Erleuchtung zu erflehen, damit sie einzig Gott vor Augen haben und nur auf „das Heil der Seelen“ bedacht, „das in der Kirche immer das oberste Gesetz sein muß“, <17> ihre Wahl treffen. <16> Vgl. Motu proprio Ingmvescentem aetatem (21. November 1970), II, 2: AAS 6211970), 811; Apost Konst. Romano Pontifici eligendo (1. Oktober 1975), 33: AAS 67(1975)622. <17> Kodex des kanonischen Rechtes, can. 1752. Besondere Aufmerksamkeit habe ich der altehrwürdigen Institution des Konklave gewidmet: Die Vorschriften hierzu und das Verfahren sind auch geheiligt und festgelegt durch feierliche Anordnungen vieler meiner Vorgänger. Eine eingehende geschichtliche Erforschung bestätigt nicht nur die Zweckmäßigkeit dieser Institution wegen der Umstände, die zu ihrer Entstehung und allmählichen Normierung und Festlegung geführt haben, sondern auch ihre beständige Nützlichkeit für den geordneten, raschen und geregelten Verlauf der Handlungen der Wahl selber, insbesondere in Augenblicken der Spannung und Unruhe. Genau deswegen 474 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und trotz des Wissens um die Bewertung durch Theologen und Kanonisten aller Zeiten, die einmütig diese Institution für die gültige Wahl des Papstes von ihrer Natur her für nicht notwendig erachten, bestätige ich mit dieser Konstitution ihr Bestehen in ihrer wesentlichen Struktur unter Einfügung einiger Modifizierungen, um die Ordnung den heutigen Anforderungen anzupassen. Insbesondere hielt ich es für zweckmäßig anzuordnen, daß während der gesamten Zeitdauer der Wahl die Unterbringung der wahlberechtigten Kardinale und aller, die berufen sind, zum Zweck des geregelten Wahlverlaufs selbst mitzuarbeiten, in geeigneten Räumen des Vatikanstaates erfolgt. Wenn dieser Staat auch klein ist, so ist er doch ausreichend, um innerhalb der Mauern, dank auch der weiter unten angeführten zweckmäßigen Maßnahmen, jene Abgeschiedenheit und folglich jene Sammlung zu garantieren, die solch eine für die gesamte Kirche lebenswichtige Handlung bei den Wählern erfordert. In Anbetracht des heiligen Charakters der Handlung und folglich der Angemessenheit, daß sie an einer geeigneten Stätte verlaufen kann, in der sich einerseits die liturgischen Handlungen mit den rechtlichen Formalitäten verbinden lassen und es andererseits den Wählern leichter gemacht werden soll, sich so vorzubereiten, um die inneren Eingebungen des Heiligen Geistes aubnehmen zu können, verfüge ich gleichzeitig, daß die Wahl weiterhin in der Sixtinischen Kapelle stattfinden soll, wo alles dazu beiträgt, das Bewußtsein der Gegenwart Gottes zu stärken, vor dessen Angesicht ein jeder eines Tages treten muß, um gerichtet zu werden. Des weiteren bestätige ich mit meiner apostolischen Autorität die Pflicht zur strengsten Geheimhaltung bezüglich alles dessen, was direkt oder indirekt die Wahlvorgänge anbelangt: dennoch habe ich auch diesbezüglich die betreffenden Normen vereinfachen und auf das Wesentliche beschränken wollen, um Ratlosigkeit und Zweifel und vielleicht auch nachfolgende Gewissenskonflikte derjenigen zu vermeiden, die an der Wahl teilgenommen haben. Schließlich hielt ich es für meine Pflicht, auch die eigentliche Form der Wahl zu revidieren unter Berücksichtigung der gegenwärtigen kirchlichen Anforderungen und der Wertvorstellungen der modernen Kultur. So erschien es mir zweckmäßig, die Wahl durch Akklamation „quasi ex inspiratione“ nicht beizubehalten, da ich sie nunmehr für ungeeignet halte, die Überlegungen eines Wahlkollegiums zu interpretieren, das' zahlenmäßig so erweitert und von seiner Herkunft her so verschieden ist. Gleichermaßen schien es nötig zu sein, die Wahl „per compromis-sum“ fallenzulassen, nicht nur weil sie schwer zu bewerkstelligen ist, wie sich dies anhand der in der Vergangenheit in dieser Hinsicht schier unentwirrbaren Mengen von erlassenen Normen beweisen läßt, sondern auch weil sie von Natur aus eine gewisse Umgehung der Verantwortung der Wähler beinhaltet, die in diesem Fall nicht aufgefordert wären, ihr eigenes Votum persönlich zum Ausdruck zu bringen. Nach reiflicher Überlegung bin ich zum Ergebnis gekommen, daß die einzige Form, mit der die Wähler ihr eigenes Votum für die Papstwahl ausdrücken können, nur die der geheimen Wahl ist, wie sie gemäß den weiter unten aufgezeigten 475 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Normen durchgeführt wird. Diese Form bietet tatsächlich die größten Garantien für Klarheit, Geradlinigkeit, Einfachheit, Durchschaubarkeit und vor allem für eine effektive und konstruktive Teilnahme aller einzelnen Kardinale, die gerufen sind, die Wahlversammlung des Nachfolgers Petri zu bilden. In diesem Sinne erlasse ich diese Apostolische Konstitution, in der die Normen enthalten sind, an die sich im Falle der Vakanz des Apostolischen Stuhles, aus welchem Grund oder Umstand auch immer, die Kardinäle streng halten müssen, die das verpflichtende Recht besitzen, den Nachfolger Petri zu wählen, der sichtbares Haupt der ganzen Kirche und Diener der Diener Gottes ist. ERSTER TEIL DIE VAKANZ DES APOSTOLISCHEN STUHLES Kapitel I Vollmachten des Kardinalskollegiums während der Vakanz des Apostolischen Stuhles 1. Während der Vakanz des Apostolischen Stuhles hat das Kardinalskollegium keinerlei Vollmacht oder Jurisdiktion bezüglich jener Fragen, die dem Papst zu Lebzeiten oder während der Ausübung der Aufgaben seines Amtes zustehen; diese Fragen müssen alle ausschließlich dem künftigen Papst Vorbehalten bleiben. Deshalb erkläre ich jede Handlung für ungültig und nichtig, die das Kardinalskollegium in Ausübung der dem Papst zu seinen Lebzeiten oder während der Zeit der Ausübung seines Amtes zustehenden Vollmacht oder Jurisdiktion vornehmen zu müssen glaubte, es sei denn, sie befinden sich innerhalb der in dieser Konstitution ausdrücklich genannten Grenzen. 2. Während der Vakanz des Apostolischen Stuhles ist die Leitung der Kirche dem Kardinalskollegium anvertraut, aber nur zur Erledigung der ordentlichen Angelegenheiten oder für jene Fragen, die keinen Aufschub (vgl. Nr. 6) dulden, sowie für die Vorbereitung alles dessen, was zur Wahl des neuen Papstes erforderlich ist. Diese Aufgabe muß innerhalb der von dieser Konstitution vorgesehenen Modalitäten und Grenzen wahrgenommen werden: Deshalb müssen jene Angelegenheiten absolut ausgeschlossen werden, die - sei es per Gesetz oder aufgrund der Praxis -entweder in der Vollmacht des Papstes allein liegen oder die Normen für die Wahl des neuen Papstes gemäß den Anordnungen der vorliegenden Konstitution betreffen. 3. Außerdem bestimme ich, daß das Kardinalskollegium in keiner Weise über die Rechte des Apostolischen Stuhles und der Römischen Kirche verfügen kann; und noch weniger darf es von diesen Rechten direkt oder indirekt etwas preisgeben, selbst wenn es dabei um die Beilegung von Streitigkeiten geht oder um die Ahn- 476 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN düng von Handlungen, die gegen diese Rechte nach dem Tode oder nach gültigem Amtsverzicht des Papstes <18> vorgenommen worden sind. Alle Kardinale sollen für den Schutz dieser Rechte Sorge tragen. <18> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 332 Par. 2; Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 44 Par. 2. All 4. Während der Vakanz des Apostolischen Stuhles dürfen die von den Päpsten erlassenen Gesetze in keiner Weise korrigiert oder abgeändert werden; es dürfen auch keine Hinzufügungen oder Abstriche gemacht werden noch darf von ihnen auch nur teilweise dispensiert werden. Dies gilt vor allem für jene, die die Regelung der Papstwahl betreffen. Für den Fall, daß gegen diese Anordnung etwas unternommen oder auch nur der Versuch hierzu gemacht werden sollte, erkläre ich dies kraft meiner höchsten Autorität für nichtig und ungültig. 5. Falls Zweifel über die in der vorliegenden Konstitution enthaltenen Vorschriften oder über die Art und Weise ihrer Durchführung auftreten sollten, so verfüge ich förmlich, daß dem Kardinalskollegium alle Vollmacht zusteht, diesbezüglich ein Urteil zu fällen. Diesem erteile ich deswegen die Erlaubnis, die zweifelhaften oder strittigen Punkte zu interpretieren, wobei ich bestimme, daß es bei den Beratungen über diese und andere ähnliche Fragen, mit Ausnahme des Aktes der Papstwahl selber, genügt, daß die Mehrheit der versammelten Kardinale zur gleichen Auffassung kommt. 6. Ebenso soll das Kardinalskollegium, wenn ein Problem vorliegen sollte, das nach Auffassung der Mehrheit der versammelten Kardinäle nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann, nach Ansicht der Mehrheit Verfügungen treffen. Kapitel II Die Kongregationen der Kardinähe zur Vorbereitung der Papstwahl 7. Während der Sedisvakanz gibt es zwei Arten von Kongregationen der Kardinäle: eine Generalkongregation, d. h. des gesamten Kollegiums bis zum Beginn der Wahl, und eine Sonderkongregation. An den Generalkongregationen müssen alle Kardinäle teilnehmen, die nicht rechtmäßig verhindert sind, sobald sie über die Vakanz des Apostolischen Stuhles unterrichtet wurden. Den Kardinälen jedoch, die gemäß der Norm in Nr. 33 dieser Konstitution kein Recht besitzen, den Papst zu wählen, ist die Erlaubnis gegeben, wenn sie es vorziehen, nicht an diesen Generalkongregationen teilzunehmen. Die Sonderkongregation besteht aus dem Kardinal-Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche und aus drei Kardinälen, je einem aus jeder Ordnung, die durch Los aus den wahlberechtigten Kardinälen bestimmt werden, die bereits in Rom BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eingetroffen sind. Das Amt dieser drei Kardinale, die Assistenten heißen, erlischt nach dem dritten Tag, und an ihre Stelle treten, stets durch Auslosung bestimmt, andere Kardinäle mit gleich langer Amtsdauer, auch nach Beginn der Wahl. Während der Wahlperiode werden die wichtigeren Angelegenheiten, falls erforderlich, von der Versammlung der wahlberechtigten Kardinäle behandelt; die ordentlichen Angelegenheiten werden hingegen durchgehend von der Sonderkongregation der Kardinäle bearbeitet. Während der Sedisvakanz tragen die Kardinäle in den General- und Sonderkongregationen den üblichen schwarzen filettierten Talar und die rote Schärpe, dazu die Kalotte, das Pektorale und den Ring. 8. In den Sonderkongregationen sollen nur die Fragen von untergeordneter Bedeutung behandelt werden, die sich täglich oder von Zeit zu Zeit stellen. Falls aber schwerwiegendere Fragen auftreten sollten, die eine gründlichere Prüfung erfordern, so müssen diese der Generalkongregation unterbreitet werden. Außerdem kann das, was in einer Sonderkongregation entschieden, gelöst oder verweigert worden ist, nicht in einer anderen Sonderkongregation widerrufen, geändert oder gewährt werden; das Recht hierzu steht allein der Generalkongregation zu, und zwar mit Stimmenmehrheit. 9. Die Generalkongregationen der Kardinäle finden im Apostolischen Palast im Vatikan statt oder, wenn es die Umstände nach dem Urteil der Kardinäle erfordern, an einem anderen geeigneteren Ort. Den Vorsitz führt der Dekan des Kollegiums oder, in dessen Abwesenheit oder bei rechtmäßiger Verhinderung, der Subdekan. Falls einer von beiden oder beide gemäß der Norm in Nr. 33 dieser Konstitution nicht mehr das Recht der Papstwahl haben sollten, führt in der Versammlung der wahlberechtigten Kardinäle der nach der allgemeinen Rangordnung älteste wahlberechtigte Kardinal den Vorsitz. 10. In den Kardinalskongregationen dürfen die Abstimmungen bei wichtigeren Angelegenheiten nicht mündlich, sondern nur in geheimer Form erfolgen. 11. Die Generalkongregationen, die vor Beginn der Wahl stattfinden und deshalb „vorbereitende“ Kongregationen heißen, müssen täglich abgehalten werden, und zwar von dem Tag an, den der Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche mit den drei ersten wahlberechtigten Kardinälen aus jeder Ordnung festgesetzt hat; auch an den Tagen, an denen die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst stattfinden. Dies geschieht in der Absicht, daß der Kardinal-Camerlengo die Auffassung des Kollegiums erkunden und diesem mitteilen kann, was er für notwendig oder angemessen erachtet; daß ferner die einzelnen Kardinäle die Möglichkeit haben, ihre Ansicht bezüglich der auftauchenden Probleme darzulegen, in Zweifelsfällen um Aufklärung zu bitten und Vorschläge zu machen. 12. Bei den ersten Generalkongregationen ist dafür zu sorgen, daß die einzelnen Kardinäle ein Exemplar dieser Konstitution zur Verfügung haben; gleichzeitig sei ihnen die Möglichkeit gegeben, eventuell Fragen über den Sinn und die Ausfüh- 478 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rang der in der Konstitution festgelegten Normen zu stellen. Außerdem ist es ratsam, daß jener Teil dieser Konstitution vorgelesen wird, der die Vakanz des Apostolischen Stuhles betrifft. Zugleich müssen alle anwesenden Kardinäle den Eid ablegen, die in der Konstitution enthaltenen Vorschriften zu beachten und das Amtsgeheimnis zu wahren. Dieser Eid, der auch von den Kardinalen abzulegen ist, die später hinzukommen und diesen Kongregationen erst in einer zweiten Phase beiwohnen, soll vom Kardinaldekan oder gegebenenfalls von einem anderen Vorsitzenden des Kollegiums gemäß der in Nr. 9 dieser Konstitution bestimmten Norm in Gegenwart der übrigen Kardinäle nach folgender Formel vorgelesen werden: Wir Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone der Heiligen Römischen Kirche versprechen, verpflichten uns und schwören, daß wir alle zusammen und jeder einzelne von uns genau und gewissenhaft alle Normen beachten werden, die in der Apostolischen Konstitution Universi Dominici Gregis Papst Johannes Pauls II. enthalten sind, und alles streng geheimhalten werden, was sich in irgendeiner Weise auf die Wahl des Papstes bezieht oder was von Natur aus während der Vakanz des Apostolischen Stuhles die Geheimhaltung erfordert. Hierauf soll jeder einzelne Kardinal sprechen: Und ich, N. Kardinal N., verspreche es, verpflichte mich darauf und schwöre es. Während er die Hand auf das Evangelium legt, füge er hinzu: So wahr mir Gott helfe und die heiligen Evangelien, die ich mit meiner Hand berühre. 13. In einer der unmittelbar folgenden Kongregationen müssen die Kardinäle entsprechend einer vorher aufgestellten Tagesordung die vordringlichsten Entscheidungen für den Beginn der Wahlhandlungen treffen, d. h.: a) sie sollen den Tag, die Stunde und die Art und Weise bestimmen, wie der Leichnam des verstorbenen Papstes in die Vatikanische Basilika zu überführen ist, um dort zur Verehrung der Gläubigen aufgebahrt zu werden; b) sie sollen alle Vorbereitungen treffen, die für die Trauerfeierlichkeiten des verstorbenen Papstes, die während neun aufeinanderfolgender Tage gehalten werden, notwendig sind, und sollen deren Beginn festlegen, so daß, wenn keine besonderen Gründe vorhegen, die Bestattung zwischen dem vierten und dem sechsten Tag nach dem Tode stattfindet; c) sie sollen die Kommission, die aus dem Kardinal-Camerlengo und den Kardi-nälen zusammengesetzt ist, die die Ämter des Staatssekretärs und des Präsidenten der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt innehatten, ersuchen, rechtzeitig sowohl die Räumlichkeiten des Domus Sanctae Marthae für die angemessene Unterbringung der wahlberechtigten Kardinäle als auch geeignete Unterkünfte für all diejenigen vorzubereiten, die in Nr. 46 dieser Konstitution vorgesehen sind. Gleichzeitig soll die Kommission dafür sorgen, daß alles nötige zur Vorbereitung der Sixtinischen Kapelle zur Verfügung gestellt wird, damit die Wahlhandlungen mühelos, geordnet und mit einem Höchstmaß an Geheimhaltung gemäß den in dieser Konstitution vorgesehenen Bestimmungen ablaufen können; 479 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN d) sie sollen zwei in der Lehre, in der Weisheit und in moralischer Autorität beispielhaften Klerikern die Aufgabe anvertrauen, den Kardinalen selber zwei wohlüberlegte Betrachtungen über die Probleme der Kirche in jenem Augenblick und über die erleuchtete Wahl des neuen Papstes zu halten; gleichzeitig sollen sie unter Beibehaltung der Anordnungen in Nr. 52 dieser Konstitution den Tag und die Stunde festlegen, an dem ihnen die erste der zwei Betrachtungen gehalten werden soll; e) sie sollen auf Vorschlag der Verwaltung des Apostolischen Stuhles oder, wegen der Zuständigkeit, des Govematorats des Staates der Vatikanstadt die benötigten Ausgaben für die Zeit zwischen dem Tod des Papstes und der Wahl des Nachfolgers genehmigen; f) sie sollen die eventuell vorhandenen Dokumente, die der verstorbene Papst dem Kardinalskollegium hinterlassen hat, lesen; g) sie sollen dafür sorgen, daß der Fischerring und das Bleisiegel, mit denen die Apostolischen Schreiben versehen werden, vernichtet werden; h) sie sollen die Zuweisung der Zimmer an die wahlberechtigten Kardinäle durch Los anordnen; i) sie sollen den Tag und die Stunde für den Beginn der Wahlhandlungen festlegen. Kapitel IH Über einige Ämter während der Vakanz des Apostolischen Stuhles 14. Entsprechend Artikel 6 der Apostolischen Konstitution Pastor bonus <19> treten mit dem Tod des Papstes alle Leiter der Dikasterien der Römischen Kurie von der Ausübung ihres Amtes zurück, seien es der Kardinalstaatssekretär, die Kardinalpräfekten oder die erzbischöflichen Präsidenten wie auch die Mitglieder derselben Dikasterien. Davon ausgenommen sind der Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche und der Großpönitentiar, die auch weiterhin die ordentlichen Angelegenheiten erledigen, hierbei aber dem Kardinalskollegium das unterbreiten, was dem Papst hätte vorgelegt werden müssen. <19> Vgl. AAS 80(1988)860. Ebenso bleibt gemäß der Apostolischen Konstitution Vicariae potestatis (Nr. 2 Par. I) <20> der Kardinalvikar der Diözese Rom während der Vakanz des Apostolischen Stuhles in seinem Amt, und gleichfalls bleibt der Kardinalerzpriester der Vatikanischen Basilika und Generalvikar für die Vatikanstadt für seinen Jurisdiktionsbereich im Amt. <20> Vgl. AAS 69(1977)9-10. 15. Wenn die Ämter des Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche oder des Großpönitentiars zur Zeit des Todes des Papstes oder vor der Wahl des Nachfolgers vakant sind, muß das Kardinalskollegium sobald wie möglich den Kardinal 480 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder gegebenenfalls die Kardinale wählen, die bis zur Wahl des neuen Papstes diese Ämter wahmehmen. In den genannten einzelnen Fällen erfolgt die Wahl durch geheime Abstimmung aller anwesenden wahlberechtigten Kardinale. Dies geschieht durch Zettel, die die Zeremoniäre verteilen, wieder einsammeln und sodann in Anwesenheit des Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche und der drei Kardinalassistenten öffnen, wenn der Großpönitentiar zu wählen ist; beziehungsweise in Anwesenheit der drei obengenannten Kardinäle und des Sekretärs des Kardinalskollegiums, wenn der Camerlengo zu wählen ist. Es gilt der als gewählt und ipso facto mit allen Vollmachten betraut, die seinem Amte zukommen, der die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen kann. Im Fall von Stimmengleichheit soll jener als beauftragt gelten, der der Rangordnung nach den Vortritt hat, und, falls sie der gleichen Rangordnung angehören, wer zuerst zum Kardinal kreiert worden ist. Bis zur Wahl des Camerlengo werden dessen Aufgaben vom Dekan des Kollegiums wahrgenommen oder, bei seiner Abwesenheit oder rechtmäßigen Verhinderung, vom Subdekan oder dem nach der allgemeinen Rangordnung gemäß Nr. 9 dieser Konstitution ältesten Kardinal, der unverzüglich jene Entscheidungen treffen kann, die die Umstände nahelegen. 16. Falls der Generalvikar der Diözese Rom während der Sedisvakanz sterben sollte, soll der im Amt befindliche stellvertretende Generalvikar auch das dem Kardinalvikar eigene Amt außer der ihm zustehenden ordentlichen Jurisdiktion des Stellvertreters <21> ausüben. Wenn auch der stellvertretende Generalvikar fehlen sollte, wird der dienstälteste Weihbischof dessen Ämter übernehmen. <21> Vgl. Apost. Konst. Vicariae potestatis (6. Januar 1977), 2 Par. 4: AAS 69(1977)10. 17. Der Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche soll, sobald er die Nachricht vom Tode des Papstes erhalten hat, im Beisein des Päpstlichen Zeremonienmeisters, der Prälaten sowie des Sekretärs und Kanzlers der Apostolischen Kammer, der die amtliche Todesurkunde auszustellen hat, den Tod des Papstes offiziell feststellen. Der Kardinal-Camerlengo soll außerdem das Arbeitszimmer und die Privatgemächer des verstorbenen Papstes versiegeln sowie verfügen, daß das Personal, das sich gewöhnlich in der Privatwohnung aufhält, bis nach der Bestattung des Papstes dort bleiben kann, wenn die gesamte Wohnung des Papstes versiegelt wird. Ferner soll er den Tod des Papstes dem Kardinalvikar von Rom mitteilen, der seinerseits die Bevölkerung von Rom durch einen eigenen Erlaß hiervon unterrichten wird. Desgleichen soll er den Kardinalerzpriester der Vatikanischen Basilika unterrichten. Auch soll er vom Apostolischen Palast im Vatikan und, sei es persönlich oder durch einen Delegaten, vom Lateranpalast und von jenem in Castel Gandolfo Besitz ergreifen und für ihre Erhaltung und Leitung Sorge tragen. Er hat nach Anhörung der Kardinäle, die in den drei Rangordnungen den Vorsitz führen, alle Anordnungen hinsichtlich der Beisetzung des Papstes zu treffen, es sei denn, dieser hat zu Lebzeiten selbst diesbezüglich seinen Willen kundgetan. Im 481 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Namen und mit Zustimmung des Kardinalskollegiums soll er schließlich für alles Sorge tragen, was die Umstände zum Schutz der Rechte des Apostolischen Stuhles und zu seiner ordnungsgemäßen Verwaltung nahelegen. Es ist in der Tat Aufgabe des Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche, während der Sedisvakanz sich mit Hilfe der drei Kardinalassistenten um die zeitlichen Güter und Rechte des Hl. Stuhls zu kümmern und diese zu verwalten, unter der Voraussetzung der einmaligen Zustimmung des Kardinalskollegiums für die weniger wichtigen Fragen, und für die schwerwiegenderen Fragen der Zustimmung in jedem einzelnen Falle. 18. Der Kardinal-Großpönitentiar und seine Mitarbeiter können während der Sedisvakanz jene Angelegenheiten erledigen, die mein Vorgänger Pius XI. in der Apostolischen Konstitution Quae divinitus vom 25. März 1935 <22> und ich selber in der Apostolischen Konstitution Pastor bonus <23> bestimmt haben. <22> Vgl. Nr. 12: AAS 27(1935)112-113. <23> Vgl. Art. 117: AAS 80(1988)905. 19. Die Aufgabe des Dekans des Kardinalskollegiums ist es, den Tod des Papstes, sobald er hiervon durch den Camerlengo oder den Präfekten des Päpstlichen Hauses unterrichtet worden ist, allen Kardinälen mitzuteilen sowie diese zu den Kongregationen des Kollegiums zusammenzurufen. Gleichzeitig teilt er den Tod des Papstes dem beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps und den Staatsoberhäuptern der betreffenden Nationen mit. 20. Während der Vakanz des Apostolischen Stuhles behalten der Substitut des Staatssekretariats wie auch der Sekretär für die Beziehungen zu den Staaten und die Sekretäre der Dikasterien der Römischen Kurie die Leitung ihrer Ämter bei und sind hierüber dem Kardinalskollegium verantwortlich. 21. Ebensowenig erlöschen während der Sedisvakanz die Ämter und Vollmachten der Päpstlichen Vertreter. 22. Auch der Almosenier Seiner Heiligkeit setzt seine karitative Tätigkeit nach den zu Lebzeiten des Papstes gebräuchlichen Kriterien fort; er untersteht jedoch bis zur Wahl des neuen Papstes dem Kardinalskollegium. 23. Während der Sedisvakanz liegt die gesamte zivile Gewalt des Papstes bezüglich der Leitung der Vatikanstadt beim Kardinalskollegium, das jedoch nur in dringenden Fällen und für die Zeit der Sedisvakanz Dekrete erlassen kann, die nur dann für die Zukunft gültig bleiben, wenn sie vom neuen Papst bestätigt werden. 482 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel IV Vollmachten der Dikasterien der Römischen Kurie während der Vakanz des Apostolischen Stuhles 24. Während der Sedisvakanz haben die Dikasterien der Römischen Kurie, mit Ausnahme der in Nr. 26 dieser Konstitution genannnten, keinerlei Vollmachten in jenen Angelegenheiten, die sie Sede plena nicht behandeln oder wahmehmen können, es sei denn facto verbo cum SS.mo oder ex Audientia SS.mi oder vigore speci-alium et extraordinariarum facultatum, die der Papst den Präfekten, den Präsidenten oder den Sekretären derselben Dikasterien zu gewähren pflegt. 25. Die einem jeden Dikasterium eigenen ordentlichen Vollmachten erlöschen hingegen mit dem Tod des Papstes nicht; ich bestimme jedoch, daß die Dikasterien von ihren Vollmachten nur zur Gewährung von Gnadenerweisen, die von geringerer Bedeutung sind, Gebrauch machen, während schwerwiegendere oder umstrittene Fragen, die auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden können, ausschließlich dem künftigen Papst Vorbehalten bleiben müssen; wenn sie keinen Aufschub erlauben (wie unter anderem die Dispensfälle in articulo mortis, die der Papst zu gewähren pflegt), können sie vom Kardinalskollegium dem Kardinal anvertraut werden, der bis zum Tod des Papstes Präfekt des Dikasteriums gewesen ist, oder auch dem Erzbischof, der bis dahin Präsident gewesen ist, sowie den übrigen Kardinälen derselben Behörde, der sie der verstorbene Papst wahrscheinlich zur Bearbeitung übergeben hätte. Unter diesen Umständen können sie per modum provisionis bis zur Wahl des Papstes jene Entscheidungen treffen, die sie zur Wahrung und zum Schutz der kirchlichen Rechte und Überheferungen für am besten geeignet und angemessen erachten. 26. Der Oberste Gerichtshof der Apostolischen Signatur und der Gerichtshof der Römischen Rota behandeln auch während der Vakanz des Apostolischen Stuhles weiterhin die Rechtsfälle entsprechend ihren eigenen Gesetzen, jedoch unter Beachtung der Vorschriften, die im Artikel <24>, 1 und 3 der Apostolischen Konstitution Pastor bonus enthalten sind. <24> Vgl. AAS 80(1988)864. Kapitel V Die Beisetzungsfeierlichkeiten für den Papst von Rom 27. Nach Ableben des Papstes von Rom halten die Kardinäle für ihn die Trauerfeierlichkeiten an neun aufeinanderfolgenden Tagen entsprechend dem Ordo exse-quiarum Romani Pontificis, an dessen Normen sie sich ebenso wie an jene des Ordo rituum conclavis genau halten. 483 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 28. Wenn die Beisetzung in der Vatikanischen Basilika stattfindet, wird das entsprechende amtliche Dokument vom Notar des Kapitels dieser Basilika oder vom Archivkanoniker angefertigt. Danach werden ein Beauftragter des Kardinal-Ca-merlengo und ein Beauftragter des Präfekten des Päpstlichen Hauses, jeder für sich, die Dokumente abfassen, die die stattgefundene Beisetzung beglaubigen; er-sterer in Gegenwart der Mitglieder der Apostolischen Kammer, letzterer in Anwesenheit des Präfekten des Päpstlichen Hauses. 29. Wenn der Papst außerhalb Roms sterben sollte, wird es Aufgabe des Kardinalskollegiums sein, alle notwendigen Anordnungen für eine würdige und ehrenvolle Überführung des Leichnams in die Petersbasilika im Vatikan zu treffen. 30. Niemandem ist es erlaubt, mit irgendeinem Hilfsmittel den Papst auf dem Krankenbett oder nach seinem Ableben zu fotografieren noch mit irgendeinem Instrument seine Worte für eine spätere Wiedergabe aufzunehmen. Wenn jemand nach dem Tode des Papstes zu Dokumentationszwecken Fotografien zu machen wünscht, muß er darum beim Kardinal-Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche nachsuchen, der jedoch die Aufnahmen des Papstes nicht zulassen wird, wenn dieser nicht mit den Pontifikalgewändem bekleidet ist. 31. Nach der Bestattung des Papstes und während der Wahl des neuen Papstes soll kein Teil der päpstlichen Privatgemächer bewohnt werden. 32. Wenn der verstorbene Papst durch Hinterlassung von Briefen und Privatdokumenten über seinen Besitz ein Testament gemacht und einen eigenen Testamentsvollstrecker ernannt hat, steht es diesem zu, entsprechend der vom Erblasser erhaltenen Vollmacht, das anzuordnen und auszuführen, was den Privatbesitz und die Schriften des verstorbenen Papstes betrifft. Dieser Testamentsvollstrecker hat über die Durchführung seiner Aufgabe einzig und allein dem neuen Papst Rechenschaft abzulegen. ZWEITER TEIL DIE WAHL DES PAPSTES VON ROM Kapitel I Die Wähler des Papstes von Rom 33. Das Recht, den Römischen Papst zu wählen, steht einzig und allein den Kardinalen der Heiligen Römischen Kirche zu mit Ausnahme derer, die vor dem Todestag des Papstes oder vor dem Tag der Vakanz des Apostolischen Stuhles schon das 80. Lebensjahr überschritten haben. Die Höchstzahl der wahlberechtigten Kardinäle darf nicht mehr als 120 betragen. Unbedingt ausgeschlossen ist das aktive Wahlrecht eines anderen kirchlichen Würdenträgers oder die Einmischung 484 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einer weltlichen Macht, gleich welchen Ranges und welcher Ordnung sie sein mag. 34. Sollte es eintreten, daß der Apostolische Stuhl im Verlauf der Feier eines Ökumenischen Konzils oder einer Bischofssynode, die in Rom oder an einem anderen Ort der Welt abgehalten werden, vakant wird, ist die Wahl des neuen Papstes einzig und allein von den in der vorhergehenden Nummer genannten wahlberechtigten Kardinälen und nicht vom Konzil oder der Bischofssynode selbst vorzunehmen. Daher erkläre ich jene Handlungen für nichtig und ungültig, durch die sie etwa vermessenerweise die Normen bezüglich der Wahl oder des Wahlkollegiums abzuändem versuchen sollten. Vielmehr muß das Konzil oder die Bischofssynode, unter der diesbezüglichen Bestätigung von can. 340 sowie can. 347, Par. 2 des Kodex des kanonischen Rechtes und can. 53 des Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, an welchem Punkt sie sich auch immer befinden, sich sofort als ipso iure aufgelöst betrachten, sobald die Nachricht von der Vakanz des Hl. Stuhles vorhegt. Sie müssen also unverzüglich alle Zusammenkünfte, Versammlungen oder Sitzungen abbrechen und dürfen unter Androhung ihrer Ungültigkeit keine Dekrete oder Kanones mehr abfassen oder vorbereiten und auch nicht jene bestätigten veröffentlichen; das Konzil oder die Synode darf aus keinem noch so schwerwiegenden und anerkennenswerten Grund fortgesetzt werden, solange der neue, kanonisch gewählte Papst keine Wiederaufnahme oder Fortsetzung verfügt hat. 35. Keiner der wahlberechtigten Kardinäle kann von der aktiven oder passiven Wahl aus irgendeinem Grund oder Vorwand ausgeschlossen werden, jedoch unter Beachtung der in Nr. 40 dieser Konstitution enthaltenen Bestimmungen. 36. Wenn ein Kardinal der Heiligen Römischen Kirche im Konsistorium öffentlich kreiert wurde, hat er damit aufgrund der in Nr. 33 dieser Konstitution bestimmten Norm das Recht, den Papst zu wählen, auch wenn ihm noch nicht das Birett aufgesetzt und der Ring ihm noch nicht überreicht wurde und er den Eid noch nicht geleistet hat. Dieses Recht haben jedoch nicht Kardinäle, die rechtmäßig abgesetzt wurden oder mit Zustimmung des Papstes auf die Kardinalswürde verzichtet haben. Außerdem darf das Kardinalskollegium während der Sedisvakanz diese nicht wieder aufnehmen oder rehabilitieren. 37. Ferner bestimme ich, daß die anwesenden wahlberechtigten Kardinäle nach Eintitt der rechtmäßigen Vakanz des Apostolischen Stuhles fünfzehn volle Tage auf die abwesenden warten müssen; allerdings überlasse ich es dem Kardinalskollegium, den Beginn der Wahl, wenn schwerwiegende Gründe vorhanden sind, noch um einige Tage hinauszuschieben. Doch nach Ablauf von höchstens zwanzig Tagen nach Beginn der Sedisvakanz sind alle anwesenden wahlberechtigten Kardinäle gehalten, sich zur Wahl zu begeben. 485 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 38. Alle wahlberechtigten Kardinale, die durch den Dekan oder in seinem Namen durch einen anderen Kardinal zur Wahl des neuen Papstes zusammengerufen wurden, sind kraft heiligen Gehorsams gehalten, der Ankündigung der Einberufung nachzukommen und sich an den dazu festgelegten Ort zu begeben, außer sie seien durch Krankheit oder einen anderen schwerwiegenden Grund verhindert, der jedoch als solcher vom Kardinalskollegium anerkannt werden muß. 39. Treffen noch wahlberechtigte Kardinäle re integra ein, d. h. vor Beginn der Wahl des Oberhirten der Kirche, werden sie zum Wahlvorgang in dem Stadium zugelassen, in dem er sich befindet. 40. Falls ein wahlberechtigter Kardinal sich weigern sollte, die Vatikanstadt zu betreten, um am Wahlvorgang teilzunehmen, oder, wenn er nach Beginn der Wahl sich weigern sollte zu bleiben, um seiner Aufgabe nachzukommen, ohne einen eindeutigen, von Ärzten per Eid anerkannten und von der Mehrheit der Wähler bestätigten Krankheitsgrund, schreiten die anderen im Wahlvorgang ungehindert fort, ohne auf ihn zu warten oder ihn von neuem zuzulassen. Muß hingegen ein wahlberechtigter Kardinal die Vatikanstadt wegen plötzlicher Erkrankung verlassen, kann mit der Wahl auch ohne seine Stimme fortgefahren werden; will er aber nach oder auch vor seiner Genesung zum Wahlort zurückkehren, muß er wieder zugelassen werden. Wenn ferner ein wahlberechtigter Kardinal aus einem anderen ernsthaften Grund, der von der Mehrheit der Wähler anerkannt wurde, die Vatikanstadt verläßt, kann er zurückkehren, um an der Wahl teilzunehmen. Kapitel II Der Wahlort und die aufgrund ihres Amtes zugelassenen Personen 41. Das Konklave für die Wahl des Papstes erfolgt innerhalb des Gebietes der Vatikanstadt in bestimmten Bereichen und Gebäuden, die den Unbefugten verschlossen bleiben, um eine angemessene Unterbringung und einen passenden Aufenthalt der wahlberechtigten Kardinäle und all jener, die rechtmäßig zur Mitarbeit an der regulären Abwicklung der Wahl selbst bestellt worden sind, zu gewährleisten. 42. Zum festgelegten Zeitpunkt des Beginns des Vorgangs der Papstwahl müssen alle wahlberechtigten Kardinäle eine geeignete Unterkunft im sogenannten Domus Sanctae Marthae, das erst jüngst in der Vatikanstadt fertiggestellt worden ist, erhalten und bezogen haben. Wenn aus Gesundheitsgründen ein wahlberechtigter Kardinal eine Pflegeperson auch während der Wahlperiode bei sich haben muß und dies vorher von der zuständigen Kardinalskongregation bestätigt worden ist, dann ist dafür Sorge zu tragen, daß auch dieser Person eine geeignete Unterkunft zugesichert wird. 486 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 43. Vom Augenblick der Festsetzung des Beginns der Wahlhandlungen bis zur öffentlichen Bekanntmachung der erfolgten Wahl des Papstes oder jedenfalls bis zum Zeitpunkt, den der neue Papst festgelegt haben wird, werden die Räumlichkeiten des Domus Sanctae Marthae, insbesondere aber die Sixtinische Kapelle und die für die liturgischen Feiern bestimmten Räume, für die nichtautorisierten Personen durch die Autorität des Kardinal-Camerlengo und unter der äußeren Mitwirkung des Substituten des Staatssekretariats geschlossen gemäß dem, was in den folgenden Nummern festgelegt worden ist. Das gesamte Gebiet der Vatikanstadt und auch die ordentliche Aktivität der Behörden, die ihren Sitz darin haben, müssen für diese Zeitperiode so geregelt werden, daß die Geheimhaltung und der freie Ablauf aller Handlungen, die mit der Wahl des Papstes verbunden sind, garantiert werden. Insbesondere muß dafür Sorge getragen werden, daß die wahlberechtigten Kardinäle auf dem Weg vom Domus Sanctae Marthae zum Apostolischen Palast im Vatikan von niemandem erreicht werden können. 44. Die wahlberechtigten Kardinäle sollen vom Beginn der Wahlhandlungen bis zur öffentlichen Bekanntmachung der erfolgten Wahl sich jeglicher brieflichen und telefonischen Korrespondenz oder auch jeglicher Kommunikation durch andere Mittel mit Personen, die mit dem Ablauf der Wahl nichts zu tun haben, enthalten, es sei denn, es handelt sich um eine genehmigte und dringende Notwendigkeit, die von der Sonderkongregation, wie unter Nr. 7 festgestellt, anerkannt worden ist. Dieser Kongregation steht auch die Anerkennung der Notwendigkeit und Dringlichkeit für den Kardinal-Großpönitentiar, den Generalvikar der Diözese Rom und den Erzpriester der Vatikanischen Basilika zu, mit ihren jeweiligen Ämtern in Verbindung zu treten. 45. Allen anderen, die nicht unter der folgenden Nummer genannt werden, aber aus gerechtfertigtem Grund sich in der Vatikanstadt befinden, wie in Nr. 43 dieser Konstitution vorgesehen, ist es absolut verboten, wenn sie zufällig einem der wahlberechtigten Kardinäle begegnen, in welcher Form, mit welchem Mittel oder aus welchem Grund auch immer, mit den Kardinälen ins Gespräch zu kommen. 46. Um den persönlichen und den amtlichen Anforderungen, die mit dem Wahlverlauf Zusammenhängen, entgegenzukommen, müssen die folgenden Personen zur Verfügung stehen und deswegen angemessen in geeigneten Räumen innerhalb der in Nr. 43 dieser Konstitution gesetzten Grenzen untergebracht werden: der Sekretär des Kardinalskollegiums, der als Sekretär der Wahlversammlung fungiert; der Päpstliche Zeremonienmeister mit zwei Zeremoniären und zwei Ordensleuten der Päpstlichen Sakristei; ein Kleriker, der vom Kardinaldekan oder vom Kardinal an seiner Statt ausgewählt worden ist, damit er ihm in seinem Amt assistiere. Weiter sollen einige Ordenspriester verschiedener Sprachen für die Beichte zugegen sein; ferner zwei Ärzte für eventuelle Notfälle. Man wird ferner beizeiten für 487 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine entsprechende Anzahl an Personen Sorge tragen müssen, die für den Tischdienst und für die Sauberhaltung zur Verfügung stehen. Alle hier genannten Personen müssen vom Kardinal-Camerlengo und von den drei Assistenten vorher bestätigt werden. 47. Alle in Nr. 46 dieser Konstitution genannten Personen, die aus welchem Grund und zu welcher Zeit auch immmer durch jemand direkt oder indirekt etwas von den zur Wahl gehörenden Handlungen, insbesondere aber was die Wahlgänge anbelangt, erfahren sollten, sind gegenüber jeder Person, die nicht zum Kollegium der wahlberechtigten Kardinäle gehört, zu strenger Geheimhaltung verpflichtet: deswegen müssen sie vor Beginn der Wahlhandlungen gemäß den Modalitäten und der Form, wie sie in der folgenden Nummer festgelegt sind, den Eid leisten. 48. Die in Nr. 46 der vorliegenden Konstitution genannten Personen müssen vor Beginn der Wahlhandlungen, nachdem sie gebührend über die Bedeutung und die Tragweite des zu leistenden Eides unterrichtet worden sind, vor dem Kardinal-Camerlengo oder vor einem anderen von ihm delegierten Kardinal in Gegenwart zweier Zeremoniäre zu gegebener Zeit diese Eidesformel sprechen und unterschreiben: Ich, N. N., verspreche und schwöre, absolute Geheimhaltung gegenüber allen, die nicht zum Kollegium der wahlberechtigten Kardinäle gehören, und zwar auf ewig, wenn ich nicht eine ausdrückliche Sondererlaubnis des neugewählten Papstes oder seiner Nachfolger erhalte, über alles, was direkt oder indirekt mit der Wahl und den Abstimmungen für die Wahl des Papstes zu tun hat. Ich verspreche und schwöre überdies, daß ich keinerlei Aufnahmegeräte benütze, sei es zur Registrierung von Stimmen oder von Bildern während der Zeit der Wahl innerhalb des Bereiches der Vatikanstadt, und insbesondere von dem, was direkt oder indirekt irgendwie mit den Wahlhandlungen selber zusammenhängt. Ich erkläre, daß ich diesen Eid in dem Bewußtsein leiste, daß eine Übertretung dessen meiner Person gegenüber zu jenen geistlichen und kanonischen Strafen führen wird, die der zukünftige Papst (vgl. can. 1399 C.I.C.) anzuwenden gedenkt. So wahr mir Gott helfe und diese heiligen Evangelien, die ich mit meiner Hand berühre. Kapitel HI Der Beginn der Wahlhandlungen 49. Nachdem die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst vorschriftsmäßig gehalten worden sind und alles vorbereitet worden ist, was zum geordneten Ablauf der Wahl notwendig ist, versammeln sich am festgesetzten Tag - also am 15. Tag nach dem Tode des Papstes, oder, gemäß der Verfügung in Nr. 33 dieser Konstitution, nicht später als am 20. Tag - die wahlberechtigten Kardinäle in der Petersbasilika im Vatikan oder, je nach der Gegebenheit und den Anforderungen 488 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Zeit und des Ortes, an einem anderen Ort, um an einer Eucharistiefeier mit dem Proprium der Votivmesse Pro eligendo Papa <25> teilzunehmen. Das soll möglicherweise zu geeigneter Stunde am Vormittag geschehen, damit am Nachmittag all das stattfinden kann, was in den folgenden Nummern dieser Konstitution vorgeschrieben ist. <25> Missale Romanum Nr. 4, S. 795. 50. Von der Cappella Paolina des Apostolischen Palastes aus, wo sie sich zu geeigneter Stunde am Nachmittag versammeln, begeben sich die wahlberechtigten Kardinäle in Chorkleidung in feierlicher Prozession, unter dem Gesang des Veni Creator den Beistand des Heiligen Geistes erflehend, in die Sixtinische Kapelle des Apostolischen Palastes, den Ort und Sitz der Abwicklung der Wahl. 51. Die wesentlichen Elemente des Konklave bleiben bestehen, doch werden einige zweitrangige Modalitäten geändert, die durch die Änderung der Umstände für den Zweck, dem sie vorher dien ten, unnötig geworden sind. Mit dieser Konstitution bestimme und verfüge ich deshalb, daß alle Handlungen der Papstwahl gemäß den Vorschriften in den folgenden Nummern ausschließlich in der Sixtinischen Kapelle des Apostolischen Palastes stattfinden; diese bleibt also ein absolut abgeschlossener Ort bis zur erfolgten Wahl, so daß die strengste Geheimhaltung über all das, was dort direkt oder indirekt, in welchem Bezug zur Papstwahl auch immer, geschieht und gesagt wird, sichergestellt ist. Es obliegt der Sorge des Kardinalskollegiums, das unter der Autorität und der Verantwortung des Camerlengo tätig ist, der von der Sonderkongregation, wie es in Nr. 7 dieser Konstitution heißt, unterstützt wird, daß im Inneren der genannten Kapelle und in den anliegenden Räumen zuvor alles vorbereitet sein soll; dies soll unter äußerer Mitwirkung des Substituten des Staatssekretariats geschehen, damit der geregelte Ablauf der Wahl und die Geheimhaltung geschützt werden. Es sind besonders, auch mit Hilfe zuverlässiger und technisch kompetenter Personen, genaue und strenge Kontrollen vorzunehmen, damit in jenen Räumen nicht auf heimtückische Weise audiovisuelle Hilfsmittel zur Wiedergabe und Übertragung nach außen installiert werden. 52. Sobald die wahlberechtigten Kardinäle gemäß den Bestimmungen in Nr. 50 in die Sixtinische Kapelle gelangt sind, legen sie noch in Gegenwart deijenigen, die am feierlichen Geleit teilgenommen haben, nach der in der nächsten Nummer festgelegten Formel den Eid ab. Der Kardinaldekan oder der ranghöchste und älteste Kardinal liest laut die Eidesformel vor, gemäß der Bestimmung in Nr. 9 dieser Konstitution: Am Ende wird dann jeder einzelne wahlberechtigte Kardinal unter Berührung des heiligen Evangeliums die Eidesformel laut vorlesen, wie in der folgenden Nummer beschrieben ist. 489 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nach der Eidesablegung des letzten wahlberechtigten Kardinals gebietet der Päpstliche Zeremonienmeister das extra omnes, und alle nicht zum Konklave Gehörenden müssen die Sixtinische Kapelle verlassen. In der Kapelle bleiben nur der Päpstliche Zeremonienmeister und der bereits erwählte Kleriker, um den wahlberechtigten Kardinalen die zweite Betrachtung gemäß Nr. 13/d über die schwerwiegende Aufgabe vorzutragen, die ihnen obliegt, und folglich über die Notwendigkeit, mit rechter Gesinnung zum Wohl der universalen Kirche zu handeln, solum Deum prae oculis habentes. 53. Gemäß dem in der vorhergehenden Nummer Verfügten trägt der Kardinaldekan oder der ranghöchste und älteste Kardinal folgende Eidesformel vor: Wir alle und jeder einzelne wahlberechtigte, zu dieser Wahl des Papstes anwesende Kardinal versprechen, verpflichten uns und schwören, uns treu und gewissenhaft an alle Vorschriften zu halten, die in der Apostolischen Konstitution Papst Johannes Pauls II., „ Universi Dominici Gregis“, vom 22. Februar 1996 enthalten sind. Ebenso versprechen wir, verpflichten wir uns und schwören, daß jeder von uns, wenn er durch Gottes Fügung zum Papst gewählt wird, sich bemühen wird, das „munus petrinum“ des Hirten der Universalkirche in Treue auszuüben und unermüdlich die geistlichen und weltlichen Rechte sowie die Freiheit des Hl. Stuhles zu wahren und zu verteidigen. Vor allem aber versprechen und schwören wir, in bedingungsloser Treue und mit allen, seien es Kleriker oder Laien, Geheimhaltung über alles zu wahren, was in irgendeiner Weise die Wahl des Papstes betrifft und was am Wahlort geschieht und direkt oder indirekt die Abstimmungen betrifft, dieses Geheimnis in keiner Weise während oder nach der Wahl des neuen Papstes zu verletzen, außer wenn vom Papst selbst eine ausdrückliche Erlaubnis dazu erteilt worden ist. Gleichermaßen versprechen und schwören wir, niemals eine Einmischung, eine Opposition noch irgendeine andere Form zu unterstützen oder zu begünstigen, wodurch weltliche Autoritäten jeglicher Ordnung und jeglichen Grades oder irgendwelche Gruppen oder Einzelpersonen sich in die Papstwahl einzumischen versuchen sollten. Darauf leisten die einzelnen wahlberechtigten Kardinäle nach ihrer Rangordnung mit der folgenden Formel den Eid: Und ich, N. Kardinal N., verspreche, verpflichte mich und schwöre es, und sie fügen hinzu, indem sie die Hand auf das Evangelium legen: so wahr mir Gott helfe und diese heiligen Evangelien, die ich mit meiner Hand berühre. 54. Nach der Betrachtung verläßt der Kleriker, der diese gehalten hat, zusammen mit dem Päpstlichen Zeremonienmeister die Sixtinische Kapelle. Nach Beendigung der Gebete, die im entsprechenden Ordo enthalten sind, hören die wahlberechtigten Kardinäle den Kardinaldekan (oder seinen Stellvertreter) an, der dem Kollegium der Wähler insbesondere die Frage stellt, ob nun mehr mit dem Wahlverfahren begonnen werden kann oder ob noch Unklarheiten bezüglich der Normen und der Modalitäten, die in dieser Konstitution festgelegt worden sind, zu 490 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN klären sind, ohne daß jedoch erlaubt sei, auch wenn unter den Wählern darüber Einigkeit herrschte - und dies unter Strafe der Nichtigkeit der Beschlußfassung selbst -, diese zu verändern oder zu ersetzen, insbesondere jene, die wesentlich mit den Wahlhandlungen Zusammenhängen. Wenn dann nach dem Urteil der Mehrheit der Wähler dem Beginn des Wahlverfahrens nichts mehr im Wege steht, geht man gemäß den in dieser Konstitution festgelegten Modalitäten unverzüglich zur Wahl über. Kapitel IV Geheimhaltung aller die Wahl betreffenden Vorgänge 55. Der Kardinal-Camerlengo und die pro tempore assistierenden drei Kardinäle sind zu sorgfältiger Wachsamkeit verpflichtet, damit die Vertraulichkeit dessen, was in der Sixtinischen Kapelle geschieht, wo die Wahlhandlungen stattfinden, und in den umliegenden Räumlichkeiten, sei es vorher, während und nach diesen Handlungen, in keiner Weise verletzt wird. Ganz besonders werden sie auch unter Zuhilfenahme der Erfahrung zweier vertrauenswürdiger Techniker darauf achten, daß die Geheimhaltung in den genannten Räumen, insbesondere in der Sixtinischen Kapelle, in der die Wahlhandlungen stattfinden, gesichert ist, indem sie sich vergewissern, daß kein Aufnahme- oder audiovisuelles Sendegerät, von wem auch immer, in die genannten Räume eingeführt wird. Wenn ein Verstoß gegen diese Norm begangen und entdeckt werden würde, sollen sich die Täter bewußt sein, daß sie mit schwerwiegenden Strafen nach Ermessen des künftigen Papstes belegt werden. 56. Solange die Wahlhandlungen andauem, sind die wahlberechtigten Kardinäle angehalten, sich schriftlicher Korrespondenz und Gesprächen, auch per Telefon oder Funk, mit Personen, die nicht rechtens zu den reservierten Gebäuden zugelassen sind, zu enthalten. Nur aus ganz schwerwiegenden und dringenden Gründen, die von der Sonderkongregation der Kardinäle gemäß Nr. 7 geprüft werden müssen, können solche Gespräche geführt werden. Die wahlberechtigten Kardinäle müssen also vor Beginn der Wahlhandlungen dafür sorgen, daß alles, was ihr Amtsgeschäft oder persönliche Angelegenheiten betrifft und nicht auf später verlegt werden kann, so geregelt werden soll, daß solche Gespräche nicht mehr notwendig sind. 57. Gleichermaßen dürfen die wahlberechtigten Kardinäle weder Botschaften jedweder Art empfangen noch außerhalb der Vatikanstadt senden, wobei es natürlich verboten ist, daß dort rechtmäßig zugelassene Personen diese Korrespondenz vermitteln. Den wahlberechtigten Kardinälen ist es in besonderer Weise verboten, 491 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN solange das Wahlverfahren andauert, Zeitungen und Zeitschriften jeglicher Art zu erhalten, wie auch Radio- oder Fernsehsendungen zu verfolgen. 58. Diejenigen, die in irgendeiner Weise gemäß der in Nr. 46 vorgesehenen Bestimmungen dieser Konstitution ihren Dienst durch Aufträge, die mit der Wahl Zusammenhängen, verrichten und die direkt oder indirekt die Geheimhaltung verletzen könnten, sei es durch Wort, Schrift, Zeichen oder dergleichen, müssen dies unbedingt vermeiden, da sie ansonsten die Strafe der Exkommunikation latae sententiae auf sich ziehen würden, die dem Apostolischen Stuhl Vorbehalten ist. 59. Den wahlberechtigten Kardinälen ist es insbesondere verboten, irgendeiner anderen Person direkt oder indirekt Auskunft über die Abstimmungen zu geben, wie auch darüber, was über die Wahl des Papstes in den Zusammenkünften der Kardinäle vor oder während der Zeit der Wahl behandelt oder entschieden worden ist. Diese Pflicht zur Geheimhaltung betrifft auch jene nichtwahlberechtigten Kardinäle, die an den Generalkongregationen gemäß Nr. 7 der vorliegenden Konstitution teilnehmen. 60. Überdies verordne ich den wahlberechtigten Kardinälen, graviter onerata ipsorum conscientia, die Geheimhaltung über diese Angelegenheiten auch nach der erfolgten Wahl des neuen Papstes zu wahren, eingedenk dessen, daß diese auf keine Weise verletzt werden darf, wenn nicht diesbezüglich eine besondere und ausdrückliche Ermächtigung von seiten des Papstes selbst erteilt worden ist. 61. Zum Zweck des Schutzes der wahlberechtigten Kardinäle gegen die Indiskretion anderer und gegen etwaige Bedrohungen, die gegen die Unabhängigkeit ihres Urteils und gegen ihre Entscheidungsfreiheit gerichtet sein könnten, verbiete ich schließlich unter allen Umständen, daß unter welchem Vorwand auch immer, technische Geräte jedweder Art in die Räumlichkeiten, in denen die Wahlhandlungen stattfinden, mit hineingenommen werden, die zur Aufnahme, Wiedergabe oder Übermittlung von Ton, Bild oder Schrift dienen, oder daß von ihnen, falls solche schon vorhanden sind, Gebrauch gemacht wird. Kapitel V Der Ablauf der Wahl 62. Nach Abschaffung der sogenannten Wahlverfahren per acclamationem seu inspirationem und per compromissum wird der Papst von nun an einzig und allein „per scrutinium“ gewählt. Ich lege also fest, daß zur gültigen Papstwahl zwei Drittel der Stimmen aller anwesenden Wähler erforderlich sind. Für den Fall, daß die Anzahl der anwesenden Kardinäle nicht genau durch drei geteilt werden kann, ist für die Gültigkeit der Papstwahl eine Stimme mehr erforderlich. 492 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 63. Nach Durchführung der in Nr. 54 dieser Konstitution genannten Sachverhalte wird unmittelbar zur Wahl geschritten. Falls dies schon am Nachmittag des ersten Tages stattfindet, wird nur ein Wahlgang durchgeführt; an den folgenden Tagen aber, wenn die Wahl nicht schon beim ersten Wahlgang erfolgt ist, werden zwei Wahlgänge jeweils am Vormittag und am Nachmittag gehalten, wobei die Uhrzeit des Beginns der Wahlgänge vorher durch die vorbereitenden Kongregationen oder während der Wahlperiode gemäß der in den Nummern 64 ff. dieser Konstitution bestimmten Modalitäten festgelegt wird. 64. Der Vorgang der Abstimmung vollzieht sich in drei Phasen, deren erste, die man als Vorstufe der Abstimmung bezeichnen kann, folgende Teile umfaßt: 1) die Vorbereitung und Ausgabe der Stimmzettel durch die Zeremoniäre, die jedem wahlberechtigten Kardinal wenigsten zwei oder drei davon aushändigen; 2) die Auslosung von drei Wahlhelfern aus der Gesamtzahl der wahlberechtigten Kardi-näle, von drei Beauftragten, die die Stimmen der Kranken einsammeln, kurz Infir-marii genannt, und von drei Wahlprüfem; die Auslosung wird öffentlich vom lez-ten der Kardinaldiakone vorgenommen, der nacheinander die neun Namen derer zieht, die diese Aufgaben wahmehmen; 3) wenn sich bei der Auslosung der Wahlhelfer, der Infirmarii und der Wahlprüfer die Namen von wahlberechtigten Kardi-nälen ergeben, die wegen Krankheit oder anderweitiger Gründe verhindert sind, diese Dienste zu leisten, sollen an ihrer Stelle die Namen anderer ausgelost werden, die nicht verhindert sind. Die drei zuerst Gezogenen fungieren als Wahlhelfer, die drei nächsten als Infirmarii und die letzten drei als Wahlprüfer. 65. Für diese Phase der Abstimmung sind folgende Vorschriften zu beachten: 1) der Simmzettel muß rechteckig sein und soll in der oberen Hälfte, möglichst im Vordruck, die Worte enthalten: Eligo in Summum Pontificem, während die untere Hälfte frei bleiben muß, um hier den Namen des Gewählten zu schreiben; deswegen ist der Zettel so beschaffen, daß er doppelt gefaltet werden kann; 2) die Ausfüllung der Stimmzettel ist von jedem wahlberechtigten Kardinal geheim zu vollziehen, indem er, möglichst in verstellter, aber deutlicher Schrift, den Namen dessen aufschreibt, den er wählt, wobei jedoch nicht mehrere Namen angegeben werden dürfen, da sonst der Stimmzettel ungültig wäre; der Zettel muß dann zweimal gefaltet werden; 3) während der Wahlvorgänge dürfen nur die wahlberechtigten Kardinäle in der Sixtinischen Kapell sein; deshalb haben der Sekretär des Kardinalkollegiums, der Päpstliche Zeremonienmeister und die Zeremoniäre sofort nach Ausgabe der Stimmzettel und noch bevor die Wähler zu schreiben beginnen, den Raum zu verlassen; nachdem sie hinausgegangen sind, schließt der letzte der Kardinaldiakone die Türe, die er jeweils wieder öffnet und schließt, sooft dies erforderlich ist, z. B. wenn die Infirmarii hinausgehen, um die Stimmzettel der Kranken einzusammeln, und in die Kapelle zurückkehren. 493 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 66. Die zweite Phase, die man als den eigentlichen Wahlgang bezeichnen kann, umfaßt: 1) das Ein werfen der Stimmzettel in die dafür bereitgestellte Urne; 2) das Mischen und Zählen der Stimmzettel; 3) die öffentliche Auszählung der Stimmen. Jeder wahlberechtigte Kardinal bringt den Stimmzettel, nachdem er ihn ausgefüllt und gefaltet hat, nach der Rangordnung und allen sichtbar mit erhobener Hand zum Altar, an dem die Wahlhelfer stehen und auf dem sich eine mit einem Teller bedeckte Urne befindet, um die Zettel aufzunehmen. Dort angekommen, spricht der wahlberechtigte Kardinal mit erhobener Stimme folgende Eidesformel: Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, daß ich den gewählt habe, von dem ich glaube, daß er nach Gottes Willen gewählt werden sollte. Danach legt er den Stimmzettel auf den Teller und gibt ihn damit in die Urne. Hierauf macht er eine Verneigung zum Altar hin und kehrt an seinen Platz zurück. Wenn einer der in der Kapelle anwesenden wahlberechtigten Kardinäle sich aus Krankheitsgründen nicht zum Altar begeben kann, begibt sich der letzte der Wahlhelfer zu ihm; jener Wähler übergibt, nachdem er den obengenannten Eid abgelegt hat, dem Wahlhelfer den gefalteten Zettel, bringt ihn, allen sichtbar, zum Altar, legt ihn, ohne den Eid zu sprechen, auf den Teller und führt ihn damit in die Urne. 67. Sind kranke wahlberechtigte Kardinäle in ihren Zimmern gemäß Nr. 41 ff. dieser Konstitution, gehen die drei Infirmarii mit einem Kästchen zu ihnen, das oben eine Öffnung hat, durch die ein gefalteter Stimmzettel eingeworfen werden kann. Ehe die Wahlhelfer das Kästchen den Infirmarii übergeben, öffnen sie es vor aller Augen, damit die übrigen Wähler feststellen können, daß es leer ist: darauf verschließen sie es und legen den Schlüssel auf den Altar. Dann begeben sich die Infirmarii mit dem verschlossenen Kästchen und einer entsprechenden Zahl von Stimmzetteln, die auf einem kleinen Teller liegen, unter vorschriftsmäßiger Begleitung ins Domus Sanctae Marthae zu jedem einzelnen Kranken. Dieser entnimmt einen Stimmzettel, vollzieht die geheime Wahl, faltet den Zettel und wirft ihn durch die Öffnung in das Kästchen, nachdem er zuvor den obengenannten Eid geleistet hat. Ist ein Kranker außerstande zu schreiben, führt einer der drei „Infirmarii“ oder ein anderer vom Kranken beauftragter wahlberechtigter Kardinal die voraufbeschriebenen Handlungen aus, wobei letzterer jedoch zuvor den Eid über die Geheimhaltung in die Hand der Infirmarii zu leisten hat. Danach bringen die Infirmarii das Kästchen in die Kapelle, dieses wird von den Wahlhelfern geöffnet, nachdem die anwesenden Kardinäle ihre Stimme abgegeben haben; daraufhin zählen sie die darin befindlichen Stimmzettel und legen sie, wenn feststeht, daß ihre Zahl der Zahl der Kranken entspricht, einen nach dem anderen auf den Teller und geben sie mit dessen Hilfe alle zusammen in die Urne. Um den Wahlablauf nicht allzusehr aufzuhalten, können die Infirmarii ihren eigenen Stimmzettel gleich nach dem ersten Kardinal ausfüllen und in die Urne legen, um sich dann in der soeben beschriebenen Weise zum Einsammeln der Stimmen der Kranken zu 494 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN begeben, während in der Zwischenzeit die anderen Wähler ihre Stimmzettel abgeben. 68. Haben alle wahlberechtigten Kardinale ihren Stimmzettel in die Urne gelegt, schüttelt der erste Wahlhelfer diese mehrmals, um die Stimmzettel zu mischen; darauf schreitet der letzte Wahlhelfer sogleich zur Zählung der Stimmzettel, indem er einen nach dem andern, allen sichtbar, aus der Urne nimmt und sie in einen anderen dafür bereitstehenden leeren Behälter legt. Wenn die Zahl der Stimmzettel nicht mit der Zahl der Wähler übereinstimmt, muß man alle Zettel verbrennen und sogleich einen neuen Wahlgang beginnen; stimmen hingegen die Zettel mit der Zahl der Wähler überein, folgt die öffentliche Auszählung der Stimmen, die folgendermaßen vor sich geht. 69. Die Wahlhelfer sitzen an einem Tisch vor dem Altar: Der erste nimmt einen Stimmzettel, entfaltet ihn, stellt den Namen des Gewählten fest, gibt ihn an den zweiten Wahlhelfer weiter, der seinerseits den Namen des Gewählten einsieht und den Stimmzettel an den dritten weiterreicht, der dann den Namen laut und verständlich vorliest, so daß alle anwesenden Wähler die hier getroffene Entscheidung in eine dafür vorgesehene Liste eintragen können. Auch er selbst notiert den vom Stimmzettel verlesenen Namen. Wenn die Wahlhelfer bei der öffentlichen Auszählung zwei Stimmzettel finden sollten, die so ineinander gefaltet sind, daß beide offensichtlich vom gleichen Wähler stammen, gelten sie als eine einzige Stimme, sofern sie denselben Namen enthalten; falls sie aber verschiedene Namen aufweisen, sind beide ungültig; die Wahl selbst jedoch wird in keinem der beiden Fälle annulliert. Nach der öffentlichen Auszählung der Stimmzettel zählen die Wahlhelfer die Stimmen zusammen, die auf die einzelnen Namen entfielen, und vermerken die Ergebnisse auf einem gesonderten Blatt. Der letzte der Wahlhelfer locht, nachdem er die einzelnen Stimmzettel vorgelesen hat, diese mit einer Nadel an der Stelle, wo das Wort „Eligo“ steht, und reiht sie an einer Schnur auf, damit sie sicherer aufbewahrt werden können. Wenn alle Namen verlesen sind, werden die Enden der Schnur zu einem Knoten zusammengeknüpft und die so zusammengebundenen Stimmzettel in eine Urne oder seitlich auf den Tisch gelegt. 70. Darauf folgt die dritte und letzte Phase, die man den Wahlabschluß nennen kann. Er besteht aus 1) der Auswertung der Stimmen; 2) deren Kontrolle; 3) der Verbrennung der Stimmzettel. Die Wahlhelfer stellen die Summe aller Stimmen fest, die auf jeden einzelnen entfielen, und wenn keiner in jenem Wahlgang zwei Drittel der Stimmen erhalten hat, so ist der Papst noch nicht gewählt worden; hat aber einer zwei Drittel der Stimmen erhalten, ist die kanonisch gültige Wahl des Papstes erfolgt. Die Wahlprüfer haben in beiden Fällen unabhängig davon, ob es zur Wahlentscheidung kam oder nicht, die Kontrolle der Stimmzettel vorzunehmen und die Niederschrift der Wahlhelfer über das Abstimmungsergebnis zu prüfen, um Ge- 495 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wißheit zu haben, daß diese ihre Aufgabe sorgfältig und gewissenhaft erfüllt haben. Sofort nach der Prüfung, noch ehe die wahlberechtigten Kardinale die Sixtinische Kapelle verlassen, müssen alle Stimmzettel von den Wahlhelfern verbrannt werden, wobei ihnen der Sekretär des Kollegiums und die Zeremoniäre helfen, die inzwischen von dem letzten der Kardinaldiakone hereingerufen worden sind. Wenn jedoch unmittelbar ein zweiter Wahlgang durchzuführen ist, werden die Stimmzettel der ersten Wahl erst am Schluß zusammen mit denen des zweiten Wahlgangs verbrannt. 71. Allen und jedem einzelnen der wahlberechtigten Kardinäle schreibe ich vor, zur sicheren Wahrung der Geheimhaltung jede Art von Notizen, die sie über das Ergebnis der einzelnen Wahlgänge neben sich liegen haben, dem Kardinal-Ca-merlengo oder einem dar drei assistierenden Kardinäle auszuhändigen. Diese Aufzeichnungen sollen mit den Stimmzetteln verbrannt werden. Ferner ordne ich an, daß der Kardinal-Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche am Ende der Wahl einen Bericht anfertigt, der auch die Zustimmung der drei assistierenden Kardinäle finden muß, worin er das Abstimmungs ergebnis jedes Wahlganges feststellt. Dieser Bericht wird dem Papst übergeben und dann im dafür vorgesehenen Archiv in einem versiegelten Umschlag verschlossen aufbewahrt, der ohne ausdrückliche Erlaubnis des Papstes von niemandem geöffnet werden darf. 72. Indem ich die Anordnungen meiner Vorgänger, des hl. Pius X., <26> Pius XII. <27> und Paul VI. <28>, bestätige, schreibe ich vor, daß - mit Ausnahme des Nachmittags des Einzugs ins Konklave - die wahlberechtigten Kardinäle nach einem ergebnislosen Wahlgang, sei es vormittags oder nachmittags, sofort sich zu einem zweiten zu begeben haben, bei dem sie erneut ihre Stimme abgeben. In diesem zweiten Wahlgang sind alle Modalitäten des ersten zu beachten mit Ausnahme des Eides, den die Wähler nicht von neuem ablegen müssen, wie auch keine neuen Wahlhelfer, Infirmarii und Wahlprüfer zu bestellen sind, so daß zu diesem Zweck ohne irgendeine Wiederholung auch für den zweiten Wahlgang in Geltung bleibt, was beim ersten diesbezüglich festgelegt worden ist. <26> Vgl. Apost. Konst. Vacante Sede Apostolica (25. Dezember 1904), 76: PU X Pontificis Maximi Acta UI (1908), 280-281. <27> Vgl. Apost. Konst. Vacantis Apostolicae Sedis (8. Dezember 1945), 88: AAS 38(1946)93. <28> Vgl. Apost. Konst. Romani Pontifici eligendo (1. Oktober 1975), 74: AAS 67(1975)639. 73. Alles, was oben über den Wahlablauf festgelegt worden ist, muß von den wahlberechtigten Kardinälen bei allen Wahlgängen sorgfältig beachtet werden, die im Anschluß an die liturgischen Funktionen und Gebete nach dem bereits erwähnten Ordo rituum conclavis an jedem Tag morgens und nachmittags durchgeführt werden müssen. 496 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 74. Im Falle, daß die wahlberechtigten Kardinäle Schwierigkeiten haben sollten, sich über die zu wählende Person zu einigen, werden die Abstimmungen, nachdem diese drei Tage hindurch in der in Nr. 62 ff. beschriebenen Weise ergebnislos durchgeführt worden sind, höchstens einen Tag unterbrochen, um eine Pause für das Gebet, für ein zwangloses Gespräch unter den Wählern und für eine kurze geistliche Ansprache durch den ranghöchsten Kardinal aus der Ordnung der Dia-kone zu haben. Darauf werden die Abstimmungen, die in der gleichen Form vorgenommen werden müssen, wieder fortgesetzt. Wenn nach weiteren sieben Wahlgängen keine Wahl erfolgt ist, wird erneut eine Pause eingelegt zum Gebet, zur gegenseitigen Aussprache und zu ermahnenden Worten durch den ranghöchsten Kardinal aus der Ordnung der Priester. Danach sollen wiederum sieben Abstimmungen durchgeführt werden. Falls auch diese ergebnislos verlaufen, folgt eine neue Pause für Gebet, Kollo quium und eine vom ranghöchsten Kardinal aus der Ordnung der Bischöfe gehaltene Ermunterung. Darauf werden die Abstimmungen in der gleichen Form wiederaufgenommen, die, falls sie nicht zur Wahl führen, sieben sein müssen. 75. Wenn die Abstimmungen auch nach der in der vorangehenden Nummer festgelegten Vorgehens weise nicht zum Erfolg führen, wird der Camerlengo die wahlberechtigten Kardinäle einladen, über den einzuschlagenden Weg ihre Meinung zu bekunden. Anschließend wird dementsprechend weiter verfahren, was die absolute Mehrheit beschlossen hat. Dennoch wird man nicht davon abweichen können, daß zu einer gültigen Wahl entweder die absolute Mehrheit der Stimmen vorhanden sein muß oder daß zwischen den beiden Namen, die beim unmittelbar vorhergehenden Wahlgang den größten Stimmenanteil erhalten haben, gewählt wird, wobei dann auch in diesem zweiten Fall nur die absolute Mehrheit erforderlich ist. 76. Wenn eine Wahl in Abweichung von der in dieser Konstitution vorgeschriebenen Form oder unter Nichteinhaltung der von ihr festgesetzten Bedingungen erfolgt sein sollte, ist sie aus diesem selben Grund nichtig und ungültig, ohne daß es einer diesbezüglichen Erklärung bedarf; die Wahl gibt deshalb dem Gewählten keinerlei Rechtsanspruch. 77. Ich bestimme, daß die Anordnungen, die all das betreffen, was der Wahl des Papstes vorausgeht, sowie deren Ablauf selbst, auch dann gänzlich zu beachten sind, wenn die Vakanz des Apostolischen Stuhles durch den Amtsverzicht des Papstes gemäß can. 332, Par. 2 des Kodex des kanonischen Rechtes und can. 44, Par. 2 des Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen erfolgen sollte. 497 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Stuhl, die der Kardinalspurpur mit sich bringt, sollen sie sich an die Spitze des Volkes Gottes stellen, das insbesondere in den Patriarchalbasiliken der Stadt Rom und auch in den Kultstätten der anderen Teilkirchen versammelt ist, damit durch das beharrliche und inständige Gebet, vor allem während des Wahlverlaufs, den wählenden Mitbrüdem vom allmächtigen Gott der notwendige Beistand und die notwendige Erleuchtung des Heiligen Geistes zuteil werde und sie auf diese Weise wirksam und wirklich an der schwierigen Aufgabe teilhaben, die Universalkirche mit ihrem Hirten zu versehen. 86. Sodann bitte ich denjenigen, der gewählt werden wird, sich dem Amt, zu dem er berufen ist, nicht aus Furcht vor dessen Bürde zu entziehen, sondern sich in Demut dem Plan des göttüchen Willens zu fügen. Gott nämlich, der ihm die Bürde auferlegt, stützt ihn auch mit seiner Hand, damit er imstande ist, sie zu tragen; der ihm die schwere Aufgabe überträgt, gibt ihm auch den Beistand, sie zu erfüllen, und verleiht ihm, indem er ihm die Würde zuteil werden läßt, die Kraft, daß er unter der Bürde des Amtes nicht zusammenbricht. Kapitel VII Annahme, Proklamation und Beginn des Amtes des neuen Papstes 87. Ist die Wahl kanonisch vollzogen, so ruft der letzte der Kardinaldiakone den Sekretär des Kardinalskollegiums und den Päpstlichen Zeremonienmeister in den Wahlraum; darauf fragt der Kardinaldekan oder der ranghöchste und älteste Kardinal im Namen des ganzen Wählerkollegiums den Gewählten bezüglich der Annahme der Wahl mit folgenden Worten: Nimmst Du Deine kanonische Wahl zum Papst an? Sobald er die Zustimmung erhalten hat, fragt er ihn: Wie willst Du Dich nennen? Daraufhin fertigt der Päpstliche Zeremonienmeister, der als Notar wirkt und zwei Zeremoniäre, die in diesem Moment herbeigerufen werden, als Zeugen hat, über die Annahme der Wahl durch den neuen Papst und über den von ihm angenommenen Namen ein Schriftstück an. 88. Mit der Annahme ist der Gewählte, der die Bischofsweihe bereits empfangen hat, unmittelbar Bischof der Kirche von Rom, wahrer Papst und Haupt des Bischofskollegiums; derselbe erhält sogleich die volle und höchste Gewalt über die Universalkirche und kann sie unverzüglich ausüben. Wenn der Gewählte hingegen noch nicht Bischof ist, so soll er sogleich zum Bischof geweiht werden. 89. Nachdem in der Zwischenzeit die übrigen Formalitäten abgeschlossen sind, die der Ordo rituum conclavis vorschreibt, treten die wahlberechtigten Kardinäle in der festgesetzten Weise hinzu, um dem neugewählten Papst die Huldigung zu erweisen und das Gehorsamsversprechen zu leisten. Hierauf folgt ein gemeinsames Dankgebet, und dann verkündet der erste der Kardinaldiakone dem wartenden 500 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN niemand soll verpflichtet sein, sich daran zu halten; ich belege ab sofort die Übertreter dieses Verbotes mit der Exkommunikation latae sententiae. Dennoch beabsichtige ich nicht zu verbieten, daß während der Sedisvakanz ein Gedankenaustausch über die Wahl stattfinden kann. 82. Desgleichen untersage ich den Kardinalen, vor der Wahl Wahlkapitulationen einzugehen, d. h. gemeinsame Abmachungen zu treffen mit dem Versprechen, sie für den Fall einzulösen, daß einer von ihnen zum Pontifikat erhoben würde. Auch solche Versprechungen, sollten sie Vorkommen, erkläre ich für nichtig und ungültig, selbst wenn sie unter Eid abgegeben worden wären. 83. Schließlich ermahne ich mit dem gleichen Nachdruck wie meine Vorgänger die wahlberechtigten Kardinäle eindringlich, sich bei der Wahl des Papstes nicht von Sympathie oder Abneigung leiten zu lassen, sich weder durch Begünstigung noch von den persönlichen Beziehungen zu einem beeinflussen zu lassen, noch sich von der Einwirkung angesehener Persönlichkeiten oder Druck ausübender Gruppen oder vom Einfluß der sozialen Kommunikationsmittel, von Gewalt, Furcht oder vom Verlangen nach Popularität bestimmen zu lassen. Vielmehr sollen sie einzig die Ehre Gottes und das Wohl der Kirche vor Augen haben und ihre Stimme nach Anrufung des göttlichen Beistandes demjenigen auch außerhalb des Kardinalskollegiums geben, den sie vor allen anderen für geeignet halten, die Gesamtkirche zum Segen und Nutzen aller zu leiten. 84. Während der Sedisvakanz und ganz besonders während der Zeitdauer, in der die Wahl des Nachfolgers Petri erfolgt, ist die Kirche in ganz besonderer Weise mit den Hirten und vor allem mit den Kardinälen, die den Papst wählen, verbunden und erfleht von Gott den neuen Papst als Geschenk seiner Güte und Vorsehung. Deshalb muß die Gesamtkirche nach dem Beispiel der christlichen Urge-meinde, von der die Apostelgeschichte (vgl. 1,14) spricht, mit Maria, der Mutter Jesu, geistig vereint einmütig im Gebet verharren; so wird die Wahl des neuen Papstes kein vom Volk Gottes isoliertes Geschehen sein, das ausschließlich das Wahlkollegium betrifft, sondern in gewissem Sinn eine Handlung der ganzen Kirche. Ich ordne daher an, daß nach der Nachricht von der Vakanz des Apostolischen Stuhles und in besonderer Weise nach dem Tode des Papstes und nach seinen Beisetzungsfeierlichkeiten in allen Städten und den übrigen Orten, zumindest in den wichtigsten, demütig und inständig zum Herrn gebetet werde (vgl. Mt 21,22; Mk 11,24), damit er die Wähler erleuchte und sie bei ihrer Aufgabe zu solcher Eintracht führe, daß es eine rasche, einmütige und segensreiche Wahl wird, wie sie das Heil der Seelen und das Wohl des gesamten Volkes Gottes erfordern. 85. Dies empfehle ich in aufrichtigster und herzlichster Weise den ehrwürdigen Kardinälen, die aufgrund ihres Alters nicht mehr das Recht besitzen, an der Wahl des Papstes teilzunehmen. Wegen der ganz besonderen Bindung zum Apostoli- 499 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Stuhl, die der Kardinalspurpur mit sich bringt, sollen sie sich an die Spitze des Volkes Gottes stellen, das insbesondere in den Patriarchalbasiliken der Stadt Rom und auch in den Kultstätten der anderen Teilkirchen versammelt ist, damit durch das beharrliche und inständige Gebet, vor allem während des Wahlverlaufs, den wählenden Mitbrüdem vom allmächtigen Gott der notwendige Beistand und die notwendige Erleuchtung des Heiligen Geistes zuteil werde und sie auf diese Weise wirksam und wirklich an der schwierigen Aufgabe teilhaben, die Universalkirche mit ihrem Hirten zu versehen. 86. Sodann bitte ich denjenigen, der gewählt werden wird, sich dem Amt, zu dem er berufen ist, nicht aus Furcht vor dessen Bürde zu entziehen, sondern sich in Demut dem Plan des göttlichen Willens zu fügen. Gott nämlich, der ihm die Bürde auferlegt, stützt ihn auch mit seiner Hand, damit er imstande ist, sie zu tragen; der ihm die schwere Aufgabe überträgt, gibt ihm auch den Beistand, sie zu erfüllen, und verleiht ihm, indem er ihm die Würde zuteil werden läßt, die Kraft, daß er unter der Bürde des Amtes nicht zusammenbricht. Kapitel VII Annahme, Proklamation und Beginn des Amtes des neuen Papstes 87. Ist die Wahl kanonisch vollzogen, so ruft der letzte der Kardinaldiakone den Sekretär des Kardinalskollegiums und den Päpstlichen Zeremonienmeister in den Wahlraum; darauf fragt der Kardinaldekan oder der ranghöchste und älteste Kardinal im Namen des ganzen Wählerkollegiums den Gewählten bezüglich der Annahme der Wahl mit folgenden Worten: Nimmst Du Deine kanonische Wahl zum Papst an? Sobald er die Zustimmung erhalten hat, fragt er ihn: Wie willst Du Dich nennen? Daraufhin fertigt der Päpstliche Zeremonienmeister, der als Notar wirkt und zwei Zeremoniäre, die in diesem Moment herbeigerufen werden, als Zeugen hat, über die Annahme der Wahl durch den neuen Papst und über den von ihm angenommenen Namen ein Schriftstück an. 88. Mit der Annahme ist der Gewählte, der die Bischofsweihe bereits empfangen hat, unmittelbar Bischof der Kirche von Rom, wahrer Papst und Haupt des Bi-schofskollegiums; derselbe erhält sogleich die volle und höchste Gewalt über die Universalkirche und kann sie unverzüglich ausüben. Wenn der Gewählte hingegen noch nicht Bischof ist, so soll er sogleich zum Bischof geweiht werden. 89. Nachdem in der Zwischenzeit die übrigen Formalitäten abgeschlossen sind, die der Ordo rituum conclavis vorschreibt, treten die wahlberechtigten Kardinäle in der festgesetzten Weise hinzu, um dem neugewählten Papst die Huldigung zu erweisen und das Gehorsamsversprechen zu leisten. Hierauf folgt ein gemeinsames Dankgebet, und dann verkündet der erste der Kardinaldiakone dem wartenden 500 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Volk die stattgefundene Wahl und den Namen des neuen Papstes, der sofort danach den Apostolischen Segen Urbi et Orbi von der Loggia der Vatikanischen Basilika erteilt. Wenn der Gewählte noch nicht Bischof ist, erfolgen die Huldigung und die Bekanntgabe erst, nachdem er feierlich zum Bischof geweiht worden ist. 90. Wenn der Gewählte sich außerhalb der Vatikanstadt befindet, müssen die im genannten Ordo rituum conclavis enthaltenen Richtlinien beachtet werden. Die Bischofs weihe des neugewählten Papstes, der entsprechend den Nummern 88 und 89 dieser Konstitution noch nicht Bischof ist, erfolgt gemäß dem Brauch der Kirche durch den Dekan des Kardinalskollegiums oder, bei dessen Abwesenheit, durch den Subdekan; falls auch dieser verhindert ist, durch den ältesten der Kardinalbischöfe. 91. Das Konklave endet gleich, nachdem der neugewählte Papst seine Wahl angenommen hat, es sei denn, Er verfügt etwas anderes. Von diesem Zeitpunkt an können zum neuen Papst der Substitut des Päpstlichen Staatssekretariats, der Sekretär für die Beziehungen zu den Staaten und der Präfekt des Päpstlichen Hauses vortreten sowie jeder, der mit dem gewählten Papst in diesem Moment notwendige Angelegenheiten behandeln muß. 92. Nach der feierlichen Zeremonie des Beginns des Pontifikates und innerhalb einer angemessenen Zeit ergreift der Papst nach dem vorgeschriebenen Ritus Besitz von der Patriarchalen Erzbasilika am Lateran. PROMULGATION Dem Beispiel meiner Vorgänger folgend, bestimme und schreibe ich deshalb nach reiflicher Überlegung diese Normen vor und beschließe, daß niemand es wage, diese Konstitution und alles, was in ihr enthalten ist, aus irgendeinem Grund anzufechten. Sie muß von allen unantastbar befolgt werden, ungeachtet jedweder entgegengesetzten Bestimmung, auch wenn diese eine ganz besondere Erwähnung verdient. Sie erhalte und erziele ihre vollen und unversehrten Wirkungen und sei eine Anleitung für alle, auf die sie sich bezieht. Gleichermaßen setze ich, wie oben festgelegt, alle Konstitutionen und Bestimmungen, die von den Päpsten diesbezüglich erlassen worden sind, außer Kraft, und erkläre gleichzeitig alles für wertlos, was von irgendjemand und mit welcher Autorität auch immer, bewußt oder unbewußt gegen diese Konstitution unternommen werden sollte. Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 22. Februar, dem Fest der Kathedra Petri, des Jahres 1996, des achtzehnten des Pontifikats. Joannes Paulus PP. II 501 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stadtmission - Ausbildung und Bildung der christlichen Gemeinschaft Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus der Diözese Rom zum Beginn der Fastenzeit am 22. Februar Der Papst leitete seine Rede mit den folgenden, spontan formulierten Gedanken ein: Der Herr Kardinal hat vieles aufgeschrieben, ich habe nichts aufgeschrieben. Ich habe nur viele Antworten gehört: Denn wenn am Tag der Immakulata letztes Jahr die Ankündigung und der Vorschlag der Mission gemacht wurden, gibt es hier bereits begeisterte Antworten. Diese Antworten werden von neuem zu Vorschlägen. So ist die heutige Erfahrung zusammenzufassen. Ich habe einen Text vorbereitet und werde ihn lesen, denn viele Male habe ich improvisiert, und dann hat man mir gesagt, daß Improvisieren eine schöne Sache ist ..., aber wir wollen die Dinge ernsthafter behandeln. Diese Ansprache ist nicht improvisiert, sondern bereits vorbereitet, denn wir sind alle mitverantwortlich für dieses große Projekt der Mission für das Jahr Zweitausend. ... und kam dann zum vorbereiteten Text: Meine heben Priester, Pfarrer Roms, Kapläne, liebe Anwesende! 1. Ganz herzlich grüße ich Euch alle und danke Euch für die Teilnahme an diesem schon zur Tradition gewordenen, doch stets neuen Treffen. Das Profil der Stadtmission wurde vom Kardinalvikar in seinen Grußworten zu Beginn, dann ausführlicher von Msgr. Nosiglia in seinem Bericht und schließlich in den Beiträgen der Mitbrüder schon Umrissen, und nicht wenige Gesichtspunkte, Vorgehens weisen und Inhalte wurden dazu vorgeschlagen. Ich möchte heute diese gemeinsamen Überlegungen ausweiten und vor allem zu mehr Grundlegendem kommen. Die Stadtmission bedeutet für Rom die unmittelbare Vorbereitung auf das Große Jubiläum. Gerade deswegen bedeutet sie eine tiefgehende Fortführung der Diöze-sansynode und vor allem des II. Vatikanums. Konzil und Synode machen tatsächlich die Vorbereitung des Jubiläums aus, und die Evangelisierung stellt den eigentlichen Gegenstand von beiden dar. Bei der Stadtmission geht es also darum, das, was wir auf der Grundlage des Konzils auf der Synode erarbeitet und entschieden haben, in die Tat umzusetzen. Ich habe bei mehr als einer Gelegenheit gesagt, daß die Synode eine außergewöhnliche Gelegenheit bietet, Kirche als Gemeinschaft zu erfahren - und das gilt für die gesamte Diözese. Heute möchte ich analog dazu sagen, daß die Stadtmission - und auch das gilt für die gesamte Diözese - darüber hinaus eine wertvolle Schule der Missionsarbeit darstellt, wo man lernt, Missionar zu werden gerade eben durch die Umsetzung 502 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von Mission. Deswegen bestehe ich auf dem Terminus Fortführung“: Die Stadtmission findet im Hinblick auf das Jubiläum statt, aber sie erschöpft sich nicht in diesem. Sie strebt vielmehr an, ein dauerhaftes Kennzeichen der Kirche Roms und ihrer Seelsorge zu werden, ein Kennzeichen, welches diese Kirche hin zum dritten Jahrtausend und in dieses hineinbegleitet. Das Ziel ist folgendes: Unsere Kirche soll fähiger gemacht werden, mit Hilfe der göttlichen Gnade in ihrem Glauben mündige Christen heranzubilden. In freier Rede machte der Papst einen Einschub: 2. Wir denken immer an diese Stadtmission, dürfen aber nicht vergessen, daß die Mission Roms zwei Jahrtausende lang außerhalb von Rom war. Sie hat vielen Völkern Europas und der anderen Kontinente das Licht des Evangeliums gebracht. Diese durch die von Rom ausgehende Evangelisierung gegründeten Kirchen kehren stets in irgendeiner Weise nach Rom zurück, sie blicken auf Rom und suchen als Modell für die eigene Mission „die Mission Roms“. Auch in diesem Augenblick sehe ich, wenn ich mit den Bischöfen spreche, daß die Idee von Tertio millennio adveniente sehr gut aufgenommen wurde und viele sich vorbereiten. Schon haben sie eigene Ideen, eigene Initiativen, aber sie schauen nach Rom, wie Rom selbst es machen wird. ... und kehrte zum geschriebenen Text zurück: Zusammen mit der Mission war die Gemeinschaft das große Thema der Synode; von daher haben wir auf der Doppelbezeichnung „Gemeinschaft und Mission“ bestanden, d. h. auf dem unauflöslichen Zusammenhang zwischen Gemeinschaft und Mission. Auch dieser Aspekt darf nicht völlig verlorengehen. Ich würde bei dieser Gelegenheit von einer „Einheit der Mission“ sprechen oder noch konkreter von einer „Einheit in der Mission“. Was auch immer unser besonderer Dienst ist, was auch immer unser Standort in der Kirche als Bischof oder Priester, als Ordensmann oder Ordensfrau oder als Laie ist, wir müssen die klare Vorstellung haben, daß wir für ein einziges und gleiches Ziel arbeiten: Jesus Christus - Heil der Menschheit. Deswegen müssen wir auch Zusammenarbeiten und uns alle als aufrichtige Mitarbeiter an einem gemeinsamen Unternehmen fühlen. Es handelt sich mit anderen Worten um die Verwirklichung der Gemeinschaft in der Mission, um alle unsere - auch durchaus legitimen - Besonderheiten zu überwinden. Dies gilt für das pastorale Wirken unserer Pfarreien und Gemeinschaften, es hat aber auch Geltung für das christliche Zeugnis, welches wir berufen sind in den verschiedenen Arbeitsbereichen, in Schule und Universität, in den Krankenhäusern, in jeder Lebenssituation abzulegen. Konkret gesagt müssen die Christen lernen, sich wirksam in diesen Bereichen einzubringen und sich untereinander als Christen zu begegnen, um sich gegenseitig in der Mission zu unterstützen und zu ermutigen. Dies ist ein dem christlichen Zeugnis innewohnender Anspruch, der heute um so viel größer und dringender wird, als die Strömungen der Entchristlichung, die un- 503 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sere Gesellschaft und auch unser Rom durchdringen, immer stärker werden. Die Christen geraten dadurch leicht in den Zugzwang der Anpassung und werden in die Anonymität gedrängt, wie die Priester, die vorhin sprachen, unterstrichen haben. Die Stadtmission wird daher eine günstige Gelegenheit sein, diese sichtbare und greifbare Einheit und Gemeinschaft in der Mission voranzubringen. 3. Es ist schon mehrfach der Zusammenhang betont worden, den die Stadtmission mit dem unmittelbaren Vorbereitungsprogramm für das Große Jubiläum haben muß, das ich in Tertio millennio adveniente Umrissen habe. Das gilt insbesondere für die zweite Phase dieser Vorbereitungen, welche die Jahre 1997, 1998 und 1999 umfaßt. Die Mission muß sich tatsächlich in die von mir vorgeschlagene Bewegung einordnen, welche auf Christus hin zentriert ist und die durch Jesus Christus und im Heiligen Geist zu Gott Vater hinführt. Wir selbst sind als erste berufen, uns in diesen Prozeß, diese geistliche Bewegung einzubinden, uns hier einzusetzen mit unserem Sein, unserem priesterlichen Geist, mit unserem Gebet und so mit unserer täglichen pastoralen Aufgabe. Die ganze Kirche Roms wird weitaus missionarischer, wenn sie sich in diesen Prozeß einschaltet. Das tiefere Wesensmerkmal und das Ziel der Missionierung besteht doch darin, sich von Christus ergreifen zu lassen, sich in seine Nachfolge zu begeben, um mit ihm auf den Vater zuzugehen, unterstützt von der Macht des Heiligen Geistes - und auf diesem Weg die größtmögliche Zahl von Brüdern miteinzubeziehen. Die Stadtmission fügt sich somit ganz natürlich in den Ausblick von Tertio millennio adveniente ein und stellt zugleich eine gelungene Art und Weise der praktischen Umsetzung dar. 4. Ziel und Gegenstand der Mission ist es, unsere Stadt zu Glaube und Umkehr zu rufen. Die Mission wendet sich daher auch an alle Menschen, die in Rom leben: in ganz konkreten Worten, an die Personen und Familien unserer Stadtviertel und Vororte und an die Pfarreien, welche hier vor Ort die Seelsorge ausüben. Sie wendet sich aber in ebenso notwendiger, konkreter und verbindlicher Weise auch an die Stadt in ihrer Gesamtheit, an ihr Gefühl, ihren Geist und ihr Kulturempfinden, wie ich es schon anläßlich der Weihnachtsgrüße an die Römische Kurie betont habe. Vor allem wir Priester dürfen uns nicht auf das uns direkt anvertraute Umfeld beschränken, sondern müssen uns vielmehr mitverantwortlich für die Diözesanseel-sorge und die Diözesanmission in ihrer Gesamtheit fühlen. Auch wenn jeder mit seiner spezifischen Aufgabe verwachsen bleibt, ohne sich deshalb in ihr abzukapseln, müssen wir dahingehend arbeiten, daß wir die Mitarbeit suchen und die „Gaben austauschen“, welche helfen können, unserem Engagement einen stadteigenen Charakter zu geben. 5. Und noch ein weiteres: Mit der Missionierung und dem dadurch vermehrten Engagement der Katholiken in der Stadt kann Rom ein lebendigeres Bewußtsein der großen Aufgabe wiedererlangen, welche die göttliche Vorsehung ihm zuge- 504 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wiesen hat, seit die Apostel Petras und Paulus hierhergekommen sind, um das Evangelium zu verkündigen und es mit ihrem Blut zu bezeugen. Am Festtag Ka-thedra Petri soll man sich dessen gebührend erinnern. Auch heute blickt die Welt auf Rom und erwartet viel von dieser Stadt: Dafür erhalte ich auf meinen apostolischen Reisen und bei den Ad-limina-Besuchen der Bischöfe fortlaufend Bestätigungen. Allein die Ankündigung der Stadtmission hat bereits in nicht wenigen anderen Diözesen Aufmerksamkeit und Interesse geweckt, und wahrscheinlich bleibt sie nicht nur eine rein römische Erscheinung. Wenn es uns wirklich gelingt, durch die Mission Einfluß auf die Kultur und das Selbstbewußtsein dieser Stadt zu nehmen, wird sicher auch die missionarische Zeichenhaftigkeit wachsen, die Rom der Welt zu bieten hat. Schon im Verlauf der Synode haben wir übrigens gute Erfahrungen im Dialog auf Stadtebene machen können. Wir haben dies „Auseinandersetzung mit der Stadt“ genannt. Es handelt sich hierbei also in gewisser Weise um die Wiederaufnahme dieses Gesprächs, um es dauerhafter und möglichst auch artikulierter in die verschiedenen Bereiche einzubringen, die diese Stadt ausmachen. 6. In der Arbeit der christlichen Durchdringung der unterschiedlichen Bereiche besetzen die Laien sicherlich eine Hauptrolle, wie viele betont haben. Es sei mir daher gestattet, Euch mitzuteilen, was der Papst hinsichtlich der Stadtmission vom römischen Klerus erwartet. Die Missionierung muß von Euch ausgehen. Ihr, die Ihr die ersten Mitarbeiter am bischöflichen Auftrag seid, seid auch - so sagt es das Dekret Presbyterorum Ordinis (vgl. Nr. 2 und Nr. 4) - diejenigen, denen an erster Stelle die Aufgabe anvertraut ist, allen das Evangelium zu verkünden. Die Stadtmission braucht daher Priester, die authentische Verkünder des Evangeliums und glaubhafte Glaubenszeugen sind. Dafür muß man die Fähigkeit besitzen, mit den Leuten zu reden, mit jungen Menschen wie mit alten, mit den Armen wie mit den Wohlhabenden, mit Menschen höherer Bildung und Kultur wie mit einfachen und weniger gebildeten Menschen. Dabei handelt es sich aber nicht um einen beliebigen Dialog: Wir sind stets Priester; auch wenn wir uns in familiärer Weise unterhalten, müssen wir uns immer als Priester ausdrücken. Durch den Kontakt mit uns haben die Menschen das Recht, Christus zu begegnen, und gerade dies ist im Grunde das, was sie von uns wünschen. Bei den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen braucht es vielfältige Verfügbarkeit und auch Unternehmungsgeist, einen echten Dialog aufzunehmen: In diesem Sinn stellt die Stadtmission auch einen Anreiz für unsere Kreativität dar, Formen des Dialogs und der Begegnung zu finden, die den schnell sich verändernden Situationen gerecht werden. In dieser Veränderung bleibt eine Sache allerdings gewiß und entschieden: unsere Identität als Priester, unser Geist und unsere Liebe als Hirten. Uns als Priester heranziehend, stellt die Stadtmission eine hervorragende Gelegenheit dar, Impulse zur Ausbildung des Klerus zu geben: sei es, um die Ausbil- 505 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN düng unserer Diözesanseminaristen standsicherer und tiefer und damit missio nari-scher werden zu lassen, sei es, um in organischer Weise eine Fort- und Weiterbildung derer zu entwickeln, die schon Priester sind. Besonders hinsichtlich des zweiten Aspekts vertraue ich darauf, daß wir gerade in diesen Jahren der Mission bedeutende Schritte nach vom machen können. 7. Auf der anderen Seite steht der Priester seiner Natur gemäß der Gemeinschaft vor, und er steht im Dienst dieser Gemeinschaft; der Priester ist für das Volk Gottes da. Daher kümmern wir uns in der Stadtmission darum, den missionarischen Eifer unserer Laien zu wecken, ihnen in ihrer Ausbildung zu helfen und sie zu begleiten. Und wir tragen Sorge, daß diese Ausbildung echte missionarische Eigenschaften aufweist: damit die Laien sich nicht nur im inneren Umfeld unserer Pfarreien und Gemeinschaften als Christen fühlen, sondern in allen Lebenslagen, wenn sie sich mitten unter den Menschen befinden, dort, wo das Bekenntnis zu Christus oft gegen den Strom zu schwimmen bedeutet. Wenn wir wollen, daß die Kirche Roms wirklich und dauerhaft missionarischer wird, ist vielleicht gerade dies die wichtigste und entscheidendste Umwandlung: die gesamte Bildungsarbeit in missionarischem Geist auszurichten, von den Sakramenten der Einführung in den christlichen Glauben bis hin zur Arbeit mit den Erwachsenen. Im Programm der Diözesanversammlung, die in der vergangenen Woche tagte, wurde vorgeschlagen, daß im Jahr 1997 der Jugendpastoral und im Jahr 1998 der Familienpastoral besondere Aufmerksamkeit zuteil werden sollte. Dies ist eine sehr günstige Wahl, und sie steht im Einklang mit dem pastoralen Weg, den unsere Diözese gerade durchläuft. Diesbezügüch drängt es mich zu betonen, daß sich unser Augenmerk so weit wie möglich auf alle Jugendlichen und auf alle Familien richten muß, nicht nur auf die, welche uns bereits nahe stehen. Gleichzeitig gilt es, mit denen zu arbeiten, die eher verfügbar sind, damit sie selbst in der Mission aktive Personen werden und nicht nur Objekt derselben: Ich weiß, daß es keine leichte Aufgabe ist, daß viele Widerstände zu überwinden sind, mitunter auch in unserem Umfeld selbst, aber es ist eine notwendige Arbeit, auf die wir nicht verzichten können. Und, damit wir von den Jugendlichen und den Familien gehört werden können, müssen zunächst wir selbst bereit und verfügbar sein, ihnen zuzuhören, und zu ihnen eine persönliche Beziehung herstellen - wie ich bereits sagte: stets als Priester und in priesterlichem Geist. Es ist einsichtig, daß hierher auch Ort und Auftrag des Beichtsakraments und der geistlichen Leitung gehören. 8. In Tertio millennio adveniente (Nr. 43) habe ich geschrieben, daß die Jungfrau Maria sozusagen durch die gesamte Vorbereitungsphase des Großen Jubiläums hindurch gegenwärtig sein muß. Ich wiederhole diese Überlegung für die Stadtmission: Maria, Mutter des fleischgewordenen Wortes und Mutter der Kirche, ist wirklich Vorbild und Wegweiser der Evangelisierung. Ganz konkret öffnet die Verehrung Marias - welche unter der Bevölkerung Roms lebendig ist und es mehr 506 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denn je in unseren Priesterherzen und somit in unserer pastoralen Tätigkeit sein muß - einen Weg besonderer Wirksamkeit, mit Hilfe dessen wir das Geheimnis Christi in einer für jeden zugänglichen Art und Weise, weil sie zu aller Herzen spricht, das mütterliche Antlitz der Barmherzigkeit Gottes, die uns Sünder umfängt, vorstellen können. Ich schließe darum meine Ansprache, indem ich diese römische Mission Maria, der Königin der Apostel, dem Stern der Evangelisierung, anempfehle. Diese Mission werden wir am Abend des 25. Mai festlich eröffnen, wenn wir gemeinsam den Vorabend des Pfingstfestes auf dem Petersplatz begehen. Zum Abschluß der Exerzitien im Vatikan am 2. März Die Exerzitien im Vatikan, die am 25. Februar begonnen hatten und bei denen der Erzbischof von Wien, Christoph Schönbom, die Meditationen hielt, sind am 2. März zu Ende gegangen. Nach der letzten Betrachtung richtete der Papst ein abschließendes Wort an alle, die mit ihm zusammen die geistlichen Übungen gemacht hatten. Liebe Brüder! Wir wollen dem Herrn für die Tage der geistlichen Übungen im Vatikan danken. Wir wollen danken, indem wir das Magnificat beten: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“ Wir wollen Erzbischof Schönbom danken, der uns zu Beginn der Exerzitien die Frage gestellt hat: „Herr, wo wohnst du?“ So haben die ersten Jünger Jesus gefragt. Der Exerzitienleiter hat uns während dieser Woche eine eingehende Antwort gegeben. Was ist die Kirche? „Die Kirche, schon von Anfang der Welt an vorausgestaltet“; „Die Kirche, im Alten Bund wunderbar vorbereitet“; „Die Kirche, in den letzten Zeiten eingesetzt“; „Die Kirche, durch die Ausgießung des Heiligen Geistes kundgemacht“; „Die Kirche, die am Ende der Zeiten ihre glorreiche Erfüllung finden wird“. Das alles ist unsere Wohnstätte. Wir wohnen in der Kirche; wir sind ihre Bürger, wir sind ihre Kinder; wir sind ihre Diener. Für diese umfassende Sicht, die er uns während dieser Exerzitien geboten hat, danken wir dem Erzbischof von Wien herzlich. Er hat in seinen Ausführungen viel Kompetenz gezeigt: als Theologe, als Hirte und als Christ. Durch diese Worte, durch diese Meditationen, durch diese Woche des Gebetes sind wir gewiß bereichert worden. Darum wollen wir unserem Herrn das „Magnificat“ singen. Amen! 507 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kontemplative Dimension des Rosenkranzgebetes Grußworte nach dem Rosenkranzgebet am 2. März Liebe Brüder und Schwestern! Einen herzlichen Gruß richte ich an Euch alle, die Ihr an diesem ersten Samstag im März am Rosenkranzgebet habt teilnehmen wollen, wie auch an alle, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. Vor allem begrüße ich den Obern und die Mitglieder des Generalkapitels der Salesianer. Der hl. Johannes Bosco wollte, daß der Rosenkranz jeden Tag von den Jugendlichen des Oratoriums gebetet werde. Er hatte gut verstanden, was die Kirche immer gelehrt hat, nämlich, daß dieses marianische Gebet eine echte Schule des Gebetes ist, sehr geeignet, die kontemplative Dimension des Lebens zu begünstigen. Liebe Brüder, die Heilige Jungfrau, Helferin der Christen, die wir mit Vertrauen angerufen haben, begleite die Arbeiten Eurer wichtigen Versammlung. Mit Freude begrüße ich die Jugendlichen, die heute abend sehr zahlreich hier sind: Vor allem denke ich an die große Gruppe Studenten der römischen Universitäten und an die Seminaristen des Großen Seminars von Rom, die anläßlich des Eltem-tages mit ihren Angehörigen gekommen sind. Meine Lieben, wir haben mit Maria die Geheimnisse Christi betrachtet: Ich lade Euch ein, diese geistliche Haltung während der ganzen Fastenzeit beizubehalten. Nur im Schweigen des Gebetes können wir ja den Plan, den Gott mit unserem Leben hat, zutiefst erfassen und ihm, wie Maria, von ganzem Herzen und mit allen Kräften unser „Ja“ zur Antwort geben. Sodann begrüße ich die anderen anwesenden Gruppen: die Gläubigen aus den Pfarreien Allerheiligen in Rovetta (Bergamo), Santa Maria in Aquiro und San Gaspare di Bufalo in Rom und von St. Michael in Foggia; das Zentrum „Aiuto alla Vita“ von Cervia; die Vereinigung UNITALSI von Florenz und den Sportverband „Romulea“ von Rom. Allen wünsche ich eine reich mit geistlichen Früchten gesegnete Fastenzeit und erteile als Unterpfand dazu von Herzen meinen Segen. In englischer Sprache fügte der Papst noch hinzu: Herzliche Grüße auch allen bei diesem Rosenkranzgebet anwesenden Pilgern englischer Sprache. Ein besonderes Willkommen den Studierenden der Rider-Universität in New Jersey. Mit dem Gebet der Heiligen Jungfrau möge dieser Weg der Bekehrung durch die Fastenzeit Euch in Glauben, Hoffnung und Liebe erneuern. 508 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kinder brauchen Liebe und Geborgenheit Ansprache an die Initiatoren der Solidaritätskampagne einer Autofirma zugunsten aidskranker Kinder am 4. März Verehrte Damen und Herren! 1. Es freut mich, Sie zu empfangen und jedem von Ihnen meinen herzlichen Gruß zu entbieten. Die heutige Begegnung findet im Kontext der Solidaritätskampagne zugunsten aidskranker Kinder unter dem Motto „Einem Kind zu helfen macht einen Erwachsenen groß“ statt. Initiator der Begegnung ist Mercedes-Benz Italia zusammen mit den Mercedes-Händlern in Italien, die für dieses Projekt einen Teil des im Jahr 1995 erzielten Verkaufserlöses zur Verfügung gestellt haben. Die so zusammengetragenen Geldmittel wurden für die Umstrukturierung der Abteilung für Infektionskrankheiten des Kinderkrankenhauses „Bambino Gesü“ in Rom bestimmt, wo auch HTV-infizierte Kinder betreut werden. Liebe Freunde, ich bringe Ihnen meine lebhafte Anerkennung für die Hingabe und Weitherzigkeit zum Ausdruck, mit der Sie diese Initiative geplant und in die Tat umgesetzt haben, wobei Sie große Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber den Leidenden, vor allem denen, die klein und wehrlos sind, bekundet haben. 2. Der Herr möge es Ihnen vergelten. Er, der gekommen ist, den Menschen zu heilen, ist der göttliche Arzt, den in Wirklichkeit jeder Mensch braucht (vgl. Mk 2,17). Im Lauf seines Erdendaseins hat Jesus in besonderer Weise Mitleid mit den Leidenden gehabt; durch das Kreuzesopfer hat er alles Leid der Menschen auf sich genommen. In den Kranken leuchtet daher in einzigartiger Weise das Antlitz Christi. Und wie der Heiland sich angesichts der Kranken, denen er begegnete, rühren ließ, so ist es recht, daß auch wir uns vom Schmerz unserer Brüder und Schwestern ergreifen lassen, vor allem, wenn es sich um Kinder handelt. Das gilt speziell für die unschuldigen Opfer vieler Not- und Leidenssituationen. Die Kinder sind das Herz der Menschheit, die Hoffnung und die Zukunft der Welt. Gerade ihnen habe ich die Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar d. J. gewidmet. Ich schrieb darin: „Wie könnte man die Anstrengungen verschweigen, die so viele Personen und Organisationen unternehmen, um für Kinder in schwieriger Lage eine harmonische und frohe Entwicklung sicherzustellen?“ (Nr. 7). Auch Ihre Initiative können Sie in diesen Worten genannt sehen. Ist es doch deren Ziel, Kindern und ihren Familien eine möglichst vollständige und wirksame Betreuung zu gewährleisten, vor allem was Vorbeugung und Behandlung von Aids betrifft. Diese Krankheit erregt Aufmerksamkeit und Besorgnis nicht nur wegen ihrer Ausbreitung, sondern auch wegen des Dramas der Einsamkeit und der Ausgrenzung, das die Erkrankten und ihre Angehörigen oft trifft. Die Leiden der von solch schwierigen Situationen betroffenen Kinder zu lindem, bedeutet, ihnen zu helfen, in einem Klima der Geborgenheit und der Solidarität zu wachsen. 509 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Was für ein großes Bedürfnis nach Geborgenheit haben die Kinder! In der oben zitierten Botschaft gingen meine Gedanken „zu den Kindern und ihren berechtigten Erwartungen nach Liebe und Geborgenheit“, wobei ich besonders an die „vom Leiden gezeichneten Kinder“ erinnerte (ebd., Nr. 1). Das Kind ist zerbrechlich, klein, auf die Hilfe der Erwachsenen angewiesen, von ihnen abhängig in seinem menschlichen und sozialen Wachstum. Um erwachsen zu werden, braucht das Kind die Erwachsenen. Aber auch die Erwachsenen brauchen die Kinder, um mit Zuversicht in die Zukunft blicken zu können. Im Evangelium stehen die Kinder als Zeichen für die, welche die Botschaft Jesu gläubig aufnehmen. Das Reich Gottes ist für sie und für die, die wie sie sind: Nur diesen ist es gegeben, zu wachsen und groß zu werden im Himmelreich. „Die Erwachsenen müssen von den Kindern die Wege Gottes lernen: von ihrer Fähigkeit zu Vertrauen und Hingabe können sie lernen, mit dem rechten Vertrauen ,Abba, Vater4, zu rufen!“ (ebd., Nr. 10). 4. Verehrte Damen und Herrn, indem ich erneut meine Anerkennung für die Initiative ausspreche, die Sie mit großherziger Feinfühligkeit übernommen haben, wünsche ich Ihnen, daß Sie sich in Ihrem Leben stets in den Dienst des Guten stellen. Solidarische Gesten, wie die von Ihnen geleistete, tragen wirksam zum Aufbau der wahren Zivilisation der Liebe bei. So werden die Grundlagen für den wahren Fortschritt der Menschen gelegt, und eine bessere Zukunft wird für die neuen Generationen bereitet. In diesem Sinn rufe ich auf Sie und Ihre Familien die Fülle der himmlischen Gaben herab und erteile gerne jedem von Ihnen den Apostolischen Segen. Gemeinsames Bemühen um eine Ethik der Medienarbeit Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel am 7. März Eminenzen, Exzellenzen, liebe Freunde in Christus! 1. Wiederum bietet sich mir die erfreuliche Gelegenheit, die Mitglieder des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel anläßlich ihrer Jahresversammlung zu begrüßen. Wie immer, freue ich mich besonders, Ihren emeritierten Präsidenten Kardinal Deskur zu sehen. Ich danke Ihrem Präsidenten Erzbischof Foley für seine einführenden Worte, und ich spreche Ihnen allen und den Beamten des Rates meine Wertschätzung aus für Ihre Bemühungen, der Kirche in der Welt der sozialen Kommunikation eine immer verantwortlichere und aktivere Präsenz zu sichern. 2. Vor fünfundzwanzig Jahren veröffentlichte die damalige Päpstliche Kommission für soziale Kommunikation als Antwort auf einen Auftrag des Zweiten Vati- 510 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kanischen Konzils die Pastoralinstruktion Communio et progressio. Sie hatte das Ziel, die Christen in ihrer Haltung gegenüber den Medien anzuleiten und sie noch mehr anzuregen, sich auf diesem wichtigen Gebiet zu engagieren (vgl. Nr. 2). Dieses Dokument wurde mit allgemeiner Befriedigung aufgenommen, und es war die Grundlage für fruchtbare Überlegungen und für einen Meinungsaustausch in der ganzen Kirche. Es führte zu einem tieferen Verständis für die Medien als einer providentiellen Gabe Gottes für die Verkündigung des Evangeliums und die Förderung der Menschheit. Zwanzig Jahre später gab der Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel angesichts der rapiden Entwicklungen in der Kommunikationstechnik und der damit verbundenen öffentlichen Praktiken die Pastoralinstruktion Aetatis novae heraus, die ausgereifte und ausführliche Gedanken über Probleme und Möglichkeiten auf dem Gebiet der Kommunikation im Anbruch eines neuen Zeitalters anbietet: am Ende eines christlichen Jahrtausends und dem Beginn des nächsten (vgl. Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates flir die sozialen Kommunikationsmittel, Nr. 20. März 1992). Diese beiden Pastoralinstruktionen legen die Grundsätze und Richtlinien vor, die weiterhin bestimmend sind für den Umgang der Kirche mit den Kommunikationsmedien im Dienst der Frohen Botschaft des Heiles in unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus und im Dienst der Einheit und Fördemng - communio et progressio - der ganzen Menschheitsfamilie. Aber für ein Gebiet menschlicher Tätigkeit, das mit zunehmender Schnelligkeit der Veränderung und Entwicklung unterliegt, bedürfen diese Grundsätze und Richtlinien der beständigen Untersuchung und Anpassung. Genau das tut Ihre Vollversammlung, und darin liegt der besondere Beitrag, den Sie zum universalen Hirtendienst des Nachfolgers Petri leisten, ein Beitrag, für den ich von Herzen dankbar bin. 3. Wie mir bekannt ist, hat Ihre Jahresversammlung diesmal das Thema „Evangelisierung durch die Medien“. Nachdem Sie überprüft haben, was auf diesem Gebiet geschieht, wissen Sie, daß Evangelisierung durch die Medien der sozialen Kommunikation nicht nur dadurch zustandekommt, daß die Botschaft von Jesus Christus anregend dargeboten wird. Sie wird auch gefördert durch Übermittlung von Nachrichten über das, was die Kirche im Namen Jesu in den vielen verschiedenen Tätigkeiten in jedem Winkel der Welt tut: in Schulen, in Krankenhäusern, in Hilfsprogrammen für Flüchtlinge, in der Sorge für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft, die am leichtesten vergessen werden. Die Evangelisierung wird verstärkt durch eine gute katholische Presse und einen guten katholischen Rund funk. Beide erklären und verteidigen die Lehre der Kirche Christi und tragen mit Hilfe fortwährender Weiterbildung von erwachsenen Christen zum vertieften Einsatz der Gläubigen bei. Filme sowie Radio- und Fernsehprogramme, die dem Geist des Menschen Auftrieb geben, kommen unterstützend hinzu und helfen, die Türen für den Erlöser zu öffnen. Welche unter all den vielen Botschaften, die auf den Flügeln dieser außerordentlich machtvollen Mittel verbreitet werden, ist für die Menschheitsfamilie als 511 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ganze und für jeden einzelnen wichtiger als die Wahrheit, die unsere Existenz betrifft: die Wahrheit darüber, woher wir kommen, wohin wir gehen, und wie wir dorthin gelangen - unser Ursprung in der Erschaffung durch Gott, unsere Bestimmung für den Himmel bei Gott und unser Ja zu Jesus Christus, dem wir folgen als dem, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist? 4. In diesem Jahr hat Ihre Versammlung besonders eine Frage sehr aufmerksam behandelt, die ungeheure praktische Auswirkungen auf einzelne Personen und Familien wie auch auf die Gesellschaft als Ganze hat: die Frage der Ethik in der Werbung. Um das Komplexe der moralischen Fragen zu begreifen, die dieser einflußreiche Aspekt in Rundfunk, Publikation und Kommunikation stellt, genügt es, an die gebotene Achtung vor der Wahrheit in allen menschlichen Beziehungen zu erinnern oder an die Bedeutung für die Gesellschaft, nicht in die Fallen künstlich manipulierenden Konsumdenkens zu geraten. 5. Als Hirten sowohl als katholische Laien, die in der Wissenschaft und Kunst der sozialen Kommunikation arbeiten, werden Sie den Wunsch haben, alle Bemühungen zu unterstützen, die wirklich darauf abzielen, in den Medien den Sinn für den öffentlichen Dienst neu zu beleben und das Anstandsgefühl zu heben. Nicht selten hören wir Familien sowie Männer und Frauen guten Willens in aller Welt darüber klagen, daß Filme, Fernsehprogramme und Reklamesendungen oft klar und deutlich Gewalt- und Sexszenen zeigen, die moralische und kulturelle Werte untergraben, sogar in Kinderprogrammen. Auch junge Zuschauer selbst gestehen oft, daß sie über diese Tendenzen zutiefst beunruhigt sind. Immer mehr Stimmen werden laut, die mehr Verantwortlichkeit seitens der Medien beim Aufbau einer anständigeren und gerechteren Gesellschaft wünschen, einer Gesellschaft, die religiöse und moralische Werte respektiert und wachsam die religiöse Freiheit schützt. 6. Das Herannahen des dritten christlichen Jahrtausends entfacht in vielen Menschen die Hoffnung auf eine Welt, in der wirklicher Friede, Gerechtigkeit und Solidarität herrschen. Die katholischen Medien und Katholiken, die in den Medien arbeiten, sind herausgefordert, mit neuer Hingabe und neuem Einsatz den Namen Jesu,seine Wahrheit und seine Liebe zu verkünden als Schlüssel nicht nur zu einer gerechteren Gesellschaft, sondern zu einer glorreichen Ewigkeit. Ich verspreche Ihnen mein Gebet bei der Fortsetzung Ihrer Überlegungen und erteile Ihnen und Ihren Lieben gern meinen Apostolischen Segen. 512 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Echt menschliche Erfüllung ist gefragt Grußwort an die Teilnehmer eines Treffens zum Thema: „Familie und Wirtschaft in der Zukunft der Gesellschaft“ in Rom am 8. März Eminenz, meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine Freude, die Teilnehmer an diesem internationalen Treffen über die Beziehung zwischen Familie und Wirtschaft zu begrüßen, die sich auf die Anregung des Päpstlichen Rates für die Familie zusammengefunden haben. Da die Familie die Grundzelle der Gesellschaft ist, sind ihr Leben, ihre Harmonie und ihre Stabilität voll von Konsequenzen für jeden Aspekt menschlichen Wohlbefindens und Fortschritts: insbesondere auch für die Entwicklung der Wirtschaft auf lokaler und nationaler Ebene und für die Weltwirtschaft. Darüber stellen Sie in diesen Tagen Ihre Überlegungen an. 2. Viele Aspekte der Wirtschaft haben großen Einfluß auf das Leben und die Harmonie der Familie. Armut und Unterentwicklung treffen die Familie hart. Einschränkungen und Entbehrungen verschiedener Art erschweren Eltern und Kindern sehr ihre gottgewollte Sendung. Es gibt Probleme hinsichtlich der Ernährung, der Wohnung, der Hygiene und der Erziehung. Sie werden verschlimmert durch Arbeitslosigkeit und Fehlen eines angemessenen Lohnes, der den Familien gestattet, in Würde zu leben. In vielen Ländern benachteiligen die Steuersysteme ausgerechnet die Familien oder verschlimmern deren wirtschaftliche Lage. Vor allem in westlichen Ländern sind junge Leute, die sich ernster wirtschaftlicher Unsicherheit gegenüber sehen, oft versucht, die Zeit zur Heirat und zur Gründung einer Familie aufzuschieben. Auch die durch das Scheitern von Familien verursachten negativen Auswirkungen auf das Sozialgefüge und die daraus folgenden ungeheuren wirtschaftlichen Kosten dürfen Sie bei Ihren Überlegungen nicht übersehen. Es ist paradox, daß in solch einer Situation politische Autoritäten anscheinend oft nicht fähig sind zu entsprechenden Maßnahmen, eingeschlossen wirtschaftliche Investitionen, die die Institution Familie stärken und Familien wieder zu den Hauptbeteiligten bei der Familienpolitik machen. 3. Wenn Sie sich mit der Beziehung zwischen der Familie und der Wirtschaft beschäftigen, kommen Sie nicht daran vorbei, auch die Frage der außerhalb ihres Hauses arbeitenden Frau zu behandeln. Der Punkt, um den es heute geht, ist im allgemeinen nicht das Recht der Frauen auf ihren Platz im Potential der Arbeitskräfte oder auf eine berufliche Karriere. Die dringende Frage besteht darin, für arbeitende Frauen und Mütter Wege zu finden, daß sie ihren unersetzlichen Dienst in der Familie als Gemeinschaft der Liebe und Heiligtum des Lebens erfüllen können. 4. Ein anderes Thema, das für Sie von Belang ist, muß das der Erziehung sein. Sie ist ja ein höchst bedeutsames Element für das wirtschaftliche Leben der Familie 513 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der Gesellschaft. Wenn die Erziehung auch eine Anzahl Bedingungen und einen Einsatz von Gütern und Energien einbezieht, die sich stark auf die Wirtschaft auswirken, so darf sie doch nicht rein wirtschaftlichen Forderungen unterworfen sein, denn sie hat es mit der ganzheitlichen Entwicklung und dem Wohlbefinden der einzelnen Menschen und der Gesellschaft zu tun. Unter diesem Gesichtspunkt sollte die Bedeutung religiöser und moralischer Werte für die wirtschaftliche Lebenskraft von Familien und Gemeinschaften betrachtet werden. Es mag genügen, die moralischen und religiösen Werte zu erwähnen, auf denen Einheit und Friede in den Familien, sittliche Rechtschaffenheit, Freude an der Arbeit und am Sparen, kultureller Fortschritt und soziale Solidarität beruhen, sowie auch die sittliche und geistige Kraft, die notwendig sind, um vergnügungs- und selbstsüchtige Vergeudung von Wirtschaftsgütem und menschlichen Energien zu meiden. 5. Ich bin sicher, 'aß Sie die grundlegende Frage verstehen, auf die die Kirche von Ihnen Ihre sachkundige Antwort hören möchte, nämlich: Wie kann die Gesellschaft die Wirtschaft so ordnen, daß Ehepaare die nötige Zeit und Ruhe finden, zusammen zu sein, Kinder zu haben und aufzuziehen, und für all die Dinge, die das Heim und das Familienleben zum Ort menschlicher Erfüllung machen? Ich danke Ihnen, daß Sie Ihre Weisheit und Ihre Erfahrung zugunsten einer so zentralen Frage einbringen. Gott segne Sie und Ihr Bemühen! Er bewahre Sie und Ihre Familien in seiner Gnade und seinem Frieden. Grußwort an die Vertreter von B’nai B’rith International am 11. März Liebe Freunde! Ich freue mich, wieder einmal eine Gruppe von Vertretern der Organisation B’nai B’rith International begrüßen zu können. Die Bedeutung Eures Besuchs liegt in der Tatsache, daß es sich dabei für uns alle um eine Gelegenheit handelt, uns selbst aufs neue für die gemeinsamen Bemühungen einzusetzen, die für den Ausbau einer immer wachsenden Verständigung und Solidarität zwischen Christen und Juden notwendig sind. Zu einem Zeitpunkt, da die Hoffnungen auf Frieden durch die jüngsten Terroranschläge in Jerusalem und Tel Aviv wieder in Frage gestellt worden sind, müssen wir unser Gebet und unseren Einsatz erneuern, um das hervorzuheben, was uns eint, und nicht das, was uns teilt und entzweit. Ein grundlegendes Werkzeug für die Förderung der gegenseitigen Verständigung und die Schaffung einer immer engeren Beziehung zwischen Christen und Juden ist die Erziehung. Im Rahmen dieser Erziehung stellt die Erinnerung für unsere beiden Traditionen einen wesentlichen Bestandteil dar. Die Erinnerung an unsere 514 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jeweiligen Traditionen, an das Gute und Schlechte unserer Beziehungen in der Vergangenheit sollte uns lehren, demütig zu glauben und vertrauensvoll zu hoffen. Sie sollte uns leiten, wenn wir versuchen, Recht zu tun, Güte und Treue zu lieben und in Ehrfurcht den Weg zu gehen mit unserem Gott (vgl. Mi 6,8). Das wird unsere Verantwortung und Verpflichtung stärken. Dies ist der Weg, auf den wir festgelegt sind, und ich bete, daß der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde, uns seine überreiche Barmherzigkeit und Gnade gewähre, damit wir wahrhaft gemeinsam auf diesem Weg voranschreiten mögen. Auf Euch alle rufe ich den reichen Segen Gottes herab. Frieden in Nahost verpflichtet alle Völker Telegramm an den Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten, Hosni Mubarak, anläßlich des internationalen Nahost-Friedensgipfels in Sharm el Sheik, vom 13. März Durch Sie, Herr Präsident, möchte ich mich an alle Teilnehmer des Gipfeltreffens in Sharm el Sheik wenden, um sie der steten Anteilnahme zu versichern, mit der ich die Ereignisse in Nahost und speziell die Anstrengungen verfolge, die hier für einen gerechten und dauerhaften Frieden in der ganzen Region unternommen werden. Ich versichere darüber hinaus in diesem besonderen Augenblick mein Gebet, daß der allmächtige Gott alle leiten möge, damit dieses Treffen eine konkrete Förderung des Dialogs und der Suche nach dem Frieden zur Folge hat. Die Nahostregion braucht Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität. Diese Werte sind wesentlich für das Leben aller Völker, aber noch mehr für die, welche in dem Land leben, das die Wiege von drei Religionen ist. Ich glaube, daß die Herausforderung des Friedens für Nahost ein Anruf ist, den Gott an die gesamte Völkerfamilie richtet. Er segne und behüte die Teilnehmer dieses Gipfeltreffens und alle Völker, deren Repräsentanten sie sind. Joannes Paulus PP. II 515 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Frieden in Gerechtigkeit für alle Bürger Botschaft an den Präsidenten der Bischofskonferenz von Ruanda zum zweiten Jahrestag des Genozids in Ruanda, übermittelt durch Erzbischof Paul Josef Cordes, Präsident des Päpstlichen Rates CorUnum, vom 14. März Seiner Exzellenz Msgr. Thadee Ntihinyurwa Bischof von Cyangugu Präsident der Bischofskonferenz von Ruanda Die Reise Seiner Exzellenz Msgr. Paul Josef Cordes, Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“, nach Ruanda, bietet mir die Gelegenheit, Ihnen sowie allen Hirten der Kirche, den Behörden Ihres Landes und dem ruandischen Volk meinen herzlichsten Gruß zu übermitteln. Kurz bevor sich der Beginn des Genozids, der das Leben von Hunderttausenden von Menschen gekostet hat, zum zweiten Mal jährt, möchte die Botschaft, die ich an Sie richte, ein erneutes sichtbares Zeichen der väterlichen Liebe sein, die der Nachfolger Petri allen Ruandem und ganz besonders den Leidenden, den Trauernden und den in der Angst vor dem Morgen Lebenden entgegenbringt. Erneut gedenke ich aller Opfer dieser Tragödie, besonders der Bischöfe, der Priester und der anderen Gläubigen der Kirche, und bitte den Herrn, ihnen Barmherzigkeit widerfahren zu lassen. In der Stunde, da Ihr Land Wege der Versöhnung und des Friedens sucht, ermutige ich von Herzen alle seine Söhne und Töchter, neue Hoffnung in Christus zu entdecken. In Ihm wird die unendliche Barmherzigkeit Gottes in Fülle offenbar. Er vergibt allen, wie auch immer die Umstände sein mögen. In Ihm sind wir auf immer des göttlichen Wohlwollens versichert. Denn da wir, wie der Apostel Paulus sagt, „mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch (Gottes) Feinde waren, werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben“ (Röm 5,10). Die Christen haben die Pflicht, ihr ganzes Leben lang glaubwürdige Zeugen dieses außerordentlichen Geschenks Gottes an die Menschen zu sein, um zur Versöhnung und zum Frieden zu gelangen. Das neue Gesetz, das der Herr uns hinterlassen hat, ist das Gesetz brüderlicher Liebe. Dieses Gesetz bekämpft die Menschennatur, wenn sie Gott ablehnt, und der Welt fällt es so schwer, dieses selbe Gesetz zu begreifen. Wir müssen auf den Jünger, den Jesus liebte, hören, der sagte: „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“ (1 Joh 4,20). Die brüderliche Liebe, die zum Verzeihen allen Unrechts führt, macht die menschliche Gerechtigkeit nicht gegenstandslos, welche die Verfehlung bemißt und verurteilt. Aber der Weg des Friedens und der Versöhnung geht vor allem über die Achtung vor der Person des Menschen. Ohne diese Achtung ist es nicht möglich, wiederaufzubauen, was zerstört wurde. Diese Achtung vor dem Menschen ist eine Voraussetzung für einen wirklich brüderlichen Dialog. Recht und 516 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerechtigkeit sind jedoch ebenfalls notwendig für alle, die Rechte zu verteidigen haben. Und man muß anerkennen, daß unter diesem Gesichtspunkt der Staat sich vor eine schwierige Herausforderung gestellt sieht: Es ist für ihn eine grundlegende Pflicht, allen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und ich möchte erneut sagen, daß Gerechtigkeit und Wahrheit Hand in Hand gehen müssen, wem es sich darum handelt, die Verantwortlichkeiten in der Tragödie, die Ihr Land erlebt hat, an den Tag zu legen. Die Kirche als solche kann nicht für die Fehler ihrer Mitglieder verantwortlich gemacht werden, die gegen das Gesetz des Evangeliums verstoßen haben; sie werden für ihre Taten Rechenschaft ablegen müssen. Alle Mitglieder der Kirche, die während des Völkermordens gesündigt haben, müssen den Mut haben, die Konsequenzen der Taten, die sie wider Gott und den Nächsten begangen haben, auf sich zu nehmen. Mein Gedanke geht ganz besonders zu den zahlreichen Inhaftierten in Erwartung eines Urteils, zu denen, die an Menschen oder Gütern alles verloren haben und darauf warten, daß ihnen Gerechtigkeit widerfährt, zu den Flüchtlingen innerhalb des Landes und denen, die jenseits der Grenzen in so großer Zahl darauf warten, daß sie in Sicherheit und Würde ins Land zurückkehren körnen. Lassen Sie mich in besonderer Weise die Kirche in Ruanda ermutigen: sie, die durch die Tragödie, die Ihr Volk erlebt hat, so sehr gelitten hat; ich erweise hier Hirten und Gläubigen die Ehre, die im Lauf der Ereignisse wahre Zeugen der Liebe Christi und Vorbilder christlichen Lebens gewesen sind. Heute sieht sich die Kirche in Ruanda vor die Dringlichkeit gestellt, das Evangelium zu hören und seine Gute Nachricht zu verkünden. Für ihre Mitglieder „wird die große Herausforderung immer in der Konsequenz bestehen, eine den Verpflichtungen der Taufe entsprechende christliche Existenz zu führen, was den Tod der Sünde und tägliche Auferstehung zu einem neuen Leben bedeutet (vgl. Rom 6,4-5)“ (Ecclesia in Africa, Nr. 74). Habt keine Angst, miteinander einträchtige Gemeinschaften aufzubauen, die von aufrichtiger gegenseitiger Liebe Zeugnis geben und für alle zu einem Ort wahrer Versöhnung werden (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 77 u. Nr. 79). Ich lade Euch alle ein, Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen sowie Laien verschiedener ethnischer Abstammung, Euch mit ehrlichem Herzen Gott zuzuwenden, einander zu verzeihen und Euch, wenn es nötig ist, auszusöhnen, indem Ihr die Einheit unter Euch verstärkt und zusammen an der einen Sendung Christi arbeitet. Die ganze Kirche ist in dieser Prüfung mit Euch, sie fährt fort, Euch mit ihrem Gebet, durch die Anwesenheit der Missionare und mit ihrer Hilfe für die Wiederaufnahme Eurer Seelsorgetätigkeit zu unterstützen. Über ihre karitativen Werke möchte sie auch beitragen, den materiellen Bedürfnissen der ganzen Bevölkerung ohne Unterschied der Abstammung und der Religion entgegenzukommen. Der Wiederaufbau Ihres Landes ist eine gewaltige Aufgabe. Auch an alle Ihre Landsleute richte ich einen eindringlichen Aufruf, sich bei diesem Werk für das Gemeinwohl einzusetzen. Es bedarf wahrer Solidarität unter allen Menschen guten 517 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Willens, um wieder in neugewonnenem Vertrauen zu leben. „Die Frucht der Solidarität ist der Friede“ (Ecclesia in Africa, Nr. 138). Ich wünsche mir auch, daß die internationale Gemeinschaft großzügig ihren Beitrag leisten möge und mit ihrer Hilfe für die, die leiden oder im Elend sind, Euch bei dieser Aufgabe zur Seite stehe. Nehmt die Hilfe Eurer Brüder freudig an, die kommen, um sich an der gemeinsamen Anstrengung zum Aufbau eures Landes zu beteiligen. Ich wende mich jetzt dem Herrn, dem Gott des Friedens und des Erbarmens, zu und bitte ihn, daß er in den Herzen aller Ruander den festen Wunsch nach Versöhnung und Wiederherstellung des Vertrauens unter Brüdern erwecke. Die ganze Nation sowie Ihren Dienst und den aller Hirten Ruandas vertraue ich der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria an. Auf jeden von Euch, auf die Gläubigen eurer Diözesen, auf die mit der Leitung des Landes Beauftragten und auf das ganze ruandische Volk rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes herab. Aus dem Vatikan, am 14. März 1996 Joannes Paulus PP. II Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1996 vom 17. März Liebe Brüder im Priesteramt! „Sehen wir doch auf unsere Berufung, Brüder!“ (vgl. 1 Kor 1,26). Das Priestertum ist eine Berufung, eine ganz besondere Berufung: „Und keiner nimmt sich eigenmächtig diese Würde, sondern er wird von Gott berufen“ (Hebr 5,4). Der Brief an die Hebräer nimmt Bezug auf das Priestertum des Alten Testamentes, um das Geheimnis des Priestertums Christi verständlich zu machen: „So hat auch Christus sich nicht selbst die Würde eines Hohenpriesters verliehen, sondern der, der zu ihm gesprochen hat: ... Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“ (ebd., 5,5-6). Die einzigartige Berufung Christi zum Priestertum 1. Christus, der Sohn, eines Wesens mit dem Vater, wird zum Priester des Neuen Bundes nach der Ordnung Melchisedeks eingesetzt: auch er wird also zum Priestertum berufen. Es ist der Vater, der den eigenen, von ihm in einem Akt ewiger Liebe gezeugten Sohn „zum Eintritt in die Welt“ (vgl. Hebr 10,5) und zur Menschwerdung „beruft“. Er will, daß sein eingeborener Sohn durch seine Menschwerdung „Priester auf ewig“ wird: der einzige Priester des Neuen und Ewigen Bundes. In der Berufung des Sohnes zum Priestertum zeigt sich die Tiefe des trinitarischen Geheimnisses. Denn nur der Sohn, das Wort des Vaters, in dem 518 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und durch das alles geschaffen wurde, kann dem Vater die Schöpfung unaufhörlich als Opfer darbringen, indem er bekräftigt, daß alles Geschaffene vom Vater kommt und eine Opfergabe zum Lob des Schöpfers werden soll. So findet also das Geheimnis des Priestertums seinen Ursprung in der Dreifaltigkeit und ist zugleich eine Folge der Menschwerdung. Indem er Mensch wird, wird der eingeborene und ewige Sohn des Vaters von einer Frau geboren, tritt in die Schöpfungsordnung ein und wird damit Priester, der einzige und ewige Hohepriester. Der Verfasser des Briefes an die Hebräer betont, daß das Priestertum Christi mit dem Kreuzesopfer verbunden ist: „Christus aber ist gekommen als Hoherpriester der künftigen Güter; und durch das erhabenere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht, das heißt nicht von dieser Welt ist, ist er ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen ... mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt“ (Hehr 9,11-12). Das Priestertum Christi wurzelt im Erlösungswerk. Christus ist Priester des eigenen Opfers: „Er hat sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht“ {Hebr 9,14). Das Priestertum des Neuen Bundes, zu dem wir in der Kirche berufen sind, bedeutet deshalb Teilhabe an diesem einzigartigen Priestertum Christi. Allgemeines Priestertum und Amtspriestertum 2. Das II. Vatikanische Konzil stellt den Begriff „Berufung“ in seiner ganzen Breite dar. Denn es spricht von Berufung des Menschen, von christlicher Berufung und von Berufung zum Ehe- und Familienleben. In diesem Kontext stellt das Priestertum eine der Berufungen dar, eine der möglichen Formen der Verwirklichung der Nachfolge Christi, der im Evangelium mehrmals die Einladung ausspricht: „Folge mir nach!“ In der dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen Gentium lehrt das Konzil, daß alle Getauften am Priestertum Christi teilhaben; aber gleichzeitig unterscheidet es klar zwischen dem allen Gläubigen gemeinsamen Priestertum des Volkes Gottes und dem hierarchischen Priestertum, das heißt dem Amtspriestertum. Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang einen klärenden Abschnitt des genannten Konzilsdokumentes ganz wiederzugeben: „Christus der Herr, als Hoherpriester aus den Menschen genommen (vgl. Hebr 5,1-5), hat das neue Volk ,zum Königreich und zu Priestern für Gott und seinen Vater gemacht“ (Offb 1,6; vgl. 5,9-10). Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht, damit sie in allen Werken eines christlichen Menschen geistige Opfer darbringen und die Machttaten dessen verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat (vgl. 1 Petr 2,4-10). So sollen alle Jünger Christi ausharren im Gebet und gemeinsam Gott loben (vgl. Apg 2,42-47) und sich als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe darbringen (vgl. Röm 12,1); überall auf Erden sollen sie für Christus Zeugnis geben und allen, die es fordern, Rechenschaft ablegen von der Hoffnung auf das ewige Leben, die in ihnen ist (vgl. 1 Petr 3,15). Das gemein- 519 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN same Priestertum der Gläubigen und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich aber dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil. Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe.“ <29> Das Amtspriestertum dient dem gemeinsamen Priestertum der Gläubigen. In der Tat, wenn der Priester Eucharistie feiert und die Sakramente spendet, bringt er den Gläubigen ihre besondere Teilhabe am Priestertum Christi zum Bewußtsein. <29> Dogm. Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 10. Die persönliche Berufung zum Priestertum 3. Es zeigt sich also deutlich, daß die Berufung zum Priestertum im weiteren Bereich der christlichen Berufung eine Besonderheit darstellt. Und das stimmt im allgemeinen mit der persönlichen Erfahrung von uns Priestern überein: Wir wurden getauft und gefirmt; wir nahmen an der Katechese, an den liturgischen Feiern und vor allem an der Eucharistiefeier teil. Unsere Berufung zum Priestertum entfaltete sich im Kontext des christlichen Lebens. Dennoch hat jede Berufung zum Priestertum ihre eigene Geschichte, die sich auf ganz bestimmte Augenblicke im Leben des einzelnen bezieht. Als Christus die Apostel berief, sagte er zu jedem: „Folge mir nach!“ (Mt 4,19; 9,9; Mk 1,17; 2,14; Lk5,27; Joh 1,43; 21,19). Seit zweitausend Jahren wiederholt er diese Einladung an viele, insbesondere an junge Menschen. Manchmal ruft er ganz überraschend, doch es handelt sich nie um einen völlig unerwarteten Ruf. Christi Einladung zur Nachfolge wird im allgemeinen über eine lange Zeitspanne hinweg vorbereitet. Es stellt keine Überraschung dar, wenn die schon im Bewußtsein des Jungen vorhandene Einladung wieder spürbar wird, die vielleicht durch die Unschlüssigkeit oder die Verlockung, andere Wege zu gehen, verdrängt worden war. Man wundert sich nicht mehr darüber, daß gerade diese Berufung allen anderen gegenüber vorgezogen wird, und der Jugendliche kann den ihm von Christus gezeigten Weg ein-schlagen: er verläßt die Familie und fängt an, sich ganz speziell auf das Priestertum vorzubereiten. Es gibt eine Typologie der Berufung, die ich jetzt beschreiben möchte. Wir finden ihren Entwurf im Neuen Testament. Mit seinem Ruf „Folge mir nach!“ wendet sich Christus an verschiedene Menschen: Unter ihnen sind Fischer wie Petrus oder die Söhne des Zebedäus (vgl. Mt 4,19.22), aber da ist auch Levi, ein Zöllner, später Matthäus genannt. In Israel galt der Beruf des Steuereinziehers als sündhaft 520 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und verachtenswert. Und doch ruft Christus gerade einen Zöllner in die Gruppe der Apostel (vgl. Mt 9,9). Höchstes Staunen erweckt gewiß die Berufung des Saulus von Tarsus (vgl. Apg 9,1-19), des bekannten und gefürchteten Christenverfolgers, der den Namen Jesu haßte. Gerade dieser Pharisäer wird auf dem Weg nach Damaskus aufgerufen: aus ihm will der Herr „ein auserwähltes Werkzeug“ machen, das dazu bestimmt ist, viel für seinen Namen zu leiden (vgl. Apg 9,15-16). Jeder von uns Priestern erkennt sich wieder in der ursprünglichen Typologie der Berufung im Evangelium. Gleichzeitig weiß er, daß die Geschichte seiner Berufung, der lange Weg, auf dem Christus ihn während seiner ganzen Existenz führt, in gewissem Sinne unwiederholbar ist. Liebe Brüder im Priesteramt, wir müssen oft im Gebet verweilen und das Geheimnis unserer Berufung betrachten mit dem Herzen voller Staunen und Dankbarkeit gegenüber Gott für dieses unvergleichliche Geschenk. 4. Das uns von den Evangelien überlieferte Bild der Berufung ist besonders mit der Gestalt des Fischers verbunden. Jesus rief einige Fischer von Galiläa zu sich, unter ihnen Simon Petrus, und deutete die apostolische Sendung mit einem Hinweis auf ihre Erwerbstätigkeit. Als Petrus nach dem wunderbaren Fischfang Christus zu Füßen fiel und sagte: „Herr, geh weg von nur; ich bin ein Sünder“, bekam er zur Antwort: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,8.10). Petrus und die anderen Apostel lebten mit Jesus zusammen und gingen mit ihm seinen Sendungsweg. Sie hörten die Worte, die er sprach, bewunderten seine Werke und staunten über die Wunder, die er wirkte. Sie wußten, daß Jesus der Messias war, von Gott gesandt, um Israel und der ganzen Menschheit den Weg des Heiles zu zeigen. Aber ihr Glaube mußte durch das geheimnisvolle Heilsgeschehen hindurch, das er mehrmals angekündigt hatte: „Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert werden, und sie werden ihn töten; aber am dritten Tag wird er auferstehen“ (Mt 17,22-23). All das wurde durch seinen Tod und seine Auferstehung Wirklichkeit in den Tagen, die die Liturgie das heilige Triduum nennt. Gerade während dieses Ostergeschehens offenbarte Christus den Aposteln, daß es ihre Berufung war, wie er und in ihm Priester zu werden. Es geschah, als er im Abendmahlssaal am Vorabend seines Kreuzestodes zuerst Brot und dann den Kelch des Weines nahm und über sie die Wandlungsworte sprach. Brot und Wein wurden sein Leib und sein Blut und sind als Opfer für die ganze Menschheit dargebracht worden. Jesus beendete diese Handlung, indem er den Aposteln gebot: „Tut dies ... zu meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,25). Mit diesen Worten vertraute er ihnen das eigene Opfer an und gab es durch ihre Hände an die Kirche weiter für alle Zeiten. Indem er den Aposteln das Gedächtnis seines Opfertodes anvertraute, machte Christus sie auch seines Priestertums teilhaftig. Denn es besteht eine enge, unauflösliche Verbindung zwischen Opfergabe und Priester: deijenige, der das 521 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Opfer Christi darbringt, muß am Priestertum Christi teilhaben. Die Berufung zum Priestertum ist deshalb die Berufung, in der Person Christi kraft der Teilhabe an seinem Priestertum sein Opfer darzubringen. Wir haben also von den Aposteln den priesterlichen Dienst als Erbe übernommen. 5. „Der Meister ist da und läßt dich rufen“ (Joh 11,28). Diese Worte kann man im Hinblick auf die priesterliche Berufung lesen. Gottes Ruf steht am Beginn des Weges, den der Mensch in seinem Leben gehen muß: Das ist die vorrangige und grundlegende Dimension der Berufung, aber nicht die einzige. Mit der Priesterweihe beginnt in der Tat ein Weg, der bis zum Tod dauert und der zur Gänze ein Weg der „Berufung“ ist. Der Herr beruft die Priester zu verschiedenen Aufgaben und Diensten, die sich aus dieser Berufung ableiten. Aber es gibt noch eine tiefere Schicht. Außer den Aufgaben, die Ausdruck des priesterlichen Dienstes sind, bleibt immer im tiefsten Grund die Wirklichkeit selbst, „Priester zu sein“. Die Lebensumstände und -Situationen fordern den Priester unaufhörlich dazu auf, seine ursprüngliche Wahl zu bekräftigen und immer wieder von neuem auf Gottes Ruf zu antworten. Unser priesterliches Leben ist wie jede wahrhaft christliche Existenz eine Aufeinanderfolge von Antworten auf Gott, der ruft. Kennzeichnend dafür ist das Gleichnis der Knechte, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten. Weil er sich verspätet, müssen sie wachen, um bei seiner Ankunft wachend angetroffen zu werden (vgl. Lk 12,35-40). Könnte diese dem Evangelium gemäße Wachsamkeit nicht eine andere Deutung der Antwort auf die Berufung sein? Man gibt sie tatsächlich dank eines wachen Verantwortungsbewußtseins. Christus betont: „Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt ... Und kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach -selig sind sie“ (Lk 12,37-38). Die Priester der lateinischen Kirche verpflichten sich zum Leben im Zölibat. Wenn die Berufung Wachsamkeit ist, dann hat diese sicher den bedeutungsvollen Aspekt lebenslanger Treue zu dieser Verpflichtung. Aber der Zölibat stellt nur eine der Dimensionen der Berufung dar, die während des ganzen Lebens im Kontext eines umfassenden Einsatzes bei den vielfältigen Aufgaben verwirklicht wird, die sich aus dem Priesteramt ergeben. Die Berufung ist keine statische Wirklichkeit: Sie hat eine eigene Dynamik. Liebe Brüder im Priesteramt, wir bekräftigen und verwirklichen unsere Berufung immer mehr in dem Maß, in dem wir das „Mysterium“ des Bundes Gottes mit dem Menschen und insbesondere das „Mysterium“ der Eucharistie treu leben; wir verwirklichen sie in dem Maß, in dem wir das Priestertum und den priesterlichen Dienst, den zu versehen wir berufen sind, immer inniger lieben. Wir entdecken dann, daß wir durch das Priestersein uns selbst „verwirklichen“, indem wir die Glaubwürdigkeit unserer Berufung gemäß dem einmaligen und ewigen Plan, den Gott für jeden von uns vorgesehen hat, bekräftigen. Dieser göttliche Plan wird Wirklichkeit in dem Maß, indem er von uns als unser Lebensentwurf und -programm erkannt und angenommen wird. 522 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Priestertum als „officium laudis“ 6. Gloria Del vivens homo. Die Worte des hl. Irenäus <30> verbinden aufs engste die Ehre Gottes mit der Selbstverwirklichung des Menschen. „Non nobis, Domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam“ (Ps 115,1): wenn wir diese Worte des Psalmisten oft wiederholen, spüren wir, daß das „Sich-selbst-Verwirklichen“ im Leben einen transzendentalen Bezug und Zweck hat, die in dem Begriff „Ehre Gottes“ enthalten sind: unser Leben ist dazu berufen, „officium laudis“ zu werden. Die priesterliche Berufung ist ein besonderer Ruf zum „officium laudis“. Wenn der Priester die Eucharistie feiert, wenn er im Bußsakrament die Vergebung Gottes vermittelt oder die anderen Sakramente spendet, gibt er Gott immer die Ehre. Deshalb ist es notwendig, daß der Priester die Ehre des lebendigen Gottes liebt und daß er zusammen mit der Gemeinschaft der Gläubigen die göttliche Ehre verkündet, die in der Schöpfung und in der Erlösung aufstrahlt. Der Priester ist berufen, sich in besonderer Weise mit Christus, dem ewigen Wort und wahren Menschen, dem Erlöser der Welt, zu vereinen: denn in der Erlösung offenbart sich die Fülle der Ehre, die die Menschheit und die gesamte Schöpfung dem Vater in Jesus Christus erweisen. <30> Vgl. Adv. Haer., IV, 20, 7; S. Ch. 100/2, 648-649. Das „officium laudis“ umfaßt nicht nur die Worte des Psalters, die liturgischen Gesänge, die Lieder des Volkes Gottes, die in so vielen verschiedenen Sprachen zum Schöpfer emporsteigen; das „officium laudis“ ist vor allem die unaufhörliche Entdeckung des Wahren, des Guten und des Schönen, das die Welt vom Schöpfer als Geschenk empfängt, und es ist zugleich Entdeckung des Sinnes der menschlichen Existenz. Das Geheimnis der Erlösung hat diesen Sinn ganz erfüllt und geoffenbart, indem es das Leben des Menschen dem Leben Gottes angenähert hat. Die Erlösung, die sich endgültig im Ostergeheimnis durch das Leiden, den Tod und die Auferstehung Christi verwirklicht hat, offenbart nicht nur die transzendente Heiligkeit Gottes, sondern macht - wie das II. Vatikanische Konzil lehrt -„dem Menschen den Menschen selbst voll kund“. <31> <31> Vgl. Past. Konst, über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 22. Die Ehre Gottes ist in die Ordnung der Schöpfung und der Erlösung eingeschrieben; der Priester ist berufen, dieses Geheimnis bis zum Äußersten zu leben, um an dem großen „officium laudis“ teilzunehmen, das sich im Universum unaufhörlich vollzieht. Nur wenn er die Wahrheit der Erlösung der Welt und des Menschen zutiefst lebt, kann er mit den Leiden und den Schwierigkeiten der Einzelpersonen und der Familien umgehen sowie ohne Furcht auch der Realität des Bösen und der Sünde entgegentreten und sie mit den erforderlichen geistlichen Kräften bewältigen. 523 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Priester geht mit den Gläubigen der Fülle des Lebens in Gott entgegen 7. Gloria Dei vivens homo. Der Priester, dessen Berufung es ist, Gott die Ehre zu geben, ist zugleich tief geprägt von der Wahrheit, die im zweiten Teil des Satzes des hl. Irenäus enthalten ist: „vivens homo“. Die Liebe zur Ehre Gottes entfremdet den Priester keineswegs dem Leben und all dem, was dieses Leben ausmacht; im Gegenteil, seine Berufung leitet ihn an, den vollen Sinn zu entdecken. Was heißt „vivens homo?“ Es bedeutet den Menschen in der Fülle seiner Wahrheit: den von Gott nach seinem Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen; den Menschen, dem Gott die Erde anvertraut hat, damit er über sie herrscht; den Menschen, der seiner Natur und der Gnade nach mit vielfältigem Reichtum ausgestattet ist; den Menschen, der von der Knechtschaft der Sünde befreit und zur Würde des Adoptivkindes Gottes erhoben wurde. Seht den Menschen und die Menschheit, die der Priester vor sich hat, wenn er die göttlichen Geheimnisse feiert: vom Neugeborenen, den die Eltern zur Taufe bringen, bis zu den Kindern und Jugendlichen, die er bei der Katechese oder beim Religionsunterricht trifft. Und dann die jungen Menschen, die in der schwierigsten Phase ihres Lebens ihren Weg, ihre Berufung wählen und sich anschicken, neue Familien zu gründen oder sich dem Reich Gottes zu weihen, indem sie ins Seminar oder in ein Institut des geweihten Le bens eintreten. Der Priester muß den Kontakt mit den jungen Menschen pflegen. In diesem Lebensabschnitt suchen sie oft bei ihm Trost und Rat, Unterstützung durch das Gebet und eine kluge berufliche Begleitung. Auf diese Weise kann der Priester feststellen, inwieweit seine Berufung anderen Menschen gegenüber offen und hilfsbereit ist. In den Jugendlichen, mit denen er Umgang pflegt, begegnet er künftigen Familienvätern und -müttem, künftigen Akademikern oder zumindest Personen, die durch ihre Fähigkeiten zum Aufbau der Gesellschaft von morgen beitragen können. Jede dieser vielfältigen Berufungen geht durch sein Priesterherz, und so offenbart sie sich wie ein besonderer Weg, auf dem Gott die Personen geleitet und zur Begegnung mit Ihm selbst führt. Auf diese Weise hat der Priester teil an so vielen Lebensentscheidungen, an Leiden und Freuden, Enttäuschungen und Hoffnungen. In jeder Lage ist es seine Aufgabe, dem Menschen Gott als das letzte Ziel seines persönlichen Lebensschicksals zu zeigen. Der Priester ist derjenige, dem die Menschen ihre innersten Anliegen und ihre manchmal sehr schmerzlichen Geheimnisse anvertrauen. Er wird von den Kranken, den Betagten und den Sterbenden sehnlichst erwartet, denn sie wissen, daß nur er, der am Priestertum Christi teilhat, ihnen auf dem letzten Weg helfen kann, der sie zu Gott führen soll. Der Priester, ein Zeuge Christi, ist Bote der höchsten Berufung des Menschen zum ewigen Leben in Gott. Und während er die Brüder und Schwestern begleitet, bereitet er sich selbst vor: Der Dienst, den er versieht, bietet ihm die Gelegenheit, seine Berufung, Gott die Ehre zu geben, zu 524 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vertiefen, um am ewigen Leben teilzuhaben. So geht er dem Tag entgegen, an dem Christus zu ihm sprechen wird: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener ... nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Mt 25,21). Das Priesterjubiläum: Zeit der Freude und Danksagung 8. „Seht doch auf eure Berufung, Brüder!“ (1 Kor 1,26). Die Mahnung des Apostels Paulus an die Christen von Korinth hat für uns Priester eine ganz besondere Bedeutung. Wir sollten oft „auf unsere Berufung sehen“ und erneut deren Sinn und Größe entdecken, die immer größer sind als wir. Eine besonders günstige Gelegenheit dazu ist der Gründonnerstag, der Gedenktag der Einsetzung der Eucharistie und des Sakramentes der Priesterweihe. Geeignete Gelegenheiten sind auch die Jahrestage der Priesterweihe und vor allem die Priesterjubiläen. Liebe Brüder im Priesteramt, während ich Euch diese Überlegungen mitteile, denke ich an mein Goldenes Priesteijubiläum, das in diesem Jahr stattfindet. Ich denke an meine Kollegen im Seminar, die wie ich einen Weg zum Priestertum hinter sich haben, der von der dramatischen Zeit des Zweiten Weltkrieges überschattet war. Damals waren die Seminare geschlossen, und die Seminaristen lebten verstreut. Einige von ihnen kamen bei den Kriegshandlungen ums Leben. Das unter diesen Umständen erlangte Priesteramt hatte für uns eine ganz besondere Bedeutung. Im Gedächtnis ist noch der große Augenblick lebendig, als vor 50 Jahren die Versammlung der Gläubigen mit dem „Veni Creator Spiritus“ den Heiligen Geist auf uns junge Diakone herabrief, die wir uns in der Mitte des Gotteshauses niedergeworfen hatten, bevor wir durch die Handauflegung des Bischofs die Priesterweihe empfingen. Danken wird im Heiligen Geist für diese Ausgießung der Gnade, die unsere Existenz gekennzeichnet hat. Und bitten wir weiterhin: „Imple supema gratia, quae tu creasti pectora.“ Liebe Brüder im Priesteramt, ich möchte Euch einladen, an meinem Te Deum der Danksagung für das Geschenk der Berufung teilzunehmen. Die Jubiläen sind, wie ihr wißt, wichtige Augenblicke im Leben eines Priesters. Sie stellen gleichsam Meilensteine auf dem Weg unserer Berufung dar. Der biblischen Tradition entsprechend ist das Jubiläum eine Zeit der Freude und der Danksagung. Der Landwirt dankt dem Schöpfer für die Ernte; wir wollen anläßlich unserer Jubiläen dem Ewigen Hirten danken für die Früchte unseres priesterlichen Lebens und für den Dienst an der Kirche und an der Menschheit, der an den einzelnen Orten der Welt unter den verschiedensten Arbeitsbedingungen und in den vielfältigsten Situationen, in die uns die Vorsehung geführt und wo sie uns gewollt hat, geleistet wurde. Wir wissen, daß wir „unnütze Knechte“ sind (Lk 17,10), dennoch danken wir dem Herrn, daß er uns zu seinen Dienern machen wollte. Wir sind auch den Menschen dankbar: vor allem denen, die uns geholfen haben, zum Priestertum zu gelangen, und denen, die uns die göttliche Vorsehung auf den Weg unserer Berufung gestellt hat. Wir danken allen, zuallererst unseren Eltern, 525 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die für uns ein überreiches Geschenk Gottes waren: Welch großen Reichtum an Lehre und gutem Beispiel haben sie uns vermittelt! Während wir Dank sagen, bitten wir auch Gott und die Mitmenschen um Vergebung für die Fehler und Nachlässigkeiten, die Folge der menschlichen Schwäche sind. Gemäß der Fleiligen Schrift sollte das Jubiläum nicht nur eine Danksagung für die Ernte sein: es schloß auch den Nachlaß der Schulden ein. Deshalb bitten wir den barmherzigen Gott, er möge uns die Schuld vergeben, die wir im Laufe des Lebens und unseres priesterlichen Dienstes auf uns geladen haben. „Seht auf eure Berufung, Brüder!“, mahnt uns der Apostel. Von seinem Wort angeregt, „sehen“ wir auf den bisher zurückgelegten Weg, auf dem sich unsere Berufung gekräftigt, vertieft und gefestigt hat. Wir „sehen“, um uns des liebevollen Handelns Gottes in unserem Leben noch stärker bewußt zu werden. Dabei dürfen wir unsere Brüder im Priesteramt nicht vergessen, die nicht auf dem eingeschlagenen Weg ausgeharrt haben. Wir vertrauen sie der Liebe des Vaters an,während wir jeden von ihnen unseres Gebetes versichern. So wird das „Sehen“ unwillkürlich zum Gebet. Mit diesem Ausblick möchte ich Euch, hebe Brüder im Priesteramt, einladen, Euch meiner Danksagung für das Geschenk der Berufung und des Priestertums anzuschließen. Dank dir, Gott, für das Geschenk des Priestertums 9. „Te Deum laudamus, Te Dominum confitemu ...“ Gott, wir loben dich und danken dir: Die ganze Erde betet dich an. Wir, deine Diener, verkünden mit der Propheten Stimme und der Apostel Chor dich, den Vater und Herrn des Lebens, jeder Form des Lebens, das nur von dir kommt. Wir erkennen in dir, Heiligste Dreifaltigkeit, den Quell und Anfang unserer Berufung: Du, Vater, hast uns von Ewigkeit her gedacht, gewollt und geliebt; du, Sohn, hast uns erwählt und berufen, an deinem einzigen und ewigen Priestertum teilzu-haben; du, Heiliger Geist, hast uns mit deinen Gaben erfüllt und uns geweiht durch deine heilige Salbung. Du, Herr der Zeit und der Geschichte, hast uns an die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends geführt, damit wir Zeugen des Heiles sind, das du für die ganze Menschheit gewirkt hast. Wir, die Kirche, die deinen Ruhm verkündet, bitten dich: Laß es uns nie an heiligen Priestern fehlen für den Dienst des Evangeliums; in jeder Kathedrale und an jeder Ecke der Erde erklinge feierlich der Hymnus „Veni Creator Spiritus“. Komm, Schöpfer Geist! Komm, um neue Generationen junger Menschen zu erwecken, die bereit sind, im Weinberg des Herrn zu arbeiten, um das Reich Gottes bis an die Grenzen der Erde auszubreiten. Und du, Maria, Mutter Christi, die du uns unter dem Kreuz mit dem Apostel Johannes als auserwählte Söhne angenommen hast, wache weiter über unsere Berufung. Dir vertrauen wir die Jahre des Dienstes an, die die Vorsehung uns noch zu leben gewährt. Sei mit uns und führe uns auf den Straßen der Welt, den Männern und Frauen entgegen, die dein Sohn 526 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch sein Blut erlöst hat. Hilf uns, bis zum letzten den Willen Jesu zu tun, der zum Heil des Menschen von dir geboren wurde. Christus, du bist unsere Hoffnung! „In Te, Domine, speravi; non confundar in aetemum.“ Aus dem Vatikan, am 17. März, dem vierten Fastensonntag des Jahres 1996, dem 18. des Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Zwei hochherzige Förderer der Weltmission Predigt anläßlich der Seügsprechung von Daniele Comboni und Guido Maria Conforti, verlesen von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, am 17. März 1. „... das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden“ (Joh 9,3). Am heutigen Fastensonntag singt die Kirche: „Der Herr ist mein Hirte ... Er führt mich ... Er leitet mich auf rechten Pfaden“ (Ps 22,1.2-3). Die Liturgie der Fastenzeit zeichnet einen bedeutsamen Weg der Taufvorbereitung, gleichsam eine ausführliche Taufkatechese. Jeder Tag dieser besonderen Zeit - und das gilt besonders für den Sonntag - ist ein neuer Schritt auf dem Bildungsweg, der uns zur Feier des Ostergeheimnisses führt. Christus, der gute Hirte, wirkt so, daß am Menschen die Heilspläne, „die großen Werke Gottes“, offenbar werden. Manifestiert haben sich diese „großen Werke Gottes“ im Alten Testament. Eines davon war gewiß die Erwählung und Salbung Davids, des jüngsten Sohnes von Isai aus Betlehem. Wie wir in der ersten Lesung hörten, berief Gott David zum Führer und König seines Volkes Israel (vgl. 1 Sam 16,11-13) und band die mes-sianische Verheißung endgültig an seine Nachkommen: Der Messias sollte aus dem Stamm Davids hervorgehen. „Die großen Werke Gottes“ wurden dann im Neuen Testament offenbar. Ein besonders bedeutsames hat uns die heutige Liturgie vorgestellt: die Heilung des Blinden. Wie Johannes im Evangelium (vgl. Joh 9,1-41) ausführlich und eingehend berichtet, gab Christus dem jungen Mann das physische und geistliche Augenlicht wieder. Uber diese Perikope nachzudenken ist allein schon eine einzigartige Taufkatechese. Denn sie zeigt uns die Stufen des Weges, der zum Glauben führt, gleichsam einen Übergang in aufeinanderfolgenden Phasen von der Blindheit zur Sehfähigkeit. Christus, das „Licht der Welt“ (vgl. Joh 8,12), führt den Blinden allmählich dahin, daß er dieses Licht, in dem das Heil des Menschen besteht, aufnimmt. 2. Am vergangenen Sonntag stand ein anderes charakteristisches Merkmal der Tauffeier im Mittelpunkt des Wortgottesdienstes: das Wasser. Auch heute fehlt es nicht an Hinweisen auf dieses Grundelement: „Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach“, sagt Jesus zu dem Blinden {Joh 9,7); und im Antwortgesang führt der 527 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hirte das Schäflein, das sich ihm überläßt (Ps 22,2), „zum Ruheplatz am Wasser“. Auch ein anderes wichtiges Element wird in den Lesungen dieses Sonntags hervorgehoben: die Salbung. Samuel salbt David; der ewige Hirte salbt das Haupt seines Getreuen (vgl. Ps 22,4). Im Grunde geht es bei all diesen Botschaften darum, den Zuhörer zu jenem geistlichen Erwachen zu bringen, auf das sich der Apostel Paulus in der zweiten Lesung bezieht: „Wach auf, Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein“ (Eph 5,14). Das ist in der Tat der Kern der ausführlichen Taufkatechese. Der Katechumene soll Christus als den erkennen, der das Licht der Welt ist, der gute Hirte, der imstande ist, die Menschheit auch in der „finsteren Schlucht“ des Erdendaseins zum Licht des ewigen Lebens zu führen. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Genau dieses höchste Ziel - die Menschheit zum Licht des ewigen Lebens zu führen - hatten sich nach dem leuchtenden Beispiel des guten Hirten zwei hochherzige Apostel der Evangelisierung gesetzt: Bischof Daniele Comboni, Gründer der Comboni-Missionare vom Herzen Jesu und der Comboni-Missionsschwestem „Pie Madri della Nigrizia“, sowie Bischof Guido Maria Conforti, Gründer der Xaverianer-Missionare. Daniele Comboni fühlte sich seit Beginn seiner Priesterausbildung in dem vom Diener Gottes Nicola Mazza gegründeten Instimt dazu berufen, sein ganzes Leben der Verkündigung des Evangeliums in Afrika zu widmen. Dieses Bewußtsein begleitete ihn sein Leben lang, es stärkte ihn in den Mühen der Missionsarbeit und in den Schwierigkeiten der Seelsorge. In seiner Hingabe fühlte er sich durch die Worte von Papst Pius IX. ermutigt: „Labora sicut bonus miles Christi pro Africa“ (iScritti, Nr. 4085). Die Modernität und der Wagemut seines Werkes drückten sich aus in der Vorbereitung und Ausbildung der künftigen Priester, in der unermüdlichen missionarischen Animation auch durch Schriften und Publikationen, in der Gründung zweier Institute - ein männliches und ein weibliches -, die ausschließlich für die Mission „ad gentes“ bestimmt waren, wobei er für die Abschaffung des schrecklichen Übels des Sklavenhandels kämpfte und sich aktiv „für die Erneuerung Afrikas aus eigenen Kräften“ einsetzte. Diese Intuitionen des neuen Seligen haben reiche Frucht für die Evangelisierung des afrikanischen Kontinents getragen und den Weg für die hoffnungsvolle heutige Entwicklung der Kirche in Afrika vorbereitet (vgl. Apost. Schreiben Ecclesia in Africa, Nr. 33-38). „Die Menschheit zum Licht des ewigen Lebens führen.“ Das Ideal von Daniele Comboni wird auch heute im Apostolat seiner geistlichen Söhne und Töchter fortgesetzt. Sie unterhalten weiterhin enge Beziehungen zu Afrika und besonders zum Sudan, wo ihr Gründer als unermüdlicher Bote des Evangeliums einen großen Teil seiner Kräfte verzehrte und noch in jungen Jahren starb, von Mühsal und Krankheit verbraucht. Das uneingeschränkte Vertrauen, das er in die Macht des Gebets setzte (vgl. Scritti, Nr. 2324), kommt wirksam zum Ausdruck in den Missions-Ge- 528 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN betsgrappen, die in vielen Pfarreien entstehen und ein bedeutsames Mittel zur Förderung und Erneuerung der missionarischen Spiritualität darstellen. 4. Die Mission „ad gentes“ war auch eines der Hauptanliegen des apostolischen Wirkens von Cuido Maria Conforti. Allen das Licht Christi zu bringen war die Aufgabe, auf die er sein ganzes Leben ausrichtete. In Fülle hat er die drei Situationen erleben können, in denen die eine Evangelisierungssendung der Kirche sich vollzieht: die Seelsorge der Ortskirche, den Einsatz für die Mis sion „ad gentes“ und die Evangelisierung derer, die den Sinn des Glaubens verloren haben (vgl. Redemptoris missio, Nr. 33). Zum Hirten eines Teils des Gottesvolkes berufen in einem Gebiet, in dem ein besorgniserregender Glaubensabfall zu verzeichnen war, entdeckte Guido Maria Conforti in der Mission „ad gentes“ einen von der Vorsehung gewollten Weg, um „in den Seelen der Gläubigen einen neuen Strom göttlichen Lebens fließen zu lassen und in ihnen das Feuer des großen missionarischen Eifers zu entfachen“ (vgl. Ansprache an die Unione Missionaria del Clero [Priester-Missions-Bund], in: Unione Missionaria del Clero, S. 181). Angesichts der Schwierigkeiten rief der neue Selige gewöhnlich sich selbst und den anderen die Worte Jesu an Petrus in Erinnerung: „Fahr hinaus ... Fürchte dich nicht!“ (LA: 5,4.10). Er war nämlich überzeugt, daß eine der wirksamsten Weisen, um dem Glauben in den schon lange evangelisierten Ländern neue Kraft zu geben, in dem Einsatz besteht, das Evangelium denen zu verkündigen, die es noch nicht kennen. Seinen Missionaren hat er durch das „Missionsversprechen“ in radikaler Weise den Wert der missionarischen Berufung „ad vitam“ vorgelegt, wie ihn die Enzyklika Redemptoris missio (vgl. Nr. 66) betont. Und nicht wenige seiner geistlichen Söhne sind diesem Gelöbnis bis zum Martyrium treu geblieben. Aus welcher Quelle schöpften sein unermüdlicher Eifer und seine vollkommene Hingabe an die Mission „ad gentes“ die Kraft? Aus dem Kreuz Christi, dem Quell nie versiegender Liebe für die, welche sich den Brüdern und Schwestern nah und fern selbst zum Geschenk machen. So ist dieser neue Selige ein leuchtendes Beispiel priesterlicher Spiritualität, stets getragen von lebendigem Glauben und unbezähmbarem missionarischem Geist. Ein Vorbild wahrer pastoraler Liebe, denn er verstand es, die Gläubigen zu bewegen, ihr Herz für die Menschen in fernen Ländern zu öffnen, ohne deshalb die Bedürfnisse der örtlichen Gemeinschaften zu vergessen, damit allen Christus, der Erlöser des Menschen, verkündet werde. 5. Die neuen Seligen, Daniele Comboni und Guido Maria Conforti, laden uns ein, auf das Ostergeheimnis zu blicken. Jeder Fastensonntag ist ein neuer Einschnitt, der uns der Heiligen Woche, der Woche des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Christi, näherbringt. Das heutige Evangelium läßt auf eine zunehmende Feindseligkeit gegenüber der Person Jesu schließen. Die Pharisäer beschuldigen ihn: „Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält“ (Joh 9,16), also ist er „ein Sünder“ (ebd.). Es sind die ersten Anzeichen der Kata- 529 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Strophe, die bald über ihn hereinbrechen wird: die Passion und die Kreuzigung auf Golgota. Unter solchen Drohungen setzt Christus jedoch seinen messianischen Weg sicher fort: „Um zu richten bin ich in diese Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden“ (Joh 9,39). Erschütternde Worte! So werden an den Menschen die „großen Werke Gottes“ offenbar, von denen das heutige Evangelium spricht. Mit dem Blindgeborenen wiederholen Daniele Comboni, Guido Maria Conforti und die große himmlische Schar der Heiligen und Seligen: Herr Jesus, du bist wirklich das Licht der Welt. Und wir vereinigen uns mit ihnen zum Lobpreis der Heiligsten Dreifaltigkeit. Gott, wir danken dir für die Heiligkeit dieser neuen Seligen; wir bitten dich vertrauensvoll durch die Fürsprache Marias, der Königin der Heiligen: Laß über uns das Licht des Lebens leuchten, damit auch wir es unter den Menschen verbreiten können. Amen. Grenzen von Arbeitsmarkt und Wirtschaftswachstum Ansprache an die Mitglieder der zweiten Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften am 22. März Sehr geehrter Herr Präsident, hebe Mitglieder der Akademie! 1. Die zweite Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften, mit der Sie die regelmäßige Arbeit Ihrer Einrichtung nach einer ersten Phase der Organisation aufnehmen, gibt mir Gelegenheit, Ihnen meine ganze Dankbarkeit auszusprechen. Mein Dank richtet sich zuerst an Sie, Herr Präsident, für Ihre freundlichen Worte. Ich möchte Ihnen meine Hochachtung ausdrücken, da Sie dafür sorgen,daß ein gewissenhaftes Arbeitsverfahren eingerichtet wird und eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der Akademie zur Förderung einer fruchtbaren Forschung entsteht. Ich richte meine herzlichen Grüße an alle Mitglieder Ihrer neuen Einrichtung; ich danke Ihnen dafür, daß sie sich bereit erklärt haben, die Tatbestände der modernen Gesellschaft mit Kompetenz und großer intellektueller Aufgeschlossenheit zu erforschen mit dem Ziel, der Kirche bei der Erfüllung ihrer Sendung unter unseren Zeitgenossen zu helfen. 2. Da Sie die rasche Zunahme der sozialen Ungleichheiten festgestellt haben, zwischen Nord und Süd, zwischen den Industrienationen und den Entwicklungsländern und sogar innerhalb der Länder, die gemeinhin als reich gelten, haben Sie als erstes Thema Ihrer Überlegungen die Beschäftigung gewählt. Dies ist in der gegenwärtigen Gesellschaft, in der die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen eine Neuverteilung der Arbeit nötig machen, besonders zweckmä- 530 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ßig. Ich freue mich über diese Entscheidung, die einer ständigen Sorge der Kirche entspricht, wie ich in der Enzyklika Laborem exercens in Erinnerung rief, weil der Mensch „durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen mehr Mensch wird“ (Nr. 9). Diese Besorgnis war einer der Schwerpunkte der Enzyklika Rerum novarum, in der Leo XIII. kraftvoll hervorhob, daß es im wirtschaftlichen Leben von grundlegender Bedeutung ist, die Menschenwürde zu achten (vgl. Nr. 32). In Ihren Studien sind Sie darauf bedacht, die Soziallehre der Kirche mit den wissenschaftlichen und technischen Aspekten zu verbinden. Auf diese Weise offenbaren Sie die wahre Stellung der Soziallehre, die keine konkreten Vorschläge zu bieten hat und die weder „mit taktischem Verhalten noch mit Unterordnung unter ein politisches System“ verwechselt werden darf (Paul VI., Evangelii nuntiandi, Nr. 38). Die Kirche hat nicht die Absicht, sich an die Stelle der politischen Gewalten oder der Entscheidungsträger in der Wirtschaft zu setzen, um konkrete Aktionen einzuleiten, die deren Zuständigkeit unterliegen und von ihrer Verantwortung bei der Verwaltung des Gemeinwohls abhängig sind. Das Lehramt will an die auf anthropologischer und ethischer Ebene möglichen Bedingungen eines sozialen Denkan satzes erinnern, der den Menschen und die Gemeinschaft in seinen Mittelpunkt rücken muß, damit jede Person sich vollkommen entfalten kann. Es bietet „Leitprinzipien, Urteilskriterien und Richtlinien für das konkrete Handeln“ und zeigt, daß das Wort Gottes „auf das Leben der Menschen und der Gesellschaft sowie auf die damit verbundenen irdischen Wirklichkeiten“ anzuwenden ist (Sollt-citudo rei socialis, Nr. 8). 3. Es handelt sich also in erster Linie um eine Anthropologie, die der langjährigen christlichen Tradition angehört und die von den Wissenschaftlern und Verantwortlichen der Gesellschaft aufgenommen werden muß; denn: , Alles soziale Handeln erfordert eine Lehrgrundlage“ (Paul VI., Populorum progressio, Nr. 39). Dies schließt eine berechtigte Vielfalt an konkreten Lösungen nicht aus in dem Maße, wie die grundlegenden Werte und die Menschenwürde respektiert werden. Ein Wissenschaftler oder jemand, der im öffentlichen Leben Verantwortung trägt, kann seine Entscheidungen nicht nur auf der Grundlage der positiven Wissenschaften treffen, denn sie sehen vom Wesen des Menschen ab und beschäftigen sich mit den sozialen Strukturen und Mechanismen. Sie können nicht Rechenschaft ablegen über das geistige Dasein des Menschen, über sein innerstes Verlangen nach Glück und nach einer übernatürlichen Zukunft, die über die biologischen und sozialen Aspekte des irdischen Daseins hinausgeht. Sich einer solchen Geisteshaltung anzuschließen, die aus epistemologischer Sicht gerechtfertigt ist, hieße, den Menschen „wie ein Werkzeug der Produktion“ zu behandeln (Pius XL, Qua-dragesimo anno). Alles, was sich auf das Gute, auf die Werte und auf das Gewissen bezieht, übersteigt das wissenschaftliche Verfahren und betrifft das geistige 531 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben, die Freiheit und die Verantwortung der Menschen, die aufgrund ihrer Natur dazu gedrängt werden, nach dem Guten zu streben. Deshalb können sozialer Wohlstand und soziales Wachstum nicht auf Kosten der Menschen und der Völker verwirklicht werden. Wenn der Liberalismus oder ein anderes Wirtschaftssystem nur den Kapitaleigentümem Vorrechte einräumt und aus der Arbeit nur ein Werkzeug der Produktion macht, wird es zur Ursache schweren Unrechts. Die rechtmäßige Konkurrenz, die das wirtschaftliche Leben anregt, darf nicht dem grundsätzlichen Recht des Menschen auf eine Arbeit, die es ihm ermöglicht, mit seiner Familie zu leben, im Weg stehen. Denn wie kann sich eine Gesellschaft für reich halten, wenn vielen Menschen in ihrer Mitte das Nötigste zum Leben fehlt? Wenn ein Mensch durch die Armut verletzt und enstellt wird, wird in gewisser Weise die ganze Gesellschaft dadurch entstellt. 4. Was nun die Arbeit betrifft, so muß der erste Grundsatz jedes Wirtschaftssystems die Achtung des Menschen und seiner Würde sein. „Zweck der Arbeit ... bleibt letztlich immer der Mensch selbst“ (Laborem exercens, Nr. 6). Es ist angebracht, all diejenigen, die in verschiedener Hinsicht Arbeitsplätze schaffen und vermitteln, an die drei großen moralischen Werte der Arbeit zu erinnern. Zuallererst ist die Arbeit das hauptsächliche Mittel, um eine spezifisch menschliche Tätigkeit auszuüben. Sie ist „grundlegende Dimension menschlicher Existenz ..., die Tag für Tag das Leben des Menschen aufbaut (und) aus der es die ihm eigene Würde bezieht“ (Laborem exercens, Nr. 1). Sie ist außerdem für jeden Menschen das normale Mittel, um seine eigenen materiellen Bedürfnisse zu decken, sowie diejenigen seiner Brüder, für die er Verantwortung trägt. Die Arbeit hat aber überdies auch eine soziale Funktion. Sie ist ein Zeugnis der Solidarität zwischen den Menschen; jeder ist aufgerufen, seinen Beitrag zum gemeinsamen Leben zu leisten, und kein Mitglied der Gesellschaft sollte aus der Arbeitswelt ausgeschlossen oder ausgegrenzt werden. Denn der Ausschluß aus den Produktionssystemen bringt fast unweigerlich einen weiterreichenden Ausschluß aus der Gesellschaft mit sich, mit dem insbesondere Phänomene der Gewalt und der Spaltung innerhalb der Familien einhergehen. In der heutigen Gesellschaft, in welcher der Individualismus immer mehr zunimmt, ist es wichtig, daß sich die Menschen der Tatsache bewußt werden, daß ihre persönliche, bescheidene und unauffällige Tätigkeit, besonders in der Welt der Arbeit, ein Dienst an ihren Brüdern in der Menschheit und einen Beitrag zum Wohle der ganzen Gemeinschaft darstellt. Diese Verantwortung beruht auf der Verpflichtung zur Gerechtigkeit. In der Tat erhält jeder Mensch sehr viel von der Gesellschaft, und er muß in der Lage sein, seinerseits etwas zu geben, gemäß den eigenen Talenten. 5. Der Mangel an Arbeit, die Arbeitslosigkeit und die Unterbeschäftigung führen viele unserer Zeitgenossen - sowohl in den Industrienationen wie auch in den Ge- 532 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seilschaften mit traditionellen Wirtschaftssystemen - dazu, den Sinn ihres Daseins in Frage zu stellen und an der Zukunft zu verzweifeln. Damit der Fortschritt dem Menschen wirklich dienlich ist, muß man die Notwendigkeit einsehen, daß alle Menschen auf organische Art und Weise in den Produktionsprozeß oder in die Dienstleistungen der Sozialstruktur eingefügt sind, um deren Gestalter zu werden und an deren Frucht Anteil zu haben. Dies ist besonders wichtig für die Jugendlichen, die zu Recht wünschen, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, einen Platz im sozialen Gefüge zu finden und eine Familie zu gründen. Wie können sie ihr Selbstvertrauen entwickeln und von den anderen anerkannt werden, wenn ihnen nicht die Mittel gegeben werden, um in das Netz der Berufswelt eingebunden zu werden? In einer Epoche, in der die Vollbeschäftigung nicht mehr möglich ist, sind der Staat und die Unternehmen verpflichtet, eine bessere Verteilung der Aufgaben unter allen Arbeitenden zustande zu bringen. Die beruflichen Einrichtungen und die Arbeiter selbst müssen für das Wohl aller imstande sein, diese Verteilung und vielleicht sogar einen geringen Verlust an erworbenen Vorteilen zu akzeptieren. Es handelt sich hierbei um einen Grundsatz der menschlichen Gerechtigkeit und der Sozialmoral wie auch der christlichen Nächstenliebe. Niemand darf in einer rein individualistischen Perspektive denken oder in einem allzu streng korporativi-stischen Geist; jeder ist aufgefordert, die Gesamtheit seiner Brüder in Betracht zu ziehen. Es empfiehlt sich also, unsere Zeitgenossen zu erziehen, damit sie sich des begrenzten Charakters des Wirtschaftswachstums bewußt werden, um nicht die falsche und illusorische Aussicht zu erwecken, die der Mythos des nie endenden Fortschritts zu bieten scheint. 6. Sie haben Ihre Forschung auch auf ihre politischen und demographischen Konsequenzen ausdehnen wollen. Ihre Bewertung der interna tionalen Situation wird ein wertvoller Beitrag sein, damit die zahlreichen Faktoren, die mit der wirtschaftlichen Entwicklung Zusammenhängen, ersichtlich werden. Angesichts der Ausdehnung dieser Probleme auf die ganze Welt würdige ich Ihre Bemühung, ein Verfahren vorzuschlagen, das in erster Linie der demographischen Aufteilung der Arbeit Rechnung trägt, aber auch der Situation der Entwicklungsländer, die bei der Entscheidung über internationale Strategien nicht unbeachtet bleiben dürfen. Angesichts der Schwierigkeiten, denen sie im Laufe ihrer langwierigen politischen und wirtschaftlichen Umgestaltungen gegenüberstehen, darf man die Solidarität nicht aufgeben. 7. Meine Damen und Herren der Akademie, anläßlich Ihrer zweiten Vollversammlung möchte ich Sie erneut meines ganzen Vertrauens und meiner Wertschätzung versichern. Die Kirche zählt auf Sie, um in den Bereichen erleuchtet zu werden, in denen sich immer mehr die Dringlichkeit und die Notwendigkeit von Entscheidungen bemerkbar machen, die eine solidarischere und brüderlichere Zukunft innerhalb der einzelnen Nationen und zwischen allen verschiedenen Völkern 533 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Welt eröffnen werden. Ich spreche Ihnen meine besten Wünsche für Ihre Arbeit aus und rufe auf Sie die Hilfe des Geistes der Wahrheit und den Segen des Herrn herab. Feste Zuversicht auf rettende Wiedergutmachung Botschaft an die Teilnehmer eines Fortbildungskurses der Apostolischen Pönitentiarie vom 22. März An Herrn Kardinal William W. Baum Großpönitentiar 1. Der Kurs über das „forum intemum“ - den diese Apostolische Pönitentiarie seit einigen fahren für Neupriester oder Priesteramtskandidaten abzuhalten pflegt, deren Wunsch es ist, sich vorzubereiten, um den Heilsauftrag des vergebenden Herrn besser zu erfüllen - neigt sich dem Ende zu, und es ist mir ein Anliegen, allen Teilnehmern durch Ihre freundliche Vermittlung, Herr Kardinal, eine besondere Botschaft zukommen zu lassen, die ihnen meine Befriedigung bezeugen und zugleich ihren Einsatz im Dienst an den Brüdern lenken soll. Bei früheren Anlässen hatte ich Gelegenheit, die Thematik des Bußsakraments unter unterschiedlichen Blickwinkeln zu entfalten, indem ich die Funktionen des Beichtvaters unter dem doktrinären, dem mystischen und psychologischen Profil in bezug auf die möglichst perfekte Erfüllung dieser seiner erhabenen Aufgabe erläuterte. 2. Ich möchte nun zu der ausdrücklichen, wenn auch sicher nicht erschöpfenden Betrachtung einiger Aspekte übergehen, die denjenigen betreffen, der der Begünstigte des heiligen Ritus der Buße ist: Er kann und muß in der sakramentalen Beichte sein Leben als Christ erneuern, festigen, zur Heiligkeit wenden; und zwar das Leben der übernatürlichen Liebe, die man in der Kirche Gott, unserem Vater, und unseren Mitmenschen gegenüber erlangt und ausübt. Im Sakrament der Buße, d. h. dem Sakrament der Beichte und der Versöhnung, erneuert sich als persönliche Geschichte jedes Herzens die Begebenheit des Zöllners aus dem Evangelium, der als Gerechter den Tempel verließ: „Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 18,13-14). Das eigene Elend vor Gott zu bekennen bedeutet nicht sich zu erniedrigen, sondern die Wahrheit des eigenen Zustands zu leben und so die wahre Größe der Gerechtigkeit und der Gnade nach dem Sündenfall zu erlangen, der eine Folge der Bosheit und der Schwäche ist; es bedeutet emporzusteigen zum höchsten Seelen- 534 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN frieden und in vitale Beziehung zu Gott zu treten, der barmherzig ist und treu. Die so gelebte Wahrheit ist die einzige, die uns in der menschlichen Bedingung wirklich frei macht: Das beweist das Gotteswort (Joh 8,31-34), welches - bezüglich unserer geistigen Verfassung - das dem Menschen vom Ewigen Wort im „kairos“ (Zeitpunkt der Entscheidung) der Fülle der Zeiten gebrachte Licht ausführlich darstellt. 3. Die Wahrheit, die vom Wort kommt und uns zu Ihm bringen soll, macht deutlich, warum die sakramentale Beichte nicht von einem rein psychologischen Impuls herrühren und begleitet sein darf - nahezu als ob das Sakrament ein Ersatz eben der Psychotherapien sei -, sondern von dem auf übernatürliche Ursachen gegründeten Schmerz, weil die Sünde die Liebe zu Gott, dem Höchsten Gut, verletzt, die Leiden des Erlösers verursacht und den Verlust der ewigen Güter zur Folge hat. In dieser Perspektive zeigt sich deutlich, daß die Beichte demütig und vollständig sein muß, begleitet von der festen und hochherzigen Absicht der Wiedergutmachung für die Zukunft und schließlich vom Vertrauen, diese nämliche Wiedergutmachung zu erreichen. Was die Demut anbelangt, so ist offensichtlich, daß das Sündenbekenntnis ohne sie eine unnütze Aufzählung wäre, oder schlimmer, ein dreister Anspruch auf das Recht, die Sünden zu begehen: das „Non serviam“, dessentwegen die aufständischen Engel fielen und der erste Mensch sich und seine Nachkommenschaft verlor. In der Tat ist die Demut gleich mit der Verabscheuung des Bösen: „Denn ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt. So behältst du recht mit deinem Urteil, rein stehst du da als Richter“ (Ps 51/50,5-6). 4. Die Beichte muß außerdem vollständig sein, in dem Sinne, daß sie „omnia pec-cata mortalia“ darlegen muß, wie das Konzil von Trient in der 14. Sitzung, im 5. Kapitel, ausdrücklich bestätigt und diese Notwendigkeit nicht in den Grenzen einer einfachen Disziplinarvorschrift der Kirche erklärt, sondern als Anspruch göttlichen Rechtes, weil der Herr bei der Gründung des Sakramentes salbst dergleichen festgelegt hat: „Aus der ... Einsetzung des Bußsakramentes hat die gesamte Kirche immer ersehen, daß vom Herrn auch das vollständige Bekenntnis der Sünden eingesetzt wurde und daß es für alle nach der Taufe Gefallenen nach göttlichem Recht notwendig ist, weil unser Herr Jesus Christus, als er von der Erde zu den Himmeln hinaufstieg, die Priester als seine eigenen Stellvertreter zurückließ, als Vorsteher und Richter, vor die alle Todsünden gebracht werden sollen, in die die Christgläubigen gefallen sind ..." (Denzinger-Schönmetzer, 1679). Die Kanones 7 und 8 derselben Sitzung sprechen in präziser Rechtsform all das aus: Kan. 7 - Wer sagt, beim Sakrament der Buße sei es zur Vergebung der Sünden nicht nach göttlichem Recht notwendig, die Todsünden samt und sonders zu bekennen, an die man sich nach gehöriger und sorgfältiger vorheriger Überlegung 535 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erinnert, auch die verborgenen und diejenigen, die gegen die zwei letzten Vorschriften der Zehn Gebote gerichtet sind, mitsamt den Umständen, die die Art der Sünde verändern; sondern dieses Bekenntnis sei nur zur Erziehung und Tröstung des Büßenden nützlich und sei einst nur in Gebrauch gewesen, um eine kanonische Genugtuung aufzuerlegen; oder sagt, wer alle Sünden zu bekennen trachte, wolle der göttlichen Barmherzigkeit nichts zum Verzeihen übriglassen; oder schließlich, man dürfe keine verzeihlichen Sünden bekennen: der sei mit dem Anathema belegt (Denzinger-Schönmetzer, 1707). Kan. 8 - Wer sagt, das Bekenntnis aller Sünden, wie es die Kirche festhält, sei unmöglich und eine menschliche Überheferung, die von frommen Menschen abgeschafft werden müsse; oder es seien nicht die Christgläubigen beiderlei Geschlechts samt und sonders nach der Bestimmung des großen Laterankonzils einmal im Jahr dazu verpflichtet, und deshalb müsse man den Christgläubigen raten, in der Fastenzeit nicht zu beichten: der sei mit dem Anathema belegt (Denzinger-Schönmetzer, 1708). 5. Teilweise auf Grund der irrigen Herabminderung der moralischen Wertigkeit zu der alleinigen sogenannten „Grundoption“, teilweise auf Grund der gleichfahs falschen Beschränkung des Gehalts des Moralgesetzes auf das alleinige Gebot der Nächstenhebe - oft vage mit Ausschluß der anderen Sünden verstanden - teilweise auch - und es ist vielleicht diese die verbreitetste Begründung solchen Verhaltens - auf Grund einer willkürlichen und reduktiven Auslegung der „Freiheit der Kinder Gottes“ - als mutmaßliche Beziehung privater Vertraulichkeit gewollt, in der man von der Vermittlung der Kirche absieht - legen heute leider nicht wenige Gläubige, die sich dem Bußsakrament nähern, nicht das vollständige Bekenntnis der Todsünden im soeben angeführten Sinn des Konzils von Trient ab. Mitunter reagieren sie auch auf den Beichtvater, der gebührend in bezug auf die notwendige Vollständigkeit befragt, als ob er sich eine ungehörige Einmischung in den Gewissensschrein erlaube. Ich wünsche mir und bete, damit diese wenig erleuchteten Gläubigen - auch kraft dieser vorliegenden Unterweisung - zu der Überzeugung kommen, daß die Vorschrift, derentwegen die spezifische und numerische Vollständigkeit verlangt wird - soviel das aufrichtig befragte Gedächtnis zu begreifen gestattet - nicht eine ihnen in eigenmächtiger Weise auferlegte Last ist, sondern ein Mittel der Befreiung und der Klarheit. Es versteht sich ferner von selbst, daß das Sündenbekenntnis den ernsthaften Vorsatz einschließen muß, in der Zukunft keine weiteren Sünden zu begehen. Fehlte diese seelische Einstellung, wäre in Wirklichkeit keine Reue vorhanden: Denn diese betrifft das moralisch Schlechte als solches, und demnach keine Gegenposition in bezug auf ein mögliches, sittliches Übel einnehmen würde heißen, das Böse nicht zu verabscheuen, keine Reue zu zeigen. Aber wie diese vor allem vom Schmerz, Gott beleidigt zu haben, herrühren muß, so muß sich die Absicht, nicht zu sündigen, auf die göttliche Gnade stützen, die der Herr dem niemals fehlen läßt, der das ihm Mögliche tut, um ehrlich zu handeln. Wenn wir den Entschluß, nicht mehr zu sündigen, auf unsere alleinige Kraft oder hauptsächlich auf unsere Kraft 536 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gründen wollten - mit einer angemaßten Unabhängigkeit von fremder Hilfe, fast christlicher Gelassenheit oder wiederbelebtem Pelagianismus würden wir jener Wahrheit über den Menschen Unrecht tun, von der wir ausgegangen sind; als ob wir dem Herrn mehr oder weniger bewußt erklärten, Ihn nicht zu brauchen. Man muß allerdings bedenken, daß eine Sache das Vorhandensein des ehrlichen Vorsatzes ist, etwas anderes das Urteil des Intellekts hinsichtlich der Zukunft: Es ist nämlich möglich, daß - auch in der Aufrichtigkeit des Vorhabens, nicht mehr zu sündigen - die Erfahrung der Vergangenheit und das Bewußtsein der derzeitigen Schwäche die Furcht vor Rückfällen wecken; das beeinträchtigt jedoch nicht die Authentizität des Vorhabens, wenn an jene Furcht der Wille gebunden ist - vom Gebet unterstützt -, zu tun, was möglich ist, um die Schuld zu meiden. 6. Und hier kehrt die Berücksichtigung der Zuversicht wieder, die die Verabscheuung der Sünde, deren demütiges Bekenntnis, den festen Willen begleiten muß, nicht mehr zu sündigen. Zuversicht ist Anwendung - mögliche und gebotene - der übernatürlichen Hoffnung auf Grund derer und auf Grund von deren Zusagen und der Verdienste Jesu Christi, des Heilands, wir von der göttlichen Güte das ewige Leben und die erforderlichen Gnadenerweise erwarten, um es zu erlangen. Die Zuversicht ist auch Ausdruck jener Achtung, die wir uns selbst als Geschöpfen Gottes schuldig sind, der uns schon von Natur aus edel, aller materialen Schöpfung überlegen, gemacht hat; der uns zur Gnade erhoben, uns in seiner Barmherzigkeit erlöst hat. Sie ist Ansporn, dort all unsere Kräfte aufzubieten, wo der Mangel an Gottvertrauen Skepsis und lähmende Kälte ist. Es ist diesbezüglich die Lehre von entscheidendem Wert, die uns das Evangelium hinsichtlich der Endtragödie des Verrats des Judas und der rettenden Wiedergutmachung des Petrus bietet. Judas empfand Reue. Das Evangelium drückt es deutlich aus: „Als nun Judas, der ihn verraten hatte, sah, daß Jesus zum Tod verurteilt war, reute ihn seine Tat. Er brachte den Hohenpriestern und den Ältesten die dreißig Silberstücke zurück und sagte: Ich habe gesündigt, ich habe euch einen unschuldigen Menschen ausgeliefert“ (Mt 27,3-4). Judas varband jedoch diese Reue nicht mit dem Wort, das Jesus zu ihm, gerade während er den Verrat beging, gesagt hatte: „Freund“ (Mt 26,48); er hatte keine Zuversicht und nahm sich das Leben. Petrus war - in fast ebenso schwerwiegen der Weise - gut dreimal gefallen, aber er hatte Vertrauen und wurde von Christus, als er nach dem Osterfest die dreifältige Wiedergutmachung mittels der Liebe gemacht hatte, in seinem Amt bestätigt. Der hl. Johannes gibt uns auf wunderbare Weise den Anlaß, die Kraft, die Süße unserer Hoffnungen: „Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (1 Joh 4,16). 7. Während ich mich an die Kursteilnehmer wende, denke ich in meinem Herzen an alle Priester der Welt. Die soeben angestellten Überlegungen sind dem Amt gewidmet, das wir Priester - und zwar alle - bekleiden, damit wir uns nicht nur 537 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN großherzig verwenden, um die sakramentalen Beichten der Gläubigen anzuhören, sondern damit wir sie auch - in der liturgischen Homilie, in der Katechese, in der geistlichen Führung, in jeder möglichen Form unseres Dienstes an der Wahrheit -beständig ausbilden, mit größter Bereitschaft aus dieser wunderbaren Gabe der Barmherzigkeit Gottes Nutzen zu ziehen, welche das Bußsakrament ist. Um dieselbe Gnade bitten wir den Herrn für uns, die wir - Brüder unter Brüdern - uns, um heilig zu werden, von der Sünde befreien müssen, indem wir jenes nämliche Sakrament als Pönitenten in Anspruch nehmen. Während ich nun der mütterlichen Fürbitte der Heiligen Jungfrau das künftige Amt der jungen Leute anvertraue, die am Kurs mit so großem Einsatz teilgenommen haben, rufe ich auf alle den Beistand des göttlichen Wohlwollens herab, als Zeichen dessen ich Euch nun meinen besonderen Apostolischen Segen erteile. Aus dem Vatikan, am 22. März 1996 VITA CONSECRATA Nachsynodales Apostolisches Schreiben an den Episkopat und den Klerus, an die Orden und Kongregationen, an die Gesellschaften des Apostolischen Lebens, an die Säkularinstitute und an alle Gläubigen über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt vom 25. März Einleitung 1. Das Geweihte Leben, tiefverwurzelt im Beispiel und in der Lehre Christi, des Herrn, ist ein Geschenk Gottes des Vaters durch den Geist an seine Kirche. Mit dem Bekenntnis zu den evangelischen Räten erlangen die Wesenszüge Jesu -Jungfräulichkeit, Armut und Gehorsam — eine typische und beständige „Sichtbarkeit“ mitten in der Welt, und der Blick der Gläubigen wird auf jenes Geheimnis des Gottesreiches gelenkt, das bereits in der Geschichte wirksam ist, seine Vollendung aber im Himmel erwartet. Jahrhunderte hindurch hat es nie an Männern und Frauen gefehlt, die dem Ruf des Vaters und der Einladung des Geistes folgten und diesen Weg der besonderen Nachfolge Christi wählten, um sich ihm mit „ungeteiltem“ Herzen (vgl. 1 Kor 7,34) hinzugeben. Auch sie haben wie die Apostel alles verlassen, um bei ihm zu bleiben und sich wie er in den Dienst vor Gott und an den Schwestern und Brüdern zu stellen. Auf diese Weise haben sie dazu beigetragen, das Geheimnis und die Sendung der Kirche offenbar zu machen durch die vielfältigen Gnadengaben geistlichen und apostolischen Lebens, die der Heilige Geist ihnen zuteilte, und folglich haben sie auch an der Erneuerung der Gesellschaft mitgewirkt. 538 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dank für das geweihte Leben 2. Die Rolle des geweihten Lebens in der Kirche ist so bedeutsam, daß ich die Einberufung einer Synode beschlossen habe, um seine Bedeutung und seine Perspektiven im Hinblick auf das bevorstehende neue Jahrtausend zu vertiefen. Ich wollte, daß bei der Synodenversammlung neben den Synodenvätem auch zahlreiche Personen des geweihten Lebens anwesend wären, damit bei den gemeinsamen Überlegungen ihr Beitrag nicht fehlte. Wir wissen alle um den Reichtum, den das Geschenk des geweihten Lebens mit der Vielfalt seiner Charismen und Einrichtungen für die kirchliche Gemeinschaft darstellt. Gemeinsam danken wir Gott für die Orden und für die Ordensinstitute, die sich der Betrachtung und den Werken des Apostolats widmen, für die Gesellschaften des apostolischen Lebens, für die Säkularinstitute und für andere Gruppen geweihter Personen sowie für alle, die sich im Innersten ihres Herzens mit besonderer Weihe Gott hingeben. Bei der Synode war die weltweite Verbreitung des geweihten Lebens, das in den Kirchen überall auf der Erde präsent ist, mit Händen zu greifen. Es spornt die Entwicklung der Evangelisierung in den verschiedenen Regionen der Welt an und begleitet sie, wo nicht nur die von auswärts stammenden Institute dankbar aufgenommen werden, sondern auch neue entstehen mit einer großen Vielfalt an Ausdrucksformen. Wenn auch die Institute des geweihten Lebens in manchen Gegenden der Erde eine schwierige Zeit durchzumachen scheinen, gedeihen sie in anderen Regionen mit erstaunlicher Kraft und beweisen damit, daß die Entscheidung für die Ganzhingabe an Gott in Christus in keinster Weise mit der Kultur und der Geschichte eines Volkes unvereinbar ist. Auch blüht das geweihte Leben nicht nur innerhalb der katholischen Kirche; tatsächlich findet es sich besonders lebendig im Mönchtum der orthodoxen Kirchen und gehört als Wesenszug zu deren Erscheinungsbild; und auch in den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ist es im Begriff zu entstehen oder wiederzuentstehen, gleichsam als Zeichen einer gemeinsamen Gnade der Jünger Christi. Aus dieser Feststellung ergibt sich ein Impuls für die Ökumene, die das Verlangen nach einer immer volleren Gemeinschaft unter den Christen nährt, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Das geweihte Leben - ein Geschenk an die Kirche 3. Die weltweite Präsenz des geweihten Lebens und der evangelische Charakter seines Zeugnisses zeigen mit aller Deutlichkeit - falls notwendig - daß es keine isolierte Randerscheinung ist, sondern die ganze Kirche betrifft. Die Bischöfe auf der Synode haben dies wiederholt bestätigt: de re nostra agitur, „es geht um et- 539 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN was, das uns betrifft“. <32> Tatsächlich steht das geweihte Leben als entscheidendes Element für die Sendung der Kirche in deren Herz und Mitte, da es „das innerste Wesen der christlichen Berufung offenbart und darstellt“ <33> und das Streben der ganzen Kirche als Braut nach der Vereinigung mit dem einen Bräutigam zum Ausdruck bringt. <34> Auf der Synode wurde mehrmals bestätigt, daß das geweihte Leben nicht nur in der Vergangenheit eine Rolle der Hilfe und der Unterstützung für die Kirche gespielt habe, sondern daß es auch für die Gegenwart und die Zukunft des Gottesvolkes ein kostbares und unerläßliches Geschenk ist, weil es zutiefst zu dessen Leben, Heiligkeit und Sendung gehört. <35> <32> Vgl. Propositio 2. <33> II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 18. <34> Vgl. H. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 44; Paul VI., Apost. Schreiben Evangelica testificatio (29. Juni 1971), Nr. 7: ,4,4b 63(1971)501-502; Apost. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dez. 1975), Nr. 69: AAS 68(1976)59. <35> Vgl. U. Vat. Konzil, Dogmat. Konst, über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 44. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten, auf die nicht wenige Institute in einigen Gegenden der Welt stoßen, dürfen nicht zu Zweifeln daran verleiten, daß das Bekenntnis zu den evangelischen Räten wesentlicher Bestandteil des Lebens der Kirche ist, dem es einen wertvollen Impuls zu einer immer konsequenteren Verwirklichung des Evangeliums verleiht. <36> Es wird in der Geschichte eine weitere Vielfalt an Formen geben können, aber das Wesen einer Entscheidung, die in der Radikalität der Selbsthingabe aus Liebe zum Herrn Jesus und in ihm zu jedem Angehörigen der Menschheitsfamilie ihren Ausdruck findet, wird sich nicht ändern. Auf diese Gewißheit, die im Laufe der Jahrhunderte zahllose Menschen zu mutigem Entschluß angeregt hat, zählt das christliche Volk auch weiterhin, wohl wissend, daß es aus dem Beitrag dieser hochherzigen Seelen eine wirksame Hilfe auf seinem Weg zur himmlischen Heimat erfahren kann. <36> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz (28. September 1994), Nr. 5: L’Osservatore Romano, 29. Sept. 1994, S. 4. Zusammenstellung der Ergebnisse der Synode 4. Dem Wunsch der Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode folgend, die zusammengetreten war, um über das Thema „Das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt“ zu beraten, will ich in diesem Apostolischen Schreiben die Ergebnisse des synodalen Programms vorlegen <37> und allen Gläubigen - Bischöfen, Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien - sowie allen, die zuhören wollen, die Wunder aufzeigen, die der Herr auch heute durch das geweihte Leben vollbringen will. <37> Vgl. Propositio 1. Nach den Synoden, die den Laien und den Priestern gewidmet waren, vervollständigt diese Synode die Behandlung der besonderen Eigenheiten, die die vom Herrn Jesus für seine Kirche vorgesehenen Lebensstände kennzeichnen. Auch wenn auf dem II. Vatikanischen Konzil die große Wirklichkeit der kirchlichen Gemeinschaft 540 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hervorgehoben wurde, in der sämtliche Gaben zusammenströmen für den Aufbau des Leibes Christi und für die Sendung der Kirche in der Welt, so machte sich doch in den letzten Jahren die Notwendigkeit bemerkbar, die Identität der verschiedenen Stände des Lehens, ihre Berufung und ihren besonderen Auftrag in der Kirche deutlicher herauszustellen. Die Gemeinschaft in der Kirche bedeutet ja nicht Einförmigkeit, sondern Geschenk des Geistes, der auch die Vielfalt der Charismen und der Lebensformen durchdringt. Diese werden für die Kirche und ihre Sendung um so nützlicher sein, je konsequenter ihre Identität eingehalten wird. Denn jede Gabe des Geistes wird gewährt, damit sie im Wachsen der Brüderlichkeit und der Sendung Frucht bringe für den Herrn. <38> <38> Vgl. Hl. Franz von Sales, Introduction ä la vie devote, p. I, c. 3, CEuvres, t. UI, Annecy 1893, S. 19-20. Das Wirken des Geistes in den verschiedenen Formen des geweihten Lebens 5. Wie sollte man nicht voll Dankbarkeit gegenüber dem Geist an die Fülle der historischen Formen des geweihten Lebens erinnern, die von ihm geweckt wurden und noch immer im kirchlichen Gefüge vorhanden sind? Sie erscheinen uns wie ein Baum mit vielen Zweigen, <39> dessen Wurzeln tief in das Evangelium hineinreichen und der in jeder Epoche der Kirche üppige Früchte hervorbringt. Was für ein außerordentlicher Reichtum! Ich selbst habe zum Abschluß der Synode den Wunsch verspürt, dieses in der Geschichte der Kirche konstante Element hervorzuheben: die Schar von Ordensgründem und -gründerinnen, von heiligen Männern und Frauen, die sich in der Radikalität des Evangeliums und im Dienst an den Brüdern und Schwestern, besonders an den Armen und Verlassenen, für Christus entschieden haben. <40> Gerade in diesem Dienst wird mit besonderer Klarheit sichtbar, daß das geweihte Leben die Einheitlichkeit des Liebesgebotes in der untrennbaren Verbundenheit von Gottes- und Nächstenliebe offenbar macht. <39> Vgl. H. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 43. <40> Vgl. Johannes Paul II., Predigt bei der feierlichen Konzelebration zum Abschluß der IX. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode (29. Oktober 1994), 3: AAS 87(1995)580. Die Synode hat dieses unablässige Wirken des Heiligen Geistes erwähnt, das im Laufe der Jahrhunderte die Reichtümer der Anwendung der evangelischen Räte durch die vielfältigen Charismen zur Entfaltung bringt und auch auf diese Weise in Kirche und Welt, in Zeit und Raum beständig das Geheimnis Christi gegenwärtig macht. Monastisches Leben in Ost und West 6. Die Synodenväter der katholischen Ostkirchen und die Vertreter der anderen Kirchen des Orients haben in ihren Ausführungen die evangelischen Werte des 541 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN monastischen Lebens10 unterstrichen, das bereits in den Anfangszeiten des Christentums in Erscheinung trat und in ihren Ländern, besonders in orthodoxen Kirchen, noch heute von blühender Lebendigkeit ist. Seit den ersten Jahrhunderten der Kirche hat es Männer und Frauen gegeben, die sich berufen fühlten, den Dienst des fleischgewordenen Wortes nachzuahmen, und sich in seine Nachfolge begeben haben, indem sie die Anforderungen, die sich aus der der Taufe entspringenden Teilhabe am Ostergeheimnis seines Todes und seiner Auferstehung ergeben, im Ordensberuf in besonderer und radikaler Weise lebten. Während sie auf diese Weise zu Trägem des Kreuzes (staurophöroi) wurden, haben sie sich verpflichtet, Zeugen des Geistes (pneumatophöroi) zu werden, wahrhaft geistliche Männer und Frauen, die in der Lage sind, durch Lobpreis und ständige Fürbitte, durch die asketischen Ratschläge und durch die Werke der Liebe die Geschichte im Verborgenen zu befrachten. In der Absicht, die Welt und das Leben in Erwartung der endgültigen Schau des Angesichtes Gottes zu verwandeln, bevorzugt das orientalische Mönchtum die Bekehrung, den Selbstverzicht und die Zerknirschung des Herzens, die Suche der Hesychie, d.h. des inneren Friedens, und das unablässige Gebet, das Fasten und die Nachtwachen, das geistige Ringen und das Schweigen, die österliche Freude über die Gegenwart des Herrn und über die Erwartung seines endgültigen Kommens, die Hingabe seiner selbst und seiner Habe, wie sie in der heiligen Gemeinschaft des Klosters oder in der Einsamkeit der Eremitage gelebt wird. <41> <42> Auch das Abendland hat seit den ersten Jahrhunderten der Kirche das monastische Leben praktiziert und eine große Vielfalt an Ausdrucksformen sowohl im klösterlichen Bereich als auch im eremitischen Mönchtum gekannt. In seiner heutigen Gestalt, die vor allem vom hl. Benedikt inspiriert wurde, ist das abendländische Mönchtum Erbe vieler Männer und Frauen, die sich vom weltlichen Leben abgewandt haben, Gott suchten und sich ihm weihten, „indem sie der Liebe zu Christus nichts vorzogen“. <43> Auch die Mönche von heute bemühen sich um einen harmonischen Einklang zwischen innerem Leben und Arbeit in der Verpflichtung nach dem Evangelium zur Änderung der Gewohnheiten, zum Gehorsam, zur Beständigkeit und in der eifrigen Hingabe an die Betrachtung des Wortes (lectio divina), an die Feier der Liturgie und das Gebet. Die Klöster waren und sind noch immer im Herzen der Kirche und der Welt ein ausdrucksvolles Zeichen von Gemeinschaft, ein einladender Aufenthaltsort für diejenigen, die Gott und die Welt des Geistes suchen; sie sind Glaubensschulen und wahre Werkstätten für Studium, Dialog und Kultur zum Aufbau des kirchlichen Lebens und auch, in Erwartung der himmlischen Stadt, zum Aufbau der irdischen. <41> Vgl. Bischofssynode, IX. Ordentliche Generalversammlung, Botschaft der Synode (27. Okt. 1994), VII: L’Osservatore Romano, 29. Okt. 1994, S. 7. <42> Vgl. Propositio 5, B. <43> Vgl. Regula, 4, 21 und 72, 11. 542 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Weihe der Jungfrauen, die Eremiten und die Witwen 7. Grund zu Freude und Hoffnung ist es zu sehen, daß die bereits seit der apostolischen Zeit in den christlichen Gemeinden bezeugte alte Weihe der Jungfrauen heute wiederaufblüht. <44> <45> Durch ihre Weihe durch den Diözesanbischof erwerben sie eine besondere Bindung an die Kirche, deren Dienst sie sich widmen, auch wenn sie weiter in der Welt bleiben. Allein oder in Gemeinschaft stellen sie ein besonderes eschatologisches Bild von der himmlischen Braut und dem zukünftigen Leben dar, wenn die Kirche endlich die Liebe zu ihrem Bräutigam Christus in Fülle leben wird. <44> Vgl. Propositio 12. <45> Vgl. Kodex des Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 570. Die als Eremiten lebenden Männer und Frauen, die alten Orden oder neuen Instituten angehören oder auch unmittelbar vom Bischof abhängig sind, bezeugen mit ihrer inneren und äußeren Trennung von der Welt den vorläufigen Charakter der Gegenwart und beweisen durch Fasten und Buße, daß der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern vom Wort Gottes (vgl. Mt 4,4). Ein solches Leben „in der Wüste“ ist eine Aufforderung an den Nächsten und zugleich an die kirchliche Gemeinschaft, niemals die höchste Berufung aus den Augen zu verlieren, nämlich immer beim Herrn zu sein. Heute wird auch wieder die schon zur Zeit der Apostel bekannte (vgl. 1 Tim 5,5.9-10; 1 Kor 7,8) Weihe der Witwen14 vollzogen sowie jene der Witwer. Durch das Gelöbnis ewiger Keuschheit als Zeichen des Reiches Gottes heiligen diese Personen ihren Stand, um sich dem Gebet und dem Dienst an der Kirche zu widmen. Institute, die sich ganz der Kontemplation widmen 8. Die Institute, die ganz auf die Kontemplation ausgerichtet sind und aus Frauen oder Männern bestehen, sind für die Kirche ein Grund zur Freude und eine Quelle himmlischer Gnaden. Mit ihrem Leben und ihrer Sendung ahmen die Personen dieser Institute Christus nach, der auf den Berg stieg, um zu beten, geben Zeugnis von Gottes Herrschaft über die Geschichte und nehmen die künftige Herrlichkeit vorweg. In der Einsamkeit und im Stillschweigen, durch das Hören des Wortes Gottes, durch die Feier des Gottesdienstes, durch die persönliche Askese und das Gebet, durch die Abtötung und die geschwisterliche Liebesgemeinschaft orientieren sie ihr ganzes Leben und ihre Tätigkeit an der Kontemplation Gottes. Auf diese Weise geben sie der kirchlichen Gemeinschaft ein einzigartiges Zeugnis der Liebe der Kirche zu ihrem Herrn und tragen mit einer geheimnisvollen apostolischen Fruchtbarkeit zum Wachstum des Volkes Gottes bei. <46> <46> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 7; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 40. 543 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Daher ist der Wunsch berechtigt, daß die verschiedenen Formen kontemplativen Lebens als Ausdruck tiefer Verwurzelung im Evangelium eine zunehmende Verbreitung in den jungen Kirchen finden, vor allem in jenen Regionen der Welt, wo andere Religionen stärker verbreitet sind. Dies wird es ermöglichen, Zeugnis zu geben von der Kraft der Traditionen christlicher Askese und Mystik, und wird den interreligiösen Dialog fördern. <47> <47> Vgl. Propositio 6. Das apostolische Ordensleben 9. Im Abendland sind im Laufe der Jahrhunderte vielfältige andere Ausdrucksformen des Ordenslebens zur Blüte gelangt, in denen unzählige Menschen nach der Absage an die Welt durch das öffentliche Bekenntnis zu den evangelischen Räten, entsprechend einem besonderen Charisma und in einer festen Form gemeinschaftlichen Lebens <48> sich Gott für einen vielgestaltigen apostolischen Dienst am Volk Gottes geweiht haben. So etwa die verschiedenen Ordensfamilien der Regularkanoniker, die Bettelorden, die Regularkleriker und im allgemeinen die männlichen und weiblichen Ordenskongregationen, die sich der apostolischen Arbeit, der Missionstätigkeit und den vielfältigen Werken widmen, die die christliche Liebe hervorgebracht hat. <48> Vgl. Propositio 4. Es ist ein Zeugnis von wunderbarer Mannigfaltigkeit, in dem sich die Vielfalt der von Gott den Ordensgründem und -gründerinnen gespendeten Gaben widerspiegelt, die in ihrem Offensein für das Wirken des Heiligen Geistes die Zeichen der Zeit zu deuten und den nach und nach auftretenden Erfordernissen auf glänzende Weise zu entsprechen verstanden. Ihrem Beispiel folgend haben viele andere mit Wort und Tat versucht, das Evangelium in ihrem eigenen Leben zu verwirklichen, um die lebendige Gegenwart Jesu, des Geweihten im wahrsten Sinne des Wortes und des Apostels des Vaters, in ihrer Zeit wieder geltend zu machen. Christus, den Herrn, müssen sich die Personen des geweihten Lebens immer und zu allen Zeiten zum Vorbild nehmen, indem sie im Gebet eine tiefe Gesinnungsgemeinschaft mit ihm pflegen (vgl. Phil 2,5-11), damit ihr ganzes Leben von dem apostolischen Geist durchdrungen werde und die gesamte apostolische Tätigkeit von Kontemplation erfüllt sei. <49> <49> Vgl. Propositio 7. Die Säkularinstitute 10. Der Heilige Geist, wunderbarer Schöpfer der Vielfalt der Charismen, hat in unserer Zeit neue Ausdrucksweisen geweihten Lebens geschenkt, gleichsam als wollte er, einem Plan der Vorsehung entsprechend, den neuen Bedürfnissen Ge- 544 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nüge tun, denen die Kirche heute bei der Erfüllung ihrer Sendung in der Welt begegnet. Ich denke vor allem an die Säkularinstitute, deren Mitglieder die Weihe an Gott in der Welt durch das Bekenntnis zu den evangelischen Räten im Rahmen der zeitlichen Strukturen leben wollen, um auf diese Weise innerhalb des kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Lebens Sauerteig der Weisheit und Zeugen der Gnade zu sein. Durch die ihnen eigene Synthese von Säkularem und Weihe wollen sie in die Gesellschaft die neuen Kräfte des Reiches Christi einbringen und die Welt durch die Kraft der Seligpreisungen von innen her zu verwandeln suchen. Während die völlige Zugehörigkeit zu Gott sie ganz für seinen Dienst aufgehen läßt, bestärkt so ihre Tätigkeit in der normalen weltlichen Umgebung unter dem Wirken des Geistes die Beseelung der säkularen Gegebenheiten aus dem Evangelium. Die Säkularinstitute tragen so dazu bei, der Kirche je nach der spezifischen Gabe eines jeden Instituts eine ausgeprägte Präsenz in der Gesellschaft zu gewährleisten. <50> Eine wertvolle Funktion üben auch die klerikalen Säkularinstitute aus, in denen sich Priester, die dem Presbyterium einer Diözese angehören, auch wenn einigen von ihnen die Inkardination im eigenen Institut zuerkannt wird, durch die einem besonderen Charisma entsprechende praktische Befolgung der evangelischen Räte Christus weihen. Sie finden in den geistlichen Reichtümem des Instituts, dem sie angehören, eine große Hilfe, um die dem Priestertum eigene Spiritualität zu leben und so Ansporn zu apostolischer Gemeinschaft und Großherzigkeit unter den Mit-brüdem zu sein. <50> Vgl. Ptoposilin 1 I. Die Gesellschaften des apostolischen Lebens 11. Besondere Erwähnung verdienen sodann die männlichen und weiblichen Gesellschaften des apostolischen Lebens oder des gemeinsamen Lebens, die mit einem ihnen eigenen Stil ein besonderes apostolisches oder missionarisches Ziel verfolgen. In vielen von ihnen werden mit von der Kirche offiziell anerkannten heiligen Weiheverpflichtungen die evangelischen Räte ausdrücklich angenommen. Doch auch in diesem Fall unterscheidet die Eigenart ihrer Weihe sie von den Ordensinstituten und Säkularinstituten. Es gilt, die Besonderheit dieser Lebensform zu erhalten und zu fördern, die im Laufe der letzten Jahrhunderte besonders auf dem Gebiet der Nächstenhebe und bei der missionarischen Verbreitung des Evangeliums so viele Früchte der Heiligkeit und des Apostolats hervorgebracht hat. <51> <51> Vgl. Propositio 14. Neue Ausdracksformen geweihten Lebens 12. Die ewige Jugend der Kirche erweist sich auch heute: in den letzten Jahrzehnten, nach dem II. Vatikanischen Konzil, sind neue oder erneuerte Formen ge- 545 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weihten Lebens in Erscheinung getreten. In vielen Fällen handelt es sich um Institute, die den bereits bestehenden zwar ähnlich, aber aus neuen spirituellen und apostolischen Impulsen heraus entstanden sind. Ihre Lebensfähigkeit muß von der Autorität der Kirche geprüft werden, der die Durchführung der zweckmäßigen Untersuchungen obliegt, sowohl um die Echtheit der inspirierenden Zielsetzung zu prüfen wie auch die übermäßige Vermehrung nahezu gleicher Institutionen zu vermeiden, die die Gefahr einer schädlichen Aufsplitterung in zu kleine Gruppen nach sich ziehen könnte. In anderen Fällen handelt es sich um echte Erfahrungen, die nach einer eigenen Identität in der Kirche suchen und die offizielle Anerkennung durch den Apostolischen Stuhl erwarten, bei dem allein der letzte Entscheid liegt. <52> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 605; Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 571; Propositio 13. Diese neuen Formen geweihten Lebens, die zu den früheren hinzukommen, bezeugen die stete Anziehungskraft, die die Ganzhingabe an den Herrn, das Ideal der apostolischen Gemeinschaft, die Gründungscharismen auch auf die heutige Generation ausüben, und sind ebenso Zeichen für die Komplementarität der Gaben des Heiligen Geistes. Der Geist widerspricht sich jedoch nicht in der Neuheit! Beweis dafür ist die Tatsache, daß die neuen Formen geweihten Lebens die früheren nicht verdrängt haben. Bei derart vielgestaltiger Mannigfaltigkeit konnte dank derselben Berufung, die grundlegende Einheit gewahrt bleiben, nämlich auf der Suche nach der vollkommenen Liebe dem keuschen, armen und gehorsamen Jesus zu folgen. Wie diese Berufung in allen bereits bestehenden Formen anzutreffen ist, so gilt sie auch in den neu hinzugetretenen. Zielsetzungen des Apostolischen Schreibens 13. Während ich die Früchte der Arbeiten der Synode sammle, will ich mich mit diesem Apostolischen Schreiben an die ganze Kirche wenden, um nicht nur den Personen des geweihten Lebens, sondern auch den Hirten und den Gläubigen die Früchte einer anregenden Auseinandersetzung darzubieten, über deren Fortgang der Heilige Geist es nicht fehlen ließ, mit seinen Gaben der Wahrheit und der Liebe zu wachen. In diesen Jahren der Erneuerung hat das geweihte Leben, wie übrigens auch andere Lebensformen in der Kirche, eine schwierige und mühsame Zeit durchgemacht. Es war eine Zeit reich an Hoffnungen sowie an Emeuerungsversuchen und -Vorschlägen, die das Bekenntnis zu den evangelischen Räten auf den heutigen Stand bringen sollten. Doch es war auch eine Zeit, die nicht frei von Spannungen und Schwierigkeiten war und in der selbst edle Erfahrungen nicht immer von positiven Ergebnissen gekrönt waren. 21 546 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Schwierigkeiten dürfen jedoch nicht zur Entmutigung verleiten. Es ist vielmehr notwendig, sich mit neuem Eifer zu engagieren, denn die Kirche braucht die geistliche und apostolische Mitwirkung eines erneuerten und gestärkten geweihten Lebens. Mit dem vorliegenden nachsynodalen Schreiben will ich mich an die Ordensgemeinschaften und an die einzelnen Personen des geweihten Lebens im selben Geist wenden, der den Brief beseelte, der einst vom Apostelkonzil in Jerusalem an die Christen von Antiochien gesandt worden war; ich hege dabei die Hoffnung, daß sich heute dieselbe Erfahrung wiederholen möge, wie sie uns von damals überliefert ist: „Die Brüder lasen den Brief und freuten sich über die Ermunterung“ (Apg 15,31). Aber nicht nur das: ich hege auch die Hoffnung, dadurch die Freude des ganzen Gottesvolkes zu vermehren, das durch besseres Kennenlemen des geweihten Lebens dem Allmächtigen bewußter für dieses große Geschenk zu danken vermag. In einer Haltung herzlicher Offenheit gegenüber den Synodenvätem habe ich mir die wertvollen Beiträge zunutze gemacht, die während der intensiven Arbeiten bei den Versammlungen zutage traten, bei denen ich ständig anwesend sein wollte. Während dieser Zeit war ich auch darauf bedacht, dem ganzen Volk Gottes einige systematische Katechesen über das geweihte Leben in der Kirche zu halten. Darin habe ich die in den Texten des II. Vatikanischen Konzils enthaltenen Lehraussagen erneut vorgestellt. Das Konzil war leuchtender Bezugspunkt für die folgenden Lehrentwicklungen und für die von der Synode während der Wochen intensiver Arbeit angestellten Überlegungen. <53> <53> Vgl. Propositiones 3; 4; 6; 7; 8; 10; 13; 28; 29; 30; 35; 48. Während ich darauf vertraue, daß die Söhne und Töchter der Kirche, insbesondere die geweihten Personen dieses Schreiben mit hochherziger Zustimmung annehmen, wünsche ich, daß man auch weiterhin darüber nachdenken möge, um zu einer Vertiefung des großen Geschehens des geweihten Lebens in seiner dreifachen Dimension der Weihe, der Gemeinschaft und der Sendung zu gelangen, und daß die geweihten Personen in völliger Übereinstimmung mit der Kirche und ihrem Lehramt auf diese Weise weiter angespomt werden, den drängenden Herausforderungen geistlich und apostolisch zu begegnen. Kapitel I Confessio Trinitatis An den christologisch-trinitarischen Quellen des geweihten Lebens Das Bild des verklärten Christus 14. Das Fundament des geweihten Lebens im Evangelium ist in der besonderen Beziehung zu suchen, die Jesus während seines irdischen Daseins mit einigen seiner Jünger herstellte, indem er sie nicht nur einlud, das Reich Gottes im eigenen 547 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben anzunehmen, sondern ihr Leben in den Dienst dieses Anliegens zu stellen, alles zu verlassen und aus der Nähe seine Lebensform nachzuahmen. Eine solche „Christus gemäße“ Existenz, die so vielen Getauften im Verlauf der Geschichte angeboten wurde, ist nur auf Grund einer besonderen Berufung und kraft eines eigenen Geschenkes des Geistes möglich. In ihr ist die Taufweihe in der Tat zu einer radikalen Antwort in der Nachfolge Christi durch die Annahme der evangelischen Räte geführt, deren erster und wesentlicher die heilige Bindung der Keuschheit um des Himmelreiches willen ist." Diese „besondere Nachfolge Christi“, an deren Ursprung immer die Initiative des Vaters steht, hat also ein wesentlich christologisches und pneumatologisches Merkmal, indem sie so auf besonders lebendige Weise den Trinitätscharakter des christlichen Lebens ausdrückt, dessen eschatologische Verwirklichung sie irgendwie vorwegnimmt, nach der die ganze Kirche trachtet. <54> <55> <54> Vgl. Propositio, 3, A und B. <55> Vgl. Propositio, 3, C. Im Evangelium gibt es viele Worte und Taten Christi, die den Sinn dieser besonderen Berufung erhellen. Um jedoch in einer Zusammenschau die Wesensmerkmale zu sammeln, stellt es sich als besonders hilfreich dar, den Bück auf das leuchtende Antlitz Christi im Geheimnis der Verklärung zu richten. Auf dieses „Bild“ bezieht sich eine ganz alte geistliche Tradition, wenn sie das kontemplative Leben mit dem Gebet Jesu „auf dem Berg“ verbindet. <56> Auf diese Tradition lassen sich außerdem in gewisser Weise selbst die „aktiven“ Dimensionen des geweihten Lebens zurückführen, da die Verklärung nicht nur Enthüllung der Herrlichkeit Christi ist, sondern auch Vorbereitung zur Übernahme des Kreuzes. Sie beinhaltet ein „Aufsteigen zum Berg“ und ein „Herabsteigen vom Berg“: die Jünger, die sich der Vertrautheit des Meisters erfreut haben, für einen Augenblick vom Glanz des trinitarischen Lebens und der Gemeinschaft der Heiligen umhüllt, gleichsam verzückt im Horizont der Ewigkeit, sind sogleich zur Wirklichkeit des Alltags zurückgeführt, wo sie nur „Jesus allein“ in der Niedrigkeit der menschlichen Natur sehen und eingeladen sind talwärts zu gehen, um mit ihm die Mühe des Planes Gottes zu leben und mit Mut den Kreuzweg einzuschlagen. <56> Vgl. Kassian: „Secessit tarnen solus in monte orare, per hoc scilicet nos instruens suae secessionis exemplo ... ut similiter secedamus“ (Conlat. 10, 6: PL 49, 827); Hl. Hieronymus: ,,Et Christum quaeras in solitudine et ores solus in monte cum Iesu“ {Ep. ad Paidinum 58,4, 2: PL 22, 582); Wilhelm von Saint Thierry: „(Vita solitaria) ab ipso Domino familiarissime celebrata, ab eius discipulis ipso praesente concupita: cuius transfigurationis gloriam cum vidissent qui cum eo in monte sancto erant, continuo Petrus ... Optimum sibi iudicavit in hoc semper esse“ {Ad fratres de Monte Dei /, I: PL 184, 310). „ Und er wurde vor ihren Augen verwandelt... “ 15. „Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend 548 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weiß wie das Licht. Da erschienen plötzlich vor ihren Augen Mose und Elija und redeten mit Jesus. Und Petrus sagte zu ihm: Herr, es ist gut, daß wir hier sind, Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Noch während er redete, warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke riefeine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. Als die Jünger das hörten, bekamen sie große Angst und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Da trat Jesus zu ihnen, faßte sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst! Und als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus. Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemand von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist“ (Mt 17,1-9). Die Begebenheit der Verklärung bezeichnet einen entscheidenden Augenblick in der Sendung Jesu. Es handelt sich um ein Offenbarungsereignis, das den Glauben im Herzen der Jünger festigt, sie auf das Drama des Kreuzes vorbereitet und die Herrlichkeit der Auferstehung vorwegnimmt. Dieses Geheimnis wird von der Kirche, dem Volk auf dem Pilgerweg zur endzeitlichen Begegnung mit seinem Herrn, ständig neu erlebt. Wie die drei auserwählten Apostel, so betrachtet die Kirche das verklärte Antlitz Christi, um sich im Glauben zu stärken und die Ohnmacht vor seinem entstellten Antlitz am Kreuz nicht zu riskieren. Im einen wie im anderen Fall ist sie die Braut, die vor dem Bräutigam steht, die an seinem Geheimnis teilhat und von seinem Licht eingehüllt ist. Von diesem Licht werden alle ihre Söhne und Töchter erreicht, die alle in gleicher Weise berufen sind, Christus zu folgen, indem sie den letzten Sinn des eigenen Lebens in ihn setzen, um mit dem Apostel sagen zu können: „Für mich ist Christus das Leben!“ (Phil 1,21). Aber eine einzigartige Erfahrung des von dem fleischgewordenen Wort aus gestrahlten Lichtes machen mit Sicherheit jene, die zum geweihten Leben berufen sind. Das Bekenntnis zu den evangelischen Räten bestimmt sie nämlich zum Zeichen und zur Prophetie für die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern sowie für die Welt. Daher müssen bei ihnen die begeisterten Worte des Petrus: „Herr, es ist gut, daß wir hier sind!“ (Mt 17,4) besonderen Widerhall finden. Diese Worte drücken die christozentrische Spannung des ganzen christlichen Lebens aus. Jedoch bekunden sie mit besonderer Ausdruckskraft den Totalitätsanspruch, den der tiefe Dynamismus der Berufung zum geweihten Leben darstellt: „Es ist gut, bei Dir zu sein, uns Dir zu widmen, unser Leben ausschließlich auf Dich zu konzentrieren!“. Wer die Gnade dieser besonderen Liebesgemein-schaft mit Christus empfangen hat, fühlt sich in der Tat von seinem Lichtglanz 549 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (vgl. Mt 19,27), um in innigem Vertrauen mit ihm zu leben <57> und ihm überallhin zu folgen (vgl. Offb 14,4). <57> Vgl. Propositio 16. Im Blick Jesu (vgl. Mk 10,21), „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), Abglanz der Herrlichkeit des Vaters (vgl. Hebr 1,3), ist die Tiefe einer ewigen und unermeßlichen Liebe wahrzunehmen, die an die Wurzeln des Seins rührt. <58> Wer sich davon ergreifen läßt, muß alles verlassen und ihm folgen (vgl. Mk 1,16-20; 2,14; 10,21.28). Wie Paulus, sieht er alles übrige „als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu alles übertrifft“, und zögert nicht, verglichen mit ihm alles „für Unrat“ zu halten, „um Christus zu gewinnen“ (Phil 3,8). Seine Sehnsucht geht dahin, sich in ihn hineinzudenken, indem er seine Gefühle und seine Lebensform annimmt. Daß also einer alles verläßt und dem Herrn folgt (vgl. Lk 18,28), stellt ein für alle Berufenen und für alle Zeiten gültiges Programm dar. <58> Vgl. Johannes Paul n., Apost. Schreiben Redemptionis donitm (25. März 1984), Nr. 3: AAS 76(1984)515-517. Die evangelischen Räte, durch die Christus einige dazu einlädt, seine Erfahrung der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams zu teilen, erfordern bei dem, der sie annimmt, das ausdrückliche Verlangen nach vollständiger Gleichförmigkeit mit ihm und lassen dieses Verlangen klar zutage treten. Durch ein Leben „in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit“ <59> bekennen die Personen des geweihten Lebens, daß Jesus das Vorbild ist, in dem jede Tugend zur Vollkommenheit gelangt. Seine Lebensform in Keuschheit, Armut und Gehorsam erscheint in der Tat als die radikalste Weise, das Evangelium auf dieser Erde zu leben, eine sozusagen göttliche Lebensform, weil sie von ihm, dem Gottmenschen, als Ausdruck seiner Beziehung als des eingeborenen Sohnes zum Vater und zum Heiligen Geist angenommen wurde. Das ist der Grund, warum in der christlichen Überlieferung immer von der objektiven Vollkommenheit des geweihten Lebens gesprochen wurde. Darüber hinaus läßt sich nicht bestreiten, daß die Übung der Räte eine besonders tiefe und frachtbare Weise darstellt, auch an der Sendung Christi teilzunehmen, nach dem Vorbild Mariens von Nazaret, der ersten Jüngerin, die es annahm, sich durch die Ganzhingabe ihrer selbst in den Dienst des göttlichen Heilsplanes zu stellen. Jede Sendung beginnt mit derselben Haltung, wie sie von Maria bei der Verkündigung zum Ausdruck gebracht worden ist: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). <59> Hl. Franz von Assisi, Regula bullata, I, 1. In Spiritu: vom Heiligen Geist geweiht 19. „Eine leuchtende Wolke warf ihren Schatten auf sie“ (Mt 17,5). Eine bedeutende geistliche Interpretation der Verklärung sieht in dieser Wolke das Bild des Heiligen Geistes. <60> <60> „Tota Trinitas apparuit: Pater in voce; Filius in homine, Spiritus in nube Clara“; Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae III, 45,4 ad 2um. 552 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie die ganze christliche Existenz, so steht auch die Berufung zum geweihten Leben in enger Beziehung zum Wirken des Heiligen Geistes. Er ist es, der im Laufe der Jahrtausende immer aufs neue Menschen dafür empfänglich macht, das Faszinierende einer derart verpflichtenden Entscheidung wahrzunehmen. Unter seinem Wirken erleben sie gewissermaßen wieder die Erfahrung des Propheten Jeremia: „Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören“ (20,7). Der Geist ist es, der das Verlangen nach einer vollkommenen Antwort weckt; er leitet das Wachstum dieses Verlangens, indem er die positive Antwort heranreifen läßt und dann ihre getreue Ausführung unterstützt; er formt und bildet die Seele der Berufenen, indem er sie nach dem keuschen, armen und gehorsamen Christus gestaltet und sie anspomt, sich seine Sendung zu eigen zu machen. Während sie sich auf einem Weg unablässiger Läuterung vom Geist leiten lassen, werden sie immer mehr zu Personen, die mit Christus gleichförmig sind, zur Verlängerung einer besonderen Gegenwart des auferstandenen Herrn in die Geschichte hinein. Mit treffender Intuition haben die Kirchenväter diesen geistlichen Weg als filoca-lia bezeichnet, das heißt Liebe zur göttlichen Schönheit, die Ausstrahlung der göttlichen Güte ist. Wer von der Macht des Heiligen Geistes stufenweise zur vollkommenen Gleichgestaltung mit Christus geführt wird, spiegelt in sich einen Strahl des unerreichbaren Lichtes wider und geht auf seinem irdischen Pilgerweg bis zur unerschöpflichen Quelle des Lichtes. So wird das geweihte Leben zu einem besonders tiefen Ausdruck für die Kirche als Braut, die, vom Geist geführt, in sich die Wesenszüge des Bräutigams wiederzugeben, „herrlich, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler, heilig und makellos“ vor ihm erscheint (Eph 5,27). Weit davon entfernt, diejenigen, die der Vater berufen hat, der Menschheitsgeschichte vorzuenthalten, stellt sie derselbe Geist sodann, je nach den Bestimmungen ihres Lebensstandes, in den Dienst der Brüder und Schwestern und leitet sie an, in bezug auf die Bedürfnisse von Kirche und Welt durch die den verschiedenen Instituten eigenen Charismen besondere Aufgaben zu erfüllen. Daraus erklärt sich das Entstehen so vielfältiger Formen geweihten Lebens, durch die die Kirche „mit den mannigfachen Gnadengaben ihrer Kinder wie eine Braut für ihren Mann geschmückt dasteht (vgl. Ojfb 21,2)“ <61> und durch jedes Mittel bereichert wird, um ihre Sendung in der Welt zu erfüllen. <61> II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae carilatis, Nr. 1. Die evangelischen Räte, Geschenk der Dreifaltigkeit 20. Die evangelischen Räte sind also vor allem eine Gnadengabe der Heiligsten Dreifaltigkeit. Das geweihte Leben ist Ankündigung dessen, was der Vater durch den Sohn im Geist aus seiner Liebe, seiner Güte und seiner Schönheit vollbringt. Denn „der Ordensstand [...] macht die Erhabenheit des Gottesreiches gegenüber allem Irdischen und seine höchsten Ansprüche in besonderer Weise offenkundig. 553 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Er zeigt auch allen Menschen die überragende Größe der Herrscherkraft Christi und die wunderbare, unbegrenzte Macht des Heiligen Geistes in der Kirche auf1. <62> Vorrangige Aufgabe des geweihten Lebens ist das Sichtbarmachen der Wunder, die Gott in der schwachen Menschlichkeit derer wirkt, die er berufen hat. Mehr als mit Worten bezeugen sie diese Wunder mit der beredten Sprache einer verklärten Existenz, die in der Lage ist, die Welt zu überraschen. Zum Staunen der Menschen antworten sie mit der Ankündigung der Wunder der Gnade, die der Herr in denen wirkt, die er liebt. In dem Maße, in dem sich der geweihte Mensch vom Geist zu den Höhen der Vollkommenheit führen läßt, kann er ausrufen: „Ich sehe die Schönheit deiner Gnade und versenke mich in ihr Licht; ich betrachte voll Staunen diesen unsagbaren Glanz; ich bin außer mir, während ich doch über mich selber nachdenke: was ich war und was ich geworden bin. O Wunder! Ich bin aufmerksam, erfüllt von heiligem Respekt vor mir selbst, von Ehrfurcht, von Angst, als stünde ich vor dir, und weiß nicht, was ich tun soll, denn mich hat die Angst ergriffen; ich weiß nicht, wo ich mich niederlassen, wohin ich mich wenden soll, wohin diese Glieder legen, die deine sind; für welche Taten, für welche Werke sie verwenden, diese überraschenden göttlichen Wunder“. <63> So wird das geweihte Leben zu einer der konkreten Spuren, die die Dreifaltigkeit in der Geschichte hinterläßt, damit die Menschen das Faszinierende der göttlichen Schönheit und die Sehnsucht nach ihr wahmehmen können. <62> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 44. <63> Symeon der neue Theologe, Hymnen, II, vv. 19-27: SCh 156, 178-179. Der Abglanz des trinitarischen Lebens in den Räten 21. Der Bezug der evangelischen Räte auf die Heilige und heiligende Dreifaltigkeit offenbart ihren tiefsten Sinn. Sie sind nämlich Ausdruck der Liebe, die der Sohn dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes entgegenbringt. Durch ihr Befolgen erlebt derjenige, der sich Gott geweiht hat, besonders intensiv den trinitari-schen und christologischen Charakter, der das ganze christliche Leben kennzeichnet. Die Keuschheit der unverheirateten Männer und der Jungfrauen als Bekundung der ungeteilten Hingabe an Gott (vgl. 1 Kor 7,32-34) stellt einen Abglanz der grenzenlosen Liebe dar, die die drei göttlichen Personen in der geheimnisvollen Tiefe des trinitarischen Lebens verbindet; der Liebe, die von dem fleischgewordenen Wort bis zur Hingabe seines Lebens bezeugt wird; der Liebe, die vom Heiligen Geist „in unsere Herzen ausgegossen“ wurde (Röm 5,5), die zu einer Antwort totaler Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern anspomt. Die Armut bekennt, daß Gott der einzige wahre Reichtum des Menschen ist. Nach dem Beispiel Christi gelebt, der, obwohl er „reich war, arm wurde“ (2 Kor 8,9), wird die Armut Ausdruck jener Ganzhingabe, zu der sich die drei göttlichen Personen gegenseitig machen. Es ist die Hingabe, die in die Schöpfung überströmt 554 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und sich voll in der Menschwerdung des Wortes und in seinem erlösenden Tod offenbart. Der Gehorsam, der in der Nachahmung Christi geübt wird, dessen Speise es war, den Willen des Vaters zu tun (vgl. Joh 4,34), stellt die befreiende Schönheit einer von Verantwortungsgefühl erfüllten und von gegenseitigem Vertrauen beseelten kindlichen und nicht sklavischen Abhängigkeit dar, die Abglanz der liebevollen Gegenseitigkeit der drei göttlichen Personen in der Geschichte ist. Das geweihte Leben ist daher berufen, die Gabe der evangelischen Räte mit einer immer aufrichtigeren und stärkeren Liebe in trinitarischer Dimension beständig zu vertiefen: Liebe zu Christus, der in seinem Vertrauen ruft; zum Heiligen Geist, der die Seele bereit macht für die Aufnahme seiner Eingebungen; zum Vater, Ursprung und höchstes Ziel des geweihten Lebens. <64> So wird es zum Bekenntnis und Zeichen der Dreifaltigkeit, deren Geheimnis der Kirche als Vorbild und Quelle jeder christlichen Lebensform hingestellt wird. <64> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz (9. November 1994), Nr. 4: L’Osservatore Romano, 10. Nov. 1994, S. 4. Gerade das geschwisterliche Leben, kraft dessen sich die Personen des geweihten Lebens bemühen, in Christus zu leben und „ein Herz und eine Seele“ zu sein (Apg 4,32), stellt sich als beredtes Bekenntnis zur Dreifaltigkeit dar. Es bekennt den Vater, der aus allen Menschen eine einzige Familie machen will; es bekennt den menschgewordenen Sohn, der die Erlösten in der Einheit versammelt und ihnen mit seinem Beispiel, mit seinem Gebet, mit seinen Worten und vor allem mit seinem Tod, der Quelle der Versöhnung für die entzweiten und zerstreuten Menschen, den Weg zeigt; es bekennt den Heiligen Geist als Prinzip der Einheit in der Kirche, wo er nicht aufhört, geistliche Familien und brüderliche Gemeinschaften ins Leben zu rufen. Für das Reich Gottes geweiht wie Christus 22. Das geweihte Leben ahmt auf Anregung des Heiligen Geistes die Lebensform „ausdrücklicher nach und bringt sie in der Kirche ständig zur Darstellung“, <65> die Jesus, der höchste Geweihte und Gesandte des Vaters für sein Reich, annahm und für die Jünger, die ihm folgten, bestimmt hat (vgl. Mt 4,18-22; Mk 1,16-20; Lk 5,10-11; Joh 15,16). Im Lichte der Weihe Jesu kann man in der Initiative das Vaters, der Quelle aller Heiligkeit, die ursprüngliche Quelle des geweihten Lebens entdecken. Denn Jesus selbst ist derjenige, den „Gott gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft“ (Apg 10,38), „den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat“ (Joh 10,36). Der Sohn, der die Weihe durch den Vater empfängt, weiht sich ihm seinerseits für die Menschen (vgl. Joh 17,19): sein Leben in Keuschheit, Gehorsam und Armut ist Ausdruck seiner kindlichen und vollständigen Zustimmung zum Plan des Vaters (vgl. Joh 10,30; 14,11). Seine vollkommene Hingabe verleiht <65> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 44. 555 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allen Begebenheiten seines irdischen Daseins eine Bedeutung von heiligender Weihe. Er ist der Gehorsame schlechthin, der vom Himmel herabgekommen ist, nicht um seinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hat (vgl. Joh 6,38; Hebr 10,5.7). Er legt seine Lebens- und Handlungsweise zurück in die Hände des Vaters (vgl. Lk 2,49). In kindlichem Gehorsam nimmt er den Stand eines Sklaven an: „Er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave [...], und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,7-8). In dieser Gehorsamshaltung gegenüber dem Vater nimmt Christus, obwohl er die Würde und Heiligkeit des ehelichen Lebens anerkennt und verteidigt, die jungfräuliche Lebensform an und enthüllt auf diese Weise den hohen Wert und die geheimnisvolle geistliche Fruchtbarkeit der Jungfräulichkeit. Seine volle Zustimmung zum Plan des Vaters offenbart sich auch in der Loslösung von den irdischen Gütern: ,3h der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Die Tiefgründigkeit seiner Armut erweist sich in der vollkommenen Aufopferung alles dessen an Gott, was sein ist. Das geweihte Leben stellt wahrhaftig lebendige Erinnerung an die Lebens- und Handlungsweise Jesu als fleischgewordenes Wort gegenüber dem Vater und gegenüber den Brüdern und Schwestern dar. Es ist lebendige Überlieferung des Lebens und der Botschaft des Erlösers. II. Zwischen Ostern und Vollendung Vom Tabor auf den Kalvarienberg 23. Das strahlende Ereignis der Verklärung bereitet jenes dramatische, doch nicht weniger glorreiche Geschehen auf dem Kalvarienberg vor. Petrus, Jakobus und Johannes sehen den Herrn Jesus zusammen mit Mose und Elija, mit denen er -nach dem Evangelisten Lukas - „von seinem Ende (spricht), das sich in Jerusalem erfüllen sollte“ (9,31). Die Augen der Jünger sind also auf Jesus gerichtet, der an das Kreuz denkt (vgl. Lk 9,43-45). Dort wird seine jungfräuliche Liebe zum Vater und zu allen Menschen ihren höchsten Ausdruck erreichen; seine Armut wird zur völligen Entäußerung gelangen; sein Gehorsam bis zur Hingabe des Lebens. Die Jünger sind eingeladen, den am Kreuz erhöhten Jesus zu betrachten, an dem Kreuz, von dem her „das Wort, das aus dem Schweigen hervorgegangen war“, <66> in seinem Schweigen und seiner Einsamkeit prophetisch die absolute Transzendenz Gottes über alle geschaffenen Güter bestätigt, in seinem Fleisch unsere Sünde besiegt, jeden Mann und jede Frau an sich zieht und jedem das neue Leben der Auferstehung schenkt (vgl. Joh 12,32; 19,34.37). In der Betrachtung des gekreuzigten Christus finden alle Berufungen Erleuchtung; von ihr nehmen alle Gnadengaben <66> Hl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Magnesien, 8,2; Patres Apostolici, hrsg. F. X. Funk, II, 237. 556 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und insbesondere die Gabe des geweihten Lebens mit der grundlegenden Gabe des Geistes ihren Ausgang. Nach Maria, der Mutter Jesu, empfängt Johannes diese Gnadengabe, der Jünger, den Jesus liebte, der Zeuge, der zusammen mit Maria unter dem Kreuz stand (vgl. Joh 19,26-27). Seine Entscheidung zur Ganzhingabe ist Frucht der göttlichen Liebe, die ihn umhüllt, ihn trägt und sein Herz erfüllt. Johannes gehört neben Maria zu den ersten in der langen Reihe von Männern und Frauen, die von den Anfängen der Kirche bis zu ihrem Ende von der Liebe Gottes erfaßt werden und sich gerufen fühlen, dem Lamm, das geopfert wurde und lebt, zu folgen, wohin es geht (vgl. Offb 14,l-5). <67> Vgl. Propositio 3. Österliche Dimension des geweihten Lebens 24. Der Mensch, der sich Gott geweiht hat, macht in den verschiedenen Lebensformen, die vom Heiligen Geist im Laufe der Geschichte eingegeben wurden, die Erfahrung der Wahrheit über den Gott der Liebe um so unmittelbarer und intensiver, je mehr er sich unter das Kreuz Christi stellt. Er, der in seinem Tod den menschlichen Augen so entstellt und unschön erscheint, daß die Anwesenden vor ihm das Gesicht verhüllen (vgl. Jes 53,2-3), offenbart gerade am Kreuz die Schönheit und die Macht der Liebe Gottes in Fülle. Der hl. Augustinus besingt ihn so: „Schön ist Gott, das Wort bei Gott [...] Schön im Himmel, schön auf Erden; schön im Schoß, schön in den Armen der Eltern; schön in den Wundem, schön in den Todesqualen; schön, wenn er zum Leben einlädt, schön, wenn man sich nicht um den Tod kümmert, schön im Verlassen des Lebens und schön, wenn er dieses Leben wieder nimmt; schön am Kreuz, schön im Grab, schön im Himmel. Hört den Gesang mit Klugheit und die Schwachheit des Fleisches möge eure Augen nicht vom Glanz seiner Schönheit ablenken“. <68> Hl. Augustinus, Enarr. in Psal. 44, 3: PL 36, 495-496. Diesen Glanz der Liebe spiegelt das geweihte Leben wider, weil es mit seiner Treue zum Kreuzesgeheimnis bekennt, an die Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu glauben und aus ihr zu leben. Auf diese Weise trägt es dazu bei, in der Kirche das Bewußtsein lebendig zu erhalten, daß das Kreuz der Überfluß der Liebe Gottes ist, die auf diese Welt überströmt, das großartige Zeichen der Heilsgegenwart Christi. Und dies besonders bei Schwierigkeiten und Heimsuchungen. Das alles wird mit zutiefst bewundernswertem Mut von einer großen Anzahl geweihter Personen fortwährend bezeugt, die oft in schwierigen Situationen, bis hin zu Verfolgung und Martyrium ausharren. Ihre Treue zur einzigen Liebe zeigt und stärkt sich in der Demut eines verborgenen Lebens, in der Annahme von Leiden, um in ihrem Leben, im schweigenden Opfer, in der Hingabe an den heiligen Willen Gottes, in Treue auch angesichts des Schwindens der Kräfte und des eigenen Ansehens „das zu ergänzen, was an den Leiden Christi 40 41 557 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN noch fehlt“ (Kol 1,24). Aus der Treue zu Gott erwächst auch die Hingabe an den Nächsten, die die Personen des geweihten Lebens in der ständigen Fürbitte für die Nöte der Brüder und Schwestern, im hochherzigen Dienst an den Armen und Kranken, im Teilen und Mittragen der Schwierigkeiten anderer, in der eifrigen Teilnahme an den Sorgen und Heimsuchungen der Kirche nicht ohne Opfer leben. Zeugen Christi in der Welt 25. Aus dem Ostergeheimnis entspringt auch der missionarische Charakter, eine das gesamte kirchliche Leben kennzeichnende Dimension. Sie findet eine besondere Verwirklichung im geweihten Leben. Denn auch unabhängig von den Charismen jener Institute, die sich der Mission ad gentes widmen oder apostolische Aktivitäten im eigentlichen Sinne des Wortes ausüben, kann man sagen, daß der missionarische oder Sendungscharakter jeder Form des geweihten Lebens zutiefst innewohnt. In dem Maße, in dem der Geweihte ein Leben lebt, das ausschließlich dem Vater gewidmet (vgl. Lk 2,49; Joh 4,34), von Christus ergriffen (vgl. Joh 15,16; Gal 1,15-16), und vom Geist beseelt ist (vgl. Lk 24,49; Apg 1,8; 2,4), arbeitet er wirksam mit an der Sendung des Herrn Jesus (vgl. Joh 20,21) und trägt in besonders intensiver Weise zur Erneuerung der Welt bei. Die erste missionarische Aufgabe haben die Personen des geweihten Lebens gegenüber sich selbst und sie erfüllen sie dadurch, daß sie ihr Herz dem Wirken des Geistes Christi öffnen. Ihr Zeugnis hilft der ganzen Kirche, sich daran zu erinnern, daß an erster Stelle der unentgeltliche Dienst an Gott steht, der durch Christi Gnade ermöglicht wird, die dem Gläubigen durch das Geschenk des Geistes mitgeteilt wird. So wird der Welt der Friede verkündet, der vom Vater herkommt, die Hingabe, die vom Sohn bezeugt wird, und die Freude, die Frucht des Heiligen Geistes ist. Die Personen des geweihten Lebens werden vor allem dann missionarisch sein, wenn sie unablässig das Bewußtsein vertiefen, von Gott berufen und erwählt worden zu sein, dem sie daher ihr ganzes Leben zuwenden und alles, was sie sind und haben, darbringen und sich von den Hindernissen befreien müssen, die die Vollkommenheit der aus der Liebe kommenden Antwort verzögern könnten. Auf diese Weise werden sie zu einem echten Zeichen Christi in der Welt werden können. Auch ihr Lebensstil muß das Ideal, zu dem sie sich bekennen, sichtbar werden lassen und sich als lebendiges Zeichen Gottes und als beredte, wenn auch oft schweigende Verkündigung des Evangeliums darstellen. Immer, aber besonders in der heutigen, oft so säkularisierten Kultur, die aber trotzdem für die Sprache der Zeichen empfänglich ist, muß sich die Kirche bemühen, ihre Anwesenheit im Alltagsleben sichtbar zu machen. Einen bedeutsamen Beitrag in diesem Sinne erwartet sie sich zu Recht von den Personen des geweihten Lebens, die berufen sind, in jeder Situation konkret von ihrer Zugehörigkeit zu Christus Zeugnis abzulegen. Da das Ordensgewand Zeichen der Weihe, der Armut und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ordensfamilie ist, empfehle ich zusammen mit den Synodenvä- 558 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tem den Ordensleuten nachdrücklich, ihr den Umständen von Zeit und Ort entsprechend angepaßtes Gewand zu tragen. <69> Wo entsprechende apostolische Erfordernisse es verlangen, können sie der Tradition und den Normen ihres Instituts gemäß auch gewöhnliche, aber geziemende Kleidung tragen mit einem geeigneten Symbol, das ihre Weihe erkennbar macht. <69> Vgl. Propositio 25; II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 17. Die Instimte, die ursprünglich bzw. durch Verfügung ihrer Konstitutionen kein eigenes Gewand vorsehen, sollen dafür sorgen, daß die Kleidung der Brüder und Schwestern durch Würde und Schlichtheit der Natur ihrer Berufung entspreche. <70> <70> Vgl. Propositio 25. Eschatologische Dimension des geweihten Lebens 26. Da sich heute die apostolischen Sorgen als immer dringender erweisen und das Engagement für die Dinge dieser Welt die Menschen immer mehr in Anspruch zu nehmen droht, ist es besonders geboten, die Aufmerksamkeit auf die eschatologische Natur des geweihten Lebens zu lenken. „Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6,21): der einzige Schatz des Gottesreiches ruft das Verlangen, die Erwartung, den Einsatz und das Zeugnis hervor. In der Urkirche wurde die Erwartung der Wiederkunft des Herrn besonders intensiv gelebt. Die Kirche hat jedoch während all der Jahrhunderte nicht aufgehört, diese Hoffnungshaltung zu pflegen: sie hat immer wieder die Gläubigen eingeladen, nach dem Heil Ausschau zu halten, das schon bald offenbar werden wird, „denn die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7,31; vgl. 1 Petr 1,3-ß). <71> Vor diesem Hintergrund ist die Rolle des endzeitlichen Zeichens gerade des geweihten Lebens besser zu verstehen. Denn unveränderlich ist die Lehre, die sie als Vorwegnahme des zukünftigen Reiches darstellt. Das II. Vatikanische Konzil greift diese Lehre wieder auf, wenn es sagt, „der Ordensstand [...] kündigt die zukünftige Auferstehung und die Herrlichkeit des Himmelreiches an“. <72> Das geschieht vor allem durch die Entscheidung für die Jungfräulichkeit, die von der Überlieferung immer als eine Vorwegnahme der endgültigen Welt verstanden wurde, die schon jetzt am Werk ist und den Menschen in seiner Ganzheit verwandelt. <71> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 42. <72> Ebd., Nr. 44. Die Menschen, die ihr Leben Christus geweiht haben, müssen in der Sehnsucht leben, ihm zu begegnen, um endlich und für immer bei ihm zu sein. Daher die brennende Erwartung, daher das Verlangen, „einzutauchen in das Feuer der Liebe, das in ihnen brennt und das nichts anderes ist als der Heilige Geist“, <73> Erwartung und Sehnsucht, gestärkt von den Gaben, die der Herr freigiebig denen gewährt, die nach dem streben, was im Himmel ist (vgl. Kol 3,1). <73> Sei. Elisabeth von der Dreifaltigkeit, Le ciel dans lafoi. Traite Spirituel, I, 14: CEuvres completes, Paris 1991, S. 106. 559 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Person des geweihten Lebens, die in den Dingen des Herrn feststeht, erinnert sich, daß „wir hier keine Stadt haben, die bestehenbleibt“ (Hebr 13,14), denn „unsere Heimat ist im Himmel“ (Phil 3,20). Es kommt allein darauf an, nach dem „Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit“ zu suchen (Mt 6,33) mit der unaufhörlichen Bitte um das Kommen des Herrn. Eine tätige Erwartung: Einsatz und Wachsamkeit 27. „Komm, Herr Jesus!“ (Ojfb 22,20). Diese Erwartung ist alles andere als untätig: auch wenn sie sich dem künftigen Reich zuwendet, setzt sie sich in Arbeit und Mission um, damit durch das Erwecken des Geistes der Seligpreisungen, der auch in der menschlichen Gesellschaft wirksame Forderungen nach Gerechtigkeit, Frieden, Solidarität und Vergebung zu stellen vermag, das Reich schon jetzt gegenwärtig werde. Das wird von der Geschichte des geweihten Lebens, das immer reiche Früchte auch für die Welt hervorgebracht hat, ausführlich bewiesen. Mit ihren Gnadengaben werden die Personen des geweihten Lebens zu einem Zeichen des Geistes für eine neue, vom Glauben und von der christlichen Hoffnung erleuchtete Zukunft hin. Die Endzeitstimmung setzt sich in Sendung um, damit das Reich hier und jetzt in steigendem Maße Wirklichkeit werde. An die Bitte: „Komm, Herr Jesus!“ schließt sich die andere inständige Bitte an: „Dein Reich komme!“ (Mt 6,10). Wer wachsam die Erfüllung der Verheißungen Christi erwartet, ist imstande, auch bei seinen im Hinblick auf die Zukunft oft mißtrauischen und pessimistischen Brüdern und Schwestern Hoffnung zu wecken. Seine Hoffnung gründet sich auf die Verheißung Gottes, die im Wort der Offenbarung enthalten ist: die Geschichte der Menschen geht auf den „neuen Himmel und die neue Erde“ zu (Ojfb 21,1), wo der Herr „alle Tränen von ihren Augen abwischen wird: Der Tod wird jicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“ (Ojfb 21,4). Das geweihte Leben steht im Dienst dieser endgültigen Ausstrahlung der göttlichen Herrlichkeit, wenn alle Menschen das Heil sehen werden, das von Gott kommt (vgl. Lk 3,6; Jes 40,5). Der christliche Orient stellt diese Dimension heraus, wenn er die Mönche als Engel Gottes auf Erden betrachtet, die die Erneuerung der Welt in Christus verkünden. Im Abendland ist das Mönchtum feierliches Gedenken und Vigil: Gedenken der von Gott vollbrachten Wunder, Vigil der letzten Erfüllung der Hoffnung. Die Botschaft des Mönchtums und des kontemplativen Lebens wiederholt unablässig, daß der Vorrang Gottes für die menschliche Existenz Fülle von Bedeutung und Freude ist, weil der Mensch für Gott geschaffen und unruhig ist, bis er in ihm Frieden findet. <74> <74> Vgl. Hl. Augustinus, Confessiones 1,1: PL 32, 661. 560 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Jungfrau Maria, Modell der Weihe und Nachfolge 28. Von ihrer unbefleckten Empfängnis an spiegelt Maria am vollkommensten die göttliche Schönheit wider. „Ganz und gar Schöne“ ist der Titel, mit dem die Kirche sie anruft. „Die Beziehung zur seligsten Jungfrau Maria, die jeder Gläubige wegen seiner Verbundenheit mit Christus hat, ist im Leben der Ordensleute besonders ausgeprägt... Alle [Institute des geweihten Lebens] sind davon überzeugt, daß die Gegenwart Mariens eine grundlegende Bedeutung hat sowohl für das geistliche Leben jeder geweihten Person als auch für die Beständigkeit, die Einheit und den Fortschritt der ganzen Gemeinschaft“. <75> <75> Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz (29. März 1995), Nr. 1: L’Osservatore Romano, 30. März 1995, S. 4. Maria ist in der Tat das höchste Vorbild vollkommener Weihe in der vollen Zugehörigkeit und Ganzhingabe an Gott. Vom Herrn erwählt, der in ihr das Geheimnis der Menschwerdung vollzogen hat, erinnert sie die Personen des geweihten Lebens an den Vorrang der Initiative Gottes. Gleichzeitig stellt sich Maria, die dem göttlichen Wort, das in ihr Fleisch geworden ist, ihre Zustimmung gegeben hat, als Modell des Gnadenempfanges seitens der menschlichen Kreatur dar. Die Jungfrau, die während des verborgenen Lebens in Nazaret zusammen mit Josef Christus nahe und in den entscheidenden Augenblicken seines öffentlichen Lebens neben dem Sohn zugegen war, ist Lehrmeisterin bedingungsloser Nachfolge und beständigen Dienstes. In ihr, dem „Heiligtum des Heiligen Geistes“, <76> erstrahlt so der ganze Glanz der neuen Schöpfung. Das geweihte Leben blickt auf sie als höchstes Modell der Weihe an den Vater, der Einheit mit dem Sohn und der Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist in dem Bewußtsein, daß das Befolgen „der jungfräulichen und armen Lebensweise“ <77> Christi bedeutet, sich auch die Lebensweise Mariens zu eigen zu machen. <76> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 53. <77> Ebd., Nr. 46. In der Jungfrau begegnet die geweihte Person außerdem einer Mutter mit ganz besonderem Anrecht. Denn auch wenn die am Kalvarienberg Maria übertragene neue Mutterschaft ein Geschenk an alle Christen ist, hat sie für denjenigen, der sein Leben vollständig Christus geweiht hat, eine besondere Bedeutung. „Siehe, deine Mutter“ (Joh 19,27): Jesu Worte an den Jünger, „den er liebte“ (Joh 19,26), gewinnen im Leben der geweihten Person eine besondere Tiefe. Denn sie ist mit Johannes aufgerufen, Maria zu sich zu nehmen (vgl. Joh 19,27), wobei sie diese mit der Radikalität seiner Berufung liebt und nachahmt und, als Erwiderung, eine besondere mütterliche Zärtlichkeit erfährt. Die Jungfrau vermittelt ihr jene Liebe, die sie jeden Tag das Leben für Christus darbringen läßt, indem er mit ihr für die Rettung der Welt wirkt. Darum stellt die kindliche Beziehung zu Maria den bevorzugten Weg für die Treue zu der empfangenen Berufung und eine äußerst wirk- 561 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN same Hilfe dar, um in dieser Berufung voranzukommen und sie in Fülle zu leben. <78> Vgl. Propositio 55. III. In der Kirche und für die Kirche „Es ist gut, daß wir hier sind“: das geweihte Leben im Geheimnis der Kirche 29. Beim Anblick der Verklärung spricht Petrus im Namen der anderen Apostel: „Es ist gut, daß wir hier sind“ {Mt 17,4). Die Erfahrung der Herrlichkeit Christi, die ihm sogar den Verstand und das Herz berauscht, isoliert ihn nicht, sondern bindet ihn im Gegenteil noch enger an das „wir“ der Jünger. Diese Dimension des „wir“ läßt uns den Stellenwert betrachten, den das geweihte Leben im Geheimnis der Kirche innehat. Die theologische Reflexion über das Wesen des geweihten Lebens hat in diesen Jahren die aus der Lehre des II. Vatikanischen Konzils hervorgegangenen neuen Sichtweisen vertieft. So hat man in ihrem Licht erkannt, daß das Bekenntnis zu den evangelischen Räten unerschütterlich zum Leben und zur Heiligkeit der Kirche gehört. <79> Das bedeutet, daß das von Anfang an vorhandene geweihte Leben in der Kirche als ein für sie unverzichtbares und kennzeichnendes Element nie wird fehlen können, weil es Ausdruck ihres eigentlichen Wesens ist. <79> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 44. Dies geht klar daraus hervor, daß das Bekenntnis zu den evangelischen Räten zutiefst mit dem Geheimnis Christi verbunden ist, da es die Aufgabe hat, so gut wie möglich die Lebensform darzustellen, die er für sich wählte, und sie als absoluten und eschatologischen Wert aufzuzeigen. Jesus selbst hat durch die Berufung einiger Personen, die er aufforderte, alles zu verlassen und ihm zu folgen, diese Lebensform eingeführt, die sich unter der Wirkung des Geistes im Laufe der Jahrhunderte allmählich in den verschiedenen Formen des geweihten Lebens entfalten wird. Die Vorstellung von einer Kirche, die einzig aus geweihten Amtsinhabem und aus Laien zusammengesetzt ist, entspricht deswegen nicht den Absichten ihres göttlichen Gründers, wie sie uns aus den Evangelien und den neutestamentlichen Schriften ersichtlich sind. Die neue und besondere Weihe 30. In der Tradition der Kirche wird die Ordensprofeß als eine einzigartige und fruchtbare Vertiefung der Taufweihe betrachtet, da sich durch sie die bereits mit der Taufe eingeleitete innige Verbindung mit Christus in dem Geschenk einer durch das Bekenntnis zu den evangelischen Räten vollkommener zum Ausdruck gebrachten und verwirklichten Anpassung an ihn entfaltet. <80> <80> Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Redemptionis donum (25. März 1984), Nr. 7: AAS 76(1984)522-524. 562 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese weitere Weihe weist dennoch ihre Eigenart im Vergleich zur ersten auf, insofern sie nicht eine notwendige Folge daraus ist. <81> Tatsächlich ist jeder, der in Christus zu neuem Leben erweckt wurde, berufen, mit der aus der Gabe des Geistes stammenden Kraft seinem Lebensstand gemäß die Keuschheit, den Gehorsam gegenüber Gott und der Kirche und eine vernünftige Loslösung von den materiellen Gütern zu leben, weil alle zur Heiligkeit berufen sind, die in der Vollkommenheit der Liebe besteht. <82> Aber die Taufe ist an und für sich nicht mit der Berufung zum Zölibat oder zur Jungfräulichkeit, mit dem Verzicht auf Besitz von Gütern und mit dem Gehorsam gegenüber einem Oberen in der eigentlichen Form der evangelischen Räte verbunden. Deshalb setzt das Bekenntnis zu diesen evangelischen Räten ein besonderes, nicht allen gewährtes Geschenk Gottes voraus, wie Jesus selber für den Fall der freiwilligen Ehelosigkeit hervorhebt (vgl. Mt 19,10-12). <81> Vgl. II. Vat. Konzil. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 44; Johannes Paul n. Ansprache bei der Generalaudienz (26. Oktober 1994), Nr. 5: L’Osservatore Romano, 27. Oktober 1994, S. 4. <82> Vgl. ebd., Nr. 42. Dieser Berufung entspricht allerdings eine spezifische Gabe des Heiligen Geistes, damit derjenige, der sich Gott weiht, seiner Berufung und seiner Sendung zu entsprechen vermag. Wie die Liturgie im Orient und im Abendland bezeugt, ruft deshalb die Kirche beim Ritus der Ablegung des Ordensgelübdes und bei der Jungfrauenweihe auf die erwählten Personen die Gabe des Heiligen Geistes herab und verbindet ihre Selbsthingabe mit dem Opfer Christi. <83> <83> Vgl. Rituale Romanum, Ritus der Ordensprofeß: feierlicher Segen bzw. Weihe der männlichen Professen, Nr. 67, und der weiblichen Professen, Nr. 72; Pontificale Romanum, Ritus der Jungfrauenweihe, Nr. 38: feierliches Weihegebet; Eucologion sive Rituale Graecorum, Officium parvi habitum id est Mandiae, S. 384-385; Pontificale iuxta Ritum Ecclesiae Syrorum Occidentalium id est Antiochiae, Ordo rituum monasticorum, Typis Polyglottis Vaticanis 1942, S. 307-309. Das Bekenntnis zu den evangelischen Räten ist auch eine Entfaltung der Gnade des Sakramentes der Firmung, geht aber über die normalen Ansprüche der Chri-sam-Weihe hinaus, kraft einer besonderen Gabe des Geistes, die, wie die Geschichte des geweihten Lebens beweist, neue Möglichkeiten und Früchte der Heiligkeit und des Apostolats eröffnet. Was die Priester betrifft, die das Gelübde der evangelischen Räte ablegen, zeigt die Erfahrung, daß das Weihesakrament in dieser Weihe zu einer besonderen Fruchtbarkeit gelangt, da sie die Anforderung einer engeren Zugehörigkeit zum Herrn stellt und begünstigt. Der Priester, der das Gelübde der evangelischen Räte ablegt, ist auch dank der je eigenen Spiritualität seines Instituts und der apostolischen Dimension des zugehörigen Charismas in besonderer Weise dafür ausgestattet, die Fülle des Geheimnisses Christi in sich neu zu beleben. Im Priester laufen nämlich die Berufung zum Priestertum und zum geweihten Leben in tiefer, dynamischer Einheit zusammen. Von unermeßlichem Wert ist auch der Beitrag, der von den Ordenspriestem zum Leben der Kirche geleistet wird, die sich gänzlich der Kontemplation widmen. In 563 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Eucharistiefeier vollziehen sie insbesondere eine Handlung der Kirche und für die Kirche, mit der sie ihre Selbsthingabe verbinden in Gemeinschaft mit Christus, der sich für das Heil der ganzen Welt dem Vater hingibt. <84> <84> Vgl. Hl. Petrus Damiani, Liber qui appellatur ,J)ominus vobiscum“ ad Leonem eremitam: PL 145, 231-252. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Lebensformen des Christen 31. Die verschiedenen Lebensformen, in die sich nach dem Plan des Herrn Jesus das kirchliche Leben gliedert, weisen wechselseitige Beziehungen auf, die einer eingehenderen Betrachtung wert sind. Alle Gläubigen teilen kraft ihrer Wiedergeburt in Christus eine gemeinsame Würde; alle sind zur Heiligkeit berufen; alle wirken am Aufbau des einen Leibes Christi mit, ein jeder entsprechend seiner Berufung und der vom Geist empfangenen Gabe (vgl. Rom 12,3-8). <85> Die gleiche Würde unter allen Gliedern der Kirche ist das Werk des Geistes, sie ist begründet auf der Taufe und der Firmung und wird gestärkt durch die Eucharistie. Aber Werk des Geistes ist auch die Vielgestaltigkeit. Er ist es, der in der Vielfalt von Berufungen, Charismen und Dien-stämtem die Kirche in einer organischen Gemeinschaft begründet. <86> Die Berufungen zum Leben als Laie, zum geweihten Dienst und zum geweihten Leben können gleichsam als beispielhaft angesehen werden, da alle einzelnen Berufungen sich unter dem einen oder anderen Aspekt auf sie berufen oder auf sie zurückführen lassen, ob man sie nun einzeln oder zusammen empfängt, je nach dem Reichtum der Gabe Gottes. Darüber hinaus dienen sie einander zum Wachstum des Leibes Christi in der Geschichte und zu seiner Sendung in der Welt. Alle in der Kirche haben die Tauf- oder Firmweihe erhalten, aber das geweihte Dienstamt und das geweihte Leben setzen jeweils eine unterschiedliche Berufung und eine besondere Weiheform im Hinblick auf eine bestimmte Sendung voraus. Angemessene Grundlage für die Sendung der Laien, deren Aufgabe es ist, „in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen“, <87> ist die allen Gliedern des Gottesvolkes gemeinsame Taufweihe. Die geweihten Diener empfangen außer dieser grundlegenden Weihe jene der Ordination, um das apostolische Dienstamt in der Zeit fortzuführen. Die Personen des geweihten Lebens, die die evangelischen Räte befolgen, erhalten eine neue und besondere Weihe, die - auch wenn sie keinen sakramentalen Charakter hat - sie verpflichtet, sich in Ehelosigkeit, in der Armut und im Gehorsam die Lebensform zu eigen zu machen, die Jesus persönlich gelebt hat und von ihm den Jüngern <85> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 32; Kodex des kanonischen Rechtes, can. 208; Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 11. <86> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 4; Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nm. 4; 12; 13; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 32; Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 3; Johannes Paul II., Nachsynodales Apost. Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nm. 20-21: AAS 81(1989)425-428; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio Communionis notio (28. Mai 1992), Nr. 15: AAS 85(1993)847. <87> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 31. 564 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN empfohlen worden ist. Obwohl diese verschiedenen Stände Bekundungen des einzigartigen Geheimnisses Christi sind, haben die Laien als besonderes, wenn auch nicht ausschließliches Merkmal den Weltcharakter, die geweihten Hirten den Dienstamtscharakter, die Ordensleute die besondere Gleichförmigkeit mit dem keuschen, armen und gehorsamen Christus. Der besondere Wert des geweihten Lebens 32. In dieser harmonischen Gesamtheit von Gaben ist jede der grundlegenden Lebensformen mit der Aufgabe betraut, in ihrem eigenen Lebensstand die eine oder andere Dimension des einzigartigen Geheimnisses Christi zum Ausdruck zu bringen. Wenn das Laienleben einen besonderen Auftrag hat, der Botschaft des Evangeliums innerhalb der zeitlichen Wirklichkeit Gehör zu verschaffen, so wird im Bereich der kirchlichen Gemeinschaft von den Mitgliedern des geweihten Standes ein unersetzlicher Dienst versehen, in besonderer Weise von den Bischöfen. Diese haben die Aufgabe, das Volk Gottes zu leiten durch die Lehre des Wortes, die Spendung der Sakramente und die Ausübung der heiligen Amtsgewalt im Dienste der kirchlichen Gemeinschaft, die eine organische, hierarchisch geordnete Gemeinschaft ist. <88> <88> Vgl. ebd., Nr. 12; Johannes Paul II., Nachsynodales Apost. Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nm. 20-21: AAS 81(1989)425-428. Was die Bedeutung der Heiligkeit der Kirche angeht, muß ein objektiver Vorrang dem geweihten Leben zuerkannt werden, das die Lebensweise Christi selbst widerspiegelt. Eben deshalb findet sich darin eine besonders reichhaltige Beschreibung der evangelischen Güter und eine vollkommenere Verwirklichung des Zieles der Kirche, das die Heiligung der Menschheit ist. Das geweihte Leben kündigt die künftige Zeit an und nimmt sie gewissermaßen vorweg, wenn jenes Himmelreich, das schon jetzt im Keim und im Geheimnis gegenwärtig ist, zur Vollendung gelangt ist, <89> und die Kinder der Auferstehung nicht mehr heiraten, sondern sein werden wie die Engel Gottes (vgl. Mt 22,30). <89> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 5. Tatsächlich ist die Vorzüglichkeit der vollkommenen Keuschheit um des Himmelreiches willen, <90> die zu Recht als das „Tor“ zum ganzen geweihten Leben gilt, <91> Thema der feststehenden Lehre der Kirche. Sie zollt allerdings große Hochachtung der Berufung zur Ehe, die die Eheleute zu „Zeugen und Mitarbeitern der fruchtbaren Mutter Kirche“ macht „zum Zeichen und in Teilnahme jener Liebe, in der Christus seine Braut geliebt und sich für sie hingegeben hat“. <92> Unter diesem Gesichtspunkt, der dem ganzen geweihten Leben gemeinsam ist, bewegen sich untereinander verschiedene, aber sich ergänzende Wege. Die Personen des geweihten Lebens, die sich gänzlich der Kontemplation widmen, sind in <90> Vgl. Konzil von Trient, sess. XXTV, can. 10: DS 1810; Pius XII., Enzyklika Sacra virginitas (25. März 1954): AAS 46(1954)176. <91> Vgl. Propositio 17. <92> H. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 41. 565 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN besonderer Weise Abbild Christi, der auf dem Berg betet. <93> Die geweihten Personen mit einem aktiven Leben tun ihn kund, „wie er den Scharen das Reich Gottes verkündigt oder wie er dies* Kranken und Schwachen heilt und die Sünder zum Guten bekehrt oder wie er die Kinder segnet und allen Wohltaten erweist“. <94> Einen besonderen Dienst an der Ankunft des Reiches Gottes versehen die Personen geweihten Lebens in den Säkularinstituten; sie vereinen in einer spezifischen Synthese den Wert der Weihe mit dem Charakter des Säkularen. Indem sie ihre Weihe in der Welt und von der Welt ausgehend leben, <95> „sind [sie] bestrebt, wie ein Sauerteig alles mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen zur Stärkung und zum Wachstum des Leibes Christi“. <96> Sie haben zu diesem Zweck Anteil am Verkündigungsdienst der Kirche durch das persönliche Zeugnis eines christlichen Lebens, durch den Einsatz, damit die zeitlichen Dinge nach dem Willen geordnet seien, durch die Mitarbeit im Dienst an der kirchlichen Gemeinschaft, entsprechend dem ihrer Lebensausrichtung eigenen Weltcharakter. <97> “ Vgl. ebd., Nr. 46. <94> Ebd. <95> Vgl. Pius XII., Motu Proprio Primo feliciter (12. März 1948), Nr. 6: AAS 40(1948)285. <96> Kodex des kanonischen Rechtes, can. 713 § 1; vgl. Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 563 § 2. <97> Vgl. ebd., can. 713 § 2. Ein besonderes Wort für die „Klerikermitglieder“ ist im gleichen can. 713 § 3 gesagt. Das Evangelium der Seligpreisungen bezeugen 33. Besondere Aufgabe des geweihten Lebens ist es, in den Getauften das Bewußtsein für die wesentlichen Werte des Evangeliums lebendig zu erhalten, indem sie „ein deutliches und hervorragendes Zeugnis dafür geben, daß die Welt nicht ohne den Geist der Seligpreisungen verwandelt und Gott dargebracht werden kann“. <98> Auf diese Weise läßt das geweihte Leben fortwährend im Bewußtsein des Gottesvolkes das Bedürfnis aufbrechen, mit der Heiligkeit des Lebens auf die durch den Heiligen Geist in die Herzen ausgegossene Liebe Gottes zu antworten (vgl. Rom 5,5), indem sich in der Haltung die sakramentale Weihe widerspiegelt, die durch Gottes Wirken in der Taufe und in der Firmung oder in der Weihe erfolgt ist. Es ist in der Tat notwendig, von der in den Sakramenten vermittelten Heiligkeit zur Heiligkeit des täglichen Lebens überzugehen. Das geweihte Leben stellt sich mit seiner Existenz in der Kirche in den Dienst der Heiligung des Lebens jedes Gläubigen, des Laien wie des Klerikers. <98> Ebd., 31. Andererseits darf man nicht vergessen, daß die Personen des geweihten Lebens auch ihrerseits vom eigenen Zeugnis der anderen Berufungen eine Hilfe erhalten, um die Zugehörigkeit zum Geheimnis Christi und der Kirche in ihren vielfältigen Dimensionen vollständig zu leben. Auf Grund dieser wechselseitigen Bereicherung wird die Sendung des geweihten Lebens bedeutsamer und wirksamer: den anderen Brüdern und Schwestern mit festem Blick auf den zukünftigen Frieden als Ziel die endgültige Seligkeit bei Gott aufzuzeigen. 566 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lebendiges Bild der Kirche als Braut 34. Einen besonderen Stellenwert im geweihten Leben hat der Sinn des Bräutlichen, der auf das Bedürfnis der Kirche hinweist, in ausschließlicher Ganzhingabe an ihren Bräutigam zu leben, von dem sie alles Gute empfängt. In dieser Dimension des Bräutlichen, die dem ganzen geweihten Leben zu eigen ist, ist es vor allem die Frau, die sich in einzigartiger Weise wiederfindet, so als würde sie den besonderen Charakter ihrer Beziehung zum Herrn entdecken. Eindrucksvoll ist diesbezüglich die neutestamentliche Stelle, die Maria mit den Aposteln im Abendmahlssaal in betender Erwartung des Heiligen Geistes darstellt (vgl. Apg 1,13-14). Da kann man ein lebendiges Bild der Kirche als Braut sehen, die auf die Zeichen des Bräutigams achtet und bereit ist, sein Geschenk zu empfangen. Bei Petrus und den anderen Aposteln tritt vor allem die Dimension der Fruchtbarkeit hervor, die sich im kirchlichen Dienstamt ausdrückt, das durch die Weitergabe des Wortes, die Feier der Sakramente und die Seelsorge zum Werkzeug des Geistes für die Zeugung neuer Söhne und Töchter wird. In Maria ist die Dimension der bräutlichen Aufnahme besonders lebendig, mir der die Kirche durch ihre ganze jungfräuliche Liebe in sich das göttliche Leben fruchtbar werden läßt. Das geweihte Leben wurde immer vorwiegend von seiten Mariens, der jungfräulichen Braut, gesehen. In dieser jungfräulichen Liebe hat eine besondere Fruchtbarkeit ihren Ursprung, die zum Entstehen und Wachstum des göttlichen Lebens in den Herzen beiträgt. <99> Auf den Spuren Mariens, der neuen Eva, bringt die Person des geweihten Lebens ihre geistliche Fruchtbarkeit dadurch zum Ausdruck, daß sie aufnahmebereit wird für das Wort, um mit ihrer bedingungslosen Hingabe und ihrem lebendigen Zeugnis am Aufbau der neuen Menschheit mitzuwirken. So offenbart die Kirche voll ihre Mütterlichkeit sowohl durch die dem Petrus anvertraute Mitteilung des göttlichen Handelns als auch durch die für Maria typische verantwortungsvolle Annahme des göttlichen Geschenkes. <99> Hl. Theresia vom Kinde Jesus, Manuscrits autobiographiques B, 2 vo: „Deine Braut sein, o Jesus, ... in meiner Einheit mit dir Mutter der Seelen sein“. Das christliche Volk findet seinerseits im geweihten Dienstamt die Mittel des Heils, im geweihten Leben den Ansporn zu einer vollkommenen Antwort der Liebe in allen verschiedenen Formen der Diakonie. <100> <100> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nm. 8; 10; 12. IV. Vom Geist der Heiligkeit geführt „ Verklärte “ Existenz: der Ruf zur Heiligkeit 35. „Als die Jünger das hörten, bekamen sie große Angst und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden“ (Mt 17,6). Im Ereignis der Verklärung betonen die Synoptiker, 567 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn auch mit verschiedenen Nuancen, den Sinn der Angst, die die Jünger ergreift. Der Glanz des verklärten Antlitzes Christi verhindert nicht, daß sie sich angesichts der göttlichen Majestät, die sie in ihren Bann schlägt, bestürzt Vorkommen. Wann immer der Mensch die Herrlichkeit Gottes erfährt, berührt er auch mit den Händen sein Kleinsein, und er bekommt davon ein Gefühl des Schreckens. Diese Angst ist heilbringend. Sie erinnert den Menschen an die göttliche Vollkommenheit und gleichzeitig drängt sie ihn mit einem dringenden Aufruf zur „Heiligkeit“. Alle Söhne und Töchter der Kirche, die vom Vater aufgerufen sind, auf Christus „zu hören“, müssen ein tiefes Bedürfnis nach Bekehrung und Heiligkeit verspüren. Wie bei der Synode betont wurde, ruft dieses Bedürfnis aber in erster Linie das geweihte Leben auf den Plan. Denn die Berufung der Personen des geweihten Lebens, vor allen anderen Dingen das Reich Gottes zu suchen, ist vor allem ein Ruf zur völligen Umkehr, in der Selbstaufgabe, um ganz vom Herrn zu leben, damit Gott alles in allen sei. Die Personen des geweihten Lebens sind berufen, das verklärte Angesicht Christi zu betrachten und zu bezeugen; sie sind aber auch zu einem „verklärten“ Dasein berufen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, was im Schlußbericht der II. Außerordentlichen Versammlung der Synode formuliert wurde: „In der ganzen Kirchengeschichte sind heilige Männer und Frauen stets in den schwierigsten Situationen Quelle und Ursprung der Erneuerung gewesen. Heute haben wir größten Bedarf an Heiligen, die wir eindringlich von Gott erflehen müssen. Die Institute des geweihten Lebens müssen sich durch das Bekenntnis zu den evangelischen Räten ihrer besonderen Sendung in der Kirche von heute bewußt sein, und wir müssen sie in ihrer Sendung ermutigen“. <101> Dieser Beurteilung stimmten die Väter der IX. Synodenversammlung zu, die erklärten: „Das geweihte Leben ist während der ganzen Kirchengeschichte eine lebendige Gegenwart dieses Wirkens des Geistes gewesen. Es war ein bevorzugter Raum der absoluten Liebe zu Gott und zum Nächsten, ein Zeugnis für den göttlichen Plan, aus der ganzen Menschheit in der Zivilisation der Liebe die große Familie der Kinder Gottes zu machen“. <102> Die Kirche hat stets im Bekenntnis zu den evangelischen Räten einen bevorzugten Weg zur Heiligkeit gesehen. Die Ausdrücke selbst, mit denen sie diese umschreibt - Schule des Dienstes am Herrn, Schule der Liebe und Heiligkeit, Weg oder Stand der Vollkommenheit weisen sowohl auf die Wirksamkeit und den Reichtum der dieser evangelischen Lebensform eigenen Wege wie auf das besondere Engagement derer hin, die sie annehmen. <103> Es ist kein Zufall, daß im Laufe der Jahrhunderte so viele Personen des geweihten Lebens eindrucksvolle Zeugnisse <101> Bischofssynode, II. Außerordentliche Generalversammlung, Schlußbericht Ecclesia sub verbo Dei mysteria Christi celebranspro salute mundi (7. Dezember 1985), II, A, 4: Erich. Vat. 9, 1753. <102> Bischofssynode, IX. Ordentliche Generalversammlung, Botschaft der Synode (27. Oktober 1994), IX: L’Osservatore Romano, 29. Oktober 1994, S. 7. <103> Vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, Ü-II, q. 184, a. 5, ad 2; II-II, q. 186, a 2, ad 1. 568 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Heiligkeit hinterlassen und besonders großherzige und schwierige Werke der Evangelisierung und des Dienstes vollbracht haben. Treue zum Charisma 36. In der Nachfolge Christi und in der Liebe zu seiner Person gibt es einige Punkte bezüglich des Wachstums der Heiligkeit im geweihten Leben, die heute besonders hervorgehoben zu werden verdienen. Vor allem wird die Treue zum Gründungs Charisma und dem sich daraus ergebenden geistlichen Erbe jedes Instituts verlangt. Gerade in dieser Treue zur Inspiration der Gründer und Gründerinnen, einer Gabe des Heiligen Geistes, lassen sich die wesentlichen Elemente des geweihten Lebens leichter wiederentdecken und intensiver wiederbeleben. Jedes Charisma hat nämlich an seinem Anfang eine dreifache Orientierung: vor allem ist es auf den Vater ausgerichtet im Verlangen, kindlich seinen Willen zu suchen durch einen dauernden Bekehrungsprozess, in dem der Gehorsam die Quelle wahrer Freiheit ist, die Keuschheit die Erwartung eines von jeder vergänglichen Liebe unbefriedigten Herzens zum Ausdruck bringt, die Armut jenen Hunger und Durst nach Gerechtigkeit nährt, den zu stillen Gott verheißen hat (vgl. Mt 5,6). In dieser Sicht wird das Charisma jedes Instituts die Person des geweihten Lebens anspomen, ganz Gott zu gehören, mit Gott oder von Gott zu reden, wie vom hl. Dominikus gesagt wird, <104> um zu kosten, wie gütig der Herr in allen Situationen ist (vgl. Ps 34[33],9). <104> Vgl. Libellus de principiis Ordinis Praedicatorum. Acta Canonizatwtiis Sancti Dominici: Monumenta Ordinis Praedicatorum historica 16 (1935), 30. Die Charismen des geweihten Lebens schließen auch eine Orientierung auf den Sohn hin ein: sie leiten dazu an, mit ihm eine innige und frohe Lebensgemeinschaft in der Schule seines großherzigen Dienstes vor Gott und an den Brüdern und Schwestern zu pflegen. „Der nach und nach Christus ähnlich gewordene Blick lernt so, sich abzukehren vom Äußerlichen, vom Sturm der Gefühle, das heißt von allem, was den Menschen daran hindert, sich leicht und bereitwillig vom Geist ergreifen zu lassen“, <105> und erklärt sich so bereit, mit Christus in die Mission zu gehen, indem er mit ihm bei der Ausbreitung seines Reiches arbeitet und leidet. Schließlich wohnt jedem Charisma eine Orientierung nach dem Heiligen Geist inne, denn es veranlaßt den Betreffenden, sowohl auf seinem persönlichen geistlichen Weg wie im Leben der Gemeinschaft und bei der apostolischen Tätigkeit sich von ihm leiten und bestärken zu lassen, um in jener Haltung des Dienens zu leben, die jede Entscheidung eines glaubwürdigen Christen inspirieren muß. Tatsächlich tritt bei jedem Gründungscharisma immer diese dreifache Beziehung zutage, wenn auch mit den je spezifischen Zügen der verschiedenen Lebensmodelle, auf Grund der Tatsache, daß in ihm „eine tiefe, brennende Sehnsucht des <105> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Orientale lumen (2. Mai 1995), Nr. 12: AAS 87(1995)758. 569 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herzens“ herrscht, „Christus gleichförmig zu werden, um einen gewissen Aspekt seines Geheimnisses zu bezeugen“; <106> gemeint ist der spezifische Aspekt, gemäß den Regeln, Konstitutionen und Statuten in die echte Tradition des Instituts hineinzuwachsen und sich darin zu entfalten. <107> <106> Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe, Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche Mutuae relationes (14. Mai 1978), Nr. 51: AAS 70(1978)500. <107> Vgl. Propositio 26. Schöpferische Treue 37. Die Institute werden daher eingeladen, als Antwort auf die in der heutigen Welt auftretenden Zeichen der Zeit mutig den Unternehmungsgeist, die Erfindungsgabe und die Heiligkeit der Gründer und Gründerinnen wieder hervorzuheben. <108> Diese Einladung ist vor allem ein Aufruf zur Beharrlichkeit auf dem Weg der Heiligkeit durch die materiellen und geistlichen Schwierigkeiten hindurch, von denen das Alltagsgeschehen gezeichnet ist. Sie ist aber auch ein Aufruf, die Zuständigkeit wieder in der eigenen Arbeit zu suchen und eine dynamische Treue zur eigenen Sendung zu pflegen, indem die Institute in voller Fügsamkeit gegenüber der göttlichen Eingebung und der kirchlichen Erkenntnis die Formen, falls nötig, an die neuen Situationen und verschiedenen Bedürfnisse anpassen. Es muß freilich die Überzeugung lebendig bleiben, daß auf der Suche nach immer vollkommenerer Gleichförmigkeit mit dem Herrn die Gewähr für jede Erneuerung gegeben ist, die der ursprünglichen Inspiration treu bleiben will. <109> <108> Vgl. Propositio 27. <109> Vgl. n. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Petfectae caritatis, Nr. 2. In diesem Geist wird heute für jedes Institut eine erneuerte Bezugnahme auf die Regel zur dringenden Notwendigkeit, da in ihr und in den Konstitutionen ein Weg der Nachfolge enthalten ist, der von einem eigenen, von der Kirche beglaubigten Charisma gekennzeichnet ist. Eine stärkere Beachtung der Regel wird es nicht versäumen, den Personen des geweihten Lebens ein sicheres Kriterium anzubieten auf der Suche nach geeigneten Formen eines Zeugnisses, das auf die Forderungen der Zeit zu antworten imstande ist, ohne sich von der Anfangsinspiration zu entfernen. Gebet und Askese: der geistliche Kampf 38. Der Ruf zur Heiligkeit wird nur in der Stille der Anbetung vernommen und kann nur vor der unendlichen Transzendenz Gottes gepflegt werden: „Wir müssen uns eingestehen, daß wir alle dieses von angebeteter Gegenwart erfüllte Schweigen nötig haben: die Theologie, um die eigene Seele der Weisheit und des Geistes voll erschließen zu können; das Gebet, damit es niemals vergesse: Gott schauen heißt, mit so strahlendem Gesicht vom Berg hinabzusteigen, daß man es mit einem Schleier verhüllen muß (vgl. Ex 34,33) [...]; das Engagement, damit es darauf ver- 570 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zichte, sich in einen Kampf zu verbeißen, der keine Liebe und Gnade kennt [...]. Alle, Glaubende und Nicht-Glaubende, müssen ein Schweigen erlernen, das dem anderen zu sprechen erlaubt, wann und wo er will, und uns jenes Wort verstehen läßt“. <110> Dies schließt konkret eine große Treue zum liturgischen und persönlichen Gebet ein, zu den für das geistige Gebet und die Betrachtung vorgesehenen Zeiten, zur eucharistischen Anbetung, zu den monatlichen Einkehrtagen und zu den geistlichen Exerzitien. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Orientale lumen (2. Mai 1995), Nr. 16: AAS 87(1995)762. Es gilt auch die für die geistliche Tradition der Kirche und des eigenen Instituts typischen asketischen Mittel wiederzuentdecken. Sie waren und sind noch immer eine wirksame Hilfe für einen echten Weg der Heiligkeit. Da die Askese die Neigungen der von der Sünde verletzten menschlichen Natur zu beherrschen und zu korrigieren hilft, ist sie für die Person des geweihten Lebens wirklich unentbehrlich, um ihrer Berufung treu zu bleiben und Jesus auf dem Kreuzweg zu folgen. Es ist ebenso notwendig, einige Versuchungen zu erkennen und zu überwinden, die bisweilen durch teuflische Verlockung unter dem Anschein des Guten auftre-ten. So kann zum Beispiel das berechtigte Bedürfnis, die heutige Gesellschaft kennenzulemen, um auf ihre Herausforderungen zu antworten, dazu verleiten, bei Minderung des geistlichen Eifers oder mit erkennbaren Anzeichen von Mutlosigkeit den Moden des Augenblicks nachzugeben. Die Möglichkeit einer höheren geistlichen Bildung könnte die Personen des geweihten Lebens zu einem gewissen Überlegenheitsgefühl gegenüber den anderen Gläubigen verleiten, während die Dringlichkeit begründeter und gebührender beruflicher Qualifikation zu einem übertriebenen Bemühen um Effizienz werden kann, als hinge der apostolische Dienst vorwiegend von den menschlichen Mitteln und nicht von Gott ab. Das lobenswerte Anliegen, den Männern und Frauen unserer Zeit, Glaubenden und Nicht-Glaubenden, Armen und Reichen, näherzukommen, kann zur Annahme eines säkularisierten Lebensstils oder zu einer Förderung der menschlichen Werte in rein horizontalem Sinne führen. Die Billigung der berechtigten Forderungen der eigenen Nation oder Kultur könnte dazu verleiten, sich Formen des Nationalismus anzuschließen oder gewohnheitsmäßige Elemente anzunehmen, die jedoch der Reinigung und Verbesserung im Lichte des Evangeliums bedürfen. Der Weg zur Heiligkeit schließt also die Annahme des geistlichen Kampfes ein. Das ist eine anspruchsvolle Tatsache, der man heute nicht immer die notwendige Aufmerksamkeit widmet. In der Überlieferung ist häufig das geistliche Ringen in Jakobs Kampf mit dem Geheimnis Gottes dargestellt worden, den er angreift, um zu seinem Segen zu gelangen und sein Angesicht zu schauen (vgl. Gen 32,23-31). In diesem Geschehen der Anfänge der biblischen Geschichte können die Personen des geweihten Lebens das Symbol des asketischen Eifers lesen, den sie brauchen, um das Herz weitzumachen und für die Annahme des Herrn sowie der Brüder und Schwestern zu öffnen. 571 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Förderung der Heiligkeit 39. Ein erneuertes Engagement der Personen des geweihten Lebens zur Heiligkeit ist heute notwendiger denn je, auch um das Streben jedes Christen nach Vollkommenheit zu fördern und zu unterstützen, ,3s muß daher in jedem Gläubigen eine echte Sehnsucht nach Heiligkeit geweckt werden, ein starkes Verlangen nach Umkehr und persönlicher Erneuerung in einem Klima immer intensiveren Betens und solidarischer Annahme des Nächsten, besonders des am meisten Bedürftigen“. <111> In dem Maße, in dem sie ihre Freundschaft mit Gott vertiefen, versetzen sich die Personen des geweihten Lebens in die Lage, durch wirksame geistliche Initiativen Brüdern und Schwestern zu helfen, wie Gebetsschulen, Exerzitien und geistliche Einkehrtage, geistliches Hören und geistliche Anleitung. Auf diese Weise wird der Fortschritt im Gebet von Menschen erleichtert, die daraufhin eine bessere Erkenntnis hinsichtlich des Willens Gottes in bezug auf sich selbst erreichen und sich für die vom Glauben geforderten mutigen, ja bisweilen heroischen Optionen entscheiden können. In der Tat „fügen sich die Ordensleute durch ihr tiefstes Wesen in den Dynamismus der Kirche ein, ergriffen vom Absoluten, das Gott ist und zur Heiligkeit aufgerufen. Von dieser Heiligkeit geben sie Zeugnis“. <112> Die Tatsache, daß wir alle aufgerufen sind, heilig zu werden, muß jene in höherem Maße anspomen, die auf Grund ihrer Lebensentscheidung die Sendung haben, die anderen daran zu erinnern. <111> Johannes Paul II., Apost. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 42: AAS 87(1995) 32. <112> Paul VI., Apost. Schreiben Evangelü nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 69: AAS 68(1976)58. „Steht auf habt keine Angst“: ein erneuertes Vertrauen 40. „Da trat Jesus zu ihnen, faßte sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst“ {Mt 17,7). Wie die drei Apostel im Ereignis der Verklärung, so wissen die Personen des geweihten Lebens aus Erfahrung, daß ihr Leben nicht immer von jenem spürbaren Eifer erleuchtet ist, der rufen läßt: „Es ist gut, daß wir hier sind“ {Mt 17,4). Es ist jedoch immer ein von der Hand Christi „berührtes“ Leben, von seiner Stimme erreicht und seiner Gnade unterstützt. „Steht auf, habt keine Angst“. Diese Ermutigung des Meisters ist selbstverständlich an jeden Christen gerichtet. Aber sie gilt noch mehr für den, der berufen ist „alles zu verlassen“ und folglich für Christus „alles zu riskieren“. Dies gilt in besonderer Weise jedes Mal, wenn man mit dem Meister vom „Berg“ herabsteigt, um den Weg einzuschlagen, der vom Tabor auf den Kalvarienberg führt. Wenn Lukas sagt, daß Mose und Elija mit Christus von seinem Ostergeheimnis sprachen, benützt er bezeichnenderweise den Ausdruck „Ende“ (exodos): „sie sprachen von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte“ {Lk 9,31). „Ende“: Grundbegriff der Offenbarung, auf den sich die ganze Heilsgeschichte beruft und der den tiefen Sinn des Ostergeheimnisses zum Ausdruck bringt. Ein für die Spiritualität des geweihten Lebens besonders wichtiges Thema, das seine 572 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bedeutung gut hervorhebt. Darin ist unvermeidlich enthalten, was zum mysterium Crucis gehört. Aber dieser anspruchsvolle „Weg zum Ende hin“, aus der Perspektive des Berges Tabor betrachtet, erscheint wie ein Weg zwischen zwei Lichtem: das vorwegnehmende Licht der Verklärung und jenes endgültige Licht der Auferstehung. Die Berufung zum geweihten Leben - unter dem Blickwinkel des ganzen christlichen Lebens - ist trotz seiner Entsagungen und Prüfungen, im Gegenteil, gerade deswegen, Weg „des Lichtes“, über den der Blick des Erlösers wacht: „steht auf, habt keine Angst“. Kapitel II Signum Fratemitatis Das geweihte Leben als Zeichen der Gemeinschaft in der Kirche I. Bleibende Werte Als Abbild der Dreifaltigkeit 4L Während seines Erdenlebens rief der Herr Jesus jene zu sich, die er erwählt hatte, um sie bei sich zu haben und sie zu unterweisen, nach seinem Beispiel für den Vater und für den von ihm erhaltenen Auftrag zu leben (vgl. Mk 3,13-15). Damit begründete er jene neue Familie, zu der im Laufe der Jahrhunderte alle gehören sollen, die bereit sein werden, „den Willen Gottes zu erfüllen“ (vgl. Mk 3,32-35). Nach der Himmelfahrt entstand unter der Wirkung der Gabe des Geistes um die Apostel eine brüderliche Gemeinde, die sich versammelte, um Gott zu loben und Gemeinschaft konkret zu erfahren (vgl. Apg 2,42-47; 4,32-35). Das Leben dieser Gemeinde und noch mehr die Erfahrung der vollen Zugehörigkeit zu Christus, wie sie von den zwölf Aposteln gelebt wurde, sind stets das Modell gewesen, an dem sich die Kirche inspirierte, wenn sie den glühenden Eifer der Anfangszeiten wiederbeleben und sich mit erneuerter evangelischer Kraft wieder auf ihren Weg in der Geschichte machen wollte. <113> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae cariiatis, Nr. 15; Hl. Augustinus, Regula ad servos Dei, 1, 1: PL 32, 1372. In der Tat ist die Kirche ihrem Wesen nach Geheimnis der Gemeinschaft, „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes geeinte Volk“. <114> Die Tiefe und die Fülle dieses Geheimnisses will das geschwisterliche Leben dadurch widerspiegeln, daß es sich als von der Dreifaltigkeit bewohnter menschlicher Raum gestaltet, der auf diese Weise die den drei göttlichen Personen eigenen Gaben der Gemeinschaft in die Geschichte einbringt. Vielfältig sind im kirchlichen Leben die Bereiche und Modalitäten, in denen die geschwisterüche Gemein- <114> Hl. Cyprian, De Oratione Dominica 23: PL 4, 553; vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 4. 573 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schaft zum Ausdruck gebracht wird. Das geweihte Leben hat zweifellos das Verdienst, wirksam dazu beigetragen zu haben, in der Kirche das Verlangen nach Ge-schwisterlichkeit als Bekenntnis zur Dreifaltigkeit lebendig zu erhalten. Es hat durch die ständige Förderung der geschwisterlichen Liebe auch in der Form des Gemeinschaftslebens gezeigt, daß die Teilnahme an der trinitarischen Gemeinschaft die menschlichen Beziehungen dahingehend zu verändern vermag, daß sie eine neue Art von Solidarität hervorbringt. Auf diese Weise zeigt das geweihte Leben den Menschen sowohl die Schönheit der geschwisterlichen Gemeinschaft als auch die Wege, die konkret zu ihr führen. Denn die Personen des geweihten Lebens leben „für“ Gott und „von“ Gott und können sich eben deshalb zur Macht der versöhnenden Wirkung der Gnade bekennen, die die im Fierzen des Menschen und in den sozialen Beziehungen vorhandenen zersetzenden Kräfte niederwirft. Geschwisterliches Leben in Liebe 42. Das geschwisterliche Leben, verstanden als in Liebe geteiltes Leben, ist ein ausdrucksvolles Zeichen der kirchlichen Gemeinschaft. Es wird mit besonderer Sorgfalt von den Ordensinstituten und den Gesellschaften des apostolischen Lebens gepflegt, wo das Leben in Gemeinschaft besondere Bedeutung erlangt. <115> Doch die Dimension der geschwisterlichen Gemeinschaft ist weder den Säkularinstituten noch den individuellen Formen geweihten Lebens fremd. So entziehen sich die Eremiten in ihrer tiefen Einsamkeit keineswegs dar kirchlichen Gemeinschaft, sondern dienen ihr mit ihrem besonderen Charisma der Kontemplation; die gottgeweihten Jungfrauen in der Welt verwirklichen ihre Weihe durch eine besondere Verbindung der Gemeinschaft mit der Teil- und der Universalkirche. Ähnliches gilt für Witwen und Witwer, die die Weihe empfangen haben. Vgl. Propositio 20. Alle diese Personen bemühen sich, in Verwirklichung der Jüngerschaft im Sinn des Evangeliums, das „neue Gebot“ des Herrn zu leben, nämlich einander zu lieben, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34). Die Liebe hat Christus zur Selbsthin-gabe bis hin zum höchsten Opfer am Kreuz geführt. Auch unter seinen Jüngern gibt es keine echte Einheit ohne diese bedingungslose gegenseitige Liebe, die Verfügbarkeit zum Dienst unter Einsatz aller Kräfte erfordert, Bereitschaft, den anderen so, wie er ist, ohne Vorurteil anzunehmen, die Fähigkeit, auch „siebenundsieb-zigmal“ zu vergeben {Mt 18,22), den Willen, keinen zu verurteilen (vgl. Mt 7,1-2). Für die Personen des geweihten Lebens, die durch diese vom Heiligen Geist in die Herzen ausgegossene Liebe (vgl. Röm 5,5) „ein Herz und eine Seele“ geworden sind (Apg 4,32), wird es zum inneren Bedürfnis, alles gemeinsam zu haben: materielle Güter und geistliche Erfahrungen, Begabungen und Eingebungen sowie apostolische Ideale und Dienst der Nächstenliebe:, Jm Gemeinschaftsleben geht die in einem vorhandene Kraft des Geistes gleichzeitig auf alle über. Da erfreut man sich 574 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht nur der eigenen Gabe, sondern vervielfältigt sie, indem man andere daran teilhaben läßt, und genießt die Frucht der Gabe der anderen wie die eigene“. <116> Sodann muß im Gemeinschaftsleben irgendwie erkennbar werden, daß die geschwisterliche Gemeinschaft, noch eher als Weg für eine bestimmte Sendung, göttlicher Ort ist, an dem die mystische Gegenwart des auferstandenen Herrn erfahren werden kann (vgl. Mt 18,20). <117> Das geschieht dank der gegenseitigen Liebe aller, die die Gemeinschaft bilden, einer Liebe, die vom Wort und von der Eucharistie genährt, im Sakrament der Versöhnung gereinigt und von der Bitte um Einheit gestärkt wird, dem besonderen Geschenk des Geistes für diejenigen, die gehorsam auf das Evangelium hören. Er, der Geist selbst ist es, der die Seele zur Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn Jesus Christus führt (vgl. 1 Joh 1,3), zur Gemeinschaft, in der die Quelle des geschwisterlichen Lebens ist. Vom Geist werden die Gemeinschaften des geweihten Lebens bei der Erfüllung ihrer Sendung zum Dienst an der Kirche und an der ganzen Menschheit entsprechend ihrer ursprünglichen Inspiration geleitet. <116> Hi. Basilius, Die größeren Ordensregeln, Fragen 7: PG 31, 931. <117> Vgl. Hl. Basilius, Die kleineren Ordensregeln, Fragen 225: PG 31,1231. In dieser Perspektive sind die „Kapitel“ (oder analoge Versammlungen), sei es besondere oder Generalkapitel, von besonderer Bedeutung. Während dieser Kapitel ist jedes Institut berufen, nach den von deren Konstitutionen festgelegten Normen die Oberen oder die Oberinnen zu wählen und im Lichte des Geistes die angemessenen Bestimmungen zu treffen, um das eigene Charisma und das eigene spirituelle Erbe zu bewahren und es in den verschiedenen historischen und kulturellen Situationen auf den aktuellen Stand zu bringen. <118> <118> Vgl. Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, Instr. Essential elements in the Church's teaching as applied to Institutes dedicated to works of the apostolate (31. Mai 1983), Nr. 51: Ench. Vat. 9, 235-237; Kodex des kanonischen Rechtes, can. 631 § 1; Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 512 §1- Die Aufgabe der Autorität 43. Im geweihten Leben war das Amt der Oberen und Oberinnen, auch der Ortsoberen, stets von großer Bedeutung sowohl für das geistliche Leben als auch für die Sendung. In diesen Jahren des Suchens und der Veränderungen war gelegentlich auch von der Notwendigkeit einer Revision dieses Amtes zu hören. Es gilt aber anzuerkennen, daß derjenige, der die Autorität ausübt, aufseine Aufgabe als erster Verantwortlicher der Gemeinschaft, nämlich auf die Leitung der Brüder und Schwestern auf dem geistlichen und apostoüschen Weg, nicht verzichten kann. Es ist nicht leicht, in einem stark vom Individualismus geprägten Milieu die Aufgabe, die die Autorität zum Vorteil aller ausübt, anzuerkennen und anzunehmen. Es muß jedoch die Wichtigkeit dieser Aufgabe erneut herausgestellt werden, die sich als notwendig erweist, um die geschwisterliche Gemeinschaft zu festigen und nicht den gelobten Gehorsam zu vereiteln. Auch wenn die Autorität vor allem geschwisterlich und geistlicher Art sein soll und infolgedessen derjenige, der mit ihr 575 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausgestattet ist, die Mitbrüder und Mitschwestem durch den Dialog in den Entscheidungsprozeß einzubeziehen wissen muß, ist es dennoch angebracht, sich daran zu erinnern, daß die Autorität das letzte Wort hat und es ihr zusteht, daß die gefaßten Beschlüsse eingehalten werden. <119> <119> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens ujd die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Das brüderliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor“ (2. Februar 1994), Nm. 47-53: Vatikanstadt 1994, S. 58-64; Kodex des kanonischen Rechtes, can. 618; Propositio 19. Die Rolle der alten Leute 44. Die Sorge um die Alten und Kranken gehört ganz wesentlich zum geschwisterlichen Leben, besonders in einer Zeit wie der unseren, in der in manchen Gegenden der Welt die Zahl der Personen des geweihten Lebens zunimmt, die in den Jahren nunmehr fortgeschritten sind. Die zuvorkommende Aufmerksamkeit, die sie verdienen, entspricht nicht nur einer eindeutigen Verpflichtung zu Liebe und Anerkennung, sondern sie ist auch Ausdruck der Erkenntnis, daß ihr Zeugnis für die Kirche und die Institute sehr nützlich ist und ihre Sendung auch dann gültig und verdienstvoll bleibt, wenn sie wegen des Alters oder aus Krankheit ihre eigentliche Tätigkeit aufgeben müssen. Sie haben zweifellos der Gemeinschaft viel an Weisheit und Erfahrung zu geben, wem diese imstande ist, ihnen voll Aufmerksamkeit und mit der Fähigkeit zum Zuhören nahezustehen. In der Tat besteht die apostolische Sendung noch vor dem Tun im Zeugnis der eigenen vollkommenen Hingabe an den Heilswillen des Herrn, einer Hingabe, die sich an den Quellen des Gebets und der Buße nährt. Es gibt daher viele Möglichkeiten, wie die alten Mitglieder ihre Berufung leben können: das eifrige Gebet, die geduldige Annahme der eigenen Situation, die Verfügbarkeit für den Dienst als Spiritual, als Beichtvater und Begleiter des Betens. <120> <120> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Das brüderliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor11 (2. Februar 1994), Nr. 68: Vatikanstadt 1994, S. 86-88; Propositio 21. Als Abbild der apostolischen Gemeinschaft 45. Das geschwisterliche Leben spielt auf dem geistlichen Weg der Personen des geweihten Lebens eine grundlegende Rolle sowohl für ihre ständige Erneuerung als auch für die vollkommene Erfüllung ihrer Sendung in der Welt: dies läßt sich aus den theologischen Begründungen schließen, die dem geschwisterlichen Leben zugrunde liegen, findet aber auch in der eigenen Erfahrung weitgehende Bestätigung. Ich ermahne daher die Personen des geweihten Lebens, das Gemeinschaftsleben eifrig zu pflegen und damit dem Beispiel der ersten Christen von Jerusalem zu folgen, die voll Eifer die Lehre der Apostel hörten, am gemeinsamen Gebet und an der Feier der Eucharistie teilnahmen und die materiellen Güter und Gnadengaben miteinander teilten (vgl. Apg 2,42-47). Vor allem ermahne ich die Ordensleute und die Mitglieder der Gesellschaften des apostolischen Lebens, vorbehaltlos die 576 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gegenseitige Liebe zu leben und dieser durch die Bestimmungen, die der Natur eines jeden Instituts entsprechen, Ausdruck zu verleihen, damit sich jede Gemeinschaft als leuchtendes Zeichen des neuen Jerusalem, der „Wohnung Gottes unter den Menschen“ {Offb 21,3), erweise. Denn die ganze Kirche zählt sehr auf das Zeugnis von Gemeinschaften, die „voll Freude und erfüllt vom Heiligen Geist“ sind (Apg 13,52). Sie möchte die Welt auf das Beispiel von Gemeinschaften hinweisen, in denen die gegenseitige Aufmerksamkeit die Einsamkeit überwinden hilft, die Kommunikation alle dazu anspomt, sich mitverantwortlich zu fühlen, und in denen Vergebung die Wunden heilt und in jedem einzelnen den Vorsatz zur Gemeinschaft stärkt. In derartigen Gemeinschaften lenkt die Natur des Charismas die Kräfte, festigt die Treue und richtet die apostolische Arbeit aller auf die eine Sendung aus. Um der heutigen Menschheit ihr wahres Gesicht zu zeigen, braucht die Kirche dringend solche brüderliche Gemeinschaften, die schon allein durch ihr Bestehen einen Beitrag zur Neuevangelisierung leisten, da sie konkret die Früchte des „neuen Gebotes“ erbringen. Sentire cum Ecclesia 46. Eine große Aufgabe ist dem geweihten Leben auch im Lichte der vom n. Vatikanischen Konzil mit fester Entschiedenheit dargestellten Lehre von der Kirche als Gemeinschaft anvertraut. Von den Personen des geweihten Lebens wird verlangt, als „Zeugen und Baumeister jenes göttlichen Planes für Gemeinschaft1, der die Geschichte der Menschen krönen soll“, <121> wirklich Experten der Gemeinschaft zu sein und deren Spiritualität in die Praxis umzusetzen. <122> Der Sinn der kirchlichen Gemeinschaft, die sich zu einer Spiritualität der Gemeinschaft entwickelt, fördert eine Weise des Denkens, Sprechens und Handelns, die die Kirche an Tiefe und Weite wachsen läßt. Denn das Gemeinschaftsleben „wird zu einem Zeichen für die Welt, zur anziehenden Kraft, die zum Glauben an Christus führt [...] Auf diese Weise öffnet sich die communio der Sendung, wird selbst Sendung“, ja, „die communio schafft communio und stellt sich wesentlich als missionarische communio dar“. <123> <121> Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, Dokument Leben und Sendung der Ordensleute in der Kirche, I. Das Ordensleben und die Förderung des Menschen (12. August 1980), II, 24: Euch. Vat. 7, 455. <122> Vgl. Propositio 28. <123> Johannes Paul II., Nachsynodales Apost. Schreiben Christifideles laici (30. Dez. 1988), Nm. 31-32: AAS 81(1989)451-452. Bei den Stiftern und Stifterinnen erscheint der Sinn für die Kirche immer lebendig und zeigt sich in ihrer vollkommenen Teilnahme am kirchlichen Leben in allen seinen Dimensionen und im bereitwilligen Gehorsam den Bischöfen, insbesondere dem Bischof von Rom gegenüber. Vor diesem Horizont der Liebe zur heiligen Kirche, „Säule und Fundament der Wahrheit“ (1 Tim 3,15), begreifen wir die Ergebenheit eines Franz von Assisi dem „Herrn Papst“ gegenüber, <124> den kindlichen Unternehmungsgeist einer Katharina von Siena dem gegenüber, den sie den <124> Regula Bullata, I, 1. 577 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „süßen Christus auf Erden nennt“, <125> den apostolischen Gehorsam und das „Sentire cum Ecclesia“ <126> eines Ignatius von Loyola, das freudige Glaubensbekenntnis einer Theresia von Jesus: „Ich bin Tochter der Kirche“. <127> Man versteht auch die Sehnsucht der Theresia von Lisieux: „Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein“. <128> Ähnliche Zeugnisse stellen die volle kirchliche Gemeinschaft dar, die Heilige sowie Stifter und Stifterinnen zu ganz verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen und oft sehr schwierigen Umständen gegeben haben. Auf diese Vorbilder müssen die Personen des geweihten Lebens immer wieder Bezug nehmen, um den heutzutage besonders aktiven zentrifugalen und zersetzenden Antriebskräften entgegenzuwirken. <125> Briefe, 109, 171,196. <126> Vgl. die Regeln „für das richtige sentire, das wir in der streitenden Kirche haben müssen“, die er am Schluß des Buches Geistliche Exerzitien aufstellt, besonders die Regel 13. ™ Dichos, Nr. 217. <128> Manuscrits autobiographiques, B, 3 vo. Ein Wesensmerkmal dieser kirchlichen communio ist das Festhalten mit Herz und Verstand am Lehramt der Bischöfe, das von allen Personen des geweihten Lebens, besonders jenen, die in der theologischen Forschung, in der Lehre, im Publikationswesen, in der Katechese, im Bereich der sozialen Kommunikationsmittel tätig sind, treu gelebt und vor dem Volk Gottes klar und deutlich bezeugt werden muß. <129> Da die Personen des geweihten Lebens einen besonderen Platz in der Kirche einnehmen, kommt ihrer diesbezüglichen Haltung für das ganze Volk Gottes große Bedeutung zu. Ihr apostolisches Wirken, das sich im Rahmen der prophetischen Sendung aller Getauften im allgemeinen durch Aufgaben besonderer Zusammenarbeit mit der Hierarchie qualifiziert, gewinnt aus ihrem Zeugnis kindlicher Liebe Kraft und Schärfe. <130> Auf diese Weise leisten sie mit dem Reichtum ihrer Charismen einen besonderen Beitrag, damit die Kirche ihr Wesen als Sakrament der innigen Vereinigung mit Gott und der Einheit des gesamten Menschengeschlechts immer vollkommener verwirkliche. <131> <129> Vgl. Propositio 30, A. <130> Vgl. Johannes Paul II., Apost. Schreiben Redemptionis donum (25. März 1984), Nr. 15: AAS 76(1984)541-542. <131> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 1. Die Brüderlichkeit in der Universalkirche 47. Die Personen des geweihten Lebens sind auf Grund der Tatsache selbst, daß die vielfältigen Charismen der jeweiligen Institute vom Heiligen Geist geschenkt werden im Hinblick auf das Wohl des ganzen mystischen Leibes, zu dessen Aufbau sie beitragen sollen (vgl. 1 Kor 12,4-11), dazu berufen, Sauerteig missionarischer Gemeinschaft in der Universalkirche zu sein. Bezeichnenderweise ist es die Liebe, die nach den Worten des Apostels „der Weg“ ist, „der alles übersteigt“ (1 Kor 12,31), die Wirklichkeit, die „die größte unter allen ist“ (7 Kor 13,13), die alle Unterschiede harmonisch in Einklang bringt und allen die Kraft verleiht, im apostolischen Einsatz einander Stütze zu sein. Gerade danach strebt das besondere 578 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Band der Gemeinschaft, das die verschiedenen Formen des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens zum Nachfolger Petri in seinem Dienst an der Einheit und der missionarischen Universalität haben. Die Geschichte der Spiritualität veranschaulicht dieses Band eingehend dadurch, daß sie deren günstige Aufgabe zeigt, um sowohl die dem geweihten Leben eigene Identität als auch die missionarische Ausbreitung des Evangeliums zu gewährleisten. Die machtvolle Verbreitung der evangelischen Botschaft ebenso wie die feste Verwurzelung der Kirche in so vielen Gegenden der Welt und der christliche Frühling, der heute in den jungen Kirchen festzustellen ist, wären - wie die Synodenväter festgestellt haben - ohne den Beitrag so vieler Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens undenkbar. Sie haben über Jahrhunderte hin die Gemeinschaft mit den Nachfolgern des hl. Petrus aufrechterhalten, die bei ihnen großzügige Bereitschaft vorfanden, sich der Mission mit einer Verfügbarkeit zu widmen, die, wenn nötig, bis zum Heroismus reichen konnten. So ragt das Wesensmerkmal der Universalität und der Gemeinschaft hervor, das den Instituten des geweihten Lebens und den Gesellschaften des apostolischen Lebens eigen ist. Aufgrund des in ihrer besonderen Beziehung zum Petrusamt verwurzelten überdiözesanen Charakters stehen sie auch im Dienst der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teilkirchen, <132> unter denen sie den „Austausch der Gaben“ wirksam fördern und dadurch zu einer Inkulturation des Evangeliums beitragen können, die die Reichtümer der Kulturen aller Völker reinigen, bewerten und annehmen soll. <133> Auch heute offenbart die Blüte an Berufungen zum geweihten Leben in den jungen Kirchen die Fähigkeit, die es besitzt, um innerhalb der katholischen Einheit die Erfordernisse der verschiedenen Völker und Kulturen zum Ausdruck zu bringen. <132> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Communio Communionis notio (28. Mai 1992), Nr. 16: AAS 85(1993)847-848. <133> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 13. Das geweihte Leben und die Teilkirche 48. Eine bedeutsame Rolle kommt den Personen des geweihten Lebens auch innerhalb der Teilkirchen zu. Ausgehend von der Lehre des Konzils über die Kirche als Gemeinschaft und Geheimnis und über die Teilkirchen als Teil des Gottesvolkes, in denen „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist“, <134> ist dieser Aspekt in verschiedenen Nachfolgedokumenten vertieft und kodifiziert worden. Im Lichte dieser Texte zeigt sich mit aller Klarheit die fundamentale Bedeutung, die der Zusammenarbeit der Personen des geweihten Lebens mit den Bischöfen für die harmonische Entwicklung der Pastoral in der Diözese zukommt. Die Charismen des geweihten Lebens können viel zum Aufbau der Liebe in der Teilkirche beitragen. <134> II. Vat. Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus, Nr. 11. 579 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die verschiedenen Formen, in denen die evangelischen Räte gelebt werden, sind in der Tat Ausdruck und Frucht der von den Stiftern und Stifterinnen empfangenen geistlichen Gaben und stellen als solche eine „Erfahrung des Geistes [dar], die den eigenen Schülern überliefert wurde, damit sie von ihnen gelebt, bewahrt, vertieft und ständig weiterentwickelt werden in der Übereinstimmung mit dem Leib Christi, der ständig im Wachsen begriffen ist“. <135> Der eigene Charakter jedes Instituts enthält einen besonderen Stil der Heiligung und des Apostolats, der sich in einer bestimmten, von objektiven Elementen geprägten Tradition zu festigen sucht. <136> Darum sorgt die Kirche dafür, daß die Institute dem Geist der Stifter und Stifterinnen und ihren gesunden Überlieferungen gemäß wachsen und sich entfalten. <137> 1 Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe, Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche Mutuae relationes (14. Mai 1978), Nr. 11: AAS 70(1978)480. <136> Vgl. ebd. <137> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 576. Demzufolge wird den einzelnen Instituten eine gebührende Autonomie zuerkannt, kraft derer sie sich eine eigene Ordnung zunutze machen und ihr spirituelles und apostolisches Erbe unversehrt bewahren können. Diese Autonomie zu wahren und zu schützen ist Aufgabe der Ortsordinarien. <138> Die Bischöfe werden daher ersucht, die Charismen des geweihten Lebens anzunehmen und zu achten, indem sie ihnen in den Entwürfen der diözesanen Pastoral Raum geben. Besondere Aufmerksamkeit müssen sie den Instituten diözesanen Rechts widmen, die der besonderen Sorge des Ortsbischofs anvertraut sind. Eine Diözese ohne geweihtes Leben würde nicht nur vieler geistlicher Gaben, geeigneter Orte für die Suche nach Gott, spezifischer apostolischer Aktivitäten und pastoraler Methoden verlustig gehen, sondern sie würde darüber hinaus Gefahr laufen, in hohem Maße in jenem missionarischen Geist geschwächt zu werden, der der Mehrheit der Institute eigen ist. <139> Daher verlangt es die Pflicht, der Gabe des geweihten Lebens, die der Geist in der Teilirche schenkt, dadurch zu entsprechen, daß man sie hochherzig und voll Dankbarkeit annimmt. <138> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 586; Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe, Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche Mutuae relationes (14. Mai 1978), Nr. 13: AAS 70(1978)481-482. <139> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 18. Eine fruchtbare und geordnete kirchliche Gemeinschaft 49. Der Bischof ist Vater und Hirt der ganzen Teilkirche. Seine Zuständigkeit ist es, die einzelnen Charismen anzuerkennen und zu beachten, sie zu fördern und zu koordinieren. Er wird also in seiner pastoralen Liebe das Charisma des geweihten Lebens als Gnade annehmen, die nicht nur ein Institut betrifft, sondern zum Vorteil der ganzen Kirche ausströmt. Er wird so versuchen, den Personen des geweihten Lebens beizustehen und zu helfen, sich in Gemeinschaft mit der Kirche 580 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den spirituellen und pastoralen Perspektiven, die den Erfordernissen unserer Zeit entsprechen, in Treue zur Gründungsinspiration zu öffnen. Die Personen des geweihten Lebens werden es ihrerseits nicht versäumen, nach den eigenen Kräften und unter Wahrung des eigenen Charismas der Teilkirche großzügig ihre Mitarbeit anzubieten, wobei sie im Bereich der Evangelisierung, der Katechese, und des Lebens der Pfarrgemeinden in voller Gemeinschaft mit dem Bischof tätig sind. Es sei daran erinnert, daß sich die Institute bei der Koordination des Dienstes an der Universalkirche mit jenem an der Teilkirche nicht auf die gebührende Autonomie und auch nicht auf die Exemtion berufen können, die viele von ihnen genießen, <140> um Entscheidungen zu rechtfertigen, die zu den von einem heilsamen kirchlichen Leben an eine organische Gemeinschaft gestellten Erfordernissen tatsächlich im Widerspruch stehen. Statt dessen müssen die pastoralen Initiativen der Personen des geweihten Lebens auf der Basis eines freundlichen und offenen Dialogs zwischen Bischöfen und Oberen der verschiedenen Institute entschieden und in die Tat umgesetzt werden. Die besondere Aufmerksamkeit der Bischöfe für die Berufung und Sendung der Institute und die Achtung vor dem Amt der Bischöfe von seiten der Institute, die mit der Annahmebereitschaft der konkreten pastoralen Anweisungen für das diözesane Leben verbunden ist, stellen zwei eng miteinander verknüpfte Formen jener einzigartigen kirchlichen Liebe dar, die alle zum Dienst an der - charismatischen und zugleich hierarchisch gegliederten - organischen Gemeinschaft des ganzen Gottesvolkes verpflichtet. <140> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 586 § 2; 591; Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 412 § 2. Ein beständiger, von der Liebe beseelter Dialog 50. Zur Förderung des gegenseitigen Kennenlemens als unerläßlicher Voraussetzung für eine tatkräftige Zusammenarbeit vor allem auf pastoralem Gebiet erweist sich ein ständiger Dialog der Oberen und Oberinnen der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens mit den Bischöfen angebrachter als je zuvor. Dank dieser regelmäßigen Kontakte werden Obere und Oberinnen die Bischöfe über die apostolischen Initiativen, die sie in ihren Diözesen in die Wege zu leiten beabsichtigen, informieren können, um mit ihnen zu den für die Durchführung notwendigen Vereinbarungen zu gelangen. In gleicher Weise ist es angebracht, daß von den Konferenzen der höheren Ordensoberen und -Oberinnen delegierte Personen zur Teilnahme an den Versammlungen der Bischofskonferenzen und umgekehrt, daß Delegierte der Bischofskonferenzen zu Konferenzen der höheren Ordensoberen und -Oberinnen eingeladen werden; die entsprechenden Modalitäten dafür sind noch festzulegen. So gesehen, wird es von großem Nutzen sein, daß dort, wo dies noch nicht geschehen ist, auf nationaler Ebene gemischte Kommissionen aus Bischöfen und höheren Ordensoberen und -Oberinnen <141> gebildet und tätig werden, um miteinander Probleme von gemeinsa- <141> Vgl. Propositio 29, 4. 581 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mem Interesse zu untersuchen. Zum besseren gegenseitigen Kennenlemen wird auch die Aufnahme der Theologie und der Spiritualität des geweihten Lebens in den theologischen Studienplan der Diözesanpriester beitragen; und dasselbe gilt für das Einbringen einer entsprechenden Behandlung der Theologie der Teilkirche und der Spiritualität des Diözesanklerus bei der Ausbildung der Personen des geweihten Lebens. <142> <142> Vgl. Propositio 49, B. Tröstlich ist schließlich daran zu erinnern, daß es auf der Synode nicht nur zahlreiche Beiträge zur Lehre über die Gemeinschaft gegeben hat, sondern auch große Genugtuung angesichts der in einem Klima des gegenseitigen Vertrauens und der Offenheit erlebten Erfahrung des Dialogs zwischen den anwesenden Bischöfen und Ordensleuten. Dies löste den Wunsch aus, daß „diese geistliche Erfahrung von Gemeinschaft und Zusammenarbeit sich auch nach Abschluß der Synode auf die ganze Kirche erstrecken möge“. <143> Ich wünsche mir, daß die Gesinnung und die Spiritualität der Gemeinschaft in allen wachsen möge. <143> Propositio 54. Die Geschwisterlichkeit in einer gespaltenen und ungerechten Welt 51. Die Kirche vertraut den Gemeinschaften des geweihten Lebens die besondere Aufgabe an, die Spiritualität der Gemeinschaft vor allem innerhalb der eigenen Gemeinschaft und dann in der kirchlichen Gemeinschaft und über deren Grenzen hinaus dadurch zu stärken, daß sie vor allem dort, wo die heutige Welt von Rassenhaß oder mörderischem Wahn zerrissen ist, den Dialog der Liebe eröffnet bzw. immer wieder aufnimmt. Inmitten der verschiedenen Gesellschaften unserer Erde - Gesellschaften, die häufig von Leidenschaften und entgegengesetzten Interessen beeinträchtigt sind, die sich nach Einheit sehnen, jedoch unsicher bezüglich der einzuschlagenden Wege sind - stehen die Gemeinschaften des geweihten Lebens, in denen sich Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener Sprache und Kultur als Brüder und Schwestern begegnen, als Zeichen für einen Dialog der immer möglich ist, und für eine Gemeinschaft, die die Unterschiede in harmonischen Einklang zu bringen vermag. Die Gemeinschaften 'es geweihten Lebens sind gehalten, durch das Zeugnis ihres Lebens den Wert der christlichen Brüderlichkeit und die verändernde Kraft der Frohen Botschaft zu verkünden, <144> die alle als Kinder Gottes anerkennt und zur aufopfernden Liebe gegenüber allen drängt, besonders gegenüber den Geringsten. Diese Gemeinschaften sind Orte der Hoffnung und der Entdeckung der Seligpreisungen, Orte, an denen die aus dem Gebet, der Quelle der Gemeinschaft schöpfende Liebe zur Logik des Lebens und Quelle der Freude werden soll. <144> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Das brüderliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor" (2. Februar 1994), Nr. 56: Vatikanstadt 1994, S. 66. 582 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser Zeit, die von der weltweiten Ausdehnung der Probleme und zugleich vom Rückfall in die Idole des Nationalismus gekennzeichnet ist, haben vor allem die internationalen Institute die Aufgabe, den Sinn für die Gemeinschaft unter den Völkern, Rassen und Kulturen lebendig zu erhalten und zu bezeugen. In einem Klima der Brüderlichkeit wird die Offenheit für die weltweite Dimension der Probleme den Reichtum der einzelnen nicht ersticken, noch wird die Bejahung einer Eigenart Gegensatz zu den anderen oder Zwiespalt mit der Einheit hervorrufen. Die internationalen Institute können dies wirksam tun, indem sie sich doch selbst auf kreative Weise der Herausforderung der Inkulturation bei gleichzeitiger Wahrung ihrer Identität stellen müssen. Gemeinschaft unter den verschiedenen Instituten 52. Die brüderliche geistliche Beziehung und die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Instituten des geweihten Lebens und den Gesellschaften des apostolischen Lebens werden vom kirchlichen Gemeinschaftssinn getragen und genährt. Personen, die durch die gemeinsame Verpflichtung zur Nachfolge Christi miteinander verbunden und vom selben Heiligen Geist beseelt sind, müssen als Reben des einen Weinstocks die Fülle des Evangeliums der Liebe sichtbar bekunden. Die verschiedenen Stifter und Stifterinnen sind berufen, eingedenk der geistlichen Freundschaft, die sie auf Erden oft miteinander verbunden hat, in Treue zum Wesen ihres Instituts eine vorbildliche Geschwisterlichkeit zum Ausdruck zu bringen, die den anderen Mitgliedern der Kirche in ihrem täglichen Bemühen um die Bezeugung des Evangeliums Ansporn sein möge. Die Worte des hl. Bernhard bezüglich der verschiedenen Orden sind nach wie vor aktuell: „Ich bewundere sie alle. Einem von ihnen gehöre ich durch die Befolgung der Regel an, allen aber in der Liebe. Wir alle brauchen einander: das geistliche Gut, das ich nicht habe und nicht besitze, empfange ich von den anderen [...]. Die Kirche ist hier im irdischen Leben noch unterwegs und, wenn ich so sagen darf, pluralisch: wir haben es mit einer einzigartigen Pluralität und mit einer plurali-schen Einheit zu tun. Und alle unsere Verschiedenheiten, die die Fülle der Gaben Gottes offenkundig machen, werden in dem einen Haus des Vaters, das viele Wohnungen umfaßt, anzutreffen sein. Jetzt gibt es unterschiedliche Gnadengaben: dann wird es unterschiedliche Seligkeiten geben. Die Einheit besteht hier wie dort in ein und derselben Liebe“. Koordinierungsorgane 53. Einen beachtlichen Beitrag zur Gemeinschaft können die Konferenzen der höheren Ordensoberen und -Oberinnen sowie der Säkularinstitute leisten. Hauptzweck dieser Organe, die vom n. Vatikanischen Konzil und von nachfolgenden <145> <146> 118 Apologie zu Guillaume von Saint Thierry, IV, 8: PL 182, 903-904. <146> Vgl. Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 23. 583 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dokumenten <147> ermutigt und geregelt wurden, ist die Förderung des geweihten Lebens im Gesamtgefüge der kirchlichen Sendung. <147> Vgl. Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe, Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche Mutuae relationes (14. Mai 1978), Nm. 21,61: AAS 70(1978)486, 503-504; Kodex des kanonischen Rechtes, cann. 708-709. Durch diese Konferenzen bringen die Institute die Gemeinschaft unter ihnen zum Ausdruck und suchen nach den Mitteln, um sie unter Achtung und Erschließung der Besonderheit der verschiedenen Charismen zu stärken, in denen sich das Geheimnis der Kirche und die vielgestaltige Weisheit Gottes widerspiegelt. <148> Ich ermutige die Institute des geweihten Lebens zur gegenseitigen Zusammenarbeit, insbesondere in jenen Ländern, in denen wegen besonderer Schwierigkeiten die Versuchung stark sein mag, sich auf sich selbst zurückzuziehen, zum Schaden des geweihten Lebens und der Kirche. Es ist jedoch erforderlich, daß sie sich gegenseitig in dem Bemühen helfen, den Plan Gottes in den gegenwärtigen Lasten der Geschichte zu begreifen zu suchen, um mit geeigneten apostolischen Initiativen besser darauf zu antworten. <149> Vor diesem Horizont der Gemeinschaft, der offen ist für die Herausforderungen unserer Zeit, mögen die Oberen und Oberinnen „in Abstimmung mit den Bischöfen“ versuchen, „sich das Wirken der besten Mitarbeiter jedes Instituts zunutze zu machen und Dienste anzubieten, die nicht nur etwaige Grenzen überwinden helfen, sondern einen gültigen Stil von Ordensausbildung hervorbringen sollen“. <150> <148> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 1; Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 46. <149> Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 4. <150> Johannes PaulU, Botschaft an die XIV. Versammlung der Konferenz der Ordensleute Brasiliens (11. Juli 1986), Nr. 4: Insegnamenti 1X72(1986)237; vgl. Propositio, 31. Die Konferenzen der höheren Ordensoberen und -Oberinnen und die Konferenzen der Säkularinstitute fordere ich auf, als Bekundung ihrer Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl auch häufige und regelmäßige Kontakte mit der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens zu pflegen. Eine aktive und vertrauensvolle Beziehung wird auch zu den Bischofskonferenzen der einzelnen Länder gepflegt werden müssen. Diese Beziehung soll im Geiste des Dokumentes Mutuae relationes zweckmäßigerweise eine feste Form annehmen, um auf diese Weise die ständige und rechtzeitige Koordination der nach und nach anstehenden Initiativen zu ermöglichen. Wenn dies alles beharrlich und im Geist treuer Befolgung der Anweisungen des Lehramtes durchgeführt wird, werden sich die Verbindungs- und Gemeinschaftsorgane als besonders nützlich erweisen, um Lösungen zu finden, die Unverständnis und Spannungen sowohl im theoretischen als auch im praktischen Bereich vermeiden; <151> auf diese Weise werden sie nicht nur für das Wachsen der Gemeinschaft zwischen den <151> Vgl. Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe, Leitlinien für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche Mutuae relationes (14. Mai 1978), Nm. 63, 65: AAS 70(1978)504-505. 584 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Instituten des geweihten Lebens und den Bischöfen eine Hilfe sein, sondern auch für die Erfüllung der eigentlichen Sendung der Teilkirchen. Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den Laien 54. Zu den Früchten der Lehre von der Kirche als Gemeinschaft gehörte in diesen Jahren das Sich-Bewußtwerden der Tatsache, daß ihre verschiedenen Glieder ihre Kräfte durch Zusammenarbeit und Austausch der Gaben vereinen können und sollen, um wirksamer an der kirchlichen Sendung teilzuhaben. Dies trägt zu einem klarer umrissenen und vollständigeren Bild der Kirche selbst bei und macht darüber hinaus durch den einmütigen Beitrag der unterschiedlichen Gaben die Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit wirksamer. Die Beziehungen zu den Laien gestalten sich seitens der monastischen und kontemplativen Institute als vorwiegend geistlich, während sie bei den Instituten, die sich dem Apostolat widmen, die Form pastoraler Zusammenarbeit annehmen. Die Mitglieder der Säkularinstitute, Laien wie Kleriker, treten mit den anderen Gläubigen im gewöhnlichen Alltagsleben in Beziehung. Nicht wenige Institute sind heute, häufig auf Grund neuer Situationen, zu der Überzeugung gelangt, daß sich ihr Charisma mit den Laien teilen läßt. Diese werden daher eingeladen, intensiver an der Spiritualität und an der Sendung des betreffenden Instituts teilzunehmen. Man kann sagen, daß im Gefolge historischer Erfahrungen, wie jener der verschiedenen Säkular- oder Drittorden, ein neues, hoffnungsvolles Kapitel in der Geschichte der Beziehungen zwischen den Personen des geweihten Lebens und den Laien begonnen hat. Für eine erneuerte geistliche und apostolische Tatkraft 55. Diese neuen Wege von Gemeinschaft und Zusammenarbeit verdienen aus verschiedenen Gründen ermutigt zu werden. Vor allem wird von diesen die Ausstrahlung tätiger Spiritualität über die Grenzen des Instituts hinaus gehen können, das auf diese Weise mit neuen Energien rechnen wird, auch um die Kontinuität mancher seiner typischen Formen des Dienstes für die Kirche sicherzustellen. Eine weitere positive Folge kann sodann die Erleichterung eines intensiveren Zusammenwirkens zwischen Personen des geweihten Lebens und den Laien im Hinblick auf die Mission sein: von den Beispielen der Heiligkeit von Personen des geweihten Lebens angeleitet, werden die Laien in die unmittelbare Erfahrung des Geistes der evangelischen Räte eingeführt und werden so ermutigt, den Geist der Seligpreisungen angesichts der Umgestaltung der Welt im Sinne Gottes zu leben und zu bezeugen. <152> <152> Vgl. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 31. Die Beteiligung der Laien führt nicht selten zu unerwarteten und fruchtbaren Vertiefungen mancher Aspekte des Charismas, indem diese eine spirituellere Deutung dieses Charismas erweckt und den Anstoß gibt, Hinweise für neue apostolische 585 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tatkräfte zu geben. Die Personen des geweihten Lebens sollen sich daher bei jeder Tätigkeit und jedem Dienst, mit dem sie betraut sind, erinnern, daß sie vor allem erfahrene Führer und Begleiter des geistlichen Lebens sein müssen, und sie sollen unter dieser Perspektive „das kostbarste Talent: den Geist“ <153> pflegen. Die Laien ihrerseits sollen den Ordensfamilien den wertvollen Beitrag ihrer Weltlichkeit und ihres besonderen Dienstes anbieten. <153> Hl. Antonius M. Zaccaria, Scritti. Sermone II, Rom 1975, S. 129. Freiwillige und assoziierte Laien 56. Eine bedeutende Ausdrucksform der Teilnahme der Laien an den Reichtümem des geweihten Lebens ist der Beitritt der Gläubigen im Laienstand zu den verschiedenen Instituten in der neuen Form der sogenannten assoziierten Mitglieder oder, je nach den in einigen kulturellen Umfeldern vorhandenen Bedürfnissen, der Beitritt von Personen, die sich für einen bestimmten Zeitabschnitt der Aufgaben des Gemeinschaftslebens und der besonderen beschaulichen und apostolischen Hingabe annehmen, natürlich immer vorausgesetzt, daß die Identität des Instituts in seinem internen Leben dadurch keinen Schaden erleidet. <154> Es ist durchaus richtig, der Freiwilligkeit, die aus den Reichtümem des geweihten Lebens schöpft, hohe Wertschätzung entgegenzubringen; es muß jedoch für deren Formation gesorgt werden, damit die freiwilligen Laien außer der sachlichen Kompetenz immer tiefgründige übernatürliche Motivationen für ihre Vorhaben sowie einen lebendigen Sinn für Gemeinschaft und Kirche bei ihren Projekten haben. <155> Ferner ist zu bedenken, daß Initiativen, bei denen auch auf Entscheidungsebene Laien mitwirken, damit diese als Werke eines bestimmten Instituts betrachtet werden, dessen Ziele verfolgen und unter dessen Verantwortung durchgeführt werden müssen. Wenn also Laien die Leitung übernehmen, werden sie den zuständigen Oberen und Oberinnen gegenüber die Verantwortung für diese Durchführung tragen. All dies sollte durch geeignete Vorschriften der einzelnen Institute geprüft und geregelt werden, die von der Vorgesetzten Autorität genehmigt sind und in denen die jeweiligen Kompetenzen des Instituts selbst, der Kommunitäten und der assoziierten oder freiwilligen Mitglieder vorgesehen sind. <154> Vgl. Propositio 33, A u. C. <155> Vgl. Propositio 33, B. Die von ihren Oberen und Oberinnen entsandten und abhängigen Personen des geweihten Lebens können sich mit Sonderformen von Zusammenarbeit an Laieninitiativen beteiligen, besonders in Organisationen und Einrichtungen, die sich der Randgruppen annehmen und sich die Linderung menschlichen Leides zum Ziel setzen. Wenn diese Zusammenarbeit von einer klaren und starken christlichen Identität beseelt und getragen wird und das dem geweihten Leben eigene Wesen berücksichtigt, vermag sie in den dunkelsten Situationen des menschlichen Daseins die Leuchtkraft des Evangeliums zum Strahlen zu bringen. 586 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesen Jahren sind zahlreiche Personen des geweihten Lebens einer der kirchlichen Bewegungen beigetreten, die sich in unserer Zeit entwickelt haben. Aus solchen Erfahrungen ziehen die Interessierten im allgemeinen Nutzen, besonders auf der Ebene der geistlichen Erneuerung. Doch läßt sich nicht leugnen, daß dies in einigen Fällen Unbehagen und Verwirrung im persönlichen und kommunitären Bereich auslöst, besonders dann, wenn diese Erfahrungen mit den Anforderungen des Gemeinschaftslebens und der Spiritualität des Instituts in Konflikt geraten. Man wird daher Sorge tragen müssen, daß der Beitritt zu den kirchlichen Bewegungen unter Beachtung des Charismas und der Disziplin des eigenen Instituts, <156> unter Zustimmung der Oberen und Oberinnen und in voller Verfügbarkeit zur Annahme ihrer Entscheidungen erfolgt. <156> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Das brüderliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor“ (2. Februar 1994), Nr. 62: Vatikanstadt 1994, S. 75-77; Instruktion Potissimum institutioni (2. Februar 1990), Nm. 92-93: AAS 82(1990)123-124. Die Würde und die Rolle der Frau des geweihten Lebens 57. Die Kirche enthüllt vollständig ihren vielgestaltigen geistlichen Reichtum, wenn sie nach Überwindung der Diskriminierungen die von Gott sowohl auf die Männer als auch auf die Frauen ausgegossenen Gaben als wahren Segen empfängt und sie alle in ihrer gleichen Würde anerkennt. Die Frauen des geweihten Lebens sind in ganz besonderer Weise dazu berufen, durch ihre in Fülle und mit Freude gelebte Hingabe ein Zeichen für Gottes Zärtlichkeit gegenüber dem Menschengeschlecht und ein besonderes Zeugnis des Geheimnisses der Kirche zu sein, die Jungfrau, Braut und Mutter ist. <157> Die Sendung der Frauen des geweihten Lebens trat natürlich auch bei der Synode zutage, an der sie in großer Zahl teilnahmen und sich zu Wort melden konnten - und ihre Stimme wurde gehört und von allen geschätzt. Auch aus ihren Beiträgen haben sich nützliche Anleitungen für das Leben der Kirche und deren Evangelisierungsauftrag ergeben. Sicher muß man viele Forderungen, die die Stellung der Frau in verschiedenen gesellschaftlichen und kirchlichen Bereichen betreffen, als berechtigt anerkennen. In gleicher Weise gilt es hervorzuheben, daß das neue Bewußtsein der Frau auch den Männern hilft, ihre Denkmuster, ihr Selbstverständnis und die Art und Weise zu überprüfen, wie sie sich in der Geschichte etablieren und diese auslegan, wie sie ihr soziales, politisches, wirtschaftliches, religiöses und kirchliches Leben gestalten. <157> Vgl. Propositio, 9, A. Die Kirche, die von Christus eine Botschaft der Befreiung empfangen hat, hat den Auftrag, diese prophetisch zu verbreiten, indem sie Denk- und Verhaltensweisen fördert, die dem Willen des Herrn entsprechen. In diesem Zusammenhang kann die Frau des geweihten Lebens, ausgehend von ihrer Erfahrung von Kirche und von der Frau in der Kirche, zur Beseitigung mancher einseitiger Ansichten beitragen, die nicht die volle Anerkennung ihrer Würde, ihres spezifischen Beitrags zum 587 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben und zum pastoralen und missionarischen Wirken der Kirche zum Ausdruck bringen. Deshalb ist das Bestreben der Frau des geweihten Lebens gerechtfertigt, ihre Identität, ihre Fähigkeit, ihre Sendung, ihre Verantwortung sowohl im Bewußtsein der Kirche als auch im täglichen Leben klarer anerkannt zu sehen. Auch die Zukunft der Neuevangelisierung, wie übrigens aller anderen Formen missionarischer Tätigkeit, ist ohne einen erneuerten Beitrag der Frauen, insbesondere der Frauen des geweihten Lebens undenkbar. Neue Perspektiven für Präsenz und Tätigkeit 58. Es bedarf daher dringend einiger konkreter Schritte, davon ausgehend, daß den Frauen Räume zur Mitwirkung in verschiedenen Bereichen und auf allen Ebenen eröffnet werden, auch in den Prozessen der Entscheidungsfindung, vor allem dort, wo es um sie selbst geht. Notwendig ist auch, daß die Ausbildung der Frauen ebenso wie die der Männer des geweihten Lebens den neuen Erfordernissen angepaßt wird und genügend Zeit und brauchbare institutioneile Möglichkeiten für eine systematische Erziehung vorgesehen sind, die alle Gebiete, von der theologisch-pastoralen Ausbildung bis zur beruflichen Praxis, umfassen soll. Die stets wichtige pastorale und katecheti-sche Ausbildung gewinnt im Hinblick auf die Neuevangelisierung besondere Bedeutung, die auch von den Frauen neue Formen der Mitwirkung verlangt. Man kann davon ausgehen, daß die Vertiefung bei der Ausbildung der Frau des geweihten Lebens zu einem besseren Verständnis ihrer eigenen Gaben verhilft und auch Anregung zur notwendigen Gegenseitigkeit innerhalb der Kirche sein wird. Auch auf dem Gebiet der theologischen, kulturellen und spirituellen Reflexion darf man sich vom Genius der Frau viel erwarten, nicht nur in bezug auf die besondere Eigenart des geweihten Lebens, sondern auch was das Verständnis des Glaubens in allen seinen Ausdrucksformen betrifft. Wieviel hat in diesem Zusammenhang die Geschichte der Spiritualität einer hl. Theresia von Jesus und einer hl. Katharina von Siena, den beiden ersten mit dem Titel Kirchenlehrer ausgezeichneten Frauen, und vielen anderen Mystikerinnen zu verdanken, was die Erforschung des Geheimnisses Gottes und die Analyse seiner Wirkung auf den Gläubigen betrifft! Die Kirche zählt sehr auf die Frauen des geweihten Lebens wegen ihres ureigenen Beitrags in der Förderung der Lehre, der Bräuche, und selbst des Familiej- und Gesellschaftslebens, besonders was die Würde der Frau und die Achtung vor dem menschlichen Leben angeht. <158> Denn „die Frauen haben einen einzigartigen und vielleicht entscheidenden Denk- und Handlungsspielraum: sie sind es, die einen ,neuen Feminismus“ fördern müssen, der, ohne in die Versuchung zu verfallen, ,Männlichkeits‘-Vorbildem nachzujagen, durch den Einsatz zur Überwindung jeder Form von Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung den echten weiblichen Geist in allen Ausdrucksformen des bürgerlichen Zusammenle- <158> Vgl. Propositio 9. 588 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bens zu erkennen und zu bekunden versteht“. <159> Es besteht Grund zu der Hoffnung, daß sich das geweihte Leben der Frau durch eine fundiertere Anerkennung der Sendung der Frau immer stärker der <159> Johannes Paul LL, Enzyklika Evangelium vitae (25. März 1995), Nr. 99: AAS 87(1995)514. eigenen Rolle und ihrer gesteigerten Hingabe an das Gottesreich bewußt wird. Das wird sich in vielfältige Werke umsetzen lassen, wie in den Einsatz für die Evangelisierung, die Erziehungstätigkeit, die Mitwirkung an der Ausbildung der künftigen Priester und der Personen des geweihten Lebens, die Beseelung der christlichen Gemeinde, die geistliche Begleitung und die Förderung der grundlegenden Güter des Lebens und des Friedens. Den Frauen des geweihten Lebens und ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit zur Hingabe spreche ich noch einmal die Bewunderung und Dankbarkeit der ganzen Kirche aus, die ihnen beisteht, damit sie ihre Berufung in Fülle und mit Freude leben und sich zu der erhabenen Aufgabe aufgefordert wissen, mitzuhelfen bei der Ausbildung der Frau von heute. II. Beständigkeit im Wirken des Geistes: Treue in der Neuerung Die Schwestern in der Klausur 59. Besondere Aufmerksamkeit verdienen das Klosterleben der Frau und die Schwestern in der Klausur wegen der Hochachtung, die die christliche Gemeinschaft dieser Lebensform entgegenbringt, die ein Zeichen der ausschließlichen Vereinigung der bräutlichen Kirche mit dem über alles geliebten Herrn ist. Das Leben der Schwestern in der Klausur, die sich hauptsächlich dem Gebet, der Askese und dem leidenschaftlichen Vorankommen im geistlichen Leben widmen, ist in der Tat „nichts anderes als ein Streben nach dem himmlischen Jerusalem, eine Vorwegnahme der endzeitlichen Kirche, unverwandt ausgerichtet auf den Besitz und die Anschauung Gottes“. <160> Im Lichte dieser kirchlichen Berufung und Sendung entspricht die Klausur dem als prioritär erkannten Bedürfnis, beim Herrn zu sein. Durch die Wahl eines begrenzten Raumes als Lebensort nehmen die Schwestern in der Klausur an der tiefen Demut Christi teil durch eine radikale Armut, die sich im Verzicht nicht nur auf Dinge, sondern auch auf den „Raum“, auf die Kontakte und auf so viele Güter der Schöpfung ausdrückt. Diese besondere Art, den „Leib“ zu schenken, führt sie mit mehr Feingefühl in das eucharistische Geheimnis ein. Sie bringen sich mit Jesus für das Heil der Welt dar. Über den Aspekt des Opfers und der Sühne hinaus erwirbt ihre Hingabe auch den Aspekt der Danksagung an den Vater in der Teilhabe an der Danksagung des geliebten Sohnes. <160> Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, Instruktion über das kontemplative Leben und die Klausur der Nonnen Venite seorsum (15. August 1969), V: AAS 61(1969)685. Die in dieser geistlichen Spannung verwurzelte Klausur ist nicht nur ein asketisches Mittel von sehr hohem Wert, sondern eine Art und Weise, das Ostern Christi zu leben. <161> Aus Erfahrung des „Todes“ wird die Klausur Überfluß des Lebens, <161> Vgl. ebd., I: AAS 61(1969)674. 589 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN indem sie sich als frohe Ankündigung und prophetische Vorwegnahme der jedem einzelnen und der ganzen Menschheit angebotenen Möglichkeit darstellt, allein für Gott in Christus Jesus zu leben (vgl. Röm 6,11). Die Klausur ruft also jene Kammer des Herzens wach, in der jeder berufen ist, die Einheit mit dem Herrn zu leben. Als Geschenk empfangen und als freie Antwort der Liebe gewählt ist die Klausur der Ort der geistlichen Gemeinschaft mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern, wo die Raum- und Kontaktbeschränkung zum Vorteil der Verinnerlichung der evangelischen Räte gereicht (vgl. Joh 13,34; Mt 5,3.8). Die Klausurgemeinschaften, die die Stadt auf dem Berg und das Licht auf dem Leuchter (vgl. Mt 5,14-15) darstellen, versinnbildlichen bei aller Einfachheit ihres Lebens sichtbar das Ziel, auf das die ganze Gemeinschaft der Kirche zugeht, die „voll Eifer der Tätigkeit hingegeben und doch frei für die Beschauung“ <162> auf den Straßen der Zeit vorwärtsgeht, den Blick fest auf die künftige Erneuerung von allem in Christus gerichtet, wenn die Kirche mit ihrem Bräutigam vereint in Herrlichkeit erscheint (vgl. Kol 3,l-4)“ <163> und Christus ,jede Macht, Gewalt und Kraft vemichtat hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt [...], damit Gott herrscht über alles und in allem“ (1 Kor 15,24.28). <162> n. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 2. <163> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 6. Diesen geliebten Schwestern gilt deshalb meine Dankbarkeit und die Ermunterung, dem Klausurleben gemäß ihrem Charisma treu zu bleiben. Dank ihres Beispiels verzeichnet diese Lebensform ständig zahlreiche Berufungen, die von der Radikalität eines „bräutlichen“ Daseins angezogen sind, das sich Gott in der Kontemplation vollkommen hingibt. Als Ausdruck reiner Liebe, die mehr wert ist als jedes Werk, entfaltet das kontemplative Leben eine außerordentliche apostolische und missionarische Wirksamkeit. <164> <164> Vgl. Hl. Johannes vom Kreuz, Cäntico espiritual, estr. 29, 1. Die Synodenväter haben dem Wert des Klausurlebens gegenüber hohe Anerkennung zum Ausdruck gebracht und gleichzeitig die hie und da vorgetragenen Anfragen bezüglich dessen konkreter Ordnung geprüft. Die Hinweise der Synode zum Thema und besonders der Wunsch nach einem stärkeren Verantwortungsbe-wußtsein der höheren Oberinnen auf dem Gebiet der Teilaufhebung der Klausur aus einem gerechten und schwerwiegenden Grund <165> werden zum Gegenstand einer organischen Überlegung auf der Linie des Weges der vom II. Vatikanischen Konzil ausgehenden und bereits verwirklichten Erneuerung. <166> Auf diese Weise wird die Klausur in den verschiedenen Formen und Stufen - von der päpstlichen und der konstitutionsmäßigen bis hin zur monastischen Klausur - der Verschie- <165> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 667 § 4; Propostitio 22,4. <166> Vgl. Paul VI., Motu proprio Ecclesiae Sanctae (8. Juni 1966), n, 30-31: AAS 58(1966)780; II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nm. 7 und 16; Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, Instruktion über das kontemplative Leben und die Klausur der Nonnen Venite seorsum (15. August 1969), VI: AAS 61(1969)686. 590 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denheit der kontemplativen Institute und der Traditionen der Klöster besser entsprechen. Wie die Synode weiter betont hat, sollen darüber hinaus die Vereinigungen und Föderationen zwischen Klöstern gefördert werden, wie sie schon von Pius XII. und vom II. Vatikanischen Konzil empfohlen wurden, <167> <168> besonders dort, wo keine anderen wirksamen Formen der Koordinierung und der Hilfe bestehen, um die Werte des kontemplativen Lebens zu schützen und zu fördern. Unter Berücksichtigung der rechtmäßigen Autonomie der Klöster können derartige Organismen in der Tat eine wirksame Hilfe bieten zu angemessener Lösung gemeinsamer Probleme, wie der vorteilhaften Erneuerung der Aus- und Weiterbildung, der gegenseitigen wirtschaftlichen Unterstützung und auch der Reorganisation der Klöster selbst. 14 Vgl. Pius XU., Apost. Konstitution Sponsa Christi (21. November 1950): AAS 43(1951)18-19; II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 22. <168> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 588 § 1. Die Ordensbrüder 60. Gemäß der überlieferten Lehre der Kirche ist das geweihte Leben seiner Natur nach weder laikal noch klerikal,141 und darum stellt die „Weihe von Laien“, von Männern wie Frauen, einen in sich vollkommenen Stand der Gelübde der evangelischen Räte dar. <169> Sie hat daher sowohl für die betreffende Person als auch für die Kirche einen eigenen Wert, unabhängig vom Weiheamt. <169> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 10. Entsprechend der Lehre des II. Vatikanischen Konzils <170> hat die Synode hohe Wertschätzung für diese Form des geweihten Lebens ausgesprochen, in der die Ordensbrüder innerhalb und außerhalb der Kommunität verschiedene und wertvolle Dienste vollbringen und so an dem Sendungsauftrag teilnehmen, das Evangelium zu verkünden und es im täglichen Leben durch die Liebe zu bezeugen. Denn einige dieser Dienste können als kirchliche Dienstämter betrachtet werden, die die rechtmäßige Autorität ihnen überträgt. Dies erfordert eine angemessene und vollständige Ausbildung: menschlich, geistlich, theologisch, pastoral und beruflich. <170> Vgl. ebd., Nm. 8; 10. Nach geltendem Sprachgebrauch heißen die Institute, die durch Entscheidung des Stifters oder kraft einer rechtmäßigen Überlieferung eine Eigenart und Zielsetzung haben, die nicht die Ausübung der heiligen Weihe einschließen, „Iaikale Institute“. <171> Doch wurde auf der Synode klar herausgestellt, daß diese Bezeichnung die besondere Eigenart der Berufung der Mitglieder solcher Ordensinstitute nicht angemessen zum Ausdruck bringt. Denn auch wenn sie viele Dienste ausführen, die ebenso den gläubigen Laien gemeinsam sind, tun sie es mit ihrer Identität ge- <171> Kodex des kanonischen Rechtes, can. 588 § 3; vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 10. 591 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weihter Personen und bringen so den Geist der Ganzhingabe an Christus und an die Kirche gemäß ihrem spezifischen Charisma zum Ausdruck. Um jede Zweideutigkeit und Verwechslung mit dem Weltcharakter der gläubigen Laien zu vermeiden, <172> haben deshalb die Synodenväter die Bezeichnung Ordensinstitute der Brüder vorgeschlagen. <173> Der Vorschlag ist bedeutungsvoll, vor allem wenn man bedenkt, daß die Bezeichnung „Bruder“ auch auf eine reiche Spiritualität hinweist. „Diese Ordensmänner sind berufen, Brüder Christi zu sein, mit ihm, ,dem Erstgeborenen von vielen Brüdern1 (Röm 8,29), eng verbunden; Brüder untereinander zu sein in der gegenseitigen Liebe und in der Zusammenarbeit im selben Dienst zum Wohl der Kirche; Brüder eines jeden Menschen zu sein durch das Zeugnis der Liebe Christi zu allen, besonders den Niedrigsten und Bedürftigsten; Brüder zu sein für eine größere Brüderlichkeit in der Kirche“. <174> Während die „Ordensbrüder“ in besonderer Weise diesen Aspekt des christlichen und zugleich geweihten Lebens leben, erinnern sie die Ordenspriester wirksam an die fundamentale Dimension der Brüderlichkeit in Christus, die untereinander und mit jedem Menschen gelebt werden muß, und verkündigen allen das Wort des Herrn: „Ihr alle seid Brüder“ (Mt 23,8). <172> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 31. <173> Vgl. Propositio 8. <174> Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz (22. Februar 1995), Nr. 6: L’Osservatore Romano, 23. Febr. 1995, S. 4. In diesen „Ordensinstituten der Brüder“ hindert nichts daran, daß einige Mitglieder für den priesterlichen Dienst in der eigenen Ordenskommunität die heiligen Weihen empfangen, <175> wenn das Generalkapitel dies festgelegt hat. Doch das II. Vatikanische Konzil bietet dazu keine ausdrückliche Ermutigung, eben weil es wünscht, daß die Institute der Brüder ihrer Berufung und Sendung treu bleiben. Das gilt auch für den Zugang zum Amt des Superiors, wenn man bedenkt, daß dies in besonderer Weise die Natur des Instituts widerspiegelt. <175> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 10. Anders ist die Berufung der Brüder in jenen Instituten, die als „klerikal“ bezeichnet werden, weil sie aufgrund des Planas des Stifters oder kraft einer rechtmäßigen Überlieferung die Ausübung der heiligen Weihe vorsehen, unter der Leitung von Klerikern stehen und von der Autorität der Kirche als solche anerkannt sind. <176> In diesen Instituten ist das Weiheamt eben grundlegend für das Charisma und bestimmt dessen Eigenart, Zielsetzung und Geist. Die Anwesenheit von Brüdern stellt eine differenzierte Beteiligung am Auftrag des Instituts durch Dienste dar, die im Zusammenwirken mit jenen, die das Priesteramt ausüben, sowohl innerhalb der Kommunitäten als auch in den apostolischen Werken geleistet werden. <176> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 588 § 2. Gemischte Institute 61. Einige Ordensinstitute, die aufgrund des ursprünglichen Planes des Stifters die Gestalt von Brüdergemeinschaften hatten, in denen alle Mitglieder - Priester und 592 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nichtpriester - untereinander als gleich angesehen wurden, haben im Laufe der Zeit einen verschiedenen Charakter angenommen. Diese sogenannten „gemischten“ Institute sollen auf der Grundlage der Vertiefung des eigenen Gründungscharismas erwägen, ob eine Rückkehr zur ursprünglichen Inspiration angebracht und möglich ist. Die Synodenväter haben den Wunsch geäußert, daß in diesen Instituten allen Personen des geweihten Lebens gleiche Rechte und Pflichten zuerkannt werden, ausgenommen jene, die sich aus der heiligen Weihe ergeben. <177> Zur Prüfung und Lösung der mit dieser Frage verbundenen Probleme ist eine eigene Kommission eingerichtet worden, deren Beschlüsse man abwarten sollte, um dann entsprechend der autoritätsgemäßen Entscheidung die angebrachten Wahlen zu treffen. <177> Vgl. Propositio 10; II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 15. Neue Formen evangelischen Lebens 62. Der Heilige Geist, der zu verschiedenen Zeiten zahlreiche Formen des geweihten Lebens geweckt hat, steht der Kirche unaufhörlich bei sowohl dadurch, daß er in den bereits bestehenden Instituten das Engagement zur Erneuerung in Treue zum ursprünglichen Charisma fördert, als auch dadurch, daß er Männern und Frauen unserer Zeit neue Charismen zuteilt, damit sie Institutionen ins Leben rufen, die auf die Herausforderungen von heute eine Antwort geben können. Ein Zeichen für dieses göttliche Eingreifen sind die sogenannten Neugründungen, die im Vergleich zu den herkömmlichen Instituten in gewisser Weise originäre Wesenszüge aufweisen. Die Originalität der neuen Gemeinschaften besteht häufig darin, daß es sich um gemischte Gruppen aus Frauen und Männern, aus Klerikern und Laien, aus Verheirateten und zölibatär Lebenden handelt, die einen besonderen Lebensstil befolgen, der sich bisweilen an der einen oder anderen traditionellen Form inspiriert oder sich an die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft anpaßt. Auch die Verpflichtung zu einem Leben nach dem Evangelium findet in unterschiedlichen Formen Ausdruck, während als allgemeine Ausrichtung sich ein intensives Verlangen nach dem Gemeinschaftsleben, nach der Armut und nach dem Gebet abzeichnet. Die Leitung wird je nach ihren Kompetenzen Klerikern und Laien übertragen, und das apostolische Ziel öffnet sich den Erfordernissen der Neuevangelisierung. Wenn auch angesichts des Wirkens des Geistes einerseits Grund zur Freude besteht, muß man andererseits die Unterscheidung der Charismen vornehmen. Um von geweihtem Leben sprechen zu können, gilt grundsätzlich, daß sich die spezifischen Wesenszüge der neuen Gemeinschaften und Lebensformen tatsächlich auf die dem geweihten Leben eigenen wesentlichen theologischen und kanonischen Elemente gründen. <178> Diese Unterscheidung ist sowohl auf Orts- als auch auf Uni- <178> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 573; Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. 410. 593 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN versalebene notwendig, um dem einen Geist gemeinsam Gehorsam zu leisten. In den Diözesen überprüfe der Bischof das Lebenszeugnis und die Rechtgläubigkeit von Stiftern und Stifterinnen solcher Gemeinschaften, ihre Spiritualität, die kirchliche Gesinnung bei der Erfüllung ihrer Sendung, die Ausbildungsmethoden und die Formen der Eingliederung in die Gemeinschaft; er beurteile mit Weisheit eventuelle Schwachheiten, indem er geduldig auf die Überprüfung der Früchte wartet, um die Echtheit des Charismas erkennen zu können (vgl. Mt 7,16). <179> Insbesondere wird er ersucht, im Lichte klarer Kriterien die Eignung all derer in diesen Gemeinschaften festzustellen, die um Zulassung zu den heiligen Weihen bitten. <180> <179> Vgl. Propositio 13, B. <180> Vgl. Propositio 13, C. Kraft desselben Unterscheidungsgrundsatzes können in die besondere Kategorie des geweihten Lebens jene an sich lobenswerten Formen des Engagements nicht einbezogen werden, das einige christliche Eheleute in kirchlichen Vereinigungen oder Bewegungen zeigen, wenn sie in der Absicht, ihre Liebe, die schon „geweiht“ ist wie im Ehesakrament, <181> zur Vollkommenheit zu bringen, mit einem Gelübde die Pflicht der eigenen Keuschheit im Eheleben bestätigen und, ohne ihre Pflichten gegenüber den Kindern zu vernachlässigen, die Armut und den Gehorsam geloben. <182> Die notwendige Präzisierung bezüglich der Art einer solchen Erfahrung möchte diesen besonderen, an seinen Gaben und Anregungen unendlich reichen Weg der Heiligung, an der das Wirken des Heiligen Geistes sicher nicht unbeteiligt ist, nicht unterbewerten. <181> Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 48. <182> Vgl. Propositio 13, A. Angesichts des großen Reichtums an Gaben und Emeuerungsimpulsen scheint es zweckmäßig, eine Kommission flir Fragen in bezug auf die neuen Formen des geweihten Lebens mit dem Ziel zu errichten, Kriterien für die Echtheit festzulegen, die bei der Unterscheidung und bei den Entscheidungen hilfreich sein sollen. <183> Diese Kommission wird unter anderen Aufgaben im Lichte der Erfahrung der letzten Jahrzehnte bewerten müssen, welche neuen Weiheformen die kirchliche Autorität mit pastoraler Klugheit und zum allgemeinen Nutzen offiziell anerkennen und den Gläubigen, die nach einem vollkommeneren christlichen Leben verlangen, Vorschlägen könne. <183> Vgl. Propositio 13, B. Diese neuen Vereinigungen eines Lebens nach dem Evangelium sind keine Alternativen zu den früheren Institutionen, die weiter den hervorragenden Platz einnehmen, den die Überlieferung ihnen eingeräumt hat. Auch die neuen Formen sind eine Gabe des Geistes, damit die Kirche ihrem Herrn mit steter hochherziger Begeisterung folge und aufmerksam auf den Ruf Gottes achte, der sich durch die Zeichen der Zeit offenbart. So zeigt sie sich der Welt in der Mannigfaltigkeit der Formen von Heiligkeit und Diensten, was „Zeichen und Werkzeug für die innigste 594 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ <184> ist. Die alten Institute, von denen viele zwar härteste Prüfungen durchgemacht, aber sich Jahrhunderte lang tapfer gehalten haben, können eine Bereicherung erfahren, wenn sie mit den in unserer Zeit entstehenden Gründungen den Dialog aufnehmen und Gaben austauschen. <184> n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 1. Auf diese Weise wird die Lebenskraft der verschiedenen Einrichtungen des geweihten Lebens, von den ältesten bis zu den jüngsten, ebenso wie die Lebendigkeit der neuen Gemeinschaften die Treue zum Heiligen Geist fördern, der Ursprung der Gemeinschaft und ewiger Erneuerung des Lebens ist. III. Der Blick in die Zukunft Schwierigkeiten und Perspektiven 63. Die Veränderungen, die in der Gesellschaft in Gang sind, und der Rückgang an Berufungen lasten schwer auf dem geweihten Leben in einigen Gegenden der Welt. Die apostolischen Werke vieler Institute und selbst ihre Anwesenheit in manchen Ortskirchen stehen auf dem Spiel. Wie schon öfter in der Geschichte, gibt es sogar Institute, deren Existenz Gefahr läuft aufzuhören. Die Universalkirche ist ihnen außerordentlich dankbar für den großartigen Beitrag, den sie durch ihr Zeugnis und ihren Dienst zum Aufbau der Kirche geleistet haben. <185> Die heutige besorgniserregende Situation macht ihre Verdienste und die Früchte, die dank ihrer Mühen zur Reife gelangten, keineswegs zunichte. <185> Vgl. Propositio 24. Für andere Institute wiederum stellt sich mehr das Problem der Reorganisation der Werke. Diese nicht einfache und nicht selten schmerzvolle Aufgabe erfordert Studium und Unterscheidung im Licht bestimmter Kriterien. So gilt es zum Beispiel den Sinn des eigenen Charismas zu wahren, das geschwisterliche Leben zu fördern, die Bedürfnisse sowohl der Gesamt- als auch der Teilkirche zu berücksichtigen, sich um das zu kümmern, was die Welt vernachlässigt, großzügig und mutig, wenn auch mit notgedrungen spärlichen Eingriffen, auf die neuen Formen von Armut, vor allem an den verlassensten Orten, zu antworten. <186> Die verschiedenen Schwierigkeiten, die vom Rückgang an Personal und an Initiativen herrühren, dürfen auf keinen Fall zu einem Vertrauensverlust in die evangelische Kraft des geweihten Lebens führen, die in der Kirche immer vorhanden und wirksam sein wird. Auch wenn die einzelnen Institute kein Vorrecht auf ihren Fortbestand haben, wird das geweihte Leben weiterhin unter den Gläubigen die Antwort der Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern fördern. Darum gilt es, die historische Wechselfolge eines bestimmten Instituts oder einer Form <186> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Das brüderliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor“ (2. Februar 1994), 67: Vatikanstadt 1994, S. 85-86. 595 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des geweihten Lebens von der kirchlichen Sendung des geweihten Lebens als solchem zu unterscheiden. Ersteres kann sich mit der Veränderung der Situationen ändern, die zweite aber ist zum Nichtvergehen bestimmt. Das gilt sowohl für das geweihte Leben in der kontemplativen Form als auch für jenes, das sich den Werken des Apostolats widmet. Es ist in seiner Gesamtheit unter dem immer neuen Wirken des Geistes bestimmt, weiterzubestehen als leuchtendes Zeugnis der unauflöslichen Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe, als lebendige Erinnerung an die auch menschliche und soziale Fruchtbarkeit der Gottesliebe. Man muß sich daher den neuen Notsituationen mit der Gelassenheit desjenigen stellen, der weiß, daß von jedem einzelnen nicht so sehr der Erfolg als die Verpflichtung zur Treue verlangt wird. Was unbedingt vermieden werden muß, ist die wirkliche Niederlage des geweihten Lebens, die nicht in der zahlenmäßigen Abnahme, sondern im Schwinden der geistlichen Hinwendung zum Herrn und zur eigenen Berufung und Sendung besteht. Hingegen wird durch treues Ausharren in ihr mit großer Wirksamkeit auch gegenüber der Welt das eigene feste Vertrauen in den Herrn der Geschichte bekannt, in dessen Händen die Zeit und die Geschicke der einzelnen, der Institutionen, der Völker und somit auch die geschichtliche Ausführung seiner Gaben liegen. Die schmerzlichen Krisensituationen sind für die Personen des geweihten Lebens ein Ansporn, mit Festigkeit den Glauben an den Tod und die Auferstehung Christi zu verkünden, um zum sichtbaren Zeichen des Durchgangs vom Tod zum Leben zu werden. Neuaufschwung der Berufungspastoral 64. Die Sendung des geweihten Lebens und die Lebenskraft der Institute hängen gewiß von der Treueverpflichtung ab, mit der die Personen des geweihten Lebens auf ihre Berufung antworten, sie haben aber nur in dem Maße Zukunft, in dem andere Männer und Frauen den Ruf des Herrn hochherzig annehmen. Das Problem der Berufungen ist eine echte Herausforderung, die direkt die Institute betrifft, aber die ganze Kirche mit einbezieht. Auf dem Gebiet der Berufungspastoral werden große geistige und materielle Energien eingesetzt, doch die Ergebnisse entsprechen nicht immer den Erwartungen und Anstrengungen. So kann es geschehen, daß die Berufungen zum geweihten Leben in den jungen Kirchen und in jenen, die unter Verfolgungen durch totalitäre Regime gelitten haben, blühen, während es in den traditionellerweise an Berufungen - auch für die Mission - reichen Ländern mangelt. Diese schwierige Lage stellt die Personen des geweihten Lebens auf die Probe und sie fragen sich mitunter: haben wir etwa die Fähigkeit verloren, neue Berufungen anzuziehen? Man muß Vertrauen in den Herrn Jesus setzen, der immer noch in seine Nachfolge ruft, und sich dem Heiligen Geist anvertrauen, dem Urheber und Anstifter der Charismen des geweihten Lebens. Während wir uns also über das Wirken des Geistes freuen, der die Braut Christi dadurch verjüngt, daß er das ge- 596 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weihte Leben in vielen Nationen blühen läßt, müssen wir inständig zum Herrn der Ernte beten, damit er Arbeiter in seine Kirche sende, um sie für die dringenden Erfordernisse der Neuevangelisierung bereit zu machen (vgl. Mt 9,37-38). Außer der Förderung des Gebets um Berufungen ist es dringend notwendig, sich durch eine klare Verkündigung und eine entsprechende Katechese darum zu bemühen, bei den zum geweihten Leben Berufenen jene freie, aber bereite und hochherzige Antwort zu fördern, die die Gnade der Berufung wirksam werden läßt. Die Einladung Jesu: „Kommt und seht!“ (Joh 1,39) ist noch heute die goldene Regel der Berufungspastoral. Diese setzt sich zum Ziel, nach dem Beispiel der Stifter und Stifterinnen den Glanz der Person des Herrn Jesus und die Schönheit der Ganzhingabe seiner selbst an die Sache des Evangeliums zu zeigen. Vorrangige Aufgabe aller Personen des geweihten Lebens ist es also, mutig durch Wort und Beispiel das Ideal der Nachfolge Christi vorzustellen und dann die Antwort auf die Impulse des Heiligen Geistes in den Herzen der Berufenen zu unterstützen. Auf die Begeisterung der ersten Begegnung mit Christus wird natürlich die geduldige Mühe um die Entsprechung im täglichen Leben folgen, das die Berufung zu einer Geschichte der Freundschaft mit dem Herrn macht. Zu diesem Zweck bedient sich die Berufungspastoral geeigneter Hilfsmittel, wie der geistlichen Führung, um jene persönliche Antwort der Liebe zum Herrn zu fördern, die wesentliche Bedingung ist, um Jünger und Apostel seines Reiches zu werden. Auch wenn das Blühen von Berufungen, wie es sich in verschiedenen Teilen der Welt zeigt, Optimismus und Hoffnung rechtfertigt, so darf der Mangel in anderen Regionen weder zur Mutlosigkeit noch zur Versuchung zu leichfertigen und unbedachten Anwerbungen verleiten. Die Aufgabe der Förderung von Berufungen muß so erfüllt werden, daß sie zunehmend als eine gemeinsame Verpflichtung der ganzen Kirche erscheint. <187> Sie erfordert daher die aktive Zusammenarbeit von Seelsorgern, Ordensleuten, Familien und Erziehern, wie es einem Dienst zusteht, der integraler Bestandteil der Gesamtpastoral jeder Teilkirche ist. Es soll daher in jeder Diözese diesen gemeinsamen Dienst geben, der die Kräfte koordiniert und vermehrt, ohne jedoch die für Berufungen entwickelte Aktivität jedes einzelnen Instituts zu beeinträchtigen, ja vielmehr diese zu fördern. <188> <187> Vgl. Propositio 48, A. <188> Vgl. Propositio 48, B. Diese von der Vorsehung getragene tätige Zusammenarbeit des ganzen Gottesvolkes wird notwendigerweise die Fülle der göttlichen Gaben anregen. Die christliche Solidarität möge den Notwendigkeiten der Ausbildung von Berufungen in den wirtschaftlich ärmeren Ländern weithin entgegenkommen. Die Förderung von Berufungen in diesen Nationen soll von den verschiedenen Instituten in vollem Einklang mit den Ortskirchen auf der Grundlage einer aktiven und langfristigen Einbeziehung in ihre Pastoral vorgenommen werden. <189> Die zutreffendste Art, das Wirken des Geistes zu unterstützen, wird es sein, großzügig die besten Kräfte in <189> Vgl. Propositio 48, C. 597 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Berufungsaktivität zu investieren, besonders durch entsprechende Hingabe an die Jugendpastoral. Die Aufgabe der Anfangsausbildung 65. Besondere Aufmerksamkeit hat die Synodenversammhmg der Ausbildung dessen Vorbehalten, der die Absicht hat, sich dem Herrn zu weihen, <190> indem ihre entscheidende Bedeutung anerkannt wird. Zentrales Ziel des Ausbildungsweges ist die Vorbereitung des einzelnen auf seine Ganzhingabe an Gott in der Nachfolge Christi zum Dienst der Sendung. „Ja“ zu sagen auf den Ruf des Herrn und persönlich die Dynamik des Wachsens der Berufung anzunehmen, hegt in der unveräu-erlichen Verantwortung eines jeden Berufenen, der den Raum seines Lebens für das Wirken des Heiligen Geistes öffnen muß; es heißt, den Ausbildungsweg mit Edelmut beschreiten und in Treue die Fürsprache annehmen, die der Herr und die Kirche anbieten. <191> <190> Vgl. Propositio 49, A. <191> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Potissimum institutioni (2. Februar 1990), 29: AAS 82(1990)493. Die Ausbildung wird daher die Person in ihrem tiefsten Inneren erreichen müssen, so daß jede ihrer Verhaltensweisen oder Gebärden sowohl in den wichtigen Augenblicken als auch in den gewöhnlichen Lebensumständen ihre volle und frohe Zugehörigkeit zu Gott enthülle. <192> Da das Ziel des geweihten Lebens in der Gleichgestaltung mit dem Herrn Jesus und in der Ganzhingabe an ihn <193> besteht, muß die Ausbildung vor allem auf dieses abzielen. Es handelt sich um einen Weg der fortschreitenden Assimilierung der Gesinnung Christi an den Vater. <192> Vgl. Propositio 49, B. <193> Vgl. Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, Instruktion Essential elements in the Church's teaching as applied to Institutes dedicated to works of the apostolate (31. Mai 1983), Nr. 45: Ench. Vat., 9, 229. Wenn dies der Zweck des geweihten Lebens ist, wird die Methode, die darauf vorbereitet, das Merkmal der Ganzheit annehmen und ausdrücken müssen. Sie muß Ausbildung der ganzen Person <194> sein, in jedem Aspekt ihrer Individualität, im Verhalten wie in den Absichten. Es ist klar, daß gerade wegen des Strebens nach der Umgestaltung der ganzen Person die Aufgabe der Bildung niemals aufhört. Es ist tatsächlich notwendig, daß den Personen des geweihten Lebens bis zum Ende die Chance geboten wird, im Festhalten am Charisma und an der Sendung ihres Instituts zu wachsen. <194> Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can. 607 § 1. Die Ausbildung soll, um vollständig zu sein, alle Bereiche des christlichen Lebens und des geweihten Lebens umfassen. Es ist daher eine menschliche, kulturelle, spirituelle und pastorale Vorbereitung vorzusehen, wobei besonders darauf zu achten ist, daß die harmonische Integration der verschiedenen Aspekte begünstigt wird. Für die Anfangsausbildung, die als Entwicklungsprozeß verstanden wird, der jede Stufe der persönlichen Reifung - von der psychologischen und geistlichen bis hin zur theologischen und pastoralen - durchläuft, muß ein ausreichender 598 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeitraum vorgesehen werden. Im Fall der Berufungen zum Priestertum fällt dieser mit einem spezifischen Studienprogramm als Teil eines umfassenderen Ausbildungsganges zusammen und wird mit ihm in Einklang gebracht. Das Werk der Ausbilder und Ausbilderinnen 66. Gott Vater ist in der ständigen Gabe Christi und des Geistes im wahrsten Sinne des Wortes der Ausbilder dessen, der sich ihm weiht. Aber bei diesem Werk bedient er sich der menschlichen Vermittlung, indem er dem, den er ruft, einige ältere Brüder und Schwestern an die Seite stellt. Die Ausbildung ist also Teilhabe am Handeln des Vaters, der durch den Geist im Herzen der jungen Männer und Frauen die Gesinnung des Sohnes formt. Die Ausbilder und Ausbilderinnen müssen daher erfahrene Personen auf dem Weg der Suche nach Gott sein, um auch andere auf diesem Weg begleiten zu können. Wenn sie auf das Wirken der Gnade achten, werden sie in der Lage sein, auch auf die weniger augenfälligen Hindernisse hinzuweisen, vor allem aber werden sie die Schönheit der Nachfolge des Herrn und den Wert des Charismas aufzeigen, in dem diese sich erfüllt. Im Licht geistlicher Weisheit werden sie das von den menschlichen Mitteln gebotene Wissen verbinden, das eine Hilfe sein kann sowohl in der Entscheidung bezügüch der Berufung als auch in der Ausbildung des neuen Menschen, damit er ganz frei werde. Ein wichtiges Mittel der Ausbildung ist das persönliche Gespräch, das als Gewohnheit von unersetzlicher und erprobter Wirksamkeit mit Regelmäßigkeit und einer gewissen Häufigkeit geführt werden soll. Angesichts so anspruchsvoller Aufgaben erscheint die Ausbildung geeigneter Ausbilder wirklich wichtig, die in ihrem Dienst eine große Übereinstimmung mit dem Weg der ganzen Kirche gewährleisten sollen. Es wird notwendig sein, entsprechende Strukturen für die Ausbildung der Ausbilder möglichst an Orten zu errichten, wo der Kontakt mit der Kultur möglich ist, innerhalb der sie ihren pasto-ralen Dienst dann ausüben sollen. Bei diesem Ausbildungswerk sollen die Institute älterer und bewährter Tradition den Instituten jüngerer Gründung durch die Bereitstellung einiger ihrer besten Mitglieder Hilfe leisten. <195> Vgl. Propositio 50. Eine gemeinschaftliche und apostolische Ausbildung 67. Da die Ausbildung auch gemeinschaftlich sein soll, ist die Kommunität für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens der bevorzugte Ort. In ihr erfolgt die Einweihung in die Mühe und in die Freude des Zusammenlebens. In der Brüderlichkeit lernt ein jeder mit dem zu leben, den Gott neben ihn gestellt hat, indem er seine positiven Wesensmerkmale und zugleich seine Andersartigkeit und seine Grenzen annimmt. Insbesondere lernt er, die für die Erbauung aller empfangenen Gaben mit den anderen zu teilen, denn „jedem wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ 599 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (.1 Kor 12,7). <196> Gleichzeitig soll das Gemeinschaftsleben von der ersten Ausbildung an die missionarische Dimension der Weihe an Gott zeigen. Darum wird es während der Anfangsausbildung in den Instituten des geweihten Lebens nützlich sein, konkrete und vom Ausbilder bzw. von der Ausbilderin umsichtig begleitete Erfahrungen zu machen, um im Dialog mit der umgebenden Kultur apostolische Verhaltensweisen, Anpassungsfähigkeit und Unternehmungsgeist zu üben. <196> Vgl. Kongregation für die Institute des Gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des Apostolischen Lebens, Instruktion Das brüderliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor“ (2. Februar 1994), 32-33: Vatikanstadt 1994, S. 39-42. Wenn es einerseits wichtig ist, daß die Person des geweihten Lebens sich nach und nach ein im Sinne des Evangeliums kritisches Bewußtsein gegenüber den Werten und Unwerten der eigenen und jener Kultur bildet, der sie in ihrem künftigen Arbeitsbereich begegnen wird, so muß sie sich andererseits in der schwierigen Kunst der Einheit des Lebens, der gegenseitigen Durchdringung der Liebe zu Gott und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern üben und dabei erfahren, daß das Gebet die Seele des Apostolates ist, aber auch, daß das Apostolat das Gebet belebt und anregt. Die Notwendigkeit einer vollständigen und zeitgemäßen ratio 68. Eine ausdrückliche Dauer der Ausbildung, die bis zur ewigen Profeß reichen soll, wird auch den weiblichen Instituten ebenso wie den männlichen bzw. den Ordensbrüdern empfohlen. Das gilt im wesentlichen auch für die Klausurgemeinschaften, die sich im Hinblick auf eine authentische Ausbildung zum kontemplativen Leben und auf ihren besonderen Auftrag in der Kirche um die Ausarbeitung eines angemessenen Programms bemühen sollen. Die Synodenväter haben alle Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens inständig gebeten, sobald wie möglich eine ratio in-stitutionis, d. h. einen am Charisma des Instituts inspirierten Ausbildungsplan zu erarbeiten, in dem klar und dynamisch der Weg dargelegt wird, der gegangen werden muß, um sich die Spiritualität des eigenen Instituts vollkommen anzueignen. Die ratio antwortet heute auf eine echte Notwendigkeit: sie zeigt einerseits auf, wie der Geist des Instituts vermittelt werden soll, damit er von den jungen Generationen in der Unterschiedlichkeit der Kulturen und der geographischen Lagen unverfälscht gelebt werde; andererseits erläutert sie den Personen des geweihten Lebens die Wege, um den gleichen Geist in den verschiedenen Lebensphasen im Fortschreiten auf die volle Reife des Glaubens an Christus hin zu leben. Wenn es also zutrifft, daß die Erneuerung des geweihten Lebens hauptsächlich von der Ausbildung abhängt, so ist es ebenfalls richtig, daß diese ihrerseits an die Fähigkeit gebunden ist, eine an geistlicher und pädagogischer Weisheit reiche Methode vorzuschlagen, die den, der sich Gott zu weihen wünscht, nach und nach dahin führt, die selbstlose Gesinnung Christi, des Herrn, anzunehmen. Die Ausbildung ist ein Lebensprozeß, durch den sich der Mensch bis in die Tiefen seines 600 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seins zum Wort Gottes bekehrt und zugleich die Kunst erlernt, in der Wirklichkeit der Welt die Zeichen Gottes zu suchen. In einer Zeit wachsender Verdrängung der religiösen Werte aus der Kultur ist dieser Ausbildungsweg in doppeltem Sinn bedeutsam: dank diesem vermag die Person des geweihten Lebens nicht nur Gott weiterhin mit den Augen des Glaubens in einer Welt zu „sehen“, die seine Gegenwart ignoriert, sondern es gelingt ihr auch, durch das Zeugnis des eigenen Charismas seine Gegenwart irgendwie „wahrnehmbar“ zu machen. Die ständige Weiterbildung 69. Die ständige Weiterbildung ist sowohl für die Institute des apostolischen Lebens als auch für die des kontemplativen Lebens eine für die Weihe an Gott wesentliche Forderung. Der Ausbildungsprozeß beschränkt sich, wie gesagt, nicht auf seine Anfangsphase, weil nun einmal wegen der menschlichen Grenzen die Person des geweihten Lebens niemals annehmen kann, sie habe das Heranwachsen jenes neuen Menschen vollendet, der in sich in jeder Lebenssituation die Gesinnung Christi erfährt. Die Anfangsausbildung muß sich darum mit jener ständigen Weiterbildung verbinden, die im Menschen die Bereitschaft erzeugt, sich an jedem Tag des Lebens bilden zu lassen. <197> <197> Vgl. Propositio, 51. Infolgedessen wird es sehr entscheidend sein, daß jedes Institut als Teil der ratio institutionis die möglichst präzise und systematische Definition eines Planes für die ständige Weiterbildung vorsieht, dessen Hauptzweck es sein soll, jede Person des geweihten Lebens mit einem das ganze Leben umfassenden Programm zu begleiten. Keiner kann umhin, sich seinem menschlichen und religiösen Wachstum zu widmen, so wie sich keiner anmaßen kann, sein Leben in Selbstgenügsamkeit zu führen. Keine Lebensphase kann sich für so sicher und eifrig halten, daß man die Notwendigkeit besonderer Vorsichtsmaßnahmen ausschließen soll, um so das Ausharren in der Treue zu gewährleisten, ebenso wie es kein Alter gibt, das die Reifung der Person als beendet ansehen könnte. In einem Dynamismus der Treue 70. Es gibt eine Jugendlichkeit des Geistes, die zeitlich weiterbesteht: sie steht in Verbindung mit der Tatsache, daß der einzelne für jeden Lebensabschnitt eine andere zu erfüllende Aufgabe, eine besondere Seinsweise, eine besondere Art zu dienen und zu lieben sucht und findet. <198> <198> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Das brüderliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor“ (2. Februar 1994), 43-45: Vatikanstadt 1994, S. 52-57. Im geweihten Leben stellen die ersten Jahre der vollen Eingliederung in die apostolische Tätigkeit eine an und für sich kritische Phase dar, die gekennzeichnet ist vom Übergang aus einem gelenkten Leben in eine Situation der vollen tätigen Verantwortlichkeit. Es ist wichtig, daß junge Personen des geweihten Lebens von 601 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einem Mitbruder oder einer Mitschwester unterstützt und begleitet werden, der oder die ihnen helfen soll, die jugendliche Frische ihrer Liebe und ihrer Begeisterung für Christus voll zu leben. In der anschließenden Phase kann sich das Risiko der Gewohnheit und die daraus folgende Versuchung zur Enttäuschung über die Dürftigkeit der Ergebnisse einstellen. Da gilt es nun, den Personen des geweihten Lebens des mittleren Lebensalters zu helfen, im Lichte des Evangeliums und der charismatischen Inspiration ihre ursprüngliche Option neu zu überdenken, wobei die Vollständigkeit der Hingabe nicht mit der Vollständigkeit des Ergebnisses verwechselt werden darf. Dadurch wird es möglich, der eigenen Entscheidung neuen Schwung und neue Motivationen zu geben. Es ist die Phase der Suche nach dem Wesentlichen. Die Phase des reifen Alters kann zusammen mit dem persönlichen Wachstum die Gefahr eines gewissen Individualismus mit sich bringen, der sowohl von der Furcht, nicht mehr in die Zeit zu passen, als auch von Phänomenen wie Erstarrung, Aufhören und Erschlaffung begleitet ist. Hier hat die ständige Weiterbildung den Zweck zu helfen, damit nicht nur eine höhere geistliche und apostolische Lebenshaltung wiedererlangt, sondern auch die besondere Eigenart dieser Lebensphase entdeckt wird. Nach Läuterung einiger Aspekte der Persönlichkeit steigt in dieser Lebensphase tatsächlich die Selbsthingabe mit größerer Lauterkeit und Hochherzigkeit zu Gott empor und kommt ruhiger, diskreter und zugleich transparenter und gnadenreicher auf die Brüder und Schwestern nieder. Das ist das Geschenk und die Erfahrung der geistlichen Vater- und Mutterschaft. Das fortgeschrittene Alter wirft neue Probleme auf, denen man mit einem umsichtigen Programm der spirituellen Haltung vorbeugend begegnen muß. Das zunehmende Sich-Zurückziehen aus dem aktiven Wirken, in manchen Fällen Krankheit und notgedrungene Untätigkeit, stellen eine Erfahrung dar, die in hohem Maße formend sein kann. Obwohl dieser Rückzug oft schmerzlich ist, bietet er der Person des geweihten Lebens dennoch die Gelegenheit, sich von der österlichen Erfahrung formen zu lassen <199> und die Gestalt des gekreuzigten Christus anzunehmen, der in allem den Willen des Vaters erfüllt und sich in seine Händen gibt, bis er ihm den Geist zurückgibt. Diese Gleichgestaltung ist eine neue Weise, die Weihe an Gott zu leben, die nicht an die Effizienz einer Führungsaufgabe oder einer apostolischen Arbeit gebunden ist. <199> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Potissimum institutioni (2. Februar 1990), 70: AAS 82(1990)513-514. Wenn dann der Augenblick kommt, um sich mit der letzten Stunde der Passion des Herrn zu vereinen, weiß die Person des geweihten Lebens, daß der Vater in ihm jenen geheimnisvollen, vor langer Zeit eingeleiteten Bildungsprozeß nunmehr beendet. Der Tod wird nun als der letzte Akt der Liebe und Selbsthingabe erwartet und vorbereitet. Es muß hinzugefügt werden, daß jedes Alter, unabhängig von den verschiedenen Lebensphasen, kritische Situationen kennenlemen kann durch die Einwirkung 602 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN äußerer Faktoren - Orts- oder Amtswechsel, Schwierigkeiten bei der Arbeit oder apostolischer Mißerfolg, Unverständnis oder Ausgrenzung usw. - oder persönlicher Faktoren im engeren Sinn - physische oder psychische Erkrankung, geistliche Leere, Trauer, Probleme zwischenmenschlicher Beziehungen, starke Versuchungen, Glaubens- oder Identitätskrisen, Gefühl der Bedeutungslosigkeit, und ähnliches. Wenn die Treue schwieriger wird, muß dem einzelnen mehr Vertrauen und größere Liebe auf persönlicher wie gemeinschaftlicher Ebene als Hilfe entgegengebracht werden. Dabei ist vor allem die liebevolle Nähe des Oberen nötig; großer Trost wird auch von der geeigneten Hilfe eines Bruders oder einer Schwester kommen, dessen oder deren zuvorkommende und aufmerksame Anwesenheit zur Wiederentdeckung des Sinnes des Bundes fuhren kann, den Gott als erster geschlossen hat und nicht zu widerrufen gedenkt. So wird der Geprüfte schließlich Läuterung und Entäußerung als wesentliche Handlungen der Nachfolge des gekreuzigten Christus annehmen. Die Prüfung selbst wird ihm als Ausbildungsmittel der Vorsehung in den Händen des Vaters erscheinen, nicht nur als psychologischer Kampf, der vom Ich mit Bezug auf sich selbst und auf seine Schwächen geführt wird, sondern als religiöser Kampf, der jeden Tag von der Gegenwart Gottes und von der Macht des Kreuzes gekennzeichnet ist! Dimensionen der ständigen Weiterbildung 71. Wenn die Person Subjekt der Ausbildung in jeder Lebensphase ist, so ist das Ziel der Ausbildung die Ganzheit des Menschen, der aufgerufen ist, Gott zu suchen und „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn 6,5) zu lieben und den Nächsten wie sich selbst (vgl. Lev 19,18; Mt 22,37-39). Die Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern ist ein mächtiger Dynamismus, der den Weg des Wachstums und der Treue ständig zu inspirieren vermag. Das Leben im Geist hat seinen selbstverständlichen Vorrang. In ihm findet die Person des geweihten Lebens wieder ihre Identität und eine tiefe heitere Ruhe, wächst in der Aufmerksamkeit auf die täglichen Herausforderungen des Gotteswortes und läßt sich von der ursprünglichen Inspiration seines Instituts leiten. Unter dem Wirken des Heiligen Geistes werden die Zeiten des Gebetes, der Stille und der Einsamkeit fest verteidigt, und die Gabe der Weisheit wird inständig vom Himmel in der Mühsal des Alltags erfleht (vgl. Weish 9,10). Die menschliche und brüderliche Dimension erfordert die Erkenntnis seiner selbst und die der eigenen Grenzen, um daraus die notwendige Anregung und Unterstützung auf dem Weg zur vollen Befreiung zu gewinnen. Von besonderer Bedeutung sind in der heutigen Situation die innere Freiheit der Person des geweihten Lebens, seine gefühlsmäßige Integration, die Kommunikationsfähigkeit mit allen, besonders in der eigenen Kommunität, die Gelassenheit des Geistes und das Mitgefühl mit dem Leidenden, die Liebe zur Wahrheit sowie der klare Zusammenhang zwischen Wort und Tat. 603 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die apostolische Dimension öffnet Verstand und Herz der Person des geweihten Lebens und macht sie bereit für ein ständiges aktives Bemühen als Zeichen der Liebe Christi, die sie drängt (vgl. 2 Kor 5,14). In der Praxis bedeutet dies die zeitgemäße Erneuerung der Methoden und Zielsetzungen der apostolischen Tätigkeiten in Treue zum Geist und zur Zielsetzung des Gründers oder der Gründerin sowie zu den in der Folge gereiften Traditionen, unter Beachtung der veränderten historischen und kulturellen, allgemeinen und lokalen Verhältnisse des Umfeldes, in dem man sich betätigt. Die kulturelle und berufliche Dimension schließt auf der Grundlage einer soliden theologischen Ausbildung, die zur Unterscheidung befähigt, eine ständige zeitgemäße Erneuerung und eine besondere Beachtung der verschiedenen Bereiche ein, auf die jedes einzelne Charisma verweist. Es ist daher notwendig, geistig offen und möglichst anpassungsfähig zu bleiben, damit der Dienst gemäß den Erfordernissen der Zeit geplant und durchgeführt wird, indem man sich der vom kulturellen Fortschritt bereitgestellten Mittel bedient. In der Dimension des Charismas schließlich finden sich alle anderen Forderungen gesammelt, wie in einer Synthese, die eine dauernde Vertiefung der eigenen besonderen Weihe in ihren verschiedenen Komponenten - nicht nur in der apostolischen, sondern auch in der asketischen und mystischen - verlangt. Das schließt für jedes Mitglied ein eifriges Studium des Geistes des Institutes, dem es angehört, seiner Geschichte und seiner Sendung ein, um dessen persönliche und gemeinschaftliche Assimilation zu verbessern. <200> <200> Vgl. ebd., 68: a.a.O„ 512. Kapitel III Servitium Caritatis Das geweihte Leben, Sichtbarwerden der Liebe Gottes in der Welt Geweiht für die Sendung 72. Nach dem Bilde Jesu, des geliebten Sohnes, „den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat“ (Joh 10,36), werden auch diejenigen, die Gott in seine Nachfolge ruft, geheiligt und in die Welt gesandt, um sein Beispiel nachzuahmen und seine Sendung fortzusetzen. Grundsätzlich gilt das für jeden Jünger. Doch in besonderer Weise gilt es für alle, die in der charakteristischen Form des geweihten Lebens dazu berufen sind, Christus „aus nächster Nähe“ zu folgen und ihn „zum Ganzen“ ihrer Existenz zu machen. In dem Anruf an sie ist daher die Aufgabe enthalten, sich vollständig der Sendung zu widmen: ja, das geweihte Leben wird unter dem Wirken des Heiligen Geistes, dem Ursprung jeder Berufung und jedes Charismas, selbst zur Sendung, wie es das ganze Leben Jesu gewesen ist. Das Bekenntnis zu den evangelischen Räten, das die Person des geweihten Lebens für die 604 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sache des Evangeliums völlig frei macht, offenbart auch unter diesem Gesichtspunkt seine Bedeutung. Man darf also behaupten, daß die Sendung für jedes Institut wesentlich ist, nicht nur für die des tätigen apostolischen Lebens, sondern auch für die des beschaulichen Lebens. Denn noch ehe sich die Sendung durch äußere Werke kennzeichnet, entfaltet sie sich dadurch, daß sie durch das persönliche Zeugnis für die Welt Christus selbst gegenwärtig macht. Das ist die Herausforderung, das ist die erstrangige Aufgabe des geweihten Lebens! Je mehr man Christus gleichförmig wird, umso gegenwärtiger und wirksamer macht man ihn in der Welt zum Heil der Menschen. Man kann also sagen, die Person des geweihten Lebens ist ,,in Mission“ eben kraft ihrer Weihe selbst, die entsprechend dem Plan des eigenen Instituts bezeugt ist. Wenn das Gründungscharisma pastorale Tätigkeiten vorsieht, sind offensichtlich Lebenszeugnis und Werke des Apostolats oder menschlicher Förderung in gleicher Weise notwendig: beide stellen Christus dar, der geheiligt ist zur Ehre des Vaters und zugleich in die Welt gesandt zum Heil der Brüder und Schwestern. <201> Das Ordensleben nimmt noch mit einem anderen, ganz besonderen Element an der Sendung Christi teil: dem geschwisterlichen Leben in Gemeinschaft für die Sendung. Das Ordensleben wird daher um so apostolischer sein, je inniger seine Hingabe an den Herrn Jesus, je brüderlicher seine gemeinschaftliche Lebensform, je glühender die Einbeziehung in die besondere Sendung des Instituts ist. <201> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 46. Im Dienste Gottes und des Menschen 73. Das geweihte Leben hat die prophetische Aufgabe, sich auf Gottes Plan in bezug auf die Menschen zu besinnen und ihm zu dienen, wie es von der Schrift verkündet wird und wie es aus einem aufmerksamen Lesen der Zeichen des weisen Wirkens Gottes in der Geschichte hervorgeht. Es ist der Plan für eine gerettete und versöhnte Menschheit (vgl. Kol 2,20-22). Um diesen Dienst in angemessener Weise zu erfüllen, müssen die Personen des geweihten Lebens eine tiefe Gotteserfahrung haben und sich die Herausforderungen der Zeit bewußt machen, indem sie deren tiefe theologische Bedeutung durch die mit Hilfe des Heiligen Geistes gewirkte Unterscheidung erfassen. In der Tat verbirgt sich in den geschichtlichen Ereignissen oft der Anruf Gottes, nach seinem Plan durch eine aktive und fruchtbare Einbeziehung in die Belange unserer Zeit zu wirken. <202> Die Unterscheidung der Zeichen der Zeit muß, wie das Konzil sagt, im Lichte des Evangeliums vorgenommen werden, damit man „auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben kann“. <203> Es ist daher notwendig, das Herz für die inneren Eingebungen des Geistes zu öffnen, der dazu einlädt, die Zeichen der Vorsehung in ihrer Tiefe zu erfassen. Er ruft das geweihte <202> Vgl. Propositio 35, A. <203> H. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 4. 605 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben, auf die neuen Probleme der Welt von heute neue Antworten zu erarbeiten. Das sind göttliche Mahnungen, die nur Menschen, die gewohnt sind, in allem den Willen Gottes zu suchen, getreu aufzunehmen und dann mutig in Entscheidungen umzusetzen vermögen, die sowohl mit dem ursprünglichen Charisma als auch mit den Erfordernissen der konkreten geschichtlichen Situation übereinstimmen. Angesichts der zahlreichen Probleme und Nöte, die das geweihte Leben mitunter zu gefährden oder gar mit sich zu reißen scheinen, müssen die Berufenen die Aufgabe wahmehmen, die vielen Bedürfnisse der ganzen Welt im Herzen und im Gebet zu tragen und zugleich eifrig auf den zum Gründungscharisma gehörenden Gebieten tätig zu sein. Ihre Hingabe wird offensichtlich von dem übernatürlichen Unterscheidungsvermögen geleitet sein müssen und wird das, was vom Geist kommt, von dem zu unterscheiden wissen, was ihm entgegengesetzt ist (vgl. Gal 5,16-17.22; 1 Joh 4,6). Er bewahrt durch die Treue zur Ordensregel und zu den Konstitutionen die volle Gemeinschaft mit der Kirche. <204> Auf diese Weise wird sich das geweihte Leben nicht darauf beschränken, die Zeichen der Zeit zu lesen, sondern es wird dazu beitragen, auch neue Pläne der Evangelisierung für die Situationen der heutigen Zeit auszuarbeiten und zu verwirklichen. Das alles geschieht in der Glaubensgewißheit, daß der Geist auch auf die schwierigsten Fragen die geeigneten Antworten zu geben vermag. In diesem Zusammenhang gilt es wiederzuentdecken, was die großen Hauptvertreter der apostolischen Tätigkeit schon immer gelehrt haben: man muß auf Gott vertrauen, als hinge alles von ihm ab, und sich gleichzeitig so großherzig einsetzen, als hinge alles von uns ab. <204> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 12. Kirchliche Zusammenarbeit und apostolische Spiritualität 74. Alles muß in Gemeinschaft und im Dialog mit den anderen Mitgliedern der Kirche getan werden. Die Herausforderungen an die Sendung sind so groß, daß sie ohne die Zusammenarbeit aller Glieder der Kirche sowohl bei der Unterscheidung als auch beim Tun nicht wirksam angegangen werden können. Die einzelnen verfügen kaum über die entscheidende Antwort: diese kann hingegen aus der Gegenüberstellung und dem Dialog entspringen. Insbesondere wird es die durch die verschiedenen Charismen tätige Gemeinschaft nicht unterlassen, außer einer gegenseitigen Bereicherung eine ausgeprägtere Wirksamkeit in der Sendung sicherzustellen. Die Erfahrung dieser Jahre bestätigt weitgehend, daß „der neue Name der Liebe ,Dialog1 ist“, <205> besonders jener kirchlichen Liebe; der Dialog hilft, die Probleme in ihren tatsächlichen Dimensionen zu sehen, und ermöglicht, sie mit größerer Hoffnung auf Erfolg anzugehen. Das geweihte Leben stellt sich auf Grund der Tatsache, daß es den Wert des geschwisterlichen Lebens pflegt, als bevorzugte Dialogerfahrung dar. Es kann daher zur Schaffung eines Klimas gegenseitiger An- <205> Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam (6. August 1964), III: AAS 56(1964)639. 606 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nähme beitragen, in dem die verschiedenen Personen der Kirche, während sie sich aufgewertet fühlen durch das, was sie sind, in überzeugterer Weise der auf die große universale Sendung ausgerichteten kirchlichen Gemeinschaft zustreben. Die in der einen oder der anderen Form des apostolischen Dienstes tätigen Institute müssen schließlich eine solide Spiritualität der Tätigkeit pflegen, die in allen Dingen Gott und alle Dinge in Gott sieht. „Man muß nämlich wissen, daß, wie das gute geordnete Leben danach strebt, vom tätigen zum kontemplativen Leben überzugehen, die Seele so meistens in nützlicher Weise aus dem kontemplativen in das tätige Leben zurückkehrt, um noch vollkommener das tätige Leben dafür zu bewahren, was das beschauliche Leben im Herzen entzündet hat. Das tätige Leben soll uns also ins beschauliche hinüberführen und bisweilen soll uns die Kontemplation aufgrund dessen, was wir im Inneren sehen, besser zum Handeln anleiten“. <206> Jesus selbst hat uns das vollkommene Beispiel gegeben, wie man die Gemeinschaft mit dem Vater mit einem intensiven tätigen Leben vereinen kann. Ohne das ständige Streben nach dieser Einheit lauert im Hinterhalt ständig die Gefahr der inneren Ermattung, der Orientierungslosigkeit und der Entmutigung. Die enge Verbindung zwischen Beschaulichkeit und Tätigkeit wird es heute wie gestern ermöglichen, sich den schwierigsten Aufträgen zu stellen. <206> Hl. Gregor der Grosse, Horn, in Ezech., II, n, 11: PL 76, 954-955. I. Die Liebe bis zum Ende Mit dem Herzen Christi lieben 75. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung. Es fand ein Mahl statt [...], Jesus stand vom Mahl auf [...] und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war“ (Joh 13,1-2.4-5). Bei der Fußwaschung macht Jesus die Tiefe der Liebe Gottes zum Menschen offenbar: in ihm stellt sich Gott selber in den Dienst der Menschen! Zugleich enthüllt er den Sinn des christlichen Lebens und noch mehr des geweihten Lebens, das ein Leben hingebungsbereiter Liebe, konkreten und selbstlosen Dienstes ist. Da das geweihte Leben sich in die Nachfolge des Menschensohnes stellt, „der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern zu dienen“ (Mt 20,28), ist es, zumindest in den besten Zeiten seiner langen Geschichte, durch dieses „Waschen der Füße“ gekennzeichnet, das heißt durch den Dienst besonders an den Ärmsten und Bedürftigsten. Wenn das geweihte Leben sich einerseits in das erhabene Geheimnis des Wortes vertieft, das bei Gott war (vgl. Joh 1,1), so folgt es andererseits eben demselben Wort, das Fleisch wird (vgl. Joh 1,14), sich erniedrigt, sich demütigt, um den Menschen zu dienen. Die Personen, die Christus auf dem Weg der evangelischen Räte folgen, beabsichtigen auch dort hinzugehen, wo Christus hingegangen ist, und das zu tun, was er getan hat. 607 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Er ruft unablässig neue Jünger, Männer und Frauen zu sich, um ihnen durch die Ausgießung des Geistes (vgl. Röm 5,5) die göttliche Agape, seine Art zu lieben mitzuteilen und sie so anzuspomen, in demütiger Selbsthingabe, fernab von eigennützigen Überlegungen, den anderen zu dienen. An Petrus, der in ekstatischer Begeisterung über den Glanz der Verklärung ausruft: „Herr, es ist gut, daß wir hier sind“ (Mt 17,4), ergeht die Einladung, auf die Straßen der Welt zurückzukehren, um weiterhin dem Reich Gottes zu dienen: „Steige hinab, Petrus; du wolltest auf dem Berge ausruhen: steige hinab; verkündige das Wort, greife bei jeder Gelegenheit ein, sei es gelegen oder ungelegen, tadle, ermahne und ermuntere mit aller Großmut und mit jeder Art von Unterweisung. Arbeite, strenge dich sehr an, nimm auch Leiden und Qualen auf dich, damit du mittels des Glanzes und der Schönheit der guten Werke in der Liebe das besitzen mögest, was im Glanz der Kleider des Herrn versinnbildlicht ist“. <207> Der auf das Angesicht des Herrn gerichtete Blick schwächt im Apostel den Einsatz für den Menschen nicht; im Gegenteil, er verstärkt ihn noch, weil er den Apostel mit einer neuen Fähigkeit zum Einwirken auf die Geschichte ausstattet, um sie von allem Entstellenden zu befreien. <207> Hl. Augustinus, Senno 78, 6: PL 38, 492. Die Suche nach der göttlichen Schönheit veranlaßt die Personen des geweihten Lebens dazu, sich für das in den Gesichtem von Brüdern und Schwestern entstellte göttliche Abbild zu sorgen, Gesichter, die durch Hunger verzerrt, Gesichter, die von politischen Versprechungen enttäuscht sind, gedemütigte Gesichter, die die Schmähung ihrer Kultur erleben, erschrockene Gesichter angesichts täglicher und wahlloser Gewalt, verängstigte Gesichter von Minderjährigen, Gesichter beleidigter und gedemütigter Frauen, müde Gesichter von Emigranten, die keine würdige Aufnahme finden, Gesichter alter Menschen ohne geringste Voraussetzungen für ein würdiges Leben“. <208> So beweist das geweihte Leben durch die Be-redtheit der Werke, daß die göttliche Liebe Fundament und Ansporn zu selbstloser und tätiger Liebe ist. Davon war der hl. Vinzenz von Paul überzeugt, als er den Schwestern von der Liebe folgendes Lebensprogramm gab: „Der Geist der Gesellschaft besteht in der Hingabe an Gott, um unseren Herrn zu lieben und ihm in der Person der materiell und geistlich Armen in ihren Häusern oder anderswo zu dienen, um die armen jungen Mädchen, die Kinder und ganz allgemein alle zu unterrichten, die Euch die göttliche Vorsehung schickt“. <209> <208> Vgl. IV. Generalversammlung der Lateinamerikanischen Bischöfe, Dokument Neuevangelisierung, menschliche Förderung und christliche Kultur, Schluß, Nr. 178, CELAM 1992. <209> Correspondance, Entretiens, Documents. Conference „Sur l’esprit de la Compagnie“ (9. Februar 1653), Coste IX, Paris 1923, S. 592. Unter den verschiedenen möglichen Bereichen der Liebe ist heutzutage jener, der der Welt die Liebe „bis zur Vollendung“ auf besondere Weise offenbar macht, mit Gewißheit die begeisterte Verkündigung Jesu Christi an all jene, die ihn noch nicht kennen, an jene, die ihn vergessen haben, und vorzugsweise an die Armen. 608 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der besondere Beitrag des geweihten Lebens zur Evangelisierung 76. Der besondere Beitrag der Personen des geweihten Lebens zur Evangelisierung besteht vor allem im Zeugnis eines Lebens der vollständigen Hingabe an Gott und an die Brüder und Schwestern in der Nachfolge des Erlösers, der sich aus Menschenliebe zum Knecht gemacht hat. Denn im Heilswerk kommt alles aus der Teilhabe an der göttlichen Agape. Die Personen des geweihten Lebens machen in ihrer Weihe und Ganzhingabe die liebende und heilbringende Gegenwart Christi sichtbar, der vom Vater geheiligt und in die Welt gesandt wurde. <210> Wenn sie sich von ihm ergreifen lassen (vgl. Phil 3,12), sind sie bereit, gewissermaßen zu einer Verlängerung seines Menschseins zu werden. <211> Das geweihte Leben ist beredter Ausdruck dafür, daß einer, je mehr er aus Christus lebt, ihm um so besser in den anderen dienen kann, indem er bis in die vorderste Missionsfront vorstößt und größte Risiken auf sich nimmt. <212> <210> Vgl. Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, Instruktion Essential Elements in the Church’s teaching on religious life as applied to Institutes dedicated to works of the apostolate (31. Mai 1983), 23-24: Ench. Vat., 9, 202-204. <211> Vgl. Sei. Elisabeth von der Dreifaltigkeit, O mom Dieu, Trinite que j’adore, (Euvres completes, Paris 1991, 199-200. <212> Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 69: AAS 68(1976)59. Die erste Evangelisierung: den Völkern Christus verkündigen 77. Wer Gott, den Vater aller, liebt, muß auch den Nächsten lieben, in denen er ebenso Brüder und Schwestern erkennt. Gerade deswegen kann er angesichts der Feststellung, daß viele von ihnen die volle Bezeigung der Liebe Gottes in Christus nicht kennen, nicht indifferent bleiben. Im Gehorsam gegenüber dem Gebot Christi entsteht hier der missionarische Elan ad gentes, den jeder bewußte Christ mit der Kirche teilt, die ihrer Natur nach missionarisch ist. Ein Aufschwung, der vor allem von den Mitgliedern der Institute sowohl des kontemplativen als auch des tätigen Lebens wahrgenommen wird. <213> Denn die Personen des geweihten Lebens haben die Aufgabe, auch unter den Nichtchristen <214> den keuschen, armen, gehorsamen, betenden und missionarischen Christus gegenwärtig zu machen. <215> Wenn sie auf dynamische Weise ihrem Charisma treu bleiben, müssen sie sich auf Grund ihrer innigen Weihe an Gott <216> in eine besondere Mitwirkung an der Missionstätigkeit der Kirche miteinbezogen fühlen. Das von Theresia von Lisieux wiederholt geäußerte Verlangen, „dich zu lieben und dich lieben zu lassen“, der glühende Wunsch des hl. Franz Xaver, daß „viele, die die Wissenschaften studieren, über die Rechenschaft nachdenken sollten, die Gott, unser Herr, von ihnen und bezüglich des ihnen übergebenen Talents verlangen wird; viele würden davon abrücken und sich jenen Mitteln und jenen geistlichen Exerzitien zuwenden, die den göttli- <213> Vgl. Propositio 37, A. <214> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 46; Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 69: AAS 68(1976)59. <215> Vgl. 13. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nm. 44, 46. <216> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nm. 18; 40. 609 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen Willen im eigenen Herzen erkennen und spüren lassen, und sie würden sich so mehr nach dem göttlichen Willen richten als nach den eigenen Neigungen und sagen: „Herr, hier bin ich, was willst du, daß ich tue? Sende mich, wohin du willst“, <217> und andere ähnliche Zeugnisse unzähliger Heiliger stellen das unaufhebbare missionarische Bestreben heraus, das das geweihte Leben unterscheidet und kennzeichnet. <217> Brief an seine in Rom lebenden Gefährten (Cochin, 15. Januar 1544): Monumenta Historica Societatis Iesu 67 (1944), 166-167. Anwesend in jedem Winkel der Erde 78. „Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14): diese Worte sollten die Mitglieder jedes Instituts mit dem Apostel wiederholen können, weil es Aufgabe des geweihten Lebens ist, in jedem Teil der Welt für die Festigung und Ausbreitung des Reiches Christi zu arbeiten, indem sie die Botschaft des Evangeliums überallhin, auch in die entferntesten Gegenden bringen. <218> In der Tat zeugt die Missionsgeschichte von dem großartigen Beitrag, der von ihnen zur Evangelisierung der Völker geleistet worden ist: von den ältesten monastischen Familien bis hin zu den jüngsten Gründungen, die ausschließlich in der Mission „ad gentes“ engagiert sind, von den Instituten des tätigen Lebens bis hin zu jenen, die sich der Beschaulichkeit widmen, <219> haben zahllose Personen ihre Kräfte in dieser „wesentlichen und nie abgeschlossenen Haupttätigkeit der Kirche“ <220> eingesetzt, da diese sich an die wachsende Vielzahl derjenigen wendet, die Christus nicht kennen. <218> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 44. <219> Vgl. Johannes Pauin., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 69: AAS 83(1991)317-318; Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 927. <220> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 31: AAS 83(1991)277. Auch heute verlangt diese Verpflichtung weiterhin dringend die Mitwirkung der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens: die Verkündigung des Evangeliums Christi erwartet von ihnen den größtmöglichen Beitrag. Auch die Institute, die in den jungen Kirchen entstehen oder tätig sind, werden aufgefordert, sich der Mission unter den Nichtchristen innerhalb und außerhalb ihrer Heimat zu öffnen. Trotz begreifbarer Schwierigkeiten, die manche von ihnen durchmachen mögen, ist es gut, alle daran zu erinnern, daß, wie „der Glaube stark wird durch Weitergabe“, <221> die Mission das geweihte Leben stärkt, ihm neue Begeisterung und neue Motivationen verleiht und es zur Treue anspomt. Die Missionstätigkeit bietet ihrerseits breiten Raum für die Aufnahme der verschiedenen Formen des geweihten Lebens. <221> Ebd., Nr. 2: a.a.O., 251. Den Frauen des geweihten Lebens, den Ordensbrüdern und den Mitgliedern der Säkularinstitute bietet die Mission ad gentes besondere und außergewöhnliche Chancen für ein besonders ausgeprägtes apostolisches Wirken. Letztere können dann durch ihre Präsenz in den verschiedenen typischen Bereichen der laikalen Berufung eine wertvolle Evangelisierungsarbeit entfalten im Hinblick auf die Um- 610 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gebung, die Strukturen und sogar auf die Gesetze, die das Zusammenleben regeln. Außerdem können sie an der Seite von Menschen, die noch nichts von Jesus wissen, von den Werten des Evangeliums Zeugnis geben und damit einen spezifischen Beitrag zur Mission leisten. Es muß betont werden, daß in den Ländern, wo nichtchristliche Religionen Wurzel gefaßt haben, die Anwesenheit des geweihten Lebens sowohl durch erzieherische, karitative und kulturelle Tätigkeiten als auch durch dessen kontemplative Ausprägung enorme Bedeutung gewinnt. Deshalb soll in den neuen Kirchen besonders zur Gründung kontemplativer Gemeinschaften ermutigt werden, da „das beschauliche Leben zur vollen Anwesenheit der Kirche gehört“. <222> Es ist sodann notwendig, mit geeigneten Mitteln, sei es durch die Entsendung von Missionaren und Missionarinnen, sei es durch die gebührende Hilfe der Institute des geweihten Lebens an die ärmeren Diözesen, eine angemessene Versorgung des geweihten Lebens in seinen verschiedenen Formen zu fördern, um einen neuen Impuls zur Evangelisierung zu geben. <223> <222> II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 18; vgl. Johannes Paul U., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 69: AAS 83(1991)317-318. <223> Vgl. Propositio 38. Christusverkündigung und Inkulturation 79. Die Verkündigung Christi „hat in der Mission der Kirche jederzeit Vorrang“ <224> und hat die Bekehrung zum Ziel, d.h. die volle und ehrliche Zustimmung zu Christus und seinem Evangelium. <225> In das Gesamtbild der missionarischen Tätigkeit treten auch der Prozeß der Inkulturation und der interreligiöse Dialog. Die Herausforderung der Inkulturation wird von den Personen des geweihten Lebens als Appell zu einem fruchtbaren Zusammenwirken mit der Gnade bei der Annäherung an die verschiedenen Kulturen aufgegriffen. Voraussetzung dafür sind ernsthafte persönliche Vorbereitung, reifes Unterscheidungsvermögen, treues Festhalten an den unverzichtbaren Kriterien für die Rechtgläubigkeit in der Lehre sowie für die Authentizität und kirchliche Gemeinschaft. <226> Gestützt auf das Charisma der Stifter und Stifterinnen haben viele Personen des geweihten Lebens es verstanden, den verschiedenen Kulturen in der Verhaltensweise Jesu nahezukommen, der „sich entäußerte und wurde wie ein Sklave“ (Phil 2,7), und in geduldigem und mutigem Bemühen um Dialog haben sie nützliche Kontakte zu den verschiedensten Völkern hergestellt und dabei allen den Weg zum Heil verkündet. Auch heute sind viele von ihnen in der Lage, in der Geschichte einzelner Personen und ganzer Völker Spuren der Gegenwart Gottes zu suchen und aufzuspüren, der die ganze Menschheit zum Erkennen der Zeichen seines Erlösungswillens führt. Dieses Suchen erweist sich für die Personen des geweihten Lebens selbst als Vorteil: sie können in der Tat durch die in den verschiedenen Zivilisationen entdeckten Werte <224> Johannes Paul n., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 44: AAS 83(1991)290. <225> Vgl. ebd., Nr. 46: a.a.O., 292. <226> Vgl. ebd., Nm. 52-54: a.a.O., 299-302. 611 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN angespomt werden, den eigenen Eifer zur Betrachtung und zum Gebet zu erhöhen, das gemeinschaftliche Miteinander und die Gastfreundschaft intensiver zu praktizieren sowie mit größerer Aufmerksamkeit die Achtung vor der Person und vor der Natur zu pflegen. Für eine echte Inkulturation sind Verhaltensweisen vonnöten, die jenen des Herrn ähnlich sind, als er Mensch geworden und mit Liebe und Demut in unsere Mitte gekommen ist. In diesem Sinne macht das geweihte Leben die Menschen besonders dafür geeignet, die umfassende, mühsame Arbeit der Inkulturation anzugehen, weil dies sie an das Abstandnehmen von den Dingen und sogar von so vielen Aspekten der eigenen Kultur gewöhnt. Wenn die Personen des geweihten Lebens sich mit dieser Verhaltensweise dem Studium und dem Verständnis der Kulturen widmen, können sie in ihnen besser die echten Werte erkennen und die Art und Weise, in der sie mit Hilfe ihres Charismas diese Werte aufnehmen und vervollkommnen können. <227> Man darf freilich nicht vergessen, daß in vielen alten Kulturen der religiöse Ausdruck so tief integriert ist, daß die Religion oft die transzendentale Dimension der Kultur selbst darstellt. In diesem Fall ist eine echte Inkulturation notwendigerweise mit einem ernsthaften, offenen interreligiösen Dialog verbunden, der „nicht in Gegensatz zur Mission ad gentes“ steht und „nicht von der Verkündigung des Evangeliums enthebt“. <228> <227> Vgl. Propositio 40, A. <228> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 55: AAS 83(1991)302; vgl. Päpstlicher Rat für den interreligiösen Dialog und Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Instruktion Dialog und. Verkündigung, Überlegungen und Orientierungen (19. Mai 1991), Nm. 45-46: AAS 84(1992)429-430. Die Inkulturation des geweihten Lebens 80. Das geweihte Leben, das an und für sich Träger der Werte des Evangeliums ist, kann seinerseits dort, wo es authentisch gelebt wird, einen originellen Beitrag zu den Herausforderungen der Inkulturation leisten. Da es in der Tat ein Zeichen für den Vorrang Gottes und seines Reiches ist, wird es zu einer Provokation, die im Dialog das Gewissen der Menschen aufrütteln kann. Wenn das geweihte Leben die ihm eigene prophetische Kraft bewahrt, wird es innerhalb einer Kultur zum Sauerteig des Evangeliums, der zu ihrer Reinigung und Entwicklung beizutragen vermag. Dies beweist die Geschichte zahlreicher heiliger Männer und Frauen, die es in verschiedenen Epochen verstanden, jeweils in ihre Zeit einzutauchen, ohne sich von ihr untertauchen zu lassen, wobei sie aber ihrer Generation neue Wege aufzeigten. Der evangeliumsgemäße Lebensstil ist eine wichtige Quelle für den Vorschlag eines neuen Kulturmodells. Wie viele Stifter und Stifterinnen haben, wenn auch mit allen von ihnen selbst anerkannten Einschränkungen, manche Forderungen ihrer Zeit aufgegriffen und ihre Antwort darauf gegeben, die dann zu einem kulturellen Emeuerungsvorschlag geworden ist. Die Gemeinschaften der Ordensinstitute und der Gesellschaften des apostolischen Lebens können in der Tat konkrete und bedeutsame kulturelle Vorschläge anbie- 612 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten, wenn sie von der Art des Evangeliums Zeugnis ablegen: die gegenseitige Annahme in der Verschiedenheit zu leben und die Autorität, die Teilung sowohl der materiellen wie der geistlichen Güter, die Intemationalität, die Zusammenarbeit zwischen den Kongregationen sowie das Hinhören auf die Männer und Frauen unserer Zeit zu üben. Die Denk- und Handlungsweise dessen, der Christus mehr aus der Nähe folgt, bringt in der Tat eine echte und eigene Kultur der Beziehung hervor und dient dazu aufzudecken, was unmenschlich ist, und gibt Zeugnis davon, daß Gott allein den Werten Kraft und Erfüllung verleiht. Eine echte Inkulturation wird ihrerseits den Personen des geweihten Lebens helfen, entsprechend dem Charisma ihres Instituts und dem Wesen der Menschen, mit denen sie in Kontakt treten, die Radikalität des Evangeliums zu leben. Aus solch einer fruchtbaren Beziehung gehen Lebensweisen und pastorale Methoden hervor, die sich als echter Reichtum für das ganze Institut werden erweisen können, wenn sich deren Übereinstimmung mit dem vom Stifter vorgesehenen Charisma und mit dem Einheit stiftenden Wirken des Heiligen Geistes ergibt. In diesem Prozeß, der aus Unterscheidung und Unerschrockenheit, Dialog und Herausforderung im Geist des Evangeliums besteht, wird vom Heiligen Stuhl, dem die Aufgabe obliegt, die Evangelisierung der Kulturen zu ermutigen, die diesbezüglichen Entwicklungen für authentisch zu erklären und die Ergebnisse im Hinblick auf die Inkulturation zu bestätigen, <229> eine Gewähr für den richtigen Weg angeboten, „eine schwierige und heikle Aufgabe, denn sie stellt die Treue der Kirche zum Evangelium und zur apostolischen Überlieferung in der ständigen Entwicklung der Kulturen in Frage“. <230> <229> Vgl. Propositio 40, B. <230> Johannes Paul II., Nachsynodales Apost. Schreiben Ecclesia in Africa (14. September 1995), Nr. 62: L’Osservatore Romano, 16. September 1995, S. 5. Die Neuevangelisierung 81. Um den großen Herausforderungen, die die gegenwärtige Geschichte an die Neuevangelisierung stellt, in angemessener Weise zu begegnen, bedarf es vor allem eines geweihten Lebens, das sich ständig vom geoffenbarten Wort und von den Zeichen der Zeit befragen läßt. <231> Das Andenken der großen Verkünder des Evangeliums - Männer und Frauen -, die zuvor selbst evangelisiert worden waren, macht offenkundig, daß es zu einem Begegnen mit der heutigen Welt Personen bedarf, die sich voll Liebe dem Herrn und seinem Evangelium weihen. „Die Personen des geweihten Lebens sind auf Grund ihrer besonderen Berufung dazu aufgerufen, die Einheit zwischen Selbstevangelisierung und Zeugnis, zwischen innerer Erneuerung und apostolischem Eifer, zwischen Sein und Handeln sichtbar werden zu lassen, indem sie herausstellen, daß der Dynamismus stets aus dem ersten Element der Wortpaare herrührt“. <232> <231> Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 15: AAS 68(1976)13-15. <232> Bischofssynode, IX. Ordentliche Generalversammlung, Relatio ante disceptationem, 22: L’Osservatore Romano, 3.14. Oktober 1994, S. 12. 613 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie die herkömmliche Evangelisierung, so wird auch die Neuevangelisierung dann wirksam sein, wenn sie von den Dächern zu verkünden vermag, was sie vorher in der innigen Vertraulichkeit mit dem Herrn gelebt hat. Gebraucht werden dafür zuverlässige, vom Eifer der Heiligen beseelte Persönlichkeiten. Die Neuevangelisierung erfordert von den Männern und Frauen des geweihten Lebens, daß sie sich der theologischen Bedeutung der Herausforderungen unserer Zeit voll bewußt sind. Diese Herausforderungen müssen im Hinblick auf die Erneuerung der Mission durch aufmerksame und gemeinsame Abwägung geprüft werden. Der Mut zur Verkündigung des Herrn Jesus muß von dem Vertrauen in das Wirken der Vorsehung begleitet sein, die in der Welt wirkt und „alles, auch menschliches Mißgeschick, zum größeren Wohl der Kirche bereitstellt“. <233> Wichtige Elemente für eine nützliche Einbeziehung der Institute in den Prozeß der Neuevangelisierung sind die Treue zum Gründungscharisma, die Gemeinschaft mit all jenen in der Kirche, die in demselben Auftrag engagiert sind, besonders mit den Seelsorgern, und schließlich die Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens. Dies erfordert eine ernsthafte Beurteilung des Rufes, den der Geist an jedes einzelne Institut ergehen läßt, und zwar sowohl in jenen Gegenden, in denen keine großen Fortschritte unmittelbar vorherzusehen sind, als auch in anderen Regionen, in denen sich ein tröstliches Wiederaufleben ankündigt. Die Personen des geweihten Lebens sollen an jedem Ort und in jeder Situation leidenschaftliche Verkünder des Herrn Jesus sein, bereit, mit der Weisheit des Evangeliums auf die Fragen zu antworten, die heute von der Unruhe des menschlichen Herzens und dessen dringenden Bedürfnissen her gestellt werden. <233> Johannes XXIII., Ansprache zur Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils (11. Oktober 1962): AAS 54(1962)789. Die Vorzugsoption für die Armen und die Förderung der Gerechtigkeit 82. Zu Beginn seines öffentlichen Wirkens sagt Jesus in der Synagoge von Naza-ret, der Geist habe ihn gesalbt, damit er den Armen eine gute Nachricht bringe, den Gefangenen die Entlassung verkünde, den Bünden das Augenlicht zurückgebe, die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe (vgl. Lk 4,16-19). Die Kirche, die sich die Sendung des Herrn zu eigen macht, verkündet jedem Mann und jeder Frau das Evangelium und trägt damit Sorge für deren vollständiges Heil. Doch mit besonderer Aufmerksamkeit, ja mit einer echten „Vorzugsoption“ wendet sie sich allen zu, die sich in einer Situation größerer Schwachheit und daher einer schwerwiegenderen Not befinden. „Arme“ in den vielfältigen Dimensionen der Armut sind die Unterdrückten, die Ausgegrenzten, die Alten, die Kranken, die Kleinen und alle, die als „Letzte“ in der Geseüschaft angesehen und behandelt werden. Die Option für die Armen wohnt der Dynamik der nach dem Vorbild Christi gelebten Liebe inne. Zu dieser sind daher alle Jünger Christi verpflichtet; diejenigen jedoch, die dem Herrn durch Nachahmung seiner Verhaltensweisen mehr aus der 614 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nähe folgen wollen, müssen sich in ganz besonderer Weise hingezogen fühlen. Die Ehrlichkeit ihrer Antwort auf die Liebe Christi regt sie an, als Arme zu leben und sich der Sache der Armen anzunehmen. Dies bringt für jedes Institut, je nach dem spezifischen Charisma, die Annahme eines bescheidenen und strengen Lebensstils sowohl im persönlichen als auch im Gemeinschaftsleben mit sich. Durch dieses gelebte Zeugnis gestärkt, werden die Personen des geweihten Lebens durch Wege, die mit ihrem Lebensweg übereinstimmen und indem sie gegenüber politischen Ideologien frei bleiben, die Ungerechtigkeiten anzeigen können, die gegen so viele Kinder Gottes begangen werden, und sich für die Förderung der Gerechtigkeit im sozialen Umfeld, in dem sie tätig sind, einsetzen können. <234> Auf diese Weise wird die jenen Stiftern und Stifterinnen eigene Hingabe auch in der gegenwärtigen Lage durch das Zeugnis unzähliger Personen des geweihten Lebens eine Erneuerung erfahren, die ihr Leben einsetzten, um dem in den Armen gegenwärtigen Herrn zu dienen. In der Tat „findet man“ Christus „auf Erden in der Person seiner Armen [...]. Als Gott reich und als Mensch arm. In der Tat ist der schon reiche Mensch zum Himmel aufgestiegen und sitzt zur Rechten des Vaters, doch hier unten leidet er noch in Armut Hunger und Durst und ist nackt“. <235> Das Evangelium wird durch die Liebe wirksam, die Ruhm der Kirche und Zeichen ihrer Treue zum Herrn ist. Das beweist die ganze Geschichte des geweihten Lebens, die man als eine lebendige Exegese des Wortes Jesu betrachten kann: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Viele Instimte, besonders in neuerer Zeit, sind entstanden, um eben dem einen oder anderen Bedürfnis der Armen entgegenzukommen. Aber auch dann, wenn diese Zielsetzung nicht bestimmend gewesen ist, waren die durch das Gebet, durch die Annahme und die Gastfreundschaft zum Ausdruck gebrachte Aufmerksamkeit und Sorge für die Bedürftigen stets mit den verschiedenen Formen des geweihten - auch des kontemplativen - Lebens ganz natürlich verbunden. Wie könnte es auch anders sein, da Christus, zu dem man in der Kontemplation gelangt ist, derselbe ist, der in den Armen lebt und leidet? Der hl. Paulinus von Nola, der seinen Besitz an die Armen verteilt hatte, um sich ganz Gott zu weihen, errichtete die Zellen seines Klosters über einem Hospiz, das für die Betreuung der Armen bestimmt war. Er freute sich bei dem Gedanken an diesen einzigartigen „Gabenaustausch“: die Armen, denen er geholfen hatte, festigten durch ihr Gebet die „Fundamente“ seines Hauses, das ganz dem Lobpreis Gottes gewidmet war. <236> Der hl. Vinzenz von Paul hat seinerseits gern gesagt, wenn er das Gebet unterbrechen mußte, um einem Armen in Not beizustehen, daß dies in Wirklichkeit keine Unterbrechung sei, „denn man läßt Gott für Gott zurück“. <237> Vgl. Propositio 18. <235> Hl. Augustinus, Sermo 123, 3-4: PL 38, 685-686. <236> Vgl. Poema XXI, 386-394: PL 61, 587. <237> Correspondance, Entretiens, Documents. Conference „Sur les Regles“ (30. Mai 1647), Coste IX, Paris, S. 319. 615 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Dienst an den Armen ist ein Akt der Evangelisierung und zugleich „Evangeli-zitäts“-Siegel für das geweihte Leben und Ansporn zu ständiger Bekehrung, denn - wie der hl. Gregor der Große sagt - „wenn die Liebe sich liebevoll herabneigt, um auch für die niedrigsten Bedürfnisse des Nächsten zu sorgen, dann lodert sie bis zu den höchsten Gipfeln empor. Und wenn sie wohlwollend der äußersten Not gehorcht, dann nimmt sie kraftvoll den Höhenflug wieder auf‘.2U Die Sorge für die Kranken 83. Einer ruhmvollen Tradition folgend üben unzählige Personen des geweihten Lebens, vor allem Frauen, ihr Apostolat, je nach dem Charisma ihres Instituts, in den Bereichen des Gesundheitswesens aus. Viele Personen des geweihten Lebens haben im Laufe der Jahrhunderte ihr Leben im Dienst an den Opfern ansteckender Krankheiten geopfert und haben damit gezeigt, daß die Hingabe bis zum Heroismus zur prophetischen Natur des geweihten Lebens gehört. Die Kirche blickt mit Bewunderung und Dankbarkeit auf die vielen Personen des geweihten Lebens, die durch ihre Hilfe für die Kranken und Leidenden in bedeutsamer Weise zu ihrer Sendung beitragen. Sie setzen Christi Dienst der Barmherzigkeit fort, der „umherzog, Gutes tat und alle heilte“ (Apg 10,38). Indem sie in seine, d. h. in die Fußstapfen des göttlichen Samariters, des Arztes der Seele und des Leibes, <238> <239> treten und dem Beispiel ihrer Stifter bzw. Stifterinnen folgen, sollen die Personen des geweihten Lebens, die vom Charisma ihres Instituts dazu hingeführt werden, in ihrem Zeugnis der Liebe zu den Kranken ausharren, indem sie sich ihnen mit einfühlendem Verständnis und mit tiefer Anteilnahme widmen. Bei ihren Auswahlentscheidungen sollen sie den ärmsten und verlassensten Kranken sowie den Alten, den Behinderten, den Ausgegrenzten, den unheilbar Kranken und den Opfern von Drogenmißbrauch und von neuen Infektionskrankheiten den Vorzug geben. Sie sollen in den Kranken die Aufopferung des eigenen Leidens in Gemeinschaft mit dem zum Heil aller gekreuzigten und verherrlichten Christus fördern, <240> ja sie sollen in ihnen das Bewußtsein nähren, daß sie mit dem Gebet und mit dem Zeugnis ihres Wortes und Verhaltens durch das besondere Charisma des Kreuzes aktive Personen der Seelsorge sind. <241> Außerdem erinnert die Kirche die Personen des geweihten Lebens daran, daß es zu ihrer Sendung gehört, die Bereiche des Gesundheitswesens, in denen sie tätig sind, zu evangelisieren, indem sie versuchen, durch die Vermittlung der Werte des Evangeliums das Leben, das Leiden und das Sterben der Menschen unserer Zeit zu erleuchten. Es ist ihre Aufgabe, sich im Dienst des Evangeliums vom Leben der Humanisierung der Medizin und der Vertiefung der Bioethik zu widmen. Daher sollen sie in voller Übereinstim- <238> Regula Pastoralis 2, 5: PL 77, 33. <239> Vgl. Johannes Paul n., Apost. Schreiben Salvifici doloris (11. Februar 1984), Nm. 28-30: AAS 76(1984)242-248. <240> Vgl. ebd., Nr. 18: a.a.O., 221-224; Nachsynodales Apost. Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nm. 52-53: AAS 81(1989)496-500. <241> Vgl. Johannes PaulU., Nachsynodales Apost. Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992), Nr. 77: AAS 84(1992)794-795. 616 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mung mit der Morallehre der Kirche vor allem die Achtung vor der Person und vor dem menschlichen Leben, von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende, fördern <242> und dazu auch Ausbildungszentren einrichten <243> und mit den kirchlichen Einrichtungen der Krankenpastoral brüderlich Zusammenarbeiten. <242> Vgl. Johannes Paul n., Enzyklika Evangelium vitae (25. März 1995), Nm. 78-101: AAS 87(1995)490-518. <243> Vgl. Propositio 43. II. Ein prophetisches Zeugnis angesichts großer Herausforderungen Das Prophetentum des geweihten Lebens 84. Der prophetische Charakter des geweihten Lebens wurde von den Synoden-vätem nachdrücklich betont. Dieser stellt sich wie eine besondere Form der Teilhabe an dem prophetischen Amt Christi dar, die dem ganzen Volk Gottes vom Geist mitgeteilt wird. Es ist ein Prophetentum, das auf Grund der radikalen Christusnachfolge und der konsequenten Hingabe an die Sendung, die sie kennzeichnet, dem geweihten Leben als solchem innewohnt. Die Zeichenhaftigkeit, die das II. Vatikanische Konzil dem geweihten Leben zuerkennt, <244> findet Ausdruck in dem prophetischen Zeugnis von der Vorrangstellung, die Gott und die Werte des Evangeliums im christlichen Leben haben. Kraft dieser Vorrangstellung darf nichts über die persönliche Liebe zu Christus und zu den Armen, in denen er lebt, gestellt werden. <245> Die Tradition der Kirchenväter hat in Elija, dem furchtlosen Propheten und Gottesfreund, ein Vorbild des monastischen Ordenslebens gesehen. <246> Er lebte in der Gegenwart des Herrn und betrachtete in der Stille seinen Vorübergang, legte Fürsprache für das Volk ein und verkündete mutig den Willen Gottes, verteidigte seine Rechte und erhob sich, um die Armen gegen die Mächtigen der Welt zu verteidigen (vgl. 1 Kön 18-19). In der Kirchengeschichte hat es neben anderen Christen nicht an Männern und Frauen des gottgeweihten Lebens gefehlt, die kraft einer besonderen Gabe des Geistes ein glaubwürdiges Prophetenamt ausgeübt haben, wenn sie im Namen Gottes zu allen, auch zu den Hirten der Kirche, sprachen. Die wahre Prophetie entsteht aus Gott, aus der Freundschaft mit ihm, aus dem aufmerksamen Hören seines Wortes in den verschiedenen geschichtlichen Gegebenheiten. Der Prophet fühlt in seinem Herzen die Leidenschaft für die Heiligkeit Gottes brennen, und nachdem er im Dialog des Gebets sein Wort vernommen hat, verkündet er es mit seinem Leben, mit seinen Lippen und Handlungen, indem er sich zum Sprecher Gottes gegen das Böse und die Sünde macht. Das prophetische Zeugnis erfordert die ständige, leidenschaftliche Suche nach dem Willen Gottes, die großherzige und unverzichtbare kirchliche Gemeinschaft, die Übung der geistlichen Unterscheidung und die Liebe zur Wahrheit. Es drückt sich auch durch die <244> Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 44. <245> Vgl. Johannes Paul II., Predigt bei der feierlichen Konzelebration zum Abschluß der IX. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode (29. Oktober 1994), Nr. 3: AAS 87(1995)580. <246> Vgl. Hl. Anthanasius, Leben des Antonius, 7: PG 26, 854. 617 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Klarstellung von all dem aus, was im Gegensatz zum göttlichen Willen steht, und durch die Erkundung neuer Wege, um das Evangelium in der Geschichte im Hinblick auf das Reich Gottes zu verwirklichen. <247> <247> Vgl. Propositio 39, A. Seine Bedeutung flir die Welt von heute 85. In unserer heutigen Welt, in der sich die Spuren Gottes oft zu verlieren scheinen, erweist sich ein starkes prophetisches Zeugnis seitens der Personen des geweihten Lebens als dringend notwendig. Es wird vor allem die Bejahung der Vorrangstellung Gottes und der künftigen Güter betreffen, wie diese sich aus der Nachfolge und Nachahmung des keuschen, armen und gehorsamen Christus erkennen läßt, der sich völlig der Verherrlichung des Vaters und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern geweiht hat. Das geschwisterliche Leben ist verwirklichte gegenwärtige Prophetie im Kontext einer Gesellschaft, die ohne sich dessen manchmal bewußt zu sein, eine tiefe Sehnsucht nach einer Geschwisterlichkeit ohne Grenzen hat. Die Treue zum eigenen Charisma ermöglicht es den Personen des geweihten Lebens, an jedem Ort mit der Unerschrockenheit des Propheten, der sich nicht scheut, auch sein Leben zu riskieren, ein wahrhaftiges Zeugnis darzubringen. Eine innere Überzeugungskraft erwächst der Prophetie aus der Übereinstimmung zwischen Verkündigung und Leben. Die Personen des geweihten Lebens werden ihrer Sendung in Kirche und Welt treu sein, wenn sie imstande sein werden, sich selbst ständig im Licht des Gotteswortes zu prüfen. <248> Auf diese Weise können sie die anderen Gläubigen mit den empfangenen charismatischen Gaben bereichern, indem sie sich ihrerseits durch die von den anderen Gliedern der Kirche kommenden prophetischen Herausforderungen ansprechen lassen. In diesem Austausch der Gaben, der durch die völlige Übereinstimmung mit dem Lehramt und der Ordnung der Kirche sichergestellt ist, wird das Wirken des Hl. Geistes aufleuchten, der sie „in Gemeinschaft und Dienstleistung eint, sie durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben bereitet und lenkt“. <249> <248> Vgl. Propositiones 15, A und 39, C. <249> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 4; vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, Nr. 2. Eine Treue bis zum Martyrium 86. In unserem Jahrhundert wie in anderen Epochen der Geschichte haben Männer und Frauen des geweihten Lebens durch die Hingabe ihres Lebens Zeugnis von Christus, dem Herrn, gegeben. Tausende, die durch die Verfolgung seitens totalitärer Regime oder gewalttätiger Gruppen zum Leben im Untergrund gezwungen und in ihrer Missionstätigkeit, im Einsatz zugunsten der Armen, in der Sorge und Hilfe für die Kranken und die Menschen am Rande der Gesellschaft behindert waren, haben in langem und heroischem Leiden und oft durch Vergießen des Blutes 618 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihre Weihe an Gott gelebt - und leben sie noch immer - und sind so ganz dem gekreuzigten Herrn gleichförmig geworden. Einigen von ihnen hat die Kirche bereits offiziell die Heiligkeit zuerkannt und ehrt sie damit als Märtyrer Christi. Sie erleuchten uns durch ihr Beispiel, sie leisten Fürbitte für unsere Treue, sie erwarten uns in der Herrlichkeit. Es besteht der lebhafte Wunsch, daß das Andenken so vieler Glaubenszeugen als Anregung zur Verehrung und Nachahmung im Bewußtsein der Kirche erhalten bleibe. Die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens mögen hierzu beitragen, indem sie die Namen und Zeugnisse aller Personen des geweihten Lebens zusammenstellen, die in das Martyrologium des zwanzigsten Jahrhunderts auf genommen werden können. <250> <250> Vgl. Propositio 53; Johannes Paul II., Apost. Schreiben Tenio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 37: AAS 87(1995)29-30. Die großen Herausforderungen des geweihten Lebens 87. Die prophetische Aufgabe des geweihten Lebens wird von drei hauptsächlichen Herausforderungen gestellt, die an die Kirche selbst gerichtet sind: es sind die schon immer dagewesenen Herausforderungen, die von der modernen Gesellschaft, zumindest in manchen Teilen der Welt, in neuer und vielleicht radikalerer Form gestellt werden. Sie berühren direkt die evangelischen Räte von Armut, Keuschheit, Gehorsam und spornen die Kirche und insbesondere die Personen des geweihten Lebens an, deren tiefe anthropologische Bedeutung zu erhellen und zu bezeugen. Weit davon entfernt, eine Verarmung echter menschlicher Werte zu begründen, erscheint die Wahl dieser Räte in der Tat vielmehr als ihre Verklärung. Die evangelischen Räte dürfen nicht als Leugnung der Werte angesehen werden, die der Sexualität, dem rechtmäßigen Wunsch nach materiellem Besitz und nach autonomer Selbstentscheidung innewohnen. Diese Neigungen sind, sofern sie in der Natur begründet sind, in sich gut. Der durch die Erbsünde geschwächte Mensch ist jedoch der Gefahr ausgesetzt, diese in einer die Norm übertretenden Weise in die Tat umzusetzen. Das Bekenntnis zu Keuschheit, Armut und Gehorsam wird zur Mahnung, die durch die Erbsünde verursachten Verletzungen nicht unterzubewerten, und es relativiert die geschaffenen Güter, auch wenn es ihren Wert bejaht, weil es Gott als absolutes Gut zeigt. So sollen diejenigen, die den evangelischen Räten folgen, während sie nach der Heiligkeit für sich selbst streben, sozusagen eine „geistliche Therapie“ für die Menschheit vorschreiben, da sie die Vergötterung der Schöpfung ablehnen und in irgendeiner Weise den lebendigen Gott sichtbar machen. Das geweihte Leben ist insbesondere in schwierigen Zeiten ein Segen für das menschliche und auch für das kirchliche Leben. 619 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Herausforderung der geweihten Keuschheit 88. Die erste Herausforderung ist die einer hedonistischen Kultur, die die Sexualität jeder objektiven moralischen Norm entbindet, indem sie diese häufig auf das Niveau von Spiel und Konsum herabsetzt und in Komplizenschaft mit den sozialen Kommunikationsmitteln einer Art Vergötterung des Triebes frönt. Die Folgen davon sind für alle sichtbar: Pflichtverletzungen verschiedenster Art, mit denen unzählige psychische und moralische Leiden für die einzelnen und für die Familien einhergehen. Die Antwort des geweihten Lebens besteht vor allem in der freudigen Übung der vollkommenen Keuschheit als Zeugnis für die Macht der Liebe Gottes in der Schwachheit des menschlichen Zustandes. Die Person des geweihten Lebens beweist: was von den meisten für unmöglich gehalten wurde, wird durch die Gnade des Flerm Jesus möglich und wirklich befreiend. Ja, in Christus ist es möglich, Gott mit ganzem Herzen zu lieben, indem man ihn über jede andere Liebe stellt, und so mit der Freiheit Gottes jeden Menschen zu lieben! Dies ist ein Zeugnis, das heute nötiger denn je ist, gerade weil es von unserer Welt so wenig verstanden wird. Es ist ein Angebot an jeden Menschen - an die Jugendlichen, an die Verlobten, an die Eheleute, an die christlichen Familien -, um zu beweisen, daß die Kraft der Liebe Gottes gerade in den Wechselfällen der menschlichen Liebe Großes zu bewirken vermag. Es ist ein Zeugnis, das auch einem wachsenden Bedürfnis nach innerer Klarheit in den menschlichen Beziehungen entgegenkommt. Das geweihte Leben muß der Welt von heute Beispiele einer Keuschheit vor Augen führen, die von Männern und Frauen gelebt wird, die Ausgeglichenheit, Selbstbeherrschung, Unternehmungslust, psychische und affektive Reife beweisen. <251> Kraft dieses Zeugnisses wird der menschlichen Liebe ein fester Bezugspunkt geboten, den die Person des geweihten Lebens aus der Betrachtung der uns in Christus offenbarten dreifältigen Liebe erfährt. Da sie sich in dieses Geheimnis vertieft, fühlt sie sich zu einer radikalen und universalen Liebe fähig, die ihr die Kraft zur notwendigen Selbstbeherrschung und Disziplin gibt, um nicht der Knechtschaft der Sinne und der Triebe zu verfallen. Die geweihte Keuschheit erscheint somit als Erfahrung von Freude und Freiheit. Erleuchtet vom Glauben an den auferstandenen Herrn und von der Erwartung des neuen Himmels und der neuen Erde (vgl. Offb 21,1), bietet sie auch für die Erziehung zur gebotenen Keuschheit in anderen Lebensformen wertvolle Anregungen. <251> Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Peifectae caritatis, Nr. 12. Die Herausforderung der Armut 89. Eine andere Herausforderung ist heute die eines habgierigen Materialismus, der gegenüber den Bedürfnissen und Leiden der Schwächsten gleichgültig ist und sich nicht um das Gleichgewicht der natürlichen Hilfsquellen kümmert. Die Antwort des geweihten Lebens besteht im Bekenntnis zur evangelischen Armut, die in 620 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verschiedenen Formen gelebt wird und oft von einem aktiven Einsatz bei der Förderung von Solidarität und Nächstenliebe begleitet wird. Wie viele Institute widmen sich der Erziehung, dem Unterricht und der Berufsausbildung und versetzen dadurch junge und nicht mehr ganz junge Leute in die Lage, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen! Wie viele Personen des geweihten Lebens opfern sich für die Letzten und Geringsten dieser Erde, ohne ihre Kräfte zu schonen! Wie viele von ihnen sind in der Ausbildung künftiger Erzieher und Verantwortlicher im sozialen Leben in der Weise tätig, daß sie sich verpflichten, unterdrückende Strukturen zu beseitigen und Projekte der Solidarität zum Vorteil der Armen zu fördern! Sie kämpfen, um den Hunger und dessen Ursachen zu beseitigen, beleben das Wirken von freiwilligen Helfern und die humanitären Organisationen, sensibilisieren öffentliche und private Einrichtungen für die Förderung einer gerechten Verteilung der internationalen Hilfeleistungen. In der Tat haben die Nationen diesen untemehmungsfreudigen, im Namen der Nächstenliebe tätigen Männern und Frauen viel zu verdanken, die mit ihrer unermüdlichen Selbstlosigkeit einen spürbaren Beitrag zur Humanisierung der Welt geleistet haben und leisten. Die evangelische Armut im Dienst an den Armen 90. In Wirklichkeit ist die evangelische Armut, noch ehe sie ein Dienst an den Armen ist, ein Wert an sich, ruft doch die erste Seligpreisung zur Nachahmung des armen Christus auf. <252> Ihr erster Sinn besteht in der Tat darin, Gott als eigentlichen Reichtum des menschlichen Herzens zu bezeugen. Eben darum kämpft sie vehement gegen die Vergötterung des Mammons, indem sie als prophetischer Appell gegenüber einer Gesellschaft aqftritt, die in so vielen Teilen der Welt des Wohlstands Gefahr läuft, den Sinn für das Maß und die eigentliche Bedeutung der Dinge zu verlieren. Deshalb findet ihr Ruf heute mehr als zu anderen Zeiten auch bei denjenigen Beachtung, die im Wissen um die Beschränktheit der Hilfsquellen des Planeten die Achtung und Bewahrung der Schöpfung durch Einschränkung des Konsums, durch Mäßigung und Auferlegung einer gehörigen Zügelung der eigenen Wünsche beschwören. <252> Vgl. Propositio 18, A. Von den Personen des geweihten Lebens wird also ein erneuertes und kraftvolles evangelisches Zeugnis der Entsagung und der Mäßigung in einem von den Kriterien der Einfachheit und Gastfreundschaft inspirierten brüderlichen Lebensstil verlangt, auch als Beispiel für alle, die den Bedürfnissen des Nächsten gegenüber gleichgültig sind. Dieses Zeugnis wird natürlich mit der bevorzugten Liebe für die Armen einhergehen und in besonderer Weise dort in Erscheinung treten, wo die Lebensverhältnisse der Allerärmsten geteilt werden. Nicht wenige Gemeinschaften 621 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN leben und arbeiten unter den Armen und den Ausgegrenzten der Gesellschaft, nehmen sich ihrer Situation an und teilen ihre Leiden, Probleme und Gefahren. Großartige Seiten der Geschichte evangeliumsgemäßer Solidarität und heroischer Hingabe sind in diesen Jahren tiefgreifender Veränderungen und großer Ungerechtigkeiten, Hoffnungen und Enttäuschungen, bedeutender Errungenschaften und bitterer Niederlagen von den Personen des geweihten Lebens geschrieben worden. Und nicht minder bedeutsame Seiten wurden und werden noch immer von zahllosen anderen Personen des geweihten Lebens geschrieben, die ihr „mit Christus in Gott verborgenes“ Leben (Kol 3,3) ganz für das Heil der Welt leben, zum Zeichen der Unentgeltlichkeit, der Hingabe des eigenen Lebens in wenig anerkannte und noch weniger mit Beifall bedachte Anliegen. Durch diese verschiedenen und einander ergänzenden Formen hat das geweihte Leben teil an der vom Herrn angenommenen äußersten Armut und lebt seine besondere Rolle im Heilsgeheimnis seiner Menschwerdung und seines Erlösertodes. <253> <253> Vgl. U. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 13. Die Herausforderung der Freiheit im Gehorsam 91. Die dritte Herausforderung kommt von jenen Auffassungen von Freiheit, die dieses fundamentale menschliche Vorrecht von seiner grundlegenden Beziehung zur Wahrheit und zur moralischen Norm loslösen. <254> In Wirklichkeit ist die Kultur der Freiheit ein echter Wert, zuinnerst verbunden mit der Achtung vor der menschlichen Person. Wer aber sieht nicht, zu welchen abnormen Folgen von Ungerechtigkeit und sogar von Gewalt im Leben der einzelnen und der Völker der verfälschte Gebrauch der Freiheit führt? <254> Vgl. Johannes Paul n., Enzyklika Veritatis splendor (6. August 1993), Nm. 31-35: AAS 85(1993)1158-1162. Eine wirkungsvolle Antwort auf diese Situation ist der Gehorsam, der für das geweihte Leben charakteristisch ist. Er stellt uns auf besonders lebendige Weise wieder den Gehorsam Christi gegenüber dem Vater vor Augen und bezeugt, eben von seinem Geheimnis ausgehend, daß kein Widerspruch zwischen Gehorsam und Freiheit besteht. Tatsächlich enthüllt das Verhalten des Sohnes das Geheimnis der menschlichen Freiheit als Weg des Gehorsams gegenüber dem Willen des Vaters und das Geheimnis des Gehorsams als Weg fortschreitender Eroberung der wahren Freiheit. Und genau diesem Geheimnis will die Person des geweihten Lebens durch dieses bestimmte Gelübde Ausdruck verleihen. Sie will dadurch bezeugen, daß sie sich einer Kindschaftsbeziehung bewußt ist, kraft derer sie den väterlichen Willen als tägliche Speise (vgl. Joh 4,34), als ihren Felsen, ihre Freude, ihren Schild und Schutzwall (vgl. Ps 18[17],3) anzunehmen sucht. So beweist sie, daß sie in der vollen Wahrheit über sich selbst wächst, während sie mit der Quelle ihres Seins verbunden bleibt und darum die tröstliche Botschaft anbietet: „Alle, die deine Weisung lieben, empfangen Heil in Fülle; es trifft sie kein Unheil“ (Ps 119[118],165). 622 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Miteinander den Willen des Vaters erfüllen 92. Besondere Bedeutung gewinnt dieses Zeugnis der geweihten Personen im Ordensleben auch für die Dimension der Gemeinschaft, die zu seinen Wesensmerkmalen gehört. Das geschwisterliche Leben ist der bevorzugte Ort, um den Willen Gottes zu erkennen und anzunehmen und eines Sinnes und Herzens gemeinsam voranzugehen. Der von der Liebe belebte Gehorsam vereint trotz der Vielfalt der Gaben und der Achtung der individuellen Persönlichkeit der einzelnen die Mitglieder eines Instituts in demselben Zeugnis und in derselben Sendung. In der vom Geist beseelten Brüderlichkeit führt jeder mit dem anderen einen wertvollen Dialog, um den Willen des Vaters zu erkennen, und alle anerkennen in dem, der die Leitung innehat, den Ausdruck der Vaterschaft Gottes und die Ausübung der von Gott im Dienst der Unterscheidung und der Gemeinschaft empfangenen Autorität. <255> <255> Vgl. Propositio 19, A; II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 14. Das Gemeinschaftsleben ist sodann gegenüber der Kirche und der Gesellschaft in besonderer Weise das Zeichen der Verbundenheit, die aus derselben Berufung und aus dem gemeinsamen Willen, ihr zu gehorchen, jenseits aller Unterschiede von Rasse und Herkunft, Sprache und Kultur, erwächst. Gegen den Geist von Zwietracht und Spaltung leuchten Autorität und Gehorsam als ein Zeichen jener einzigartigen Vaterschaft, die von Gott stammt, der aus dem Geist geborenen Brüderlichkeit, der inneren Freiheit dessen, der auf Gott vertraut trotz der menschlichen Grenzen all derer, die ihn repräsentieren. Durch diesen Gehorsam, den manche als Lebensregel annehmen, wird die Seligkeit erfahren und zum Nutzen aller verkündet, die Jesus denen verheißen hat, „die das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Lk 11,28). Wer gehorcht, hat darüber hinaus die Gewähr, tatsächlich in Mission, in der Nachfolge des Herrn zu sein und nicht auf seinen eigenen Wünschen oder Erwartungen zu beharren. So kann er sich vom Geist des Herrn geführt und auch inmitten großer Schwierigkeiten von seiner sicheren Hand gehalten wissen (vgl. Apg 20,22 f.). Eine entschiedene Verpflichtung zum geistlichen Leben 93. Eine der auf der Synode wiederholt geäußerten Sorgen war die um ein gottgeweihtes Leben, das sich an den Quellen einer starken und tiefen Spiritualität nährt. Hier handelt es sich tatsächlich um eine vorrangige Forderung, die dem Wesen des geweihten Lebens eingeschrieben ist, denn wer sich zu den evangelischen Räten bekennt, ist wie jeder Getaufte und sogar aus noch zwingenderen Gründen dazu verpflichtet, mit allen seinen Kräften nach der Vollkommenheit der Liebe zu streben. <256> Das ist eine Verpflichtung, an die die unzähligen Beispiele <256> Vgl. Propositio 15. 623 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heiliger Ordensstifter und -Stifterinnen und vieler Personen des geweihten Lebens deutlich erinnern, die die Treue zu Christus bis hin zum Martyrium bezeugt haben. Streben nach Heiligkeit: das ist zusammengefaßt das Programm jedes geweihten Lebens, auch im Hinblick auf dessen Erneuerung an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Der Anfang dieses Programms besteht darin, daß um Christi willen alles verlassen (vgl. Mt 4,18-22; 19,21.27; Lk 5,11) und er allen Dingen vorgezogen wird, um voll an seinem Ostergeheimnis teilhaben zu können. Das hatte der hl. Paulus richtig verstanden, als er ausrief: „Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles übertrifft [...] Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung“ (Phil 3,8.10). Es ist der von den Aposteln von Anfang an vorgezeichnete Weg, wie die christliche Tradition im Orient und im Abendland in Erinnerung ruft: „Diejenigen, die derzeit Jesus nachfolgen und um seinetwillen alles verlassen, erinnern an die Apostel, die seine Einladung annahmen und auf alles andere verzichteten. Traditionsgemäß spricht man deshalb gewöhnlich vom Ordensleben als einer apostolica vivendi formal‘.° Dieselbe Tradition hat im geweihten Leben auch die Dimension des besonderen Bundes mit Gott, ja des bräutlichen Bundes mit Christus herausgestellt, dessen Meister der hl. Paulus durch sein Beispiel (vgl. 1 Kor 7,7) und durch seine unter der Anleitung des Geistes dargebotene Lehre war (vgl. 1 Kor 7,40). Wir können sagen, daß das geistliche Leben, das als Leben in Christus, als Leben nach dem Geist verstanden wird, als ein Weg wachsender Treue Gestalt annimmt, auf dem die Person des geweihten Lebens in voller Gemeinschaft der Liebe und des Dienstes der Kirche vom Geist geleitet und von ihm Christus gleichförmig gestaltet wird. Alle diese in den verschiedenen Formen des geweihten Lebens sich begründenden Elemente bringen eine eigene Spiritualität hervor, das heißt einen konkreten Plan der Beziehung zu Gott und zur Umgebung, der von besonderen geistlichen Akzenten und Entscheidungen zum Handeln gekennzeichnet ist, die bald den einen, bald den anderen Aspekt des einen Geheimnisses Christi heraussteilen und verkörpern. Wenn die Kirche eine Form des geweihten Lebens oder ein Institut anerkennt, garantiert sie, daß sich in deren geistlichem und apostolischem Charisma alle objektiven Anforderungen finden, um die persönliche und gemeinschaftliche Vollkommenheit im Sinne des Evangeliums zu erreichen. Das geistliche Leben muß also im Programm der Familien des geweihten Lebens an erster Stelle stehen, so daß jedes Institut und jede Kommunität sich als Schule einer echten evangeliumsgemäßen Spiritualität darstellen. Von dieser Vorzugsoption, die im persönlichen und gemeinschaftlichen Engagement entfaltet wird, hängen die Fruchtbarkeit des Apostolats, die Selbstlosigkeit in der Liebe für die Armen und die Anziehungskraft der Berufung auf die jungen Generationen selber ab. Gerade die spirituelle Qualität des geweihten Lebens vermag die Menschen unse- <257> <257> Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz (8. Februar 1995), Nr. 2: L’Osservatore Romano, 9. Februar 1995, S. 4. 624 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rer Zeit, die ja auch Durst nach absoluten Werten haben, aufzurütteln, und sie wird auf diese Weise zu einem faszinierenden Zeugnis. Im Hören auf das Wort Gottes 94. Das Wort Gottes ist die erste Quelle jeder christlichen Spiritualität. Es nährt eine persönliche Beziehung zum lebendigen Gott und zu seinem heilwirkenden und heiligenden Willen. Deshalb ist seit dem Entstehen der Institute des geweihten Lebens, insbesondere im Mönchtum der lectio divina höchste Achtung entgegengebracht worden. Dank dieser wird das Gotteswort ins Leben übertragen, auf das es das Licht der Weisheit wirft, die die Gabe des Geistes ist. Obwohl die ganze Heilige Schrift „nützlich zur Belehrung“ (2 Tim 3,16) und „reiner, unversieglicher Quell des geistlichen Lebens“ ist, <258> verdienen die Schriften des Neuen Testamentes, vor allem die Evangelien, die „das Herzstück aller Schriften“ <259> sind, besondere Verehrung. Es wird deshalb für die Personen des geweihten Lebens von Nutzen sein, die Texte der Evangelien und die anderen neutestamentlichen Schriften zum Thema ihrer beharrlichen Betrachtung zu machen, die die Worte und die Beispiele Christi und der Jungfrau Maria sowie die apostolica vivendi forma darstellen. Die Stifter und Stifterinnen haben sich bei der Annahme der Berufung sowie beim Erkennen des Charismas und der Sendung ihres Institutes ständig darauf bezogen. <258> n. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 21; vgl. Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. 6. <259> Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 125; vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 18. Von großem Wert ist die gemeinschaftliche Bibelbetrachtung. Wenn diese den Möglichkeiten und den Umständen des gemeinschaftlichen Lebens entsprechend geschieht, führt sie zum freudigen Teilen der aus dem Wort Gottes geschöpften Reichtümer, durch die Brüder und Schwestern gemeinsam wachsen und einander helfen, im geistlichen Leben Fortschritte zu machen. Diese Praxis muß aber auch den anderen Mitgliedern des Gottesvolkes, den Priestern und Laien, nahegebracht werden, so daß sie jeweils in Übereinstimmung mit ihrem eigenen Charisma Schulen des Gebets, Schulen für Spiritualität und zur Lesung der Heiligen Schrift fördern, in der Gott „die Menschen wie Freunde“ anredet (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15), „und mit ihnen verkehrt (vgl. Bar 3,28), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen“. <260> <260> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 2. Aus der Meditation des Wortes Gottes und besonders der Geheimnisse Christi erwachsen, so lehrt die geistliche Tradition, die Intensität der Kontemplation und der Eifer der apostolischen Tätigkeit. Sowohl im kontemplativen als auch im apostolischen Ordensleben hat es immer Männer und Frauen des Gebets gegeben, die als glaubwürdige Interpreten und Vollzieher des göttlichen Willens große Werke vollbracht haben. Aus dem häufigen Umgang mit dem Wort Gottes haben sie die 625 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN notwendige Erleuchtung für jene individuelle und gemeinschaftliche Unterscheidung geschöpft, die ihnen geholfen hat, in den Zeichen der Zeit die Wege des Herrn zu suchen. Auf diese Weise haben sie eine Art von übernatürlichem. Instinkt erworben, der es ermöglicht hat, sich nicht dem Geist der Welt anzugleichen, sondern den eigenen Verstand zu erneuern, damit sie prüfen und erkennen können, „was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ (Röm 12,2). In Gemeinschaft mit Christus 95. Wesentliche Mittel für eine wirksame Förderung der Gemeinschaft mit dem Herrn ist zweifellos die heilige Liturgie, insbesondere die Feier der Eucharistie und das Stundengebet. Vor allem die ,ftucharistie enthält das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben“. <261> Wie für das kirchliche Leben, ist die Eucharistie auch Herzstück für das geweihte Leben. Wie könnte die Person, die berufen ist, durch das Gelübde der evangelischen Räte Christus als den einzigen Sinn ihres Daseins zu wählen, nicht wünschen, mit ihm eine immer tiefere Gemeinschaft herzustellen durch die tägliche Teilnahme am Sakrament, das ihn im Opfer gegenwärtig werden läßt, wenn es das Liebesgeschenk auf Golgota aktuell macht, im Gastmahl, das das pilgernde Volk Gottes nährt und schützt. Die Eucharistie steht aufgrund ihrer Natur im Zentrum des geweihten Lebens, des persönlichen und des kommunitären. Sie ist tägliche Wegzehrung sowie Quelle der Spiritualität für den einzelnen und für das Institut. Jede Person des geweihten Lebens ist berufen, das Ostergeheimnis Christi zu leben, indem sie sich mit ihm in der Hingabe des eigenen Lebens an den Vater durch den Geist vereint. Die eifrige und lange Anbetung Christi, der in der Eucharistie anwesend ist, ermöglicht in gewisser Weise, die Erfahrung des Petrus in der Verklärung neu zu erleben: „Es ist gut, daß wir hier sind“. Und in der Feier des Geheimnisses des Leibes und Blutes des Herrn festigt sich und wächst die Einheit und die Liebe derer, die Gott ihr Leben geweiht haben. <261> n. Vat. Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, Nr. 5. Neben der Eucharistie und in enger Beziehung zu ihr wird das Stundengebet entsprechend dem Charakter jedes einzelnen Instituts gemeinschaftlich oder persönlich, in Gemeinschaft mit dem Gebet der Kirche gefeiert. Es ist Ausdruck der den Personen des geweihten Lebens eigenen Berufung zum Lobpreis und zur Fürbitte. In tiefer Beziehung zur Eucharistie steht die Verpflichtung zu ständiger Umkehr und notwendiger Läuterung, die die Personen des geweihten Lebens im Sakrament der Versöhnung entfalten. Dadurch, daß sie häufig der Barmherzigkeit Gottes begegnen, reinigen und erneuern sie ihr Herz und machen durch das demütige Bekenntnis der Sünden ihre Beziehung zu ihm transparent; die freudige Erfahrung 626 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der sakramentalen Vergebung auf dem mit den Brüdern und Schwestern gemeinsam gegangenen Weg macht das Herz fügsam und gibt dem Bemühen um wachsende Treue Auftrieb. Um auf dem Weg des Evangeliums, besonders während der Ausbildungszeit und in bestimmten Augenblicken des Lebens, Fortschritte zu machen, ist die vertrauensvolle, demütige Inanspruchnahme der geistlichen Führung sehr hilfreich; durch sie wird dem Menschen geholfen, auf die Motivationsanstöße des Geistes hochherzig einzugehen und sich entschlossen nach der Heiligkeit auszurichten. Schließlich ermahne ich alle Personen des geweihten Lebens, ihren jeweiligen Traditionen gemäß, täglich die geistliche Gemeinschaft mit der Jungfrau Maria zu erneuern, indem sie besonders durch das Beten des heiligen Rosenkranzes immer wieder mit ihr über die Geheimnisse des Sohnes nachdenken. III. Einige Schauplätze der Sendung Präsenz in der Welt der Erziehung 96. Die Kirche hat seit jeher die Erziehung als ein wesentliches Element ihrer Sendung verstanden. Ihr innerer Lehrmeister ist der Heilige Geist, der die unzugänglichsten Tiefen des Herzens jedes Menschen durchdringt und den geheimnisvollen Dynamismus der Geschichte kennt. Die ganze Kirche wird vom Geist beseelt und vollbringt durch ihn ihre erzieherische Aufgabe. Innerhalb der Kirche obliegt jedoch eine besondere Aufgabe in diesem Bereich den Personen des geweihten Lebens, die berufen sind, das radikale Zeugnis der Güter des Reiches, die jedem Menschen in Erwartung der endgültigen Begegnung mit dem Herrn der Geschichte angeboten werden, in den Erziehungshorizont einzubringen. Durch ihre besondere Weihe, durch die ihnen eigene Erfahrung der Gaben des Geistes, durch das sorgfältige Hören des Wortes und die Übung der Unterscheidung, durch das im Laufe der Zeit vom eigenen Institut gesammelte reiche Erbe an Traditionen, die die Erziehung betreffen, durch die vertiefte Erkenntnis der geistlichen Wahrheit (vgl. Eph 1,17) sind die Personen des geweihten Lebens in der Lage, eine besonders wirksame Erziehungstätigkeit zu entfalten und so einen spezifischen Beitrag zu den Initiativen der anderen Erzieher und Erzieherinnen zu leisten. Da sie mit diesem Charisma ausgestattet sind, können sie Erziehungsräume schaffen, die vom Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums durchdrungen sind und in denen die jungen Menschen Hilfe erhalten sollen, um unter der Führung des Geistes an Menschlichkeit zu wachsen. <262> Auf diese Weise wird die Erziehungsgemeinschaft Erfahrung von Gemeinschaft und zum Ort der Gnade, wo das pädagogische Vorhaben dazu beiträgt, das Göttliche und das Menschliche, das Evangelium und die Kultur, den Glauben und das Leben zu einer harmonischen Synthese zu vereinen. <262> Vgl. U. Vat. Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Nr. 8. 627 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirchengeschichte von der Antike bis in unsere Tage ist reich an bewundernswürdigen Beispielen von Personen des geweihten Lebens, die das Streben nach Heiligkeit durch das pädagogische Engagement gelebt haben und leben, wobei sie gleichzeitig die Heiligkeit als Erziehungsziel angeben. Tatsächlich haben viele von ihnen die Vollkommenheit der Liebe durch Erziehung verwirklicht. Das ist eines der wertvollsten Geschenke, die die Personen des geweihten Lebens auch heute der Jugend anzubieten haben, indem sie diese zum Objekt eines liebevollen erzieherischen Dienstes machen, wie der hl. Johannes Bosco weise bemerkte: „Die Jugendlichen sollen nicht nur geliebt werden, sondern sie sollen auch wissen, daß sie geliebt sind“. <263> <263> Scritti pedagogici e spirituali, Rom 1987, S. 294. Notwendigkeit eines erneuten Engagements im Erziehungsbereich 97. Mit feinfühliger Ehrfurcht und mit missionarischem Mut sollan Personen des geweihten Lebens deutlich machen, daß der Glaube an Jesus Christus den ganzen Erziehungsbereich erleuchtet, indem dieser die menschlichen Werte nicht beeinträchtigt, sondern sie vielmehr bestätigt und erhöht. Auf diese Weise werden sie zu Zeugen und Werkzeugen der Kraft der Menschwerdung und der Stärke des Geistes. Diese ihre Aufgabe ist eine der bedeutsamsten Ausdrucksweisen jener Mutterschaft, die die Kirche nach dem Vorbild Mariens gegenüber allen ihren Kindern ausübt. <264> <264> Vgl. Johannes Paul II., Apost. Konst. Sapientia christiana (15. April 1979), II: AAS 71(1979) 471. Deshalb hat die Synode die Personen des geweihten Lebens eindringlich aufgefordert, wo immer es nur möglich ist, den Erziehungsauftrag an Schulen jeglicher Art und jeglichen Grades, an Universitäten und Hochschulen mit neuem Engagement wahrzunehmen. <265> Indem ich mir die Weisung der Synode zu eigen mache, lade ich die Mitglieder der Institute ein, die sich der Erziehung widmen, ihrem ursprünglichen Charisma und ihren Traditionen treu zu bleiben. Sie sollen dies in dem Bewußtsein tun, daß die Liebe, die den Armen vorzugsweise zuteil wird, ihre besondere Anwendung in der Wahl geeigneter Mittel findet, um die Menschen von jener schweren Form des Elends zu befreien, das der Mangel an kultureller und religiöser Bildung darstellt. <265> Vgl. Pwposiiio 41. Angesichts der Bedeutung, die die katholischen und kirchlichen Universitäten und Fakultäten im Bereich der Erziehung und der Evangelisierung haben, müssen sich die mit deren Leitung betrauten Institute ihrer Verantwortung bewußt sein und sicherstellen, daß, während der aktive Dialog in ihnen mit dem gegenwärtigen kulturellen Umfeld gepflegt wird, der eigentliche katholische Charakter in voller Treue zum Lehramt der Kirche bewahrt werde. Außerdem sollen die Mitglieder dieser Institute und Gesellschaften je nach den Umständen bereit sein, in den staatlichen Erziehungsstrukturen Fuß zu fassen. Zu dieser Art der Beteiligung sind 628 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf Grand ihrer spezifischen Berufung in besonderer Weise die Mitglieder der Säkularinstitute gerufen. Evangelisierung der Kultur 98. Die Institute des geweihten Lebens haben stets großen Einfluß auf die Bildung und Weitergabe der Kultur gehabt. Das war im Mittelalter der Fall, als die Klöster Zugangsstätten zu den Kulturschätzen der Vergangenheit wurden und sich in ihnen eine neue humanistische und christliche Kultur herausbildete. Das ereignete sich jedesmal, wenn das Licht des Evangeliums neue Völker erreichte. Viele Personen des geweihten Lebens haben die Kultur gefördert und oft die autochthonen Kulturen erforscht und verteidigt. Die Notwendigkeit, zur Förderung der Kultur, zum Dialog zwischen Kultur und Glauben beizutragen, wird heutzutage in der Kirche besonders wahrgenommen. <266> <266> Vgl. Johannes Paul II., Apost. Konst. Sapientia christiana (15. April 1979), II: AAS 71(1979)470. Die Personen des geweihten Lebens müssen sich von dieser dringenden Notwendigkeit besonders angesprochen fühlen. Auch sie sind aufgerufen, bei der Verkündigung des Wortes Gottes Methoden zu finden, die den Bedürfnissen der verschiedenen menschlichen Gruppen und der vielfältigen Berufsbereiche angemessener sind, damit das Licht Christi in jeden menschlichen Bereich eindringe und der Sauerteig des Heils von innen her das soziale Leben umwandle, indem dieses dafür sorgt, daß sich eine von evangelischen Werten durchdrungene Kultur behaupte. <267> Auch durch diesen Einsatz wird das geweihte Leben an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends sein Entsprechen gegenüber dem Willen Gottes erneuern können, der allen Menschen entgegenkommt, die bewußt oder unbewußt tastend nach der Wahrheit und nach dem Leben suchen (vgl. Apg 17,27). <267> Vgl. Propositio 36. Doch außer dem Dienst an den anderen ist auch innerhalb des geweihten Lebens die Erneuerung der Liebe zum kulturellen Engagement nötig, die Widmung zum Studium als Mittel zur ganzheitlichen Bildung und - angesichts der Verschiedenheit der Kulturen - als außerordentlich aktueller asketischer Weg. Eine Verminderung der Pflicht zum Studium kann auch für das Apostolat schwerwiegende Folgen haben, weil dadurch Außenseiter- und Minderwertigkeitsgefühle ausgelöst oder Oberflächlichkeit und Unbesonnenheit bei den Initiativen begünstigt werden. Bei der Vielfalt der Charismen und der realen Möglichkeiten der einzelnen Institute kann sich die Pflicht zum Studium nicht auf die Anfangsausbildung oder auf das Erlangen akademischer Titel und beruflicher Fachkenntnisse beschränken. Es ist vielmehr Ausdruck des nie erfüllten Verlangens, Gott, den Abgrund des Lichts und die Quelle jeder menschlichen Wahrheit, immer tiefer kennenzulemen. Daher isoliert diese Verpflichtung die Person des geweihten Lebens nicht in einen abstrakten Intellektualismus und schließt sie nicht in das Um-sich-Kreisen eines 629 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erdrückenden Narzismus ein; hingegen spornt es zum Dialog und zur Teilnahme an, bildet die Urteilsfähigkeit, regt an zur Kontemplation und zum Gebet in der ständigen Suche nach Gott und seinem Wirken in der komplexen Realität der modernen Welt. Die Person des geweihten Lebens, die sich vom Geist umwandeln läßt, wird fähig, den engen Horizont der menschlichen Wünsche zu erweitern und gleichzeitig die tiefen Dimensionen jedes Individuums und seiner Geschichte jenseits auffälliger, aber oft nebensächlicher Aspekte zu erfassen. Zahllos sind heutzutage die von den verschiedenen Kulturen ausgehenden Herausforderungen: neue oder traditionell besetzte Bereiche des geweihten Lebens, zu denen unbedingt fruchtbare Beziehungen unterhalten werden sollen in der Haltung eines wachen kritischen Geistes, aber auch vertrauensvollen Verständnisses dem gegenüber, der sich den typischen Schwierigkeiten der intellektuellen Arbeit stellt, besonders wenn es angesichts der unbekannten Probleme unserer Zeit nötig ist, sich mit neuen Analysen und Synthesen zu befassen. <268> Eine ernsthafte und wirksame Evangelisierung der neuen Bereiche, wo die Kultur aufgebaut und weitergegeben wird, kann ohne eine aktive Zusammenarbeit mit den dort beschäftigten Laien nicht durchgeführt werden. <268> Vgl, II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 5. Präsenz in der Welt der sozialen Kommunikation 99. Wie die Personen des geweihten Lebens in der Vergangenheit imstande waren, sich mit jedem Mittel in den Dienst der Evangelisierung zu stellen und sich dabei genial mit den Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, so sind sie heute auf neue Weise gefordert, das Evangelium durch die sozialen Kommunikationsmittel zu bezeugen. Diese Medien haben durch äußerst leistungsfähige Technologien, die jeden Winkel der Erde zu erreichen vermögen, kosmische Ausstrahlungskapazität erlangt. Die Personen des geweihten Lebens sind vor allem verpflichtet, wenn sie auf Grund des Charismas ihres Instituts auf diesem Gebiet tätig sind, solide Kenntnisse des den Medien eigenen Sprachgebrauchs zu erwerben, um zum Menschen von heute wirksam von Christus zu sprechen, indem sie dessen „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ <269> darstellen, und so zum Aufbau einer Gesellschaft beizutragen, in der sich alle als Brüder und Schwestern auf dem Weg zu Gott fühlen sollen. <269> Ebd., Nr. I. Wegen der außerordentlichen Überzeugungskraft, über die diese Medien verfügen, gilt es jedoch gegenüber ihrem unvorsichtigen Gebrauch wachsam zu sein. Es ist gut, die Probleme nicht zu verhehlen, die daraus für das geweihte Leben selbst erwachsen können; vielmehr wird man ihnen mit klarem Urteilsvermögen begegnen müssen. <270> Die Antwort der Kirche ist vor allem erzieherischer Natur: sie zielt dar- <270> Vgl. Kongregation für die Institute des gottgeweihten lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens, Instruktion Das brüderliche Leben in Gemeinschaft „Congregavit nos in unum Christi amor“ (2. Februar 1994), 34: Vatikanstadt 1994, S. 42-43. 630 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf ab, eine Haltung des richtigen Verstehens der zugrundeliegenden dynamischen Kräfte und eine sorgfältige ethische Bewertung der Programmgestaltung ebenso zu fördern wie die Annahme gesunder Gewohnheiten bei ihrem Gebrauch. <271> Bei dieser Erziehungsaufgabe, die der Ausbildung weiser Medienempfänger und -experten gilt, sind die Personen des geweihten Lebens gefordert, ihr besonderes Zeugnis über die Bedingtheit sämtlicher sichtbarer Wirklichkeiten dadurch anzubieten, daß sie den Brüdern und Schwestern helfen, sie gemäß dem Plan Gottes zu bewerten, aber auch sich von der Zwangsvereinnahmung der Bühne dieser vergänglichen Welt zu befreien (vgl. 1 Kor 7,31). <271> Vgl. Johannes Paul n., Botschaft zum 28. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel (24. Januar 1994): L’Osservatore Romano, 24-25. Jan. 1994, S. 4. Jede Anstrengung auf diesem wichtigen und neuen apostolischen Gebiet muß ermutigt werden, damit das Evangelium Christi auch über diese modernen Medien vernehmbar wird. Die verschiedenen Institute sollen durch Bereitstellung von Kräften, Mitteln und Personen zur Zusammenarbeit bereit sein, um gemeinsame Pläne in den verschiedenen Bereichen der sozialen Kommunikation zu verwirklichen. Außerdem sollen die Personen des geweihten Lebens, insbesondere die Mitglieder der Säkularinstitute, je nach den pastoralen Zweckmäßigkeiten ihren Dienst zur religiösen Bildung der Verantwortlichen und der Mitarbeiter des öffentlichen oder privaten Medienwesens leisten, um einerseits die vom Mißbrauch der Medien hervorgerufenen Schäden abzuwenden und andererseits eine höhere Qualität der Sendungen mit Botschaften zu fördern, die das Moralgesetz achten und an menschlichen und christlichen Werten reich sind. IV. Engagiert im Dialog mit allen Im Dienst an der Einheit der Christen 100. Das Gebet Christi zum Vater vor seinem Leiden, daß seine Jünger eins bleiben mögen (vgl. Joh 17,21-23), setzt sich im Beten und Wirken der Kirche fort. Wie könnten sich da die Personen des geweihten Lebens nicht miteinbezogen fühlen? Die Wunde der noch immer bestehenden Trennung unter den Christgläubigen und die Dringlichkeit, für die Förderung der Einheit aller Christen zu beten und zu arbeiten, wurden auf der Synode besonders stark empfunden. Die Sensibilität der Personen des geweihten Lebens für die Ökumene ist auch durch das Bewußtsein wiederbelebt, daß sich in anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften das Mönchtum erhält und blüht, wie es in den orientalischen Kirchen der Fall ist, oder daß das Bekenntnis zu den evangelischen Räten eine Erneuerung erfährt, wie in der anglikanischen Gemeinschaft und in den aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften. Die Synode hat den tiefen Zusammenhang des geweihten Lebens mit dem Anliegen der Ökumene und die Dringlichkeit eines intensiveren Zeugnisses auf diesem 631 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebiet herausgestellt. Wenn nämlich die Seele der Ökumene das Gebet und die Umkehr <272> sind, besteht kein Zweifel, daß die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens eine besondere Verpflichtung haben, sich dieser Aufgabe zu widmen. Es ist also dringend geboten, im Leben der Personen des geweihten Lebens dem ökumenischen Gebet und dem glaubwürdigen Zeugnis des Evangeliums mehr Raum zu geben, damit die Mauern der Trennungen und der Vorurteile zwischen den Christen durch die Kraft des Heiligen Geistes niedergerissen werden können. <272> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995), Nr. 21: /L4S 87(1995) 934. Formen des ökumenischen Dialogs 101. Die gemeinsame Teilnahme an der lectio divina bei der Suche nach der Wahrheit, die Beteiligung am gemeinsamen Gebet, bei dem der Herr seine Gegenwart zusichert (vgl. Mt 18,20), der Dialog der Freundschaft und der Liebe, der spüren läßt, wie gut und schön es ist, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen (vgl. Ps 133 [132]), die herzliche Gastfreundschaft, die gegenüber den Brüdern und Schwestern der verschiedenen christlichen Konfessionen gepflegt wird, das gegenseitige Kennenlemen und der Austausch der Gaben, die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Initiativen des Dienstes und des Zeugnisses: dies alles sind ebenfalls Formen des ökumenischen Dialogs, dem gemeinsamen Vater wohlgefällige Äußerungen und Zeichen des Willens, gemeinsam auf dem Weg der Wahrheit und der Liebe auf die vollkommene Einheit hin zu gehen. <273> Auch das Kennenlemen der Geschichte, der Lehre, der Liturgie sowie der karitativen und apostolischen Tätigkeit der anderen Christen wird einem erfolgreicheren ökumenischen Wirken von Nutzen sein. <274> <273> Vgl. ebd., Nr. 28: a.a.O., 938-939. <274> Vgl. Propositio 45. Ich möchte jene Institute ermutigen, die auf Grand ihres ursprünglichen Charakters oder durch darauffolgende Berufung sich der Förderung der Einheit der Christen widmen und dafür Initiativen für Studien und für konkrete Tätigkeiten durchführen. Tatsächlich darf sich kein Institut des geweihten Lebens von der Arbeit für dieses Anliegen entbunden fühlen. Meine Gedanken gehen darüber hinaus zu den katholischen orientalischen Kirchen mit dem Wunsch, daß sie auch über das männliche und weibliche Mönchswesen, dessen Blüte Gnade ist, die ständig erfleht werden muß, zur Einheit mit den orthodoxen Kirchen beitragen mögen durch den Dialog der Liebe und des Teilhabens an der gemeinsamen Spiritualität, dem Erbe der ungeteilten Kirche des ersten lahrtausends. In besonderer Weise vertraue ich die geistliche Ökumene des Gebets, der Umkehr des Herzens und der Liebe den Klöstern des beschaulichen Lebens an. Zu diesem Zweck ermutige ich sie, dort präsent zu sein, wo christliche Gemeinschaften verschiedener Konfessionen leben, damit ihre Ganzhingabe an das „einzig Notwendige“ (vgl. Lk 10,42), an die Verehrung Gottes und an die Fürbitte um das Heil der 632 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt, zusammen mit ihrem Zeugnis des Lebens nach dem Evangelium entsprechend ihren Charismen, für alle ein Ansporn sei, nach dem Abbild der Dreifaltigkeit in jener Einheit zu leben, die Jesus gewollt und für alle seine Jünger vom Vater erfleht hat. Der interreligiöse Dialog 102. Da „der interreligiöse Dialog Teil der Sendung der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums ist“, <275> können sich die Institute des geweihten Lebens nicht der Verpflichtung entziehen, sich auch auf diesem Gebiet zu engagieren, ein jedes gemäß seinem Charisma und nach den Weisungen der kirchlichen Autorität. Die erste Form der Evangelisierung im Hinblick auf die Brüder und Schwestern einer anderen Religion wird das Zeugnis eines armen, demütigen und keuschen Lebens sein, das von geschwisterlicher Liebe zu allen durchdrungen ist. Zugleich wird die Freiheit des Geistes, die dem geweihten Leben eigen ist, jenen „Dialog des Lebens“ <276> begünstigen, in dem sich ein Grundmodell der Mission und der Verkündigung des Evangeliums Christi verwirklicht. Um das gegenseitige Kennenlemen, die Achtung voreinander und die Liebe zu fördern, werden die Ordensinstitute außerdem mit den monastischen Kreisen anderer Religionen zweckmäßige Dialogformen pflegen können, die von herzlicher Freundschaft und gegenseitiger Aufrichtigkeit durchdrungen sind. <275> Johannes Paul U., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), Nr. 55: AAS 83(1991)302. <276> Papst. Rat für den interreligiösen Dialog und Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Instruktion Dialog und Verkündigung. Überlegungen und Orientierungen (19. Mai 1991), Nr. 42, a: AAS 84(1992)428. Einen weiteren Bereich der Zusammenarbeit mit Männern und Frauen unterschiedlicher religiöser Tradition stellt die gemeinsame Sorge um das menschliche Leben dar, die vom Mitleid wegen physischen und geistigen Leides bis zum Einsatz für die Gerechtigkeit, den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung reicht. Auf diesen Gebieten werden vor allem die Institute des tätigen Lebens die Verständigung mit den Mitgliedern anderer Religionen in jenem „Dialog der Werke“ <277> suchen, der den Weg zu einem intensiveren Miteinander vorbereitet. <277> Ebd., Nr. 42, b: a.a.O. Ein eigenes Gebiet reger Begegnung mit Personen anderer religiöser Traditionen ist jenes der Ermittlung und Förderung der Würde der Frau. Aus der Sicht der Gleichheit und richtigen Gegenseitigkeit zwischen Mann und Frau kann vor allem von den Frauen des geweihten Lebens ein wertvoller Dienst geleistet werden. <278> Diese und andere Aufgaben der Personen des geweihten Lebens im Dienst des interreligiösen Dialogs erfordern eine angemessene Vorbereitung bei der Anfangsausbildung und bei der ständigen Weiterbildung sowie im Studium und in der Forschung, <279> da in diesem nicht einfachen Bereich eine gründliche Kenntnis <278> Vgl. Propositio 46. <279> Vgl. Päpstl. Rat für den interreligiösen Dialog und Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Instruktion Dialog und Verkündigung. Überlegungen und Orientierungen (19. Mai 1991), Nr. 42, c: AAS 84(1992)428. 633 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Christentums und der anderen Religionen erforderlich ist, die von einem gefestigten Glauben sowie von geistlicher und menschlicher Reife begleitet ist. Eine Antwort der Spiritualität auf die Suche nach dem Heiligen und auf die Sehnsucht nach Gott 103. Alle Männer und Frauen, die sich dem geweihten Leben widmen, sind auf Grund des Wesens ihrer Entscheidung gleichsam bevorzugte Gesprächspartner für jene Suche nach Gott, die seit jeher das Herz des Menschen bewegt und ihn zu vielfältigen Formen der Askese und der Spiritualität hinführt. Diese Suche tritt heute in vielen Gegenden eindringlich als beherrschende Antwort auf Kulturen auf, die dazu tendieren, die religiöse Dimension des Daseins zwar nicht immer zu leugnen, doch sicherlich an den Rand zu drängen. Die Personen des geweihten Lebens, die die frei übernommenen Verpflichtungen konsequent und vollständig leben, können eine Antwort auf die Sehnsucht ihrer Zeitgenossen anbieten, wenn sie diese von zumeist trügerischen und häufig die heilbringende Menschwerdung Christi leugnenden Lösungen (vgl. 1 Joh 4,2-3), wie diese z. B. von den Sekten vorgeschlagen werden, befreien. Durch das Praktizieren einer persönlichen und gemeinschaftlichen Askese, die die ganze Existenz läutert und verklärt, bezeugen sie gegen die Versuchung des Egozentrismus und der Sinnlichkeit die Wesensmerkmale der authentischen Gottsuche und warnen davor, sie mit der subtilen Suche ihrer selbst oder mit der Flucht in die Gnosis zu verwechseln. Jeder, der sein Leben Gott geweiht hat, ist verpflichtet, den inneren Menschen zu bilden, der sich weder von der Geschichte femhält noch sich auf sich selbst zurückzieht. Wenn er in gehorsamem Hören des Wortes lebt, dessen Hüter und Dolmetscher die Kirche ist, weist er im besonders geliebten Christus und im trinitarischen Geheimnis hin auf das Objekt der tiefen Sehnsucht des menschlichen Herzens und auf das Ziel jedes für die Transzendenz aufrichtig offenen religiösen Weges. Darum haben die Personen des geweihten Lebens die Pflicht, all jenen großzügig Aufnahme und geistliche Begleitung anzubieten, die sich vom Durst nach Gott bewegt und mit dem Wunsch, die Anforderungen des Glaubens zu leben, an sie wenden. <280> <280> Vgl. Propositio 47. Schluß Das Übermaß an Unentgeltlichkeit 104. Nicht wenige fragen sich heutzutage ratlos: Wozu soll das geweihte Leben gut sein? Warum lassen sich Menschen auf diese Lebensform ein, wo es doch im Bereich der Nächstenliebe und selbst der Evangelisierung so viele dringende Notwendigkeiten gibt, auf die man auch antworten kann, ohne die besonderen Ver- 634 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN pflichtungen des geweihten Lebens zu übernehmen? Ist das geweihte Leben nicht vielleicht so etwas wie eine „Verschwendung“ menschlicher Kräfte, die, würde man einem Wirksamkeitskriterium folgen, für ein größeres Gut zum Vorteil der Menschheit und der Kirche nutzbar wären? Fragen dieser Art sind in unserer Zeit häufiger anzutreffen, weil sie von einer utilitaristischen und technokratischen Kultur angeregt werden, die dazu neigt, die Bedeutung der Dinge und selbst der Personen in bezug auf ihre unmittelbare „Zweckdienlichkeit“ zu werten. Doch solche Fragen hat es immer gegeben, wie die Episode der Salbung in Betanien aus dem Evangelium anschaulich beweist: „Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt“ (.Joh 12,3). Als Judas unter dem Vorwand der Not der Armen diese Verschwendung beklagte, antwortete ihm Jesus: „Laß sie gewähren!“ (Joh 12,7). Das ist die noch immer gültige Antwort auf die Frage, die sich, und sei es auch in gutem Glauben, so viele in bezug auf die Aktualität des geweihten Lebens stellen: Könnte man nicht sein Leben wirksamer und rationeller für die Verbesserung der Gesellschaft einsetzen? Darauf lautet die Antwort Jesu: „Laß sie gewähren“. Wem das unschätzbare Geschenk gewährt wird, dem Herrn Jesus mehr aus der Nähe zu folgen, dem erscheint es klar, daß er mit ungeteiltem Herzen geliebt werden kann und muß, daß man ihm das ganze Leben und nicht nur einige Gesten, einige Momente oder einige Aktivitäten widmen kann. Das kostbare Salböl, das als reiner Akt von Liebe und daher fern jeder „utilitaristischen“ Überlegung vergossen wurde, ist Zeichen von Übermaß an Unentgeltlichkeit, wie es in einem Leben zum Ausdruck kommt, das hingegeben wird, um den Herrn zu lieben und ihm zu dienen, um sich seiner Person und seinem mystischen Leib zu widmen. Aber von diesem „verschwendeten“ Leben verbreitet sich ein Duft, der das ganze Haus erfüllt. Das Haus Gottes, die Kirche, ist durch das Vorhandensein des geweihten Lebens heute nicht weniger geschmückt und bereichert als gestern. Was in den Augen der Menschen als Verschwendung erscheinen mag, ist für den in seinem innersten Herzen von der Schönheit und der Güte des Herrn angezogenen Menschen eine klare Antwort der Liebe und eine überschwengliche Dankbarkeit dafür, auf ganz besondere Weise zum Kennenlemen des Sohnes und zur Teilhabe an seiner göttlichen Sendung in der Welt zugelassen worden zu sein. „Wenn ein Kind Gottes die göttliche Liebe kennenlemte und kostete, den ungeschaffenen Gott, den menschgewordenen Gott, den Gott, der Leiden und Tod erlitten hat, Gott, der das höchste Gut ist, würde er sich ihm ganz hingeben, sich nicht nur den anderen Geschöpfen, sondern sogar sich selbst entziehen und würde mit seinem ganzen Selbst diesen Gott der Liebe lieben, bis er sich ganz zu dem Gott-Menschen wandelt, der der Höchstgeliebte ist“. <281> <281> Sei. Angela da Foligno, II libro della Beata Angela da Foligno, Grottaferrata 1985, S. 683. 635 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das geweihte Leben im Dienst des Gottesreiches 105. „Was würde aus der Welt, wenn es die Ordensleute nicht gäbe?“ <282> Jenseits der oberflächlichen Zweckeinschätzungen ist das geweihte Leben gerade in seinem Übermaß an Unentgeltlichkeit und Liebe von Bedeutung, und das um so mehr in einer Welt, die Gefahr läuft, im Strudel des Vergänglichen zu ersticken. „Ohne dieses konkrete Zeichen würde die Liebe, die die ganze Kirche beseelt, Gefahr laufen zu erkalten, das Paradoxon heilwirkender Kraft des Evangeliums sich abschwächen, das ,Salz‘ des Glaubens in einer Welt zunehmender Säkularisierung schal werden“. <283> Das Leben der Kirche und der Gesellschaft hat Menschen nötig, die fähig sind, sich ganz Gott und aus Liebe zu Gott den anderen zu widmen. <282> HL Theresia von Jesus, Libro de la Vida, c. 32, 11. <283> Paul VI., Apost. Schreiben Evangelica testificatio (29. Juni 1971), Nr. 3: AAS 63(1971)498. Die Kirche kann absolut nicht auf das geweihte Leben verzichten, weil es auf anschauliche Weise ihr inneres „bräutliches“ Wesen zum Ausdruck bringt. In ihm findet die Verkündigung des Evangeliums auf der ganzen Welt neuen Schwung und neue Kraft. In der Tat, es bedarf solcher Menschen, die das väterliche Antlitz Gottes und das mütterliche Antlitz der Kirche zeigen, die das eigene Leben aufs Spiel setzen, damit andere Leben und Hoffnung haben. Die Kirche braucht Personen des geweihten Lebens, die, noch ehe sie sich dem Dienst an der einen oder anderen edlen Sache widmen, sich von der Gnade Gottes verwandeln lassen und dem Evangelium vollständig gleichförmig werden. Die ganze Kirche findet diese große Gabe in ihren Händen und widmet sich in Dankbarkeit ihrer Förderung durch Wertschätzung, Gebet und durch die ausdrückliche Aufforderung zu ihrer Annahme. Wichtig ist, daß die von der evangeliumsgemäßen Vorzüglichkeit dieser Lebensform überzeugten Bischöfe, Priester und Diakone sich bemühen, durch die Verkündigung, die Unterscheidungsgabe und eine weise geistliche Begleitung die Keime der Berufung zu entdecken und zu stützen. Alle Gläubigen werden um ständiges Gebet für die Personen des geweihten Lebens ersucht, damit deren Eifer und Fähigkeit zur Liebe unablässig zunehmen und sie damit zur Verbreitung des Wohlgeruches Christi in der heutigen Gesellschaft beitragen. Die gesamte christliche Gemeinschaft - Seelsorger, Laien und Personen des geweihten Lebens - ist für das geweihte Leben, für seine Annahme und für den den Neuberufenen angebotenen Beistand verantwortlich. <284> <284> Vgl. Propositio 48. An die Jugend 106. Euch jungen Leuten sage ich: wenn ihr den Ruf des Herrn vernehmt, weist ihn nicht zurück! Fügt euch vielmehr mutig ein in die großen Richtungswege der Heiligkeit, die herausragende heilige Männer und Frauen in der Nachfolge Christi angebahnt haben. Pflegt eure altersspezifischen Sehnsüchte, aber folgt bereitwillig dem Vorhaben, das Gott mit euch plant, wenn er euch einlädt, die Heiligkeit im 636 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geweihten Leben zu suchen. Bewundert alle Werke Gottes in der Welt, aber wisset den Blick auf die Wirklichkeiten zu richten, die zur Unvergänglichkeit bestimmt sind. Das dritte Jahrtausend erwartet den Beitrag des Glaubens und der Phantasie von Scharen junger Menschen des geweihten Lebens, auf daß die Welt heiterer und fähiger werde, Gott und in ihm alle seine Söhne und Töchter anzunehmen. An die Familien 107. Ich wende mich an euch, christliche Familien. Ihr Eltern, dankt dem Herrn, wenn er eines eurer Kinder zum geweihten Leben berufen hat. Es muß - wie es immer gewesen ist - als eine große Ehre angesehen werden, wenn der Herr auf eine Familiie blickt und eines ihrer Glieder auswählt, um es einzuladen, den Weg der evangelischen Räte einzuschlagen! Hegt den Wunsch, eines eurer Kinder dem Herrn zu schenken, damit die Liebe Gottes in der Welt wachsen möge. Welche schönere Frucht der ehelichen Liebe könnte es für euch geben? Es muß daran erinnert werden: wenn die Eltern die Werte des Evangeliums nicht leben, werden der Junge und das Mädchen nur schwer in der Lage sein, den Ruf zu vernehmen, die Notwendigkeit der Opfer zu verstehen, die es auf sich zu nehmen gilt, sowie die Schönheit des Zieles zu schätzen wissen, das erreicht werden soll. Denn die Kinder machen in der Familie die ersten Erfahrungen der Werte des Evangeliums und der Liebe, die sich an Gott und an die anderen verschenkt. Sie müssen auch zum verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Freiheit erzogen werden, um bereit zu sein, ihrer Berufung gemäß höchste geistliche Wirklichkeiten zu leben. Ich bete, daß ihr, christliche Familien, durch das Gebet und das sakramentale Leben mit dem Herrn verbunden, Berufungen annehmende Heimstätten seid. An die Männer und Frauen guten Willens 108. Alle Männer und Frauen, die meine Stimme hören wollen, möchte ich einla-den, nach den Wegen zu suchen, die auch auf den vom geweihten Leben vorgezeichneten Pfaden zum lebendigen und wahren Gott führen. Die Personen des geweihten Lebens geben Zeugnis davon, daß „wer Christus, dem vollkommenen Menschen, folgt, auch selbst mehr Mensch wird“. <285> Wie viele von ihnen haben sich als barmherzige Samariter über die unzähligen Wunden der Brüder und Schwestern gebeugt - und beugen sich jetzt noch -, denen sie unterwegs begegneten. <285> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nt. 41. Schaut auf diese Menschen, die von Christus ergriffen sind, die in der von der Gnade und der Liebe Gottes getragenen Selbstbeherrschung auf das Heilmittel hinweisen, das von Habgier, Genuß- und Herrschsucht befreit. Vergeht nicht die Charismen, die wunderbare „Gottsucher“ und Wohltäter der Menschheit geformt 637 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und denjenigen, die mit aufrichtigem Herzen Gott suchen, sichere Wege geöffnet haben. Betrachtet die große Zahl von Heiligen, die in dieser Lebensform gewachsen sind, betrachtet das Gute, das der Welt gestern und heute von denen erwiesen wurde und wird, die sich Gott geweiht haben! Braucht diese unsere Welt etwa nicht frohe Zeugen und Propheten der segensreichen Macht der Liebe Gottes? Braucht sie nicht auch Männer und Frauen, die es durch ihr Leben und ihre Tätigkeit verstehen, Samen des Friedens und der Brüderlichkeit zu säen? <286> <286> Vgl. Paul VI., Apost. Schreiben Evangelica testificatio (29. Juni 1971), Nr. 53: AAS 63(1971)524; Apost. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 69: AAS 68(1976)59. An die Personen des geweihten Lebens 109. Vor allem aber richte ich an euch, Männer und Frauen des geweihten Lebens, zum Abschluß dieses Apostolischen Schreibens meinen vertrauensvollen Appell: lebt ganz eure Hingabe an Gott, um es dieser Welt an keinem Strahl der göttlichen Schönheit fehlen zu lassen, der den Weg des menschlichen Daseins erhellt. Die Christen, die tief in die Geschäftigkeit und die Sorgen dieser Welt verwickelt, aber auch zur Heiligkeit berufen sind, müssen in euch geläuterte Herzen finden, die im Glauben Gott „schauen“, Menschen, die dem Wirken des Hl. Geistes gegenüber fügsam sind, die in der Treue zum Charisma der Berufung und der Sendung zügig vorangehen. Ihr wißt gut, daß ihr einen Weg ständiger Bekehrung, ausschüeßlicher Hingabe an die Liebe Gottes und der Brüder eingeschlagen habt, um immer leuchtender von der Gnade Zeugnis zu geben, die die christliche Existenz verklärt. Die Welt und die Kirche suchen nach glaubwürdigen Zeugen Christi. Das geweihte Leben ist ein Geschenk, das Gott anbietet, damit das „einzig Notwendige“ (vgl. Lk 10,42) allen vor Augen gestellt werde. Mit dem Leben, mit den Werken und den Worten Christus zu bezeugen ist einzigartiger Auftrag des geweihten Lebens in Kirche und Welt. Ihr wißt, wem ihr Glauben geschenkt habt (vgl. 2 Tim 1,12): gebt ihm alles! Die jungen Leute sollen sich nicht irreführen lassen: wenn sie zu euch kommen, wollen sie das sehen, was sie anderswo nicht zu sehen bekommen. Ihr habt angesichts der Zukunft eine ungeheure Aufgabe: insbesondere die jungen Personen des geweihten Lebens können durch das Zeugnis ihrer Weihe ihre Altersgenossen zur Erneuerung ihres Lebens anleiten. <287> Die leidenschaftliche Liebe zu Jesus Christus stellt eine mächtige Anziehungskraft für die anderen jungen Menschen dar, die er in seiner Güte ruft, ihm aus der Nähe und für immer zu folgen. Unsere Zeitgenossen wollen an den Personen des geweihten Lebens die Freude sehen, die davon kommt, daß sie beim Herrn sind. <287> Vgl. Propositio 16. Ihr Personen des geweihten Lebens, alt und jung, lebt die Treue zu eurer Verpflichtung gegenüber Gott, in gegenseitiger Erbauung und Hilfe. Trotz der Schwierigkeiten, denen ihr bisweilen begegnen mochtet, und trotz der nachlassen- 638 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Wertschätzung für das geweihte Leben in einer gewissen öffentlichen Meinung habt ihr den Auftrag, die Männer und Frauen unserer Zeit aufs neue einzuladen, nach oben zu schauen, sich nicht von den Dingen des Alltags mitreißen, sondern sich von Gott und vom Evangelium seines Sohnes faszinieren zu lassen. Ver-geßt nicht, daß ihr in ganz besonderer Weise sagen könnt und müßt, daß ihr nicht nur von Christus seid, sondern daß „ihr Christus geworden seid!“ <288> <288> Hl. Augustinus, In Ioannis Evang., XXI, 8: PL 35, 1568. In die Zukunft blicken 110. Ihr sollt euch nicht nur einer glanzvollen Geschichte erinnern und darüber erzählen, sondern ihr habt eine große Geschichte aufzubauen! Blickt in die Zukunft, in die der Geist euch versetzt, um durch euch noch große Dinge zu vollbringen. Macht euer Leben zu einer leidenschaftlichen Christuserwartung, indem ihr ihm entgegengeht wie die klugen Jungfrauen dem Bräutigam entgegengehen. Seid immer bereit, treu zu Christus, zur Kirche, zu eurem Institut und gegenüber dem Menschen unserer Zeit. <289> So werdet ihr Tag für Tag von Christus erneuert werden, um mit seinem Geist brüderliche Gemeinschaften aufzubauen, mit ihm den Armen die Füße zu waschen und euren unersetzlichen Beitrag zur Verklärung der Welt zu leisten. <289> Ygl. Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute, Das Ordensleben und die Förderung des Menschen (12. August 1980), Nm. 13-21: Ench. Vat. 7, 445-453. Diese unsere, den Händen des Menschen anvertraute Welt, die im Begriff ist, in das neue Jahrtausend einzutreten, soll immer menschlicher und gerechter sein können, Zeichen und Vorwegnahme der künftigen Welt, in der er, der erniedrigte und verherrlichte, der arme und gepriesene Herr, mit dem Vater und dem Heiligen Geist für uns und für unsere Brüder und Schwestern die vollkommene und bleibende Freude sein wird. Gebet an die Heiligste Dreifaltigkeit 111. Selige und seligmachende Heiligste Dreifaltigkeit, mache deine Söhne und Töchter selig, die du berufen hast, die Größe deiner Liebe, deiner barmherzigen Güte und deiner Schönheit zu bekennen. Heiliger Vater, heilige die Söhne und Töchter, die sich um der Ehre deines Namens willen dir geweiht haben. Begleite sie mit deiner Macht, damit sie bezeugen können, daß du der Ursprung von allem bist, die einzige Quelle der Liebe und der Freiheit. Wir danken dir für das Geschenk des geweihten Lebens, das im Glauben dich sucht und in seiner universalen Sendung alle einlädt, den Weg zu dir zu gehen. Erlöser Jesus Christus, menschgewordenes Wort, wie du deine Lebensform jenen anvertraut hast, die du gerufen hast, so ziehe weiterhin Menschen zu dir, die für 639 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Menschheit unserer Zeit Hüter der Barmherzigkeit, Vorboten deiner Wiederkunft, lebendiges Zeichen der Güter der künftigen Auferstehung sein sollen. Keine Bedrängnis trenne sie von dir und von deiner Liebe! Heiliger Geist, in die Herzen ausgegossene Liebe, die du Geist und Sinn, Gnade und Inspiration schenkst, ewige Lebensquelle, die du durch die zahlreichen Charismen die Sendung Christi vollendest, wir bitten dich für alle Personen des geweihten Lebens. Erfülle ihr Herz mit der innigen Gewißheit, dazu auserwählt worden zu sein, um zu lieben, zu loben und zu dienen. Laß sie deine Freundschaft kosten, erfülle sie mit deiner Freude und mit deinem Trost, hilf ihnen, Momente der Schwierigkeit zu überwinden und nach dem Fall in Vertrauen wieder aufzustehen, mache sie zum Spiegel der göttlichen Schönheit. Gib ihnen den Mut, sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen, und die Gnade, den Menschen die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Retters Jesus Christus zu bringen (vgl. Tit 3,4). Anrufung der Jungfrau Maria 112. Maria, Sinnbild der Kirche, Braut ohne Falte und Makel, die, indem sie dich nachahmt, „jungfräulich einen unversehrten Glauben, eine feste Hoffnung und eine aufrichtige Liebe bewahrt“, <290> stehe den Personen des geweihten Lebens in ihrem Streben nach der ewigen und einzigen Seligkeit bei. <290> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 64. Dir, Jungfrau der Heimsuchung, vertrauen wir sie an, damit sie auf die Nöte der Menschen einzugehen verstehen, um ihnen Hilfe, vor allem aber Jesus zu bringen. Lehre sie die Wunder zu verkündigen, die der Herr in der Welt vollbringt, damit alle Völker seinen Namen rühmen. Stehe ihnen bei in ihrer Arbeit für die Armen, die Hungernden, die Hoffnungslosen, die Geringsten und für alle, die mit aufrichtigem Herzen deinen Sohn suchen. An dich, Mutter, die du die geistliche und apostolische Erneuerung deiner Söhne und Töchter in der Antwort der Liebe und der Ganzhingabe an Christus willst, wenden wir uns vertrauensvoll mit unserem Gebet. Du, die du bereit im Gehorsam, mutig in der Armut, empfangsbereit in der fruchtbaren Jungfräulichkeit den Willen des Vaters erfüllt hast, erwirke von deinem göttlichen Sohn, daß alle, die die Gabe empfangen haben, ihm im geweihten Leben zu folgen, von ihm mit einer verklärten Existenz Zeugnis geben können, indem sie mit allen anderen Brüdern und Schwestern voll Freude auf die himmlische Heimat und auf das nie erlöschende Licht zugehen. Wir bitten Dich darum, daß der höchste Herr aller Dinge, Vater, Sohn und Heiliger Geist, in allen und in allem verherrlicht, gepriesen und geliebt werde. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 25. März, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn, des Jahres 1996, dem 18. Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II 640 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens (Joh 6,68). Botschaft an die Jugendlichen der ganzen Welt zum XI. Weltjugendtag am 28. März 1996 vom 26. November 1995 Liebe Jugendliche! 1. „Ich sehne mich danach, Euch zu sehen; ich möchte Euch geistliche Gaben vermitteln, damit Ihr dadurch gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei Euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch Euren und meinen Glauben“ (Rom 1,11-12). Die Worte des Apostels Paulus an die Christen von Rom geben die Gefühle wieder, mit denen ich mich an Euch alle wende und den Vorbereitungsweg zum XI. Weltjugendtag eröffne. Denn mit dem gleichen Wunsch zur Begegnung komme ich in Gedanken zu Euch, in jeden Winkel der Erde, dorthin, wo Ihr dem täglichen großen Abenteuer des Lebens gegenübersteht: in Eure Familien, zu den Studien- und Arbeitsplätzen, zu den Gemeinschaften, in denen Ihr Euch versammelt, um das Wort des Herrn zu hören und ihm Euer Herz im Gebet zu öffnen. Mein Blick wendet sich besonders den Jugendlichen zu, die am eigenen Leib die vielen Tragödien zu spüren bekommen, von denen die Menschheit noch gepeinigt wird: allen, die von Krieg, Gewalt, Hunger und Elend schwer betroffen sind und das Leiden Christi fortsetzen, der durch seine Passion dem von der Leidenslast und der Ungerechtigkeit unterdrückten Menschen nahe ist. Freude und Hoffnung Der Weltjugendtag 1996 wird in gewohnter Weise in den Diözesangemeinschaften stattfinden in Erwartung des neuen Welttreffens, das uns 1997 nach Paris führen soll. 2. Wir sind nun auf dem Weg zum Großen Jubiläum des Jahres 2000. Mit dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich die ganze Kirche eingeladen, dieses Ereignis durch eine Umkehr des Herzens und des Lebens vorzubereiten. Auch Euch bitte ich jetzt, diese Vorbereitung in demselben Geist und mit denselben Vorsätzen zu beginnen. Ich schlage Euch ein Aktionsprogramm vor, gegründet auf Worten des Evangeliums und auf die Themen abgestimmt, die der ganzen Kirche für jedes Jahr angeboten werden; es soll der Leitfaden für die kommenden Welttage sein: 1997: „Meister, wo wohnst du? Kommt und seht!“ (Joh 1,38-39). 1998: „Der Heilige Geist wird euch alles lehren“ (Joh 14,26). 1999: „Der Vater hebt euch“ (Joh 16,27). 2000: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ {Joh 1,14). 641 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Besonders Euch Jugendliche rufe ich auf, der zukunftsweisenden Zeitenwende des Jahres 2000 Beachtung zu schenken und daran zu denken, daß „die Zukunft der Welt und der Kirche den jungen Generationen gehört, die, noch in diesem Jahrhundert geboren, erst im nächsten, dem ersten Jahrhundert des neuen Jahrtausends, reife Menschen sein werden ... Wenn sie dem Weg zu folgen vermögen, den Er angibt, werden sie zu ihrer Freude ihren Beitrag zu seiner Gegenwart im nächsten und in den darauffolgenden Jahrhunderten, bis zum Ende der Zeiten, leisten können“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 58). Auf dem Weg zum nahenden Großen Jubiläum begleite Euch die Konzilskonstitution Gaudium et spes, die ich Euch allen, wie bereits euren europäischen Altersgenossen im vergangenen September in Loreto, nahelegen möchte: Es ist „ein wertvolles und immer aktuelles Dokument. Lest es aufmerksam! Ihr werdet Klarheit finden über eure Berufung als Männer und Frauen, die ihr in dieser wunderbaren und zugleich dramatischen Zeit berufen seid, zu leben und ein Netz der Brüderlichkeit zu knüpfen und Frieden zu bauen“ (Angelus, 10. September 1995). 4. „Herr, zu wem sollen wir gehen?“ Ziel und Endpunkt unseres Lebens ist Christus, er, der uns erwartet - jeden einzelnen und alle gemeinsam -, um uns über die Grenzen der Zeit zur ewigen Begegnung mit Gott zu führen, der uns liebt. Wenn die Ewigkeit für uns als nach Wahrheit hungernde und nach Glück dürstende Menschen unser Horizont ist, dann ist die Geschichte die Bühne unseres täglichen Einsatzes. Der Glaube lehrt uns, daß die Bestimmung des Menschen im Herzen und im Denken Gottes eingeschrieben ist, der die Geschehnisse der Geschichte lenkt. Er lehrt uns aueh, daß der Vater uns den Auftrag gibt, schon hier unten zu beginnen, das „Himmelreich“ aufzubauen, das der Sohn durch sein Kommen angekündigt hat und das seine endgültige Vollendung am Ende der Zeiten finden wird. Es ist deshalb unsere Pflicht, mit unseren Zeitgenossen in der Geschichte Seite an Seite zu leben und ihre Ängste und Hoffnungen mit ihnen zu teilen, weil der Christ ganz Mensch seiner Zeit ist und sein muß. Er flüchtet sich nicht in eine andere Dimension, in der er die dramatischen Geschehen seiner Zeit nicht beachtet und Augen und Herz vor den Ängsten des Lebens verschließt. Im Gegenteil, er ist einer, der zwar nicht „von“ dieser Welt, aber Tag für Tag „in“ dieser Welt zugegen ist, bereit, dem Bruder beizustehen, eine Träne zu trocknen und eine Bitte um Hilfe zu erfüllen. Danach werden wir gerichtet werden! 5. In Erinnerung an die Mahnung des Meisters: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ (Ml 25,35-36), müssen wir das „neue Gebot“ (Joh 13,34) in die Tat umsetzen. Auf diese Weise werden wir heute dem scheinbaren „Niedergang der Zivilisation“ widerstehen und zugleich mit Nach- 642 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN druck die „Zivilisation der Liebe“ bekräftigen, die als einzige den Menschen unserer Zeit Horizonte wahren Friedens und dauerhafter Gerechtigkeit in der Legalität und der Solidarität eröffnen kann. Die Nächstenliebe ist der Wegweiser, der uns auch zum Ziel des Großen Jubiläums führen soll. Um es zu erreichen, muß man sich in Frage stellen können und eine ernsthafte Gewissenserforschung halten. Sie ist die unerläßliche Voraussetzung für eine radikale Umkehr, die das Leben verändern und ihm den wahren Sinn verleihen kann, der die Gläubigen befähigt, Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele und aller Kraft und den Nächsten wie sich selbst zu lieben (vgl. Lk 10,27). Indem ihr Euer Alltagsleben mit dem Evangelium des einzigen Lehrers vergleicht, der „Worte des ewigen Lebens“ hat, könnt ihr wahre Baumeister der Gerechtigkeit werden durch die Befolgung des Gebotes, das die Liebe zur neuen „Front“ des christlichen Zeugnisses macht. Das ist das Gesetz für die Umwandlung der Welt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 38). 6. Von Euch Jugendlichen muß vor allem ein kraftvolles Zeugnis der Liebe zum Leben, dem Geschenk Gottes, ausgehen: einer Liebe, die jedes Menschenwesen vom Beginn bis zum Ende seiner Existenz umfassen und die jeden Versuch bekämpfen muß, den Menschen zum Schiedsrichter über das Leben des Bruders zu machen, mag es sich um Ungeborene, Alte, Behinderte oder Schwache handeln. Euch Jugendliche, die ihr natürlich und selbstverständlich Eure „Lust am Leben“ zum Horizont Eurer Träume und zur Farbenpalette Eurer Hoffnungen macht, bitte ich, „Propheten für das Leben“ zu werden. Seid es durch Worte und Gesten, indem Ihr der Zivilisation des Egoismus widersteht, die den Menschen oft als Werkzeug anstatt als Ziel betrachtet und ihre Würde und Gefühle dem reinen Profit opfert; tut es, indem Ihr den Notleidenden unter Euch, die ohne Eure Hilfe vielleicht verzweifeln würden, konkret beisteht. Das Leben ist ein Talent (vgl. Mt 25,14-30), das uns gegeben ist, damit wir es umwandeln und vermehren, indem wir die anderen damit beschenken. Kein Mensch ist „Treibeis“ im Ozean der Geschichte; jeder von uns gehört zu einer großen Familie, in der er einen Platz einzunehmen und eine Rolle zu spielen hat. Der Egoismus macht taub und stumm, die Liebe hingegen öffnet Augen und Herz und macht uns fähig, den einmaligen und unersetzlichen Beitrag zu leisten, der neben den tausenden Gesten so vieler oft ferner und unbekannter Brüder und Schwestern mitwirkt, das Mosaik der Nächstenhebe zu bilden, das den Lauf der Geschichte ändern kann. 7. „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Als ihn viele Jünger verließen, weil ihnen seine Rede zu hart schien, fragte Jesus die wenigen, die übriggeblieben waren: „Wollt auch ihr Weggehen?“ Petrus antwortete: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,67-68). Und sie beschlossen, bei ihm zu bleiben. Sie blieben, weil der Mei- 643 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ster „Worte des ewigen Lebens“ hatte, Worte, die, indem sie die Ewigkeit versprachen, dem Leben vollen Sinn gaben. Es gibt Augenblicke und Umstände, in denen man Entscheidungen für das ganze Leben treffen muß. Wir leben - und Ihr wißt es - in schwierigen Zeiten, wo es oft schwer fällt, Gutes und Böses, die wahren und die falschen Lehrer zu unterscheiden. Jesus hat uns ermahnt: „Gebt acht, daß man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es!, und: Die Zeit ist da. - Lauft ihnen nicht nach!“ (Lk 21,8)- Betet, und hört auf sein Wort; laßt Euch von wahren Hirten leiten; laßt Euch nicht von den Verlockungen und trügerischen Illusionen der Welt verführen, die sich dann sehr oft in schwere Enttäuschungen verwandeln. Einkehr und Umkehr Die Gültigkeit einer Entscheidung bewahrheitet sich in den schwierigen Augenblicken, in den Stunden der Prüfung. In dieser nicht leichten Zeitphase wird jeder von Euch Mut zur Entscheidung beweisen müssen. Es gibt keine Abkürzungswege zum Glück und zum Licht. Das beweisen die Schwierigkeiten all derer, die sich im Laufe der Menschheitsgeschichte auf die mühevolle Suche nach dem Lebenssinn begaben, nach den Antworten auf die Grundfragen, die in das Herz eines jeden Menschen eingeschrieben sind. Ihr wißt, daß diese Fragen nichts anderes sind als ein Ausdruck der Sehnsucht nach dem Unendlichen, der von Gott selbst in jeden von uns eingepflanzt ist. Deshalb müßt Ihr mit Pflichtbewußtsein und Opfersinn den Weg der Umkehr, des Engagements, der Suche, der Arbeit, des Freiwilligendienstes, des Dialogs und der Achtung aller beschreiten und dürft angesichts von Mißerfolgen nicht halt machen, denn Ihr wißt, daß Eure Kraft im Herrn ist, der eure Schritte liebevoll lenkt, bereit, Euch wie den verlorenen Sohn wieder aufzunehmen (vgl. Lk 15,11-24). 8. Liebe Jugendliche, ich habe Euch aufgerufen, „Propheten für das Leben und die Liebe“ zu sein. Ich bitte Euch auch, „Propheten für die Freude“ zu sein: Die Welt soll uns daran erkennen, daß wir unseren Zeitgenossen das Zeichen einer großen, schon erfüllten Hoffnung zu vermitteln wissen, der Hoffnung Jesu, der für uns gestorben und auferstanden ist. Vergeßt nicht, „daß das künftige Schicksal der Menschheit in den Händen jener ruht, die den kommenden Geschlechtern Triebkräfte des Lebens und der Hoffnung vermitteln können“ (Gaudium et spes, Nr. 31). Gereinigt durch die Versöhnung, die Frucht der göttlichen Liebe und eurer aufrichtigen Reue ist, könnt Ihr, indem Ihr Euch für die Gerechtigkeit einsetzt und in Dankbarkeit Gott gegenüber lebt, glaubwürdige und wirksame Propheten für die Freude in der Welt sein, die oftmals dunkel und traurig ist. Werdet Verkünder der „Fülle der Zeit“, deren Aktualität das Große Jubiläum von 2000 erneut in Erinnerung ruft. Der Weg, den Jesus Euch weist, ist nicht bequem; er kommt mehr einem verschlungenen Gebirgspfad nahe. 644 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aber verliert nicht den Mut! Denn je steiler der Weg, um so schneller steigt er auf zu immer weiteren Horizonten. Maria, der Stern der Evangelisierung, führe Euch! Wie sie, dem Willen des Vaters zustimmend, sollt auch ihr als reife und glaubwürdige Zeugen die Wechselfälle der Geschichte durchlaufen. Mit ihr und mit den Aposteln mögt Ihr es verstehen, in jedem Augenblick das Bekenntnis des Glaubens an die lebenspendende Gegenwart Jesu Christi zu wiederholen: „Du hast Worte des ewigen Lebens!“ Aus dem Vatikan, am Christkönigsfest, 26. November 1995 Nutzt Eure Fähigkeit und Kreativität für ein „Zusammen “ der Kirche Roms! Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen Roms am 28. März „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). 1. Liebe Jungen und Mädchen von Rom, ich habe diesen Ausdruck aus dem Evangelium als Thema für den elften Weltjugendtag gewählt. Es sind die vom Apostel Petrus gesprochenen Worte, nachdem der Herr Jesus eine schwer zu verstehende Rede gehalten hatte, die Anstoß erregte. Er hatte gesagt: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag“ {Joh 6,54). Das heißt, Jesus zeigt sich der Welt als die wahre Nahrung, die allein den Hunger des Menschen stillen kann. Er ist das Fleisch gewordene Wort, das sich als Speise im Sakrament des Abendmahls und als Opfer auf dem Kreuz darbietet, damit die Welt sich durch Ihn rette und die Fülle des Lebens empfange. Wenn es aber das Geschick Jesu ist, sich als Fleisch zum Mahle hinzugeben, so erahnen die Jünger, daß dies auch das ihre sein wird, und haben Angst. Jesus nachfolgen bedeutet, eine Aussicht auf Leiden und auf Tod auf sich zu nehmen. Die Jünger empören sich über den Gedanken, daß der Meister sich „essen“ lassen soll. In Anbetracht dessen, daß sich viele aus diesem Grund zurückziehen, fragt dann auch Jesus die Zwölf: „Wollt auch ihr Weggehen?“ {Joh 6,67). Aber Petrus antwortet für alle: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ {Joh 6,68). Diese Worte von Petrus fassen einen ganzen Lebensweg zusammen, nämlich den Weg der Suche. Man kann diese Worte nicht aussprechen, wenn man nicht glaubt und nicht einen langen Weg zurückgelegt hat, um den Herrn zu suchen, zu finden und kennenzulemen. 2. Heute, bei diesem freudigen Treffen, habt Ihr mit Gesängen, Tänzen und Zeugnissen die grundlegenden Etappen jedes Weges der Suche nach Gott rekonstruiert. Ihr habt aus Zeugenaussagen gehört, wie der Mensch auf der fortwährenden Suche nach Gott ist. Und wie Gott in der Geschichte jedes Mannes und jeder Frau anwe- 645 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN send ist, dem Menschen entgegengeht, ihn als erster sucht und auf vollkommene und endgültige Weise seinen tiefsten Wunsch beantwortet, nämlich jenen, geliebt zu werden. Liebe Jugendliche, auf Grund meiner Erfahrung als Priester weiß ich gut, daß Ihr im wesentlichen die Liebe sucht. Alle suchen die Liebe, und zwar eine erhabene Liebe. Auch dann, wenn man in der menschlichen Liebe der Schwäche nachgibt, fährt man dennoch fort, eine erhabene und reine Liebe zu suchen. Ihr wißt letzten Endes genau, daß niemand außer Gott Euch eine solche Liebe gewähren kann. Aus diesem Grund seid Ihr bereit, Christus zu folgen, und scheut keine Opfer. Ihr sucht Christus, weil Er weiß, „was im Menschen ist“ (Joh 2,25), insbesondere in einem Jugendlichen, und weil Er wahre Antworten auf Eure Fragen zu geben weiß. Liebe Jugendliche, Christus ist der „Gesuchte“, der „Ersehnte, der sich finden läßt“, derjenige, der Euch die echte Freude geben kann. Eine Freude, die niemals schwindet, weil dazu bestimmt, in der Fülle des Lebens fortzudauem, jenseits des Todes. Der Mensch ist also ein Gottsucher, der seinerseits von Gott gesucht wird. Im Evangelium haben wir aus dem Munde Jesu diese Wahrheit vernommen: „Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist“ (Joh 6,65). Dennoch ist Gott bei seinem Suchen des Menschen nie gewaltsam. Er respektiert uns durchaus, die er als sein Ebenbild geschaffen hat. Er läßt uns freie Hand, seine Angebote anzunehmen. Auch uns fragt er: „Wollt auch ihr Weggehen?“ (Joh 6,67). 3. Aber zu wem kann der Mensch gehen? Zu wem könnt Ihr gehen, Jugendliche auf der Suche nach dem Glück, der Freude, der Schönheit, der Rechtschaffenheit, der Reinheit, ja in einem Wort: auf der Suche nach der Liebe? Wir wissen es gut: Viele junge Leute suchen all das und folgen dabei falschen Lehrmeistern. Wie zutreffend sind auch heute die Worte aus dem zweiten Brief an Timotheus: „... sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln; und man wird der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken, sondern sich Fabeleien zuwenden“ (2 Tim 4,3-4). Ich denke da an das Geld, an den Erfolg, an die Karriere, an die zügellose Sexualität um jeden Preis, an die Drogen, an den Glauben, daß sich alles im Leben hier und jetzt abspielt und daß das Leben für eine sofortige Befriedigung dessen, was man sich heute wünscht, einzusetzen ist, ohne zu berücksichtigen, daß es eine ewige Zukunft gibt. Ich denke weiter an das Suchen der Sicherheit, einer falschen Selbstverwirklichung und des Glücks in den Sekten, der Magie oder auf anderen religiösen Wegen, die den Menschen dazu bringen, sich auf sich selbst zurückzuziehen, anstatt sich Gott zu öffnen. Tatsächlich bleibt man unter derartigen Bedingungen unzufrieden und der Freude unfähig, weil, wenn man Gott nicht findet, die Antwort auf die wahrsten und tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens ausbleibt -: und das Leben wird zu einem Leben voller Kompromisse und innerer Spannungen. 646 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Das ist die Antwort. Die Antwort von Petrus, dem Apostelfürsten, der, dem Christus seine Kirche anvertraut hat. Es ist die Antwort der Kirche und deshalb auch Euer aller Antwort, junge Römer, die ihr durch die Taufe Mitglieder der Kirche seid. Antwort, die jedem von Euch immer stärker ins Bewußtsein dringen muß, ja euch so weit bringen muß, daß Ihr zu ihren Boten bei Euren Altersgenossen werdet, die - wenn auch weit entfernt vom Glauben - das Leben, d. h. also Gott, suchen, vielleicht ohne es zu wissen. Gerade weil sie eine Lebensantwort ist, können wir uns nicht zufriedengeben, sie allein auszusprechen: Wir müssen versuchen, auch die anderen daran zu beteiligen, stets bereit, Aufschluß zu geben über die Hoffnung, die in uns ist (vgl. 1 Petr 3,15). 5. Allen Jesus zu verkünden ist die einzige gänzlich befriedigende Antwort auf die Erwartungen des Menschen: Da ist die Verpflichtung, zu der uns das Näherrücken des Jahres Zweitausend anspomt - ein ganz besonderes Gnadenjahr. Wir müssen vorbereitet die Schwelle des Jahres Zweitausend übertreten. Das Jubiläum erneuert die Freude an dem erstaunlichen Ereignis, das sich vor mehr als zweitausend Jahren vollzogen hat, als Gott Mensch geworden ist, der Gott-mit-uns geworden ist, unser Freund und Wegbegleiter. Der auferstandene Jesus ist weiterhin bei uns; er kommt unserem Verlangen nach Rettung und Erlösung entgegen. Ihr, Jugendliche aus den Pfarrgemeinden, Vereinigungen, christlichen Bewegungen und Gruppen, engagiert Euch, das Geheimnis seiner Person zu vertiefen. Fragt Euch, wer Jesus für Euch ist, was er von Euch will, was Ihr in Ihm sucht und findet. Und während ihr Euch immer wieder aufs neue zu Ihm bekehrt, schlagt Ihn jenen Freunden vor, denen vielleicht nie jemand Christus verkündet hat oder die Ihn kennengelemt und dann verlassen haben. 6. Aber, wie soll man das angehen? Eure erste Verpflichtung betrifft Eure Bildung als Christen: man muß eine lebendige Kenntnis von Jesus erlangen, im Glauben Ihn erfahren, und zwar durch das Gebet, das Hören seines Wortes, die Katechese über die Grundlagen der Glaubenslehre, den Dienst an den notleidenden Brüdern. Eröffnet mit allen einen ehrlichen Dialog, indem Ihr die Ängste, die Probleme und die Freuden teilt, die alle Jugendlichen gemeinsam haben. Zeigt ihnen - mehr durch das Leben als mit Worten - die Größe des göttlichen Geschenkes, das Ihr erhalten habt und das Eure Existenz verwandelt hat. Hierauf lernt zusammen mit ihnen, Eure Lebenspläne zu entwerfen, die sich am Evangelium ausrichten. Denn Jesus tritt in jeden Daseinsbereich und in die Berufung jedes einzelnen; er verlangt konsequente Haltungen in der Erfahrung der menschlichen Liebe, in der Schule, in der Universität, bei der Arbeit, im Volonta-riat, beim Sport und in jedem anderen Bereich des täglichen Lebens. Er verleiht der Freude und dem Leid erst einen Sinn, und so auch der Gesundheit und der Krankheit, der Armut und dem Reichtum, dem Leben und Sterben. 647 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Darum macht Euch zu Weggefährten jedes Jugendlichen, der in Rom lebt, und bewahrt dabei immer das Bewußtsein, daß allein die Wahrheit Christi die Sehnsüchte des Menschen stillen, ihn retten, ihm das ewige Leben kundtun kann. 7. Liebe Jungen und Mädchen Roms, seid die Apostel des ,jungen Roms“. Damit jeder Jugendliche - nachdem er Euch begegnet ist - veranlaßt sei zu fragen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Diese Stadt hat christliche Wurzeln. Laßt nicht zu, daß Euer Rom, das Rom des Jahres Zweitausend, weniger christlich ist als das der Jahrhunderte, die dem Beginn des dritten Jahrtausends vorangegangen sind. Verkündet Euren Altersgenossen das Evangelium Jesu - das ja immer neues und junges Wort ist und die Menschheit fortwährend erneuert und verjüngt. Verwendet dazu jedes Mittel und jede Gelegenheit. Legt dort Zeugnis ab vom Glauben, wo es Jugendliche wie Euch gibt. Versteht es - wenn nötig -, kritisch zu sein gegenüber der Kultur, in der Ihr aufwachst und die nicht immer die Werte des Evangeliums und den Menschen achtet. Wird Euer Leben von Christus gelenkt, so werden auch die Kultur und die Gesellschaft christlicher geprägt sein, weil Ihr selbst sie zumindest teilweise verändert haben werdet. Es tragen nämlich die Lebensentscheidungen, die Verhaltensweisen, die Handlungen eines jeden dazu bei, eine Gesellschaft und eine Kultur aufzubauen. Engagiert Euch, damit die christliche Kultur immer mehr die Kultur der Jugendlichen werde. Belebt die Kultur mit Eurer Kreativität. 8. An diesem Treffen haben ein Regisseur, ein Sportler, Tänzer, Schlagersänger, Vertreter verschiedener Welten teilgenommen, in denen als Christen anwesend zu sein notwendig ist, um sichtbare und nicht getarnte Zeichen Jesu zu sein. Eurem erfinderischen Talent, liebe junge Römer, vertraue ich die Aufgabe an, die geeignetsten Arten zu erdenken und zu verwirklichen, um das Evangelium in unserer Stadt zu verkündigen. Das ist die Verpflichtung, die ich „Stadtmission“ genannt habe, auf die die ganze Kirche Roms sich vorzubereiten im Begriff ist. Zusammen, Ihr Jugendlichen jeden Alters, werden wir das Evangelium Christi unserer Stadt verkünden. Für diese Liebestat gegenüber Rom zähle ich auf Euch, auf Eure Kräfte, Eure Kreativität und Eure Fähigkeit, für eine gemeinsame Sendung zusammen zu arbeiten. „Zusammen, um zu evangelisieren“, dies sei der Slogan Eurer Pläne. „Zusammen“ als Kirche von Rom, die - obschon reich an unterschiedlichen Gaben - das Evangelium in der Gemeinschaft und mit Mut verkünden muß, ohne sich der dem Herrn zu bezeugenden Huldigung zu schämen (vgl. 1 Tim 1,8). Von dieser Meldung hängt die Zukunft dieser Stadt, Eure Zukunft, ab. Nachdem Ihr das Evangelium verkündet habt - das sich von Herz zu Herz, von Mensch zu Mensch verbreitet -, begleitet, verfolgt und nehmt in offenen und zur Verfügung stehenden Gemeinschaften auf, wer sich dem Glauben nähert. Schafft Zentren, Aufnahmeorte für persönliche Glaubenswege, wo die Fragen Antwort finden können, die sich ein Jugendlicher stellt, bevor er dem Herrn in der Kirche 648 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ja sagt. Dazu möchte ich daran erinnern, daß ich den Jugendlichen im Jahr 1983, dem Heiligen Jahr der Erlösung, einen Ort in der Nähe der Peterskirche auch zu diesem Zweck anvertraute: das Zentrum San Lorenzo. Heute übergebe ich es Euch. Macht es im Hinblick auf das Jahr Zweitausend zu einem Aufnahmeort der Jugendlichen, die den Herrn suchen in dieser Stadt, um diese dann in die bereits bestehenden Gruppen bei den Pfarrgemeinden, den Vereinigungen und Bewegungen zu verweisen. Schafft außerdem weitere, ähnliche Zentren in der ganzen Stadt. Es wird dem Anliegen der Evangelisierung ein wirksamer Dienst sein. 9. Liebe Jungen und Mädchen von Rom, ich danke für dieses Treffen, ich danke für all das, was Ihr gesagt und gesungen habt. Dank auch dem Kardinalvikar und den hier anwesenden Weihbischöfen. Dank vor allem Euch, die Ihr hier seid, um nicht hier zu bleiben, sondern um die Freude, die von Christus kommt, in die Straßen von Rom zu tragen. Kapselt Euch nicht in Euren Gruppen ab. Geht aus ihnen hinaus, um Euch als Christen wiederzufinden. Seid selbstlos, damit Ihr die Schönheit des Evangeliums kostet, das auch heute in der Lage ist, die Herzen zu bekehren und die Welt zu verändern und allen Grund zum Leben und zur Hoffnung zu geben. Die Aufgabe, die ich Euch anvertraue, ist groß, seid beharrlich, verliert angesichts der Schwierigkeiten nicht den Mut. Es begleite Euch der Herr Jesus, und es beschütze euch die himmlische Gottesmutter, die Rom ja als Heil des römischen Volkes anruft. Nun segne ich Euch alle von Herzen und versichere Euch ein stetes Gedenken im Gebet. Klartexte zu praktiziertem Glauben und zu christlicher Soziallehre Schreiben an Pater Gianpaolo Salvini SJ, Direktor von ,La Civiltä Cattolica“ zum Erscheinen der 3500. Ausgabe von ,La Civiltä Cattolica“ vom 31. März Ich habe erfahren, daß ,La Civiltä Cattolica“ auf ihrem 147 Jahre langen Weg die 3500. Ausgabe erreicht hat und mithin heute als die älteste italienische Zeitschrift gilt. Ich möchte dem Herrn vor allem dafür danken, daß es „La Civiltä Cattolica“ vergönnt war, trotz der großen historischen und kulturellen Umwälzungen, die seit dem Gründungsjahr 1849 der Zeitschrift bis zur heutigen Zeit stattfanden, weiterzubestehen und fruchtbar zu wirken im Dienst der Kirche. Ich möchte daher den Leitern, den Journalisten und den Brüdern der Gesellschaft Jesu gegenüber meiner Wertschätzung Ausdruck verleihen, die in diesen 147 Jahren großzügig, mit kulturellem Einsatz und in einem Geist der religiösen Hingabe ihre intellektuellen und moralischen Energien für eine solch edle Sache eingesetzt haben. 649 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Zeitschrift „La Civiltä Cattolica“ ist ein Werk der Gesellschaft Jesu, nicht nur, weil sie ausschließlich von Mitgliedern derselben geleitet und herausgegeben wird, sondern auch, weil sie deren Ziel und den eigentlichen Zweck widerspiegelt, der ja kein geringerer ist, als „die Verteidigung und die Propagierung des Glaubens“. In der Tat ist es die Absicht der Gesellschaft Jesu, die Geschichte und die Politik, die Kultur und die Wissenschaft sowie die Kunst im Lichte des vom Lehramt der Kirche authentisch vorgelegten christlichen Glaubens zu lesen und auszulegen, um so eine menschliche und christliche Lösung jener Probleme zu suchen, die sich im Laufe der Zeit gestellt haben. Ganz besonders ist es aber ihre Absicht, mit Geduld und Demut in jenem Dialog zwischen christlichem Glauben und der Kultur unserer heutigen Zeit vorzugehen, was eben heutzutage sicherlich eines der ärgsten Probleme ist, da ja, wie schon Papst Paul VI. hervorhob, „der Bruch zwischen Evangelium und Kultur zweifelsohne das Drama unserer Epoche ist“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Diese äußerst schwierige Mission, mit der sich heute die gesamte Kirche befaßt und die ich zu den Prioritäten meines Pontifikates zähle, verlangt nicht nur einen starken Aufbruchsgeist, sondern auch neue Energien, die uns in den Stand versetzen, die rapiden gesellschaftlichen Umwälzungen zu verstehen und ihnen auch zu folgen, und die uns befähigen, auf die Probleme eine Antwort zu geben, die sowohl dem überreichen und ewig gültigen Glaubensschatz der Kirche als auch dem bewährten Denkresultat aus modernen und zeitgemäßen Überlegungen entspringen. Der heutigen pluralistischen Kultur, die unter so manchem Gesichtspunkt als säkularisiert zu betrachten ist, mangelt es nicht an Werten, die, wenn sie erst gereinigt und vom Sauerteig des Evangeliums durchdrungen sind, auf die Verherrlichung Gottes und auf die moralische und spirituelle Erhöhung des Menschen ausgerichtet werden könnten. Der Einsatz einer Zeitschrift, wie es „La Civiltä Cattolica“ ist, bedeutet auch, die Überzeugung - oder noch besser ausgedrückt - das Vorurteil aus der Welt schaffen, das den Grundstein für so viele Formen moderner Kultur bildet, gemäß welcher das Gesetz Gottes für den Menschen angeblich etwas Entfremdendes darstelle; nur indem der Mensch sich von diesem Gesetz befreie, könne er wirklich mündig werden. Es geht hier nicht nur darum, die Positionen der Kirche - insbesondere jene, die ich in den beiden letzten Enzykliken Veritatis splendor und Evangelium vitae zum Ausdruck gebracht habe - zu verteidigen, sondern auch darum, die Glaubenswahrheiten des Evangeliums, die in diesen Enzykliken enthalten sind, auf positive Weise darzustellen, indem man aufzeigt, daß diese zum Wohl des Menschen gereichen, insofern sie von Gott gewollt sind, auf daß die Familie der Menschheit lebe, wachse und gedeihe, auf daß sie das Leben und nicht den Tod wähle. Das ist die dramatische Wahl, vor der die heutige Menschheit steht. Es ist daher Aufgabe der Kirche, die Menschen vor den Gefahren zu warnen, denen sie ausgesetzt sind, und ihnen gemeinsam die Wege der Glückseligkeit und des Friedens zu weisen. 650 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Angesichts dieser Tatsachen wird sich die Zeitschrift wohl sinnvollerweise dafür einsetzen, die christliche Soziallehre, die das kirchliche Lehramt vor allem in den letzten hundert Jahren mit Mut und Weitblick ausgearbeitet hat, auf einen Punkt zu bringen, zu verteidigen und zu propagieren; sie wird sie Schritt für Schritt je nach den Anforderungen der neuen Zeiten vertiefen. Auch ich selbst habe versucht, einen Beitrag zu dieser Entwicklung zu leisten mit den Enzykliken Laborem exercens, Sollicitudo rei socialis und Centesimus annus. Die sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Probleme nehmen ein immer größeres Ausmaß an Bedeutung für das Schicksal der Menschheit an und können in gewisser Hinsicht die Ursache für Wirtschaftskriege bilden, die nicht weniger mörderisch und grausam sind als jene, die mit Waffen ausgefochten werden. In gewisser Hinsicht können sie aber auch den ungerechten Zustand der heutigen Welt verschlimmern, was ja Armut und Unterentwicklung in vielen Teilen eben dieser Welt von heute unter Beweis stellen. Wie sollte man da etwa nicht auf die Dringlichkeit eines ausgeglichenen und klaren Wortes aufmerksam machen, das beständig die Reichen zu ihren Pflichten der sozialen Gerechtigkeit aufruft und die Armen dazu, der Entmutigung nicht klein beizugeben auf ihrem beschwerlichen Wege der Erlösung vom Elend? Die Zeitschrift „La Civiltä Cattolica“, die ja immer schon den Themen der kirchlichen Soziallehre ihre Aufmerksamkeit geschenkt hat und sie stets mit Eifer angewandt hat, um sie zu verteidigen und zu verbreiten, wird es nicht unterlassen, mit erneuertem Tatendrang sich derselben zu widmen und so die brennendsten und wichtigsten spezifischen Probleme anzugehen und deren Lösung im Lichte der vom kirchlichen Lehramt vorgelegten Lehre zu suchen. So wird sie von dem ihr eigenen Standpunkt aus ihren Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der Gesellschaft Jesu leisten, jenen Glaubensdienst, dessen wesentlicher Bestandteil die Förderung der Gerechtigkeit ist. Mit diesen Wünschen erteile ich Ihnen mit Freude den besonderen Apostolischen Segen, den ich auch gerne auf die Patres, die mit der Abfassung der Artikel betraut sind, ausweite sowie auf alle Brüder der Gesellschaft Jesu, die in großzügiger Weise sich der Herausgabe dieser großartigen Zeitschrift widmen. Aus dem Vatikan, am 31. März 1996 Joannes Paulus PP. H 651 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi Kreuz ist die Hoffnung der Welt Predigt am Palmsonntag, 31. März 1. „Hosanna dem Sohne Davids! Gepriesen, der kommt im Namen des Herrn.“ (Antiphon zum Einzug.) Der Palmsonntag, an dem die Kirche des triumphalen Einzugs Christi in Jerusalem gedenkt, ist so etwas wie ein prächtiges Portal, das in die Heilige Woche führt. Wenn wir diesen Tag unter dem Gesichtspunkt liturgischer Spiritualität betrachten, können wir ihn gewissermaßen in jeder Eucharistiefeier finden. Wie er nämlich zu seiner Zeit die Schwelle zu den Ereignissen der Osterwoche Christi war, so bildet er beständig die Schwelle zum eucharistischen Geheimnis. Ja, er ist die Schwelle zur Liturgie selbst. In dem Augenblick, in welchem wir diese Schwelle überschreiten, nähern wir uns der Mitte des Mysterium fidei. Dieses „Geheimnis des Glaubens“ wird „immer und an allen Orten“ von Christus selbst gefeiert durch den Dienst des Priesters, des Dieners der Eucharistie. Christus, der höchste und ewige Priester, kommt nach Jerusalem, um dort sein einziges Opfer zu vollenden, das Opfer des Neuen Bundes: zuerst beim Letzten Abendmahl am Gründonnerstag als Sakrament, dann auf Kalvaria als erlösende Wirklichkeit. „Gepriesen, der kommt im Namen des Herrn!“ 2. Sein Kommen ist eine Offenbarung, eine vollständige und tiefgreifende Offenbarung der Heiligkeit Gottes: „Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus Deus Sabaoth.“ „Heilig, heilig, heilig Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit...“ Gerade diese Woche, die Heilige Woche, die - menschlich gesprochen - randvoll ist von Leiden, Demütigung, Entäußerung, mit einem Wort: von der Kenosis Gottes, hat die Offenbarung der Heiligkeit Gottes zum Gegenstand, den Höhepunkt der Weltgeschichte.„Heilig, heilig, heilig ... Hosanna in der Höhe.“ Aus der Tiefe der erlösenden Erniedrigung Christi wird dem Menschen die Kraft geschenkt, zum Gipfelpunkt seines eigenen Daseins und Geschicks zu gelangen. Das „Hosanna in der Höhe“ findet an diesem Tag und in dieser Woche, die mit Recht die „Heilige Woche“ heißt, seine ganze und volle Bedeutung. 3. Seit elf Jahren wird am Palmsonntag der Welttag der Jugend gefeiert. In gewissem Sinn kann man sagen: Dieser Tag begann „Tag der Jugend“ schon damals zu sein an eben jenem Tag, dessen wir heute gedenken, als die jungen Leute von Jerusalem Christus entgegengingen, der, nach der Prophezeiung des Sacharja (vgl. Sach 9,9), sanftmütig und demütig auf einem Esel reitend in die Stadt einzog. Sie gingen, um ihn zu begrüßen und ihn mit den Worten des Psalmes zu empfangen: „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn“ (Ps 117/118,26). Christus vergißt nicht. Er erinnert sich an das, was damals geschehen ist. Und auch die jungen Menschen erinnern sich. Christus ist treu. Und auch die jungen Menschen wissen dem treu zu sein, der ihnen Vertrauen schenkt. 652 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und seht: Jahr für Jahr kommt die Jugend zu diesem Treffen, das aus ihrer unun-terdrückbaren Begeisterung für Christus und für das Evangelium entstanden ist. So hat eine Pilgerfahrt begonnen, die durch die Diözesen der ganzen Welt geht und alle zwei Jahre zu einer großen internationalen Begegnung zusammentrifft. So baut sie Brücken der Geschwisterlichkeit und der Hoffnung zwischen Kontinenten, Völkern und Kulturen. Es ist ein Unterwegssein, das unaufhörlich im Gang ist, wie das Leben. Wie die Jugend. Dieses Jahr - man könnte sagen auf halbem Weg zwischen der unvergeßlichen Station in Manila und der für August 1997 vorgesehenen in Paris - macht der Weg des „jungen Volkes“ wieder Halt in den Ortskirchen, bereichert auch durch das Erlebnis der europäischen Pilgerfahrt zum Heiligen Haus in Loreto. 4. Liebe Jugend, die Ihr heute auf dem Petersplatz seid, Euch gilt mein besonderer Gruß! Ein herzliches Willkommen auch denen, die von weither gekommen sind, besonders der Jugend von den Philippinen, die bald das Kreuz des Weltjugendtages in die Hände der französischen Freunde weitergeben wird. Es ist eine sehr vielsagende Geste, an diesem Tag das Kreuz zu umfassen und es von Hand zu Hand weiterzugeben. Es ist, als sage man: Herr, wir wollen nicht nur in der Stunde des „Hosanna“ bei dir bleiben, sondern mit deiner Hilfe wollen wir dich auf dem Kreuzweg begleiten, wie Maria, deine und unsere Mutter, und der Apostel Johannes es getan haben. Ja, Herr, denn du „hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68), und wir haben geglaubt, daß gerade dein Kreuz Wort des Lebens, des ewigen Lebens, ist! Meine Lieben, Ihr wißt gut, daß der Herr nicht mit falschen Vorspiegelungen von Glück irreführt, sondern sagt: „Wer mein Jünger sein will... der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Diese Sprache ist hart, aber sie ist aufrichtig und enthält die grundlegende Wahrheit: Nur die Liebe bringt den Menschen zur Erfüllung, und es gibt keine Liebe ohne Opfer. Geht, liebe Jugendliche, und tragt dieses Wort des Lebens durch die Straßen der Welt, die dem dritten Jahrtausend entgegengeht! Das Kreuz Christi ist die Hoffnung der Welt. In der Liturgie des Palmsonntags sind die jungen Leute die Hauptmitwirkenden, wie die „Jungen Leute der Hebräer“, die „dem Herrn entgegengingen mit Palmzweigen in den Händen und mit lauter Stimme riefen: Hosanna in der Höhe!“ {Antiphon zur Prozession). ... Sie gingen dem Herrn entgegen. Ihr jungen Menschen Roms und der Welt! Christus ruft Euch: Geht Ihm entgegen! 653 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geistliche Grundlagen von Erziehung und Bildung Ansprache an das Generalkapitel der Salesianer Don Boscos am 1. April Liebe Kapitulare der Salesianer Don Boscos! 1. Ich bin sehr froh über diese ersehnte Begegnung mit Euch, die Ihr die Salesianer in der ganzen Welt repräsentiert. Durch Eure Anwesenheit in großer Zahl bezeugt Ihr die wunderbare Verbreitung des Werkes von Don Bosco, dessen Charisma auch in der heutigen Welt lebendig und von Bedeutung ist. Zu allererst möchte ich mich Eurer Freude anschließen und dem Großrektor, Don Juan Edmundo Vecchi, gratulieren, den Ihr gewählt habt, die Verantwortung für Eure geistliche Familie zu übernehmen, und gerufen, dem verstorbenen Don Egidio Viganö nachzufolgen, der sich durch das mit solcher Klarheit des Gedankens und mit völliger Hingabe an das Wohl der Kirche und des Instituts vollbrachte Werk reiche Verdienste erworben hat. Ich bete zum Herrn, daß er den neuen Großrektor und seine Mitarbeiter bei ihrer wichtigen Aufgabe begleite, damit sie die Salesianische Kongregation und die Salesianische Familie mit dem Apostolatseifer des hl. Johannes Bosco und mit der ganzen Frische seines Charismas in das neue Jahrtausend führen. 2. In dieser Zukunftsperspektive und angesichts der Herausforderungen der heutigen Welt möchte ich vor allem dankbare Anerkennung zum Ausdruck bringen für die tätige und treue Teilnahme Eurer Familie an der Sendung der Kirche. Ihr fühlt Euch als lebendigen Teil der kirchlichen Gemeinschaft, völlig in sie integriert und ganz in ihrem Dienst in den verschiedenen Teilen der Welt. Auf den Spuren Eures Gründers, der Euch diesen „sensus Ecclesiae“ als sein kostbares Erbe hinterlassen hat, verseht Ihr Eure Sendung in einem Bereich von außerordentlicher Wichtigkeit: der Erziehung der Jugend, „des zartesten und kostbarsten Teils der menschlichen Gesellschaft“, wie Don Bosco sagte. In dem Brief luvenum Patris, den ich anläßlich der Hundertjahrfeier des Todes des Heiligen an Euch gesandt habe, rief ich Euch ins Gedächtnis: „Die Kirche liebt [...] die Jugendlichen sehr: schon immer, zumal aber heute, da wir dem Jahr 2000 nahe sind, fühlt sie sich von ihrem Herrn aufgefordert, auf sie mit besonderer Liebe und Hoffnung zu schauen und ihre Erziehung als eine ihrer vorrangigen pastoralen Aufgaben anzusehen“ (Nr. 1; in: O.R.dt. v. 18.3.1988, S. 7). Ich ermutige Euch daher, diese edle und anspruchsvolle Aufgabe beharrlich weiterzuführen. Gewiß steht sie im Brennpunkt der Aufmerksamkeit Eures Generalkapitels, denn „wie Don Bosco - so heißt es in Euren Konstitutionen - seid ihr alle und bei jeder Gelegenheit gerufen, Erzieher im Glauben zu sein“ (vgl. Costituzioni, Nr. 34). 3. Was die Erfüllung dieser Sendung betrifft, hat Euer Kapitel besondere Aufmerksamkeit den Laien gewidmet, die in Eurer Familie in verschiedenen Formen in der Jugenderziehung mitarbeiten. Don Bosco selbst erkannte die Wichtigkeit, 654 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitarbeiter zu haben, die in verschiedener Weise verfügbar waren, um ihm beim großen Erziehungswerk zu helfen und die Grundsätze und Praxis seiner „Pädagogik der Vorsorge“ mit ihm zu teilen. Er verstand außerdem die Wichtigkeit, Menschen zu haben, die tiefer in den Geist der Kongregation eingedrungen waren und ihn außerhalb davon, in der Kirche und in der Gesellschaft, vorantrugen. Deshalb gründete er die Vereinigung der Salesianischen Mitarbeiter, die der Gesellschaft des hl. Franz von Sales angegliedert war mit dem klaren Ziel, an deren Sendung des Heils für die Jugend mitzuwirken. Er betrachtete sie als „eine äußerst wichtige Vereinigung, welche die Seele unserer Kongregation ist“ (vgl. Verbali del 1° Ca-pitolo Generale). An der Seite der Mitarbeiter taten sich viele andere Laien - mehr oder weniger stark an die Kongregation gebunden - zur großen Aufgabe der Erziehung und Evangelisierung zusammen: ehemalige Schüler, Eltern, Freunde und Gönner, Freiwillige - Männer und Frauen guten Willens -, alle einig in der Liebe und im Dienst an der Jugend. Dem vom hl. Johannes Bosco vorgezeichneten Weg folgend und auf die Zeichen der Kirche unserer Zeit achtend - besonders im Licht des II. Vatikanischen Konzils und des Apostolischen Schreibens Christifideles laici -, wollt Ihr Eurem Einsatz mit den Laien neuen Schwung geben und zusammen mit ihnen wachsen in der Gemeinschaft und im Teilen des Geistes und der Sendung Don Boscos. Dies ist gewiß ein auf die Zukunft ausgerichtetes Thema im Rahmen der Neuevan-gelisierung, das der Kongregation und der gesamten Salesianischen Familie helfen wird, mit vielen und guten Kräften in das nunmehr vor der Tür stehende dritte Jahrtausend einzutreten. 4. In dieser Perspektive habt Ihr Euch auf Eurem Kapitel das Ziel gesetzt, die Beteiligung zu erweitern, die Teilnahme und die Mitverantwortung zu fördern. Ja, das ist wirklich der zu beschreitende Weg, um alle guten Kräfte zu einer wirksamen Zusammenarbeit zu vereinen, bei der jeder gemäß seiner spezifischen Berufung - als Priester, Gottgeweihter oder Laie - seine eigenen Reichtümer einbringt in einem wechselseitigen Gabentausch zur Erfüllung der erzieherischen Sendung. Meinerseits möchte ich die anspruchsvolle Aufgabe der Erziehung und Ausbildung unterstreichen, die ich im Apostolischen Schreiben Christifideles laici als einen wesentlichen Aspekt des Lebens und der Sendung der Laien dargestellt habe, als „die Berufung, zu wachsen und ständig zu reifen, immer mehr Frucht zu bringen“ (Nr. 57). Es muß einerseits daran erinnert werden, daß die Erziehung und Ausbildung eine Verpflichtung ist, die alle zusammen betrifft, weil sie von allen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis empfangen und gegeben wird - und das um so mehr in einer geistlichen Familie, wo die Teilhabe an demselben Charisma und die Zusammenarbeit in derselben Sendung es erfordern, gemeinsame Bildungsprozesse in Gang zu setzen. Anderseits muß jedoch auch die klare Verantwortung unterstrichen werden, die denen zukommt, die aufgrund einer besonderen Gabe des Geistes gerufen sind, Erzieher von Erziehern zu sein. Für Euch, Söhne des hl. Johannes Bosco, ist das die anspruchsvolle Aufgabe: Euren Laien zu helfen, 655 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich im Geist der „Pädagogik der Vorsorge“ des hl. Johannes Bosco zu Erziehern der Jugend heranzubilden. 5. Wie ich in der Botschaft zur Eröffnung eures Kapitels betont habe, ist ein wichtiges Element in diesem Erziehungs- und Bildungsauftrag der spirituelle Ansatz, dem die Erfahrung Don Boscos in Valdocco zugrunde liegt. Dieser ist zugleich Ursprung und Ziel des all denen - Jugendlichen wie Erwachsenen - angebotenen Weges, die die Erziehungsmethode des Heiligen teilen. Ich erlaube mir, auf dem Primat dieser Spiritualität zu bestehen, die Euer Leben und Eure Sendung durchdringt und die vor allem in Eurem Zeugnis als geweihte Apostel aufleuchten soll, die ihr „Zeichen und Träger der Liebe Gottes zu den Jugendlichen“ seid, wie es in Euren Konstitutionen heißt (vgl. Costituzioni, Nr. 2). Die Laien, die den Geist und die Sendung der salesianischen Erfahrung mit Euch teilen, können nicht umhin, für ihre Aufgabe als Erzieher, die sie gerufen sind zu vollbringen, eine solche Forderung zu verspüren. Mit der notwendigen Abstufung und die Glaubensüberzeugungen eines jeden achtend, seid Ihr gerufen, ihnen zu helfen, bei der Entdeckung ihrer Berufung auf immer höhere Ziele hin zu wachsen und sie schließlich in die Wege des Geistes des Herrn einzuführen. In dem Brief Iuvenum Patris gab ich den wunderbaren Austausch zwischen Erziehung und Heiligkeit in der Gestalt Don Boscos zu bedenken: Er verwirklicht - so schrieb ich - „seine persönliche Heiligkeit im erzieherischen Bemühen [...], wobei er sich eifrig und mit apostolischem Herzen einsetzt, und [...] zugleich die Heiligkeit als konkretes Ziel seiner Pädagogik sichtbar macht“ (Nr. 5). Liebe Salesianer, ich wünsche Euch, daß ihr Don Bosco in seiner Fähigkeit, die Werte des Evangeliums zu vermitteln, nachzuahmen wißt, indem Ihr die Mitarbeiter im Erziehungsauftrag und auch die Jugendlichen, an die er gerichtet ist, daran beteiligt. So werdet Ihr erreichen können, daß die erziehende Gemeinschaft zu einer echten Erfahrung von Kirche wird, zu dem geeigneten Ort für einen Weg des Wachsens zur wahren christlichen Reife. 6. Die Karwoche, die eben begonnen hat, bringt uns die Botschaft in Erinnerung, die letztes Jahr gerade in diesen Tagen der liebe Großrektor, Don Egidio Viganö, an die Salesianische Familie sandte. Am Karfreitag, 14. April, schrieb er: „Ich fühle mich besonders mit euch verbunden an diesem heiligen Tag des Mysteriums und des Opfers. Seit Wochen bin ich in der Klinik, und nie hatte ich die Erfahrung des Karfreitags als außergewöhnlichen Tag des Charismas von Don Bosco gemacht. In das Geheimnis der Liebe Christi eintauchen, überwältigt von den Leiden des Fleisches: Man findet keinen geeigneteren Moment, um mit den Jugendlichen zu sein, um Mitbrüder und Mitschwestem zu ermutigen, um die Salesianische Familie zu vertiefen.“ Mit diesen Gefühlen entbot Don Viganö allen die Osterwünsche „im siegreichen Herrn“. 656 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf dieses leuchtende Zeugnis des Glaubens und christlichen Optimismus lade ich Euch ein zu blicken, liebe Kapitulare. Es möge Euch inspirieren und ermutigen bei den Entscheidungen, die Ihr zu treffen habt. Die Lehre, die Don Viganö Euch hinterlassen hat, ist unmißverständlich: In der vorbehaltlosen Annahme des gekreuzigten und auferstandenen Christus liegt das Geheimnis einer mutigen und fruchtbaren Apostolatstätigkeit. Auf Euch alle rufe ich den himmlischen Schutz Marias, Hilfe der Christen, herab: Sie sei für Euch - wie sie es für Don Bosco war - Meisterin und Wegweiser bei Eurer Sendung als Erzieher. Von Herzen erteile ich Euch, Euren Mitbrüdem, den Laien Eurer Erziehungsgemeinschaften und allen Mitgliedern der Salesianischen Familie den Apostolischen Segen. Verantwortung der Polizei für Friedenssicherung in der Gemeinschaft Grußwort beim Empfang für die Polizeichefs von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union am 2. April Meine Damen und Herren! Ich freue mich über diese Gelegenheit, im Vatikan die leitenden Offiziere der Polizeikräfte der fünfzehn Mitgliedsstaten der Europäischen Union gelegentlich ihres Treffens in Rom zu begrüßen. Das Ideal der europäischen Einheit, wie es die Begründer vor Augen hatten, hängt zweifellos sehr davon ab, daß die Achtung vor den Bestimmungen hochgehalten wird, die das Zusammenleben der Völker als Gemeinschaften regeln. Andernfalls sind wirkliche Gerechtigkeit, Friede und Brüderlichkeit unmöglich. In dieser Hinsicht hat Ihr Beruf eine unschätzbare Rolle zu spielen. Ich möchte Ihnen meine Hochachtung versichern für die Arbeit, die so viele hochherzige Männer und Frauen Tag für Tag bei der Polizei getan haben. Die große Herausforderung, die ihre Talente in Anspruch nimmt und die sie manchmal sogar ihr Leben kostet, besteht darin, die unveräußerliche Freiheit eines jeden zu schützen, ohne Rücksicht auf Rasse, Kultur und Religion, die nie Gründe zur Diskriminierung sein dürfen. Sie und Ihre Kollegen stellen Ihre Fähigkeiten und Ihre Hingabe in den Dienst des Aufbaus einer besseren Gesellschaft für alle. In den vergangenen Jahrzehnten sind die meisten Länder durch Krisen dieser oder jener Art gegangen - kulturelle, soziale oder politische -, die einzelne Menschen und Familien anfälliger zurückließen und Anlaß zum Entstehen neuer Formen und Ebenen des Verbrechens in der Gesellschaft gaben. Ihre Aufgabe ist ungeheuer groß, besonders dann, wenn ehrliche Bürger spüren, daß sie in einer überwältigenden Spirale von Gewalt, Drogen, Korruption und mangelndem gegenseitigem Vertrauen verfangen sind. Die Versuchung zur Entmutigung befällt sogar manche 657 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitglieder Ihrer Polizeikräfte. Das ist eine persönliche Herausforderung an Sie, die Sie Führungsaufgaben wahrzunehmen haben. Nach diesen englisch gesprochenen Worten ging der Papst über zur französischen Sprache: Es ist sicher die Aufgabe der politischen Obrigkeiten, notwendige Entscheidungen zu treffen, wenn es darum geht, das Sozialgefüge wieder in Ordnung zu bringen und zu festigen, damit jeder, ungeachtet seiner gesellschaftlichen Stellung und seines Standes, sich der Anerkennung und Liebe seiner Mitmenschen erfreue. Sie als Polizeikräfte ahnden alle Arten Verbrechen und Taten, die zu den Regeln der elementarsten Moral der Gemeinschaft im Widerspruch stehen, aber in ihrer Nähe zum gesamten Volk sind Ihre Dienste auch dazu aufgerufen, mit Vorzug auf Vorbeugung und auf Erziehung zur zivilen Verantwortung bedacht zu sein und alle dahin zu führen, daß sie die Schönheit und die Freude der gegenseitigen Beziehungen im Zusammenleben entdecken, die Rechte und Pflichten voraussetzen. Vor allem den jungen Menschen müssen Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit zuwenden. Die persönliche Schwäche der Jugend und die oft schwierigen Familienverhältnisse machen sie zu einer leichten Beute für solche, die sie durch die Illusion von Geld und mutwilliger Gewalttätigkeit oder durch leichtfertige Vergnügungen ausnutzen wollen. Junge Leute verfallen bisweilen sehr schnell der Kriminalität, und um ihnen zu helfen, daß sie einen Ausweg finden, bedarf es großer, anhaltender Geduld und gründlicher pädagogischer Klugheit, damit sie sich wieder in das Geflecht der Beziehungen einreihen und ihren Platz in der Gesellschaft finden können. Das gilt vor allem für die benachteiligten Zonen der Städte. Das Bemühen um die öffentliche Ordnung und das Bemühen um die Menschenrechte sind grundlegende Elemente der sozialen Eintracht. Die Polizeidienste haben die Aufgabe, ihren Mitbürgern einen Boden zu bereiten, auf dem man in Sicherheit leben kann und wo alle in ihrer Würde als menschliche Person geachtet werden. Sie sind Garanten für die Beachtung des vom Staat erlassenen Gesetzes, Fundament des Sozialabkommens, damit die Gerechtigkeit für alle in gleicher Weise gelte, zugleich aber auch jeder die Rechte genieße, die seine persönliche Unversehrtheit und seinen Schutz gewährleisten. Ihre Sendung unter den Menschen, meine Damen und Herren, ist also ein echter Dienst an der Gesellschaft. Ich wünsche Ihnen ein fruchtbares Arbeiten zum Wohl aller Ihrer Mitbürger und zur Festigung der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Europäischen Gemeinschaft, und ich gebe Ihnen und allen Polizisten, die Sie vertreten, sowie Ihren Familienangehörigen gern meinen Apostolischen Segen. 658 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sittliche Vernunft und moralisches Gewissen als Grundlagen eines Gesellschaftsvertrages Ansprache bei der Begegnung mit französischen Parlamentariern - Mitglieder einer Gruppe zur Pflege des geistlichen Lebens (Groupe de Spiritualite des Assemblees parlementaires) am 2. April Meine Damen und Herren Parlamentarier! 1. Mit Freude empfange ich Sie anläßlich Ihrer Wallfahrt nach Rom zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus. Sie machen diesen Weg an einem liturgischen Zeitpunkt, der sehr bedeutsam ist für das geistliche Leben und für das Handeln, das jedem Christen, seiner Berufung entsprechend, in den täglichen Verantwortlichkeiten obliegt. Der Name Ihrer Vereinigung: „Groupe de Spiritualite des Assemblees parlementaires“ erinnert daran, daß jede christliche Verantwortung in der persönlichen Begegnung mit Christus verwurzelt ist, die dem Sein eine einheitliche Linie gibt und dem Handeln die Richtung weist. Für einen im politischen Leben engagierten Christen ist das Evangelium eine das politische Handeln inspirierende Kraft. Und im Blick auf Ostern sind wir zu einem radikalen geistlichen Weg aufgefordert. Nach dem Beispiel Christi müssen wir alle eitle Ruhmsucht ablegen, um uns ganz für unsere Brüder und Schwestern zu verausgaben, denn es gibt keine größere Liebe als die, das Leben hinzugeben für die, denen man dienen will (vgl. Joh 15,12-14). Wenn Sie das Leben, den Tod und die Auferstehung des Gottessohnes betrachten, werden Sie auch den tiefen Sinn Ihrer Sendung finden: Sie ist ein dem Evangelium gemäßer Einsatz für den Menschen, dem der Herr Vertrauen schenkt, unbeschadet der Sünde, die im Menschen wohnt. Mit seinen Händen macht er das Fehlverhalten der Schöpfung wieder heil. Dieses Vertrauen öffnet auf die Hoffnung hin. Hinsichtlich des Aufbaus der jetzigen Stadt ist es, erleuchtet von der Hoffnung auf die zukünftige Stadt, der Antrieb zum rechten Handeln. 2. Als Mandatsträger Ihrer Wähler haben Sie vornehmlich die Aufgabe, dem ganzen französischen Volk und all denen, die auf dem nationalen Boden Aufnahme gefunden haben, zu dienen, basierend auf den geistigen und moralischen Grundsätzen, die dem Christentum entstammen. Schon in den Anfängen der Kirche legte der hl. Paulus, als er an Philemon schrieb, den grundlegenden Wert der christlichen Brüderlichkeit in den zwischenmenschlichen Beziehungen dar. Sie ist besonders wichtig in der Amtsführung, die dem Gemeinwohl gilt. Ja, er bat Philemon, den Onesimus, seinen Sklaven, der ihm entlaufen war, jetzt „als geliebten Bruder“ aufzunehmen (Phlm, Vers 16). So ist das öffentliche Leben ein Bruderdienst. Dabei herrschen, ohne daß notwendigerweise der soziale Stand eines jeden sich ändert, Gerechtigkeit und Nächstenliebe. Die Art und Weise der gegenseitigen Beziehungen aber wird anders, insofern sie nun auf die natürliche Würde ei- 659 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nes jeden Menschen, auf die Gotteskindschaft und auf den Bund gegründet sind, der die Grundbedingung und der praktische Inhalt der zwischenmenschlichen Beziehungen und des gegenseitigen Vertrauens ist. 3. In Ihrer Tätigkeit als Politiker hegt es Ihnen am Herzen, auf Ihre Mitbürger bedacht zu sein, aufmerksam zu sein für die Notlagen, denen sie in der heutigen Welt gegenüberstehen können, da die Wirtschaftskrise sich auf mehr und mehr Menschen auswirkt und auch häufig zum Zerreißen der Familien beiträgt. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, dafür zu sorgen, daß alle seine Mitbürger „gut als Menschen leben“ können, materiell, moralisch und geistig, eine Bedingung, damit die nationale Einheit und Brüderlichkeit sich verwirklichen. Jacques Maritain hob hervor, daß, wenn die politische Gemeinschaft auch nicht restlos über den Menschen verfügt, „es im Wesen des Staates liegt, dem Menschen zu helfen, daß ihm ... ein wirklich menschliches Leben gelingt“, persönlich und kollektiv (vgl. Christianis me et democratie, S. 57). Da das politische Leben auch darin besteht, universal zu denken, muß die öffentliche Gewalt Wert darauf legen, alle Formen der Solidarität innerhalb eines Landes, aber auch zwischen den Nationen zu fördern. Aufgrund seiner demokratischen Tradition hat Frankreich die Pflicht, den noch schwachen Staaten zu helfen, daß sie sich nationale Institutionen geben, die ihnen eine stabile Regierungsform und eine harmonische Entwicklung gestatten. Unter Ihren Aufgaben, meine Damen und Herren, ist zweifellos eine der wichtigsten die ständige Vervollständigung des Gesetzeskorpus, damit die Gesetze im Dienst des Lebens und im Dienst aller Personen stehen. Eine positive Gesetzgebung darf nicht unabhängig von der Achtung vor dem Naturgesetz und vor den sittlichen Grundwerten errichtet werden, im Namen des demokratischen Prinzips darf man nicht der unveräußerlichen Würde eines jeden Menschen Hohn sprechen. Der Staat hat auch die Pflicht, das Gewissen des Menschen zu achten. Die sittliche Vernunft und das moralische Gewissen sind in der Tat zwei wesentliche Elemente des Sozialvertrags und des Vertrauens, die für das Leben in der Gesellschaft notwendig sind. Der ethische Relativismus ist eine Gefahr für die Demokratie (vgl. Veritatis splendor, Nr. 101). In der Enzyklika Centesimus annus schrieb ich: „Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich ... leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus“ (Nr. 46). 4. Im Dienst an Ihren Brüdern und Schwestern kommt es Ihnen zu, eine hohe Form der Selbstlosigkeit vorzuleben, d. h. nicht nur nicht nach Ihrem eigenen Interesse zu trachten oder bestimmte Personen zu bevorzugen, sondern vor allem dem brüderlichen Leben und der Solidarität Geltung zu verschaffen, dem sozialen Frieden zum Sieg zu verhelfen, sich unermüdlich auf den Dialog und auf Verhandlung mit allen Gliedern der Gesellschaft einzulassen, damit jeder seine Rechte anerkannt sehe und die Konflikte friedlich geregelt werden. Das muß begleitet sein von der Sorge um die Wahrheit und von persönlichem Verantwortungsbewußtsein. Wie schon Aristoteles betont hat (vgl. Nikomachische Ethik, I, 3, 1095, a. 2-8), 660 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erfordert die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten von seiten derer, die sie innehaben - und das gilt um so mehr für die, die Christen sind -, ein persönlich bewährtes und rechtschaffenes Leben, besorgt um die Wahrheit und um eine klar durchschaubare Verwaltung. Das ist zuerst ein mutiges Zeugnis, das auf loyale Weise das Vertrauen des Volkes gewinnen läßt, und bekundet sodann, daß Ihre Aufgabe wesentlich ein Dienst am Gemeinwohl und am Menschen ist. 5. Sie haben auch die Aufgabe, darauf bedacht zu sein, daß der Gemeinschaftssinn und die moralischen Werte Ihrer Mitbürger, besonders bei den jüngeren Generationen, zur Entfaltung kommen. So werden alle imstande sein, aktiv am gesamtgesellschaftlichen Leben teilzunehmen, das im differenzierten Räderwerk der Gesellschaft ein Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips ist. Sie werden Ihre Solidarität immer mehr durch konkrete Taten zeigen und werden auch dann, wenn es anfordemd ist, das annehmen, was zum Allgemeinwohl beitragen kann. Am Abschluß unserer Begegnung wende ich mich den Katholiken Frankreichs zu, die ich im kommenden September besuchen will, um mich ihrem Gebet und der Feier großer Ereignisse der geistlichen Tradition Ihres Landes anzuschließen. Ich rufe den Beistand des Heiligen Geistes auf Sie herab, auf daß er Ihnen immer helfe, in Übereinstimmung mit dem Evangelium zu leben und die christlichen Werte in die Mitte Ihres täglichen Handelns zu stellen, und ich erteile Ihnen und Ihren Familien gern meinen Apostoüschen Segen. Priesterliche Berufung und Sendung Predigt in der Chrisammesse am Gründonnerstag, 4. April 1. „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt..." (Jes 61,1). Diese Worte des Propheten Jesaja sind der Schlüssel zur heutigen Liturgie. Christus selbst hat sie gebraucht in dem Augenblick, wo er seine messianische Sendung aufnahm. „Messias“ bedeutet „der Gesalbte“, der vom Heiligen Geist Geweihte. Christus ist vom Vater gesandt, um Befreiung von den Sünden zu bringen, um die Betrübten zu trösten und wieder aufzurichten, um die Zeit der Gnade zu verkünden, die Zeit der Erlösung. Ja: Christus ist der treue Zeuge des Geheimnisses des lebendigen Gottes - des Gottes, der Liebe ist. Christus, „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“, „ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten“ (Kol 1,15.18). In Ihm lebt alles neu, weil Er in sich den Hauch des neuen Lebens, des erlösten Lebens, trägt. Dem Ruf des Vaters, Mensch zu werden, folgend, ist der eingeborene und ewige Sohn in die Ordnung des Geschaffenen eingetreten und Ursache des Heils für alle geworden, die an Ihn glauben. 661 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Christus, der Geweihte des Vaters, wurde mit der Menschwerdung als „Priester für immer“ eingesetzt, als der einzige Priester des neuen und ewigen Bundes. Er steht im Mittelpunkt der Liturgie der Chrisammesse, bei der die Öle geweiht werden, die dem Volk Gottes den Balsam der Gnade bringen. In seiner Salbung vereint Christus alle, die an seiner Weihe teilhaben: die Getauften, die Gefirmten, die zum Priester Geweihten. Er vereint sich mit jedem durch die Salbung in der Kraft des Geistes, den Er uns in den heiligen drei Tagen seines Opfers - im Kreuz, im Tod und in der Auferstehung - gegeben hat, als er „uns von unseren Sünden erlöst“ und „uns zu Königen gemacht“ hat „und zu Priestern vor Gott, seinem Vater“ (Offb 1,5-6). Jeder Getaufte nimmt also am königlichen und prophetischen Priestertum Christi teil, um „geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (1 Petr 2,5). Das fleisch-gewordene Wort wollte jedoch den Aposteln sein Priestertum in einer anders gear-teteten Weise hinterlassen. Das Amtspriestertum unterscheidet sich wesensmäßig von dem allgemeinen aller Gläubigen, wie die Überlieferung lehrt und wie das II. Vatikanische Konzil maßgebend bekräftigt hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10). In besonderer Weise des Priestertums Christi teilhaftig, sind wir geweihte Amtsträger uns bewußt, daß wir gerufen sind, die Opferhingabe („oblatio“) Christi zu teilen und sie im Dienst am allgemeinen Priestertum der Gläubigen zu leben. Der Gründonnerstag macht uns dieses Amt in ganz besonderer Weise bewußt: nachdem er uns rief, hat Christus uns wie Er und in Ihm geweiht und uns Sein „Opfer“ anvertraut. 3. Es ist mir ein Grund zu inniger Freude, dieses Jahr die Chrisammesse im Gedenken an den 50. Jahrestag meiner Priesterweihe feiern zu können. Mir kommt in Erinnerung, was im Seminar von Krakau geschah, wo es Brauch war, am Tag vor den Priesterweihen die schöne Litanei von Christus, dem Priester und Opfer -Christus sacerdos et oblatio - zu beten. Es sind darin tiefe betrachtende Bitten enthalten, die dem Hebräerbrief und der apostolischen Tradition entnommen sind. „Tesu, sacerdos in aetemum secundum ordinem Melchisedech ... / sacerdos sancte, sacerdos immaculate ...; / ex hominibus assumptus, pro hominibus constitutus ... / qui obtulit semetipsum pro nobis oblationem et hostiam Deo ... / qui sedet ad dex-teram Patris in caelis ... / qui apparet Vultui Dei pro nobis; / Iesu, sacerdos et vic-tima ... / hostia laudis, hostia propitiationis, hostia salutis, / hostia in qua habemus accessum ad Deum...“ Es sind Ausdrücke, reich an biblischem und geistlichem Gehalt. Sie erwecken in der Seele unvergeßliche Gedanken und Gefühle. 4. Und dann das Gebet: „Deus, qui omnium corda nosti, ostende quos elegisti in ministerium!“: O Gott, der du die Herzen aller kennst, mache diejenigen kund, die du zum heiligen Amt berufen hast! 662 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hatte Christus doch zu den Aposteln gesagt: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Deshalb hat er uns gesalbt. Zur Erfüllung dieser Sendung schickt Christus uns den Heiligen Geist, daß er mit seiner Macht in uns wirkt, damit wir reiche Frucht bringen - eine Frucht, die bleibt. Der Boden, in den Gott die Samen seiner Gnade und seiner Güte legt, sind die Herzen der Menschen. Doch Christus bietet uns seinen Geist, damit dieser Boden durch seine Macht umbrochen und fruchtbar gemacht werde und alle im Übermaß aus dem Geheimnis der Erlösung schöpfen können. Die heiligen drei Tage sprechen zu uns von diesen wunderbaren Wirklichkeiten: Sie sind die Zeit der heilbringenden Fruchtbarkeit. Was lehrt uns doch alles die Chrisammesse! 5. Iesu, sacerdos in aetemum! / Heute hier versammelt, rufen wir Dich an: / Höre unser Gebet! / Gib unserem Herzen den Wunsch ein, / Dir und den Brüdern stets selbstlos zu dienen. / Gib, daß wir das heilige Volk mit Milde zu führen wissen / und lehren, was Du gelehrt hast, vergeben, / wie Du vergeben hast, / dienen, wie Du gedient hast, / damit am Tag, an dem Du willst, / wir auf immer Dein Lob singen können. / Amen! Eucharistie - Vermächtnis und Verkündigung Predigt während der Abendmahlsmesse in der Lateranbasilika am Gründonnerstag, 4. April Der Homilie ist der Text des „Pange lingua“ zu Grunde gelegt. Die heute gebräuchliche deutsche Fassung, „Das Geheimnis laßt uns künden weicht vom lateinischen - und dem vom Papst benutzten italienischen - Text so sehr ab, daß sie hier nicht zitiert werden kann. Die ins Deutsche übertragenen Zitate sind darum eine eigene Übersetzung. Zum besseren Verständnis weisen wir auf die frühere, bekannte deutsche Übersetzung hin. 1.,Tange, lingua, gloriosi / corporis mysterium / sanguinisque pretiosi...“ Thomas von Aquin, der „Doctor angelicus“, beschreibt und kommentiert mit den Worten eines Theologen, Mystikers und Dichters die geheimnisvollen und ergreifenden Handlungen, die Jesus am Abend vor seinem Leiden beim Letzten Abendmahl vollzogen hat und die uns im Bericht der Evangelisten überliefert sind. Durch die Akzentsetzungen dieses lateinischen Hymnus, der seit so vielen Jahrhunderten den Glauben der Kirche begleitet, vermögen wir nachzuvollziehen, was Jesus in jener Nacht getan hat. Es ist uns gegeben, das Sakrament zu betrachten, welches Er eingesetzt hat, um „das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu seiner Wiederkunft fortdauem zu lassen und so der Kirche, seiner gebebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen“ (iSacrosanctum Concilium, Nr. 47). Die Augen des Glaubens betrachten, der Geist nimmt auf, das Herz frohlockt, die Zunge lobpreist: „Preise, Zunge, das Geheimnis ..." Preise, warum? Weil es sich 663 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um das Geheimnis des „glorreichen Leibes“ handelt „und des kostbaren Blutes, das der König der Völker vergoß für die Erlösung der Welt - in mundi pretium“. Lobsinge, um den äußersten Liebesakt Christi zu preisen, der sich im eucharisti-schen Sakrament zur Speise und zum Trank der Menschen macht, zum einzigen wahren Lebensquell für die Kirche und die Welt. „Nobis datus, nobis natus, / ex intacta Virgine ... - Uns gegeben, uns geboren von der reinen Jungfrau.“ Beim Betrachten des eucharistischen Geheimnisses wird der Geist geneigt, die Etappen zu durchlaufen, über die das göttliche Wort zur Vollendung seiner Heilssendung gelangt: die Fleischwerdung, die Geburt, das öffentliche Auftreten, die Lehrtätigkeit und schließlich am Abend vor seinem Leiden die Gabe seiner selbst unter den Gestalten des Brotes und des Weines: „miro clausit ordine.“ 2. Der Apostel Paulus schildert, wie das geschah: In der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, nahm Jesus ,3rot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,23-25). Thomas von Aquin kommentiert: „In supremae nocte cenae / recumbens cum fratribus ... - Als er in der Nacht des Abendmahles mit den Brüdern bei Tisch war, den heiligen Osterbrauch nach allen Regeln zu erfüllen, gab er sich den erstaunten Aposteln selbst zur Speise: Er gab sich selbst mit seinen Händen - Se dat suis manibus“! Er gab den Leib und das Blut, die im blutigen Kreuzesopfer zur Opfergabe für die Erlösung der Welt werden sollten. Er gab sich der Kirche unter den Gestalten des Brotes und des Weines für das unblutige eucharistische Opfer, durch welches das einmalige Kreuzesopfer sakramental vergegenwärtigt wird. Er gab sich zur sakramentalen Speise und zum sakramentalen Trank für das Volk des neuen und ewigen Bundes, das Volk unterwegs. 3. Wir alle kennen die Erzählung der Evangelisten: „Er nahm das Brot ..., nahm den Kelch und sagte: Das ist mein Leib, das ist mein Blut ...“ Thomas sagt es so: „Das Wort des Herrn verwajdelte Brot und Wein: Brot in Fleisch, Wein in Blut zu seinem Gedächtnis ..." Und er setzt hinzu: ,glicht die Sinne, sondern der Glauben bestätigt diese Wahrheit.“ Hab also Glauben! Glauben ist schauen: Reiß die Augen des Herzens auf! Ist in dem, was beim Letzten Abendmahl geschah, nicht eine verblüffende Logik? Ja, ist nicht genau das die Logik des ganzen Evangeliums? Auf welch andere Weise - wenn nicht so - konnte derjenige seine Sendung bekräftigen, der „die Seinen, die in der Welt waren, liebte“ und ihnen daher „seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1) erwies? Was wir jetzt leben, ist eine entscheidende Stunde, die Stunde des Glaubens, die Stunde, in der wir aufgerufen sind, das Wort Jesu in seiner Gesamtheit anzuneh- 664 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men, auch wenn es das menschliche Fassungsvermögen übersteigt; die Stunde, in der wir das „Geheimnis des Glaubens“ feiern; die Stunde, in der wir mit Petrus begreifen und wiederholen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). 4. „Tantum ergo Sacramentum / veneremur cemui...“ „Wir verehren das Sakrament, das Gott Vater uns geschenkt - was für ein großes Sakrament! - et antiquum documentum / novo cedat ritui..." Der alte, auf Mose zurückgehende Brauch sah die Feier des Ostermahls zur Erinnerung an die Befreiung Israels von Ägypten dank des an jeden Hauseingang gestrichenen Blutes des Lammes vor (vgl. Ex 12,1-8.11-14). Die erste Lesung hat es uns passend in Erinnerung gerufen. Im neuen Brauch aus dem Abendmahlssaal ist das Blut des Bundes das Blut des Heilands. Das ist das wahre Befreiungsopfer, das an die Stelle der „Gestalt“ des Alten Testaments tritt und das Neue - definitive, ewige - Testament eröffnet, in dem die Knechtschaft der Sünde endgültig abgeschafft ist. Von diesem Augenblick, von dieser Einsetzung an haben unzählige Priester die von den Lippen Jesu beim Letzten Abendmahl gesprochenen Worte wiederholt und wiederholen sie noch: „Hoc est Corpus meum ... - Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ „Hie est calix Sanguinis mei ... - das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ „Tut dies zu meinem Gedächtnis ... - Hoc facite in meam commemorationem!“ Gegenstand unauslöschlicher Erinnerung: „zu meinem Gedächtnis.“ Es ist gerade das Wunder seiner lebendigen und wirklichen Gegenwart, was wir nach den Worten des Herrn im Gedächtnis bewahren, ja erneuern sollen: „Tut dies!“ Kraft des Konsekrationsaktes befindet sich auf dem Altar das Opfer für das Heil der Welt: „In mundi pretium.“ „Durch dein Kreuz und deine Auferstehung hast du uns erlöst. Rette uns, o Heiland der Welt!“ Amen! Schlußwort nach dem Kreuzweg beim Kollosseum am Karfreitag, 5. April l.Ecce lignum Crucis ... Seht das Kreuzesholz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt. Kommt, lasset uns anbeten! Vor uns steht das Holz der Schande. Dank des Opfers Christi ist es für das Menschengeschlecht zum Zeichen des Heils geworden. Der Karfreitag ist der Tag, der das Geschick der Menschheit umwandelt. 665 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In einen Abgrand des Schmerzes und der Liebe versenkt, feiert die Kirche heute nicht die Eucharistie, sondern sie verweilt, nachdem sie den Passionsbericht nach Johannes gehört hat, in Anbetung vor dem Kreuz. Und heute abend versammeln sich Gläubige Roms und Pilger aus jedem Kontinent an dieser Stätte beim Kolosseum in Erinnerung an das Opfer so vieler Märtyrer der ersten Jahrhunderte. Hier denken sie nach über die Passion des Herrn und über das Leiden von Männern und Frauen aus allen Zeitaltern. Eine lange Spur von Schmerz und Blut durchzieht die Geschichte. Blut und Leiden zeichnen auch heute das Geschehen unserer Zeit. Wie sollte man zum Beispiel nicht besorgt sein angesichts der erschütternden „Verschwörung gegen das Leben“ mit der zunehmenden und sich zuspitzenden Bedrohung von Menschen und Völkern, vor allem, wenn das Leben schwach und wahrlos ist? „Zu den alten schmerzlichen Plagen von Elend, Hunger, endemischen Krankheiten, Gewalt und Kriegen gesellen sich andere unbekannter Art und von beunruhigenden Ausmaßen“ (Evangelium vitae, Nr. 3). Seht das Kreuzesholz. Kommt, lasset uns anbeten! 2. Schweigend betrachten wir das Kreuz, dem der flehende Ruf der heutigen Liturgie gilt: „Treues Holz, vor allen Bäumen Einzig du an Ehren reich; Denn an Zweigen, Blüten, Früchten Ist im Wald kein Baum dir gleich. Süßes Holz, o süße Nägel! Süße Last beschweret euch.“ Der Text dieses alten Hymnus erinnert daran, daß die Fracht des Kreuzesbaumes die Erlösung der Welt ist. Wie vielsagend ist die schweigende Botschaft des Kreuzes! „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Seht das Kreuzesholz. Kommt, lasset uns anbeten! 3. Mit ausdrucksvollem Flehen sich an das Kreuz wendend fährt das Lied fort: „Neige, hoher Baum, die Äste, Deine Fasern beug erschlafft; Deine Härte soll verschwinden, Die der Ursprung dir verschafft; Deines hohen Königs Glieder Spanne aus auf zartem Schaft.“ Ausdrücke des Mitleids, die das Empfinden der Schmerzensmutter auszusprechen scheinen. In Gedanken scharen sie uns um Jesus, der vom Kreuz abgenommen ist, wie es die dreizehnte Station des Kreuzwegs darstellt. Der Hymnus versucht, die Gedanken der heiligen Jungfrau zu deuten, die, den Leib des toten Sohnes in den 666 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Annen haltend, in Ihrer Erinnerung noch einmal die ganz anderen Empfindungen von Betlehem durchlebt: „Eingeschlossen in der engen Krippe, wimmert er als Kind, da in Windeln seine Glieder Ihm die Jungfrau Mutter wind’t..." Mit Maria über die Leiden Christi geneigt, mahnt die Kirche den Menschen von heute, auf den Straßen der Weit bei denen, die in Leiden und Prüfung sind, zum „guten Samariter“ zu werden. 4. Seht das Kreuzesholz: Seht die Antwort auf den Schmerz des Menschen! In diesem Zeichen der Liebe, ins Herz der Geschichte und der Welt gepflanzt, findet sich der entscheidende Weg des Heils. Und so fährt das Lied fort: „Du allein warst ausersehen Zu des Lammes Schlachtaltar, Zu der Arche, die entrissen Uns des Untergangs Gefahr, Zu dem Pfosten, der vom Blute Heil’gen Lamms bezeichnet war.“ Ja, wir sind wahrhaft um teuren Preis erkauft! Um den Preis der Liebe. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“, bringt der hl. Johannes in Erinnerung (13,1). Das Lied sagt dazu: „Da als Mensch auf dieser Erde Er vollendet dreißig Jahr, Sieh, da gibt er als Erlöser Willig sich dem Tode dar, Und das Gotteslamm als Opfer Wird erhöht am Kreuzaltar.“ 5. So schließt der Karfreitag 1996 am Kolosseum in Rom. Der Leib Christi ist Ins Grab gelegt. Nun ist alles still. Die Kirche verweilt im Gebet vor dem versiegelten Grabstein, und im Glauben ruft sie aus: „Der Herr des Lebens kennt nicht die Verwesung des Todes. “ Amen! 667 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vielfältiger und grenzenloser Einsatz für den Frieden Ansprache bei der Begegnung mit der Gemeinschaft von Sant’Egidio am Karsamstag, 6. April Liebe Brüder und Schwestern der Gemeinschaft von S. Egidio! 1. Ich freue mich ganz besonders, daß ich Euch bei Eurem traditionellen Ostertreffen begegnen kann. Ihr seid aus verschiedenen Ländern der Welt hierher nach Rom gekommen, wo die Gemeinschaft von S. Egidio entstanden ist und weiterhin einen wertvollen Pastoraldienst entfaltet. Ich weiß, daß sich in San Salvador die mittelamerikanischen und in Yaounde die afrikanischen Gemeinschaften treffen: auch ihnen sende ich einen herzlichen Gruß. Dieses Euer Treffen am Osterfest, an dem wir wieder neu die zentralen Geheimnisse unseres Glaubens leben, ist eine glückliche Gelegenheit, daß Ihr gemeinsam die Freude erfahren könnt, Euch von Christus, dem Sieger über Sünde und Tod, erlöst zu wissen. 2. Vor einigen Jahren sagte ich Euch bei Eurem Treffen anläßlich Eures zwanzigjährigen Bestehens, daß Eure Gemeinschaft sich für ihren Einsatz keine Grenze gesteckt habe als die der Liebe. Ich freue mich, daß Ihr auf diesem Weg weitergeht. Heute aber möchte ich Euch noch eine andere „Grenze“ für Euer Bemühen abstecken: nämlich die des Friedens. Es ist ein eng mit der Liebe verbundener Bereich, und auch er ist so umfangreich, daß er die ganze Welt umfaßt. Ganz zu Recht kennzeichnet er das Leben Eurer Gemeinschaft, wie übrigens das einer jeden kirchlichen Wirklichkeit. „Friede sei mit euch!“ (Lk 24,36), sagt Jesus zu den Aposteln, die sich im Abendmahlssaal eingeschlossen hatten, am Tag seiner Auferstehung. „Friede“ ist nach dem Lukasevangelium das erste Wort des Auferstandenen an die elf. Es ist daher tief ins Herz der Kirche und ihrer Sendung zu den Menschen eingeschrieben. Aber gerade dieses Wort „Friede“ lebt - wenn auch oft nicht in seinem ganzen Reichtum begriffen, den nur der Glaube geben kann - im Wunsch und in der Erwartung so vieler Völker der Erde, die noch dem Druck des Krieges und der Gewalt, der Ungerechtigkeit und der Gleichgültigkeit ausgesetzt sind. 3. Ihr erinnert Euch wohl an das, was ich im Oktober 1986 in Assisi sagte hinsichtlich des Friedens und der Notwendigkeit von erleuchteten und hochherzigen Arbeitern für den Frieden. Ich bin Euch dankbar, daß ihr Euch bemüht habt, die Botschaft jenes Treffens aufzugreifen, dessen zehnter Jahrestag in diesem Jahr wiederkehrt, und daß Ihr mit den von Eurer Gemeinschaft unternommenen Initiativen versucht habt, seinen Geist wachzuhalten. Eure Arbeit für den Frieden nimmt verschiedenartige Gestalt an, je nach dem, in welcher Umgebung sie sich 668 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN entfaltet. Entscheidend ist, daß sie immer hervorgeht aus der Treue zum Evangelium und zu den Armen, mit denen Christus sich identifiziert hat. 4. Es besteht ein tiefer Zusammenhang zwischen dem Osterereignis, das wir in diesen Tagen wieder leben, und dem Einsatz für den Frieden: ein Zusammenhang, der jeden verpflichtet, der im Glauben eine echte Erfahrung des auferstandenen Christus macht. Möge Eure Gemeinschaft sich dessen immer mehr bewußt werden und jedes Mitglied so formen, daß es ein wahrer Baumeister des Friedens sei! Dies ist heute, an dieser Ostervigil, mein Wunsch für Euch alle, die Ihr hier anwesend seid, und an alle Eure Gemeinschaften überall in der Welt. Mit einem besonderen, von Herzen kommenden Segen. Keine Angst vor dem Licht Christi! Predigt bei der Feier der Ostemacht am Karsamstag, 6. April 1. Lumen Christi! „Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt“ (Joh 1,5). So lautet der Prolog des Johannesevangeliums, der das Drama der Absage an Christus im Augenblick seines Eintritts in die Welt klar zusammenfaßt. Aber in dieser Nacht, in der Ostemacht, ereignet sich - gemäß den Schriften und entgegen jeder menschlichen Erwartung - das Gegenteil: Das Licht überwindet die Finsternis. Das bedeutet die erste symbolische Geste der Feier der Ostemacht: Der Diakon trägt die Kerze - Symbol Christi, des Lichtes der Welt - in die dunkle Basilika hinein. An dem „neuen Feuer“ dieser Kerze werden einige Kerzen und an diesen wiedemm nach und nach die Kerzen aller Gläubigen entzündet, bis das Gotteshaus in hellem Licht erstrahlt. Dann singt der Diakon das Osterlob, den Hymnus an Christus, das Licht. In der Nacht erklingt der Lobpreis an den Erlöser, der uns aus der Finsternis in das wunderbare Licht Gottes gerufen hat (vgl. 1 Petr 2,9). 2. „O felix culpa, quae talem ac tantum meruit habere Redemptorem! O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!“ (Osterlob). So groß sind die Freude und das Staunen über das empfangene, geschenkte Heil, daß selbst die Schuld gepriesen wird! Denn was ist die Finsternis, wenn nicht das Symbol der Sünde und des Todes? Und was ist das Licht, wenn nicht das Symbol des Lebens, das den Tod besiegt? Die Ostemacht, die „gesegnete Nacht“ (beata nox), ist Zeugin dieses Sieges. „Es gingen die drei Marien / und brachten kostbare Öle, / um den Leichnam Christi zu salben / und ihm Lob und Ehre zu erweisen. / Auf dem Weg sagten sie 669 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zueinander: / Dort ist ein großer Stein, / wer wird ihn uns wegwälzen?“ (aus einem alten polnischen Osterlied). Die Frauen, die als erste zum Grab gekommen waren, sahen, daß der Stein vor dem Grab schon weggewälzt worden war. Und es erschien ihnen ein Engel und sagte zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden“ (Mt 28,5-6). Zu Ostern weichen die Symbole der Wirklichkeit: „Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt“ (Joh 1,5): Das Leben wurde getötet, ans Kreuz geschlagen. Aber „in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh 1,4). Und jetzt erstrahlt im auferstandenen Christus das Licht wider. Lumen Christi. Es war notwendig, daß „eine Finsternis im ganzen Land“ herrschte (Mt 27,45), damit das Licht in seinem ganzen Glanz erstrahlte. Das Leben mußte sterben, damit es alles beleben konnte. 3. In der Ostemacht wendet sich die Kirche an die Katechumenen, die sich anschicken, die Taufe zu empfangen, mit den Worten des Apostels Paulus: „Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, (sind) auf seinen Tod getauft worden. Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben ... Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden ... So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus“ (vgl. Röm 6,3-4.8.11). Diese Worte gelten in besonderer Weise für Euch, liebe Brüder und Schwestern, die Ihr in Kürze getauft und mit dem heiligen Chrisam bezeichnet werdet. Zum ersten Mal werdet Ihr die heilige Eucharistie empfangen. Mit besonderer Liebe entbiete ich Euch meinen Gruß! Durch Euch möchte ich die Kirchen und Länder grüßen, aus denen Ihr herkommt: Südkorea, Frankreich, Japan, Italien, die Volksrepublik China, die Vereinigten Staaten von Amerika und Vietnam. Das Licht Christi leuchtet allen Völkern, und ihr seid bei dieser Feier in gewisser Weise das Echo der Nationen der ganzen Welt auf die Neuevangelisierung. In der Tatsache, daß sieben von Euch - ihr seid insgesamt zehn - aus Asien kommen, dürfen wir ein Zeichen für den sehnsüchtigen Wunsch Christi und der Kirche erkennen, den Völkern und Kulturen dieses riesigen Kontinents zu begegnen, der reich an Geschichte und edlen Traditionen ist. Keiner habe Angst vor dem Licht Christi! Sein Evangelium ist ein Licht, das nicht einengt, sondern alles in jeder menschlichen Kultur vorhandene Wahre, Gute und Schöne weiterentwickelt und voll entfaltet. Das Evangelium Christi ist für den Menschen, für das Leben, der Frieden und die Freiheit jedes Menschen und des ganzen Menschen. Dafür seid Ihr, liebe Katechumenen, selbst Zeugen, erfüllt vom Heiligen Geist, der in wenigen Augenblicken in Fülle in eure Herzen eingegossen wird. 670 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Taufe bedeutet „eintauchen“. Getauft werden heißt „eingetaucht“ werden in das Geheimnis der Liebe Gottes, die aus dem durchbohrten Herzen des Gekreuzigten strömt. Die Feier der Ostemacht ist im Kirchenjahr der Zeitpunkt der Taufe schlechthin. Hier vereinigt sich das Symbol des Lichtes mit dem Wasser und erinnert daran, daß wir alle aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren sind, um an dem neuen Leben teilzuhaben, das sich durch die Auferstehung Christi offenbart hat. „In ihm ist das Leben, und das Leben ist das Licht der Menschen“ (vgl. Joh 1,4). O vere beata nox! / O wahrhaft gesegnete Nacht, / du bringst den Menschen das Licht Christi! / O Nacht, du erstrahlst über alle Grenzen hinweg, / erhelle mit Hoffnung und Frieden / alle Enden der Erde! Amen. Gottes Macht gibt neuen Lebenssinn Botschaft Urbi et Orbi am Ostersonntag, 7. April 1. Surrexit Dominus de sepulchro qui pro nobis pependit in ligno. Erstanden ist Er, der für uns ans Kreuz genagelt wurde; verlassen hat der Herr das Grab. Das sind die letzten und endgültigen Worte der Tage des Triduum Sacrum. Nach den Worten beim Letzten Abendmahl, dem Gebet am Ölberg und den Worten am Karfreitag. - „Ecce lignum Crucis, in quo salus mundi pependit.“ - Nach dem tiefen Schweigen des Karsamstag erklingt am Ostermorgen die Botschaft: „Surrexit, non est hic“ (Mk 16,6). „Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn (denen) erscheinen lassen“ (Apg 10,40), die Zeugen seiner Auferstehung sein sollten (vgl. Apg 3,15). Er, der am Kreuz starb, lebt: „Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen“ (Lk 24,24). Heute gibt der Nachfolger des Petras erneut Zeugnis von der Auferstehung des Herrn. Pascha Domini Iesu Christi: Brüder und Schwestern, es ist das Ostern des Herrn des Jahres 1996 kurz vor Beginn des dritten Jahrtausends. 2. „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden“ (Ps 118,22: vgl. Mt 21,42). „Der Stein, der verworfen“, der Stein, der abgewiesen wurde! Könnte man das, was am Karfreitag geschah, besser ausdrücken? „Weg mit ihm, kreuzige ihn!“ hatten sie geschrien. ,Huren König soll ich kreuzigen?“ hatte Pilatus gefragt. „Wir haben keinen König außer dem Kaiser“, hatten die Hohenpriester geantwortet (Joh 19,15). „Er muß sterben, weil er sich als Sohn Gottes ausgegeben hat“ (vgl. Joh 19,7). Und er ist gestorben, der Sohn Gottes! Wir haben den Todeskampf des „Urhebers des Lebens“ (Apg 3,15) verfolgt. Wir haben sein schmachvolles Ende am Kreuz festgestellt. 671 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Und heute? Wenn das Grab leer ist, wenn er lebt, hat sich dann nicht bewahrheitet, was der römische Hauptmann, der sah, wie Christus starb, erklärt hatte: „Wahrhaftig, das war Gottes Sohn“ (Mt 27,54)? Und wenn er auferstanden ist, ist er in der Menschheitsgeschichte nicht wahrhaftig der Eckstein und der Schlußstein des göttlichen Bauwerkes? Ja! Gott selbst erbaut auf ihm den Neuen Bund des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Den Bund des Lebens und der Unsterblichkeit: denn „der Herr des Lebens kennt nicht die Verderbnis des Todes 4. „Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ (Ps 118,23). Ja! Wir sind Zeugen des Wunders; Zeugen der Macht Gottes. Der göttlichen Macht, die offenbartes und mitgeteiltes Leben ist, um dem Dasein und den Erwartungen der Menschen auch in unserer Zeit einen neuen Sinn zu geben. Der Macht, die das Gute enthüllt und das Böse und seine dramatischen Folgen anklagt. Der göttlichen Macht, die ein Quell neuer Kraft ist, fähig, auch die verhärteten Herzen zu erweichen und neuen Mut zu wecken in allen, die vom Weg abgekommen sind und ziellos als Wanderer im Nichts umherirren. Der göttlichen Macht, die die Voraussetzung der wahren Freiheit des Menschen ist, dem sie heute und immer verkündet: Die Liebe hat den Haß überwunden. 5. Christus, der Auferstandene, der Erlöser des Menschen, erleuchte und führe alle, die jeden Tag und an jedem Ort der Erde unter dem Preis großer Opfer Frieden bauen. Du Sieger über den Tod, unterstütze die Bauleute der Gerechtigkeit und des Friedens in Bosnien-Herzegowina, in Irland und in Nahost, besonders im Heiligen Land, wo die Hoffnungen auf ein friedliches Zusammenleben immer noch zerstört werden durch Anwendung von Macht und Gewalt. Ermutige die, die den Fatalismus der ethnischen Rivalitäten in Burundi und in Ruanda ablehnen. Lindere die Leiden derer, die von der Waffengewalt unterdrückt werden im Kaukasus, in Afghanistan, in Algerien, im Sudan und in vielen anderen Teilen der Welt. Möge die Hoffnung nicht erlöschen in all denen, die - in Afrika, in Lateinamerika, in Asien und in Europa - darauf vertrauen, daß ihre berechtigten Bestrebungen nach Arbeit, Wohnung, größerer sozialer Gerechtigkeit und wahrhafter Gewissens- und Religionsfreiheit endlich erfüllt werden, obwohl sie manchmal durch die Unduldsamkeit gerade von Anhängern anderer Religionen eingeschränkt wird. 6. Surrexit Dominus: Der Herr ist auferstanden und schenkt allen, die an seinem Sieg über den Tod teilhaben, den Mut und die Kraft, weiterhin eine neue Menschheit aufzubauen durch den Verzicht auf jede Form von Gewalt, Sektierertum und Ungerechtigkeit. Der Herr des Lebens ist auferstanden mit Macht und bringt Liebe und Gerechtigkeit, Achtung, Vergebung und Versöhnung. Er, der die Welt aus dem Nichts ins Dasein gerufen hat, nur er konnte das verschlossene Grab aufbre- 672 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen, nur er konnte zum Keim neuen Lebens werden für uns, die wir dem allgemeinen Gesetz des Todes unterworfen sind. „Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen?“ (Mk 16,3), fragten die Frauen, während sie in aller Frühe zum Grab gingen, in das der Herr gelegt worden war. Auf diese Frage, die von den Menschen aller Zeiten, aller Länder, Kulturen und Erdteile wiederholt wird, antwortet der Bischof von Rom auch in diesem Jahr mit der Botschaft „Urbi et Orbi“: „Scimus Christum surrexisse a mortuis vere ...“ Ja, wir wissen mit Gewißheit, daß Christus wirklich von den Toten auf erstanden ist: Du, König und Sieger, erbarme dich unser. Amen. Halleluja! Unsere Begegnung ist Hoffnungszeichen für eine Welt auf der Suche nach authentischen Werten Ansprache während der Audienz für den Oberrabbiner Prof. Elio Toaff, zehn Jahre nach dem historischen Besuch des Papstes in der Synagoge von Rom, am 15. April 1. Mit Freude richte ich meinen herzlichen Gruß an Sie, Herr Oberrabbiner von Rom, an die hohen Vertreter der jüdischen Religionsgemeinschaft, die Sie begleiten, und an Sie alle, liebe Freunde. Ich bin Ihnen für diesen Besuch dankbar, der in mir Gefühle der Rührung erweckt. Lassen Sie uns gemeinsam dem Allmächtigen Dank und Lob zollen, der uns diesen segensreichen Augenblick zu erleben gestattet. Als ich - es ist nun zehn Jahre her - die Freude hatte, mich zu einem Besuch in die jüdische Gemeinde dieser geliebten Stadt zu begeben, die um Sie, Prof. Elio Toaff, in der „Großen Synagoge“ versammelt war, wurde mir eine Aufnahme und Gastfreundschaft zuteil, die von jener Hochachtung gegenüber dem anderen gekennzeichnet waren, welche nur aus der Neigung des Herzens entstehen kann. Heute erlauben Sie mir mit Ihrem Kommen, dieselbe Erfahrung von neuem zu durchleben, indem Sie mir gestatten, Sie in meinem Haus zu empfangen, wie Sie mich in Ihrem empfangen haben; es ist mir so gegeben, Ihnen mein Herz zu öffnen und diese meine Freudengefühle auf die ganze jüdische Gemeinde Roms und die jüdische Religionsgemeinschaft in der Welt auszudehnen. 2. Die Initiative, konkret an meinen Besuch in der Synagoge vom 13. April 1986 zu erinnern, ist äußerst gelegen. Denn wenn es wahr ist, daß das Gedenken nährender Schwerpunkt jedes Jahrestages ist, so gilt gleichfalls, daß es im Bereich der jüdisch-christlichen Beziehungen eine besondere Bedeutung hat. Wie ich Gelegenheit hatte, zu bestätigen, gibt es keine Zukunft ohne Erinnerung an die Vergangenheit (.Angelus am Sonntag, 11. Juni 1995). Unsere heutige Begegnung -zum Andenken an die vergangene, ebenso bedeutende - entspringt dem Wunsch, 673 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gemeinsam einer Zukunft mit neuem Gepräge in bezug auf die Vergangenheit Gestalt zu verleihen. Das Klima aufrichtiger Freundschaft, das zwischen uns entstanden ist, die Gefühle brüderlicher Fürsorge der einen für die andern, die uns bewegen, sind die grundlegenden Voraussetzungen jenes Prozesses der wechselseitigen Aufnahme, der eine ruhige Zukunft für alle bereitet. Dieses Uns-Treffen stellt ein Zeichen der Hoffnung für eine Welt dar, die in Angst nach authentischen Werten menschlicher Brüderlichkeit sucht. Wir haben vor, beispielhaft dafür zu sein: Und unsere Brüderlichkeit ist um so realer, als sie in einem gemeinschaftlichen geistlichen Vermächtnis wurzelt, das außerordentlich reich und tief ist. Der neue Geist der Freundschaft und gegenseitigen Zuneigung, der die katholischjüdischen Beziehungen kennzeichnet, kann das wichtigste Symbol bilden, welches Juden und Katholiken einer unruhigen Welt zu bieten haben, die sich nicht entschließen kann, den Vorrang der Liebe über den Haß anzuerkennen. Die Fragen des Allerhöchsten in dem Buch Genesis: „Wo bist du?“, „Wo ist dein Bruder?“ (Gen 3,9; 4,9) ertönen weiterhin auch in unserer Welt und regen die Menschen von heute an, sich zu begegnen, sich gegenseitig kennenzulemen, die einen von den andern zu lernen. Sie halten sie dazu an, die gemeinsamen Herausforderungen der Geschichte miteinander zu beantworten, um zufriedenstellende Lösungen der anstehenden Probleme zu erarbeiten. 3. Liebe Freunde, zu Anfang unseres Treffens habe ich gesagt, daß Ihr Besuch von heute ein Segen ist. Mein Wunsch ist, daß er die Gnade Gottes nicht nur uns und unseren Gemeinden, sondern auch der gesamten Menschheit geneigt machen möge. Ich danke Ihnen nochmals mit dem Ausdruck, der Ihnen vertraut ist: „Todä rabbä“: einem Ausdruck, den ich zu meinem mache, um zu zeigen, wie sehr ich mich Ihnen nahe fühle. Es geht um Christus Botschaft zur Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier vom 18. April Meinem verehrten Bruder im Bischofsamt Hermann Josef Spital, Bischof von Trier Lieber Mitbruder! Seit Jahrhunderten verehren die Gläubigen von Trier und weit darüber hinaus die Tunika Christi, die am l.Mai 1196 in den Hochaltar des Ostchores im Trierer Dom gelegt wurde. Die gläubige Überlieferung weiß zu berichten, daß Kaiserin Helena Bischof Agritius im 4. Jahrhundert dieses Kleid anvertraut hat, damit er es wie ein kostbares Erbe hüte und bewahre. Diese Überlieferung sieht im Heiligen Rock jenes Gewand, das nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums bei der Kreuzigung unseres Herrn nicht zerteilt, sondern durch Los an einen der Soldaten 674 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weitergegeben wurde. Ausdrücklich bemerkt der Evangelist: „Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war“ (Joh 19,23). Er sieht in diesem Kleid ein Symbol für das Sammeln der Gotteskinder in der Einheit des Leibes Christi, die am Kreuz gebildet und durch das Werk der Erlösung aus der Seite des sterbenden Christus geboren wurde. Mein Vorgänger Johannes XXffl. hat am Vorabend des Zweiten Vatikanischen Konzils bei der Wallfahrt des Jahres 1959 ausdrücklich auf dieses ungenähte Gewand Christi als ,3üd und Gleichnis der erhabenen Einheit der Kirche“ hingewiesen. Am Vorabend der großen Glaubensspaltung in der abendländischen Christenheit hatte Erzbischof Richard von Trier auf Bitten des Kaisers Maximilian das Gewand zur öffentlichen Verehrung ausgestellt. Was unter dem Bild dargestellt wurde, zerbrach in der Wirklichkeit: die abendländische Kirche spaltete sich. Das große Anliegen Jesu, die Einheit der Seinen, die er vom Vater am Abend vor seinem Leiden für seine Jünger erbeten hat, wird angesichts dieser schmerzlichen Tatsache um so dringlicher. Deshalb habe ich mit großer Freude davon Kenntnis erhalten, daß die diesjährige Heilig-Rock-Wallfahrt von den Schwestern und Brüdern aus anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften mitgetragen wird. Mögen das gemeinsame Gebet und das vielfältige Bemühen dazu beitragen, jener Einheit näherzukommen, um die Christus gebetet hat und die der Heilige Rock sichtbar darstellt. Das Leitwort der Wallfahrt ,Mit Jesus Christus auf dem Weg“ greift Überlegungen auf, die ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente behandelt habe. Jesus Christus ist der Urheber und Vollender unseres Glaubens; er bleibt derselbe „gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hehr 13,8). Die Wallfahrt kann so im Zugehen auf die Jahrtausendwende ein Bekenntnis aller sein, die nach Trier pilgern: auf dem Weg in das nächste Jahrtausend geht Jesus Christus mit uns als Bruder und Herr, als Meister und Lehrer, als Freund und Weggefährte. Die geistlichen Übungen, die Erneuerung der eucharistischen Anbetung in den Gemeinden und Gemeinschaften der Diözese und alle Mühen während der Wallfahrt dienen der Vertiefung unserer Verbindung mit Jesus Christus. Möge das Wort des Apostels aus dem Epheserbrief'm Erfüllung gehen: „Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen. In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt“ (Eph 3,17-19). Nur aus der Erneuerung der Beziehung zu ihm wächst die Kirche und wird das dritte Jahrtausend ein christliches werden. In meinem Apostolischen Schreiben zur Jahrtausendwende nehme ich ausdrücklich Bezug auf die „Wiederentdeckung der Taufe“ (Tertio millenio adveniente, Nr. 41). Das Wort des Apostels Paulus aus dem Galaterbrief: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt“ (3,27) soll ein prägendes Wort der Heilig-Rock-Wallfahrt 1996 sein. Das Kleid, das als Tunika Christi im Trierer Dom verehrt wird, erinnert uns nicht nur an die Menschwerdung unseres Erlösers und an 675 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sein Leiden am Kreuz. Es erinnert uns auch nicht nur an die Einheit der Kirche, sondern grundlegend an das Geschehen der Taufe, bei der wir Christus angezogen haben. Deshalb steht dieses Apostelwort auch in tiefem Zusammenhang mit dem ökumenischen Akzent der Wallfahrt. Die Erinnerung an die Taufe, die gerade die österliche Zeit prägt, in die Eure Wallfahrt fällt, gehört wesentlich zur inneren Sinnrichtung unserer irdischen Pilgerschaft und erst recht einer Wallfahrt, die unter dem Leitwort steht, Mit Jesus Christus auf dem Wege“. In dankbarer Erinnerung darf die Kirche von Trier auf ihre lange Geschichte des christlichen Glaubens zurückblicken. Viele Frauen und Männer werden als Heilige verehrt, die dieses Bistum geprägt haben. So sei daran erinnert, daß große Kirchenväter in Verbindung mit Trier stehen: der hl. Ambrosius, der in Ihrer Bischofsstadt geboren wurde und Bischof von Mailand war; der hl. Hieronymus, der dort studiert hat; der hl. Athanasius, der zweimal in der Verbannung in Ihrer Stadt Gastfreundschaft gefunden hat. Ferner ist daran zu erinnern, daß im Jahre 1996 sich der 1500. Jahrestag der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig durch Bischof Remigius von Reims jährt, einen Heiligen, der im Bistum Trier besondere Verehrung genießt. Der große Frankenbischof Martin von Tours war mehrfach in Trier zu Besuch und hat sich für die Rechte der Verfolgten beim Kaiser eingesetzt. Ihm sind sehr viele Kirchen im Bistum geweiht. Unter den vielen seien nur noch die beiden in diesem Jahrhundert Seliggesprochenen genannt: Bruder Peter Friedhofen, der Gründer der Gemeinschaft der Barmherzigen Brüder von Maria Hilf, und Schwester Blandine Merten. Das Zeugnis der Laien kommt in dem verehrungswürdigen Lebensbeispiel des Bankdirektors Hieronymus Jaegen zum Ausdruck, dessen Seligsprechungsprozeß noch nicht zu Ende geführt ist. Das sind die Heiligen, von denen der Epheserbrief spricht und mit denen zusammen die Christen der Gegenwart fähig sein sollen, die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. Die Wiederbelebung der eucharistischen Anbetung im Bereich der Diözese ist Ihnen ein wichtiges Anliegen. Dabei geht es Ihnen insbesondere um das Gebet für geistliche Berufe, um das Gebet für die Verlebendigung der Gemeinden und für ein glaubwürdiges Zeugnis der Christen in der Welt von heute. Damit greifen Sie die Anhegen Jesu Christi auf, der ausdrücklich betont: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Mt 9,37-38). In seinem Hohenpriesterlichen Gebet am Abend vor seinem Leiden bittet er den Vater: „Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ {Joh 17,20-21). Die Geschichte Ihres Bistums ist ausdrücklich verbunden mit der Geschichte der europäischen Nachbarländer. Trier war als Metropolitansitz verantwortlich für die Bistümer Metz, Toul und Verdun. Der geschwisterliche Austausch mit der Kirche von Luxemburg hat viel zum Frieden in Europa beigetragen. Deshalb ist es sehr erfreulich, daß bei der 676 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wallfahrt 1996 die Nachbardiözesen aus Luxemburg, Belgien und Frankreich zu Gast in Trier sind. Mit diesem Engagement unterstützen sie unser aller Anliegen um die Einheit in Europa und ein glaubwürdiges Zeugnis der Christen, das Mühen um eine neue Evangelisierung des Abendlandes aus dem Geist heraus, der seine Ursprünge gekennzeichnet hat. Auch die Verbundenheit mit der Weltkirche, die für das Bistum Trier in der Partnerschaft mit den Kirchen Boliviens einen eigenen Akzent trägt, ist ein Zeugnis für die missionarische Kraft, das ausdrücklich zu würdigen ist. Der Apostel Matthias, der als Patron des Bistums Trier verehrt wird und dessen Grab dort gehütet wird, gehört zu jenen ersten Glaubens boten, denen der Auferstandene den Auftrag erteilte, in alle Welt zu gehen und das Evangelium allen Völkern zu bringen. Mit diesem Apostel Zeuge der Auferstehung zu sein und mit Jesus Christus auf dem Weg in das nächste Jahrtausend zu gehen, wie die Emmaus-Jünger es getan haben, obwohl sie die Erfahrung von Ratlosigkeit und Verzweiflung machten, möge der innere missionarische Impuls der Trierer Christuswallfahrt sein. Dazu erteile ich Ihnen, lieber Mitbruder, allen Priestern, Diakonen, Ordensleuten und allen Gläubigen Ihres Bistums sowie allen, die in diesen Wochen nach Trier pilgern, von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 18. April 1996 Apostolisches Schreiben zum dreihundertfünfzigjährigen Bestehen der Union von Uzhorod vom 18. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Zunächst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündet wird. Denn Gott, den ich im Dienst des Evangeliums von seinem Sohn mit ganzem Herzen ehre, ist mein Zeuge: Unablässig denke ich an euch“ (Rom 1,8-9). Das erfreuliche Jubiläum der vor dreihundertfünfzig Jahren zustande gekommenen Union von Uzhorod stellt ein bedeutendes Ereignis auf dem Weg einer Kirche dar, die mit jenem Akt die volle Einheit mit dem Bischof von Rom wiederherstellen wollte. Es ist daher wohl verständlich, daß auch ich den Dank an Gott und die Freude derer teile, die jenes bedeutsamen Ereignisses gedenken. Die Fakten sind bekannt: am 24. April 1646 wurden 63 byzantinische Priester der Eparchie Mukacevo, angeführt von dem Basilianermönch Partenius Petrovyc, in der Kirche der Burg von Uzhorod in Anwesenheit des Bischofs von Eger, Georg Jakussics, in die volle Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri aufgenommen. Das war keine vereinzelte Geste. Vielmehr fügte es sich ein in jenen Weg zur Wiedervereinigung zwischen den Kirchen, der seinen Höhepunkt im Konzil von Flo- 677 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN renz (1439) gefunden hatte, als die Dekrete über die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft der orientalischen Kirchen mit der Kirche Roms unterschrieben wurden. Es war in der Tat der ruhmreiche Metropolit Isidoros von Kiew, der nach seiner Rückkehr vom Konzil in Florenz in der Karpatenregion zum Herold der wiedererlangten vollständigen Einheit wurde. Im Jahr 1595 trafen die Repräsentanten des Metropoliten von Kiew mit Papst Clemens VIII. zusammen; und ein Jahr später, 1596, wurde mit der Absicht, die in Florenz erlangte Vereinbarung tatsächlich zu erfüllen, die Union von Brest verkündet. Schon bald erreichte der vom ökumenischen Konzil in Florenz ausgehende Anstoß den Karpatenraum und nahm, nach Überwindung anfänglicher Schwierigkeiten, in der Union von Uzhorod konkrete Gestalt an. Das in den fruchtbaren Boden von Mukacevo gesäte Senfkorn des Evangeliums entwickelte sich mit der Zeit zu einem Baum, in dessen Schatten sich eine große Schar von Gläubigen byzantinischer Tradition zusammenfand. Papst Clemens XIV., der diese Tatsache zur Kenntnis nahm, errichtete am 19. September 1771 mit der apostolischen Konstitution Eximia regalium principum <291> die griechisch-katholische Eparchie Mukacevo, deren Sitz dann wenige Jahre später in das nahegelegene Uzhorod verlegt wurde. <291> Vgl. Bullarium Romanum IV/3 (1769-1774), 373-376. Aus dem kräftigen Baum entstanden in der Folge gleichsam als blühende Schößlinge neue Kirchenbezirke: die Eparchien Krizyevci (1777), Presov (1818) und Hajdüdorog (1912). Inzwischen hatte der Auswanderungsstrom von Gläubigen aus jener Union nach Übersee stark zugenommen. Der Heilige Stuhl, stets darauf bedacht, Gottes Pläne wahrzunehmen und zu unterstützen, errichtete für diese Gläubigen in den Vereinigten Staaten von Amerika die byzantinische Metropolie von Pittsburgh (1969) mit den Suffragan-Eparchien Passaic (1963), Parma (1969) und Van Nuys (1981). Die gemeinsame Freude der verschiedenen, aus der Union von Uzhorod hervorgegangenen Eparchien bei der Feier des Ereignisses, das die Grundlage ihrer kirchlichen Identität bildet, ist eine wertvolle Gelegenheit, sich wieder der aus dem gemeinsamen Ursprung stammenden Bande bewußt zu werden und jenen brüderlichen Austausch und jene Zusammenarbeit zu stärken, die durch die dramatischen geschichtlichen Ereignisse so lange Zeit verhindert worden waren. 2. Auch wenn man die Union von Uzhorod in die Auswirkungen der Beschlüsse des Konzils von Florenz einreihen muß, ist es sicher nicht willkürlich, sie auch in engen geistlichen Zusammenhang mit dem Umfeld zu stellen, in dem die Mission der Slawenapostel, der hll. Cyrill und Methodius, stattfand, deren Verkündigung sich von Großmähren bis hin zum Karpatengebirge ausbreitete. Die Gläubigen der Kirchen, die von der Union von Uzhorod abhängen, fühlen sich daher mit Recht als stolze Teilhaber am Erbe von Cyrill und Methodius. 678 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich habe bereits auf den außerordentlichen Wert des Evangelisierungswerkes hingewiesen, das von Cyrill und Methodius sowohl in Einheit mit der Kirche von Konstantinopel wie mit dem Römischen Stuhl vollbracht worden ist, <292> wobei ich außerdem unterstrich, daß „der glühende Eifer der beiden Brüder [...] für die Bewahrung der Einheit des Glaubens und der Liebe zwischen den Kirchen, deren Mitglieder sie waren, das heißt der Kirche von Konstantinopel und der Kirche von Rom auf der einen und den jungen Kirchen auf slawischem Boden auf der anderen Seite, ihr großes Verdienst war und immer bleiben wird“. <293> Die Verkündigung des Evangeliums in voller Gemeinschaft unter den Christen stellt somit die niemals erloschene Sehnsucht dar, die seit den Zeiten des heiligen Brüderpaares die Geschichte der auf slawischem Boden entstandenen Kirchen, wenngleich in unterschiedlicher Weise, prägt. <292> Vgl. Apostol. Schreiben Egregiae virttitis (31. Dezember 1980), 1: AAS 73(1981)258. <293> Enzyklika Slavorum Apostoli (2. Juni 1985), Nr. 14: AAS 77(1985)796; vgl. Apostol. Schreiben Orientale lumen (2. Mai 1995), Nr. 3: AAS 87(1995)747. In der Folge waren der Union Geschehnisse voller Leiden und Schmerz beschie-den. Trotzdem erlebte die zunächst durch das Wirken von Bischof Georg G. Bizancij neu gestärkte Eparchie dann in der Zeit, die mit dem großen Bischof Andreas Bacynskyj begann, eine beachtliche Entwicklung. In unserem Jahrhundert mußte sie leider neuerlich in zahlreichen ihrer Mitglieder mit Christus den Leidensweg nach Golgota gehen - in Verfolgung, Gefängnis und in vielen Fällen auch mit dem Opfer ihres Lebens. Dieses mit Blut besiegelte Zeugnis ist selbst vom Oberhirten der Eparchie, Bischof Theodor Romza, erbracht worden, der nicht zögerte, sein Leben für die Schafe seiner Herde hinzugeben (vgl. Joh 10,11). Wir dürfen diese leuchtenden Zeugnisse der Treue zu Christus und seinem Evangelium nicht vergessen: sie machen das kostbare Erbe der griechisch-katholischen Kirche aus, die sich in der Union von Uzhorod wiedererkennt. Die Söhne und Töchter der ganzen katholischen Kirche nehmen voll Verehrung dieses Beispiel an und machen sich diese wunderbare Lektion von der Treue zur Wahrheit Christi zunutze. Voll Ergriffenheit danken dafür die Christen von Mukacevo und alle, die bewiesen haben, daß sie bereit sind, für die kostbare Perle des Glaubens all ihr Hab und Gut zu verkaufen (vgl. Mt 13,46). 3. Das freudige Ereignis des Jubiläums der Union von Uzhorod bietet eine passende Gelegenheit, dem Herrn zu danken, der am Ende einer dramatischen Periode harter Verfolgung die Tränen seiner Kinder getrocknet hat. Er ist ihnen in einem so schwierigen Abschnitt ihrer Geschichte beigestanden, indem Er ihnen gestattete, den Reichtum ihrer orientalischen Tradition zu bewahren und gleichzeitig in voller Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom zu bleiben. Auf diese Weise geben sie Zeugnis von jener Universalität, welche die Kirche zu einer vielgestaltigen Wirklichkeit macht, die unter dem Charisma Petri jene berechtigte Vielfalt von Überheferungen und Riten umfaßt, die keineswegs ihrer Einheit schadet, sondern 679 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vielmehr ihren ganzen Reichtum und Glanz offenbar macht. <294> Das erkannte schon Papst Leo XIII., als er unter Hinweis auf den wertvollen Austausch von Gaben zwischen der lateinischen und der orientalischen Überheferung schrieb, die Vielfalt der ostkirchlichen Liturgie und Disziplin sei ein Schmuck für die gesamte Kirche, verdeutliche deren Katholizität und stelle mit aher Klarheit „die göttliche Einheit des katholischen Glaubens“ <295> heraus. <294> Vgl. n. Vat. KONZIL, Dekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium Ecclesiarum, Nr. 2. <295> LEO XIII., Apostol. Schreiben Orientalium dignitas (30. November 1894): Leonis XIII Acta, 14 (1894), 360. Unser Wunsch ist es daher, daß der erwählte Teil des Gottesvolkes, der auf verschiedene Weise mit dem Ereignis von Uzhorod verbunden ist, wieder zu Blüte und neuem Gedeihen gelangen möge - durch eine ruhige Gegenwart und das Engagement für eine Zukunft, die gekennzeichnet ist von voller Religionsfreiheit, von dem Bemühen um die Versöhnung zwischen Katholiken und Orthodoxen und von dem unermüdlichen Einsatz für den Aufbau des Friedens. Diesem Zweck soll eine Haltung aufmerksamen Hinhörens auf die Lehren des II. Vatikanischen Konzils dienen. Die Konzilsväter, die zu dieser ökumenischen Versammlung zusammengetreten waren, haben, vom Heiligen Geist geleitet, wertvolle Anleitungen dazu geboten, wie der Dialog der Liebe und die Suche nach der „Einheit des Geistes durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4,3), gefördert werden könne. Was ihnen dabei vorschwebte, kommt in folgenden feierlichen Worten gut zum Ausdruck: „Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes, die den allumfassenden Frieden bezeichnet und fördert, sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heil berufen sind.“ <296> <296> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium, Nr. 13. 4. Ebenso hat das Konzil darauf hingewiesen, daß „Christus der Herr eine einige und einzige Kirche gegründet [hat], und doch mehrere christliche Gemeinschaften vor den Menschen den Anspruch erheben, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen; sie alle bekennen sich als Jünger des Herrn, aber sie weichen in ihrem Denken voneinander ab und gehen verschiedene Wege, als ob Christus selber geteilt wäre (vgl. 1 Kor 1,13). Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen.“ <297> In letzter Zeit jedoch hat Gott, „der voll Erbarmen ist“ (Eph 2,4), vielen voneinander getrennten Christen ans Herz gerührt und in ihnen das aufrichtige Verlangen geweckt, den Weg zur vollen „koinonia“ zu finden. „Auch heute bittet Christus, daß ein neuer Schwung den Einsatz jedes einzelnen für die volle und sichtbare Gemeinschaft beleben möge.“ <298> Die Konzilsväter haben darauf bestanden, daß „die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen <297> II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 1. <298> Johannes Paul U., Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995), Nr. 100: AAS 87(1995)981. 680 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie auch der Hirten, ist und einen jeden, je nach seiner Fähigkeit, angeht“. <299> Um auf diesen göttlichen Anruf zu antworten, haben sie allen Katholiken wirksame Hilfen und Mittel zur Förderung der ökumenischen Bewegung in der Erwartung vorgeschlagen, zur vollen Gemeinschaft in der „einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche“ zu gelangen. <299> II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, Nr. 5; vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995), Nr. 101: AAS 87(1995)981. Die katholischen Ostkirchen können zu diesem von der göttlichen Gnade inspirierten Anliegen einen großen Beitrag leisten. Denn ihnen „obliegt die besondere Aufgabe, gemäß den Grundsätzen des [...] Dekretes über den Ökumenismus die Einheit aller Christen, besonders der ostkirchlichen, zu fördern. Dieser Aufgabe dienen vor allem ihre Gebete, das Beispiel ihres Lebens, die ehrfürchtige Treue gegenüber den alten ostkirchlichen Überlieferungen, eine bessere gegenseitige Kenntnis und Zusammenarbeit sowie brüderliche Wertschätzung des äußeren und inneren Lebens der anderen.“ <300> <300> n. Vat. Konzil, Dekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium Ecclesiarum, Nr. 24. In diesem Zusammenhang habe ich in der Enzyklika Ut unum sint hervorgehoben, daß „die Methode, die auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft befolgt werden soll, der Dialog der Wahrheit ist, der vom Dialog der Liebe genährt und unterstützt wird. Das den katholischen orientalischen Kirchen zuerkannte Recht, sich zu organisieren und ihr Apostolat auszuüben, sowie die tatsächliche Einbeziehung dieser Kirchen in den Dialog der Liebe und in den theologischen Dialog werden nicht nur eine wirkliche und brüderliche gegenseitige Achtung zwischen den in demselben Gebiet lebenden Orthodoxen und Katholiken, sondern auch ihren gemeinsamen Einsatz auf der Suche nach der Einheit begünstigen.“ <301> <301> Nr. 60: AAS 87(1995)957-958. 5. Die erfolgreiche Durchführung einer so vornehmen Aufgabe setzt von seiten der orientalischen Kirchen einen neuen, großzügigen Aufschwung voraus in der Ausbildung ihrer künftigen Hirten, in der Feier der Heiligen Liturgie als Lebenszentrum der Gemeinde, in der ständigen Aufmerksamkeit für die Nöte der Brüder und Schwestern durch Gesten konkreter Nächstenliebe, im Angebot einer Katechese, die durch Eingehen auf die Grundlagen des christlichen Glaubens die „Frohe Botschaft“ als Sauerteig des täglichen Lebens vermittelt, in Gemeinschaft mit der Universalkirche, die sich an der Schwelle eines neuen christlichen Jahrtausends der Neuevangelisierung verpflichtet weiß. Die Welt, in der wir leben, „hat derartige und so viele kulturelle, politische, soziale und wirtschaftliche Wandlungen durchgemacht, daß sich das Problem der Evangelisierung in völlig neuen Begriffen stellt“. <302> Es muß daher eine „neue Qualität der Evangelisierung“ erarbeitet werden, „die dem heutigen Menschen die <302> Johannes Paul EI., Ansprache an die Teilnehmer am VI. Symposion des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (11. Oktober 1985), Nr. 1: AAS 78(1986)179. 681 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ewige Heilsbotschaft mit überzeugenden Worten nahezubringen vermag“. <303> Vor allem gilt es, den Schritt auf dem Weg zur vollen Aussöhnung zwischen den Kirchen und auch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften zu beschleunigen. <304> Wenn die Kirche „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“, <305> ist und eine Aufgabe für die Versöhnung der ganzen Menschheit zu erfüllen hat, so kann diese Berufung nicht voll und wirksam erfüllt werden, solange Spaltungen zwischen den an Christus Glaubenden bestehen. <303> JOHANNES Paul ü., Botschaft an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Europas (2. Januar 1986), Nr. 6: AAS 78(1986)457. <304> Vgl. Johannes Paul U., Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995), Nr. 78: AAS 87(1995)968. <305> U. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 1. Der Blick auf das bevorstehende Jubeljahr 2000 möge in allen eine Haltung der Demut entstehen lassen, die in der Lage ist, durch Umkehr der Herzen und Gebet die „notwendige Läuterung der geschichtlichen Erinnerung“ <306> zu vollbringen, um auf diese Weise die Bitte um und das gegenseitige Angebot zur Vergebung für das vielfältige Unverständnis während vergangener Jahrhunderte zu begünstigen. <306> Johannes Paul H„ Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995), Nr. 2: AAS 87(1995)922. Der in die Zukunft gerichtete Blick sieht, wie „das Herannahen des Endes des zweiten Jahrtausends alle zu einer Gewissensprüfung und zu passenden ökumenischen Initiativen anspomt, so daß man im Großen Jubeljahr, wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auftreten kann, der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sehr nahe zu sein“. <307> <307> Johannes PAULn., Apostol. Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), Nr. 34: AAS 87(1995)26-27. 6. Aus der Tiefe des Herzens der Söhne und Töchter der ganzen kathoüschen Kirche erhebe sich inniger Dank für den treuen und mutigen Weg, auf dem der Vater die aus der Union von Uzhorod hervorgegangenen Kirchen geleitet hat. Es ist ein Zeichen seiner Liebe, wenn dieses Jubiläum nun mit der gebührenden Feierlichkeit und in Freiheit begangen werden kann. Gleichzeitig steige zum Heiligen Geist die inständige, flehentliche Bitte auf, daß recht bald der Zeitpunkt eintreten möge, wo alle, die an Christus glauben, „einträchtig und mit einem Munde“ (Röm 15,6) die Heiligste Dreifaltigkeit preisen können. Unerläßliche Voraussetzung für dieses freudige Ereignis ist, daß im Herzen jedes einzelnen der Mut zum Vergeben reift: auch dies eine Gnade, um die unermüdlich und inständig gebetet werden muß. Mit dankbarem Herzen feiert der Bischof von Rom beim Herannahen des dritten christlichen Jahrtausends dieses Jubiläum und bringt in ergriffenem Gedenken an alle, die heroisch gelitten haben, um ihren Glaubensverpflichtungen nicht untreu zu werden, nun in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche Gott ihre Leiden dar als willkommenes Opfer für die Einheit der Christen und das Heil der Welt. Die Gottesmutter, die zu Füßen des Kreuzes vom Sohn den Auftrag erhielt, mit mütterlicher Sorge dem Weg der Kirche zu folgen; die Königin des Friedens, die dem ewigen Wort erlaubte, sich in unserer Mitte niederzulassen, um uns mit dem 682 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vater zu versöhnen; die Jungfrau des Pfingstereignisses, von deren Gebet wir eine erneuerte Ausgießung des Geistes der Heiligkeit erwarten, die Seligste Jungfrau und Gottesmutter Maria lasse unsere Brüder und Schwestern, die sich anschicken, voll Freude ein so bedeutsames Jubiläum zu begehen, ihre liebevolle Gegenwart spüren. Während ich ihr, Mutter der Einheit und des Friedens, jene geliebten kirchlichen Gemein schafften anvertraue, erteile ich allen von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 18. April des Jahres 1996, dem achtzehnten meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. n Grußbotschaft an das 5. Christlich-Muslimische Kolloquium zum Thema „Religion und der Gebrauch der Ressourcen der Erde“ [17. bis 20. April] vom 20. April An Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog Durch Sie grüße ich gerne die Teilnehmer des Christlich-Muslimischen Kolloquiums, das vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog zusammen mit der in Amman ansässigen Königlichen Akademie für Islamische Kulturforschung (Royal Academy for Islamic Civilization Research) veranstaltet worden ist. Die Tatsache, daß es sich um das fünfte Treffen seiner Art handelt, ist ein Zeichen der Kontinuität und ein weiterer Beweis dafür, daß viele positive Resultate aus diesen persönlichen Kontakten und Diskussionen hervorgehen. Das Thema des Kolloquiums, „Religion und der Gebrauch der Ressourcen der Erde“, ruft uns in Erinnerung, daß wir in einer begrenzten Welt leben, deren Vorräte in der Tat beschränkt sind. Daraus folgt unsere besondere moralische Verpflichtung, diese Vorräte umsichtig zu gebrauchen, indem wir nicht nur unseren eigenen gegenwärtigen Bedarf, sondern auch den Bedarf künftiger Generationen berücksichtigen. Das ist die moralische Verpflichtung zur Solidarität, eine ernste Verpflichtung, die jeden von uns als Individuum und uns alle miteinander in der Gesellschaft und in der internationalen Gemeinschaft betrifft. Das Kolloquium untersucht diese Themen von einem religiösen Gesichtspunkt aus, in der jeweils besonderen Sichtweise des Islams und des Christentums. Die Frage des verantwortlichen Gebrauchs der Ressourcen der Erde nimmt einen deutlich moralischen und religiösen Charakter an für Männer und Frauen, die an Gott, den Schöpfer, glauben und folglich überzeugt sind, daß in der Welt eine fest umschriebene Einheit und Ordnung besteht (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag, 683 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1. Januar 1990, Nr. 15). Der Austausch der gemeinsamen Überzeugungen hinsichtlich dieses Themas möge zu einem immer größeren Verständnis und Zusammenwirken zwischen Christen und Anhängern des Islams führen. Möge der Allerhöchste über uns alle seinen reichen Segen ausgießen! Aus dem Vatikan, am 20. April 1996 Joannes Paulus PP. II Gemeinsames Vorangehen im synodalen Geist Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses von Bischöfen, Priestern und Laien der Kirchen des Nahen Ostens am 20. April Herr Patriarch, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude empfange ich Euch im Hause des Nachfolgers Petri anläßlich des besonderen Treffens, an dem Ihr teilnehmt. Ich richte meinen Willkommensgruß an jeden von Euch, Hirten und Gläubige aus den Kirchen des Nahen Ostens: Der Friede des auferstandenen Herrn sei mit Euch und mit Euren kirchlichen Gemeinschaften! In dieser Zeit des Kirchenjahres wird - nach der Feier des Leidens und der Auferstehung des Herrn - in der Meßliturgie wieder die Apostelgeschichte gelesen. Sie schildert die Geburt und die erste Entwicklung der Kirche, ausgehend von der Urgemeinschaft der mit Maria im Gebet vereinten Jünger (vgl. Apg 1,13-14). Durch das Wirken des Heiligen Geistes „fügte [der Herr] täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“ (Apg 2,47). Das Buch der Apostelgeschichte berichtet vom Leben der Jünger und hebt besonders ihren Eifer hervor: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42); es weist auch darauf hin, daß sie beim ganzen Volk beliebt waren (vgl. Apg 2,47; 4,33). Auch heute ist die Kirche aufgerufen, dieses Ideal der ersten Christen zu leben, miteinander eine echte Gemeinschaft von Brüdern in der Nachfolge Christi zu bilden. Wichtig ist, daß die Einheit des christlichen Volkes hervorleuchtet: eine Einheit, die sich um die Gestalt der Hirten der verschiedenen Diözesen und im brüderlichen Dialog unter allen Glaubenden verwirklicht. Die Einheit des Glaubens und das Teilen von einander ergänzenden Gaben bereichert die Kirche in geistlicher Hinsicht und spornt sie auch in materieller Hinsicht zu immer größerer Solidarität an. In der heutigen Welt, in der viele Menschen und Völker von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen sind und unter Armut und Unterernährung leiden, kann die Kirche so zu einer besseren Verteilung der natürlichen Reichtümer sowie der 684 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konsumgüter beitragen. Das Zeugnis des Glaubens geht über den täglichen Erweis der Liebe, der in Teilnahme und Solidarität unter den Menschen besteht, vor allem „mit den Armen, die die Lieblinge Gottes, ... unseres gemeinsamen Vaters, sind. Und wir alle sind Brüder in einer einzigen Familie“ (vgl. Gregor von Nyssa, Von der Liebe zu den Armen). 2. Das Zeugnis der Einheit und der Nächstenhebe ist für die von der Kirche angestrebte neue Evangelisierung unerläßlich. Angesichts der Herausforderungen der Säkularisierung, angesichts der Ablehnung des Lebens von seiten vieler Bereiche der öffentlichen Meinung ist es mehr denn je nötig, daß die Christen ein glaubhaftes Zeugnis für ihren Glauben ablegen, indem sie das Evangelium in ihrem Dasein konkret werden lassen. Menschen mit einem reifen und voll entfalteten Glauben können so denen, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, angemessene Antworten auf ihre Fragen bieten. Das setzt allerdings voraus, daß jede kirchliche Gemeinschaft der Aufnahme und dem Dialog gegenüber offen ist, die kulturellen Verschiedenheiten achtet und allen das einzige Evangelium des Heils verkündet. Liebe Brüder und Schwestern, möge Euch eine immer tiefere Verbundenheit mit dem auferstandenen Christus helfen, die Zeichen der Zeit zu erkennen und gemeinsam in jenem synodalen Geist voranzuschreiten, der die Struktur eurer kirchlichen Gemeinschaften kennzeichnet. Die Christen in Nahost haben eine wichtige Sendung zu erfüllen, die jedoch zugleich komplex und schwierig ist. Es ist deshalb notwendig, die gegenseitige Achtung zu fördern und immer wachsam zu bleiben, vor allem hinsichtlich der Fragen der Ökumene und des Dialogs mit den großen monotheistischen Religionen. 3. In diesem Zusammenhang möchte ich an meine jüngste Reise nach Tunesien erinnern, bei der ich die in diesem Lande lebende katholische Gemeinschaft besucht und die Söhne und Töchter der Kirche in ihrer Treue zum Evangelium bestärkt habe. Ich habe sie auch ermahnt, die geistlichen, sittlichen und sozio-kultu-rellen Werte zu verteidigen und zu fördern durch den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Anhängern anderer Religionen, um so das brüderliche Leben und die Solidarität innerhalb einer Nation und unter allen Völkern zu entwickeln (vgl. Nostra aetate, Nr. 2). Das kann die schon bestehenden Beziehungen der Freundschaft und gegenseitiger Achtung nur verstärken. In diesem Geist ermutige ich Euch, Eure Sendung fortzusetzen und besonders dem Aufbau einer dem Einvernehmen und der Solidarität unter allen ihren Mitgliedern aufgeschlossenen Gesellschaft Sorge zu tragen. Ich rufe auf Eure Gemeinschaften den mütterlichen Schutz Marias und Euer hl. Schutzpatrone herab und erteile Euch und allen, die Euch bei Eurem kirchlichen Dienst helfen, von Herzen den Apostolischen Segen. 685 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus - das Licht für uns wird zum Licht für andere Ansprache bei der Sonderaudienz für die Pilger aus der Erzdiözese Trient am 20. April Verehrter Bruder im Bischofsamt, liebe Priester, Brüder und Schwestern! 1. Euch allen gilt mein herzlicher Willkommensgruß. Es ist mir eine besondere Freude, Euch anläßlich Eurer Wallfahrt zum Grabe Petri zu empfangen. Mit Eurem heutigen Besuch möchtet Ihr meine Reise in eure altehrwürdige und glorreiche Diözese am 29. und 30. April des vergangenen Jahres erwidern. Ich danke Euch sehr dafür. Besonders möchte ich Euren Erzbischof, den lieben Msgr. Giovanni Maria Sartori, grüßen, der sich während meines Aufenthalts in Trient so liebenswürdig und aufmerksam gezeigt hat. Ich danke ihm für die Worte, die er soeben in Euer aller Namen an mich gerichtet und durch die er die immer noch wachen Eindrücke und Gefühle von damals neu belebt hat. Außerdem heiße ich die Vertreter der staatlichen Behörden willkommen, die hier anwesend sind, sowie alle Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und gläubige Laien, mit einem freundschaftlichen Gedanken an all jene, die gewünscht hätten, an der heutigen Pilgerfahrt teilzunehmen, aber nicht dazu in der Lage waren. 2. Ja, meine Lieben, Euer willkommener Besuch erneuert in mir die Erinnerung an die Tage in Trient, eingerahmt von den Bergen, die sich wie eine Krone um eure antike und edle Stadt legen: ein Bild, das in meinem Geist und meinem Herzen immer noch ganz lebendig ist. Ich kann den Empfang, den Ihr mir bei meiner Ankunft auf dem wunderschönen Domplatz bereitet habt, nicht vergessen; und dann der Aufenthalt in der Kathedrale, 850 Jahre nach ihrer Einweihung, mit der darauffolgenden Segnung des Diözesanmuseums. Am folgenden Tag, dem Sonntag, habe ich mit Euch einige Momente intensiver Spiritualität erlebt; zuallererst die heilige Messe mit dem Ritus der Seligsprechung von Msgr. Johann Nepomuk von Tschiderer, der eure Stadt 25 Jahre lang (zwischen 1835 und 1860) geliebt und ihr gedient hat. In meiner Predigt habe ich daran erinnert, daß man in seine Sterbeurkunde schrieb: „Er liebte Trient und war die Liebe der Trientiner“ (Nr. 4 in O.R.dt., 19. Mai 1995, S. 6). Trient ist die „Stadt des Konzils“; 450 Jahre nach seinem Beginn hatte ich am Sonntag Nachmittag mit Euch im Dom dieses Ereignis gefeiert, das einen Meilenstein in der Kirchengeschichte darstellt. Und zum Abschluß jenes Besuchs hatte ich die Freude, die Jugendlichen zu treffen, denen ich in einer freudigen Atmosphäre den Auftrag anvertraut habe, die Schätze des christlichen Glaubens zu vertiefen, um dafür im alltäglichen Kontakt mit Gleichaltrigen und dem eigenen Umfeld mutig Zeugnis abzulegen. 686 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Euer Erzbischof hat hervorgehoben, daß meine Pastoraireise alle Teile Eurer Kirche zu einem verstärkten Einsatz angeregt hat. Ich beglückwünsche Euch zu dem Eifer, der Euch erfüllt, und fordere Euch auf, euren großherzigen Vorsatz mit Mut weiterzuführen. In erster Linie lade ich Euch ein, den neuen Seligen, den Bischof Johann Nepomuk von Tschiderer, nachzuahmen. Das Beispiel der Heiligen ist nämlich ein Ansporn zu einem stärkeren Glauben, eine Stütze in unserer menschlichen Schwachheit und ein Antrieb zur Tugend. Ihr Leben erinnert die Getauften an den gemeinsamen Einsatz zugunsten der Heiligkeit. Der sei. Johann Nepomuk schritt auf diesem Weg voran durch seine tiefe und intensive Beziehung zu Jesus, die er in der Andacht, im Zuhören und im Gebet erlebte. Mögt Ihr ihm in diesem Lebensprogramm nachfolgen. Habt keine Angst vor der Heiligkeit, denn in ihr liegt die vollkommene Erfüllung jeder echtesten Aspiration des menschlichen Herzens. Außerdem führt Trient, „die Stadt des Konzils“, unsere Gedanken wieder zu diesem historischen Ereignis, das das kirchliche Leben so sehr geprägt hat, indem es den Glaubensweg des Gottesvolkes stärkte und festigte. Wie ich schon in meiner Ansprache während der Feierstunde bemerkte, war das Konzil „eine unschätzbare Gelegenheit der Gnade und der religiösen Erneuerung ... Es gelang der Kirche, in Trient den Mut der Treue zur apostolischen Tradition, den Aufschwung eines erneuerten Einsatzes der Heiligkeit, die Kraft für einen echten pastoralen Neubeginn zu finden“ (Nr. 2 in O.R.dt., 19. Mai 1995, S. 10). 4. Liebe Brüder und Schwestern, die Erinnerung an das Konzil von Trient, die von dem großen Kruzifix in Eurer Kathedrale ständig wachgehalten wird, möge die Wurzeln Eures Glaubens neu beleben, sie möge die christliche Tradition Eurer Gegend in ihrer Stärke bewahren und euer Festhalten an Jesus Christus erneuern. Dies sind die Voraussetzungen für eine neue und starke Evangelisierung. „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,14): Diese Worte des göttlichen Meisters sind heute auch an Euch gerichtet. Das Licht der Welt ist Euer Leben selbst, wenn in ihm der Glauben an den auferstandenen Christus lebendig und am Werk ist. Das Licht, das Christus ist, wird jenen mitgeteilt, die glauben; und der Glaubende wird seinerseits zum Licht der Welt. Ihr sollt also Christus und sein Wort in innerer Demut und tiefer Aufmerksamkeit aufnehmen, damit Er immer das anregende Prinzip jeder eurer Entscheidungen sei. Das Evangelium soll Eure Mentalität und Eure Art, zu fühlen, zu urteilen und zu handeln, durchdringen und auf diese Weise zu Eurem Daseinsgrund werden. 5. Schauen wir zusammen, liebe Brüder und Schwestern, auf den Weg, der vor uns liegt: Er führt uns zum Großen Jubeljahr 2000, und wir sind aufgefordert, Jesus zu betrachten, der „derselbe ist: gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10). Es ist eine immer neue Botschaft, die in der ganzen Welt erschallt und verkündet, daß Christus unser Retter ist. Das Heilige Jahr will dies der ganzen 687 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschheit mitteilen, damit die Menschen unserer Zeit ihr Herz für Jesus von Na-zaret und sein Evangelium des Heils öffnen. Wie könnte ich Euch also nicht ermahnen, dem Wirken des Heiligen Geistes gegenüber fügsam zu sein und Euch in den kommenden Jahren darauf vorzubereiten, diese Zeit der Gnade mit einem festen Glauben und innerer Teilnahme zu feiern? Sucht Gott über allen anderen Dingen, und engagiert Euch im Dienste an den Brüdern. Darum bittet Euch die Kirche, damit die Phase der Vorbereitung dieses Ereignisses fruchtbar sei und in einem stetigen und wirksamen geistigen Fortschritt ihren Ausdruck finden möge. Auf Eure Kirche, die sich anschickt, die 1600-Jahr-Feier ihrer ersten Evangelisierung zu begehen, rufe ich den Schutz der hl. Märtyrer Sisinnius, Martyrius und Alexander, des Bischofs Vigilius und des sei. Johann Nepomuk von Tschiderer herab. Sie mögen Euch mit ihrer Fürsprache nahe sein und Euch dabei helfen, den Glauben zu erhalten, zu verteidigen und zu mehren und ihn in einer konsequenten Lebensführung zu bezeugen. Ich vertraue Euch besonders der sei. Jungfrau Maria an, der Mutter der Einheit und der Liebe. Mit diesen Gedanken spende ich von Herzen Euch, die Ihr hier seid, den Apostolischen Segen als Unterpfand der Gnade Gottes. Gerne erweitere ich den Segen auch auf die Priester, auf die Ordensmänner und Ordensfrauen, auf die Jugendlichen, die Kranken, die Familien und auf all jene, die zu Eurer Diözesangemein-schaft gehören. Gemeinsamer Einsatz zugunsten des Lebens Botschaft an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses „Für eine Kultur des Lebens“ vom 23. April Herr Kardinal! 1. Mit Freude habe ich erfahren, daß der Päpstliche Rat für die Familie, das Bioethische Institut der katholischen Herz-Jesu-Universität und die Päpstliche Hochschule „Regina Apostolorum“ aus Anlaß des 1. Jahrestages der Veröffentlichung der Enzyklika Evangelium vitae einen internationalen Kongreß über das Thema „Für eine Kultur des Lebens“ veranstaltet haben. Ich richte einen herzlichen Gruß an Sie, Herr Kardinal, an die ehrwürdigen Brüder im Bischofsamt und an alle, die an dieser bedeutsamen Versammlung teilnehmen. Es ist Ihre Absicht, an diesem ersten Jahrestag der Enzyklika deren Lehrgehalt zu vertiefen und den in ihr ausgedrückten Aufruf zur Förderung der Kultur des Lebens aufzugreifen und weiter zu verbreiten. Ein Jahr nach der Veröffentlichung dieses Dokumentes bleiben Überlegungen über den bestehenden Kontrast mehr denn je aktuell und dringend, Überlegungen über den ungeheuren und dramatischen Zusammenstoß zwischen dem Bösen und 688 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Guten, dem Tod und dem Leben, der „Kultur des Todes“ und der „Kultur des Lebens“ (Evangelium vitae, Nr. 28). Die Verweigerung des Lebens, in der legalisierten Abtreibung als Kultur des Todes abgestützt und ratifiziert, schlägt weiterhin Wurzeln in der heutigen Gesellschaft, und auch die Legalisierung der Euthanasie ist beabsichtigt. 2. Das Leben, von jeher anerkannt und begehrt als großes Gut für die Menschheit - abgesehen davon, daß es auch für jede Person den grundlegenden und primären Wert darstellt -, muß heute neu bejaht, aufgenommen und wiedererobert werden von einer Kultur, die andernfalls Gefahr läuft, sich in sich selbst zu verschließen und sich selbst zu zerstören oder das Leben zu einer Konsumware der Wohlstandsgesellschaft herabzuwürdigen. In der Enzyklika Evangelium vitae habe ich daran erinnert, daß es der heutigen Gesellschaft, die einerseits ein gesteigertes Empfindungsvermögen hinsichtlich der Menschenrechte entwickelt hat, es andererseits nicht fertigbringt, diese Rechte zur Verteidigung der Schwächsten anzuwenden. Die in diesen Tagen angestellten Überlegungen von Professoren und Experten und der Dialog zwischen den verschiedenen akademischen Disziplinen - von der Theologie und Philosophie bis zur Rechtswissenschaft und der sozialen Kommunikation - über ein so zentrales Thema wie die Kultur des Lebens werden ohne Zweifel eine ausgezeichnete Gelegenheit sein, einen wirklichen Humanismus zu fördern zum Schutz und zur Stütze der menschlichen Person von der Empfängnis bis zu ihrem natürlichen Tod. Es ist dringend notwendig, die echte Anthropologie wiederzuentdecken, welche die menschliche Würde jeder Person und das unantastbare und grundlegende Geschenk des Lebens beleuchtet und hervorhebt. Der Begriff „Lebensqualität“, der oft sehr verkürzt interpretiert wird, muß die transzendente Dimension der menschlichen Person berücksichtigen, die auf Gott als ihren Ursprung und ihr Ziel hin offen ist. Der Mensch, „in Leib und Seele einer“ (Gaudium et spes, Nr. 14), darf als Abbild Gottes nicht nur als Werkzeug genutzt oder nur auf den Wert seiner Fähigkeiten herabgesetzt werden. 3. Der Mensch von heute ist fähig, die Realität des Lebens in ihrer Tiefe zu erfassen. Dieses Leben beschränkt sich nicht auf die irdische Zeit, es hat vielmehr seine Wurzeln in Gott und schwingt in die Ewigkeit hinein. Ein Leben also, das nicht in die irdische Dimension eingeengt ist, sondern, durchdrungen von einer göttlichen Gabe, Ewigkeit in sich trägt. Darum also ist Rückkehr zu Gott notwendig; nur in Ihm werden wir fähig sein, die Bedeutung des Menschen und daher des Lebens wieder neu zu erfassen. „Das Leben des Menschen kommt aus Gott, es ist sein Geschenk, sein Abbild und Ebenbild, Teilhabe an seinem Lebensatem. Daher ist Gott der einzige Herr über dieses Leben: Der Mensch kann nicht darüber verfügen“ (Evangelium vitae, Nr. 39). 689 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute ist es notwendig, daß alle sich zugunsten des Lebens einsetzen. „Wir müssen mit allen, auch mit den Nichtglaubenden, an den Stätten des Denkens und geistigen Schaffens ebenso wie in den verschiedenen Berufsbereichen und dort, wo sich täglich das Leben eines jeden abspielt, eine ernsthafte und gründliche Auseinandersetzung über die Grundprobleme des menschlichen Lebens anstellen“ (.Evangelium vitae, Nr. 95). Ein Zeichen unserer Zeit an der Schwelle des dritten Jahrtausends ist der Wert und die Verteidigung des Lebens, und daher bildet es einen dringenden Aufruf, für das Leben Zeugnis zu geben. Es ist ein echtes Zeichen für die Glaubwürdigkeit des Evangeliums vom Herrn des Lebens. Es ist ein Zeichen, das zu den Herzen aller Menschen spricht, um sie für Christus zu öffnen, denn „das Evangelium von der Liebe Gottes zum Menschen, das Evangelium von der Würde der Person und das Evangelium vom Leben sind ein einziges, unteilbares Evangelium“ (Evangelium vitae, Nr. 2). Dieser Einsatz muß das Geflecht des sozialen und kulturellen Lebens erfassen und auf die Denkweise, das Urteilen und Handeln der Menschen einwirken, damit sie in der Aufnahme und dem Schutz des Lebens die Schönheit der Hingabe des eigenen Selbst an den andern entdecken. 4. In der Ehrfurcht vor der ganzen Schöpfung verdient zuerst und vor allem der überragende Wert der menschlichen Person Beachtung. Die Kultur des Lebens bildet die Grundlage und ist die unumgängliche Voraussetzung, um irgendeinen Aspekt wahrer Ökologie des Geschaffenen zu entwickeln. „Es bedarf dringend einer allgemeinen Mobilisierung der Gewissen und einer gemeinsamen sittlichen Anstrengung, um eine große Stategie zu Gunsten des Lebens in die Tat umzusetzen. Wir müssen alle zusammen eine neue Kultur des Lebens aufbauen“ (Evangelium vitae, Nr. 95). In diesem Sinn erteile ich Ihnen, Herr Kardinal, und allen Teilnehmern einen besonderen Apostolischen Segen und vertraue dem Herrn die Arbeit dieser Tage und die konkreten Aufgaben an, die in ihnen reifen. Aus dem Vatikan, am 23. April 1996 Joannes Paulus PP. II 690 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bemüht Euch, Jesus zu folgen und ihn in den Schwestern und Brüdern zu sehen, denen Ihr auf Eurem Lebensweg begegnet Ansprache an eine Gruppe von Neokatechumenalen aus Deutschland am 26. April Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich begrüße ich Euch zu Eurem Besuch in dieser österlichen Zeit an den Gräbern der Apostel. Eine der beeindruckendsten Begebenheiten aus dem Evangelium ist der Bericht über die Begegnung des Auferstandenen mit den Jüngern von Emmaus. Das Em-mausgeschehen will uns sagen: Suchende Menschen sind auf dem Wege, sie sind dankbar für jede Weggemeinschaft - suchende Menschen sind aufnahmebereit und lern willig. Wir sind ewige Pilger, die ständig auf dem Weg sind; wir können den Weg nicht verlassen. Auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus wird das kirchenstiftende Wort Christi Wirklichkeit: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ {Mt 18,20). Unser Gott ist ein Gott der Nähe und nicht der Feme. Deswegen sind wir als wirkliche Christen Menschen in der Gottesnähe, und das Ziel aller irdischen Pilgerschaft ist Gott. Als Jesus seinen Kreuzestod herannahen sah, sagte er zu seinen Freunden, daß er zu seinem Vater gehe (vgl. Joh 14,28). Allein von diesem Ziel bekommt auch unser Lebensweg seine innere Ausrichtung und seinen tiefen Sinn. Der Wille Gottes war für Jesus das einzige Handlungsprinzip; dies gab ihm eine unerschütterliche Standfestigkeit. Für die Laien in der Kirche bedeutet das Handeln nach Gottes Willen ein vielfältiges Engagement in einer Gesellschaft im Umbrach, die der Kirche gleichgültig gegenübersteht. Bemüht Euch, Jesus zu folgen und ihn in den Schwestern und Brüdern zu sehen, denen Ihr auf Eurem Lebensweg begegnet oder die Ihr suchen geht an den Orten des Leidens, der Verlassenheit und am Rand der Gesellschaft. Bringt ihnen die Wärme Eurer menschlichen Solidarität, und laßt sie den übernatürlichen Trost des Christusglaubens spüren. Euer Gebet zu unserem Herrn und Gott möge Euch auf die Fürsprache der Gottesmutter die Kraft verleihen, einen konkreten Beitrag zur geistlichen Erneuerung dieser unserer Welt zu leisten, die bisweilen aus Mangel an Idealen damiederzuliegen scheint. Für Euren Auftrag erbitte ich Euch Gottes Schutz und Beistand und erteile Euch gern den Apostolischen Segen. 691 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geistliche Berufungen wachsen durch das Gebet der Gemeinden Botschaft zum 33. Weltgebetstag um geistliche Berufe am vierten Ostersonntag, dem 28. April 1996, vom 15. August 1995 Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, geliebte Brüder und Schwestern in aller Welt! 1. Die Berufungen in der christlichen Gemeinde. Wie der Same überreiche Frucht bringt auf gutem Boden, so entsteht und wächst ein reiches Maß an Berufungen in der christlichen Gemeinde heran. Es ist in der Tat die Gemeinde, in der sich das Geheimnis des Vaters offenbart, der ruft, des Sohnes, der sendet, und des Geistes, der heiligt: „Die Berufung, der Ruf Gottes, entsteht in einer Erfahrung von Gemeinschaft und schafft eine Verpflichtung für die universale Kirche und für eine ganz bestimmte Gemeinschaft“ (Schlußerklärung des ersten Kongresses fiir Berufungen auf dem lateinamerikanischen Kontinent, 24). Deshalb muß auf jeder Ebene eine zutiefst kirchliche Gesinnung erkennbar werden, muß sich fortentwickeln und wachsen, ferner eine großherzige Offenheit für die seelsorglichen Bedürfnisse des Volkes Gottes, eine gegenseitige loyale Zusammenarbeit zwischen Welt- und Ordensklerus, um so den Glaubensweg jener Männer und Frauen zu unterstützen, die Jesus folgen und sich ihm mit ungeteiltem Herzen weihen wollen. 2. „Laßt auch ihr euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus auferbauen“ (1 Petr 2,5). Man muß wieder bei den Gemeinden anfangen, den fruchtbaren Boden zu bereiten, auf dem das Handeln Gottes sich mit Macht entfalten und sein Ruf gehört und verstanden werden kann. „Es ist mit Sicherheit notwendig, überall die christliche Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern. Voraussetzung dafür ist aber die Erneuerung der christlichen Substanz der Kirchengemeinden“ (Christifideles laici, Nr. 34). In der Tat müßte das weite Feld seelsorglichen Handelns zugunsten der Berufungen unter einigen Aspekten noch vollständiger verwertet und genutzt werden, obgleich ein aufmerksameres Bewußtsein für die Berufswerbung als einer Dimension christlichen Lebens am Wachsen ist und die Initiativen zu ihrer Verwirklichung zunehmen. Die Entdeckung der eigenen Berufung, welcher Art auch immer diese sei, darf nicht die anderen Entscheidungen im Sinne des Evangeliums außer acht lassen, die so notwendig sind für die Identität der Kirche, welche doch Werkzeug und Abbild des Reiches Gottes in der Welt ist. Nur lebendigen christlichen Gemeinden wird es gelingen, Berufungen mit fürsorglicher Bereitwilligkeit anzunehmen und sie in ihrer weiteren Entwicklung zu begleiten, so wie Mütter, die um das Wachstum und das Glück ihrer Leibesfrucht besorgt sind. „Handelndes Subjekt, der Hauptakteur der Berufungspastoral, ist die kirchliche Gemeinschaft als 692 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN solche in ihren verschiedenen Ausdrucksformen: Von der Universalkirche bis zur Teilkirche und, analog, von dieser bis zur Pfarrei und zu allen Mitgliedern des Gottesvolkes“ (Pastores dabo vobis, Nr. 41). Doch unsere Gemeinden müssen wieder stärker an die Bedeutung glauben, die den Vorschlägen verschiedener christlicher Lebensentwürfe und kirchlicher Funktionen, Ämter und Charismen, zukommt, wie sie vom Heiligen Geist im Laufe der Jahrhunderte angeregt und als rechtmäßig und echt von den Hirten der Kirche anerkannt worden sind. Und auch jetzt, da die Gesellschaft sich sehr schnell und tief wandelt, muß in der Gemeinschaft der Glaubenden die christliche Vorstellung jede Art passiver Resignation besiegen und mit Vertrauen und Mut der Existenz ihren vollen Sinn geben durch die Verkündigung der Gegenwart und des Handelns Gottes im Leben des Menschen. Es ist heute angesichts der Herausforderungen der gegenwärtigen Welt ein Mehr an Wagemut im Geiste des Evangeliums erforderlich, um die Verpflichtung zur Berufsförderung im Einklang mit der Einladung des Herrn zu verwirklichen, unablässig Arbeiter für die Ausbreitung des Reiches Gottes zu erbitten (vgl Mt 9,37-38). 3. „Einst wart ihr nicht sein Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk“ (/ Petr 2,10). Die christliche Berufung, ein Geschenk Gottes, ist allen zu eigen. Ob Eheleute oder Geweihte, sie alle sind von Gott auserwählt zur Verkündigung des Evangeliums und zur Weitergabe des Heiles; doch nicht als einzelne, sondern in der Kirche und mit ihr. „Evangelisieren ist niemals das individuelle und isolierte Tun eines einzelnen, es ist vielmehr ein zutiefst kirchliches Tun“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 60). Dem allgemeinen Anruf Gottes, die Verkündigung des Heiles durch das Leben zu bezeugen, stellen sich besondere Berufungen zur Seite mit spezifischen Aufgaben innerhalb der Kirche; diese Berufungen sind die Frucht einer besonderen Gnade und erfordern ein Mehr an moralischem und geistlichem Bemühen. Gemeint sind die Berufungen zum Priestertum, zum Ordensleben, zur Tätigkeit in der Mission und zum kontemplativen Leben. Diese besonderen Berufungen verlangen Rücksicht und Annahmebereitschaft, völlige Verfügbarkeit, die eigene Existenz aufs Spiel zu setzen, und das inständige Bittgebet. Sie setzen ebenso eine liebevolle Aufmerksamkeit hierfür voraus und eine weise und kluge Unterscheidungsgabe für die Keime der Berufung, die in den Herzen so vieler Kinder und Jugendlicher anzutreffen sind. „Um so dringender ist es vor allem heute, daß sich die Überzeugung verbreitet und Wurzeln schlägt, daß alle Glieder der Kirche, ohne Ausnahme, die Gnade und die Verantwortung der Sorge um die Bemfungen haben“ (Pastores dabo vobis, Nr. 41). Manche denken, daß uns selbst nichts zu tun bleibt, als abzuwarten, da ja Gott wisse, wen er berufen will und wann er ihn berufen soll. Alle diese vergessen in Wirklichkeit, daß die souveräne Initiative Gottes den Menschen freilich nicht von seiner Pflicht zu einer entsprechenden Antwort entbindet. Tatsächlich wird vielen Berufenen ihre göttliche Erwählung gerade mit Hilfe günstiger Umstände bewußt, die auch vom Leben der christlichen Gemeinde bestimmt sind. 693 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bei vielen Jugendlichen, denen es aufgrund des herrschenden Konsumismus und der Krise bezüglich der Ideale an Orientierung mangelt, kann die Suche nach einem authentischen Lebensstil, wenn diese durch ein unzweifelhaftes und freudiges Zeugnis der christlichen Gemeinde unterstützt wird, heranreifen zur Bereitschaft, hinzuhören auf den Schrei einer Welt, die nach Wahrheit und Gerechtigkeit dürstet. Ganz leicht wird dann das Herz sich öffnen, um großmütig das Geschenk der Berufung zum geweihten Leben anzunehmen. 4. „Brüder, seht auf eure Berufung“ (1 Kor 1,26). Die Kirche muß ihr eigenes wahres Gesicht zeigen in der täglichen Herausforderung zur Treue gegenüber Gott und den Menschen. Wenn sie diese Sendung in tiefem Einklang mit sich verwirklicht, dann wird sie zum fruchtbaren Nährboden für das Entstehen mutiger Entscheidungen zu einem Einsatz ohne Vorbehalte für das Evangelium und das Volk Gottes. Durch die besonderen Berufungen sichert der Herr seiner Kirche Fortdauer und Lebenskraft und öffnet sie gleichzeitig für die neuen und zugleich alten Bedürfnisse der Welt, daß sie Zeichen des lebendigen Gottes sei und zum Aufbau der Stadt der Menschen beitrage im Sinne einer „Zivilisation der Liebe“. Jede Berufung entsteht, wird genährt und entwickelt sich in der Kirche und bleibt an sie gebunden bezüglich ihres Ursprungs, ihrer Entwicklung, ihrer Bestimmung und ihres Sendungsauftrags. Aus diesem Grunde sind die Diözesen und Pfarrge-meinden .aufgerufen, das Bemühen um Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben vor allem durch die Verkündigung des Wortes zu bekräftigen, durch die Feier der Sakramente und das Zeugnis der Liebe. Außerdem müssen sie auch einige unerläßliche Bedingungen für eine echte Berufungspastoral berücksichtigen. Gelebte Berufung hat Vorbildcharakter So ist vor allem notwendig, daß die Gemeinde sich auf das Hören des Wortes Gottes einläßt, um jenes göttliche Licht zu empfangen, das dem Herzen des Menschen Orientierung schenkt. Die Heilige Schrift ist ein sicherer Weggeleiter, wenn sie in der Kirche gelesen, aufgenommen und meditiert wird. Das Vertrautwerden mit den Lebensgeschichten der biblischen Gestalten und vor allem das Lesen des Evangeliums bereiten Augenblicke voll überraschender Eingebungen und radikaler persönlicher Entscheidungen vor. Wenn die Bibel das Buch der Gemeinde wird, dann wird es leichter, die Stimme Gottes, der ruft, zu hören und sie aufzunehmen. Ferner ist es notwendig, daß die Gemeinden inständig zu beten vermögen, um den Willen des Herrn verwirklichen zu können, wobei sie den Vorrang des geistlichen Lebens in der alltäglichen Existenz unterstreichen. Das Gebet schließt wertvolle Energien auf, um die Einladung des Herrn zu unterstützen, sich ganz in den Dienst des geistlichen, moralischen und materiellen Wohls der Menschen zu stellen. Die Erfahrung in der Liturgie ist der vorrangige Weg für die Gebetserziehung. Wenn 694 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Liturgie isoliert bleibt, riskiert sie zu verarmen; doch wenn sie von tiefen und länger andauernden Zeiten des persönlichen Gebets und des Schweigens im Angesicht des Herrn begleitet wird, dann wird sie zum meisterhaften Weg, der zur Gemeinschaft mit Gott führt. Die Liturgie muß also zum Zentrum der christlichen Existenz gemacht werden, damit dank ihrer eine günstige Atmosphäre für große Entscheidungen geschaffen werde. Die Gemeinde muß des weiteren sensibel sein für die missionarische Dimension, indem sie sich das Heil derer angelegen sein läßt, die Christus, den Erlöser des Menschen, noch nicht kennen: in der lebendigen und weitverbreiteten missionarischen Sensibilität besteht eine weitere Voraussetzung für das Entstehen und Sich Festigen von Berufungen. Wenn die Gemeinde intensiv den Auftrag des Herrn lebt, der da lautet: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19), dann wird es in ihr nicht an hochherzigen jungen Menschen fehlen, die bereit sind, mit ihrer ganzen Person die Aufgabe zu übernehmen, den Menschen unserer Zeit, die nicht selten mutlos und unentschlossen sind, die Botschaft des so alten und doch stets aktuellen Evangeliums zu verkünden. Und schließlich muß die Gemeinde offen sein für den Dienst an den Armen. Der Lebensstil der Demut und der Selbstverleugnung, welcher einer Entscheidung für die Armen eigen ist, zeigt einerseits das wahrhaftigste Gesicht der christlichen Gemeinde, die sich in allen ihren Gliedern bemüht, die von Not und Leid geprüften Brüder und Schwestern aufzurichten, und trägt anderseits dazu bei, ein besonders günstiges Umfeld für die Annahme des Geschenkes der Berufung zu schaffen. In der Tat ist „der Dienst an der Liebe der grundlegende Sinn jeder Berufung [...]. Darum wird eine glaubwürdige Berufungspastoral niemals müde werden, Kinder und Jugendliche zu Einsatzfreude, zum Geist des unentgeltlichen Dienens, zu Opfersinn und zu bedingungsloser Selbsthingabe zu erziehen“ (Pastores dabo vobis, Nr. 40). 5. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Die Berufungspastoral ruft alle Glieder der Kirche auf den Plan. Vor allem die Bischöfe, die durch ihren Hirtendienst den Herrn Jesus Christus in der Diözese vergegenwärtigen und durch die Unterscheidung der Charismen Garanten sind für die Echtheit der Gaben des Geistes. Ihnen obliegt es, jede nutzbringende Aktion zugunsten der Berufungen zu fördern, wobei sie alle Gläubigen an diese fundamentale Pflicht erinnern sollen, deren vorrangiger Ausdruck das Gebet bleibt. In der Kirche, dem Erinnerungszeichen und Sakrament der Gegenwart und des Handelns Jesu Christi, der zur Nachfolge ruft, sollen die Bischöfe bei der Predigt und den anderen Formen des Ausübung ihres Lehramtes die Gnadenhaftigkeit der Dienstämter aufgrund der Weihe und der verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens verkünden. Sie sollen alle einladen, auf die eigene Berufung mit großmütigem Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes zu antworten; sie sollen den Geist des Gebetes lebendig erhalten und die Mitverantwortung der einzelnen Per- 695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sonen und Gruppen einfordem; sie sollen mit Hilfe der diözesanen Leiter und anderer zuständiger Personen die Diözesanstelle für geistliche Berufe unterstützen, lenken und koordinieren. Neben der des Bischofs ist von erstrangiger Wichtigkeit die Rolle der Priester, und zwar der Welt- wie der Ordenspriester. Durch ihre werbende Arbeit in den Gemeinden kann ihnen vieles bei der Weckung und Orientierung von Berufungen gelingen, durch geistliche Beratung und durch ihr Beispiel eines Lebens, das sich in Freude zugunsten der Brüder und Schwestern verzehrt. Ihrer Verantwortung ist oft die schwierige Aufgabe der Ermutigung jener Jungen und Mädchen anvertraut, die Gott ruft: diese nämlich sollen in ihnen geistliche Führer finden können, die sicher und sachkundig sind, sowie authentische Zeugen eines Lebens, das sich ganz dem Herrn schenkt. Bedeutsam ist ebenso die Tätigkeit der Katecheten, die oftmals über längere Zeit hin einen direkten Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen haben, vor allem im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die christlichen Grundsakramente. Auch ihnen ist die Aufgabe anvertraut, den Wert und die Wichtigkeit besonderer Berufungen in der Kirche aufzuzeigen, und sie tragen auf diese Weise bei, sicherzustellen, daß die Gläubigen vollkommen leben entsprechend dem Ruf, den Gott um des Wohles aller an sie richtet. Mut zum Wagnis der Nachfolge Schließlich wende ich mich an Euch, liebe Jugendliche, und ich möchte es mit Eindringlichkeit wiederholen: Seid großherzig in der Hingabe des Lebens an den Herrn. Habt keine Angst! Ihr müßt nichts fürchten, weil Gott der Herr der Geschichte und des Weltalls ist. Laßt es zu, daß in Euch die Sehnsucht nach großen und edlen Plänen wächst. Pflegt das Gefühl für Solidarität: Es ist ein Zeichen für das göttliche Handeln in Eurem Herzen. Stellt Euren Gemeinden die Talente zur Verfügung, die die Vorsehung Euch geschenkt hat. Je mehr Ihr bereit seid, Euch selbst Gott und den Brüdern und Schwestern zu schenken, um so mehr werdet Duden echten Sinn des Lebens entdecken. Gott erwartet viel von Euch! 6. ,3ittet den Herrn der Ernte ...“ (Mt 9,38). Ich möchte diese meine Überlegungen abschließen, indem ich Euch, liebste Brüder und Schwestern, einlade, im Gebet Eure Gemeinden dem Herrn anzuempfehlen, damit sie nach dem Beispiel der ersten christlichen Gemeinde vereint im ständigen Hören des Wortes Gottes und in der Anrufung des Heiligen Geistes auf die Fürsprache Mariens gesegnet seien mit einem Übermaß an Berufungen zu einem Leben als Priester und Ordensleute. Zum Herrn Jesus Christus erhebe ich mein inständiges Gebet, damit uns das kostbare Geschenk zahlreicher und heiligmäßiger Berufungen geschenkt werde: Herr, du wolltest alle Menschen retten und hast die Kirche als Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern gegründet, die in deiner Liebe vereint sind. Bleibe Du 696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN immer in unserer Mitte, und rufe, die Du erwählt hast, daß sie die Stimme Deines Heiligen Geistes und Sauerteig in einer gerechteren und geschwisterlicheren Gesellschaft seien. Erflehe uns vom himmlischen Vater die geistlichen Anführer, die unsere Gemeinden so sehr brauchen: wahre Priester des lebendigen Gottes, die, erleuchtet durch Dein Wort, von Dir zu reden wissen und andere lehren, wie sie mit Dir sprechen sollen. Laß Deine Kirche wachsen durch ein neues Aufblühen an Berufungen geweihter Menschen, die Dir alles übereignen, damit Du alle retten kannst. Unsere Gemeinden mögen mit Liedern und Jubel die Eucharistien feiern zum Dank und Lobpreis für Deine Herrlichkeit und Güte, und sie mögen auf allen Straßen dieser Welt die Freude und den Frieden schenken, die kostbaren Gaben deines Heiles. Wende der ganzen Menschheit dein Angesicht zu, o Herr, und erweise dein Erbarmen allen Männern und Frauen, die im Gebet und durch ein aufrechtes Leben Dich suchen, dich aber noch nicht gefunden haben: Zeig Dich ihnen als der Weg, der zum Vater führt, als die Wahrheit, die frei macht, als das Leben, das niemals endet. Gewähre uns, o Herr, in deiner Kirche zu leben im Geiste getreuen Dienstes und der Ganzhingabe, damit unser Zeugnis glaubwürdig sei und Frucht bringe. Amen! Von ganzem Herzen sende ich Euch allen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus Castel Gandolfo, am 15. August 1995, dem Hochfest der Aufnahme der sei. Jungfrau Maria in den Himmel. Joannes Paulus PP. II Erkennen und Bekennen Christi als des Guten Hirten ist Eure Berufung! Predigt bei der Priesterweihe von 38 Diakonen am 28. April 1. „Ich bin der gute Hirt“ (Joh 10,11). Liebe Diakone, bald werdet Ihr zu Priestern geweiht und innerlich Christus, dem Guten Hirten, gleichgestaltet. Sein Bild steht beherrschend über diesem vierten Ostersonntag, dem Weltgebetstag für Geistliche Berufe. Mit großer Zuneigung heiße ich Euch und auch die Gemeinschaften der vier römischen Seminare willkommen, in denen ihr euren Ausbildungsweg vollendet habt: des „Seminario Romano Maggiore“, des „Collegio Capranico“, des Seminars „Redemptoris Mater“ und des Seminars der Oblaten von „Divino Amore“. Ich heiße Euch willkommen mit Euren Familien, in denen Eure Priesterberufung wurzelt. Noch bevor Ihr im Mutterschoß geformt wurdet, hatte Gott Euch ausersehen für einen besonderen Plan (vgl. Jer 1,5). 697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich heiße Euch willkommen mit den Freunden aus den Pfarreien, den Vereinigungen und den Bewegungen, in denen Ihr die Seelsorgepraxis erprobt habt. In diesem Jahr, das für mich den 50. Jahrestag der Priesterweihe bringt, freue ich mich besonders, 38 jungen Männern die Hände aufzulegen, die die Diözese Rom Gott schenkt, damit sie sich dem Dienst an seinem Volk widmen. 2. „Ich bin der gute Hirt.“ Halten wir einige Augenblicke inne, um miteinander über die Worte des Johannesevangeliums nachzudenken. Haben sie doch heute eine einzigartige Bedeutung für Euch, die Ihr durch dieses Sakrament zu einer besonderen Teilnahme am Geheimnis Christi, des Priesters und Guten Hirten, zugelassen werdet. „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). So faßt nach johanneischer Ausdrucksweise Jesus seine eigene Sendung zusammen. Den gleichen Gedanken finden wir wieder in den Worten des ersten Briefs des Apostels Petrus: „Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt ... Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt“ (2,24.21). Liebe Diakone, am Tag Eurer Priesterweihe seid Ihr gerufen, auf ganz persönliche und vorbehaltlose Weise dieses „Beispiel“ aufzunehmen und ihm zu folgen. Ihr seid gerufen, es zu lieben. Darum sage ich zu jedem von Euch: Gib Dich mit deinem ganzen Selbst fest Dem anheim, der Deine und der ganzen Welt Sünden auf das Holz des Kreuzes getragen hat: Liebe sein Beispiel und folge seinen Spuren! 3. „Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich“ {Joh 10,14). Dieses „Kennen“ - Ihr wißt es wohl, weil Ihr es gelernt und vor allem weil Ihr es persönlich erfahren habt - ist von ganz besonderer Art. Es entspringt aus einer um das Heil bemühten Sorge. Es ist ein nicht nur verstandesmäßiges Kennen, sondern auch eines, das vom Herzen ausgeht: das Kennen dessen, der liebt und der auch selbst geliebt wird; der treu ist, sich anvertraut und sich vertrauend überläßt. In dem wunderbaren Psalm 23, dem Antwortpsalm der heutigen Liturgie, findet dieses Liebeskennen einen erhabenen Ausdruck im Loblied der betenden Seele, die sich dank der liebevoll sorgenden Gegenwart Gottes eines Friedens und einer Sicherheit ohne Grenzen erfreut: „Der Herr ist mein Hirte, / nichts wird mir fehlen. / Er läßt mich lagern auf grünen Auen / und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. / Er stillt mein Verlangen; / er leitet mich auf rechten Pfaden, / treu seinem Namen ... / Du deckst mir den Tisch ... / Du salbst mein Haupt mit Öl“ (Ps 23,1-3.5). Auch in der Stunde der Prüfung und bei schwierigsten Erfahrungen schwinden das Vertrauen, das sich auf Gott stützt, und das Gefühl der Sicherheit nicht: ,Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, / ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir“ {Ps 23,4). 698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Am Tag der Priesterweihe, liebe Diakone, entfache jeder von Euch in tiefstem Herzen wieder neu sein Vertrauen: ein unerschütterlich festes Vertrauen, das schon beim bloßen Anrufen des Namens: „Guter Hirt“ in der Seele geweckt wird. Laßt dieses Vertrauen jetzt neu lebendig werden im Hinblick auf die Prüfungen und Schwierigkeiten, die das Leben und der Dienst des Priesters mit sich bringen. Christus wird stets ein besorgter Hirte sein - vor allem für die, welche er beruft, durch den priesterlichen Dienst an seiner eigenen Hirtensorge teilzuhaben. 4. Er ist die Tür zu den Schafen (vgl. Joh 10,7). In jedem Augenblick, in guten und schlimmen Stunden, weiß der Priester, daß seine eigene Seele und die Seelen der ihm Anvertrauten Gegenstand der einzigartigen Sorge des Guten Hirten sind. Und darum nimmt er mit Vertrauen seine Sendung auf sich. Er weiß, daß der Durchgang zum ewigen Leben allen offensteht durch die einzige und universale lebendige Tür: Christus, unser Osterlamm. Heute, liebe Diakone, tretet Ihr in ein inniges Verhältnis zu Christus, dem Hirten der Seelen. Jeder von Euch wird, ihm gleichgestaltet, mitverantwortlich für den Übergang der Seelen aus dem Tod zum Leben, aus dem Leben nach dem Fleisch zum Leben nach dem Geist. Und diese Aufgabe zu erfüllen ist möglich vor allem durch das Gebet und das Opfer des Lebens durch Christus, mit Christus und in Christus. Ich fordere Euch also auf, ihm - dem Hirten und der Tür zu den Schafen - jetzt schon alle jene anzuvertrauen, welche die göttliche Vorsehung mit Hilfe Eures Pastoralen Dienstes durch Ihn rufen und heimführen will. Welch eine Verantwortung! Was kann dem Priester die Übernahme einer solchen Aufgabe gestatten? Nur die Gewißheit, daß Christus der Hirt aller Seelen ist und daß er jedem Priester nahe ist, um ihm Hilfe und Stütze bei seinem Dienst zu sein. Auch Maria, die Mutter des Guten Hirten und unseres Priestertums, ist dem Priester zur Seite. Ihr vertraue ich, Hebe Diakone, jeden von Euch und Euren Dienst an. Der Herr, der einen Tisch für Euch deckt, salbe Euer Haupt mit dem Öl der Freude, und fülle Euren Kelch immer reichhch mit seiner Liebe (vgl. Ps 23,5). Amen! Eucharistiefeier ist das Herz und die Mitte der Liturgie Ansprache an die MitgUeder der Vollversammlung der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung am 3. Mai Herr Kardinalpräfekt, ehrwürdige Brüder im Bischofs- und Priesteramt, Brüder und Schwestern im Herrn! 1. Ich freue mich, aus Anlaß der Vollversammlung Eures Dikasteriums mit Euch zusammenzutreffen. Mein herzliches Gedenken gilt vor allem den anwesenden 699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kardinälen, insbesondere dem Präfekten der Kongregation, Antonio Maria Kardinal Javierre Ortas, dem ich für die an mich gerichteten freundlichen Worte danke. Ich grüße den Sekretär, Erzbischof Geraldo Majella Agnelo, die Mitglieder, Beamten, Konsultoren und alle, die in den Sonderkommissionen arbeiten. Euch allen möchte ich für den fachkundigen, hochherzigen Beitrag danken, den Ihr mit Eurem geschätzten Dienst dem Hl. Stuhl auf einem für das Leben der kirchlichen Gemeinschaft so wichtigen Gebiet leistet. In diesen Tagen habt Ihr Euch einer aufmerksamen Überprüfung der ordentlichen Tätigkeit in den vergangenen fünf Jahren gewidmet. Ihr habt die Probleme, auf die Ihr gestoßen seid, und die jeweiligen Lösungen aufgegriffen und gleichzeitig in Betracht zu ziehen versucht, was in Zukunft noch zu fördern und voranzubringen bleibt. Wir sind in der Vorbereitungsphase des Weges zum Großen Jubiläum des Jahres 2000. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich betont: „In der Konzilsversammlung hat die Kirche, um ihrem Meister treu zu bleiben ... die Reform der Liturgie, .Quelle und Höhepunkt1 ihres Lebens, vorbereitet“ (Nr. 19, AAS 87[1995]17) und die Notwendigkeit unterstrichen, sich über die .Annahme des Konzils“ zu prüfen, vor allem hinsichtlich dessen, was die Liturgie betrifft (vgl. Nr. 36, a.a.M., 28). 2. Diese bildet nämlich insgesamt, und in besonderer Weise in der Eucharistiefeier, den Höhepunkt, auf den alles Handeln der kirchlichen Gemeinschaft hinstrebt, und zugleich die Quelle, der die Verherrlichung Gottes und zugleich die fortschreitende Heiligung der Gläubigen in ihren konkreten Lebensverhältnissen entspringt. Es war also notwendig, die Liturgie so zu gestalten, daß sie den Erwartungen der heutigen Menschen besser entspräche und sich den verschiedenen Kulturen leichter anpassen könne. Diesbezüglich möchte ich allerdings in Erinnerung rufen, daß auch für die Liturgiereform, insbesondere für den Römischen Ritus, gilt, was ich in allgemeiner Weise in Tertio millennio adveniente hinsichtlich des Konzils bemerkt habe: „Man begegnet oft der Meinung, das II. Vatikanische Konzil bezeichne eine neue Epoche im Leben der Kirche. Das ist wahr, aber zugleich ist kaum zu übersehen, daß die Konzilsversammlung viel aus den Erfahrungen und Überlegungen der vorhergehenden Periode geschöpft hat, besonders aus dem gedanklichen Erbe Pius’ XII. In der Geschichte der Kirche sind ,das Alte1 und ,das Neue1 stets tief miteinander verflochten. Das .Neue1 erwächst aus dem .Alten1, das ,Alte‘ findet im .Neuen1 einen vollkommeneren Ausdruck“ (Nr. 18, a.a.O., 16). Wie sollte man also vergessen, daß die Liturgiereform die Frucht einer langen Zeit der Reflexion ist, die bis in die Pastoraltätigkeit des hl. Pius X. zurückgeht ujd einen einzigartigen Anstoß in der Enzyklika Mediator Dei Pius’ XII. gefunden hat (AAS 39[1947]521-595)? Im nächsten Jahr werden wir des 50. Jahrestages seit ihrer Herausgabe gedenken können. Es war das Ziel aller Maßnahmen, die sowohl vor dem II. Vatikanischen Konzil als auch während der Konzilsarbeiten und dann von der Liturgiereform unter- 700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nonumen wurden, die als maßgebende Anwendung daraus hervorgegangen ist, die Aneignung des „Geistes der Liturgie“ und - davon ausgehend - das Verständnis der liturgischen Handlungen in ihrer rechten und wesentlichen Bedeutung zu erleichtern. Natürlich ließ sich der „Geist“ der Liturgie nicht durch eine einfache Reform neu entfalten. Notwendig war eine echte und tiefgehende liturgische Erneuerung. Der „Geist“, der liturgischen Handlungen eigen sein muß, kann nur in den „menschlichen Handlungsträgern“ der Liturgie zu finden sein, die berufen sind, das „Priesteramt Christi auszuüben“. Das bedeutet aber nicht, daß die Formen, durch die das Priesteramt Christi zum Ausdruck kommt und ausgeübt wird, vernachlässigt werden dürfen, nämlich jene „wahrnehmbaren Zeichen“, von denen die Liturgie nicht absehen kann. 3. Das II. Vatikanische Konzil hat - wie ich im Apostolischen Schreiben Orientale lumen sagte - auf die Erwartungen der Menschen unserer Zeit geantwortet und die Gläubigen dazu aufgerufen, „mit Worten und Taten unserer Zeit auf die unermeßlichen Reichtümer zu verweisen, die unsere Kirchen in den Schatzkammern ihrer Überheferungen aufbewahren“ (Nr. 4, AAS 87[1995]748). Eine dieser „Schatzkammern“ ist gewiß das Missale Romanum, von dem Ihr zur Zeit die dritte „Editio typica“ vorbereitet. In ihm hat die „lex orandi“ die Glaubenserfahrung ganzer Generationen für den Römischen Ritus niedergelegt - zusammen mit vielen charakteristischen Merkmalen von Kulturen, die nach und nach in christliche umgewandelt wurden. Die Liturgiereform beabsichtigte, daß sich in weiterem Maße und auf verschiedene Weisen je nach Zeiten und Erfordernissen das vollziehen sollte, was schon mehrmals in der Geschichte der Kirche geschehen war, wie z. B. bei dem einzigartigen pastoralen Unternehmen der hll. Cyrill und Methodius. Denn „die Offenbarung wird dann in angemessener Weise verkündet und vollkommen verständlich, wenn Christus die Sprache der verschiedenen Völker spricht und diese in ihrer Sprache und in den ihnen eigenen Ausdrucksformen die Heilige Schrift lesen und die Liturgie singen können“ (Orientale lumen, Nr. 7, a.a.O., 751). 4. Die dritte „Editio typica“ des Römischen Meßbuches gibt Euch Gelegenheit, über einige bezeichnende Eigenschaften dieser Erneuerung nachzudenken. Diesbezüglich ist es lohnend, in Erinnerung zu rufen, worauf ich im Apostolischen Schreiben Dominicae cenae hinwies: „Wenn auch in dieser Phase der Erneuerung die Möglichkeit einer gewissen .kreativen“ Autonomie zugestanden worden ist, so muß diese doch die Erfordernisse der substantiellen Einheit genau beachten. Auf dem Weg dieses Pluralismus, der sich schon aus der Einführung der verschiedenen Sprachen in die Liturgie ergibt, dürfen wir nur so weit gehen, daß die wesentlichen Merkmale der Eucharistiefeier erhalten bleiben und die von der kürzlichen Liturgiereform vorgeschriebenen Normen beachtet werden“ (Nr. 12, 445'72[ 1980] 143). Und so fügte ich hinzu: „Man muß sich unbedingt und überall darum 701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bemühen, daß in dem vom II. Vatikanischen Konzil vorgesehenen Pluralismus des eucharistischen Kultes jene Einheit deutlich hervortritt, für die die Eucharistie Zeichen und Quelle ist“ (ebd.). Ich weiß wohl, daß Euer Dikasterium sich dafür einsetzt, die größtmögliche Treue zu den liturgischen Vorschriften zu fördern und allen die Grundsätze ins Gedächtnis zu rufen, die das II. Vatikanische Ökumenische Konzil diesbezüglich formuliert hat: „Das Recht, die heilige Liturgie zu ordnen, steht einzig der Autorität der Kirche zu. Diese Autorität liegt beim Apostolischen Stuhl und nach Maßgabe des Rechtes beim Bischof ... Deshalb darf durchaus niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern“ (Konstitution über die heilige Liturgie, Sacrosanctum Con-cilium, Nr. 22). 5. Es muß daher allen klar sein, daß die Entscheidungen in liturgischen Dingen -mögen durchführbare Änderungen durch den Beitrag von Fachleuten auch als zweckdienlich erläutert werden - doch der unmittelbaren Verantwortung der kirchlichen Obrigkeit Vorbehalten bleiben. Diese verfolgt einzig das Ziel, die Teilnahme des Volkes an der Liturgie zur Verherrlichung Gottes zu fördern und zugleich die Möglichkeiten der Heiligung für jeden Gläubigen besser zugänglich und fruchtbar zu machen. Nur eine Liturgie, die in dem auf das Wort Gottes hörenden und auf die Eucharistie hin ausgerichteten Herzen jenes „von angebeteter Gegenwart erfüllte Schweigen“ hervorruft, von dem ich kürzlich im nachsynodalen Schreiben über das geweihte Leben gesprochen habe (vgl. Vita consecrata, Nr. 38), kann den Erfordernissen und Zielsetzungen des christlichen Lebens entsprechen. In einer Welt voll von audiovisueller Information aller Art müssen unbedingt Zonen des Schweigens zurückgewonnen werden, die zulassen, daß Gottes Stimme zu vernehmen ist und daß die Seele sein Wort verstehen und aufnehmen kann (vgl. Orientale lumen, Nr. 16, a.a.O., 762). Genau das lehrt das leuchtende Beispiel zahlloser Heiliger und Seliger, die uns durch ein Leben der Sammlung und des Gebetes zur Ehre Gottes vorangegangen sind, und das von Märtyrern, die aus Liebe das „Schweigen“ der völligen Hingabe des Lebens gewählt haben als Antwort auf die im Wort und in der Eucharistie erfahrene Liebe Gottes. 6. Darum sind denn auch all Eure Überlegungen für das christliche Leben von großem Nutzen, Euer Nachdenken über die Verehrung der Seligen einerseits und über das Römische Martyrologium andererseits. Als liturgisches Buch ermöglicht es einen Austausch unter den Diözesen bei der Heiligenverehrung als gemeinsame Teilhabe an Gaben im Geist der Gemeinschaft der Heiligen. Ich weiß wohl, daß es sich um eine lange und schwierige Arbeit handelt, die Eure Kongregation seit vielen Jahren mit Studien und Arbeit in Anspruch nimmt. Es ist nun der Augenblick gekommen, dieses bedeutsame Werk zu Ende zu führen, damit das Martyrologium die anderen bereits erneuerten liturgischen Büchern ergänze. Damit wird auch klar 702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden, daß der geringer gewordene Raum für die Gedächtnisfeiern der Heiligen im Römischen Kalender, der dem Tag des Herrn und der Feier seines Geheimnisses den Vorrang gegeben hat, durchaus keine geringere Einschätzung all derer bedeutet, die - angefangen mit der heiligsten Jungfrau Maria - mit ihrem Leben Zeugnis für die Wundertaten der Gnade geben. Dadurch sollen die Gläubigen nicht nur das Gedächtnis an die Geheimnisse der Erlösung begehen und sie betrachten, sondern sie auch persönlich erfassen, daran teilhaben und daraus leben (vgl. Pius XIL, Enzyklika Mediator Dei, AAS 39[1947]580). Mit dem Wunsch, daß die Arbeiten der Vollversammlung zu einem immer tieferen liturgischen Leben des Gottesvolkes beitragen mögen, rufe ich auf Euer Dikaste-rium den beständigen Schutz Marias herab, die das unübertreffliche Vorbild der vollkommenen Beterin ist. Mit diesen Wünschen und noch einmal für eure hochherzige Zusammenarbeit dankend, erteile ich jedem von Euch von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Berufliche und geistliche Erfüllung im Dienst der Weltkirche Ansprache bei der Audienz für die Schweizergarde anläßlich der Vereidigung der neuen Rekruten am 6. Mai Herr Kommandant, Herr Gardekaplan, liebe Freunde aus der Schweizergarde, liebe Brüder und Schwestern! 1. Es freut mich, Euch aus Anlaß der Vereidigung des neuen Jahrgangs der Päpstlichen Schweizergarde im Haus des Nachfolgers Petri zu empfangen. In besonderer Weise grüße ich Oberst Roland Buchs, der das Kommando der Schweizergarde mit großer Hingabe führt, und mit ihm die Offiziere, die Unteroffiziere und alle Mitglieder der berühmten Garde. Meine herzlichen Glückwünsche gehen an den neuen Kaplan für sein Amt; und ich bete zum Herrn für seinen Vorgänger, der so früh verstorben ist. Ich heiße alle Verwandten willkommen, die an diesem großen Fest teilnehmen. Eure Anwesenheit bezeugt die Verbundenheit vieler Schweizer Katholiken mit der Kirche und insbesondere mit dem Sitz Petri. Der Ort, an dem wir uns befinden, ist Schauplatz einer glorreichen und heroischen Geschichte. Seit der Schaffung der Schweizergarde haben zahlreiche junge Männer die Aufgabe erfüllt, welche die Garde heute noch leistet. Aufgrund untadeligen Einsatzes und bewährter Treue haben einige sogar ihr Blut vergossen, um den Papst zu verteidigen und ihm zu gestatten, seine Sendung in aller Unabhängigkeit wahrzunehmen. Denn ihre Hauptaufgabe ist es - wie die gültige Dienstordnung sagt -, über die Sicherheit der Person und der Residenz des Papstes zu wachen. 703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Papst hatte auf französisch begonnen und fuhr auf italienisch fort: 2. Es ist allen bekannt, daß die Funktionen der Schweizergarde, wenngleich sie militärischer Art sind, einen direkten Dienst am Kirchenoberhaupt und am Apostolischen Stuhl zum Wohl des ganzen Leibes Christi, der Kirche, bilden. Anlaß zu tiefer Anerkennung ist daher die Tatsache, daß junge Männer sich dazu entschließen, einige Jahre ihres Lebens in voller Verfügbarkeit für den Nachfolger Petri und die kirchliche Gemeinschaft einzusetzen. Liebe Freunde aus der Schweizergarde, manchmal ruft der Herr einen von Euch, ihm auf einem noch anspruchsvolleren Weg zu folgen, dem des Priestertums oder des geweihten Lebens, und trifft auf ein offenes Herz und eine bereitwillige und begeisterte Antwort. Andere hingegen krönen glücklich mit dem Sakrament ihre Berufung zur Ehe. Ich danke Gott, dem Ursprung alles Guten, für die unterschiedlichen Gaben und die verschiedenen Aufgaben, die Er Euch anvertraut, und bete, daß auch die, welche nun ihren Dienst beginnen, voll auf den Anruf Christi antworten und ihm in hochherziger Treue folgen. ... und schloß auf deutsch: 3. Allen Mitgliedern der Schweizergarde danke ich sehr herzlich für die bereitwillige Erfüllung ihres Dienstes, in dem sie in hervorragender Weise den beruflichen und geistlichen Aspekt verbinden und jederzeit ihre Hingabe sowie ihre unverbrüchliche Treue zum Apostolischen Stuhl bekunden. Die Pilger, die nach Rom kommen, machen ihrerseits oft die Erfahrung von großer Geduld und von Bereitschaft zum Zuhören von seiten der Gardisten, die an den verschiedenen Eingängen zur Vatikanstadt ihren Dienst tun, allzeit bereit, auf die zahlreichen Fragen, die ihnen gestellt werden, eine Antwort zu geben. Dies ist für alle Gläubigen ein Zeugnis von der Aufnahme, die die Kirche zu allen Zeiten und unter allen Umständen gewährt. Am Ende dieser Audienz spreche ich den jungen Rekruten meine besten Wünsche aus und verleihe der Hoffnung Ausdruck, daß sie im Vatikan reiche spirituelle und menschliche Erfahrungen machen. Diese Erfahrungen mögen sie tiefer in das Leben der Kirche führen, um sie immer mehr zu lieben und gleichzeitig die reichhaltige Vergangenheit des Vatikans und der Stadt Rom kennenlemen zu können. Die Angehörigen der Mitglieder der Schweizergarde bitte ich, alle diejenigen mit dem Gebet zu begleiten, die sich entschlossen haben, sich dem Nachfolger Petri zur Verfügung zu stellen. Denn das Gebet ist eine besonders herausragende Form des Dienstes an Gott und an seiner Kirche. Euch allen wünsche ich einen frohen Festtag und erteile Euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. 704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ehe- und Familienbildung - Schwerpunkte der Seelsorge heute Ansprache an die Teilnehmer des Studienkongresses des Päpstlichen Rates für die Familie und des Instituts „Johannes Paul H“ über Ehe und Familie am 9. Mai Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, Brüder und Schwestern im Herrn! 1. Es ist mir eine Freude, Euch zu dieser Audienz zu empfangen anläßlich des Kongresses, durch den Ihr einen für Euch - und auch für mich - so bedeutenden Anlaß hervorheben wolltet. Ich grüße und danke Alfonso Kardinal Lopez Trujillo, der Eure Gefühle der herzlichen Zuneigung und Ergebenheit zum Ausdruck gebracht und darüber hinaus den besonderen Grund dieses Treffens deutlich gemacht hat. Ich grüße ebenfalls Msgr. Angelo Scola, den gegenwärtigen Vorsitzenden des Päpstlichen Instituts für Studien über Ehe und Familie, sowie Msgr. Caffarra, der dieses Amt vorher und viele Jahre lang innehatte. Mit ihnen begrüße ich sowohl die Dozenten dieses Instituts wie auch die Beamten des Päpstlichen Rats für die Familie, die sich zu dieser Audienz eingefunden haben. Sie sollen meine Grüße auch all jenen überbringen, die auf vielerlei Weise zum Leben der beiden Organisationen beitragen, deren fünfzehnjähriges Bestehen wir heute feiern. 2. Die Tatsachen sind uns allen wohlbekannt. Mein Vorgänger Paul VI. wählte die Familie als Thema der ordentlichen Synode im Jahr 1980. Diese Entscheidung wurde später von mir bestätigt und zum Segen für die ganze Kirche in die Tat umgesetzt. Unter den unmittelbaren Konsequenzen, die sich daraus ergaben, erfolgte im Jahre 1981 auch die Gründung sowohl des Päpstlichen Rats für die Familie als auch des Instituts für Studien über Ehe und Familie. Im Laufe der Jahre hat sich herausgestellt, daß die Einrichtung beider Organe sehr sinnvoll gewesen ist, um den Herausforderungen, die sich in unserer Zeit der Familie stellen, begegnen zu können. Es handelt sich um zwei Einrichtungen, die sich in vielerlei Hinsicht ergänzen und die beauftragt sind, einen besonders wichtigen Dienst für das Leben der Kirche am Ende dieses Jahrhunderts und Jahrtausends zu leisten. Die Magna Charta des Päpstlichen Rates für die Familie ist sicherlich das Apostolische Schreiben Familiaris consortio: Es war der feste Bezugspunkt für das Werk des Rates hinsichtlich der seelsorgerischen Unterstützung für die Familien. Die Überlegungen der Synodenväter haben eine reiche Ernte an pastoralen Hinweisen und Ausrichtungen geliefert und hervorgehoben, daß die Familien selbst die wichtigsten Träger des Familienapostolats sind und daß sie deshalb von ihren Hirten volle Unterstützung erfahren müssen. 705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Bei der Umsetzung dieser seelsorgerischen Richtlinien waren die Hauptgesprächspartner des Päpstlichen Rates für die Familie in diesen Jahren die Bischöfe und die Bischofskonferenzen; mit ihrer Hilfe hat sich der Rat bemüht, eine umfassende und auf die Familie ausgerichtete Pastoral zu fördern. Es tritt nämlich immer klarer zutage, daß eine in Sektoren unterteilte Pastoral nicht ausreicht: Die Familie muß in den Mittelpunkt der diözesanen oder nationalen Programme gerückt werden, denn „die Zukunft der Menschheit geht über die Familie“ (Familiaris consortio, Nr. 86). Wie könnte man übersehen, daß in diesen Worten von Familiaris consortio die ganze geschichtliche, politische und soziale Tragweite der Familien für die gesamte Menschheit zum Ausdruck kommt? Können die Völker der Erde eine ruhige Zukunft erwarten, wenn die Familie zerstörerischen Einflüssen ausgesetzt ist, die die geheiligte Aufgabe der Eltern behindern? Es ist heute wichtiger denn je, die Familien anzuspomen, damit sie ihren eigenen Reichtum und ihre Energien entdecken und ihr Schicksal verantwortungsbewußt angehen. Die zentrale Rolle der Familie ist auf konkrete Weise anläßlich des Internationalen Jahres der Familie sichtbar geworden, als man sich der Tatsache besser bewußt wurde, daß die Familie bei der Verteidigung der menschlichen und christlichen Grundwerte der Gesellschaft der entscheidende Faktor ist und bleibt. In neuerer Zeit wurden wir leider mit dem Widerspruch bei einigen öffentlichen Einrichtungen konfrontiert, die eigentlich die Aufgabe hätten, die Familie als grundlegende Zelle der Gesellschaft zu schützen, von denen aber im Gegenteil Entscheidungen getroffen werden, die eher geeignet sind, die Familie zu bedrohen und zu zerstören. 4. Neben den Bischöfen und den Bischofskonferenzen hat der Päpstliche Rat für die Familie auch weitere Gesprächspartner, und zwar die Bewegungen, Gruppen und Vereine, deren Zielsetzung die Verteidigung der Familie und des Lebens ist. Es ist wahrhaft von der Vorsehung bestimmt, daß heute in der Kirche so viele Initiativen mit dieser Zielsetzung entstehen. Liegt etwa nicht darin die Bestätigung einer vorausschauenden Erkenntnis, die sich Familiaris consortio zu eigen gemacht hat, wonach die Familien selbst sich aufgerufen fühlen sollen, die echten Träger der Evangelisierung der Familien zu sein? Aus diesem Grund wollte ich diese notwendige Arbeit mit den Familien unterstützen, auch angeregt durch viele Erfahrungen, die ich während meiner vorherigen priesterlichen und bischöflichen Tätigkeit gesammelt hatte. Ich habe dazu aufgerufen, die Familie zum Mittelpunkt der Pastoral in den Pfarrgemeinden, den Diözesen und selbst in den Bischofskonferenzen zu machen. Aus dem gleichen Grund habe ich mit dem Motu proprio Familia a Deo instituta das frühere Komitee zum Päpstlichen Rat für die Familie gemacht, und ich freue mich, feststellen zu können, daß dieser mit Eifer und Unternehmungsgeist die Arbeit ausführt, die ich ihm als Nachfolger Petri habe anvertrauen wollen. 706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Diese pastorale Tätigkeit mußte darüberhinaus durch eine mit wissenschaftlicher Gründlichkeit verfolgte akademische Arbeit unterstützt werden. Eben deshalb ist das „Institut für Studien über Ehe und Familie“ ins Leben gerufen worden. Heutzutage ist die systematische Ausbildung von Seelsorgern in diesen Disziplinen sicher von dringlicher Notwendigkeit - gemäß einer rechten und vom Lichte des Evangeliums erleuchteten Sicht der menschlichen Anthropologie. Bei diesen Themen übertragen die Ausführungen über Ehe und Familie jene Wahrheiten ins alltägliche Leben, die die christliche Auffassung vom Menschen bestimmen. Darum war es nötig, der Familienpastoral eine philosophisch-theologische Unterstützung zu geben, die auf die atheistische und materialistische Anschauung des Lebens antwortet. Man brauchte ein Institut von hohem Niveau, wo die Studierenden eine gezielte Vorbereitung erhalten, um dann ihrerseits - ob als Professoren oder als Animatoren in der Familienpastoral in den verschiedenen Teilen der Welt - dazu beizutragen, das Leben der Gläubigen zu bereichern, indem ihnen geholfen wird, die Berufung zur Heiligkeit der Eheleute und der anderen Familienmitglieder zu entdecken. Fünfzehn Jahre nach seiner Gründung ist es nur recht und billig anzuerkennen, daß das Institut für Studien über Ehe und Familie die Prüfung glänzend bestanden hat. Dort erhalten die Studierenden nicht nur eine theoretische Ausbildung in den verschiedenen Fächern auf Universitätsniveau, sondern sie haben darüber hinaus die Möglichkeit, eine Facharbeit über ein spezifisches Thema für ihren Studienabschluß durchzuführen. Dadurch erreichen sie die wissenschaftliche Reife, die sich für zukünftige Seelsorger und Dozenten ziemt. Nicht von ungefähr ist die neue Hochschuleinrichtung in den letzten Jahren ausgebaut worden durch die Schaffung zahlreicher Filialen in verschiedenen Ländern und Kontinenten. Auf diese Weise wurde den Studenten der Zugang erleichtert. Außerdem wurde ein engerer Zusammenhang mit den konkreten Problemen der verschiedenen geographischen Regionen möglich gemacht unter Erhaltung der Einheitlichkeit in der Zielsetzung und in der Ausrichtung dank der Präsenz eines Lehrkörpers, der eine gewissenhafte Lehrtätigkeit und deren Treue zum Lehramt der Kirche sicherstellt. Schon heute profitieren viele Diözesen von der Arbeit der Priester und Studenten, die an diesem Institut ausgebildet worden sind. Es ist zu wünschen, daß auch andere Bischöfe die Familienpastoral in ihren Diözesen dadurch stärken, indem sie Studenten an das Institut schicken, um in Zukunft über sachverständige Mitarbeiter in diesem Kembereich der Pastoral zu verfügen. Es freut mich, zu sehen, wie viele Diözesen sich einer Pastoral, den Herausforderungen der heutigen Welt entsprechend, mit breit angelegter Teilnahme öffnen. 6. Ich danke deshalb Euch allen herzlich, die Ihr in den vergangenen Jahren soviel gearbeitet und so vielversprechende Früchte geerntet habt. Gleichzeitig ermutige ich Euch von Herzen, Euer Werk in einem für das Wohl der Kirche so wichtigen Bereich fortzusetzen. Der hl. Jungfrau Maria, Königin aller Familien, möchte ich 707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eure Tätigkeit und die aller Eurer Mitarbeiter anvertrauen. Ich bitte sie, Eure Bemühungen mit ihrem Schutz zu begleiten und sie für das Wohl der einzelnen Familien, der Kirche und der ganzen Gesellschaft fruchtbar zu machen. Mit diesen Wünschen spende ich Euch allen einen besonderen Segen als Zeichen meiner beständigen Zuneigung. Aufgabe und Auftrag der Kirche Italiens und ihrer Gemeinden zum Großen Jubiläum des Jahres 2000 Ansprache bei der Begegnung mit der Italienischen Bischofskonferenz am 9. Mai „Am Abend dieses ersten Tages der Woche [...] kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, daß sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,19-21). Liebe Brüder im Episkopat! 1. Mit Euch freue ich mich über das Kommen des auferstandenen Herrn, der in unserer Mitte gegenwärtig ist. Jedesmal, wenn wir uns versammeln, ist das ein Wiedererleben jener ursprünglichen und grundlegenden Erfahrung der Kirche, derer wir in dieser Osterzeit mit besonderer Intensität und Wirksamkeit gedenken, während wir vertrauensvoll und im Gebet die Gabe einer erneuten Aussendung des Heiligen Geistes erwarten (vgl. Joh 20,22). Eine jede unserer Kirchen ist - in Gemeinschaft mit allen anderen - lebendiges und beredtes Abbild des Apostelkollegiums, das im Saal des Letzten Abendmahls vereint war. Sie ist folglich dazu berufen, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn zu empfangen und sich von der Gabe seines Geistes formen zu lassen, um „ein Herz und eine Seele“ (vgl. Apg 4,32) zu werden und sich mit erneuerter Schwungkraft der Verkündigung und Bezeugung der großen, von Gott zum Heil aller Menschen vollbrachten Taten zuzuwenden. Ich grüße jeden von Euch herzlich. Ich grüße und danke Eurem Vorsitzenden, Kardinal Camillo Ruini - seit kurzem in seinem Auftrag bestätigt -, den stellvertretenden Vorsitzenden und Generalsekretär Msgr. Ennio Antonelli. Allen wünsche ich ein an geistlicher Freude reiches Amt in der eigenen Diözese und im gemeinsamen Dienst der Bischofskonferenz. 2. Die im letzten November in Palermo abgehaltene Zusammenkunft hat auf dem Glaubensweg der kirchlichen Gemeinschaft in Italien einen Abschnitt von großer Bedeutung dargestellt und bei allen Gläubigen lebendige Hoffnung erweckt. In dieser Versammlung habt ihr das Schriftstück untersucht und gebilligt, das die Früchte jener Zusammenkunft geerntet, geprüft und in maßgebende Richtlinien 708 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN pastoralen Einsatzes übersetzt hat. Daraus ergibt sich also im Hinblick auf das Jubeljahr 2000 eine Vertiefung und Neubelebung des großen Themas des .Evangeliums der Nächstenliebe“, das in diesem Jahrzehnt den Weg der Kirche in Italien leitet. Es geht darum, Herz und Verstand den Gaben des Heiligen Geistes zu öffnen, um sein Dasein in der anspruchsvollen und befreienden Nachfolge des gekreuzigten und auferstandenen Christus und im Dienst an den geringsten unter den Brüdern zu leben (vgl. Mt 25,40) und die Aufforderung zur universalen Berufung zur Heiligkeit, zum Vollzug der Nächstenhebe anzunehmen, die sich an alle wendet und mit der Gnade Gottes für alle konkret möglich ist. 3. Aus der Anschauung des Mysteriums Gottes - das sich uns in Jesus Christus offenbart - entspringt jene Auffassung vom Menschen, von seiner irdischen und eschatologischen Berufung, von seinen gesellschaftlichen Zusammenhängen, die der Grundstock einer christlichen Kultur und Zivilisation ist. Das ist, was das Zweite Vatikanische Konzil mit der Aufforderung lehrt, in Jesus Christus den Schlüssel, den Mittelpunkt und das Ziel des Menschen sowie der ganzen Menschheitsgeschichte (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10) zu erkennen, um so - von der göttlichen und ewigen Berufung des Menschen ausgehend - auf den großen kulturellen Übergang zu antworten, der die ganze Menschheitsfamilie betrifft. Das Evangelium ist nämlich erneuernde Kraft auch der weltlichen Realitäten. Ihr habt deshalb bei der Zusammenkunft von Palermo sehr zweckmäßig die Basis eines in christlichem Sinn orientierten Vorhabens gelegt, welches ihr nun entwickeln und stufenweise verwirklichen wollt. Es ist dies ein Punkt von enormer Wichtigkeit für die Evangelisierung: Man kann die Strömungen von Entchristli-chung, die auch ein Land mit zweitausendjähriger Glaubenstradition wie Italien betreffen, nur durch eine eindringlichere Verkündigung Christi wirkungsvoll beantworten. Wirksame Unterstützung bei diesem Werk wird der sich aus dem Kontext ergebende Vorschlag einer erneuerten Kultur sein, welche die Fragen und Erfordernisse der Zeit, in der wir leben, im Lichte des Evangeliums auszulegen weiß. Das ist auch der hauptsächliche Beitrag, den die Christen zum gesellschaftlichen und politischen Leben Italiens leisten können. Die gläubigen Laien brauchen bei der Übernahme ihrer eigenen zeitlichen Verantwortung feste geistliche und kulturelle Anhaltspunkte, die ihnen die Möglichkeit geben, ihre eigene Identität nicht zu verlieren und mit Vertrauen und Mut für ein Gesellschaftskonzept zu wirken, das von der Würde und transzendenten Berufung des Menschen getragen wird. Das Gemeinwohl und der weitere solidarische Fortschritt der geliebten italienischen Nation fordern - obschon gemäß neuen Bedingungen - heute nicht weniger als gestern ein klares Zeugnis der Gläubigen und deren Fähigkeit, jenes große Erbe an Glauben, an Kultur und an Einheit darzustellen und zu verteidigen, welches das wertvollste Gut dieses Volkes bildet (vgl. Brief an die italienischen Bischöfe vom 6. Januar 1994, Nr. 1). 709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Eine bevorzugte Station auf dem Weg der Realisierung der bei der Tagung von Palermo aufgestellten Direktiven und dem Weg der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des dritten Jahrtausends wird der Eucharistische Landeskongreß sein, der im September nächsten Jahres in Bologna durchgeführt wird. Das gewählte Thema ist dasselbe wie im ersten Jahr der Vorbereitungsphase des Jubiläums: „Jesus Christus, einziger Heiland der Welt, gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8). Der Kongreß - dem in der ihn beherbergenden Diözese und im ganzen christlichen Volk große Beachtung geschenkt wird - wird eine Einladung zum Überdenken der zentralen Bedeutung Christi im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben und zur Ergründung der Implikationen dieser unermeßlichen Gabe für das kulturelle und gesellschaftliche Leben darstellen. Denn die Eucharistie birgt die ganze außerordentliche Fähigkeit als Emeuerin und Heilbringerin der Auferstehung des Herrn Jesus in sich: Aus ihr zu leben bedeutet, leidenschaftliche Erbauer der Einheit, der Freiheit und des Friedens zu werden. Mit dieser Gesinnung treuen Festhaltens an Christus und brüderlicher Solidarität bereitet sich die Kirche in Italien darauf vor, die vielen Pilger des Heiligen Jahres gastfreundlich aufzunehmen. Jede Kirchengemeinde soll sich einstellen, immer mehr wie die „auf dem Berg liegende Stadt“ (vgl. Mt 5,14) zu sein auf Grund der Vorbildlichkeit im Glauben, auf Grund der Beständigkeit in der gegenseitigen Liebe, die die Jünger Christi kennzeichnet, auf Grund des gastfreundlichen und herzlichen Sinnes, auf Grund der Großzügigkeit, mit der sie die Schönheiten und Reichtümer an Glauben und Nächstenliebe, an Kultur und Kunst, mit denen der Geist des Evangeliums die italienischen Städte und Bevölkerungsgruppen ausgestattet hat, in den Dienst so vieler, aus jedem Winkel der Erde stammender Brüder und Schwestern stellen wird. 5. Die Feier des Großen Jubeljahres 2000 gewinnt eine vielsagende missionarische Perspektive, die in den Arbeiten Eurer Versammlung ausführliche Erörterung erfahren hat. Die von der Kirche in Italien im Dienste der universalen Mission vollbrachten Bemühungen sind stets bemerkenswert gewesen. Es sind zu diesem Thema Seiten eines wirklichen Martyrologiums geschrieben worden. Auch heute geht das beredte Zeugnis vieler Missionare an den Grenzen der Evangelisierung weiter. In unserer Seele klingt noch der Widerhall der Seligsprechung von zwei großen italienischen Bischöfen in der Peterskirche nach, die sich im Bereich der „missio ad gentes“ ausgezeichnet haben: Msgr. Comboni und Msgr. Conforti. Während wir Gott Dank und den vielen Missionaren und Missionarinnen, Priestern, Ordensbrüdern und -Schwestern, Nichtgeistlichen, Männern und Frauen Ehre erweisen, fühlen wir uns verpflichtet - indem wir es prophetisch den neuen Zeiten anpassen -, dieses wertvolle missionarische Erbe sorgsam zu bewahren und zu entwickeln, das Zeichen der Glaubensvitalität des Gottesvolkes ist, das uns anvertraut ist. Stets sollen unsere Kirchen - in der Gewißheit, daß Gott sich an Großherzigkeit nicht übertreffen läßt - gegenüber den anderen christlichen Gemeinschaften ver- 710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fügbar bleiben, die uns die Hand reichen. Ein neuer und mutiger missionarischer Aufschwung wird eine unermeßliche Gelegenheit zur Evangelisierung für die Kirchengemeinden und insbesondere für die Jugendlichen in Italien darstellen. Das wird schließlich auch die greifbarste Auswirkung des Jubiläums sein: Die Schönheit des eigenen Glaubens wiederzuentdecken, zu stärken und zu erleben, indem man ihn mit anderen, in der Feme und in der Nähe, teilt, die bisweilen sehnsüchtig, bisweilen sogar, ohne sich dessen bewußt zu sein, diese unendliche Gabe erwarten. 6. Verehrte Brüder im Episkopat! Laßt uns der heiligen Maria, der Mutter Christi und der Kirche, die Aussichten und Vorhaben anvertrauen, die in diesen Tagen aus dem gemeinsamen Gebet, aus der Reflexion und dem brüderlichen Dialog hervorgegangen sind. Die Erinnerung des Ostergeheimnisses zeigt sie uns zu Füßen des Kreuzes, am Opfertod des Sohnes beteiligt. Zu Füßen des Kreuzes erhält sie der Jünger als unschätzbares Geschenk aus den Händen des Gekreuzigten (vgl. Joh 19,27). Seit jenem Augenblick lebt sie im Herzen der Kirche, wirkungsvolle Hüterin der Gemeinschaft der Jünger und leuchtender Stern der Evangelisierung. Gemeinsam mit ihr erflehen wir die Gabe des Geistes der Wahrheit und der Liebe für uns und für alle Gläubigen: Er wird es sein, der uns vorbereitet auf die Begegnung mit dem Herrn, der kommt! Mit diesen Empfindungen und Wünschen segne ich jeden von Euch und das Eurer pastoralen Fürsorge anvertraute Volk. Erziehung und Bildung sind grundlegende Beiträge zur ganzheitlichen Entwicklung der Menschheit Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke am 10. Mai Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, hebe Brüder und Schwestern! 1. Mein herzlicher Gmß geht an alle und jeden einzelnen, zunächst an den Herrn Kardinalpräfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, dem ich für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat, und für die interessanten Informationen über die Tätigkeiten der Päpstlichen Missionswerke danke. Mein verbindlicher Dank gilt auch Erzbischof Charles Schleck, dem Beigeordneten Sekretär dieses Dikasteriums und Präsident des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke, ferner den Generalsekretären, den Nationaldirektoren und allen, die sich im Dienste der Päpstlichen Missionswerke einsetzen. 711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die heutige Begegnung findet im Zusammenhang mit der jährlichen Vollversammlung des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke statt, denen, wie in den Statuten festgelegt, die Aufgabe anvertraut ist, „weltweit den Missionsgeist beim Gottesvolk zu fördern ... durch die geistliche und materielle Zusammenarbeit am Werk der Evangelisierung. Sie schaffen einen zentralen Solidaritätsfonds für ein weltweites Hilfsprogramm“ (Kap. I, Nr. 3). Ihr kommt aus den verschiedenen Kontinenten und bringt so die Erwartungen der Völker zum Ausdruck, denen Ihr -durch die Päpstlichen Missionswerke - das Evangelium „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) zu bringen Euch bemüht. 2. Die Förderung der Mission - die Eure Hauptaufgabe darstellt - ist daher wichtig und äußerst dringend. Ihr sorgt Euch um die Verkündiger des Evangeliums, unterstützt die mutige Tätigkeit der Missionare und nutzt jede Gelegenheit, allen das Bewußtsein von der Mission zu übermitteln. Insbesondere wendet Ihr Euch an die Kleinen, um sie „von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung“ (Ad gentes, Nr. 38) zu erfüllen. Liebe Brüder und Schwestern, fahrt in dieser apostolischen Bemühung fort, indem Ihr jeder Zuwendung zum Werk der Evangelisierung Wert verleiht und dem Gebet der Kleinen und dem wertvollen Beitrag der Leidgeprüften besondere Aufmerksamkeit schenkt. Der erste Dienst, den wir der Ausbreitung des Reiches Gottes leisten können, ist - wie das Beispiel eurer Schutzpatronin, der hl. Theresia vom Kinde Jesu, zeigt - das Gebet. Jesus hat gesagt: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (vgl. Mt 9,38). Von ihm empfangen wir den Glauben als kostbarstes Geschenk. Geschenk, das sorgsam gehütet und verantwortungsbewußt vertieft werden muß; Geschenk, das sich in dem Maß erhält und wächst, in dem es mit den Brüdern geteilt und ihnen mitgeteilt wird. In diesem Zusammenhang erweist sich die Aufgabe der Missionare als unerläßlich, denn der hl. Paulus sagt: „Der Glaube gründet in der Botschaft“ (Röm 10,17). Liebe Brüder und Schwestern, regt durch jedes zur Verfügung stehende Mittel großherzige Berufungen für die Mission an; ermutigt und unterstützt alle die, die der Herr ruft, sich der Ausbreitung des Reiches Gottes zu weihen. Die Welt hungert und dürstet es nach Christus und seiner barmherzigen Liebe. Der Aufbau Eurer vier Werke trägt beträchtlich dazu bei, allen Christen ins Bewußtsein zu rufen, daß „in der Tat [...] alle zur Mitarbeit an dieser Sendung aufgerufen [sind]“ (Ansprache bei der Generalaudienz am 19. April 1995; in O.R.dt. v. 28. 4. 95, S.l). 3. Eben dazu sind die Päpstlichen Missionswerke entstanden. Ihre Gründer und Gründerinnen beabsichtigten, für das Wohl der örtlichen Kirchen auf der ganzen Welt zu wirken; sie setzten sich ein, damit jede kirchliche Gemeinschaft - mit einheimischem Klerus ausgestattet und in der Ortskultur entsprechenden Strukturen organisiert - zu einem reifen Glauben gelangen könne. Ihr verfolgt mit Hingabe 712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Weitblick diese Spur. Und außerdem sorgt Ihr dafür, die zur Realisierung Eurer Pläne unentbehrlichen Geldmittel zu gewährleisten. In den vielerlei Stufen der missionarischen Tätigkeit, die das Konzilsdekret Ad gentes beschreibt (vgl. Nr. 6), lassen sich auf gewisse Weise die Zielsetzungen erkennen, die Eure unterschiedlichen Werke zu erreichen suchen. Das Päpstliche Missionswerk der Kinder trägt Sorge für den Beginn oder „die Einpflanzung“ des Missionsbewußtseins; das Werk der Glaubensverbreitung richtet seine Aufmerksamkeit auf die Erziehung im Glaubensleben; das Päpstliche Apostel-Petrus-Werk widmet sich der Bildung der Ortsgemeinden mit einheimischem Klerus und Ordensmitgliedem. Die Entwicklung der geistlichen und religiösen Berufungen wie auch die Schaffung - durch die Arbeit von Priestern und Ordensleuten - der missionarischen Zusammenarbeit dienlicher Strukturen ist Aufgabe des Missionsbundes. Ich danke dem Herrn für das, was Ihr vollbracht habt, und ermutige Euch, die missionarischen Initiativen und Bemühungen zu vermehren. Denn die noch anstehende Arbeit ist umfangreich, wenn man an die Gebiete denkt, in denen die Kirche noch nicht Fuß gefaßt hat oder in denen die Zahl von Christen sehr klein ist. In der Enzyklika Redemptoris missio habe ich betont: „Die Zahl jener, die Christus nicht kennen und nicht zur Kirche gehören, ist ständig im Wachsen; seit dem Ende des (Zweiten Vatikanischen) Konzils hat sie sich sogar beinahe verdoppelt“ (Nr. 3). In dem jüngsten nachsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa habe ich Gelegenheit gehabt, „die ausdrückliche Empfehlung der Synodenväter“ anzuführen, „daß sich die vier Päpstlichen Missionswerke in jeder Teilkirche und in jedem Land niederlassen mögen, um mit ihrer Hilfe eine organisch gewachsene pastorale Solidarität zugunsten der Mission ,bis an die Grenzen der Erde“ zu verwirklichen“ (Nr. 135). la, liebe Brüder und Schwestern, Eure Aufgabe ist noch nicht beendet: Die Kirche braucht Euch! Macht in Eurer Tätigkeit weiter. Sie ist - ich weiß es gut - nicht leicht, aber reich an Hoffnungen. 4. Dank Eures Einsatzes werden die im Altertum gegründeten Kirchen ihre Solidarität den dringlichsten Bereichen der Evangelisierung zuwenden können. Im vorigen lahrhundert unterstützten die europäischen Missionswerke die Kirchen der damaligen Neuen Welt Amerika; heute sind es letztere, die den jung entstandenen christlichen Gemeinschaften beistehen. So wächst und entwickelt sich das Gottesvolk. Es bleibt jedoch das Erfordernis der Mission ad gentes, die „vor einer ungeheuren Aufgabe [steht], die keineswegs im Schwinden ist“ (Redemptoris Mater, Nr. 35). Sie ist sogar noch in ihren Anfängen (vgl. ebd., Nr. 40). Es ist daher ein erneuerter Eifer notwendig, um auf die Herausforderungen der heutigen Zeit auf angemessene Weise zu antworten. Dem Mut und der Unerschrockenheit der Apostel folgten die Gründer der Missions werke. Dieselbe Begeisterung sei heute die Eure im Wissen, daß die Missionstätigkeit auch heute noch eine große Herausforderung für die Kirche darstellt (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 40). Habt Mut und 713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vertrauen. Christus hat versprochen: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ CMt 28,19). Die hl. Jungfrau, Königin der Missionen, begleite Euch auf diesem Weg und unterstütze eure Anstrengungen zur Förderung missionarischen Bewußtseins und missionarischer Zusammenarbeit. Mit diesen Empfindungen erteile ich - während ich Euch und all denen danke, die zu dieser edlen Sache beitragen - einem jeden von Herzen den Apostolischen Segen. Gewährleistung ethischer Prinzipien in Forschung und Lehre Grußworte bei der Begegnung mit den Rektoren der Katholischen Universitäten Europas am 11. Mai Herr Kardinal, sehr geehrte Herren Rektoren der Katholischen Universitäten, liebe Freunde! 1. Ganz herzlich begrüße ich den Präfekten der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Pio Kardinal Laghi, der das Leben und die Förderung der Katholischen Universitäten aufmerksam verfolgt und der Ihr Treffen zusammen mit dem Rector magnificus der päpstlichen Universität Gregoriana, Pater Giuseppe Pittau, organisiert hat. Ich bin sehr froh, Gelegenheit zu haben, die Rektoren der Katholischen Universitäten Europas und die Mitglieder des Rates der internationalen Vereinigung der Katholischen Universitäten zu empfangen. Ich erinnere mich an ein ähnliches Treffen zu Beginn meines Pontifikates im Februar 1979. Damals hatte ich gesagt, daß die Katholischen Universitäten in meinem Herzen eine ganz besondere Stellung einnähmen. In der Tat - wie ich in der Apostolischen Konstitution Ex corde Ecclesiae geschrieben habe „Ich selbst habe mehrere Jahre hindurch die wohltuende Erfahrung dessen gemacht, wodurch ich auch innerlich bereichert wurde, was die Eigenart universitären Lebens ausmacht: leidenschaftliches Forschen nach der Wahrheit und hochherziges Teilhabenlassen der jungen Studierenden und all jener, die lernen, streng methodisch zu denken, um recht zu handeln und so der menschlichen Gesellschaft besser dienen zu können“ (Nr. 2). Ich kann Ihnen versichern, daß ich für die Universitäten dieses Interesse und diese Neigung immer bewahre. Seit 1991 haben die Katholischen Universitäten Europas eine Vereinigung gebildet, eine Struktur, die die bessere Zusammenarbeit fördert und hilft, den Herausforderungen und Ansprüchen zu begegnen, die aus den in diesen letzten Jahren eingetretenen Veränderungen entstehen. Denn die durch die Ereignisse von 1989 verursachten tiefgehenden Wandlungen, die furchtbare brudermörderische Gewalt, 714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Europa seit fünf Jahren getroffen hat, die von der Europäischen Gemeinschaft verfolgten Bemühungen, um die politischen und wirtschaftlichen Bindungen unter ihren Mitgliedern zu festigen, während neue Länder hinzustießen: All das bringt für die Bildung und die Kultur in Europa beträchtliche Folgen mit sich. 2. Eine Katholische Universität, „aus dem Herzen der Kirche hervorgegangen“, hat die schwerwiegende Pfhicht - die gleichzeitig ein Privileg ist ernsthaft durchdachte Antworten auf diese Herausforderungen auszuarbeiten. „Die Katholische Universität [zeichnet sich vielmehr] aus durch ihre freie Erforschung der ganzen Wahrheit über die Welt, über den Menschen und über Gott. Denn gerade unsere Zeit bedarf dringend jenes uneigennützigen Dienstes, der darin besteht, den Sinn der Wahrheit zu verkünden, die ein grundlegendes Gut ist, ohne das Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde zugrunde gehen“ (ebd., Nr. 4). Nur begrüßen und ermutigen kann ich Ihren Einsatz zu einer tiefgehenden Reflexion über die Probleme, denen die Männer und Frauen unserer Zeit entgegentreten müssen - insbesondere was die Fragen ethischer Ordnung anbelangt, die in einer immer komplexeren Gesellschaft entstehen. Der Papst setzte die in Französisch begonnene Ansprache in Englisch fort. 3. In der heutigen Welt sind die Aufgaben einer Katholischen Universität wirklich dringlich und gewichtig. Wissenschaftlicher und materieller Fortschritt werfen immer mehr die Frage nach Sinn und Ziel auf; eine Frage, die gestellt werden muß, um zu gewährleisten, daß die Entwicklung dem wahren Wohl des einzelnen und der Gesellschaft als ganzer dient. Der christliche Geist der Katholischen Universität „läßt sie in die eigenen Studien die sittliche, geistige und religiöse Perspektive einbringen und die Ergebnisse von Wissenschaft und Technik aus der Sicht der ganzen menschlichen Person werten“ (ebd., Nr. 7). Trotz aller Probleme ist Europa ein wirtschaftlich fortschrittlicher Teil der Welt, und seine Katholischen Universitäten haben Nutzen von diesem begünstigten Zustand. Es ist deshalb ein Grund zur Befriedigung, zu sehen, wie Ihre Universitäten versuchen, anderen Katholischen Universitäten in weniger entwickelten Gebieten konkrete Unterstützung zu bieten. Sie zeigen auch auf diese Weise ihre „Katholi-zität“. Die von Ihnen verlangten intellektuellen und verwaltungsmäßigen Anstrengungen sind beträchtlich und fordernd. Aber wir wissen, daß uns der Heilige Geist führt, und uns das Gebet Mariens, der Sedes Sapientiae, begleitet. Gott segne und belohne Sie für Ihre Arbeit. 715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Berufung zur Heiligkeit - Zusage zur Fülle des Lebens Predigt bei den Seligsprechungen auf dem Petersplatz am 12. Mai „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Joh 14,15). 1. Heute, am sechsten Sonntag der Osterzeit, lädt uns die Kirche ein, Gott zu loben, da sie mit der feierlichen Liturgie der Seligsprechung die Verehrung der Diener Gottes Alffedo Ildefonso Schuster, Filippo Smaldone, Gennaro Maria Samelli, Maria Raffaella Cimatti, Candida Maria de Jesus Cipitria y Barriola und Maria Antonia Bandres y Elösegui billigt. Auf sie beziehen sich die Worte des heutigen Evangeliums: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ Die neuen Sehgen haben das Wort Christi befolgt und ihm dadurch ihre Liebe bewiesen (vgl. Joh 14,15.21). In ihnen hat sich erfüllt, was der Herr den Jüngern versprochen hatte: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ {Joh 14,23). Diese Diener Gottes waren ein lebendiger Tempel der Heiligsten Dreifaltigkeit; jetzt wohnen sie für alle Ewigkeit bei ihm: „An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch“ {Joh 14,20). Sie haben Christus in ihrem Herzen heiliggehalten, wie der hl. Petrus lehrt, „stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen“, der nach dem Grund der Hoffnung fragte, die sie erfüllte. Bescheiden, ehrfürchtig und mit reinem Gewissen haben sie sich bereit gezeigt, lieber „für gute Taten zu leiden“, als Böses zu tun (vgl. 1 Petr 3,15-17). Was die Osterliturgie verkündet, hat sich in ihnen voll verwirklicht, entsprechend der einem jeden eigenen Berufung. 2. „Wenn jemand mich hebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn heben, und wir werden zu ihm kommen“ {Joh 14,23; vgl. Zwischengesang zum Evangelium). Die Liebe zu Christus, die in einem unermüdlichen Dienst an der Kirche zum Ausdruck kam, war die Herzmitte des geistlichen Lebens und der apostolischen Tätigkeit von Alfred Ildefons Schuster, der lange Jahre der nimmermüde Hirte der Erzdiözese Mailand war. Als einen ,Mann des Gebetes, des Studiums und des Handelns, der keine andere Sorge kannte als das geistliche Wohl seines Volkes“, so bezeichnete ihn Msgr. Giovanni Battista Montini in der Ansprache bei seiner eigenen Einführung in die Erzdiözese {Mailänder Diözesanblatt, Januar 1955, 9). Der Geist des Gebetes und der Kontemplation, kennzeichnend für die benediktinische Tradition, in der er seine Bildung empfing, beseelte seinen Hirtendienst. Die mo-nastische Spiritualität, auf die täghche Betrachtung der Heiligen Schrift gestützt, wurde auf diese Weise ausgeweitet, sei es in der regen Zusammenarbeit mit dem Hl. Stuhl, sei es im hochherzigen Dienst an der Ambrosianischen Gemeinschaft, „die von ihm bis ans Ende aufgebaut und gestärkt wurde durch die eifrige und 716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fromme Feier der heiligen Geheimnisse und das transparente Beispiel eines konsequent gelebten Lebens“ (Ambrosianisch.es Meßbuch, Präfation der Gedächtnisfeier). Kardinal Schuster gab dem Mailänder Klerus ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Kontemplation und pastorales Handeln in Einklang gebracht werden können. Noch heute weist er jeden Priester und alle, die zur Arbeit im Weinberg des Herrn berufen sind, hin auf den höchsten Wert der Liebe zu Gott als Fundament der brüderlichen Liebe und des Apostolats.,,Am Ende - so schrieb er - ist die Liebe das, was als wahre Größe der Kirche und ihrer Söhne und Töchter zählt“ (Schriften, S. 27). 3. „Wer mich liebt, wird von meinem Vater gebebt werden, und auch ich werde ihn beben und mich ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Auch der Priester aus Lecce, Filippo Smaldone, hat in großer Liebe zu Gott und zum Nächsten gelebt und diese Liebe Gestalt werden lassen in einer steten Aufmerksamkeit gegenüber den Armen und einem außergewöhnhchen apostobschen Elan. Dieser große Zeuge der Nächstenliebe erkannte intuitiv, daß er seine Sendung im Süden Itabens erfüllen sollte, wo er sich in besonderer Weise der Sorge für Gehörlose zuwandte, um sie für aktive Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu schulen. Seine intensive, solide priesterbche Frömmigkeit, von Gebet, Meditation und - auch körperlicher -Buße genährt, drängte ihn zu einem sozialen Dienst, der auch dafür offen ist, neue Wege einzuschlagen, zu denen echte Hirtenliebe anzuregen weiß. Dieser edelmütige Priester, eine Perle des süditabenischen Klerus, Gründer der Salesianerinnen von den heibgsten Herzen, die sich in erster Linie der Erziehung der Taubstummen widmen, wird heute der ganzen Kirche zur Verehrung vorgesteht, damit alle Gläubigen, seinem Beispiel folgend, das Evangelium der Liebe in unserer Zeit zu bezeugen wissen, insbesondere durch die Sorge für die Bedürftigsten. 4. „Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig!“ (1 Petr 3,15). Diese Worte aus dem Brief des hl. Petrus stellen gut die intensive, fruchtbare apostolische Tätigkeit ins Licht, die der Redemptorist Gennaro Maria Samelli sowohl durch seine Predigten unter dem Volk als auch durch seine zahlreichen Schriften ausübte. Die tiefe persönhche Verbundenheit, die er mit Christus unterhielt, war die beständige Quelle für seinen unermüdlichen pastoralen Eifer. Sein Leben als Mensch und als Ordensmann läßt, wie das des hl. Alfons Maria de Liguori, dessen Freund und Mitarbeiter er war, sein ausgesprochenes Empfinden den Armen gegenüber erkennen. Im Licht der Wirkhchkeit, daß sie Kinder Gottes sind, begegnete er ihnen und nahm er sie auf. Seine Evangebsierungstätigkeit war von großer Dynamik gekennzeichnet: Er wußte die missionarische Aufgabe mit der Tätigkeit als Schriftsteller und dem nicht weniger anfordemden Dienst als geistlicher Berater und Führer zu vereinbaren. Wenn er auch den kulturellen Vorgaben der Zeit folgte, so versäumte der 717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN neue Selige es doch nie, in der Evangelisierung auch nach neuen Formen zu suchen, um auftauchenden Herausforderungen zu begegnen. Darum kann Gennaro Maria Samelli, auch wenn er in einer Geschichtsperiode lebte, die in mehrfacher Hinsicht von der unseren weit entfernt ist, der christlichen Gemeinschaft von heute, an der Schwelle des neuen Jahrtausends, als ein Apostel gezeigt werden, der im Hinblick auf eine einprägsamere Verkündigung der ewigen Heilsbotschaft für jede nutzbringende Erneuerung offen war. 5. „Gepriesen sei Gott, ... er hat mir seine Huld nicht entzogen“ (Ps 65,20). Das göttliche Erbarmen ist der Schlüssel zum Verständnis der einfachen und tiefen Spiritualität von Maria Raffaela Cimatti, Krankenschwester aus der Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern. Das grenzenlose Erbarmen Gottes, von dem der Psalmist spricht, regte sie zu ihrer Tätigkeit, besonders im Dienst der Armen und der Leidenden, an. Diese Frau, die heute zur Ehre der Altäre erhoben wird, verzehrte sich in der totalen Hingabe an Gott und im stillen täglichen Dienst an den Kranken. Sie lebte im Geist des Opfers, stets und unverzüglich ebenso bereit zu den bescheidenen Alltagsdiensten wie zum Anhören und Aufnehmen derer, die auf der Suche nach Rat und Hilfe zu ihr kamen, bereit auch zu verantwortungsvollen Aufgaben, zu denen sie wiederholt berufen wurde. 6. In unserer Zeit, nicht selten gekennzeichnet von Gleichgültigkeit und von der Versuchung, sich gegenüber den Bedürfnissen des Nächsten zu verschließen, bildet diese demütige Ordensfrau ein leuchtendes Beispiel für ein Frausein, das sich voll verwirklicht in der persönlichen Hingabe. Sie verkündet und bezeugt die Hoffnung des Evangeliums, indem sie den körperlich und geistig Leidenden das Antlitz Gottes zeigt, der „der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes“ ist, der uns „tröstet in all unserer Not“ (2 Kor 1,34). 7. Die Gebote Jesu halten, das ist der größte Beweis der Liebe zu ihm (vgl. Joh 14, 21). So verstand es Mutter Candida Maria de Jesus Cipitria y Barriola, die in ihrer Jugend den Entschluß faßte: „Ich will nur für Gott da sein“, und im Augenblick ihres Todes bestätigte: „Von den vierzig Jahren meines Ordenslebens erinnere ich mich nicht an einen Augenblick, den ich nicht für Gott gelebt hätte.“ Ihr tiefes Empfinden für die Liebe Gottes zu jedem seiner Geschöpfe veranlaßte sie, mit hochherziger Hingabe darauf zu antworten. Ihre Liebe zum Nächsten nahm Gestalt an in der Gründung der Kongregation der „Töchter Jesu“ mit dem Charisma christlicher Kinder- und Jugenderziehung. Die Aufmerksamkeit, womit sie ihre Schwestern, die Wohltäter ihrer Werke, die Priester, die Schülerinnen und die Armen beschenkte und die einfach allumfassend war, ist ein sichtbares Zeichen ihrer Gottesliebe, ihrer radikalen Nachfolge Jesu und ihrer Ganzhingabe an die Sache seines Reiches. Mutter Candida sagte eines Tages zu einer Schülerin ihres Kollegs in Tolosa: „Du wirst eine ,Tocher Jesu1 werden.“ Das junge Mädchen war Maria Antonia Bandres Elösegui, die heute mit der Gründerin zur Ehre der Altäre erhoben wird. In ihrer 718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN großen Liebe zu Jesus war sie darauf bedacht, daß auch die andern ihn liebten. Als Katechetin, in der Fortbildung von Arbeiterinnen, als Missionarin mit dem Wunsch, schon Ordensfrau zu sein, verschwendete sie ihr kurzes Leben, um mit den andern zu teilen, sie zu lieben und ihnen zu dienen. Mit Christus verbunden, gab sie uns in ihrer Krankheit ein vielsagendes Beispiel der Teilnahme am Werk der Erlösung durch das Kreuz. Das Lebenszeugnis dieser beiden neuen Seligen erfüllt die Kirche mit Freude und muß die in vielen Ländern Europas, Amerikas und Asiens verbreitete Kongregation dieser Ordensfrauen anregen, dem Beispiel zu folgen, das die beiden Seligen mit dem Reichtum ihrer Lehren, dem Beispiel ihrer Hingabe und der ausdauernden Treue zu dem vom Heiligen Geist empfangenen Charisma gegeben haben. 8. „Jauchzt vor Gott, alle Länder der Erde! / Spielt zum Ruhm seines Namens! / Verherrlicht ihn mit Lobpreis! / Sagt zu Gott: Wie ehrfurchtgebietend sind deine Taten!“ (Ps 65,1-3). Unter den Wundertaten, die Gott beständig vollbringt, ist das wunderbare Werk der Heiligkeit von einzigartiger Bedeutung, weil es unmittelbar die Person des Menschen betrifft. Die Heiligkeit ist die Fülle des Lebens: Gloria Dei vivens homo. Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch. Vita autem hominis visio Dei: Das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes (Irenaus, Adv. haer., IV, 20,7; in: Irenaus, Schriften, Bd. II, Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München 1912, S. 66). Groß sind Deine Werke, o Herr! Im Leben und im Glauben Marias, der Mutter der Kirche, im Leben und im Glauben dieser unserer Brüder und Schwestern, die heute als Selige verkündet wurden, betrachten wir die Wunder Deiner Liebe. Mit ihnen zusammen rufen wir: Ehre und Lob dir, Christus, Erlöser der Welt. Amen. Die Medien: Forum der Gegenwart zur Förderung der Rolle der Frau in der Gesellschaft Botschaft zum 30. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel am 19. Mai 1996 vom 24. Januar Liebe Brüder und Schwestern! Das diesjährige Thema für den Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel „Die Medien: Forum der Gegenwart zur Förderung der Rolle der Frau in der Gesellschaft“, unterstreicht, daß nicht nur bei der Förderung von Gerechtigkeit und Gleichstellung für die Frauen, sondern auch bei der Förderung der Anerkennung für ihre spezifischen weiblichen Gaben, die ich an anderer Stelle den „Genius der Frau“ genannt habe (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 30; Brief an die Frauen, Nr. 10), die Medien eine entscheidende Rolle spielen. 719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im vergangenen Jahr versuchte ich in meinem Brief an die Frauen vor allem mit den Frauen selber einen Dialog darüber in Gang zu bringen, was es heißt, heutzutage Frau zu sein (vgl. Nr. 1). Ich wies auch auf einige Hindernisse hin, „die in vielen Teilen der Welt den Frauen noch immer die volle Einbeziehung in das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben verwehren“ (Nr. 4). Diesen Dialog können die Medien heute pflegen und unterstützen, ja sie sind direkt dazu verpflichtet. Medienleute werden so, und das ist lobenswert, oft zu Fürsprechern derer, die keine Stimme haben und am Rande der Gesellschaft leben. Sie befinden sich in der einzigartigen Lage, im Hinblick auf zwei ernste Probleme bezüglich der Frauen in der heutigen Welt auch das Bewußtsein aufzurütteln. Das erste ist, wie ich in meinem Brief bemerkte, daß die Mutterschaft oft eher bestraft als belohnt wird, obwohl die Menschheit ihr eigenes Überleben jenen Frauen verdankt, die sich zu einem Dasein als Ehefrau und Mutter entschieden haben (vgl. Nr. 4). Es ist sicher eine Ungerechtigkeit, daß solche Frauen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht deswegen diskriminiert werden sollen, weil sie jener Grundberufung folgten. Ebenso wies ich darauf hin, daß es dringend geboten ist, überall die tatsächliche Gleichheit zu erreichen: „gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Schutz der berufstätigen Mutter, gerechtes Vorankommen in der Berufslaufbahn, Gleichheit der Eheleute im Familienrecht und Anerkennung von allem, was mit den Rechten und Pflichten des Staatsbürgers in einer Demokratie zusammenhängt“ (ebd., Nr. 4). Zweitens ist die Förderung einer echten Emanzipation der Frau ein Akt der Gerechtigkeit, über den man nicht länger hinwegsehen kann; es handelt sich dabei auch um eine Frage zum Wohl der Gesellschaft. Glücklicherweise wächst das Bewußtsein dafür, daß es Frauen ermöglicht werden muß, bei der Lösung der ernsten Probleme der Gesellschaft und der Zukunft der Gesellschaft eine aktive Rolle zu spielen. In allen Bereichen „wird sich eine stärkere soziale Präsenz der Frau als wertvoll erweisen, denn sie wird dazu beitragen, die Widersprüche einer Gesellschaft herauszustellen, die auf bloßen Kriterien der Leistung und Produktivität aufgebaut ist, und sie wird auf eine Neufassung der Systeme dringen zum großen Vorteil der Humanisierungsprozesse, worin sich der Rahmen für die Zivilisation der Liebe1 abzeichnet“ (ebd., Nr. 4). Die „Zivilisation der Liebe“ besteht ganz besonders in einer radikalen Anerkennung des Wertes des Lebens und des Wertes der Liebe. In beiden Bereichen ist die Frau besonders qualifiziert und privilegiert. Was das Leben angeht, so erfreuen sich die Frauen, obwohl sie nicht allein für die Achtung des ihm innewohnenden Wertes verantwortlich sind, wegen ihrer innigen Verbundenheit mit dem Geheimnis der Weitergabe des Lebens einer einzigartigen Fähigkeit zu solchem Handeln. Was die Liebe betrifft, so können Frauen in jede Lebenslage, einschließlich der höchsten Ebenen der Entscheidungsfindung und Beschlußfassung, jene wesentliche weibliche Eigenschaft einbringen, die in der Objektivität des Urteils besteht, 720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das gemildert wird durch die Fähigkeit zum tiefen Verständnis für das Verlangen nach zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Medien, zu denen Presse, Kino, Radio und Fernsehen, die Musikindustrie und Computer- Netzwerke gehören, repräsentieren das Forum der Gegenwart, wo Informationen empfangen und schnell an ein Publikum in der ganzen Welt weitergegeben werden, wo Ideen ausgetauscht, Haltungen entwickelt werden - und wo in der Tat eine neue Kultur Gestalt annimmt. Die Medien sind daher dazu ausersehen, einen mächtigen Einfluß bei der Entscheidung auszuüben, ob eine Gesellschaft nicht nur die Rechte, sondern auch die besonderen Gaben der Frau voll anerkennt und zu schätzen weiß. Trotzdem sehen wir leider in den Medien häufig nicht die Hochachtung vor den Frauen, sondern ihre Ausbeutung. Wie oft werden sie nicht als Personen mit einer unverletzbaren Würde behandelt, sondern als Objekte, deren Zweck darin besteht, die Vergnügungslust und Machtgier anderer zu befriedigen? Wie oft wird die Rolle der Frau als Ehefrau und Mutter unterbewertet oder sogar dem Spott ausgesetzt? Wie oft wird die Rolle der Frau im Geschäfts- oder Berufsleben als eine Karikatur des Mannes gezeichnet, wobei die spezifischen Gaben weiblicher Einsicht, ihres Mitleids und Verständnisses, die so sehr zur „Zivilisation der Liebe“ beitragen, geleugnet werden? Die Frauen können selber viel für eine bessere Behandlung der Frauen in den Medien tun, indem sie Erziehungsprogramme in den audio-visuellen Medien fördern, andere, besonders Familien, zu einem kritischen Konsumverhalten auf dem Medienmarkt anhalten, Produktionsgesehlschaften, Publizisten, Rundfunk- und Fernsehsender und Inserenten mit ihren Ansichten über Programme und Publikationen bekanntmachen, welche die Würde der Frau beleidigen oder ihre Rolle in der Gesellschaft herabsetzen. Außerdem können und sollten sich Frauen selbst für verantwortungsvolle und kreative Positionen in den Medien bereit machen, und zwar nicht im Konflikt mit oder in Nachahmung von männlichen Rollen, sondern indem sie ihrer Arbeit und beruflichen Tätigkeit ihren eigenen „Genius“ aufprägen. Die Medien würden gut daran tun, sich auf die wahren Heldinnen der Gesellschaft, einschließlich der heiligmäßigen Frauen aus der christlichen Überlieferung, als Rollenmodelle für die Jugend und für zukünftige Generationen einzustellen. Vergessen können wir in diesem Zusammenhang auch nicht die vielen Ordensfrauen, die alles aufgeopfert haben, um Jesus zu folgen und sich dem Gebet und dem Dienst an den Armen, den Kranken, den Analphabeten, den Jugendlichen, den Alten und den Behinderten zu widmen. Einige dieser Frauen sind selbst in den Medien tätig - sie arbeiten dafür, daß „den Armen eine gute Nachricht gebracht wird“ (vgl. Lk 4,18). „Meine Seele preist die Größe des Herrn“ (Lk 1,46). Mit diesen Worten antwortete die selige Jungfrau Maria auf die Begrüßung durch ihre Cousine Elisabeth und anerkannte damit das „Große“, das Gott an ihr getan hatte. Das Bild der Frau, das die Medien vermitteln, sollte die Anerkennung einschließen, daß jede weibliche Gabe 721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Größe des Herrn verkündet, des Herrn, der Leben und Liebe, Güte und Gnade mitgeteilt hat, des Herrn, der die Quelle der Würde und Gleichheit der Frau und ihres besonderen „Genius“ ist. Mein Gebet an diesem 30. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel wird alle, die in den Medien tätig sind, besonders die Söhne und Töchter der Kirche, dazu ermutigen, die echte Förderung der Würde und Rechte der Frauen dadurch voranzubringen, daß sie ein wahres und respektvolles Bild ihrer Rolle in der Gesellschaft projizieren und „die volle Wahrheit über die Frau“ zutage treten lassen {Brief an die Frauen, Nr. 12). Aus dem Vatikan, am 24. Januar 1996, Fest des hl. Franz von Sales. Joannes Paulus PP. II Interdisziplinäre Strategien zugunsten des Lebens — Lebensrecht verträgt keine Einschränkungen Ansprache an die Teilnehmer des Symposiums ,Evangelium, vitae und das Recht“ - Internationales Kanonistenkolloquium - am 24. Mai Eminenzen, verehrte Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Herren! l.Es ist mir eine Freude, Sie alle herzlich willkommen zu heißen. Vor allem wende ich mich an jene, die am Symposion ,„Evangelium vitae ‘ und das Recht“ teilnehmen, das von den Päpstlichen Räten für die Familie und für die Interpretation von Gesetzestexten in Zusammenarbeit mit der Päpstlichen Akademie für das Leben organisiert wird. Ich grüße Alfonso Kardinal Lopez Trujillo und danke ihm für die Worte, die er im Namen aller Mitarbeiter an mich gerichtet hat. Ferner grüße ich Msgr. Julian Herranz und Msgr. Elio Sgreccia, die ausgewiesenen Vertreter der Päpstlichen Universitäten der Stadt Rom, sowie die verehrten Dozenten und Forscher der über 200 Universitäten und Fakultäten der Rechtswissenschaft aus der ganzen Welt, die zu dieser Veranstaltung ihren Beitrag leisten. Ganz besonders möchte ich meine große Freude über die gemeinsame Initiative der drei Päpstlichen Organe zum Ausdruck bringen, die dieses Zusammenkommen ermöglicht haben durch den gemeinsamen Versuch, einen grundlegenden Aspekt der Enzyklika Evangelium vitae zu vertiefen, nämlich den des Verhältnisses zwischen einer „Kultur des Lebens“ und dem Bereich des Rechtes, und zwar unter den Gesichtspunkten der philosophischen Forschung, der Verpflichtung zur Lehre sowie des gesetzgebenden Bereiches. Es handelt sich um ein komplexes Theia, bei dem es angebracht ist, etwas intensivere Überlegungen anzustellen. 722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Des weiteren grüße ich Msgr. Angelo Scola, Rektor der Päpstlichen Lateranuniversität, sowie die qualifizierten Forscher, die von allen Kontinenten zu diesem Treffen hierhergekommen sind, um über die Beziehung von Ethik und Recht im Aufgabenbereich der Ausgestaltung moderner Rechtsordnungen zu diskutieren. Dieses Thema bildet eine der fundamentalen Fragen, die zu allen Zeiten die besten Kräfte menschlichen Denkens auf die Probe gestellt haben. Daher führt das Studium der modernen Rechtsordnungen dazu, in aller Klarheit einen adäquaten und gebührenden Zusammenhang zwischen Ethik und Recht neu zu formulieren, wobei ständig gleichbleibend Bezug genommen wird auf die Grundprinzipien der menschlichen Person, die klar und deutlich in der Enzyklika Evangelium vitae herausgearbeitet sind. 3. Die Enzyklika wollte ja die Anschauung vom menschlichen Leben erneut bejahen, die in ihrer ganzen Fülle aus der christlichen Offenbarung hervorgeht, die aber in ihrem wesentlichen Kem auch durch die menschliche Vernunft faßbar ist. So berücksichtigte die Enzyklika auch die Bereicherungen, die in der rationalen Reflexion im Laufe der Jahrhunderte herangereift sind. Es ist wirklich eine Errungenschaft der durch das Recht geprägten Kultur, den Wert des menschlichen Lebens von der Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Ende anzuerkennen; und diese Errungenschaft muß als eines der höchsten Güter der Person und der Gesellschaft geschützt werden. Heute aber beobachtet man des öfteren in nicht wenigen Gesellschaften eine Art Rückschritt in der Zivilisation. Dies ist die Frucht einer unvollständigen und mitunter verzerrten Auffassung von der menschlichen Freiheit, die sogar öffentliche Legitimierung im staatlichen Rechtsapparat erhält. So kommt es vor, daß der Achtung, die jedem Menschen hinsichtlich des unveräußerlichen Rechtes auf das Leben gebührt, eine subjektivistische Auffassung von Freiheit entgegensteht, die aus dem Zusammenhang des moralischen Gesetzes herausgerissen ist. Dieser Auffassung, die auf schwerwiegenden Irrtümem bezügüch der Natur der Person selbst und bezüglich ihrer Rechtsnatur fußt, ist es - gestützt auf Mehrheitsregeln - nicht selten gelungen, in die Rechtsordnung die Legitimierung der Aufhebung des Lebensrechtes von unschuldigen Menschen einzuführen, die noch nicht geboren sind. Es ist daher von Nutzen, unter philosophischem sowie unter juristischem Gesichtspunkt das enge Verhältnis zwischen den Enzykliken Veritatis splendor und Evangelium vitae herauszustellen: in ersterer wird der Einfluß hervorgehoben, den in der Umwälzung der moralischen und rechtlichen Ordnung „Denkströmungen ausüben, die schließlich die menschliche Freiheit der Verwurzelung in dem ihr wesentlichen und für sie bestimmenden Bezug zur Wahrheit beraubt“ (Veritatis splendor, Nr. 4). Die Enzyklika Evangelium vitae hingegen spricht von der Dringlichkeit, eine neue „Kultur des Lebens“ zu fördern sowie von dem „untrennbaren Bindeglied zwischen Leben und Freiheit“ und hebt so die Notwendigkeit hervor, „den untrennbaren Zusammenhang zwischen Leben und Freiheit wiederzuentdecken, denn die Entwurzelung der Freiheit von der objektiven Wahrheit macht es 723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unmöglich, die Rechte der Person auf einer festen rationalen Basis zu begründen“ (Evangelium vitae, Nr. 96). Für das Recht der Person auf Freiheit einzustehen und gleichzeitig von der objektiven Wahrheit über die Person abzusehen, das macht die Errichtung einer in sich gerechten juridischen Ordnung in der Tat unmöghch; denn es ist ja eben die menschliche Person, so, wie sie erschaffen wurde, das Fundament und das Ziel des sozialen Lebens, dem das Recht dienen muß. 4. Der Mensch als Zentrum des Rechtes wurde treffend durch den klassischen Aphorismus formuliert: „Hominum causa omne ius constitutum est.“ Das heißt, daß das Recht nur dann Recht ist, wenn sein Maßstab so beschaffen ist, daß er den Menschen in seiner Wahrheit zu seiner Grundlage macht. Wer würde etwa nicht sehen, wie sehr in unserer Zeit dieses Grundprinzip einer jeden Rechtsordnung von einer verkürzten Auffassung vom Wesen des Menschen und seiner Würde ernsthaft bedroht ist? Es sind dies Auffassungen rein immanentistischer und ag-nostischer Inspiration. Solche Auffassungen haben in dem nunmehr dem Ende entgegengehenden Jahrhundert zur Legitimierung schwerwiegender Verletzungen der Menschenrechte beigetragen, ganz besonders des Rechtes auf Leben. Anläßlich des juristischen Symposiums, das zum zehnten Jahrestag der Herausgabe des neuen Codex des kanonischen Rechtes veranstaltet wurde, sagte ich: „Wie im Mittelpunkt der kanonischen Ordnung der von Christus erlöste und mit der Taufe in der Kirche Person gewordene Mensch steht... so wird auch den bürgerlichen Gesellschaften nahegelegt, nach dem Beispiel der Kirche den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Ordnung zu stellen und sich nie den Forderungen des Naturrechtes zu entziehen, um nicht Opfer der Willkür oder falscher Ideologien zu werden. Die Forderungen des Naturrechts gelten tatsächlich allerorts und für alle Völker, heute und immer, da sie der ,recta ratio‘ entspringen, in der, wie der hl. Thomas erklärt, das Wesen des Naturrechts begründet ist: ,Omnis lex humani-tus posita intantum habet de ratione legis, inquantum a lege naturae derivatur‘ {Summa theol., I-II, q. 95, a. 2;“ AAS 86[1994]248). Schon das klassische Denken hatte das begriffen, was Cicero folgendermaßen ausdrückte: ,Est quidem vera lex recta ratio, naturae congruens, diffusa in Omnibus, constans, sempitema, quae vo-cet ad officium iubendo, vetando a fraude deterreat, quae tarnen neque probos frustra iubet aut vetat, nec improbos iubendo aut vetando movet“ {De re pubblica, 3,33: LACT, Instr., VI, 8, 6-9; O.R.dt., 11.6.1993, S. 8). 5. Die konstitutiven Elemente der objektiven Wahrheit über den Menschen und über seine Würde gründen zutiefst in der „recta ratio“, in der Ethik und im Naturrecht; es sind dies Werte, die jeder positiven Rechtsordnung vorausgesetzt sind und die die Gesetzgebung in einem Rechtsstaat immer zu schützen hat, indem sie sie der Willkür einzelner und der Überheblichkeit der Mächtigen entzieht. Angesichts des atheistischen Humanismus, der die wesentliche, mit ihrem göttlichen Ursprung und ihrer ewigen Bestimmung eng verknüpfte Dimension des 724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen verkennt oder gar leugnet, ist es Aufgabe der Christen, und zwar vor allem der Hirten und Theologen, das Evangelium des Lebens gemäß der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils zu verkünden, welches mit knappen Worten den Kern des Problems folgendermaßen ausgedrückt hat: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf* (Gaudium et spes, Nr. 22). Solch eine dringliche Verpflichtung ruft in einzigartiger Weise die christlichen Juristen auf den Plan und spornt sie an, innerhalb ihres Kompetenzbereiches die in sich schwache Wesensart eines Rechtes hervorzuheben, das von der transzendenten Dimension der Person ausgeschlossen bleibt. Das solideste Fundament eines jeden Gesetzes, das die Unverletzbarkeit, die Integrität und die Freiheit der Person schützt, ist wirklich die Tatsache, daß der Mensch nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen wurde (vgl. Gen 1,27). 6. Diesbezüglich stellt sich hinsichtlich der Grundrechte der Person ein Problem, das die Debatte zwischen Biologen, Moralisten und Juristen betrifft. Diese Rechte müssen einem jeden Menschen im Laufe seines ganzen Lebens, besonders vom Beginn seines Daseins an, zuerkannt werden. Das menschliche Geschöpf - wie uns die Instruktion Donum vitae in Erinnerung ruft und die Enzyklika Evangelium vitae es aufgreift - „ist von seiner Empfängnis an als Person zu achten und zu behandeln, und deshalb sind ihm von jenem Augenblick an die Rechte einer Person zuzuerkennen, als deren erstes das unverletzliche Recht auf Leben angesehen wird, dessen sich jedwedes unschuldige menschliche Geschöpf erfreut“ (Evangelium vitae, Nr. 60; AAS 87[1995]469; vgl. Instruktion Donum vitae, Nr. 1; AAS 80[1988]79). Diese Aussage findet volle Entsprechung in den wesentlichen, dem Individuum eigenen Rechten, die Anerkennung und Schutz genießen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Art. 3). Wenn auch gewisse Verschiedenheiten bei den betreffenden Wissenschaften bestehen und der Begriff „Person“ in die philosophische Kompetenz gehört, so kann man doch nicht umhin, als Ausgangspunkt den biologischen Status des Embryos zu betrachten, der ein menschliches Wesen ist, das die Qualität und die Würde einer Person besitzt. Der menschliche Embryo hat fundamentale Rechte, d. h. er besitzt die unerläßlichen konstitutiven Elemente, daß die natürliche, seinsgemäße Aktivität sich nach einem eigenen Lebensprinzip entwickeln kann. Das bestehende Recht auf das Leben, als in sich konstitutives Element im biologischen Status des menschlichen Individuums von der Befruchtung an, bildet daher auch im Hinblick auf den ethischen und juridischen Status der Leibesfrucht den Fixpunkt der Natur. Die juridische Norm ist in besonderer Weise dazu bestimmt, den rechtlichen Status des Embryos als Rechtssubjekt zu definieren, indem sie dies als eine biologisch unwiderlegbare Tatsache anerkennt, die schon in sich an Werte 725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erinnert, die weder von der moralischen Ordnung noch von der Rechtsordnung unbeachtet bleiben dürfen. Aus demselben Grund halte ich es für meine Pflicht, als Sprecher und Fürsprecher für diese unverletzhchen Rechte des menschlichen Geschöpfes einzutreten, vom Augenblick seiner Empfängnis an, für alle jene Embryonen, die nicht selten Ein-frierungstechniken (Kryokonservierung) unterzogen und in vielen Fällen zu reinen Experimentierobjekten erniedrigt oder, schlimmer noch, zu einer geplanten Zerstörung bestimmt werden, wobei die Gesetzgebung die Bürgschaft übernimmt. In gleicher Weise erkläre ich wiederum als ernstes Vergehen gegen die Würde des Menschen und seine Berufung zum Leben den Rückgriff auf Fortpflanzungsmethoden, die die Instruktion Donum vitae vom moralischen Standpunkt aus als unannehmbar bezeichnet hat. Die Unerlaubtheit dieser Eingriffe in den Lebensbeginn und bei menschlichen Embryonen wurde bereits erklärt (vgl. Donum vitae, I, Nr. 5; II). Es ist jedoch notwendig, daß auch auf rechtlicher Ebene die Prinzipien, auf denen diese moralische Reflexion gründet, Anwendung finden. Ich appelliere daher an das Gewissen der Verantwortlichen in der Wissenschaft, insbesondere an die Ärzte, daß der Produktion menschlicher Embryonen Einhalt geboten werde in Anbetracht der Tatsache, daß ein moralisch erlaubter Ausweg für das menschliche Schicksal von Tausenden und Abertausenden eingefrorener Embryonen nicht abzusehen ist, die aber im Besitz der wesentlichen Rechte sind und es auch bleiben werden und die somit rechtlich als menschliche Personen zu schützen sind. Meine Stimme richtet sich auch an alle Juristen, damit sie sich bemühen, daß die Staaten und die internationalen Institutionen die Naturrechte des entstehenden menschlichen Lebens rechtlich anerkennen und daß sie sich ebenso zu Schützern der unveräußerlichen Rechte machen, die Tausende „eingefrorener“ Embryonen vom Augenblick der Befruchtung an durch ihr Dasein erlangt haben. Auch die Regierenden dürfen sich dieser Verpflichtung nicht entziehen, auf daß die demokratischen Werte von ihrem Ursprung an geschützt werden; denn die Demokratie ist mit ihren Wurzeln in den einem jeden menschlichen Individuum zuerkannten unverletzlichen Rechten verankert. 7. Verehrte Herren, diese kurzen Andeutungen sind ausreichend, um zu unterstreichen, wie wertvoll ihr Beitrag für den Fortschritt nicht nur der zivilen Gesellschaft, sondern auch und vor allem für die kirchliche Gemeinschaft ist, welche sich - nunmehr an der Schwelle des dritten Jahrtausends der christlichen Ära angelangt - im Werk der Neuevangelisierung engagiert. Es ist dies die große Herausforderung, die sich der Verantwortung der Gläubigen von seiten der ethischen Verarmung der zivilen Gesetze hinsichtlich des Schutzes gewisser Aspekte des menschlichen Lebens stellt. Die positivistische Rechtsauffassung zusammen mit dem ethischen Relativismus entzieht dem zivilen Zusammenleben nicht nur einen sicheren Bezugspunkt, sondern sie setzt auch die Würde der Person herab und bedroht selbst die grundlegen- 726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Strukturen der Demokratie. Ich bin sicher, daß ein jeder mit Mut und Klarheit wissen wird, was er tun kann, was in seiner Macht steht, damit auch die zivilen Gesetze die Wahrheit der Person, ihre Realität als vernunftbegabtes und freies Wesen sowie auch die spirituelle Dimension und den transzendenten Charakter ihrer Bestimmung achten. Ich wünsche von Herzen, daß es beiden Symposien, in denen die Ergebnisse der Untersuchungen der jeweiligen Dikasterien und akademischen Institutionen zusammenfließen, gelingen möge, Verständnis dafür schaffen, daß die kirchliche Lehre über das Verhältnis zwischen Ethik und Recht, wenn sie im Licht der Enzyklika Evangelium vitae verstanden wird, ausschließlich im Dienst des Menschen und der Gesellschaft steht. Des weiteren wünsche ich, daß dank des Engagements aller es der Kirche gelingt, „das Evangelium vom Leben zum Herzen jedes Mannes und jeder Frau gelangen zu lassen und es in die verborgensten Winkel der ganzen Gesellschaft einzuführen“ (Evangelium vitae, Nr. 80). In diesem Sinne erteile ich Ihnen allen, die Sie hier versammelt sind, sowie Ihren Mitarbeitern und allen, die Ihnen nahestehen, von Herzen den Apostolischen Segen. Bereitet den Weg geistlichen Wachstums zur Gemeinschaft Predigt während der Pfingstvigil mit der Diözese Rom auf dem Petersplatz am 25. Mai 1.,Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,21-22). An diesem Pfingstsamstag findet sich die Kirche in Rom wie die Apostel im Abendmahlssaal nach den Geschehnissen der drei Ostertage versammelt. Sie wußten, daß der Herr auferstanden und Simon erschienen war. Aber Jesus selbst kam in ihre Mitte und bot ihnen den Friedensgruß. Dann zeigte er die durchbohrten Hände und die Seite mit den sichtbaren Zeichen des Opfertodes. Ja! Genau Er ist es. Er ist derselbe Jesus, der zuvor gekreuzigt, nun auferstanden ist. „Da freuten sich die Jünger, daß sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20). Seit dem Abend des Ostertages aber nahm Jesus das Ereignis von Pfingsten vorweg: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist.“ 2. Liebe Brüder und Schwestern der Diözese Rom! Wir haben uns hier zu einer Gebetsvigil versammelt, die an jene österliche erinnert, um uns auf die Feier des Herabkunft des Heiligen Geistes vorzubereiten. Die der Apostelgeschichte entnommene Lesung, die wir gerade gehört haben, gedenkt dessen, was in Jerusalem am Pfmgsttag geschah: Der plötzliche gewaltige 727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wind, das Sichtbarwerden der Feuerzungen, die Apostel, die, erfüllt mit dem Heiligen Geist, das Evangelium in ihnen unbekannten Sprachen zu verkünden beginnen. Menschen verschiedener Nationen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, hören die Apostel, die Galiläer waren, in ihren Muttersprachen reden (vgl. Apg 1,11): „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ (ebd. 2,11). Es ist der feierliche Anfang der Sendung der Apostel; einer Sendung, die sie fünfzig Tage zuvor von dem Auferstandenen erhalten hatten, der ihnen aufgetragen hatte: „Ich sende (...) euch. Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,21.22). 3. Emitte Spiritum tuum et creabuntur: „Sende deinen Geist aus, und sie werden erschaffen werden“ (vgl. Ps 104,30). Indem er sagt: „Empfangt den Heiligen Geist“, enthüllt Christus die Schaffenskraft des Geistes Gottes, der, ausgegossen über alles Fleisch (vgl. Joel 3,1), jene auf Grund der Sünde bei dem Turm zu Babel verletzte Einheit des Menschengeschlechtes wiederherstellt. Babel ist das Symbol von Zerfall und Zersplitterung geworden (vgl. Gen 11,1-9). Pfingsten hingegen stellt die wahrhaftige Erfüllung der Einheit dar, die durch die Macht des Geistes der Wahrheit gerade aus der Vielfalt des Daseins und der menschlichen Erfahrungen wiederaufgebaut wird. Christus ist an die Spitze des Volkes des Neuen Bundes gestellt: Er ist der erwartete große Prophet. Um Ihn müssen sich „die Söhne und die Töchter“ des neuen Israel versammeln (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9), die - von dem Geist bewegt, der das Leben gibt (vgl. Ez 37,14) - persönlich teilnehmen an der Heilsmission Christi, des Priesters, Propheten und Königs, indem sie seinen Fußstapfen durch die Jahrhunderte und Jahrtausende folgen. 4. Das zweite christliche Jahrtausend wendet sich nunmehr dem Ende zu. Im Bewußtsein des tertio millennio adveniente, des dritten Jahrtausends, das bevorsteht, sind wir in diesem besonderen Abendmahlssaal der Kirche vereint, der heute abend in der Nähe des Grabes des hl. Petrus eingerichtet wurde. Die zwei fast vergangenen Jahrtausende schauen auf uns, deren Zeuge auf einzigartige Weise diese Stätte ist, gezeichnet von den Gräbern von Märtyrern und Bekennem des Glaubens. Wir sind hier bei den Reliquien der Apostel, die die Säulen der Kirche in Rom sind. Und es wiederholt sich jetzt in unserer Mitte, was sich am Osterabend ereignete. Christus überschreitet durch die Eucharistie Raum und Zeit und wird unter uns gegenwärtig, wie damals bei den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln. Er richtet dieselben Worte an uns: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Empfangt den Heiligen Geist.“ 5. Empfangt den Heiligen Geist! Wir sind versammelt, um gemeinsam die Gabe des Heiligen Geistes für die gesamte Kirchengemeinde Roms zu erbitten, die gerufen ist, eine wichtige Stadtmis- 728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sion durchzuführen. Die Kirche in Rom beabsichtigt mit dieser apostolischen Initiative, für jeden Menschen und jede Familie in der Stadt weit die Arme zu öffnen, und, einem Aufruhr gleich, in jeden Bereich der Gesellschaft, der Arbeit, des Leidens, der Kunst und der Kultur vorzudringen und Nahe- wie Fernstehenden den auferstandenen Herrn zu verkünden und zu bezeugen. Liebe Brüder und Schwestern, lebt man in dieser Metropole, die bedauerlicherweise die Versuchungen der Verweltlichung nicht meidet, ist man wie auf subtile Art von der Müdigkeit, der Gleichgültigkeit, der geistlichen Trägheit und von jenem Relativismus bedroht, in dem alles verwässert und verwischt. Das ist der Grund, warum die große Stadtmission - die wir mit dieser Vigil feierlich eröffnen - zunächst die Gläubigen angeht. Sie ist vor allem inständige Bitte an den Heiligen Geist, daß er unseren Glauben festige, unseren Eifer erneuere und unsere Nächstenliebe entflamme. Unser Herz lasse sich nicht von Furcht und Ratlosigkeit verwirren. Im Gegenteil, wir wollen als Zeugen der Wahrheit und der Liebe Christi das Evangelium der Hoffnung jedem Bewohner Roms bringen und dabei nicht auf die menschlichen Kräfte, sondern auf die Gnade zählen, die von Gott kommt. Wir werden so auch auf die Kultur, die Lebensweisen, auf die Erwartungen und Pläne der ganzen Stadtgemeinschaft einwirken können. 6. Kirche von Rom, der Herr hat dich mit einer bedingungslosen Liebe gebebt. Deshalb bist du reich an geistlichen und missionarischen Energien, und etbche mehr von ihnen wird der Geist eben durch die Mission in dir erwecken. Ich wende mich vor abem an Euch, bebe Brüder im Priesteramt, die Ihr die Weihe empfangen habt, um die ersten Zeugen des Evangeliums und die Apostel der Wahrheit und Einheit zu sein: Seid die ersten, unermüdlich in der Mission Tätigen, seid heilig, um willige Werkzeuge sein zu können, durch die Gott die Heih-gung seines Volkes vollbringt. Diese Mission muß von den Pfarren ausgehen, und Ihr seid die verantwortlichen und qualifizierten Triebkräfte der Pfarrgemeinden. Und ihr, bebe Ordensbrüder und -Schwestern, die Ihr gerufen seid, das prophetische Zeichen der Gegenwart Gottes zu sein, widmet Euch eifrig - mittels des Gebetes und der apostobschen Tätigkeiten - dieser Kirche in der Mission. Ihr werdet gerade in diesem Sich-Hingeben die Freude Eurer Berufung finden. Ich denke an Euch, bebe Brüder und Schwestern, die Ihr geduldig in den Pfarren wirkt und die tragfähige Gewandung der tägbchen seelsorgerischen Betätigung, der Katechese und des Liebesdienstes bildet. Durch die Mission wird es Euch möglich sein, eine erneuerte geistliche Kraft zu finden, um das Evangebum Christi in Euren Famihen und an Euren Arbeitsplätzen weiterzugeben. Ihr, bebe Mitglieder der zahlreichen kirchhchen Bewegungen, Organisationen und Vereinigungen, sichert der Stadtmission volle und treue Mitarbeit in engem Einverständnis mit den Geistlichen, den Pfarreien und der gesamten Diözese. Ihr, bebe Jugendbche, stellt Eure frischen Energien in den Dienst dieser großen geistbchen Unternehmung, und überwindet jede mögliche Furcht oder mensch- 729 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehe Zurückhaltung. Verkündet Euren Glauben an Christus mit Offenheit und Mut unter euren Altersgenossen und Freunden. Auch von Euch, Hebe Kranke und Leidende, und von Euch, die ihr Euch ausgeschlossen fühlt, erwartet die Stadtmission einen für ihren Erfolg in gewissem Sinne ausschlaggebenden Beitrag. Indem Ihr eure Lage annehmt und sie zusammen mit Christus dem himmlischen Vater widmet, könnt Ihr ein von der Vorsehung bestimmter und geheimnisvoller Heilsweg für Rom werden. Die Mission ist auch ein Teil von Euch, Hebe Mitglieder der römischen Kurie und meine Mitarbeiter im Dienst der Universalkirche, die Ihr gerufen seid, Euren qualifizierten Beitrag zum Leben der christlichen Gemeinschaft hier in Rom und zur Vorbereitung des Großen Jubiläums des Jahres Zweitausend zu leisten. Auch Euer Arbeitsanteil wird für das gute Gelingen dieser umfassenden Evangelisierungstä-tigkeit äußerst wichtig sein. Die Mission gilt auch Euch, Hebe Brüder und Schwestern, die Ihr aus den verschiedensten Teilen der Welt nach Rom gekommen seid. Ihr seid nunmehr wesentlicher Bestandteil unserer Diözesangemeinde. Danke, daß Ihr heute abend hier mit uns betet. Möge die Stadtmission - nach der Diözesansynode - einen weiteren Schritt nach vorne bilden auf dem Weg des geistlichen Wachstums und der Gemeinschaft unter allen Christen, die in unserer Stadt leben. 7. Unser Blick muß sich heute abend auf die Erwartungen der Universalkirche ausweiten, die auf dem Weg ist zum Großen Jubiläum des Jahres 2000. Die Kirche versucht, sich ein lebendigeres Bewußtsein von der Gegenwart des Geistes zu eigen zu machen, der in ihr durch sakramentale, hierarchische und charismatische Gaben zum Wohle ihrer Gemeinschaft und Sendung wirkt. Eines der Geschenke des Geistes an unsere Zeit ist gewiß der Reichtum an kirchlichen Bewegungen, die ich seit Beginn meines Pontifikates als Hoffnungsgrund für die Kirche und die Menschen bezeichne. „Sie sind ein Zeichen für die Freiheit der Formen, in denen sich die eine Kirche verwirklicht, und sicher eine Neuheit, die noch darauf wartet, in ihrer ganzen positiven Wirkung für das Reich Gottes, das in unserer heutigen Geschichte am Werk ist, entsprechend verstanden zu werden“ {Ansprache an die Mitglieder der Bewegung „ Comunione e Liberazione “ am 29. September 1984, Nr. 3; in: Der Apostolische Stuhl 1984, S. 1400). Im Rahmen der Feierlichkeiten für das Große Jubiläum, hauptsächHch jener des Jahres 1998 -das in besonderer Weise dem Heiligen Geist und seiner heiligmachenden Gegenwart innerhalb der Gemeinschaft der Jünger Christi gewidmet ist (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 44) -, zähle ich auf das gemeinsame Zeugnis und auf die Mitarbeit der Bewegungen. Ich verlasse mich darauf, daß sie - in Gemeinschaft mit den Priestern und in Verbindung mit den Diözesaninitiaüven - ihren geistlichen, erzieherischen und missionarischen Reichtum als wertvolle Erfahrung und Vorgabe eines christlichen LebensmodeHs in das Herz der Kirche einbringen. 730 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist.“ Auch durch das Zeichen des Evangeliars, das ich heute abend dem Kardinalvikar anvertraue, damit es in der Basilika Sankt Johann im Lateran feierlich ausgestellt wird, ist Christus gegenwärtig und trägt den Weg der großen Stadtmission, der die Kirchengemeinde Roms an die Schwelle des dritten Jahrtausends führen wird. „So sende ich euch ...“ Herr, so wie es zu Beginn der Sendung der Kirche, zu Anfang des ersten Jahrtausends, geschah, sendest du uns heute zu einer neuen Mission der Evangelisierung aus. Du vertraust uns die Aufgabe an, die Frohe Botschaft in die Straßen und auf die Plätze dieser Stadt zu tragen; du willst, daß deine Kirche Pilgerin der Hoffnung und des Friedens auf den Straßen der Welt ist. Stehe unserem Weg mit der Kraft deines Geistes bei; mache uns zu mutigen Aposteln des Evangeliums und zu Erbauern einer neuen Menschheit. Maria, Salus Populi Romani, die du mit deinem geliebten Bild die Wallfahrt dieser Nacht begleiten wirst, lenke unsere Schritte; erwirke uns die Fülle der Gaben des Heiligen Geistes. „Emitte Spiritum tuum et creabuntur.“ Amen! Mission ist Botschaft und Zeugnis von Kreuz und Erlösung Botschaft zum Weltmissionstag vom 28. Mai 1. „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Liebe Brüder und Schwestern, auf der Schwelle des dritten Jahrtausends wiederholt der Herr Jesus für die gesamte Kirche mit besonderem Nachdruck die gleichen Worte, die er einst, vor seiner Himmelfahrt, an die Apostel richtete; Worte, die das Wesen der christlichen Berufung zum Ausdruck bringen. Wer ist eigentlich der Christ? Ein von Christus „ergriffener“ Mensch (Phil 3,12), erfüllt von dem Wunsch, ihn überall, „bis an die Grenzen der Erde“, bekannt zu machen und über alles zu lieben. Der Glaube macht uns zu Missionaren, zu seinen Zeugen. Wenn das nicht geschieht, handelt es sich um einen noch unvollkommenen, geteilten, unreifen Glauben. Anläßlich des Weltmissionstags möchte ich daher jeden einzelnen von Euch auf-fordem, in Anbetracht der apostolischen Herausforderungen unserer Zeit, sich persönlich vom Herrn rufen zu lassen. 731 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Persönlicher Dienst - Missionar und Zeuge 2. „Die Mission ist eine Frage des Glaubens, sie ist ein bestechlicher Gradmesser unseres Glaubens an Christus und seine Liebe zu uns“ (Redemptoris missio, Nr. 11). Glaube und Mission gehen Hand in Hand: je stärker und tiefer der Glaube, um so dringender das Bedürfnis, ihn weiterzugeben, zu teilen und zu bezeugen. Wenn er jedoch nachläßt, wird auch der missionarische Eifer schwächer werden und unser Zeugnis an Kraft verlieren. Stets war es so in der Geschichte der Kirche: immer war der Verlust der Vitalität des missionarischen Eifers Zeichen einer Glaubenskrise. Dazu kommt es, weil die tiefe Überzeugung fehlt, daß „Glaube durch Weitergabe stark wird“ (vgl. ebd., Nr. 2) und weil gerade durch die Verkündigung und das Zeugnisgeben von Christus neue Begeisterung gefunden und der Weg für ein dem Evangelium entsprechendes Leben wiederentdeckt werden kann. Wir können sagen, daß die Sendung das sicherste „Gegenmittel“ zur Vermeidung einer Glaubenskrise ist. Durch den missionarischen Einsatz bestärkt jedes Glied des Gottesvolkes seine Identität und erkennt, daß wir nur als Zeugen authentische Christen sein können. 3. Durch die Taufe in die Kirche eingegliedert, ist jeder Christ aufgerufen, Missionar und Zeuge zu sein. Das ist der ausdrückliche Auftrag des Herrn. Und der Heilige Geist sendet jeden Getauften aus, Christus allen Völkern zu verkünden und seine Zeugen zu sein: gleichermaßen Pflicht und Privileg, denn es handelt sich um einen Aufruf, mit Gott für das Heil jedes einzelnen und der gesamten Menschheit zusammenzuarbeiten. Denn uns „wurde diese Gnade geschenkt: Ich soll den Heiden als Evangelium den unergründlichen Reichtum Christi verkündigen“ (Eph 3,8). Wie der Geist den Kreis der ersten Jünger zu mutigen Aposteln des Herrn und erleuchteten Verkündern seines Wortes machte, so formt er auch weiterhin die Zeugen des Evangeliums in unserer Zeit. 4. Der Weltmissionstag erinnert alle an diese Pflicht und diese „Gnade“, den Menschen nicht „eine rein menschliche Weisheit..., gleichsam als Lehre des guten Lebens“ (Redemptoris missio, Nr. 11) weiterzugeben, sondern vielmehr die freudige Erfahrung einer „lebendigen Gegenwart“, die sich in jedem Getauften offenbaren muß und in anderen - wie mein verehrter Vorgänger Paul VI. schrieb - „unwiderstehliche Fragen aufwirft: Warum sind jene so? Warum leben sie auf diese Weise?“ (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 21). Die Sendung ist daher gleichsam ,Zeugnis und Ausstrahlung“ (Redemptoris missio, Nr. 26). Wenn wir uns dem Wirken des Geistes wahrhaft folgsam erweisen, wird es uns gelingen, das Geheimnis der Liebe, das bei uns wohnt (vgl. Joh 14,23), weiterzugeben und auszustrahlen. Wir sind seine Zeugen, Zeugen eines leuchtenden und reinen Glaubens, tätiger, langmütiger und gütiger (vgl. 1 Kor 13,4) Liebe im Dienst der vielen Formen von Armut des heutigen Menschen; Zeugen einer immerwährenden Hoffnung und jener engen Gemeinschaft, die das Leben des dreieinigen Gottes, des Gehor- 732 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sams und des Kreuzes zum Ausdruck bringt: kurz, Zeugen der Heiligkeit, „Menschen der Seligpreisungen“, die berufen sind, vollkommen zu sein, wie der himmlische Vater (vgl. Mt 5,48). Das ist die Identität des Christen als Zeugen, .Abbild“, .(Zeichen“ und „lebendige Ausstrahlung“ Jesu. Ein solch eifriges Volk Gottes wird zahlreiche missionarische Berufungen hervorbringen: junge Menschen, die fähig sind, in dem faszinierenden Abenteuer der Mission „ad gentes“ ihr Leben für Christus zu verlieren (Mk 8,35). Wie oft habe ich auf meinen apostolischen Reisen die für die Ernte reife Menge (vgl. Joh 4,35) vor mir gesehen und mir sagen lassen müssen, daß es an Missionaren, Priestern, Ordensbrüdern und -Schwestern, an dem Evangelium geweihten Menschen fehlt! Der Weltmissionstag hat einen Sinn, wenn er in den Pfarrgemeinden und den christlichen Familien zum Gebet für die Missionsberufe anregt und eine Umgebung schafft, in der sie heranreifen können. 5. Die Identität des Christen als Zeugen zeigt sich in der unauslöschlichen und bezeichnenden Gegenwart des Kreuzes, ohne das kein wahres Zeugnis möglich ist. Das Kreuz ist eine unabdingliche Voraussetzung für all diejenigen, die entschlossen sind, dem Herrn zu folgen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Alle Zeugen Gottes und Christi, bei den Aposteln angefangen, sind seinetwegen verfolgt worden: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20). Dies ist ein Erbe, das Jesus den Seinen hinterlassen hat und das jeder einzelne in seinem Leben aufnehmen und verkörpern muß. Der Weg zur Auferstehung führt nur über Golgatha. Es ist in der Tat ein „Kreuz“, Christus im treuen Zeugnis und in der geduldigen und beharrlichen täglichen Arbeit nachzueifem. Es ist ein „Kreuz“, gegen den Strom zu schwimmen und seine Entscheidungen, trotz Verständnislosigkeit, Unbeliebtheit und Ausstoßung, an den Geboten Gottes auszurichten; ein „Kreuz“ ist auch das prophetische Anprangem von Ungerechtigkeit, verletzter Freiheit und mißachteten Rechten; es ist ein „Kreuz“, dort leben zu müssen, wo die Kirche am meisten bekämpft, behindert und verfolgt ist. Hier richten sich meine Gedanken nun unweigerlich an diejenigen unserer Brüder und Schwestern und jene Gemeinschaften, die, trotz der Feindseligkeit und der Verfolgung ihrer Umgebung, in vielen Teilen der Welt das leuchtende Zeugnis eines christlichen Lebens bieten, das vollkommen Christus und der Kirche geweiht ist. Jedes Jahr hören wir von dem heroischen Zeugnis neuer .Märtyrer“, die ihr Blut vergießen, um dem Herrn treu zu bleiben. Die Kirche verneigt sich vor ihrem Opfer und sammelt sich im Gebet und in brüderlicher Liebe um jene Gläubigen, die Gewalt erdulden müssen, und bestärkt sie, nicht den Mut zu verlieren, sich nicht zu fürchten. Geliebte Brüder, Christus ist bei Euch! 6. Die Päpstlichen Missions werke spielen in der missionarischen Neubelebung eine wichtige Rolle. Ihre Aufgabe ist die Hinführung der Ortskirchen und Gläubi- 733 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen zum missionarischen Geist des Glaubens. Von größter Wichtigkeit ist ihre Rolle für den Aufbau der Diözesen, der Pfarrgemeinden und der christlichen Familien. Heute wendet sich Christus mit der Frage an die Getauften: „Seid ihr meine Zeugen?“ Und jeder sollte sich ehrlich fragen: „Gebe ich der Welt das Zeugnis, das der Herr von mir verlangt? Lebe ich einen starken, reinen, freudigen Glauben, oder bin ich Ausdruck einer kraftlosen, durch Kompromisse und bequeme Anpassung entstellten christlichen Existenz?“ Mission verkündet: Im Kreuz ist Heil Ziel der Päpstlichen Missionswerke ist es, sich in den Dienst des missionarischen Zeugnisses zu stellen, und indem sie dafür Interesse wecken, bestehen sie auf dem Vorrang der Heiligkeit. In Redemptoris missio schrieb ich: „Der wahre Missionar ist der Heilige ... Jeder Missionar ist nur dann ein echter Missionar, wenn er sich auf den Weg der Heiligkeit einläßt... es gilt, ein neues ,glühendes Verlangen nach Heiligkeit1 unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken, besonders unter den engsten Mitarbeitern der Missionare“ (Nr. 90). 7. Je wirksamer diese Tätigkeit der Sensibilisierung ist, umso deutlicher wird die Familie der Gläubigen vor aller Welt den Ausdruck und die Rolle einer authentischen Gemeinschaft von Zeugen für die Mission „ad gentes“ annehmen, und jeder Gläubige wird sich erneut der ihm obliegenden Pflicht bewußt werden, sein Herz jenen zu öffnen, die in den Missionen oft in dramatischen Situationen materieller und geistlicher Not leben. Aus diesem Bewußtsein entspringt unweigerlich die Verpflichtung, sich der Bedürfnisse der ärmsten Brüder anzunehmen. So wächst ein für die Weltkirche offenes missionarisches Bewußtsein. Ihm folgt eine aktive Teilnahme an den Bemühungen zur Neuevangelisierung, die diese Jahre der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubeljahr Zweitausend kennzeichnet. „Unmittelbar vor Anbruch des dritten Jahrtausends der Erlösung ist Gott dabei, einen großen christlichen Frühling zu bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann“ (Redemptoris missio, Nr. 86). Mit dieser Gewißheit lade ich die ganze Kirche erneut dazu ein, „das Geheimnis Christi dadurch tiefer zu leben, daß sie voll Dankbarkeit am Heilswerk mitarbeitet“ (ebd., Nr. 92). Ich erflehe den Schutz Marias, Stern der Evangelisierung, besonders für die Missionare und Mis-sionsschwestem wie auch für all jene, die auf verschiedene Art und Weise ihre Energie in den Dienst der Mission stellen, und erteile von ganzem Herzen jedem einzelnen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 28. Mai 1996 734 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die trinitarische Dimension der Heiligkeit Predigt bei der Heiligsprechung der Seligen Johannes Gabriel Perboyre, Ägidius Maria vom hl. Josef und Johannes Grande Roman auf dem Petersplatz am 2. Juni 1. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Am heutigen Dreifaltigkeitsfest, nachdem mit dem Pfingstfest die österhche Zeit beendet ist, umfängt die Kirche gleichsam noch einmal in einer einzigen Feier den ganzen Heilsgehalt von Ostern. Sie richtet den Blick auf das höchste Geheimnis der lebendigen Dreifaltigkeit: einen Blick voll Dankbarkeit und Lobpreis. „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist: Gott dem Herrn, der ist und der war und der kommen wird“ (2. Zwischengesang, vgl. Offb 1,8). Er kommt, denn er „hat die Welt geliebt“. Er kommt im Sohn, den der Vater hingegeben hat, „damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,17). Wer an ihn, das heißt an Jesus Christus, glaubt, hat das ewige Leben (vgl. Joh 3,16). 2. An diesem Dreifaltigkeitssonntag will die Kirche dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist durch die Heiligsprechung der Seligen Johannes Gabriel Perboyre, Ägidius Maria vom hl. Josef und Johannes Grande Roman Ehre erweisen. Die Liturgie der Heiligsprechung ist ein feierliches Bekenntnis des Glaubens an das ewige Leben, das wesentlicher Bestandteil des Lebens der Menschen geworden ist. Diese unsere Brüder in Christus, die durch die im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes empfangene Taufe des göttlichen Lebens teilhaftig gemacht wurden, haben im Laufe ihres menschlichen Geschicks die Fülle dieses Lebens erlangt. So wurden sie „Ehre Gottes“. „Gloria Dei vivens homo“ - „Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch.“ „Vita autem hominis visio Dei“ - „Das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes“ (hl. Irenäus, Adv. haer. IV, 20, 7; Ausgew. Schriften, Bd. II, BKV, Kempten/München 1912, S. 66). Der Papst hatte in Italienisch begonnen und fuhr in Französisch fort: 3. Johannes Gabriel Perboyre, Priester der Missionskongregation, wollte Christus, dem Künder des Evangeliums für die Armen, nach dem Beispiel des hl. Vinzenz von Paul nachfolgen. Nachdem er Ausbilder des Klerus für Frankreich gewesen war, ging er nach China. Dort bezeugte er mutig die Liebe Christi zum chinesischen Volk. „Ich weiß nicht, was mich im bevorstehenden Berufsleben hier erwartet: zweifellos schweres Kreuz, das ist das tägliche Brot des Missionars. Und was könnte man sich Besseres wünschen als den inneren Antrieb, einen gekreuzigten Gott zu predigen?“ (Briefe 70), schrieb er, als er vor den Toren Chinas stand. Es ist das Kreuz Christi, das er auf dem Weg finden sollte, auf den er ge- 735 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sandt wurde. Durch die tägliche Nachfolge seines Herrn in Demut und Milde machte er sich ihm ganz gleichförmig. Er folgte ihm Schritt für Schritt in seinem Leiden; jetzt ist er mit ihm für immer in seiner Herrlichkeit vereint. „Nur eines ist notwendig: Jesus Christus“, sagte er gern. Sein Martyrium ist der Höhepunkt seines Einsatzes in der Nachfolge Christi, des Missionars. Nachdem er gefoltert und verurteilt worden war, wiederholte sich an ihm in ungewöhnlicher, ähnlicher Weise das Leiden Jesu: Er ging wie er bis in den Tod und in den Tod an einem Kreuz. Johannes Gabriel hatte eine einzige Leidenschaft: Christus und die Verkündigung seines Evangeliums. Weil er auf Grund seiner Treue zu dieser Leidenschaft mit den Erniedrigten und Verdammten gleichgesetzt wurde, kann die Kirche heute feierlich seine Herrlichkeit in der Schar der Heiligen des Himmels verkünden. Dem Gedächtnis von Johannes Gabriel Perboyre, den wir feiern, wollen wir heute das Gedächtnis all jener hinzufügen, die für den Namen Jesu Christi auf chinesischem Boden im Laufe der vergangenen Jahrhunderte Zeugnis abgelegt haben. Insbesondere denke ich an die seligen Märtyrer, deren gemeinsame Heiligsprechung von vielen Gläubigen gewünscht wird; sie könnte eines Tages ein Zeichen der Hoffnung für die Kirche sein, die unter diesem Volk gegenwärtig ist, dem ich im Herzen und im Gebet so nahe bin. Der Papst sprach weiter in Italienisch: 4. „Hochgelobt und hocherhoben in Ewigkeit!“ (Antwortgesang; vgl. Dan 3,52). Die Kirche verkündet heute die Herrlichkeit Gottes, die in der Heiligkeit des Lebens von Ägidius Maria vom hl. Josef zutage getreten ist. Ägidius, ein echter geistlicher Sohn des hl. Franziskus, schöpfte aus der Betrachtung der Geheimnisse Christi die grenzenlose, brennende Liebe zum Nächsten, indem er seinen geistlichen Weg an der Demut der Menschwerdung und der Unvergeltlichkeit der Eucharistie ausrichtete. Er verstand es, sein Augenmerk auf die Bedürfnisse der Menschen zu richten, denen er begegnete, indem er die einfachsten Tätigkeiten der Brüderlichkeit und des Dienstes an den Armen ausübte. Während er tagtäglich durch die Straßen von Neapel ging, wo er lange Zeit lebte, brachte er das versöhnende und friedenstiftende Wort des Evangeliums in ein Umfeld, wo soziale Spannungen und wirtschaftlicher wie auch geistlicher Notstand herrschten. Keiner war von seiner fürsorglichen Aufmerksamkeit ausgenommen. Er brachte diese Herzenswärme durch das mahnende Wort des Evangeliums zum Ausdruck: „Liebt Gott, liebt Gott!“, und lud auf diese Weise alle zur Umkehr des Herzens zu Gott ein, der „ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue“ ist {Ex 34,6) und der, wie das heutige Evangelium verkündet, „die Welt so geliebt (hat), daß er seinen einzigen Sohn hingab“ {Joh 3,16). Eine mehr denn je aktuelle Botschaft, die an die Liebe und Treue Gottes erinnert! Die Welt hat es dringend nötig, an die Liebe Gottes zu glauben! Der hl. Ägidius 736 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erwarb sich durch sein einfaches und frohes Leben den Beinamen „Trostspender von Neapel“. Sein Andenken ist heute noch lebendig, und sein Beispiel lädt die Christen von heute ein, das Evangelium der Seligpreisungen zutiefst zu leben und auf die Liebe Gottes, die vom Heiligen Geist in unsere Herzen eingegossen ist, durch die Heiligkeit Antwort zu geben. Der Papst fuhr in Spanisch fort: 5. Der hl. Johannes Grande gelangt heute, am Dreifaltigkeitsfest, zur Ehre der Altäre. In seinem Testament hinterläßt er uns dieses wertvolle Bekenntnis: Der Herr „bewahre meine Absicht, an das unerforschliche Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit zu glauben, wie ich immer geglaubt habe und glaube: an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist - drei göttliche Personen eines Wesens -, der lebt und herrscht in alle Ewigkeit“. Als eifriger Verehrer des durch Jesus Christus geoffenbarten Dreieinigen Gottes sprach der neue Heilige vom Dreifältigen Geheimnis mit solcher Innigkeit und Verehrung, daß er die Bewunderung seiner Zuhörer erregte und in ihnen das Verlangen weckte, dieses erhabene Geheimnis mit noch mehr Glauben anzubeten und zu betrachten, um Gott den Ruhm und die Ehre zu geben, die ihm gebühren. Der hl. Johannes Grande nährte seine Spiritualität durch ständiges Gebet. Es war ein Gebet des Herzens, mit dem er Gott seine Liebe zum Ausdruck brachte, ohne daß er je müde wurde zu wiederholen, wie sehr er ihn liebte. Während seines Lebens als Krankenpfleger mußten die Brüder ihn gewaltsam aus der Kapelle herausholen, um sein nächtliches Gebet zu beenden und ihn in seine Zelle zu bringen. Sein Gebet zeigte, daß Gott die Liebe seines Herzens war, der Mittelpunkt seines Lebens, der wahre Grund, auf dem sein Wollen und sein Handeln beruhte, das Prinzip und Fundament seines Gewissens und seiner Entscheidungen. „Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, damit die Welt durch ihn gerettet wird (vgl. Joh 3,17). Der hl. Juan Grande begegnete Gott, er bebte ihn, er fühlte sich geliebt, und im Herzen Gottes, des Vaters aller, liebte er alle Menschen in Not, besonders die Armen, die Kranken, die Betrübten und die in irgendeiner Weise oder aus irgendeinem Grund Leid zu tragen hatten. So diente er dem Nächsten Tag und Nacht, indem er für alle bat, an die Türen klopfte und mahnte, daß man dem Schicksal der Armen nicht gleichgültig gegenüber sein dürfe und daß sein Dienst „eine Gewissensfrage“ sei. Er war für die Stadt Jerez ein Geschenk Gottes. Als Patron dieser Diözese war er ihr höchster Fürsprecher und Schutzherr. Die Brüder des hl. Johannes von Gott erhalten in dem neuen Heiligen ein Vorbild der Heiligkeit, einen Beistand und Diener der Armen und Kranken, der mit seiner Fürsprache die Krankenpflege und die Krankenseelsorge unterstützt. 737 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Papst sagte zum Schluß in Italienisch: 6. „Brüder, freut euch“, schreibt der hl. Paulus an die Christengemeinde in Korinth. Und er fügt hinzu: „Es grüßen euch alle Heiligen“ (2 Kor 13,11.12). Der Gruß der Heiligen, aller Heiligen und insbesondere derer, die heute heiliggesprochen wurden, hat eine tiefe trinitarische Dimension. Der Apostel fährt fort und gebraucht Worte, die durch ihre Verwendung bei der Eucharistiefeier vertraut Idingen: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft (auf lateinisch communicatio, das heißt das Sichmit-teilen) des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13). Die drei hier vom hl. Paulus verwandten Worte bringen die Gaben zum Ausdruck, die den drei göttlichen Personen zugeschrieben werden. Die Liebe, denn Gott Vater hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen Sohn hingab. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, denn durch das Werk des Sohnes und durch die von ihm gewirkte Erlösung sind wir wirklich Kinder Gottes geworden. Das Sichmitteilen des Heiligen Geistes, weil die Gegenwart und das Wirken des Geistes im Leben des Menschen und der Kirche Quelle der Heiligung und der Heiligkeit ist. Die menschliche Person, die von der Fülle des göttlichen Lebens lebt - vivens homo -, ist innerhalb der geschaffenen Welt eine einzigartige Verwirklichung der Ehre Gottes - gloria Dei. „Brüder, freut euch ... Es grüßen euch alle Heiligen.“ Auch wir freuen uns und frohlocken an diesem Dreifaltigkeitsfest. Zusammen mit Johannes Gabriel Perboyre, Ägidius Maria vom hl. Josef, Johannes Grande Roman und in Gemeinschaft mit Maria, der Königin aller Heiligen, und allen, die uns in die ewige Herrlichkeit Gottes vorausgegangen sind, verkünden wir die machtvollen Taten, die der Herr vollbracht hat. „Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Wie es war im Anfang so auch jetzt und allezeit.“ Amen! Eucharistie — göttliches Unterpfand auf der Pilgerreise des Menschen Predigt während der Messe vor St. Johann im Lateran und Fronleichnamsprozession nach Santa Maria Maggiore am 6. Juni 1. „Er hat dich mit dem Manna gespeist“ (vgl. Dtn 8,3). Jedes Jahr versammeln wir uns am Fronleichnamsfest vor der Lateranbasilika, um das Sakrament des Leibes und Blutes Christi zu feiern. Christus selbst lädt uns ein, am eucharistischen Mahl teilzunehmen: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm ... Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag ... Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so 738 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird jeder, der mich ißt, durch mich leben“ (Joh 6,56.54.57). Jesus sprach diese Worte bei Kafamaum und kündigte damit die Einsetzung der Eucharistie an, die er beim Letzten Abendmahl verwirklichen würde. Die Worte, mit denen die Eucharistie eingesetzt wurde, können wir bei den Synoptikern und bei Paulus nachlesen, und der Priester wiederholt sie außerdem in jeder heiligen Messe; sie sind eine Zusammenfassung der eben gehörten Ankündigung aus dem Johannesevangelium: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird ... Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (vgl. Lk 22,19-20 und parr.; 1 Kor 11,23-25). Wenn sie diese Worte gläubig und dankbar aufnimmt, wird sich die Kirche ihrer Aufgabe voll bewußt, und sie erkennt aufs neue, was die Eucharistie für ihr Leben und für das Heil der ganzen Welt bedeutet. 2. Heute, am Fronleichnamsfest, will die Kirche sozusagen wiederentdecken, daß die Eucharistie eine Pilgerreise ist, ein „Unterwegs“. Im Abschnitt aus dem Buch Deuteronomium, den wir in der ersten Lesung gehört haben, erklärt Mose: „Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich während dieser vierzig Jahre in der Wüste geführt hat... Er hat dich dann mit dem Manna gespeist ... Er wollte dich erkennen lassen, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht ... der dich in der Wüste mit dem Manna speiste, das deine Väter noch nicht kannten“ (Dtn 8,2.3.16). Ja! Zur Zeit des Exodus speiste Gott sein Volk mit einer unbekannten Speise. Desgleichen konnten die Apostel, die Zeugen der Einsetzung der Eucharistie, als sie das Abendmahl am Gründonnerstag begannen, nicht ahnen, was ihr Meister kurze Zeit später sagen würde: daß nämlich jenes Brot sein wahrer Leib und jener Wein sein wahres Blut war. Aber was verstanden sie, als Jesus sprach? Erst viel später kam es ihnen voll zu Bewußtsein, daß gerade kraft dieser Speise und dieses Trankes der Mensch in der Lage sein würde, den Weg in das endgültige Gelobte Land einzuschlagen, hin zum Haus des Vaters. „O sacrum convivium ...“, „O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Gedächtnis seines Leidens gefeiert, die Seele mit Gnade erfüllt und ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit uns gegeben wird!“ (Antiphon zum Magnificat am Fronleichnamsfest). 3. Der Herr lädt uns hier Anwesende alle ein, in Glauben und Liebe an diesem „heiligen Gastmahl“ teilzunehmen, bei dem er uns zur Speise und zum Trank werden will, um uns sein göttliches Leben selbst weiterzugeben. In diesem geistlichen Bewußtsein möchte ich Euch herzlich begrüßen: Euch, verehrte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt; Euch, liebe Brüder und Schwestern, die Ihr die Pfarrgemeinschaften, die Gruppen und Verbände mit apostolischer und missionarischer Aufgabe in unserer Diözese vertretet. Ich begrüße Euch Pilger, die 739 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr Euch zu uns gesellt habt für diese feierliche Bezeigung des Glaubens an Jesus, das lebendige Brot für die Rettung der Menschheit. Insbesondere sind bei dieser eucharistischen Liturgie zahlreiche Gläubige aus der Tschechischen Republik anwesend, die auch an der Fronleichnamsprozession teilnehmen werden. Ihnen gilt unser herzlicher Gruß und unser Dank für diese Geste der kirchlichen Gemeinsamkeit. Der Papst sagte auf tschechisch: Liebe Brüder und Schwestern! Ich heiße Euch herzlich willkommen. Ich denke gerne an meinen Pastoralbesuch in der Tschechischen Republik vor einem Jahr und jene unvergeßlichen Tage zurück, in denen ich die Kraft der Glaubenstradition eures Landes und seinen Fortschritt in der Zivilisation erlebt habe. Mögt Ihr in die Zukunft mit der Hoffnung blicken, die Euch aus den tiefen christlichen Wurzeln Eurer geliebten Nation erwächst. Der Herr, der hier unter den heiligen Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig ist, möge Euch mit seiner Gnade erfüllen und Euch und Eure ganze Nation zu dauerhaftem Wohlstand und Frieden führen. ... und wieder auf italienisch: 4. „Seht das Brot, der Engel Speise, Brot auf unsrer Pilgerreise“ {Sequenz). Mit welch reichen Worten hilft uns die Feier des Fronleichnamsfestes, die Wahrheit zu vertiefen, daß die Eucharistie das Sakrament der Pilgerreise des Menschen ist! Diese Pilgerreise wird im Auszug des Volkes Israel aus Ägypten hin zum Gelobten Land vorweggenommen. Vielleicht ist es gerade aus diesem Grunde, daß die Kirche am Hochfest des Heiligsten Leibes und Blutes Christi nicht nur die Eucharistie feiert, sondern sich auch auf dem Weg macht und zusammen mit dem eucharistischen Jesus durch die Straßen der Städte zieht. Auch wir wollen heute abend mit der feierlichen Prozession, die vom Lateran nach Santa Maria Maggiore führt, der Gegenwart Gottes gedenken, der sein Volk durch die Wüste ins Gelobte Land geführt hat. Vor allem wollen wir verkünden, daß der eucharistische Jesus die Kirche und uns alle auf dem Weg leitet, der er selbst ist, auf dem Weg, der uns zum Vater führt. Hat unser Gehen mit ihm seine letzte Bestimmung etwa nicht in Gott? Nur durch Jesus, der sich uns unter den Gestalten von Brot und Wein schenkt, erreicht das Leben des Menschen seine Erfüllung: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.“ Christus, du bist der Weg, der zum Vater führt (vgl. Joh 14,6)! Du leitest uns auf unserer täglichen Pilgerfahrt hin zur himmlischen Heimat. Durch deine Gegenwart im Sakrament schenkst du uns einen Vorgeschmack der Freude der vollkommenen und endgültigen Teilhabe am Leben des Vaters beim ewigen Gastmahl. 740 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Sakrament deines Leibes und deines Blutes wird uns „ein Unterpfand der kommenden Herrlichkeit gegeben“. Bleib bei uns! Gehe mit uns, heute und allezeit! Amen! Rosenkranz mit dem Papst Grußwort an die deutschen Pilger nach dem Gebet in der Aula Paul VI. am 1. Juni Liebe Schwestern und Brüder! Herzlich begrüße ich auch Euch, die Ihr aus Deutschland mit mir die Geheimnisse unserer Erlösung im Rosenkranzgebet betrachtet habt. Unter Euch heiße ich die große Gruppe der Gläubigen willkommen, die zum Gebet um ein gutes Gelingen meiner bevorstehenden Deutschlandreise nach Rom gekommen ist. Ich freue mich sehr auf den Besuch Eurer geliebten Heimat und bitte Euch, weiterhin in diesem Sinne zu beten. Meine Grüße gelten auch der Gruppe aus Augsburg, die sich in besonderer Weise für die Mitarbeit an der Neuevangelisierung der Gesellschaft zur Verfügung stellt und für eine fruchtbare Erneuerung der Kirche in Deutschland wirkt. Meinen Gruß richte ich an die hier versammelten Jugendlichen sowie an alle, die uns in diesem Augenblick über Radio Vatikan verbunden sind. Auf die Fürbitte der Mutter Gottes möge der Herr uns alle durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung führen. Katakomben als Stätten der Forschung und geistlicher Besinnung Ansprache an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für die sakrale Archäologie am 7. Juni Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mein herzlicher Gruß geht an Sie alle, Verantwortliche, Mitglieder und Facharbeiter der Päpstlichen Kommission für die sakrale Archäologie, die Sie so freundlich waren, mir heute, zusammen mit den Direktoren der fünf in Rom geöffneten Katakomben, einen Besuch abzustatten. Ich bedanke mich für die eben - auch in Ihrem Namen - an mich gerichteten Worte bei Erzbischof Francesco Marchisano, der sowohl Präsident der Päpstlichen Kommission für die sakrale Archäologie, als auch Präsident der Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche ist. Ihnen allen bringe ich meine Dankbarkeit für die Arbeit zum Ausdruck, die Sie hingebungsvoll und im Bewußtsein der hohen geschichtlichen und geistlichen Bedeutung der Denkmäler ausüben, für die Sie Sorge tragen. 741 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich beglückwünsche Sie zu der Tätigkeit, welche die Päpstliche Kommission, der Sie ja angehören, in bezug auf Schutz, Instandsetzung und Studium der christlichen Katakomben des Mittelmeerraumes vollbringt. Ihr sehr beachtenswerter Einsatz betrifft Italien, und da besonders Rom und seine Umgebung. Um sich Ihr verdienstvolles Wirken vor Augen zu führen, genügt es, an die fünf römischen Katakomben - die des hl. Calixtus, des hl. Sebastian, der hl. Domitilla, der hl. Priscilla und der hl. Agnes - zu denken, die derzeit der Öffentlichkeit zugänglich und bedeutsames Ziel so vieler Pilger sind, die in die Ewige Stadt kommen. 2. Bei der Besichtigung dieser Monumente stößt man auf eindrucksvolle Spuren des Christentums der ersten Jahrhunderte und kann den Glauben sozusagen mit der Hand greifen, der jene frühen christlichen Gemeinschaften beseelte. Geht man durch die Gänge der Katakomben, trifft man auf nicht wenige Zeichen einer Ikonographie des Glaubens: den Fisch, Symbol Christi; den Anker, Sinnbild der Hoffnung; die Taube, Darstellung der gläubigen Seele, und neben den Namen auf den Gräbern sehr häufig auf die Bitte „in Christo“. Das sind ebensoviele Zeugnisse des geistlichen Eifers, der in den ersten christlichen Generationen lebendig war. Indem sie jener Welt näherkommen, können die Christen von heute nützliche Ermutigungen für ihr Leben und für einen entschiedeneren Einsatz in der Neu-Evangelisie-rung gewinnen. Wie sollte man sich nicht berührt fühlen von den bescheidenen, jedoch so beredten Spuren dieser ersten Glaubenszeugen? Wie zum Beispiel nicht erbaut sein vor dem Grab der jungen Agnes auf der Via Nomentana oder dem des Diakons Laurentius in den Katakomben am Verano? Seit Beginn des Christentums lagen die Katakomben meinen Vorgängern am Herzen. Papst Zephyrinos plante als erster, eine Katakombe auf der Via Appia für die Gemeinde Roms zu schaffen, und vertraute ihre Pflege dem Diakon Calixtus an, von dem - nach seiner Wahl zum Papst - der größte Katakombenkomplex Roms seinen Namen hat. Der hl. Papst Damasus bemühte sich während seines Pontifikates, die Märtyrergräber zu schmücken, und verfaßte für sie wundervolle Inschriften mit Versen, welche die Taten jener mutigen Zeugen des Evangeliums priesen. Auch als die Katakomben infolge der Barbareneinfälle eine Art erzwungener Verwahrlosung erfuhren, blieben einige von ihnen ununterbrochenes Wallfahrtsziel. Die Bereiche, die die Märtyrergräber beherbergten, wurden im Laufe der Jahrhunderte des späten Mittelalters zu Stätten der Verehrung für die aus Italien, aus Europa und dem Mittelmeerraum stammenden Pilger. 3. Die Wiederentdeckung der Katakomben - als Gegenstand der Forschung und geistlicher Reflexion - fiel jedoch in das Ende des sechzehnten Jahrhunderts, als eine Gruppe von Gelehrten einen aktiven Kulturzirkel um die große Persönlichkeit des hl. Filippo Neri bildete. Der „Christoph Kolumbus der römischen Katakom- 742 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben“, wie er bezeichnet wurde, war der aus Malta stammende Archäologe Antonio Bosio, der gut dreißig der sechzig christlichen Friedhöfe der Stadt entdeckte. Seither ist das Interesse für die Katakomben nie geschwunden und erreichte seinen Gipfel um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, als auf Grund des glücklichen Zusammentreffens zweier großer Persönlichkeiten, des Papstes Pius IX. und des römischen Archäologen Giovanni Battista de Rossi, die Christliche Archäologie als historische und wissenschaftliche Disziplin und die Kommission für die sakrale Archäologie entstanden. Letztere wurde am 6. Januar des Jahres 1852 für wirkungsvolleren Schutz und Überwachung der Friedhöfe, der antiken christlichen Gebäude von Rom und seinen Vororten und für systematische Grabungen und das Erforschen eben dieser Friedhöfe gegründet. Die Ergebnisse bestätigen die großartigen Bemühungen. Papst Pius IX. war beeindruckt von den wichtigen Entdeckungen, die de Rossi in jenen Jahren im Sankt-Calixtus-Komplex getätigt hatte, wo das Cubiculum aufgefunden worden war, welches die Gräber vieler Päpste aus dem 3. Jahrhundert enthielt. Er wollte die Grabungen persönlich besichtigen und war zu Tränen gerührt, als er im Gebet vor jenen heiligen Gräbern verweilte. Papst Pius XI. war es, der mit einem Motu Proprio des Jahres 1925 die Kompetenzen der Päpstlichen Kommission für die sakrale Archäologie festlegte, deren Wirken bezüglich der Katakomben außerdem durch zweckmäßig mit den italienischen Behörden vereinbarte Vorschriften näher bestimmt wurde (vgl. AAS, Inter Sanc-tam Sedem et Italiam. Conventiones 18.Febr., 15.Nov. 1984, Vatikanstadt 1985, Art. 12,2). 4. Der Blick fällt nun auf das historische Datum des Großen Jubiläums, zu dem die Katakomben Roms zu bevorzugten Gebets- und Wallfahrtsstätten werden. Die Besucher werden beim Durchschreiten der Gänge dieser heiligen Orte die Atmosphäre der ersten Bekehrungen zum Evangelium wahmehmen können; sie werden in Andacht innehalten können an den Gräbern der ersten Zeugen Christi und seiner Heilsbotschaft. Damit sich das ganz verwirklichen läßt, haben Sie schon begonnen, mit anderen Institutionen, wie der Gemeinde Rom und der Archäologischen Oberintendanz, gemeinschaftlich zu arbeiten, und zwar in vollkommenem Einklang mit den Vorhaben und der Tätigkeit des Zentralkomitees für das Große Jubeljahr 2000. Die Katakomben sollen zusammen mit den großen römischen Basiliken ein unverzichtbares Ziel für die Pilger des Heiligen Jahres darstellen. Ich bin Ihrer Päpstlichen Kommission für die sakrale Archäologie zu Dank verpflichtet, die sich dieser Sache eifrig widmet. Sie tut im besonderen ihr möglichstes, um neue Katakomben und andere Denkmäler zugänglich zu machen. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, den Verantwortlichen und Mitgliedern der Päpstlichen Kommission für die sakrale Archäologie sowie den Direktoren der Katakomben Roms meine lebhafte Wertschätzung zu äußern, wobei ein besonderes Gedenken den Fachar- 743 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beitem gilt, den „fossori“, die ihre schwierige Arbeit mit Geschick und Hingabe verrichten. An alle geht der Ausdruck meiner Anerkennung. Dank für Ihre Anstrengungen und für den qualifizierten Beitrag, den Sie mit dieser Ihrer Tätigkeit zur Evangelisierung leisten. Ich vertraue Sie und Ihr Wirken dem mütterlichen Schutz Mariens, der Königin der Märtyrer, an und erteile jedem von Ihnen und Ihren Familien von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Der Weg des Glaubens führt von Abraham über Maria zu Christus Predigt bei der Eucharistiefeier vor der Lourdes-Grotte in den Vatikanischen Gärten am 9. Juni 1. „Herr, nimm an das Geschenk unserer Liebe“ {Antwortgesang). Nach der Osterzeit und dem Dreifaltigkeitssonntag nehmen wir heute den liturgischen Verlauf der „Sonntage im Jahreskreis“ wieder auf: einen Pilgerweg, den das Volk Gottes im Glauben geht, angeführt von Maria, der Mutter der Kirche; einen Weg der Erkenntnis und der Liebe; einen Weg der Nachfolge für den, der sich der Barmherzigkeit des Herrn anvertraut. Die heutige Liturgie erinnert uns daran, daß der Herr Barmherzigkeit ist und Barmherzigkeit will. Er will Liebe und nicht Opfer (vgl. Hos 6,6). Christus hat am Kreuz ein für allemal das vollkommene und endgültige Liebesopfer vollbracht, das sich jeden Tag in der Eucharistie erneuert. Und Marias Dasein war eine totale Nachfolge der in Jesus Fleisch gewordenen göttlichen Barmherzigkeit. Sie, die durch Gnade Unbefleckte Empfängnis, die von der göttlichen Barmherzigkeit von jedem Sündenmakel bewahrt wurde, ist das Zeichen sicherer Hoffnung für alle Menschen, die der Heilung und Rechtfertigung bedürfen (vgl. Mt 9,12-13). 2. Von der Heiligen Schrift einceladen, mit Gott einen Treuebund zu schließen, „laßt uns nach der Erkenntnis des Herrn“ streben {Hos 6,3), laßt uns danach streben, ihn zu lieben. Den Herrn „zu erkennen“ und „zu lieben“, dazu sind wir berufen, damit unsere Beziehung zu ihm nicht „dem Morgengewölk und dem Tau (gleiche), der früh vergeht“ {Hos 6,4), sondern beständig und treu sei. Ihn lieben, wie wir von ihm gebebt werden; ihn erkennen, wie wir von ihm erkannt sind: Das ist unsere Freude und unser Ruhm. Abraham erkannte und liebte den Herrn im Glauben, in einem starken, festen Glauben an den, der die Verheißungen erfübt. Einen Glauben, der in Bewegung setzt, das Leben antreibt, Leben erzeugt über alle menschlichen Grenzen hinweg, über den Tod hinaus. Das ewige Wort rief Abraham und sprach zu ihm: ,Folge mir!“ Er erkannte seine Stimme und folgte ihm. Abraham „jubelte“, weil er den 744 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tag Christi sehen sollte. „Er sah ihn und freute sich“ (Joh 8,56). So hatte er in gewisser Weise teil am Ostergeheimnis, in dem die Erfüllung jeder Verheißung und der tiefste Grund des Glaubens, der Liebe und der Gotteserkenntnis liegt. 3. Liebe Schwestern! Ich freue mich, heute mit Euch allen die Eucharistie feiern zu können. Wir befinden uns an diesem eindrucksvollen Ort der Vatikanischen Gärten, der an die Gegenwart Marias, der Unbefleckten Empfängnis, erinnert, wie sie sich der hl. Bernadette in der Grotte von Massabielle bei Lourdes gezeigt hat. Wir schauen auf die Jungfrau: Ihre Liebe glich nicht „dem Morgengewölk und dem Tau, der früh vergeht“. Die Gnadenvolle hat geliebt, wie sie geliebt worden war: ganz, ohne Vorbehalte; sie hat den Herrn erkannt, wie sie von ihm von Anfang an erkannt war. Abrahams Glaube erlebt und erreicht in ihr seine Vollendung: Maria glaubte, daß für Gott nichts unmöglich ist, und unter dem Kreuz hoffte sie wider alle Hoffnung: Dienerin mit dem Knecht, Königin mit dem König, wurde sie die Mutter aller Glaubenden, „Königin der Welt“, Regina mundi. Das ist der Name des Instituts, das ihr, hebe Ordensfrauen aus allen Teilen der Welt, hier in Rom zu eurer theologischen Weiterbildung besucht. Möge die himmlische Mutter Gottes, Sitz der Weisheit, in Eurem Geist eine volle Erkenntnis des Herrn und in Eurem Herzen eine vollkommene, treue Liebe zu ihr erwecken und in Eurem Leben ein hochherziges, frohes Ja zu dem „Folge mir“, das Christus an seine Jünger richtet. So werdet Ihr dort, wo die Vorsehung Euch hinführt, imstande sein, den Armen die frohe Botschaft zu verkünden, indem Ihr den Kranken beisteht, damit sie dem göttlichen Arzt begegnen, und den Sündern, damit sie seine Stimme hören. Laßt Euch deshalb von seiner Gnade leiten und gebt hochherzig Antwort. Öffnet Eure Herzen dem Geheimnis seiner Liebe. „Herr, nimm an das Geschenk unserer Liebe.“ Begegnung der Kirchen in praktizierter Nächstenliebe Ansprache während der Audienz für die „Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen“ (ROACO) am 27. Juni Herr Kardinal, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Mitglieder und Freunde der ROACO! 1. Von Herzen heiße ich Euch alle willkommen und empfange Euch zu dieser besonderen Audienz anläßlich Eures alljährlichen Treffens. Mit großer Zuneigung begrüße ich Herrn Kardinal Achille Silvestrini, den Präfekten der Kongregation für die Orientalischen Kirchen und Präsidenten der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen, und ich danke ihm für die liebenswürdigen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. 745 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euer Treffen und unsere heutige Begegnung sind für mich ein Grund zur Freude und Ermutigung, denn sie erlauben mir eine unmittelbare Kenntnisnahme all des Guten, das Ihr seit vielen Jahren mit großem Einsatz leistet. Die Zeit hat Euren ursprünglichen Enthusiasmus nicht gemindert; im Gegenteil, ich habe bemerkt, daß die großherzige Solidarität gegenüber so vielen Brüdern der Orientalischen Kirchen jedem von Euch und den von Euch vertretenen Verbänden den Schwung zu noch größerer Bereitschaft gibt. Der Herr vergelte alles, was Ihr, dem Evangelium folgend, in Liebe für das Wohl dieser Brüder in Christus und zur Linderung ihrer Leiden tut. Ihr setzt Euch ein, weil Ihr von einer Nächstenliebe angespomt seid, die keine Grenzen kennt. Diese Liebe möchte, wo immer es sei, den von Ungerechtigkeit und Schmerz entstellten Menschen erreichen, um ihn wieder in Lebensverhältnisse zu bringen, die der Würde seiner Gotteskindschaft in Christus Jesus entsprechen. 2. Mit dem Realismus des Glaubens spricht der hl. Johannes Chrysostomus in seinem Kommentar zum Abschnitt aus dem Matthäusevangelium „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40) von dem „Sakrament des Bruders“. Der Begriff Sakrament bedeutet in diesem Zusammenhang die konkrete Erfahrung der Begegnung mit Gott und seiner Gnade und einen vorzüglichen Weg zur Gemeinschaft mit seinem Leben. Dieser große Bischof, der die Gewissensfreiheit und die Rechte der Ärmsten bis zum Martyrium verteidigte, trat mutig für die Überzeugung, ein, daß der Arme ein anderer Christus ist und daß auf ihn zugehen bedeutet, eine Nächstenliebe zu leben, die vor allem auf Miteinander-Teilen und gerechter Verteilung der Güter beruht. Das Zusammenlegen der Güter, das großzügige Schenkenkönnen zugunsten jener, die weniger besitzen und in schwierigen Verhältnissen leben, bleibt, nach dem ursprünglichen Beispiel der Kirche von Jerusalem, in der Geschichte der Christenheit ein bedeutsames Bild des selbstlosen Sieges über jede Art von Egoismus und Habgier. So wird der Weg frei zu einer in Liebe erneuerten Menschheit. Ihr seid eine wertvolle Hilfe für den Papst und erlaubt ihm, wirksamer sein Amt im Vorsitz der „universalen Nächstenliebe“ auszuüben. Euer verdienstvolles Werk offenbart auf konkrete Weise, daß die Liebe jenes dynamische Herz ist, das im Mittelpunkt des Geheimnisses der Kirche schlägt; die Liebe, die schenken und sich zu schenken vermag. Sie öffnet sich für den Menschen und setzt sich dort ein, wo er sich in besonderen Notlagen befindet. Möge die Kirche in Euch, hebe Brüder und Schwestern, immer Mitarbeiter finden, die darauf bedacht sind, die Solidarität wirksam zum Ausdruck zu bringen. Damit möge durch Euch das Evangelium der Nächstenliebe zur Realität und die Verkündigung des Heils in sichtbare Werke umgesetzt werden, als Zeugnis der fürsorglichen Nähe des Vaters, der sich immer um das Wohl seiner Kinder bemüht. 746 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Der Stuhl Petri und sein Bischof, der sich persönlich für die Bitten um Hilfe aus der ganzen Welt verantwortlich fühlt, zählt auch in Zukunft vertrauensvoll auf Eure großzügige Hilfsbereitschaft. Euer Herz, das vor allem den Bedürfnissen der Brüder aus dem Osten gegenüber offen ist, ist ein klares und starkes Zeichen der Liebe, die alle Grenzen überschreitet und sich mit Erfolg in allen Situationen einsetzt. Auf diese Weise bringt sie die universale Dimension der Kirche, der fürsorglichen Mutter aller, zum Ausdruck. Ich richte deshalb an Euch alle und an die von Euch vertretenen Organisationen meinen tiefempfundenen Dank: Durch Euer Handeln ermöglicht Ihr den verschiedenen Orientalischen Kirchen, den Reichtum ihrer Traditionen und Riten zu erhalten. So kann die Kirche als vielgestaltige Wirklichkeit jede legitime Verschiedenheit verstehen und auswerten. Ich freue mich, bemerken zu können, daß Eure Tätigkeit den Richtlinien des Apostolischen Schreibens Tertio millennio adve-niente entspricht. Darin habe ich den Wunsch ausgedrückt, daß die Hinwendung auf das nunmehr bevorstehende Jubeljahr in allen Menschen durch die Bekehrung des Herzens eine Haltung der Demut und Großherzigkeit auslösen möge, aus der eine erneuerte Kultur christlicher Nächstenliebe hervorgehen soll (vgl. Nr. 34: AAS 87[1995]26-27). Es handelt sich dabei um eine wahrhafte Diakonie der Kirche für den Menschen von heute, damit die Menschheit sich in Christus Jesus immer einiger und einträchtiger zeige. Ihr, liebe Brüder und Schwestern, seid auf diesem Weg der Einheit besonders engagiert, denn der Dienst der Nächstenliebe, den Ihr anbietet, ist ein Zeichen großer Offenheit für alle ohne Unterschied und als solches ein wichtiger Dienst zugunsten der Begegnung der Kirchen. Dank Eures konkreten Einsatzes werden viele verbindende Faktoren aktiviert, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21) und glaubend ihren guten Willen offenbart, in einer respektvollen und solidarischen Gemeinschaft zu leben. Mit eurer Hilfe können die katholischen Orientalischen Kirchen einen großen Beitrag zur Sache der Einheit leisten, angetrieben von der Gnade Gottes (vgl. Apostolisches Schreiben Das erfreuliche Jubiläum, zum 350-jährigen Bestehen der Union von Uzhorod, 18. April 1996, in O.R.dt, Nr. 21-22 vom 24.5.1996, S. 9). Ich fordere Euch auf, dieses edle und hochherzige Vorhaben fortzuführen, und möge die selige Jungfrau Maria, Mutter Gottes, Euch durch ihre Fürsprache für Euch und Eure Lieben darin immer unterstützen. Mit diesem Wunsch spende ich Euch und den Werken, die Ihr vertretet, den Apostolischen Segen. 747 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Förderung des Austauschs zwischen Religion und Wissenschaft Graßworte an die Teilnehmer des Kongresses „Evolutions- und Molekularbiologie: Wissenschaftliche Perspektiven über Göttliches Wirken“ in der Vatikanischen Sternwarte am 28. Juni Meine Damen und Herren! 1. Ich freue mich, Sie hier zu begrüßen anläßlich der vierten Konferenz in der Reihe, die dem Dialog zwischen Philosophie, Theologie und Wissenschaft gewidmet ist. Sie untersuchen das Wirken Gottes in der faßbaren Welt und beschäftigen sich jetzt mit dem komplexen Thema vom Wesen des Lebens selbst, um das Universum und die Position des Menschen darin besser verstehen zu können. Ihre Hingabe an dieses Projekt entspricht der langjährigen Tradition der Kirche für intellektuelles Engagement, wie es zum Beispiel vom hl. Augustinus zum Ausdruck gebracht worden ist: „Intcllectum valde ama“ (Epist. 120, 3, 16) - wahrhafte Liebe des Intellekts und wahrhafte Suche nach Wissen. 2. Wenn das wissenschaftliche Streben, die philosophische Untersuchung und die theologische Reflexion der Menschheitsfamilie echten Nutzen bringen sollen, dann müssen sie immer auf der Wahrheit gründen, auf jener Wahrheit, „die in den Werken des Schöpfers und in besonderer Weise in dem nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffenen Menschen erstrahlt“ (vgl. Veritatis splendor, Einleitung). Dies ist die Wahrheit, die den Verstand des Menschen erleuchtet und seine Freiheit formt (vgl. ebd.). Wenn die Fortschritte in Wissenschaft und Technologie, als hervorragendes Zeugnis der menschlichen Fähigkeiten der Erforschung und Ausdauer, in Baziehung zu dieser Wahrheit stehen, dann spornen sie viele Männer und Frauen an, die entscheidendsten Kämpfe auszutragen, nämlich jene im Herzen und im Gewissen (vgl. ebd., Nr. 1). 3. Was Sie als Wissenschaftler, Philosophen und Theologen tun, kann wesentlich zur Klärung der Vision vom Menschen als Mittelpunkt der außerordentlichen Dynamik der Schöpfung und als höchstes Objekt des göttlichen Eingreifens beitragen. Es existiert also eine ganz enge Verbindung zwischen der Entwicklung wissenschaftlicher Perspektiven über das göttliche Wirken im Universum und dem positiven Wandel der Menschheit. Wer in der Wissenschaft, den Künsten, der Philosophie und Theologie arbeitet, um unsere Erkenntnis von dem, was wahr und schön ist, zu mehren, beschreitet einen Weg der Entdeckung und des Dienstes, der parallel und komplementär verläuft zu dem anderen, dem die Menschen folgen, die sich im Kampf für eine Verbesserung der Lebensumstände der Völker einset-zen, indem sie deren Wohl und echte Entwicklung fördern. Letzten Endes sind das Wahre, das Schöne und das Gute im wesentlichen eins. 748 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Von diesem Standpunkt aus bin ich der Ansicht, daß diese Reihe von Konferenzen, mit der versucht wird, das Wissen aus vielerlei Quellen zueinander in Beziehung zu bringen und zu vereinen, einen wichtigen Beitrag zu dem Austausch zwischen Religion und Wissenschaft bietet, den ich seit den ersten Tages meines Pontifikats mit allen Mitteln unterstützt habe. Ich bin ihnen für die bisher in diesem Bereich geleistete Arbeit dankbar und bete, daß sie diesen wichtigen fachübergreifenden Dialog mit professionellem Sachverstand weiterführen mögen. Auf Sie und ihre Arbeit rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes herab. Petrus und Paulus - Fundament und Säulen der Kirche Predigt bei der Eucharistiefeier am Fest Peter und Paul, 29. Juni 1. „... der Herr (hat) mich der Hand des Herodes entrissen“ {Apg 12,11). Am heutigen Fest hören wir erneut diese Worte Petri und ähnliche von Paulus: „Der Herr wird mich allem Bösen entreißen, er wird mich retten und in sein himmlisches Reich führen. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit“ (2 Tim 4,18). Die ganze Kirche und besonders die Kirche in Rom gibt heute Gott die Ehre für die hll. Apostel Petrus und Paulus: „All meinen Ängsten hat mich der Herr entrissen“ (Antwortgesang; vgl. Ps 34,5). Die Apostel wurden all ihren Ängsten entrissen durch die Kraft, die von Gott kommt. Menschlich gesprochen waren auch sie schwache Geschöpfe wie alle Sterblichen. Eine Schwachheit, die in Petrus mehrmals offenbar wurde, besonders in der Stunde der Prüfung, als er seinen Meister sogar verleugnete (vgl. Joh 18,15-27). Die Schwäche von Paulus zeigte sich in der beinahe an Grausamkeit grenzenden Erbitterung, mit der er die Jünger Christi verfolgte. Dennoch wirkte der Herr in ihnen, als ob er diese menschliche Gebrechlichkeit nicht beachten, ja übergehen wollte, während er den eigenen verborgenen Heilsplan weiterführte. Er offenbarte Petrus, daß er der ,Felsen“ ist, auf dem er seine Kirche baut (vgl. Mt 16,18). Von Paulus sagte er, er sei ein „auserwähltes Werkzeug“ zur Verkündigung des Evangeliums unter allen Völkern (vgl. Apg 9,15). Beide waren sich dessen bewußt, daß sie die ihnen anvertraute Sendung in der Kraft des Herrn vollbrachten. Das begriffen sie ganz besonders hier in Rom, während sie sich anschickten, der äußersten Prüfung, dem Märtyrertod entgegenzugehen. 2. In der Apostelgeschichte lesen wir, daß König Herodes „Jakobus, den Bruder des Johannes, ... mit dem Schwert hinrichten (ließ). Als er sah, daß es den Juden gefiel, ließ er auch Petrus festnehmen“ (Apg 12,2-3) in der Absicht, „ihn nach dem Paschafest dem Volk vorführen zu lassen“ (ebd. 12,4). Petrus, der während des Paschafestes im Gefängnis war, hatte nun Gelegenheit, über die Ereignisse des letzten Abendmahls und das Leiden und Sterben Jesu eingehend nachzudenken: Jesus war verhaftet, verurteilt, gegeißelt, mit dem Kreuz 749 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beladen und auf Golgota gekreuzigt worden. Er war wirklich „gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Seit diesem Paschafest waren einige Jahre vergangen, und nun wartete auch Petrus im Gefängnis auf das Todesurteil, das Herodes so wie Pilatus fällen würde. Als Begründung würde man wiederum Volksverführung angeben. Der Apostel spürte, daß ihm nur wenig Zeit verblieb, aber er vergaß die Worte Christi nicht: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18 ). 3. Und da geschah etwas Unerwartetes. Durch die Kraft Gottes, die sich im Eingreifen eines Engels offenbarte, wurde er aus dem Kerker in Jerusalem befreit: Das Gefängnistor öffnete sich von selbst, und er war frei. „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“, mag der Apostel in jenem Augenblick gedacht haben. Bald danach verließ er Jerusalem und ging nach Antiocheia und später nach Rom. In Rom, zwanzig Jahre nach den Ereignissen des Paschafestes Christi, spürte Petrus, daß seine Stunde gekommen war. Sie ereignete sich während der Verfolgung durch Kaiser Nero, als so viele Brüder und Schwestern im Glauben den Märtyrertod erlitten. Mit ihnen auch Petrus. Auch Paulus, der seit einiger Zeit in Rom weilte, besiegelte sein Lebenszeugnis für Christus mit dem Märtyrertod. In dem Brief an Timoteus schreibt er: „Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird“ (2 Tim 4,6-8). Paulus wurde als römischer Bürger nicht gekreuzigt, sondern mit dem Schwert enthauptet. Ähnliche Überlegungen hätte Petrus anstellen können an dem Tag, als er durch die Hand des Verfolgers zum Tod am Kreuz verurteilt wurde. Einer altehrwürdigen Tradition zufolge wollte er mit dem Kopf nach unten sterben, weil er sich nicht würdig fühlte, in derselben Weise wie der göttliche Meister gekreuzigt zu werden. 4. „... in keinem anderen ist das Heil zu finden“ (Apg 4,12). Am heutigen Festtag hält die Kirche inne in Rückbesinnung und Betrachtung. Auf dem Gipfel ihres apostolischen Heroismus entäußerten sich diese bedeutenden Pioniere des Evangeliums, die nicht nur durch Worte und Werke, sondern vor allem durch das Lebenszeugnis die Wahrheit Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, weitergegeben haben. Durch die Gabe des Heiligen Geistes waren sie neue Menschen geworden, ja, vielleicht war es ihnen sogar schwergefallen, im eigenen Innern sich als diejenigen zu erkennen, die sie einmal waren. Der Herr hatte ihnen eine verborgene göttliche Kraft mitgeteilt. So geschah es mit Paulus auf dem Weg nach Damaskus. So geschah es mit Petrus, als er bei Cäsarea Philippi auf die Frage des Meisters nach dem Menschensohn antwortete. Nur Petrus, im Unterschied zum Volk, bekannte die Wahrheit über Christus, der das Fundament der Kirche bildet: „Du bist der 750 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Jesus von Nazaret ist größer als Mose und Elija, größer als die Propheten, als Johannes der Täufer: Er ist der Sohn des lebendigen Gottes. „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“: So hatten die Konzilien von Nizäa und von Konstantinopel den Glauben der Kirche formuliert. Dieses bis zu uns von Christen überlieferte feierliche Bekenntnis ist schon in dem von Simon Petrus enthalten: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Es handelt sich um ein Schlüsselwort des „Credo“, von dem die Kirche sich nicht lossagen kann, will sie sich nicht selbst verleugnen. Es ist ein Glaubensbekenntnis, das nicht nur von einem Menschen, Petrus, abgelegt wurde, wie der Meister selbst bestätigte: „Selig bist du, Simon Baijona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). In gewisser Weise enthält es auch den Anfang der Kirche. Das wird in der weiteren Antwort Jesu deutlich: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,18-19). 5. Dieses Glaubensbekenntnis bildet das Fundament der außerordentlichen Rolle, die Petrus innerhalb des Apostelkollegiums zugedacht ist. Er hatte am Pfingsttag als erster Christus verkündet und die aus dem Volk Israel stammenden Neubekehrten aufgenommen. Aus seinem Messiasbekenntnis entstand also die Kirche, die sich im Geist dieses Bekenntnisses und der Antwort Christi überall ausbreitete. Was sich bei Cäsarea Philippi ereignet hatte, wiederholt sich an allen Orten und zu allen Zeiten durch die Verkündigung der Frohbotschaft. Es wiederholte sich vor allem in Rom, als Petrus, das Haupt der Christengemeinde der Stadt, die Stunde des höchsten Blutzeugnisses nahen fühlte und wußte, daß sein Bekenntnis zusammen mit der Antwort Christi in der Kirche verankert bleibt. Die von ihm kraft göttlicher Erleuchtung bezeugte Wahrheit überdauert seinen Tod. Diese Wahrheit ist ein grundlegender Baustein der apostolischen Identität der Kirche von Generation zu Generation durch Jahrtausende hindurch. 6. Heute wiederholt die zum Gedächtnis von Petrus und Paulus versammelte kirchliche Gemeinschaft dieses Glaubensbekenntnis zu Christus. Diese Gemeinschaft des Glaubens kommt in der heutigen Feier auch in der bedeutungsvollen Geste der Verleihung des Palliums durch den Nachfolger Petri an viele Erzbischöfe und Metropoliten aus allen Teilen der Welt zum Ausdruck. Ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt, die Pallien, die ihr heute empfangt, sind Ausdruck der Einheit mit dem Stuhl Petri und des einmütigen christlichen Gau-benszeugnisses, die euer Bischofsamt kennzeichnen sollen. Indem ich jeden von euch als lieben Bruder im Herrn aufnehme, grüße ich herzlich die eurer Hirten- 751 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sorge anvertrauten kirchlichen Gemeinschaften und versichere alle meines besonderen Gebetsgedenkens. 7. Die Feier und Freude des heutigen Tages wird außerdem durch die Anwesenheit der brüderlichen Delegation bereichert, die Seine Heiligkeit Bartolomaios I. nach hier entsandt hat, damit sie zusammen mit uns das Fest der hll. Apostel Petrus und Paulus begeht. Liebe Brüder in Christus, es freut mich, Euch herzlich begrüßen zu können, und ich danke Euch für Eure Teilnahme an dieser Liturgie. Dieses brüderliche Gebetstreffen bekräftigt vor dem Herrn das Bemühen, das mögliche zu tun, um die noch bestehenden Schwierigkeiten zu überwinden mit dem Ziel, baldmöglichst die ersehnte volle Gemeinschaft und die Teilhabe an derselben Eucharistie verwirklicht zu sehen. Das gemeinsame Gebet ist tatsächlich die Nahrung der Pilger; es stärkt uns auf dem Weg und spornt uns zu ernsthaften ökumenischen Bemühungen an. Euch allen gilt mein herzlicher, brüderlicher Gruß zusammen mit dem der ganzen kirchlichen Gemeinschaft von Rom! 8. „O Roma felix, quae tantorum principum es purpurata pretioso sanguine“ (Hymnus der Vesper am Fest Peter und Paul). So singt die Kirche, indem sie die hll. Apostel Petrus und Paulus, „Säulen und Fundamente der Stadt Gottes“, verehrt (Stundengebet, Hymnus). Gott, wir danken dir für die besondere Kraft, die du diesen schwachen Menschen verliehen hast, als du ihnen den Evangelisierungsauftrag anvertraut hast. Petrus und Paulus besiegelten diesen Sendungsauftrag mit dem höchsten Zeugnis des Martyriums. Sie gaben sich selbst hin für das Heil der Welt. Herr, wir loben dich für den Glauben, den sie bewahrt haben; wir danken dir für die Wahrheit, für die sie ihr Blut vergossen haben. „Ich will den Herrn allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund. Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen“ (Ps 34,2.4). Verherrlichen wir ihn zusammen in der Hoffnung, daß bald der Tag komme, an dem alle an Christus Glaubenden sich voll vereint zusammenfinden, um seinen Namen zu rühmen; „denn es ist uns Menschen kein anderer Name ... gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). Amen! 752 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsam, auf das Jahr 2000 zugehen Ansprache während des Empfangs für die Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel am Fest Peter und Paul, 29. Juni Seid willkommen, liebe Brüder im Herrn! Mit großer Freude empfangen wir Euch, die Ihr vom Ökumenischen Patriarchen gesandt worden seid, um an der Feier der Kirche von Rom zu Ehren der hll. Petrus und Paulus teilzunehmen. Letztes Jahr war Seine Heiligkeit Bartholomaios I. zu uns gekommen, und ich möchte ihm erneut meine Gefühle der Dankbarkeit für seinen Besuch aussprechen. Dieser Austausch von Besuchen zwischen unseren Kirchen anläßlich des Festes ihrer Schutzpatrone, sowohl in Rom als auch im Phanar, bietet uns jedes Jahr die Möglichkeit zur brüderlichen Begegnung im Gebet und im Dialog, mit dem Ziel, unsere kirchlichen Beziehungen auszubauen und zusammen die geeignetsten Wege zu finden, um auf die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft hinzuarbeiten. In erster Linie möchten wir durch diese Begegnungen voranschreiten auf dem Weg zur Einheit, um die der Herr den Vater angefleht hat. Von seinem Geist erhalten wir die Kraft, damit wir unseren Elan unaufhörlich erneuern können. Diese Treffen sind außerdem zweimal jährlich eine Gelegenheit, um freimütig und brüderlich über die Entwicklung unserer Beziehungen zu beraten. Es muß festgestellt werden, was erreicht und was nicht erreicht worden ist. Gemeinsam müssen zukünftige Initiativen beschlossen werden, um die Bewegung weiterzuführen oder wieder in Gang zu bringen. Es muß gemeinsam geplant werden, wann, wo und wie unser Dialog weitergehen soll. Im Laufe dieses brüderlichen Austauschs können wir uns ganz offenherzig die verschiedenen Reaktionen mitteilen, die die Entwicklung dieses Dialogs oder seine scheinbare Stagnation in unseren Kirchen auslöst. Außerdem können wir gemeinsam die Ergebnisse unserer Bemühungen auswerten, um dem Klerus und den Gläubigen beider Seiten die Notwendigkeit dieses Dialogs besser verständlich zu machen. Diese Gespräche müssen das bevorzugte Mittel sein, um im Rahmen des Möglichen eine gemeinsame Haltung gegenüber unseren Gläubigen einzunehmen und um auf diese Weise zur Ausschaltung der unkontrollierten Reaktionen und der kritischen oder sogar polemischen Gepflogenheiten beizutragen, die eine heute überwundene Vergangenheit tief in unsere Mentalitäten eingeprägt hatte. Das Zweite Vatikanische Konzil hat hervorgehoben, daß die Bekehrung des Herzens die notwendige Vorbedingung für das ökumenische Engagement darstellt. Durch unseren Meinungsaustausch können wir uns zusammen über die gegenwärtige Situation dieser Bekehrung in unseren Kirchen Rechenschaft geben. Um für die Mitglieder unserer Gemeinschaften glaubwürdig zu sein, müssen konkrete 753 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Taten auf unser Gebet und unsere Absprachen folgen. Wir müssen das, was wir miteinander geplant haben, auch miteinander in die Tat umsetzen. Letztes Jahr haben wir mit Seiner Heiligkeit dem Patriarchen Bartholomaios I. über das Herannahen des großen Jubeljahres 2000 nachgedacht und unsere Gläubigen eingeladen „diese Pilgerschaft zum Jubiläum im Geiste gemeinsam zu machen. Die Reflexion, das Gebet, der Dialog, die gegenseitige Vergebung und die gegenseitige brüderliche Liebe“ - so haben wir betont - „werden uns dem Herrn noch näher bringen und uns helfen, seinen Willen für die Kirche und die Menschheit besser zu verstehen“ (Gemeinsame Erklärung, 3). In der Tat müssen wir diesen wichtigen Termin in der Geschichte bewußt erleben und feiern. Er ist für uns eine Gelegenheit, alle Glaubenden aufzufordem, ihr Festhalten an der Person Christi selbst zu erneuern, denn er „ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hehr 13,8). Es handelt sich darum, eine Vertiefung des Glaubens und eine Erneuerung des christlichen Lebens, der Brüderlichkeit und der Gemeinschaft unter den Christen zu fördern (vgl. Gemeinsame Erklärung, 4). Ich danke dem Ökumenischen Patriarchen, daß er bereit war, einen brüderlichen Delegierten zu dem Treffen zu senden, das im vergangenen Februar stattgefunden hat, um das große Jubeljahr vorzubereiten. Es freut mich, vermerken zu können, daß Sie selbst, lieber Bruder Michael, dieser Delegierte waren. Ich wäre glücklich, wenn ein Geist der Zusammenarbeit zu neuer Blüte käme und sich überall dort ausbreiten würde, wo Katholiken und Orthodoxe nebeneinander leben. Auf diese Weise könnten die Feierlichkeiten zum Jahre 2000 zu einer gemeinsamen Feier Jesu Christi, unseres Herrn, werden. Liebe Brüder, ich bitte Euch, dem Patriarchen Bartholomaios, den Mitgliedern des Hl. Synods, dem Klerus und allen Gläubigen des ökumenischen Patriarchats meine herzlichen Grüße zu überbringen. „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle“ (1 Petr 1,2). Im Vatikan, am 29. Juni 1996 Christliche Sendung ist Vorwegnahme des Himmelreiches Predigt bei der Sonntagsmesse vor der Lourdesgrotte in den Vatikanischen Gärten am 30. Juni „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Antwortgesang). Diese Worte bringen die Dankbarkeit dessen zum Ausdruck, der die barmherzige Liebe Gottes erfahren hat: Es sind Worte des vom Heiligen Geist erfüllten Propheten; der unfruchtbaren Frau, die Mutter geworden ist; des vom Meister erwählten Apostels. Es sind Worte jedes Getauften, der durch das Ostergeheimnis Christi wiedergeboren ist. 754 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In Wirklichkeit ist die christliche Erfahrung ein Kreislauf von Gaben, der von Gott durch Christus ausgeht und zu Gott zurückkehrt, zu seinem Lob und zu seiner Ehre; ein Kreislauf des Erbarmens und des Dankes, Vorwegnahme und Verheißung des Himmelreiches. Das ist auch die Dynamik der Sendung und des Apostolats. Die erste Lesung vom heutigen Sonntag hat uns aus dem im Zweiten Buch der Könige erzählten Zyklus des Propheten Elischa eine Begebenheit berichtet, die die Worte Jesu: „Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird wie ein Prophet belohnt werden“ (vgl. Mt 10,41), an einem Beispiel erklärt. Elischa, der Erbe des Geistes des großen Propheten Elija, wird von einer Frau in Schunem aufgenommen, die ihm fürsorgliche Gastfreundschaft erweist, weil sie in ihm „einen heiligen Gottesmann erkennt“ (vgl. 2 Kön 4,9). Und von ihm erhält sie als Lohn die Verheißung eines nicht mehr erhofften Sohnes, eines Sohnes, der zu gegebener Zeit zur Welt kommt und später sogar von Elischa wiederauferweckt wird. Wird das Leben dieser Frau von Schunem nicht ein einziger, unaufhörlicher Lobpreis der Barmherzigkeit Gottes sein, die sie besucht hat? 2. „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf“ {Mt 10,40). Der Apostel des Himmelreiches ist vor allem ein Mann Gottes, einer, der persönlich die Erfahrung seiner Liebe gemacht hat und gerufen ist, sie zu verkünden. Er als erster wiederholt jeden Tag: „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen.“ Auf diese Weise wird der Apostel auch Ausspender der Gnade Gottes und Zeuge seiner Treue, so daß er in denen, die seine Botschaft aufnehmen, denselben Lobpreis erweckt. Der Abschnitt aus dem Evangelium, den wir soeben gehört haben, ist der letzte Teil der sogenannten ,Aussendungsrede“ des Matthäusevangeliums. Er stellt das grundlegende und zusammengefaßte Kriterium des Aposteldaseins vor, das heißt den Primat Gottes, der im Neuen Bund der Primat Christi, des Fleisch gewordenen Sohnes Gottes, geworden ist. Der Apostel hat „sein Leben um Christi willen verloren“ (vgl. Mt 10,39); als er sein Jünger wurde, machte er sich „klein“, und jetzt kann er Werkzeug seines Erbarmens für all jene sein, die ihn im Namen des Herrn aufnehmen. 3. „So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus“ {Röm 6,11). Liebe Brüder und Schwestern, jeder Jünger ist gerufen, Apostel des Evangeliums aufgrund der Taufe zu sein, von der der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer gesprochen hat. Christus hat „sein Leben verloren“ und hat es neu vom Vater erhalten, um es im Heiligen Geist über alle an ihn Glaubenden auszugießen. Seine „Taufe auf den Tod“ (vgl. Lk 12,50) ist der Anfang unserer Taufe( seine Auferstehung der Beginn eines neuen Lebens für uns, das auf die Beziehung zu ihm ausgerichtet ist, die jeder anderen menschlichen Bindung ihre volle Bedeu- 755 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung und ihren vollen Wert verleiht. Meine Lieben, schauen wir auf die Jungfrau Maria: Sie wurde im Ostergeheimnis Christi vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an „getauft“; deshalb ist sie die Unbefleckte. An sie richte ich unsere Bitte, sie möge uns erlangen, daß wir zu jeder Zeit das Erbarmen des Herrn lobpreisen. Amen. Gemeinsame Förderung des kulturellen und geistigen Erbes Italiens Ansprache beim offiziellen Antrittsbesuch des Ministerpräsidenten der Republik Italien, Romano Prodi, am 4. Juli Sehr geehrter Herr Präsident! 1. Es ist mir eine Freude, Sie zu empfangen und Ihnen meinen herzlichen Willkommensgruß zu sagen anläßlich des offiziellen Besuchs, den Sie mir beim Antritt des hohen Amtes abstatten, das Ihnen vom Staatsoberhaupt und durch das Vertrauen des Parlaments übertragen ist. Ihre geschätzte Anwesenheit gibt mir die Möglichkeit, meine Gedanken an die italienische Nation zu richten, die in den Fürsorgepflichten meines pastoralen Dienstes einen Platz ersten Ranges einnimmt. Das „Große Gebet für Italien“ ist in mir immer noch lebendig; es hat die kirchliche Gemeinschaft Italiens auf ihrem Weg durch das Jahr 1994 begleitet, und auch wenn es als besondere Initiative zu Ende gegangen ist, so bleibt doch sein ständiger Widerhall im Gewissen all jener, die glauben, daß das Schicksal der Völker, nicht weniger als das der einzelnen, in den Händen der göttlichen Vorsehung liegt. Dieser geistige Aufbruch, zu dem das „Große Gebet“ ermahnte, darf nicht erlahmen, sondern muß auch weiterhin die verantwortliche Tätigkeit aller christlichen Laien unterstützen, die sich für das Gemeinwohl des Landes einsetzen. 2. Während des jüngsten Nationalkongresses der Kirche in Palermo habe ich mein „tiefes Vertrauen in das italienische Volk“ bestätigt und gesagt, ich bin sicher, „daß es in dem Erbe an Weisheit und Mut, über das es verfügt, die notwendigen Ressourcen finden kann, um die gegenwärtige schwierige Situation zu überwinden“ (vgl. Ansprache in Palermo, Nr. 6). Es ist mir ein Anliegen, diese Worte hier zu wiederholen, denn dies ist das Jahr, in dem das 50jährige Bestehen der Republik gefeiert und des Beginns der Arbeiten gedacht wird, die zur Verabschiedung der Verfassungscharta führten. Die Lateranverträge sind ein wesentlicher Teil dieser Verfassung. In angemessener Weise der Zeit angepaßt, werden sie auch in Zukunft eine respektvolle und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der politischen und der kirchlichen Gemeinschaft sicherstellen. 756 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beim Gedenken an die Geschehnisse vor fünfzig Jahren ist von mehreren Seiten das Vertrauen hervorgehoben worden, mit dem die Mitglieder der verfassunggebenden Versammlung - mit dem hehren Vorsatz, Italien zu helfen, die schreckliche Tragödie des Krieges zu verarbeiten - den Bürgern Wege von hohem ethischen und staatsbürgerlichen Wert aufgezeigt haben, damit sich alle in den Dienst der Würde und der Freiheit jedes Menschen stellten, die Rechtsgrundsätze respektierend, welche die italienische Nation im Laufe der Jahrhunderte groß gemacht haben. Die darauffolgenden Jahre waren von großem Enthusiasmus an Absichten und an Arbeiten gekennzeichnet. Unter den Vertretern der Politik, die den Auftrag übernahmen, die in der Verfassung festgelegten Grundsätze in die Tat umzusetzen, waren auch Männer von einmaligem moralischen Format, die ihre Tatkraft in den Dienst des ganzen Landes stellten und bei den ärmsten Schichten der Bevölkerung begannen. Auch dank dieser Menschen war der Name Italiens innerhalb der internationalen Gemeinschaft wieder geachtet und geschätzt. Dies sind Ereignisse, die nicht nur zu Optimismus und Hoffnung Anlaß geben, sondern die auch eine eindeutige Mahnung beinhalten: Das Streben nach dem Gemeinwohl wird in dem Maße nützlich und wirkungsvoll sein, wie es von einem überzeugten Einsatz für die sittlichen und geistigen Werte unterstützt ist, welche die Grundlage jedes echten Fortschritts der Nation bilden. 3. In dieser Hinsicht, Herr Präsident, fühle ich mich verpflichtet, einige wesentliche Erfordernisse hervorzuheben, welche von den italienischen Katholiken besonders stark empfunden werden. Die erste dieser Notwendigkeiten ist die Pflicht, die Menschenwürde zu fördern durch Sozialstrukturen, die mehr Rücksicht nehmen auf die Wahrheit vom Menschen und den Schutz des Lebensrechtes jedes Individuums, von der Empfängnis bis hin zu seinem natürlichen Tod. Die andere Nkpwendigkeit ist von der italienischen Bischofskonferenz wirksam zum Ausdruck gebracht worden. Sie hat kürzlich die Einleitung einer „organischen“ Politik zugunsten der Familie - als natürliche und auf die Ehe gründende Gesellschaft - und die Anerkennung der wichtigen Rolle der Familie gefordert, die diese im sozialen Gefüge des Landes spielt. Diese Politik muß vor allem der Ansprüche der Ärmeren Rechnung tragen und ebenfalls die Bedingungen insgesamt fördern - allen voran einen sicheren Arbeitsplatz -, die sich als notwendig erweisen, um Mutterschaft und Kindererziehung nicht zu benachteiligen. Im Zusammenhang mit dieser Verpflichtung scheint es mir ganz natürlich, meinen Aufruf vom 28. April dieses Jahres zu wiederholen, es möge „auch in Italien ein wirksames und ausgeglichenes integriertes Schulsystem eingerichtet werden, das sowohl die staatlichen als auch die nichtstaatlichen Schulen einschließt“. Die tatsächliche Gleichberechtigung der Schulen ist eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber vielen italienischen Familien und zahlreichen religiösen Einrichtungen, die sich der Ausbildung der Jugend widmen; aber es ist auch eine Art Investition für 757 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Zukunft Italiens, wobei der positive Beitrag der einen wie der anderen Seite zum Wachstum seines kulturellen und geistigen Erbes voll erschlossen wird. 4. Der von Ihnen geleiteten Regierung, Herr Präsident, wünsche ich, daß sie die großen Ziele, von denen die wahre Entwicklung des Landes abhängt, konsequent und erfolgreich verfolgen möge. Insbesondere möchte ich den Wunsch ausdrük-ken, daß die Zusammenarbeit mit dem Hl. Stuhl zur Vorbereitung des Jubeljahrs 2000 fortgeführt und ausgebaut werde, denn es handelt sich um einen Anlaß von hohem geistigen Wert, zu dem Pilger aus allen Teilen der Welt nach Rom und Italien reisen werden. Zur Erreichung dieser wichtigen Ziele bestätige ich Ihnen, Herr Präsident, gerne die volle Bereitschaft zur Zusammenarbeit von seiten des Hl. Stuhls, dem die „Mitwirkung zur Förderung des Menschen und zum Wohl des Landes“ (vgl. Art. 1 des Revisionsvertrags, 1984) immer ein besonderes Anliegen war und dies auch in Zukunft bleiben wird. Herr Präsident, in dieser Gesinnung spreche ich Ihnen meine herzlichsten Wünsche für eine fruchtbare und sachliche Arbeit im Dienste des italienischen Volkes aus, auf das ich den ständigen Beistand Gottes herabrufe. Ihnen allen spende ich als Zeichen stets aufrichtiger Zuneigung den Apostolischen Segen. Lebendiger Glaube ist die Quelle der Berufung Ansprache an das Generalkapitel der Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Hl. Geistes am 5. Juli Liebe Schwestern! 1. Es ist für mich eine große Freude, die Mitglieder des Generalkapitels der Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Hl. Geistes willkommen zu heißen. Ich grüße die neu gewählte Generalsuperiorin, Schwester Agada Brand, und ich sende einen herzlichen Gruß an alle Mitglieder der Genossenschaft. Seit über hundert Jahren haben sie ein dynamisches Zeugnis abgelegt vom Wert und der Fruchtbarkeit in der Kirche, die eine besondere missionarische Berufung hat. Im Weinberg des Herrn pflanzen die Dienerinnen des Hl. Geistes einen lebendigen, starken Baum, der inzwischen in fast vierzig Ländern in verschiedenen Teilen der Welt wächst. Ihr seid erfüllt von der wirklichen Heiligkeit Eurer Gründer: des sei. Arnold Janssen und der sei. Maria Helena Stollenwerk. Erst letztes Jahr hatte ich die Ehre, Maria Helena Stollenwerk seligzusprechen, eine außergewöhnlich talentierte Frau. Ihre Fügsamkeit gegenüber dem Hl. Geist und die Verehrung der Eucharistie verliehen ihr die nötige Inspiration für die von Gott anvertraute Aufgabe, Eure Einrichtung zu gründen, die ausschließlich dem Ideal des missionarischen Dienstes gewidmet ist. 758 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Wie es Euch von Euren Statuten aufgetragen ist, überprüft Ihr den Zustand der Genossenschaft und sucht Wege des Wachstums in Treue zu Eurem Gründungscharisma: ganz besonders solche, die das Leben eurer religiösen und missionarischen Berufung in der Gemeinschaft betreffen. Das nachsynodale Apostolische Schreiben Vita consecrata enthält viele Überlegungen, die vor allem auf eure Erfahrungen zugeschnitten sind. Eure Spiritualität ist ganz besonders trinitarisch ausgerichtet, und das Schreiben spricht ausführlich von den evangelischen Räten als einem Geschenk der Dreieinigkeit. Eure Berufung schöpft ihre Lebendigkeit aus dem Glauben an den dreieinigen Gott, der in Euren Herzen wohnt. Euer Gemeinschaftsleben hat seine Wurzeln in eben diesem großartigen Mysterium; tatsächlich ist der eigentliche Zweck dieses Lebens, die „auf diese Weise die den drei göttlichen Personen eigenen Gaben der Gemeinschaft in die Geschichte“ einzubringen (Vita consecrata, Nr. 41). Auch Eure Berufung zur Mission entspringt derselben Quelle: „Wer Gott ... liebt, ... kann ... angesichts der Feststellung, daß viele von ihnen (den Brüdern und Schwestern) die volle Bezeigung der Liebe Gottes in Christus nicht kennen, nicht indifferent bleiben. Im Gehorsam gegenüber dem Gebot Christi entsteht hier der missionarische Elan ,ad gentes“* (ebd., Nr. 77). 3. Ihr habt Euch diese Begegnung mit dem Nachfolger Petri aus keinem anderen Grund gewünscht als dem, in Eurem Glauben und in Eurer ganzen Hingabe an unseren Herrn Jesus Christus bestärkt zu werden. Vertrauend auf Eure klare, ausgereifte und auf das Evangelium gerichtete Sichtweise Eurer religiösen Weihe, lade ich die Missionsdienerinnen des Hl. Geistes ein, freimütig auf das Anliegen einzugehen, welches im Mittelpunkt der Synode über das geweihte Leben stand: „Streben nach der Heiligkeit: Das ist zusammengefaßt das Programm jeden geweihten Lebens, auch im Hinblick auf dessen Erneuerung an der Schwelle des dritten Jahrtausends“ (ebd., Nr. 93). Liebe Schwestern, das ist mein Wunsch für alle Mitglieder Eurer Genossenschaft: Möge der Hl. Geist auch weiterhin über Euch alle seine Gaben ausgießen. Möge er in den Herzen der jungen Menschen, denen Ihr dient, die Bereitschaft wecken, auf den Ruf nach einem der Mission geweihten Leben zu antworten. Ich erneuere meine Unterstützung im Gebet für Euch und drücke meine ernsthafte Hoffnung aus, daß Ihr weiterhin die Kirche liebt und ihr mit allen persönlichen und gemeinschaftlichen Kräften dient. ,31ickt in die Zukunft, in die der Geist euch versetzt, um durch euch noch große Dinge zu vollbringen“ (ebd., Nr. 110). Als Unterpfand des Friedens und der Freude in unserem Herrn und Heiland Jesus Christus erteile ich Euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 5. Juli 1996 759 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einheit der Christen - drängendes Anliegen unserer Zeit Predigt beim Moleben anläßlich der Vierhundertjahrfeier der Union von Brest in St. Peter am 6. Juli Gelobt sei Jesus Christus! 1. „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Mit diesen Worten, die Elisabet zu Maria sagte, als diese sie besuchte, wende ich mich heute an die Kiewer Rus’: Selig bist du, Land der hl. Olga und des hl. Wladimir, daß du an Christus geglaubt hast, als du vor tausend Jahren am Ufer des Dnepr dich taufen ließest. 1988 begingen wir hier in Rom die Tausendjahrfeier der Taufe; für Eure Nation war das der Anlaß zu einem feierlichen Te Deum, wie es für die polnische Nation 1966 bei der Tausendjahrfeier ihrer Taufe gewesen war. Selig bist du, die geglaubt und die Taufe im Heiligen Geist, das Bad der Wiedergeburt (vgl. Tit 3,5), empfangen hat. Selig bist du, Kiewer Rus’, Mutter so vieler Generationen von Gläubigen. Heute möchten wir auf dieses Ereignis zurückkommen, denn in ihm wurzelt die Vierhundertjahrfeier der Union von Brest, die wir begehen. Und während wir diese Taufe in Erinnerung rufen, gedenken wir auch der beiden heiligen Brüder von Saloniki, Kyrill und Method, der Apostel der Slawen, die in deren Sprache das Evangelium verkündigt haben. Slavorum Apo-stoli: Mit dieser Enzyklika von 1985 wollte ich ihrer einzigartigen Sendung ein immerwährendes Denkmal setzen. 2. „Euntes in mundum Universum“ (Mk 16,15). Geht hinaus in die ganze Welt, und „macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Auf diese Worte nahmen wir Bezug bei der Tausendjahrfeier der Taufe der Rus’: Diese Taufe bedeutet nicht nur den Anfang der Kirche in Eurem Land, sondern den Anfang der Geschichte Eurer Nation. So ist es im übrigen auch andere Male geschehen, wie in dem genannten Fall der Taufe von Polen oder in dem von Slowenien vor eintausendzweihundertfünfzig Jahren. Die Worte des auferstandenen Christus bedeuten, daß die Apostel alle Menschen zu Jüngern Christi machen sollen. Die geschichtliche Erfahrung zeigt sogar, daß es nicht selten die apostolische Evangelisierung ist, die am Anfang der Nationen steht: Zusammen mit der Taufe beginnt die Geschichte der nationalen Kultur, und die Kultur bildet immer die Lebensgrundlage eines Volkes. Durch sie entfaltet sich seine Identität und kommt sein charakteristischer „Genius“ zum Ausdruck. Die heutige Feier ruft uns die Geschichte der slawischen Kultur in Erinnerung, die in der Taufe des Wladimir von Kiew gründet. Dieses Ereignis kennzeichnet den Beginn dieser großen Kultur, die, indem sie die zuvor bestehenden Grundlagen weiterentwickelte und an die byzantinische Tradition anknüpfte, orientalische Züge annahm mit Bezug auf die ruthenische, weißrussische und ukrainische Kultur. Das betrifft die Liturgie und die ganze religiöse Tradition der sakralen Kunst, 760 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Andachtsformen, der Gesänge, der Literatur und der Kunst. Um die Besonderheit und Eigentümlichkeit Eurer Kultur gründlich zu verstehen, muß man zu den byzantinischen Quellen zurückkehren, die die geschichtliche Erfahrung Eurer Vorfahren in die eigene Sprache übersetzte und in den vielen Monumenten Eures reichen geschichtlichen und geistlichen Erbes festigte. Durch diese Werke scheint ständig jenes Orientale Lumen hindurch, von dem das Apostolische Schreiben spricht, das ich im vergangenen Jahr veröffentlicht habe, um die Annäherung und den ökumenischen Dialog zwischen den Christen des Westens und denen des Ostens zu fördern. 3. „Ut unum sint“: Alle sollen eins sein (vgl. Joh 17,21). Als die Kiewer Rus’ im Jahr 988 getauft wurde, herrschte unter den Christen diese Einheit. Zwischen dem byzantinischen Osten und dem Westen bestand in der liturgischen und kulturellen Tradition ein klarer Unterschied, aber keine Spaltung. Diese ereignete sich erst danach. Von da an entwickelten sich die Geschicke der christlichen Völker im Osten und im Westen unterschiedlich. Spricht man vom Schisma des Ostens, muß man anmerken, daß diejenigen, die im 11. Jahrhundert in den Ländern der Rus’ lebten, von den Auswirkungen dieses Schismas noch nicht erfaßt worden waren. Sie waren überzeugt, daß sie der einen ungeteilten Kirche Christi angehörten. Trotzdem breitete sich der Spaltungsprozeß, der anfangs Byzanz und Rom betraf, nach und nach über andere Teile der Kirche im Osten aus. So zeigte sich bald, daß es notwendig war, Schritte zur Überwindung dieser bestehenden Trennung zu unternehmen. Und etliche wurden bei vielen Gelegenheiten unternommen. Die Frage der Wiederherstellung der Einheit unter den Christen des Ostens und des Westens war immer ein dringendes Anliegen des Apostolischen Stuhls. Im einzelnen wurden diesem Problem einige Konzilien gewidmet: das Konzil von Lyon im 13. Jahrhundert (1274) und danach das von Florenz im 15. Jahrhundert (1439). Es fehlte auch nicht an Menschen, die ihr ganzes Leben der Sache der Wiederherstellung der Einheit gewidmet haben, entsprechend den Gebetsworten Christi: ut unum sint. 4. Die Vierhundertjahrfeier der Union von Brest entfaltet sich vor dem weiten Hintergrund des Strebens nach Einheit, das den festen Willen der Kirche offenbart, dem geistlichen Vermächtnis Christi im Abendmahlssaal treu zu bleiben: Vater, gib, daß sie eins seien (vgl. Joh 17,11.21-22). Die Union von Brest betraf nur ein ganz bestimmtes geographisches Gebiet. Es ist das Bestreben der Kirche, das im ökumenischen Programm des EI. Vatikanischen Konzils kräftigen Auftrieb erhielt, zur vollen Einheit unter allen Christen zu gelangen. Zugleich jedoch muß man das hochschätzen, was im Jahr 1596 geschehen ist. Obwohl die Union von Brest am Bugfluß nicht zur vollen Einheit mit dem ganzen christlichen Osten führte, offenbarte sie dennoch ohne Zweifel eine ganz bestimmte Wirklichkeit: das heißt, daß der Heilige Geist in den Menschen handelte, indem er aufgrund der Spaltung in ihnen eine heilige Unruhe weckte und sie drängte, die Wege der Ein- 761 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit zu suchen. Wir können nicht verleugnen, daß dieser große Wunsch alle beseelte, die vor vierhundert Jahren die Urheber der Union von Brest waren. 5. Während wir heute der göttlichen Vorsehung danken für ihr Werk, hören wir nicht auf zu bitten, daß die heilsame Unruhe, die damals partielle, aber wertvolle Früchte trug, in der heutigen Generation der Christen in Ost und West weiterhin wirke. Wir dürfen uns keine Ruhe gönnen, bis die unter uns seit vielen Jahrhunderten bestehenden Spaltungen nicht der Einheit unter allen Getauften Platz machen, für die Christus unaufhörlich gebetet hat: Vater, gib, daß alle eins seien (vgl. Joh 17, 21). Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, daß das Gebet unseres Erlösers und Meisters volle Frucht trägt. Wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren, daß die letzten Jahre vor dem Jahr zweitausend zu neuen Annäherungen führen mögen, so daß wir in das dritte Jahrtausend zwar nicht vollkommen vereint, aber doch nicht so getrennt wie früher eintreten. Darum bitten wir den Heiligen Geist. Wir bitten Maria, die Mutter der Einheit; die Apostel Petrus und Paulus, Andreas, Ky-rill und Method; die Heiligen und die Märtyrer, die im Laufe dieser vierhundert Jahre keine Mühe und keine Opfer scheuten und sogar das eigene Leben für die Sache der Einheit aufs Spiel setzten. Ganz besonders rufen wir die Fürsprache des heiligen Bischofs Josaphat, des Apostels und Märtyrers der Einheit, an, dessen sterbliche Überreste in der Vatikanischen Basilika ruhen und den wir am Schluß dieses Gottesdienstes verehren wollen. In diesem Geist singen wir das Magnifikat mit den Worten, die wir im heutigen Evangelium gehört haben: „Meine Seele preist die Größe des Herrn ... Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,46-49). Amen. Den Geist der Einheit in Demut und Friedfertigkeit bezeugen Predigt bei der Göttlichen Liturgie im ukrainisch-byzantinischen Ritus am 7. Juli Gelobt sei Jesus Christus! 1. „Utunum sint.“ In der Vatikanischen Basilika erklingen heute erneut die Worte der Vesperliturgie vom Vorabend. Hier ist der Ort, wo vor vierhundert Jahren die Vertreter der Metropolie Kiew mit dem Bischof von Rom, Klemens VIII., zusammentrafen. Als sie am 23. Dezember 1595 zum Stuhl Petri kamen, brachten sie den Wunsch nach einer Vereinigung der Orientalischen Kirche mit Rom zum Ausdruck. Sie handelten so, weil sie sicher waren, dem Wirken des Heiligen Geistes zu entsprechen, der unaufhörlich zur Einheit der bereits getrennten christlichen Kirchen drängte. Vor allem wußten sie, daß sie sich auf der Linie der 1439 vom Konzil von Florenz getroffenen Entschlüsse bewegten. Gedrängt wurden sie auch von der großen 762 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sorge des hohenpriesterlichen Gebetes Christi im Abendmahlssaal, das im Evangelium der heutigen Liturgie erneut vorgetragen wurde. Am Vorabend seines Leidens bat Christus den Vater für die Jünger. Nicht nur für die damaligen, sondern für alle, die noch in Zukunft an ihn glauben sollten (vgl. Joh 17,20-21). Christus bat für alle seine Jünger, für die Kirche aller Zeiten und aller Generationen: „Alle sollen eins sein. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein ... So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Joh 17,21.23). Wie ergreifend ist die Bitte Christi um die Einheit aller seiner Jünger, aller Glaubenszeugen! Es ist nicht zu verwundern, daß diese Worte seit Jahrhunderten das Herz der Christen aller Generationen bewegten, besonders wenn es galt, die Einheit zu schützen oder wiederherzustellen. Einer dieser Augenblicke war ohne Zweifel der, an den wir uns in der heutigen liturgischen Versammlung erinnern und der in die Geschichte unter der Bezeichnung Union von Brest eingegangen ist, weil dort am 9. Oktober 1596 die Beschlüsse bestätigt wurden, die die Vertreter der Metropolie Kiew während ihrer Mission in Rom gefaßt hatten. 2. „Unitatis redintegratio.“ Mit diesen Worten beginnt das Dekret des II. Vatikanischen Konzils über den Ökumenismus. Wir lesen: „... Der Herr der Geschichte aber, der seinen Gnadenplan mit uns Sündern in Weisheit und Langmut verfolgt, hat in jüngster Zeit begonnen, über die gespaltene Christenheit ernste Reue und Sehnsucht nach Einheit reichlicher auszugießen. Von dieser Gnade sind heute überall sehr viele Menschen ergriffen, und auch unter unsem getrennten Brüdern ist unter der Einwirkung der Gnade des Heiligen Geistes eine sich von Tag zu Tag ausbreitende Bewegung zur Wiederherstellung der Einheit aller Christen entstanden. Diese Einheitsbewegung, die man als ökumenische Bewegung bezeichnet, wird von Menschen getragen, die den dreieinigen Gott anrufen und Jesus als Herrn und Erlöser bekennen, und zwar nicht jur einzeln für sich, sondern auch in ihren Gemeinschaften, in denen sie die frohe Botschaft vernommen haben und die sie ihre Kirche und Gottes Kirche nennen. Fast alle streben, wenn auch auf verschiedene Weise, zu einer einen, sichtbaren Kirche Gottes hin, die doch in Wahrheit allumfassend und zur ganzen Welt gesandt ist, damit sich die Welt zum Evangelium bekehre und so ihr Heil finde zur Ehre Gottes“ (Nr. 1). Es sind Worte, die einem Konzil von heute entsprechen, aber wir sind sicher, daß „der Herr der Geschichte“ die Hauptpersonen des Ereignisses vor vierhundert Jahren, das wir die Brester Union nennen, inspiriert hat trotz der Grenzen, die dem Geschehen von der Geschichte gesetzt waren. Dabei handelte es sich tatsächlich um die Wiederherstellung der Einheit. Euren Vorfahren, hebe Brüder und Schwestern, ging es dämm, die ihnen fehlende Einheit wiederherzustellen. Denn sie wußten, daß die Einheit der Gläubigen ein Geschenk Christi und sein ausdrücklicher Wunsch ist; sie wußten, daß er sie mit seinem Blut und seinem Leiden und Kreuzestod erkauft hatte; daß er diese Einheit zum Merkmal seiner Sendung gemacht hatte: „Damit die Welt glaubt, daß du, (Vater), mich gesandt hast“ 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (,loh 17,21). Für das Zustandekommen der Brester Union war die tiefste Motivation: unitatis redintegratio. Sie war der Hauptgrund, der zu dem glücklichen Ereignis vor vierhundert Jahren führte. Und deshalb haben wir uns heute zur Danksagung an Gott in der Petersbasilika versammelt. Ja, wir hören nicht auf zu hoffen, daß die Union, die zwar nur einen Teil umfaßt, indirekt auch dazu beiträgt, die Vorsätze zur Einheit, von denen das II. Vatikanische Konzil spricht, zu unterstützen und zu verstärken. 3. Der Apostel Paulus schreibt: „Ich ... ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe“ (Eph 4,1-2). Wir nehmen diese Worte auf, als seien sie an uns gerichtet. Jedes von ihnen ist für uns, die wir heute die Vierhundertjahrfeier der Union von Brest begehen, von großer Bedeutung. Zweifellos hat diese Union eure christliche Berufung entscheidend bestimmt, liebe Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. In diesem Akt wurde ihre Verbundenheit mit der Kirche von Rom erneuert. Der Apostel ermahnt uns alle, in einer dieser Berufung würdigen Weise zu handeln, und betont zugleich, daß unser Leben von Demut, Friedfertigkeit, Geduld und der Bereitschaft, einander in Liebe zu ertragen, gekennzeichnet sein soll. Was können diese Worte im Hinblick auf unsere Zeit bedeuten? Sie weisen auf die Notwendigkeit hin, daß ihr, liebe griechisch-katholische Gläubige, euch zu Bahnbrechern dieses Geistes macht in bezug auf eure orthodoxen und katholischen Glaubensbrüder des lateinischen Ritus, indem ihr sie auffordert, denselben Geist der Gemeinschaft zu teilen. Eine solche Haltung bezeugt, daß ihr eurer besonderen Berufung entsprechend handelt. Der Apostel schreibt weiter: „... und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch Zusammenhalt“ (Eph 4,3). Es geht also um den Aufbau der Kirche, des mystischen Leibes Christi, in den Dimensionen ihrer Universalität. Darüber schreibt Paulus voll Begeisterung: „Ein Leib und ein Geist ... ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,4). Liebe Brüder und Schwestern, mit einer solchen Vision von Mysterium der Kirche könnt Ihr auch die anderen Worte des Apostels beherzigen: „Eine gemeinsame Hoffnung“, zu der Ihr berufen seid (vgl. Eph 4,4). Die Jahrhundertfeier der Union von Brest begehen bedeutet, eine historische Schwelle zu überschreiten. Und das Wort Gottes zeigt uns deutlich, daß diese Feier auch ein Ruf zu der großen Hoffnung ist, die uns vom gekreuzigten und auferstandenen Christus gebracht wurde. Er hat uns die Geheimnisse des Reiches offenbart. Er hat uns die vom Vater empfangene Herrlichkeit Gottes mitgeteilt und sie zu unserer Hoffnung gemacht. Mit ihm sind wir in der apostolischen Kirche vereint, und wir haben die Zuversicht, daß diese Herrlichkeit unser aller Erbe wird, trotz unserer Sünden, weil „die Hoffnung nicht zugrunde gehen läßt“ (vgl. Rom 5,5). Amen! 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bedeutsames Zeugnis für kulturelle und geistige Einheit Europas Gmßwort nach einem Konzertabend „Musik für die Eine Welt“ in Castel Gandolfo am 28. Juli Am Ende dieser so schönen musikalischen Darbietung heute abend freue ich mich, Sie, meine Damen und Herren, zu begrüßen, die Sie zu diesem Konzert gekommen sind, das die angesehene römische „Musikakademie für die Eine Welt“ (Academia Musicae pro Mundo Uno) dargeboten hat. Ich danke Maestro Giuseppe Juhar, dem Präsidenten der Akademie, für seine freundlichen an mich gerichteten Worte, Dr. Monika Juhar, der die künstlerische Leitung oblag, und allen, die auf ihre Weise ihren Beitrag zu der heutigen Veranstaltung geleistet haben. Hochachtung und Bewunderung spreche ich dem Dirigenten Kurt Redel und allen Mitwirkenden des Symphonieorchesters von Radio Krakau aus. Ich gratuliere dem Chorleiter Ladislav Holasek und den Mitgliedern des städtischen Chores von Bratislava wie auch den tüchtigen Solisten aus verschiedenen Ländern Mitteleuropas. Ihnen allen gilt meine Anerkennung für die großartige Musik, die sie uns im Rahmen dieses Sommerabends geboten haben. Wir haben „La Sonnerie“, das Geläute von Sainte Genevieve du Mont in Paris, gehört, ein Werk von Marin Marais, der als einer der größten Tonkünstler der Zeit Ludwigs XIV. gilt. Die ursprüngliche Inspiration und das Auserlesene am Werk dieses großen Künstlers der Viola tritt in dem meisterhaft Dargebotenen klar und lebendig hervor. Darauf folgte das Konzert für Violine und Orchester von Wolfgang Amadeus Mozart. Darin kommt die junge Persönlichkeit, aber auch die musikalische Reife zum Ausdruck, die der Komponist schon erreicht hatte, als er mit nur 20 Jahren in Salzburg die fünf Konzerte für Violine und Orchester schuf. Schließlich hörten wir noch eine der größten Kantaten aus dem religiösen Werk von Johann Sebastian Bach: „Die Elenden sollen essen“. Daraus spricht die tiefgläubige Haltung des deutschen Komponisten und seine Hingabe an die absolute Güte Gottes, des vorsorgenden Vaters und Spenders alles Guten für seine Geschöpfe. Sowohl durch die Auswahl der Werke als auch durch das musikalische Zusammenspiel der Instrumentalisten und Sänger bildet das Konzert dieses Abends ein bedeutsames Zeugnis für die kulturelle und geistige Einheit jenes Europas, zu dem die christliche Tradition durch die Jahrhunderte hindurch einen wesentlichen Beitrag geleistet hat und auch in der Gegenwart weiterhin leistet. Ich wiederhole den Organisatoren und den Ausführenden des Konzertes meine lebhafte Wertschätzung und spreche meine herzlichen Wünsche aus für das Fest „Musik für die Eine Welt“ (Musica pro Mundo Uno), das in diesen Tagen in Rom stattfindet. Möge die 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN universale Sprache der Musik eine Einladung zu Begegnung und gegenseitigem Verstehen zwischen Völkern und Nationen sein! In diesem Sinn rufe ich auf jeden der Anwesenden und ihre Familien den beständigen Schutz des Herrn herab und erteile allen von Herzen den Apostolischen Segen. Glaubwürdiger Bote des Glaubens mit Ausstrahlungskraft Predigt während der Eucharistiefeier zum 18. Todestag Papst Pauls VI. in Castel Gandolfo am 6. August 1. „Herr, es ist gut, daß wir hier sind. Wenn Du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für Dich, eine für Mose und eine für Elija“ (Mt 17,4). In den Worten Petri, der zusammen mit Jakobus und Johannes bevorzugter Zeuge der Verklärung Christi war, drückt sich neben dem freudigen Erstaunen das Bewußtsein aus, daß das Leben nur in der Begegnung mit Christus, dem Neuen Menschen, seinen vollen Sinn findet. Die Wißbegier des Apostels wandelte sich auf diese Weise zu dem Verlangen, immer mit Gott verbunden zu sein. Die Liturgie, die uns heute das Ereignis der Verklärung Christi vorstellt, lädt auch uns ein, den Blick des Glaubens über die Normalität des alltäglichen Geschehens hinaus zu richten, damit wir das Mysterium der Liebe wahmehmen können, das sie erhält: das Mysterium des österlichen Christus, Herz der Menschheitsgeschichte. Sie weist uns außerdem den Lehrpfad, um diese eindringliche Sichtweise allen menschlichen Lebens zu erreichen: Er ist der Weg des Hörens auf das „Wort der Propheten“, das wie „ein Licht (ist), das an einem finsteren Ort scheint“ (2 Petr 1,19). Bestärkt von diesem Licht, können wir zuversichtlich in Erwartung verharren, bis „der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht“ (ebd.), unserem Herzen Freude und unvergänglichen Frieden zu bringen. 2. Liebe Brüder und Schwestern, wir gedenken heute des 18. Todestages meines verehrten Vorgängers und Dieners Gottes, Paul VI. Das einzigartige Zusammentreffen seines Todes mit dem Fest der Verklärung Christi regt zum Nachdenken darüber an, wie tiefgehend er das Mysterium gelebt haben muß, das wir begehen. „Ich richte meinen Blick auf das Geheimnis des Todes und das, was nach ihm kommt, im Licht Christi, der es allein erhellt. Ich tue das in Demut und gelassenem Vertrauen. Ich fühle die Wahrheit, die von diesem Geheimnis immer in mein gegenwärtiges Leben ausgestrahlt ist, und preise den Sieger über den Tod dafür, daß er das Dunkel zerstreut und das Licht enthüllt hat“ (Testament Pauls VI., 1. Teil, 30. Juni 1965). Diese Worte, die Papst Paul VI. uns in seinem Testament hinterlassen hat, belegen die klare Sichtweise von den Geschehnissen, die das innige Vertrautsein mit Gott ihm ermöglichte und die aus ihm einen glaubwürdigen Zeugen der zukünftigen 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wirklichkeit machte. Die Begegnung mit dem Herrn war der Mittelpunkt der ermüdenden Tagesabläufe eines Hirten, der von den Sorgen der Brüder sehr in Anspruch genommen war. Sie brachte ihn dazu, den wahren Sinn der Dinge zu ergründen. Sie gab ihm Kraft zur großzügigen Selbsthingabe an Christus zum Wohl des christlichen Volkes. Im Lichte einer solchen Erfahrung lebte er den schwierigen und verantwortungsvollen Weg, der ihm von der göttlichen Vorsehung vorgegeben war. Er lebte ihn in Anerkennung und Erwartung, leidenschaftlich und wachsam, auf die Begegnung mit dem himmlischen Vater hin. Durch die Betrachtung des Mysteriums Gottes bereicherte er dazu die manchmal aufreibende, aber kompromißlose Suche nach der Begegnung mit der zeitgenössischen Kultur, um einem jeden durch das Evangelium Perspektiven des Heils und der Befreiung aus Verwirrung und Hoffnungslosigkeit aufzuzeigen. Wir bringen dem Herrn sein großes Zeugnis von Glauben und pastoraler Nächstenliebe nahe, das sich mit besonderer Kraft im Angesicht des Todesmysteriums und der höchsten Begegnung mit Gott zeigte. Wir empfehlen dem Herrn seine heilige Seele in der Zuversicht, daß er - da er auf seinem Erdenweg Christus treu gefolgt - ihn nun und für immer anschaue im himmlischen Vaterland. Erleuchtung - Gaben des Geistes - Aufklärung Ansprache an die Teilnehmer des Kolloquiums „Aufklärung heute“ in Castel Gandolfo am 10. August Sehr verehrte Damen und Herren, werte Freunde! 1. Zunächst möchte ich den vielen Menschen danken, die dazu beigetragen haben, daß dieses Kolloquium möglich wurde. Meinen besonderen Dank drücke ich dem „Institut für die Wissenschaften vom Menschen“ aus, das für die Organisation unseres Treffens verantwortlich war. Viele seiner Mitarbeiter weilen unter uns. Es waren drei Tage intensiver Reflexion über Themen von großem Interesse. Sie waren ein Hochgenuß für den Geist. Unsere Redner führten uns mit ihren Beiträgen zu einem tieferen Verständnis des Phänomens der Aufklärung und des Einflusses, den diese weiterhin in unseren Zeiten ausübt, speziell in der Annäherung an bestimmte grundlegende Konzepte der Anthropologie. Ich danke Ihnen allen sehr herzlich. 2. Während der Vorstellung der Beiträge und den daraus folgenden anregenden Diskussionen bemühte ich mich nicht nur, dem Leitgedanken der verschiedenen Argumente zu folgen, sondern auch - vom theologischen Standpunkt aus - einen Weg der Annäherung an die allgemeinen Fragen zu finden, die aufgeworfen wurden. 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich fand einen Anfangspunkt in dem Begriff „Aufklärung“ selbst. Es besteht keine Notwendigkeit, viel über die Natur und die historische Bedeutung dieses kulturellen Phänomens zu sagen: sie sind wohlbekannt. Ebenfalls gut bekannt sind die Auswirkungen, die die Aufklärung auf das Christentum in Europa hatte. In einem gewissen Sinn führte sie zu einer Bewegung der Distanzierung von der Kirche in bezug auf den christlichen Glauben, eine Abweichung, die auf rationalen Vorgaben beruhte. Das ist einer der Punkte, die ich in meinem Buch „An der Schwelle der Hoffnung“ berührte. Dasselbe Wort Aufklärung“ kann aber auch im Sinne von „Erleuchtung“ verstanden werden, das Geschenk des Lichtes von oben. In diesem Fall kann das Wort eine sehr positive theologische Bedeutung haben. Von Aufklärung“ in diesem Sinne sprechen meint die Anerkennung, daß es neben dem Wissen um die Wirklichkeit, das dem Menschen durch die Kraft des Verstandes allein eröffnet wird, auch noch ein Wissen gibt, das dem Menschen - als vemunftfähiges und freies Wesen - von Gott gegeben wird. Folglich kann „Aufklärung“ angesehen werden als Wirken von Licht und Kraft im Menschen, das vom Hl. Geist verliehen wird. Die Kirche wurde aus der Kraft jener Aufklärung“ heraus geboren, die sich zeigte, als der Hl. Geist an Pfingsten auf sie herabkam. Jener Tag offenbarte das Licht und die Kraft, die vom Kreuz und der Auferstehung Christi ausströmt. 3. Die Apostel sind Teilhaber dieser Gaben des Hl. Geistes, die sich in Christus selbst zu Beginn seiner messianischen Mission äußerten. Erinnern wir uns an die Worte, die er in der Synagoge von Nazareth gesprochen hat: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Bünden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18 f; vgl. Jes 61,1 f)- Am Tage des Pfingstfestes wurden die Apostel, und mit ihnen die Urkirche, daher zu Teilhabern dieser Gaben des Hl. Geistes. Diese Gaben sind zahlreich und verschieden: Die Tradition, die sich auf die Hl. Schrift bezieht (vgl. Jes 11,2), führt die folgenden sieben Gaben an: die Gabe der Weisheit, der Einsicht, des Rates, der Kraft, der Erkenntnis, der Frömmigkeit („donum pietatis“, was ins Polnische oft mit „Gabe der Andacht“ übersetzt wird), und die Gabe der Gottesfurcht (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1831). Wie man dabei feststellen kann, beziehen sich diese Gaben nicht nur auf die kognitiven Möglichkeiten des Menschen, sondern auch auf seinen Wiüen und den affektiven Teil seiner „psyche“. Die Gabe der Kraft oder das „donum pietatis“ beispielsweise haben nicht direkte kognitive Bedeutung, beeinflussen aber auf indirekte Art den instinktiven Aspekt und die Leidenschaften, die zur menschlichen „psyche“ gehören. 4. Bei dieser Schlußveranstaltung möchte ich auch die Aufmerksamkeit auf die liturgischen Feiern dieser Tage lenken: Das „Triduum“ unserer Überlegungen in 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Castel Gandolfo fand zwischen dem 8. und dem 10. August statt: am 8. gedenkt die Kirche der hervorragenden Gestalt des hl. Dominikus und am 9. August - zumindest in Polen und in Deutschland - der sei. Edith Stein. Schließlich wird am 10. August das Fest des hl. Laurentius, Diakon und Märtyrer, begangen. Unter diesen Persönlichkeiten ist Laurentius der Älteste; von ihm sagt die Liturgie, daß er für Rom das gleiche darstellte, was der hl. Stephanus für Jerusalem bedeutete. Als Märtyrer stellt er insbesondere die heroische Stärke dar, verbunden mit der Gabe des Hl. Geistes. Der hl. Dominikus, der Gründer des Predigerordens, das heißt der Dominikaner, hat mit seiner neuen religiösen Familie, die er ins Leben gerufen hat, einen grundlegenden Beitrag für jene großartige Entwicklung der mittelalterlichen Theologie geleistet, die besonders durch das Werk des hl. Thomas von Aquin Ausdruck gefunden hat. Schließlich hat Edith Stein, eine uns zeitgenössische Person, in sich ein wunderbares Zeugnis ihrer Erkenntnisgaben abgelegt - die Gaben der Weisheit, der Erkenntnis, des Rates und der Wissenschaft. Sie war Mitarbeiterin Husserls und hat sehr wichtige philosophische Werke verfaßt. Gleichzeitig hat sie mit der Palme des Martyriums Eingang in das Marty-riologium der Kirche gefunden. Es ist uns bekannt, daß sie als Tochter des jüdischen Volkes in den Öfen von Auschwitz verbrannt wurde. Gerade gestern, am 9. August, sagte ich zum Professor Spaemann: „Heute ist der Tag der sei. Edith Stein. So könnten wir doch sagen, daß dieser Tag sich zwischen die philosophische Spekulation von ,Endliches und ewiges Sein“ und die mystische Erhebung von,Kreuzeswissenschaft“ stellt.“ Kann der Tod dieser Märtyrerin als eine Konsequenz - wenigstens als eine indirekte Konsequenz - der Irrtümer, die in der geschichtlichen und philosophischen Aufklärung ihre Wurzeln hatten, betrachtet werden? Auch wenn dies der historischen Wahrheit über Edith Stein entsprechen würde, ist es nicht zu leugnen, daß sie in sich gleichzeitig eine tiefere Wahrheit trägt, nämlich die eines Lebens und eines Todes, die Frucht jener „Aufklärung-Erleuchtung“ ist, die dem Menschen mit den Gaben des Hl. Geistes geschenkt wird und die ihre Früchte besonders in den sehr kritischen und sehr dramatischen Augenblicken im Leben eines gläubigen Menschen bringt. Nochmals mein aufrichtiger Dank für die schöne Erfahrung dieses Kolloquiums, das uns beschäftigt und zu einem Austausch wahrhaftig interessanter Überlegungen gebracht hat. Allen gelten meine herzlichsten Wünsche und alles Gute. 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeichen und Bekräftigung der Hoffnung Botschaft an die Teilnehmer des XII. Internationalen Mariologischen Kongresses von Jasna Göra in Tschenstochau (18. bis 20. August 1996) vom 15. August 1. „Gehen wir zur Braut Gottes, gehen wir zu seiner Mutter, gehen wir zu seiner treuesten Magd. Das alles ist Maria“ (sei. Eired, Predigt 20). Folgen wir voll Freude dieser Aufforderung des sei. Eired. Denn an der Schwelle des dritten Jahrtausends wollen wir ganz besonders der Mutter Gottes näherkommen, um von ihr jene Hingabebereitschaft zu lernen, die den Menschen zu einer tieferen Erkenntnis des Heilsgeheimnisses befähigt und es ihm ermöglicht, an dessen Früchten vollkommener teilzuhaben. In den Anfängen der Geschichte der Kirche verharrten die Apostel „einmütig im Gebet zusammen mit... Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14), in Erwartung der Herabkunft des Heiligen Geistes, die den Anfang setzte zur Evangelisierung aller Völker. Ihrem Beispiel folgend, wollen wir heute bei Maria verweilen, während wir gemeinsam darum bitten, der Geist Gottes möge sich in uns erneuern, damit wir als Zeugen des Evangeliums in das neue Jahrtausend eintreten. Eine besondere Bedeutung hat auf diesem Weg der Annäherung an die Gottesmutter das im Laufe dieses Jahrhunderts begonnene Werk von Generationen von Theologen, Hirten und Gläubigen bei den Internationalen Mariologischen und Marianischen Kongressen. Denn sie sind nicht nur ein Anlaß zum Austausch der theologischen Überlegungen und zur vertieften Erkenntnis der Rolle Marias in den Heilsplänen Gottes, sondern auch zur Teilhabe am Glaubenszeugnis und zur Belebung der Marienverehrung im Geist einer jahrhundertealten Tradition der Kirche. Ein Ja zu Glaube und Liebe Auch der diesjährige XII. Internationale Mariologische Kongreß hat Euch aus aller Welt hier in Jasna Göra zusammengerufen, um Euch in diese alle Generationen umfassende Bewegung der Reflexion einzugliedem und Eurer Überzeugung Ausdruck zu verleihen, daß Maria eine besondere Stellung in der Heilsgeschichte und im Leben der Kirche und jedes Gläubigen hat. Ich schließe mich Euch mit ganzem Herzen an und bitte Gott um das Licht des Heiligen Geistes für alle Veranstalter und Teilnehmer des Kongresses. Ich bete dämm, daß diese Zeit des Studiums und Gebets reiche Früchte für Euch und für die ganze Kirche bringen möge. 2. Maria, Mater Domini, in mysterio salutis quod ab Orientis et Occidentis Eccle-siis in Spiritu Sancto hodie celebratur. Das Thema des diesjährigen Kongresses betrifft viele Geheimnisse, die im einzelnen ein angemessenes Thema theologischer Forschung darstellen könnten. Es scheint jedoch gerade ein Studium angebracht zu sein, das zugleich alle diese Elemente einschließt, weil sie ein Ganzes 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bilden, das einen harmonischen Hintergrund für die Darstellung der Person Marias im Kontext der ewigen Pläne Gottes liefert. Wir treten deshalb vor Maria hin, der die alte christliche Tradition den mit einer feierlichen Erklärung des Konzils von Ephesus bekräftigten Titel Mutter Gottes, Theotokos, verliehen hat. Dieser Titel bezeichnet vielleicht in vollkommenster Weise ihre Stellung in der Heilsgeschichte. „Die sei. Jungfrau - so bekräftigt das II. Vatikanische Konzil -, die von Ewigkeit her zusammen mit der Menschwerdung des göttlichen Wortes als Mutter Gottes vorherbestimmt wurde, war nach dem Ratschluß der göttlichen Vorsehung hier auf Erden die erhabene Mutter des göttlichen Erlösers, in einzigartiger Weise vor anderen seine großmütige Gefährtin und die demütige Magd des Herrn. Indem sie Christus empfing, gebar und nährte, im Tempel dem Vater darbrachte und mit ihrem am Kreuz sterbenden Sohn litt, hat sie beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen“ (Lumen Gentium, Nr. 61). Gerade als Mater Domini verdient Maria geehrt zu werden, wodurch keineswegs die ihrem Sohn geschuldete Ehre geschmälert, sondern vielmehr reflektiert und bestätigt wird. Wie der sei. Eired schreibt: „Wir sollen sie ehren, weil sie die Mutter unseres Herrn ist. Denn wer die Mutter nicht ehrt, beleidigt zweifellos den Sohn“ (Predigt 20). 3. Die Liebe Gottes hat ihr diese besondere Rolle in der Geschichte zugewiesen. Von Anfang an, fast gleichzeitig mit der Offenbarung des göttlichen Heilsplanes, der vom Messias vollbracht werden sollte, zeigte sich der göttliche Plan in bezug auf sie, die er zur Mutter seines Sohnes erwählt hatte. Schon zu Beginn der Menschheitsgeschichte, nach dem Sündenfall der Stammeitem, als Gott Eva einen Nachkommen verhieß, der den Bösen endgültig besiegen würde, versinnbildlichte diese Maria, die „neue Eva“, wie die Kirchenväter sie nennen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 411; 489). Die vielen heiligen Frauen von der göttlichen Vorsehung aufgetragene alttestamentarische Sendung war die Ankündigung der einzigartigen Sendung, die Maria vollbringen sollte. Gott bereitete sein Volk auch durch die Propheten auf die Begegnung mit ihr vor, die - wie das Konzil sagt - „unter den Demütigen und Armen des Herrn hervorragt, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen. Mit ihr als der erhabenen Tochter Sion ist schließlich nach langer Erwartung der Verheißung die Zeit erfüllt und hat die neue Heilsökonomie begonnen“ (Lumen Gentium, Nr. 55; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 488-511). Gott teilte also durch die Entsendung des Erzengels Gabriel der Jungfrau Maria seinen Plan mit, wobei er die Verwirklichung seines ewigen Planes ihrer freien Entscheidung überließ. Im Gehorsam des Glaubens und der Liebe sprach sie ihr Ja und brachte selbst, wie der hl. Thomas von Aquin sagt, „loco totius humanae na turae“ (Summa Theologica. 111,30,1) - den Wunsch zur Zusammenarbeit und Teilhabe am Heilsgeheimnis zum Ausdmck. Gott bereitete sie vor und befähigte sie, 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Sendung der Gottesmutterschaft anzunehmen und zu vollbringen, indem er ihr die Fülle seiner Gnade schenkte (vgl. Lk 1,28). Schon im Augenblick ihrer Empfängnis wurde sie im Hinblick auf die künftigen Verdienste Christi vom Makel der Erbsünde befreit, was Papst Pius IX. durch die Bulle Ineffabilis Deus feierlich bestätigte. Vom ökumenischen Geist durchdrungen Die Jungfrau von Nazaret gebar den Sohn Gottes und begleitete ihn treu und beharrlich auf seinem ganzen Erdenweg. Ihr ganzes Leben, das sie ganz Gott, Christus und den Menschen geweiht hatte, denen Jesus die frohe Botschaft vom Kommen des Reiches Gottes brachte, war ein unaufhörliches Liebesopfer, das seine Vollendung fand, als Maria unter dem Kreuz zusammen mit ihrem Sohn litt, der die Erlösung wirkte. Deshalb ist es recht, wenn die Kirche ihr den Titel Fürsprecherin, Helferin und auch Mittlerin zuerkennt. „Das aber ist so zu verstehen, daß es der Würde und Wirksamkeit Christi, des einzigen Mittlers, nichts abträgt und nichts hinzufügt“ (Lumen Gentium, Nr. 62; vgl. Redemptoris Mater, Nm. 22-23). Maria hat als erste unter den Menschen voll an den Früchten der Erlösung teil. Mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen, hat sie an der Seite ihres Sohnes teil an der Herrlichkeit des Vaters. Dadurch ist sie für die pilgernde Kirche Zeichen und Bekräftigung ihrer Hoffnung. 4. Maria als diejenige betrachten, der Gott in seinem Heilsplan die besondere Rolle der Mutter seines Sohnes übertragen hat, ist die gemeinsame Glaubenserfahrung der Kirchen des Westens und des Ostens. Im Laufe der Jahrhunderte kam diese Erfahrung sowohl in der liturgischen Tradition als auch in der Volksfröm-migkeit zum Ausdruck, indem sie reiche Frucht in den Herzen der Gläubigen brachte. Deshalb ist es gut, daß schon das Thema des diesjährigen Kongresses klar auf diesen ökumenischen Zug der mariologischen Reflexion hinweist. Zugegeben, in den Kongreßprogrammen war schon früher immer ein ökumenischer Teil vorgesehen. Diesmal jedoch wollten die Veranstalter, daß der ganze Kongreß von ökumenischem Geist durchdrungen sei. Das scheint durch die Tatsache begünstigt, daß der Kongreß in Polen stattfindet. In der Tat vereint die religiöse Tradition dieser Nation aufgrund der geographischen Lage in sich Spiritualitätselemente des christlichen Westens und des Ostens. Das betrifft auch die Glaubenserfahrung in bezug auf die Mutter Gottes. Ihre Frucht ist eine lebendige Marienverehrung, die uns erlaubt, mit Freude die persönliche und gemeinschaftliche Weihe an diejenige zu erneuern, die unsere Väter als ihre Herrin und Königin ansahen. 5. In diesem Geist höchster Verehrung und Liebe zur Mutter Gottes und durch ihre Fürsprache bei Christus vereinige ich mich mit allen in Jasna Göra versammelten Kongreßteilnehmern, während ich alle für die Welt von heute notwendigen Gnaden erbitte. 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und vor allem bete ich darum, daß die Kirche den besonderen Beistand erhält, um mit der göttlichen Gnade das 20. Jahrhundert ihrer Heilssendung zu vollenden und mit Zuversicht ins dritte Jahrtausend zu gehen. Euch Teilnehmer des Internationalen Mariologischen Kongresses rufe ich nochmals auf: Studiert eingehend die theologischen Grundlagen der Marienverehrung, so daß Ihr zur Bereicherung des Glaubens und der Frömmigkeit beitragt, damit der Ruhm derjenigen vermehrt werde, die in ihrer Unschuld den Mut hatte zu verkünden: „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1,48). Von Herzen segne ich alle. Castel Gandolfo, am 15. August 1996 Joannes Paulus PP. II Maria und die Eucharistie Botschaft an die Teilnehmer des XIX. Internationalen Marianischen Kongresses von Jasna Göra in Tschenstochau (24. bis 26. August 1996) vom 15. August 1. „Gegrüßt seist du, Jesus, Sohn Marias, wahrer Gott, in der heiligen Hostie gegenwärtig.“ Im Geist vereint mit den Teilnehmern des XIX. Internationalen Marianischen Kongresses, rufe ich die Worte eines Liedes in Erinnerung, das in Polen oft bei der eucharistischen Anbetung und Prozession gesungen wird. Ich wiederhole sie, denn sie enthalten die Wahrheit, die zusammen mit einem Lobpreis an den im Geheimnis der Eucharistie gegenwärtigen Christus fast notwendigerweise die Erinnerung an die Mutter Gottes weckt. Dank ihres hochherzigen „fiat“ ist das Wort Gottes durch die Kraft des Heiligen Geistes Fleisch geworden. Sie bot dem Wort ihren Leib dar, damit es sich mit ihm bekleide und das Wunder der göttlichen Menschwerdung sich erfülle. Maria trug das Mensch gewordene Wort in ihrem jungfräulichen Schoß, während sie „voll Liebe“ die Ankunft des Erlösers erwartete, wie die Liturgie verkündet (Prüf, vom Advent II). Als sie den Sohn Gottes gebar, war sie in gewissem Sinn die erste, die seine Gegenwart unter den Menschen anbetete. Zusammen mit Josef trug sie das göttliche Kind in den Tempel, um es Gott darzubringen, wie es den Gesetzesvorschriften entsprach. Schon damals hatte Gott ihr durch den Mund des Simeon offenbart, daß ein Schwert des Schmerzes ihre Seele durchdringen werde, weil der Sohn ein Zeichen des Widerspruchs sein werde, so daß „viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden“ {Lk 2,34). Die Ankündigung der Teilhabe Marias am Heilswerk Christi, des Priesters und Opfers, sollte sich auf Golgota vollenden. „Durch das Liebes-vermächtnis ihres Sohnes dehnte sie unter dem Kreuz ihre Mutterschaft auf alle Menschen aus, die durch Christi Tod zu einem neuen Leben wiedergeboren sind, das kein Ende hat ... In die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen, begleitet sie 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit mütterlicher Liebe die Kirche und schützt sie auf dem Weg durch die Zeit bis zum Tag der Wiederkunft des Herrn“ (Präfation von der seligen Jungfrau Maria m). Jede hl. Messe vergegenwärtigt in unblutiger Weise das einzigartige und vollkommene, von Christus am Kreuz vollbrachte Opfer, an dem Maria teilhatte, indem sie sich mit dem leidenden Sohn in Liebe vereinte, seinem Schlachtopfer zustimmte und dem Vater ihren eigenen Schmerz darbrachte (vgl. Lumen Gentium, Nr. 58). Wenn man also Eucharistie feiert, das Gedächtnis des Ostern Christi, wird auch die Erinnerung an das Leiden seiner Mutter lebendig und aktuell, die als unübertreffliches Vorbild die Gläubigen lehrt, sich mit dem Opfer des Sohnes, des einzigen Erlösers, noch tiefer zu vereinen. Durch die geistliche Verbundenheit mit der schmerzhaften Mutter Gottes haben sie in besonderer Weise am Ostergeheimnis teil und werden offen für das außerordentliche Wirken des Heiligen Geistes, das auf Grund der Gemeinschaft mit dem verherrlichten Christus eine übernatürliche Freude hervorruft, nach dem Vorbild der Freude, die Maria in der himmlischen Herrlichkeit als erste Teilhaberin an den Früchten der Erlösung zuteil wird. 2. Maria und die Eucharistie. Die Veranstalter des XIX. Internationalen Mariani-schen Kongresses von Jasna Göra haben dieses Thema zum Studium und Gebet vorgeschlagen. Und die Wahl ist richtig, besonders im Hinblick auf den Internationalen Eucharistischen Kongreß, der im nächsten Jahr in Breslau stattfinden wird. Wie Maria am Anfang der Sendung des Mensch gewordenen Wortes und somit auch am Ursprung der Eucharistie steht, so setzt der diesjährige Marianische Kongreß den Anfang zur geistlichen Vorbereitung der Kirche, damit sie den Eucharistischen Kongreß in fruchtbringender Weise erlebt. Mögen alle in diesen Tagen derjenigen näherkommen, die - indem sie ihr Leben lang nicht nur durch Bande des Blutes, sondern vor allem durch die Liebe in Gemeinschaft mit dem Sohn stand - die vollkommenste Lehrerin jener Liebe ist, die es uns erlaubt, uns noch tiefer mit Christus im Geheimnis seiner eucharistischen Gegenwart zu vereinen. Lassen wir uns von Maria zur Eucharistie führen! Euch alle, die Ihr in Jasna Göra zum Marianischen Kongreß versammelt seid, bitte ich, für die Anliegen der Kirche und der Welt zu beten. Während wir danken für den zwanzig Jahrhunderte langen Schutz Marias für die Kirche, bitten wir sie, die Gläubigen zu einer immer tieferen Erkenntnis der Heilsmacht des Opfers Christi zu führen, das in der Eucharistie gegenwärtig wird. Beten wir darum, daß die lebendige Erfahrung der Gemeinschaft mit Christus in den Herzen aller Christen den Eifer weckt, eine Gemeinschaft der Liebe unter den Menschen zu schaffen. Möge die Mutter Gottes uns, in Einheit versammelt um das Wort Gottes, das in ihr Fleisch geworden ist, in das dritte Jahrtausend führen. Von Herzen segne ich alle. Castel Gandolfo, am 15. August 1996 Joannes Paulus PP. II 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vertieft in Euch das Gnadengeschenk der Taufe Schreiben an die Gläubigen der Dominikanischen Republik anlässlich der 500-Jahr-Feier der ersten Taufen in der Neuen Welt vom 4. September Geliebte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester und Ordensangehörige, liebe gläubige Laien! 1. Am kommenden 21. September begehen wir den 500. Jahrestag der ersten Taufen, die in der Neuen Welt gespendet wurden; und zwar fand dieses Ereignis auf dem Territorium der heutigen Diözese La Vega statt, d. h. auf der Insel, die damals als „La Espanola“ bekannt war. Schon einige Zeit vor dem eigentlichen Ereignis hatten einige dieser Inseleinwohner im Jahre 1493 das Wasser der Taufe in Barcelona empfangen sowie auch später einige im Kloster von Guadalupe in der Region Extremadura am 28. Juli 1496. Jedoch war es am Feste des hl. Apostels Matthäus, als zum erstenmal auf amerikanischem Boden die Worte der sakramentalen Taufformel ausgesprochen wurden: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ So wurde damals dem Indio Guaticaba und seiner Familie sowie all seinen Hausbewohnern die göttliche Sohnschaft zuteil; er selbst empfing den Namen Juan Matteo. Es ziemt sich, daß wir dieses wichtigen Ereignisses gedenken, und daher möchte ich mit euch allen gemeinsam dem Herrn Dank sagen für die unzähligen Gaben, die wir im Laufe der 500jährigen Präsenz der Kirche in Amerika empfangen haben, aber danken wollen wir auch für die reichen Früchte christlichen Lebens, das der Herr in den verschiedenen Gemeinschaften der Dominikanischen Republik und ganz Amerika im Laufe der Zeit hat entstehen lassen. Mit diesen Gemeinschaften möchte ich das Gotteslob anstimmen, denn er beruft uns zu neuem Leben, in welches er uns durch das Sakrament der Taufe einführt. 2. „Denn die apostolische Arbeit ist darauf hingeordnet, daß alle, durch Glauben und Taufe Kinder Gottes geworden, ... am Opfer teilnehmen und das Herrenmahl genießen“ (Sacrosanctum Concilium, Nr. 10). Als bei Kolumbus’ zweiter Reise der Mönch Bemardo Boyl von zwölf Missionaren begleitet wurde, lautete die königliche Instruktion an den Admiral, „er möge dahingehend wirken, daß die Ureinwohner der Inseln vom katholischen Glauben angezogen würden“. So richtete sich also die Arbeit der ersten Verkünder des Evangeliums darauf aus, daß diese Inselbewohner durch die Verkündigung und Katechese den Glauben annehmen und die Taufe empfangen sollten. Dies ist also die erste Frucht jener ungeheuren Missionsarbeit, die von Spanien ausging. Die göttliche Gnade, die den menschlichen Werken vorausgeht und sie begleitet, hat durch die Verkündigung der Missionare den Kaziken von Guarionex zum Glauben berufen. Nach einem Katechumenat von zwei Jahren empfing er zusammen mit einigen Familienmitgliedern das Sakrament der Taufe und legte so den 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Grandstein für die erste christliche Gemeinschaft in der Neuen Welt. Auf diese Weise hat sich der Auftrag erfüllt, den die Apostel und ihre Nachfolger von Christus auf dem Berg in Galiläa empfangen hatten: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Dies ist ein Auftrag, der bleibende Gültigkeit bewahrt bis ans Ende der Zeiten. Der Kazike Guaticaba begleitete die Missionare sogar schon vor dem Empfang seiner Taufe bei ihren Besuchen ins Innere der Insel und betätigte sich als Übersetzer und Ausleger, und kurz nach seiner Taufe erlangte er den Siegeskranz des Martyriums für den katholischen Glauben. Während sie ihn töteten, sagte er: „Dios naboria daca, Dios naboria daca“, was in seiner Sprache bedeutete: „Ich bin ein Diener Gottes“ (vgl. Hemando Colon, Historia del Almirante, Kap. XXV.). 3. Vor einigen Jahren haben wir die 500. Wiederkehr dieses denkwürdigen 12. Oktober 1492 begangen, an dem sich die beiden Welten begegnet sind, was den Anfang der Evangelisierung Amerikas kennzeichnete. Daraufhin fand am 6. Januar 1494 die erste Messe in La Isabela statt. Aufgrund der Ereignisse, deren wir jetzt gedenken, sowie dessen vom 8. August 1511, als Papst Julius II. die ersten Diözesen in der Neuen Welt errichtete, dürfen wir behaupten, daß die Kirche in Amerika damals wirklich Fuß gefaßt hatte. Dadurch „weitete sich die Heilsgeschichte aus, wuchs die Familie Gottes, und es vervielfältigte sich ,die Zahl der Menschen, die Gott dankten1 (2 Kor 4,15)“ (Ansprache in Santo Domingo, 12.10.1992, Nr. 3; O.R.dt., 23.10.1992, 7). Wir Christen schreiben den Jahrestagen immer eine religiöse Bedeutung zu, begehen wir diese doch als einen besonderen Moment der Gnade für den einzelnen und für die Gemeinschaften. Diese Tatsache schreibt solchen Jubiläen eine wichtige und bezeichnende Rolle zu (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 15). In unserem hier angesprochenen Fall geht es um den Jahrestag, der sich auf die Taufe der Einwohner des amerikanischen Kontinents bezieht. Er ruft uns auf, die unermeßlichen Reichtümer dieses Sakramentes wiederzuentdecken und mit neuem Eifer die Verpflichtungen anzunehmen, die aus demselben hervorgehen. Dieser Aufruf wird noch verstärkt durch das Vorbereitungsprogramm auf das Große Jubiläum des Jahres 2000. Darin habe ich in einem organischen kirchlichen Emeuerangs-plan das Jahr 1997 vorgeschlagen, um über „Christus, den Retter und Verkünder des Evangeliums“, nachzudenken (ebd., Nr. 40) und „die Taufe als Fundament der christlichen Existenz“ wiederzuentdecken (ebd., Nr. 41). 4. „Denn ihr alle, die auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt“ (Gal 3,27). Beim Empfang des Taufsakramentes werden die Christen geheiligt durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und die Salbung des Heiligen Geistes. So treten sie in die Kirche ein und bilden einen Teil von ihr. Sie sind „ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das Gottes besonderes Eigentum wurde“ (1 Petr 2,9). Als wahre Kinder Gottes „sind sie der göttlichen Natur teilhaftig und so wirklich heilig geworden“ (Lumen Gentium, Nr. 40). 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Teil des Gottesvolkes nehmen die Christen, durch die Taufe Christus eingegliedert, auch an den Funktionen Christi teil, nämlich an der priesterlichen, der prophetischen und der königlichen. Jeder von ihnen verwirklicht so gemäß seiner Möglichkeit die Mission des gesamten christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt. Daher „sind sie gehalten, den von Gott durch die Kirche empfangenen Glauben vor den Menschen zu bekennen“ (ebd., Nr. 11). So sind sie das Salz der Erde und das Licht der Welt. Ferner besitzen alle kraft der Wiedergeburt in Christus dieselbe Würde, dieselbe Gnade der Gottessohnschaft und dieselbe Berufung zur Vollkommenheit je nach den unterschiedlichen Gegebenheiten (vgl. ebd., Nr. 31). 5. Anläßlich dieses 500. Jahrestags haben die Bischöfe der Dominikanischen Republik den Hirtenbrief Die Taufe, eine Gabe und eine Verpflichtung veröffentlicht und die Gläubigen zusammengerufen, damit diese schöne Feier ihnen helfe, ihre Taufe noch mehr zu schätzen. Von ihrer Taufe soll der Impuls zu „einer neuen Evangelisierung ausgehen, die alle einbejiehen und alle erreichen soll; die der Menschheit zum Wohl gereiche und sich in unserer Kultur inkamiere, auf das Christus, der in den Herzen und Taten der Einwohner der Dominikanischen Republik gegenwärtig ist, sein Reich unter uns verwirkliche“ (Nr. 3). In der Tat muß diese Feier für die Gläubigen der Dominikanischen Republik und für alle Katholiken Amerikas ein Grund sein, den empfangenen Glauben, das tägliche Gebet, die geistige Erneuerung und das Leben in christlicher Nächstenliebe und Solidarität zu vertiefen. Deshalb erhebt die ganze Kirche ihr Danklied an den Herrn der Geschichte für das unschätzbare Geschenk der Taufe, für die Aufnahme, welche diese im Laufe der fünf Jahrhunderte in euren Ländern gefunden hat, für den Eifer, durch den der Glaube und seine unterschiedlichen Ausdrucksformen erhalten geblieben sind, für den spirituellen Reichtum, den die katholischen Gemeinschaften Amerikas innerhalb der universalen ekklesialen Gemeinschaft darstellten und darstellen. Beweis dafür ist „die dreifache große Liebe, die den katholischen Glauben eures Volkes charakterisiert hat; die Liebe zur Eucharistie, die Liebe zur Mutter des Erlösers und die Liebe zu Kirche in der Person des Nachfolgers Petri“ (Brief vom 12.12.1993,3). Der Heiligen Jungfrau, Stern der ersten und der neuen Evangelisierung, Gottesmutter und unsere Mutter, die als „voll der Gnade“ von den Einwohnern der Dominikanischen Republik so sehr verehrt wird und die wir vor dem Mysterium des Fleisch gewordenen Wortes im Gebet versunken sehen, ihr vertraue ich die guten Vorsätze der Hirten und Gläubigen an, auf daß sie die empfangene Taufe in ihrer ganzen Tiefe erfassen und annehmen und ihre Reichtümer und Anforderungen großzügig und wagemutig zu leben vermögen. Dazu helfe Euch auch der Apostolische Segen, den ich Euch nun gerne erteile. Aus dem Vatikan, am 4. September 1996 Joannes Paulus PP. II 777 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerechtigkeit, Solidarität und letztlich Frieden Graßwort an die Mitglieder der Internationalen Kommission der Zivilstaaten am 13. September Herr Präsident, meine Damen und Herren! 1. Mit Freude heiße ich Sie herzlich willkommen und begrüße in Ihnen die Vertreter der Länder und internationalen Organisationen, die in verschiedener Eigenschaft der Internationalen Kommission der Zivilstaaten zugehören. Ich danke besonders Aldo Dainotto für seine im Namen Ihrer ganzen Versammlung an mich gerichteten liebenswürdigen Worte. Ihr Besuch, meine Damen und Herren Delegierte, bezeugt Ihre Achtung vor der Art und Weise, womit die Kirche sich immer um die menschliche Person, ihre bürgerlichen Rechte und ihren Rechtsstand in der Gesellschaft angenommen hat. Eben diese Mittelpunkte des Interesses haben den Hl. Stuhl dazu geführt, sich Ihrer internationalen Kommission als Beobachter anzuschließen. 2. Die Fragen, die die Kommission untersucht, sind bedeutungsvoll, nicht nur weil sie einem Wunsch nach juristischer Übereinstimmung entsprechen, sondern auch wegen ihrer engen Beziehung zu den Werten von Gerechtigkeit, Solidarität und letztlich Frieden. Ortswechsel von Personen innerhalb der Kontinente und darüber hinaus gehört mehr und mehr zu den Zügen, die unsere Zivilisation wesentlich kennzeichnen. Daraus ergeben sich unvermeidlich Situationen, die absolut neu sind und juristisch angepaßte Lösungen erfordern, um den Schutz der Grundrechte der Personen zu sichern. Um die bestmögliche Lage der heimatlosen und vertriebenen Menschen sicherzustellen, suchen die Arbeiten für juristischen Ausgleich, die die Internationale Kommission der Zivilstaaten unternimmt, die Konflikte zu lösen, die aus den verschiedenen Voraussetzungen der Gesetzgebung zutage treten können. Es ist angebracht, die Verschiedenheit zu respektieren und sie nicht zu fürchten. Verantwortliche bei den Behörden können in dieser Hinsicht viel tun. Die eindeutige Bestätigung dessen, was das Gesetz verfügt, und die Durchschau-barkeit bei der Anwendung dessen, wofür es in einem Kontext aufrichtiger Solidarität Vorsorge trifft, gibt den Bürgern der verschiedenen Länder mehr Vertrauen zu den Neuankömmlingen und macht sie mehr geneigt, sie als Teil ihrer eigenen Gesellschaft zu betrachten. 3. Sie sind Spezialisten und Praktiker des Rechts. Wie vieles andere, so steht auch Ihre Sachkenntnis im Dienst der Person und ihres Lebensbereichs, an erster Stelle der Familie. Die Aufgabe, das, was vor allem hinsichtlich Ehe und Familie juristisch in Übereinstimmung gebracht werden muß, hat unter anderem zum Ziel, die Suche nach gemeinsamen Lösungen für jene Probleme zu begünstigen, die jeweils durch die Entwicklung der Situation gestellt sind. Das wird dem Menschen in dem Maß einen echten Dienst erweisen, wie man es verstehen wird, die notwendigen 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neuerungen einzuführen, wobei der wesentliche Grundsatz aufrechterhalten wird, demgemäß die Familie die grundlegende Zelle der menschlichen Gesellschaft ist. Meine Damen und Herren, ich wiederhole den Ausdruck der Hochachtung und der Ermutigung des Hl. Stuhles gegenüber der Internationalen Kommission der Zivilstaaten. Von ganzem Herzen entbiete ich meine guten Wünsche für den Erfolg Ihrer Arbeiten und rufe auf Sie und Ihre Angehörigen reichen göttlichen Segen herab. Vielfalt der Kulturen ist Reichtum für die Menschheit Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses für Ungarische Studien am 14. September Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Mit großer Freude richte ich bei dem heute zu einem glücklichen Abschluß kommenden Internationalen Kongreß für Ungarische Studien meinen herzlichen Gruß an Sie. Vor kaum einer Woche habe ich meinen zweiten Besuch in Ungarn beendet. Wiederum konnte ich dabei mit Händen greifen, wie tief die christlichen Werte in die Kultur dieses edlen Volkes eingedrungen sind, das im Lauf der Jahrhunderte Anregung daraus gezogen und Nahrung darin gefunden hat. Die gegenwärtige Begegnung läßt also aufs neue tiefe und herzliche Empfindungen in mir wach werden. Ich danke Herrn Professor Peter Sarkozy für die liebenswürdigen Worte, womit er sich zum Sprecher der Anwesenden machte und die Zielsetzungen des Kongresses erläutert hat. 2. Das ungarische Volk feiert die elfhundert Jahre des Bestehens der Nation und begeht die Tausendjahrfeier der Gründung des Klosters Pannonhalma. Ich hatte die Freude, einen Abend bei den Mönchen der Erzabtei zu verbringen und mit ihnen in dem eindrucksvollen Rahmen der herrlichen gotischen Kirche, in der man wahrhaft „Geschichte atmet“, die Vesper zu singen. Während jener feierlichen Vesper zur Jahrtausendfeier dachte ich mit tiefer Bewegung an all die Ordensleute, die es mit ihrer apostolischen und missionarischen Arbeit fertigbrachten, daß trotz aller Wechselfälle der verschiedenen Epochen der Glaube der Ungarn erhalten blieb und sich festigte. In meinem Gebet gedachte ich auch der Ordensleute, die nach vierzigjährigem Verbot das Ordensleben in Ungarn vor sieben Jahren wieder neu aufgenommen haben. Ich bitte den Herrn, diese Tatsache möge unter den neuen Verhältnissen wirksam zur Wiedergeburt der katholischen Kirche in Ungarn beitragen. Jede Ordensgemeinschaft möge in ihrer lebendigen Tradition die Schätze des Glaubens und des Geistes bewahren, fruchtbar machen und an andere weitergeben. So war es ja in Ungarn im Verlauf von tausend Jahren. Möge das neue Jahrtausend ein 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gleiches Aufblühen geistiger Werte zum Wohl des magyarischen Volkes erleben! Die Verkündiger des Glaubens sind in ganz Europa auch Verbreiter der Kultur gewesen. So geschah es ebenfalls in Ungarn. Der Schulunterricht wurde dort von den Benediktinermönchen eingeführt, die der Hl. Stuhl gesandt hatte, und er wurde dann von den religiösen Orden weiterentwickelt, die zu verschiedenen Zeiten ins Land kamen, wie auch von Weltpriestem. Verschiedene, für die ungarische Geschichte sehr bedeutsame Persönlichkeiten haben ihre Ausbildung an diesen Schulen erhalten. Zwischen den Mauern dieser Stätten des Gebetes und des Studiums haben sie die Grundsätze in sich aufgenommen, die der hl. König Stephan für die entstehende Nation als geistiges Fundament gelegt hatte. 3. Die Ungarn feiern dieses Jahr jene Anfänge. Es muß aber gesagt werden, daß ihre Ansiedlung im Becken der Karpaten nicht ohne Übergriffe und Gewalttätigkeiten vor sich ging. Es war das Verdienst des Fürsten Geza und dann des hl. Königs Stephan, das Herz der Ungarn geöffnet zu haben, daß sie den christlichen Glauben und die blühende mittelalterliche europäische Kultur annahmen. Das war die zweite wahre Geburt der Nation. So fanden sich Christentum und Kultur vom Beginn der nationalen Existenz an eng miteinander verbunden. Während seiner mehr als tausendjährigen Geschichte hat das Land viele schwere äußere und innere Prüfungen durchgemacht. Jedesmal aber, wenn die politischen und sozialen Strukturen, von dramatischen Ereignissen erschüttert, dem Zusammenbruch nahe zu sein schienen, traten große Persönlichkeiten auf den Plan, erschienen Heilige, die ihren Landsleuten mit dem Licht des Evangeliums den Weg zu weisen wußten. Nach dem hl. Emmerich, dem hl. Ladislaus, der hl. Margarita und der hl. Elisabeth gab es auch in den folgenden Jahrhunderten Menschen, die es verstanden, durch ihr christliches Leben, ihr heroisches Festhalten am Glauben und ihre opferbereite Bruderliebe den Ungarn die Richtung zu weisen und sie zu bestärken, und die zugleich die ungarische Kultur befruchteten. 4. Sie, meine Damen und Herren, sind geachtete und engagierte Wissenschaftler auf dem Gebiet dieser Kultur. Und so wissen Sie, daß viele Jahrhunderte lang das „Heilige“ und das „Profane“ in der ungarischen Kultur - und nicht nur in ihr - in enger Beziehung zueinander standen. In diesem Zusammenhang möchte ich mit Freude den Gründer der Universität, Kardinal Peter Päzmäny, erwähnen, einen der größten Meister der ungarischen Sprache, der als Professor der Theologie in Graz und dann als Erzbischof von Esztergom sehr viel für die Einheit der Ungarn getan hat. Gern erinnere ich auch an die Gestalt von Ottokar Prohäszka, der zu Beginn des 20. Jhs. Bischof von Szekesfehervär gewesen ist: Er war nicht nur ein großer Pionier der katholischen Erneuerung und des kirchlichen sozialen Denkens, sondern auch - in Werken, die bei Papst Pius XI. ehrwürdigen Andenkens in hoher Achtung standen - der Förderer einer der Zeit entsprechenden Erneuerung der liturgischen Sprache. 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie könnte man sodann schweigen über hervorragende Persönlichkeiten der jüngsten Vergangenheit, wie den Helden der Bruderhebe, Läszlö Batthyäny-Stratt-mann, oder den furchtlosen Zeugen für die Wahrheit des Evangeliums vor der unterdrückenden Macht, Kardinal Mindszenty? Und was soll man schließlich sagen über den Hirten, der bereit war, seinen Leib zum schützenden Schild zu machen, um mit seinem eigenen Opfer den Schafen seiner Herde das Leben zu retten? Ich meine damit den Bischof Vilmos Apor, vor dessen Grab ich vor kaum einer Woche im Gebet verweilen konnte. Diese wenigen Namen genügen, um die Menge ungenannter Helden und Heiligen erahnen zu lassen, die durch das schlichte, aber wirksame Zeugnis ihres Lebens die Menschheit und die Kirche reicher gemacht haben. 5. In Ihrem wissenschaftlichen Kongreß haben Sie von verschiedenen Gesichtspunkten aus die zwischen der ungarischen Kultur und dem Christentum bestehenden Bande untersucht. Die Kultur spielt eine besondere Rolle auf dem Weg der Bildung des Menschen. Die Vielfalt und Vielgestaltigkeit der Kulturen, die sich in verschiedenen Epochen und verschiedenen ethnischen Gruppen gebildet haben, stellen einen wahren Reichtum für die Menschheit dar. Es ist dämm verfehlt, Kulturen, die anders sind als die eigene, geringschätzig oder feindselig zu betrachten. Mit einer solchen Einstellung läßt man den Keim zu einer neuen Barbarei sich einnisten, die Zerstörung und Tod verkündet. Demgegenüber ist es notwendig, auf jenen Prozeß der Einigung der Menschheit hinzuwirken, den der Prophet Jesaja vorausschaute und herbeiwünschte, als er die Zeit ankündigte, in der die Menschen ihre Schwerter in Pflugscharen und ihre Lanzen in Sicheln umschmieden würden, um zusammen im Licht des Herrn zu gehen (vgl. Jes 2,4-5). Diese von Gott gewollte geschwisterliche Gemeinschaft der Menschen läßt sich nur dann verwirklichen, wenn jedes Volk den Beitrag seiner eigenen Überlieferungen und der eigenen Kultur beisteuert. Ich sehe mit Freude, daß sich zu diesem Kongreß Gelehrte aus nicht weniger als 38 Ländern versammelt haben. Ihr Zusammenkommen aus verschiedenen Ländern und Kontinenten, um die früheren und jetzigen Werte der christlichen ungarischen Kultur tiefer zu erforschen, erhält einen gleichsam symbolischen Wert: Es zeigt, welches die Straße ist, die der Zukunft Ungarns, Europas und der Welt entgegenführt! 6. Mein kürzlicher Besuch in Ungarn vollzog sich unter dem Leitwort: „Christus ist unsere Hoffnung.“ Ein neues Jahrtausend steht vor uns. Werden die Christen von heute ihrer Vorfahren würdig zu sein wissen und die Schwelle des Jahres Zweitausend mit der emporgehaltenen Fackel des von den Vätern ererbten Glaubens überschreiten? Vor wenigen Wochen hat die Ungarische Bischofskonferenz ein Schreiben veröffentlicht, in welchem die großen Linien zum Aufbau einer gerechteren und brüderlicheren Welt entworfen werden. Die Bischöfe berühren darin auch das Thema der Kultur und unterstreichen die wesentliche Rolle, die dieser im Leben des Men- 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen auf dem Weg zu seiner vollen Reife zukommt. In der ungarischen Kultur, über die Sie in diesen Tagen nachgedacht haben, hat der christliche Glaube eine wesentliche Rolle gespielt. Er hat ihr auch die Verbindungen mit den anderen Kulturen des Kontinents gewährleistet. Will man ihm diesen Beitrag absprechen, so bedeutet das, sich die Möglichkeit versperren, in die tiefe Seele des ungarischen Volkes einzudringen. Nicht ohne Überlegung hat das diktatorische Regime der vergangenen Jahrzehnte nicht nur die persönlichen Freiheiten behindert, sondern es hat auch versucht, die Kenntnis von Überlieferungen der christlichen Kultur durch Neuinterpretation und Fälschung der Vergangenheit auszulöschen. Die Jahre des Umbruchs haben ans Licht gebracht, wie ganze Generationen herangewachsen sind, ohne etwas von der christlichen Tradition zu wissen. So waren sie der darin begründeten Werte und Ideale beraubt. Gerade hier muß eines der Motive für die Unsicherheit und Verwirrung erkannt werden, an der heute viele Jugendliche leiden. Es müssen ihnen wieder Perspektiven voll Hoffnung gegeben werden. „Christus ist unsere Hoffnung!“ 7. Möge auch Ihr Einsatz, geschätzte Wissenschaftler aus den verschiedenen Gebieten der ungarischen Kultur, zu dieser Wiederherstellung der Werte beitragen, von denen die Zukunft der Nation abhängt. Auch dank Ihrer Hilfe wird das geliebte ungarische Volk den Schwierigkeiten der Gegenwart so entgegentreten können, wie es die Vorfahren in nicht weniger schwierigen Zeiten als den unsem zu tun wußten. Einer der großen Dichter der ungarischen Literatur, Bälint Balassi - der mir auch darum liebenswert ist, weil er mit meiner Heimat in Kontakt stand -, schrieb seine schönsten religiösen Lieder gerade in den Jahren der Türkengefahr, die die Existenz der ungarischen Nation bedrohte. Auch ein weiteres Mal wird Ungarn mit der Hilfe Gottes und dem einmütigen Einsatz aller seiner Söhne und Töchter die Schwierigkeiten zu überwinden wissen, die heute seinen Weg behindern. Mit diesem Wunsch, den ich der Fürsprache der „Magna Domina Hungarorum“ und des hl. Königs Stephan anvertraue, erteile ich allen meinen Segen. Mut zum Aufbau einer besseren Zukunft Grußworte an den Generalstab der Internationalen Streitkräfte am 17. September Meine Damen und Herrn! Es ist mir eine große Freude, Sie heute hier begrüßen zu können. Ich danke Ihnen für diese von Ihnen gewünschte Begegnung mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri an diesem Apostolischen Stuhl, der eine so wesentliche und grundlegende Rolle in der Geschichte Europas und für den Aufbau der europäischen Zivilisation gespielt hat. Es kann niemanden überraschen, daß der Hl. Stuhl 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit größter Aufmerksamkeit alles verfolgt, was das Leben und das Wohl dieses Kontinents und seiner Menschen betrifft. Wenn sich auch nicht ignorieren läßt, daß das Europa des 20. Jahrhunderts nicht immer ein glänzendes Beispiel für Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität war, so muß uns aber doch die Tatsache freuen, daß sich ein neues und klares Bewußtsein der Notwendigkeit der Veränderung der europäischen Gesellschaft durchgesetzt hat, um eine von Sicherheit, Kooperation und Frieden gekennzeichnete Zukunft zu garantieren. Ich möchte hoffen, daß auch Sie sich den Aufbau einer besseren Zukunft dieses Kontinents zur Aufgabe gemacht haben. Sicherheit kann nicht einem permanenten und sich progressiv entwickelnden bewaffneten Frieden entsprechen. Sie entsteht vielmehr aus einer gewissen Art und Weise des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Damit der Friede tatsächlich eine Realität für die Gemeinschaft der europäischen Nationen werden kann, brauchen wir authentische Solidarität, eine Solidarität, die „nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern ist. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das .Gemeinwohl ‘ einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Diese Solidarität muß allen gelten, denn es ist nicht möglich, in Sicherheit oder innerlich in Frieden zu leben, während unsere Brüder und Schwestern von Angst und Pein geplagt sind. Das enorme Ausmaß der Aufgabe ist offensichtlich. Werden die Verantwortlichen der Nationen und diejenigen, die Einfluß haben auf das staatliche Leben wirklich jene Ursachen bekämpfen, die das gesellschaftliche Gleichgewicht stören? Wird in Europa eine Haltung vorherrschen, die nur dem Stärksten erlaubt, das Ziel zu erreichen, während die Bedürfnisse der Schwachen und Schutzlosen ignoriert werden? Die Kirche wird nie versäumen, die unveräußerliche Würde und die unveräußerlichen Rechte jedes menschlichen Wesens zu verkünden, unabhängig von und vor allen staatlichen oder gesetzmäßigen Konzessionen. Wenn Europa in Gerechtigkeit und Frieden aufgebaut werden soll, muß die Kultur, die Gesetzgebung und Lebensweise dieses Kontinents die transzendente Dimension der menschlichen Person anerkennen und verteidigen. Nur durch die Anerkennung dieses grundlegenden Aspekts der menschlichen Natur kann die Gesellschaft fortbeste-hen, indem sie jene Rechte und Verantwortungen aufrechterhält, die unweigerlich in der Würde des Menschen ihren Ursprung haben. Andernfalls wird alles schließlich von den willkürlichen Entscheidungen der einen zum Schaden der anderen abhängig sein, und Europa wird Gefahr laufen, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Während sich das gegenwärtige Jahrhundert dem Ende nähert, bereitet sich die Christenheit auf das zweitausendjährige Jubiläum der Geburt Christi vor. Wir sind aufgerufen, den Weg der Erneuerung und der Vergebung, der Achtung und Liebe zu gehen. Das ist der Weg, der auf der Schwelle des dritten Jahrtausends die kom- 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menden Generationen befähigen wird, jene Grundsätze zu erkennen, die in einer wirklich menschenwürdigen Gesellschaft vorherrschen. Ich hoffe, daß Sie ihre beruflichen Fähigkeiten stets in den Dienst eines solchen Ziels stellen werden. Möge der Allmächtige Gott Ihnen und Ihrer Arbeit für Europa und die gesamte Menschenfamilie seinen Segen spenden. Solidarität mit den Armen und nach Gott Suchenden Schreiben an den Generalminister der Kapuziner, Pater John Corriveau, anlässlich des Internationalen Kongresses über die laikale Dimension der Kapuzinerberufung vom 18. September 1. Es ist mir eine Freude, meinen herzlichen Gruß an Sie zu richten anläßlich des internationalen Kongresses über die laikale Dimension der Kapuzinerberufung, der in diesen Tagen in Rom stattfindet. In Gedanken wende ich mich auch in herzücher Verbundenheit an Ihre zahlreichen Mitbrüder, die aus verschiedenen Teilen der Welt zusammengekommen sind, um unterschiedliche Erfahrungen von brüderlichem Leben auszutauschen und nachzudenken über die gemeinsame Berufung, in der Kirche und in der Welt als Minderbrüder zu leben, dem Vorbild und den Lehren des hl. Franz von Assisi folgend. Die Kapuziner haben eine langjährige Tradition laikalen geweihten Lebens aufzuweisen, das seit den Ursprüngen ihr Dasein und ihr Apostolat gekennzeichnet hat. Ich denke an die große Schar von „Laienbrüdern“, die heute noch als leuchtende Vorbilder der Heiligkeit und wundervolle Beispiele des besonderen franziskanischen Lebensstils gelten, der in alltäglichem Zeugnis für das Evangelium und die Teilnahme am Leben der bescheidenen, einfachen Leute besteht. In diesem Zusammenhang möchte ich in erster Linie an Felix von Cantalice erinnern, der es verstand, das Ferment der vom Evangelium gelehrten Nächstenliebe auf die Straßen der Ewigen Stadt zu tragen: Mit demselben Geist der Einfachheit und Minderbrüderlichkeit ging er sowohl auf das gemeine Volk und die Armen zu als auch auf hohe weltliche wie kirchliche Würdenträger, welche gerne Umgang mit ihm pflegten und seinen erleuchteten Rat einholten. Was soll man sodann von den Wundem der Gnade sagen, die unter dem Gottesvolk von Serafino von Mon-tegranaro, Ignatius von Läconi, Franciscus Maria von Camporosso, Konrad von Parzham und vielen anderen Brüdern gewirkt wurden, die beim Almosensammeln, im Pförtnerdienst oder bei der Pflege von Kirche und Kloster die Liebe zu Christus auszudrücken wußten, die sie aus der Innigkeit langer Stunden der Meditation und des Gebets geschöpft hatten. 2. In dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita consecrata habe ich die grandlegenden Eigenschaften der Spiritualität des laikalen geweihten Lebens und dessen Aktualität für die heutige Zeit umrissen (vgl. Nr. 60). In demselben Doku- 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ment habe ich auch erwähnt, daß es innerhalb der Kirche sogenannte „gemischte“ Ordensinstitute gibt, „die aufgrund des ursprünglichen Planes des Stifters die Gestalt von Brüdergemeinschaften hatten, in denen alle Mitglieder - Priester und Nichtpriester - untereinander als gleich angesehen wurden“ (Nr. 61). Es ist bekannt, daß Franz von Assisi - als er die Anfänge seiner geistlichen Erfahrung und der seiner ersten Gefährten in seinem Testament beschrieb - gerade den Aspekt der Brüderlichkeit hervorhob: „Und nachdem der Herr mir Brüder geschenkt hatte, zeigte mir niemand, was ich tun sollte, doch der Höchste selbst tat mir kund, daß ich nach der Form des heiligen Evangeliums leben sollte“ (ital. in: Fonti Francescane, Nr. 116). Ihr religiöser Orden ist demnach eine Brüdergemeinschaft, zusammengesetzt aus Klerikern und Laien, die dieselbe Ordensberufung entsprechend dem Charisma der Franziskaner und Kapuziner teilen, wie es in seinen Grundzügen durch eigene, von der Kirche gebilligte Gesetzgebung festgelegt ist (vgl. Konstitutionen, Nr. 4). 3. Ich wünsche, daß dank dem Impuls Ihrer erleuchteten Führung, hochwürdiger Pater, jedes Mitglied des Ordens sich immer mehr der besonderen religiösen Identität bewußt werde, die diesen auszeichnet. Somit werden die Kapuziner fähig sein, das Evangelium mit erneuerter Begeisterung auch zu den Menschen unserer Zeit zu bringen und mit dem Wort und dem Beispiel ihres Lebens jenen Geist der Minderbrüderlichkeit und des Teilens zu bezeugen, der sie den bescheidenen und einfachen Leuten besonders nahebrachte und solidarisch mit ihnen werden ließ und der ihre Gemeinschaften zu einem herzlichen und zugänglichen Bezugspunkt für die Armen und die aufrichtig nach Gott Suchenden gemacht hat. Gerne schließe ich mich dem Gebet des Lobes und Dankes an, das Sie, hochwürdiger Pater, in diesen Tagen zusammen mit Ihren Mitbrüdem zum Herrn erheben für die vielen Gnadengaben, mit denen er Ihre Ordensfamilie hat bereichern wollen. Mit diesen Gefühlen rufe ich den himmlischen Schutz der Unbefleckten Mutter des Herrn, des hl. Franz von Assisi und aller Heiligen des Ordens herab und spende Ihnen sowie allen Kongreßteilnehmern und ihren Brüdergemeinschaften auf der ganzen Welt den Apostolischen Segen. Aus Castel Gandolfo am 18. September 1996 Joannes Paulus PP. II 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Benediktinisches Mönchtum an der Schwelle zum Dritten Jahrtausend Schreiben an den Abtprimas der Benediktinischen Konföderation, Pater Marcel Rooney, vom 23. September 1. Mit Freude habe ich zur Kenntnis genommen, daß in diesen Tagen der Äbtekongreß der Benediktinischen Konföderation stattfindet. Meinen herzlichen Gruß richte ich vor allem an Sie, der Sie durch das Vertrauen der Mitbrüder in das Amt des Abtprimas der Konföderation berufen wurden, und ich übersende Ihnen für Ihren Dienst, der Sie erwartet, meine Segenswünsche, ist es doch ein Dienst an allen jenen, die der Regel des hl. Patriarchen Benedikt folgen. Mein Gruß ergeht des weiteren an alle anwesenden Äbte, Prioren und Konventua-len sowie ebenso an alle Äbtissinnen und Priorinnen, die hier die Benediktinerin-nen vertreten, aber nicht zuletzt auch an alle ehrenwerten Gäste anderer monasti-scher Traditionen. Mein ganz besonderes Gedenken gilt schließlich jenen Mönchen, die, von der Liebe Christi beseelt, hierhergekommen sind, um Zeugnis abzulegen von der monastischen Tradition der Kirchen, die noch nicht in voller Einheit mit der katholischen Kirche stehen. 2. Die Arbeiten des Kongresses zielen ganz besonders auf das Thema der menschlichen, philosophischen, theologischen und monastischen Ausbildung ab, die in den benediktinischen Gemeinschaften geboten wird. Nach der Bischofssynode über das geweihte Leben und seine Mission in Kirche und Welt ist dieses Thema sehr angebracht. In der Tat „hat die Synodenversammlung besondere Aufmerksamkeit der Ausbildung dessen Vorbehalten, der die Absicht hat, sich dem Herrn zu weihen“ (Vita consecrata, Nr. 65), und sie hebt besonders hervor, daß „die ständige Weiterbildung sowohl für die Institute des apostolischen Lebens als auch für die des kontemplativen Lebens eine für die Weihe an Gott wesentliche Forderung ist“ (ebd., Nr. 69). Die Bischofssynode, die den Hirten der Kirche die Möglichkeit einer vertiefteren Reflexion über das monastische Leben geboten hat, führte dazu, daß man in verschiedenen Beiträgen die Werte des Evangeliums besonders hervorhob (vgl. ebd., Nr. 6). Um im eigenen Leben solche Werte in die Tat umzusetzen, bemüht sich der Mönch daher um „einen harmonischen Einklang zwischen innerem Leben und Arbeit in der Verpflichtung nach dem Evangelium zur Änderung der Gewohnheiten, zum Gehorsam und zur Beständigkeit und in der eifrigen Hingabe an die Betrachtung des Wortes (lectio divina), an die Feier der Liturgia und das Gebet“ (ebd.). 3. In der geistlichen Tradition des Mönchtums antworten die Männer und Frauen auf die Berufung Gottes, der sie anhält, eifrige Hörer seines Wortes zu sein, und sie sind bemüht, ihre Fehler zu korrigieren (vgl. Regula Benedicti, Prol., 47), indem sie die Werkzeuge der guten Werke anwenden (vgl. ebd., 4,75), um so „zu 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den höheren Gipfeln der Weisheit und der Tugend zu gelangen“ (vgl. ebd., 73,9). Diese Tradition geht auf die ersten Anfänge des monastischen Lebens in Ost und West zurück und bildet das geistige Erbe der Söhne und Töchter des hl. Benedikt, der seine Mönche zur fleißigen Lektüre der Vorträge, Unterweisungen und Lebensbeschreibungen der Väter - nicht zuletzt der Regel „unseres hl. Vaters Basilius“ - aufforderte; denn diese erachtete er als „Werkzeuge der Tugend für gute und gehorsame Mönche“ (vgl. ebd., 73,5). In dem zitierten Apostolischen Schreiben habe ich das geweihte Leben als „ein Sichtbarwerden der Liebe Gottes in der Welt“ (vgl. Vita consecrata, Kap. IE, Untertitel) beschrieben, denn alle Personen des geweihten Lebens sind „in die Welt gesandt, um das Beispiel Jesu nachzuahmen und seine Sendung fortzusetzen“ {ebd., Nr. 72). In der Tat „ist die Sendung für jedes Institut wesentlich, nicht nur für die des tätigen apostolischen Lebens, sondern auch für die des beschaulichen Lebens“ (ebd.). Was erwartet die Kirche von den Benediktinerklöstem? Sie müssen sich als privilegierte Orte christlichen Lebens zeigen: Orte, an denen die authentischen Werte des Evangeliums vorherrschen. Es sind „Schulen für den Dienst des Herrn“ (Regula Benedicti, Prol., 45), die einem Leben des Gebetes geweiht sind. Alle Christen sind das Licht der Erde {Mt 5,14) und dazu berufen, mit ihrem Lebenszeugnis die Werte des Glaubens aufzuzeigen; aber das Licht wird in dieser Welt sehr leicht verdunkelt oder ignoriert. Das Kloster hingegen, eine christliche Gemeinschaft, die in stabiler Weise sich dem Leben nach dem Evangelium hingibt, strahlt ein intensiveres und beständigeres Licht aus. Es ist ein Licht, das die gesamte Kirche erleuchtet und ihr Zeugnis verstärkt. Das Kloster ist eine Schule des Gebetes für die Christen, die den Herrn besser kennenzulemen wünschen; es ist ein Zeugnis immerwährender Treue, um den Glauben des Gottesvolkes zu festigen; es ist eine Proklamation der Werte des Geistes für jene Menschen, die den Herrn noch nicht kennen. 4. Heutzutage ist die Kirche ganz besonders sensibel für das ökumenische Anliegen. Auch in dieser Perspektive wird die spezifische Rolle deutlich, welche das Mönchstum an der Schwelle des Dritten Jahrtausends zu übernehmen berufen ist. In der Tat ist ja die Bedeutung bekannt, die das Mönchtum innerhalb der orthodoxen Kirche besitzt. Es ist aber auch eine gewisse monastische Fortdauer innerhalb der Gemeinschaften zu unterstreichen, die aus der Reformation hervorgegangen sind. Ferner kann das Mönchtum einen weiteren wertvollen Beitrag zum interreligiösen Dialog leisten, da auch in einigen nichtchristlichen Religionen bedeutsame Formen monastischen Lebens bekannt sind und praktiziert werden. Segensreiche Einflüsse wird das Mönchtum nicht zuletzt auch auf die bürgerliche Gesellschaft ausüben, in der durch den rapiden technologischen Fortschritt verursachte Neuerungen aller Art oft Verwirrung und Unruhe stiften. Gerade in diesem Kontext bieten die für die Benediktiner typische Stabilitas, der geordnete Ablauf der täglichen Aufgaben und der innere Friede als Frucht der tiefen Gemeinschaft 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit Gott, Bezugsmodelle, die imstande sind, Männer und Frauen, die in die Welt von heute versunken sind, anzuziehen, zu erleuchten und zu orientieren. Die Benediktinerklöster werden auf diese Weise weiterhin das sein, was sie im Laufe der Jahrhunderte immer gewesen sind: leuchtende Zentren eines authentischen christlichen Humanismus. 5. In dieser Perspektive wird die unersetzliche Funktion einer ernsthaften spirituellen und lehrmäßigen Ausbildung im Leben des Mönches deutlich. Sie umfaßt die verschiedenen Bereiche im Dasein des Jugendlichen, der sich anschickt, sein Leben Gott zu weihen um des Himmelreiches willen, und sie begleitet ihn dann, wenn auch mit den selbstverständlichen Anpassungen, während der nachfolgenden Phasen des Weges in den Fußstapfen des hl. Benedikt. Daher war es auch angebracht, daß der Kongreß sein besonderes Augenmerk auf diesen Aspekt der monastischen Erfahrung gerichtet hat, um so zu versuchen, den Aspiranten für ein solches Leben sowie auch jenen Mönchen, die bereits ihre Pro-feß abgelegt haben, den Reichtum der Berufungen, die der Herr an sie gerichtet hat, und der infolgedessen ihnen anvertrauten Sendung immer mehr bewußt zu machen. Jeden der Kongreßteilnehmer möchte ich an die Aufforderung des hl. Benedikt erinnern, „auf dem Weg der Gebote Gottes in der unaussprechhichen Wonne der Liebe voranzugehen“ (Regula Benedicti, Prol., 49), und ich vertraue Maria, der „Regina monachorum“, die Arbeiten des Kongresses und die daraus hervorgehenden Lösungen an. Ihnen und allen Anwesenden erteile ich als Unterpfand himmlischer Gnaden von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, 23. September 1996 Joannes Paulus PP. II Erneuerung und Erziehung im Zeichen überreicher Erlösung Schreiben an den Generaloberen der Kongregation des Heiligsten Erlösers, Pater Juan M. Lasso de la Vega, zum Gedenken der 300. Wiederkehr des Geburtstages des hl. Alfons Maria von Liguori vom 24. September 1. Das dreihundertjährige Gedächtnis der Geburt des hl. Alfons Maria von Liguori (27. September 1696) ist Grund zu einer verstärkten Danksagung an den Herrn für die „copiosa redemptio“ („überreiche Erlösung“), deren Verkündigung an die Verlassenen und besonders an die Armen das Geheimnis des Lebens des hl. Kirchenlehrers darstellte. Gleichzeitig regt es alle Redemptoristen dazu an, ihre Treue zum Ordenscharisma zu erneuern, indem sie es in dieser Zeit mutig und 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vertrauensvoll umsetzen im Licht der Herausforderungen, denen die Kirche an der Schwelle zum dritten Jahrtausend gegenübersteht. Wie ich es schon anläßlich des zweihundertsten Todestags des hl. Alfons tat, schließa ich mich heute mit großer Freude allen Redemptoristen an und teile „die noch aktuelle Erinnerung an einen Heiligen, der zu seiner Zeit ein Lehrer der Weisheit war und durch das Beispiel seines Lebens sowie seiner Lehre weiter wie ein Widerschein Christi, des Lichtes der Völker, den Weg des Volkes Gottes eb-hellt“ (Apostol. Schreiben Spiritus Domini, in: Der Apostolische Stuhl [1987], S. 1574). Damals hatte ich an das angeknüpft, was meine Vorgänger gesagt hatten; nachdem ich die Grundzüge der liguorianischen Lehre auf geistiger, sittlicher und seelsorglicher Ebene erwähnt hatte, wollte ich auch hinweisen auf „die Wünsche eines so erhabenen Vaters für sein Erbe“, ausgedrückt „in seinem Leben, in seinem pasto-ralen Wirken und in seinen Schriften: die Treue zu Christus und seinem Evangelium; die Treue zur Kirche und ihrer Sendung in der Welt; die Treue zum Menschen und zu unserer Zeit; die Treue endlich zum Charisma Eures Instituts“ (ebd., S. 1580-1581). Was ich damals feststellte, verdient es, in der Perspektive des bevorstehenden dritten Jahrtausends wiederaufgenommen und weiterentwickelt zu werden. Denn diese Zeit verlangt von der ganzen Kirche eine erneuerte Antriebskraft für die Evangelisierung, gespeist von einer aufrichtigen Bekehrung auf persönlicher, gemeinschaftlicher und sozialer Ebene. 2. Das Leben und die Lehre des hl. Alfons stellen in dieser Hinsicht einen wichtigen Ansporn dar. Seit dem Augenblick seiner Bekehrung im Jahr 1723 lebte er den Drang der Evangelisierung ohne jeden Vorbehalt, entsprechend den Worten des Apostels Paulus: „Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang hegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (7 Kor 9,16). Diese apostolische Spannung führte der hl. Alfons als grundlegende Eigenschaft und spezifisches Ziel auch seiner Kongregation an. Im Laufe der zwei Jahrhunderte ihres Bestehens wurzelten die Vitalität und die Dynamik der Redemptoristengemeinschaft in der Treue zum missionarischen Eifer. Ein beredter Zeuge dafür war - unter vielen anderen - Gennaro Maria Samelli (1702-1744), den ich vor kurzem seliggesprochen habe. Mit dieser Aussicht soll die ganze Kongregation und jedes ihrer Mitglieder ihren Weg fortsetzen: Heute ist das Bedürfnis nach dem Evangelium auf der ganzen Welt noch größer. Es gilt kraftvoll die Fülle der Bedeutung zu verkünden, die Christus für das Leben des Menschen eröffnet, sowie das unerschütterliche Fundament, das er den Werten bietet, oder die neue Hoffnung, die er in unsere Geschichte einbringt. Es handelt sich um eine Art zu predigen, die eingebettet sein muß in die konkreten Herausforderungen, die die Menschheit heutzutage aufzunehmen hat und von der ihre 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zukunft selbst abhängt. Nur so kann die Kultur des Lebens, die wir alle herbeiwünschen, wirklich Gestalt annehmen. 3. Die Formen dieser Verkündigung müssen im Licht der Möglichkeiten und der Bedürfnisse in den verschiedenen Lebensbereichen ständig erneuert werden. Diese Erneuerung wird heute angesichts der raschen sozialen und kulturellen Entwicklung um so dringender. Das gilt in besonderer Weise für die „Volksmission“, die im Laufe dieser zwei Jahrhunderte die Predigttätigkeit der Redemptoristen gekennzeichnet hat. Die Treue zu den grundlegenden Anweisungen des hl. Alfons wird sich mit dem Mut zu zweckmäßigen Anpassungen paaren müssen, damit diese apostolische Methode auch in Zukunft den Erwartungen des Volkes Gottes gerecht werde. Man muß sich außerdem der anderen modernen Mittel bedienen, die es ermöglichen, die Wahrheit zu den Männern und Frauen der heutigen Zeit zu bringen. Unter den besonders beeindruckenden Aspekten des Werks des hl. Alfons ist auch sein Einsatz als Schriftsteller zu erwähnen: Die Zahl seiner Schriften, die rasche Folge von Ausgaben und Übersetzungen, die Fähigkeit, in einer einfachen und allen zugänglichen Sprache auch die anspruchsvollsten Wahrheiten des Glaubens und der Moral auszudrücken, haben seine Lehre in allen Schichten des Christenvolkes verbreitet. Gerade von diesem Vorbild mögen sich die heutigen Redemptoristen zu einem immer fachkundigeren Gebrauch aller sozialen Kommunikations-mittel anspomen lassen, wobei sie aber gleichzeitig einem einfachen, wesentlichen und klaren Stil treu bleiben sollen. Die Verkündigung ist glaubwürdig, wenn sie, der Pädagogik Christi folgend, in der geduldigen Begleitung des Gewissens eines jeden Menschen auf dem Weg hin zum Wahren und Guten konkrete Form annimmt. Der hl. Alfons hat ein kraftvolles Zeugnis dafür abgelegt, daß die Aufrichtigkeit des Predigens sich in die fürsorgliche Aufnahme eines Vaters und in die Geduld eines Arztes verwandeln muß -vor allem im Sakrament der Wiederversöhnung -, damit sich jeder Mensch dem Handeln Christi, des Erlösers, öffnen kann. Die Treue zu ihrem Ordensstifter fordert besonders von den Redemptoristen diese Fähigkeit und diesen Einsatz, die unverzichtbar sind für jene „allgemeine Mobilisierung der Gewissen und [...] gemeinsame sittliche Anstrengung“ (Evangelium vitae, Nr. 95), die ich immer als Lösungsweg auch der schwierigsten Probleme, wie zum Beispiel der das Leben betreffenden, bezeichnet habe. 4. Die Vertiefung der Moraltheologie ist ein Teil dieses Plans. Der hl. Alfons hat sich besonders dafür eingesetzt, daß die Trennung zwischen Glauben und Leben in allen Schichten des Volkes Gottes überwunden werde. Die praktische Ausrichtung ihres Stifters muß auch weiterhin seine Söhne in ihrem pastoralen Wirken antreiben, vor allem hinsichtlich der Erneuerung des Bußsakraments. Man darf sich niemals auf die einfache Aufzählung der Prinzipien beschränken, sondern muß durch diese die Alltäglichkeit beleuchten, damit dem Gewissen eines jeden Ge- 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tauften ein sicherer Weg ermöglicht werde. Diese Zweckmäßigkeit der Lehre des hl. Alfons fordert Konkretheit und Beschränkung auf das Wesentliche als Antwort auf die Fragen, die für das Volk tatsächlich von Bedeutung sind in der Treue zum Evangelium und zur lebendigen Tradition der Kirche. Sie führt zur Reifung von Gewissen, die fähig sind, die Gesamtheit der verschiedenen Lebensumstände mit der Weisheit des Geistes zu erleuchten. Mit dem hl. Alfons muß man auch die zentrale Gestalt Christi als Geheimnis der Barmherzigkeit des Vaters für alle Bereiche der Seelsorge hervorheben. Die Redemptoristen dürfen nie müde werden, die „copiosa redemptio“ zu verkünden, das heißt die unendliche Liebe, mit der Gott durch Christus sich der Menschheit zuneigt, wobei er immer bei denen beginnt, die der Heilung und Befreiung am meisten bedürfen, weil sie auch am meisten von den unseligen Auswirkungen der Sünde gezeichnet sind. Möge das, was der Stifter über sich und seine Gefährten sagte, auch für die Söhne von heute gelten: „Bei uns spricht man von nichts anderem als von der Passion des Erlösers, damit die Seelen an Jesus Christus gebunden werden“ (vgl. Werke, Bd. III, Turin 1847, 289). Möge der seelsorgerische Einsatz der ganzen Kongregation auch in Zukunft das Volk zur Begegnung mit dem gekreuzigten Christus führen, das heißt mit „der Liebe, die er uns am Kreuz bewiesen hat“ (vgl. Übung der Liebe zu Jesus Christus: Asketische Werke, Bd. 1, Rom 1933, 5). 5. Deswegen darf man nie mit der Verkündigung der göttlichen Barmherzigkeit aufhören. Der Aufruf des hl. Alfons ist auch heute noch für die ganze Pastoral aktuell: „Man muß sich davon überzeugen, daß die Bekehrungen, die nur aufgrund der Furcht vor den göttlichen Strafen erfolgen, von kurzer Dauer sind ... wenn die heilige Liebe Gottes nicht in das Herz eindringt, wird man schwerlich darin beharren.“ Deshalb soll „die Hauptaufgabe des Predigers“ darin bestehen, „während jeder seiner Predigten die Hörer durch die heilige Liebe zu entflammen“ (vgl. Werke, Bd. HI, Turin 1847, 288). Aus dieser auf die Liebe ausgerichteten Bekehrung geht ein beständiger Drang zur Heiligkeit hervor. Indem er die Menschen die Stärke der Barmherzigkeit erfahren läßt, mit der sich Gott dem Menschen zuneigt, um ihn zu heilen und zu befreien, kann der hl. Alfons alle Menschen, auch die einfachsten und ärmsten, zur Wiederentdeckung der Berufung und auf den Weg der Heiligkeit leiten: ,Der Ordensmann als Ordensmann, der Laie als Laie, der Priester als Priester, die Eheleute als Eheleute, der Kaufmann als Kaufmann, der Soldat als Soldat, und so weiter für jeden anderen Stand“ (vgl. Übung der Liebe zu Jesus Christus, a.a.O., 79). Gleichzeitig verleiht er dieser Heiligkeit eine deutliche, evangelisierende Spannung, die dazu führt, sich für die eigene Umwelt einzusetzen. Die Anstrengungen für die Förderung eines Laienstandes, der sich der Würde und der Verantwortungen, die aus der Taufe hervorgehen, immer bewußter wird, ist wesentlich für eine Kirche, die den Herausforderungen des dritten Jahrtausends gewachsen sein will. Die Redemptoristen haben immer in einer tiefen Gemein- 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft mit dem Volk gelebt. Heute verstärken sich die Forderungen der Laien, vor allem der Jugendlichen, nach einer größeren Teilnahme am Leben und an der Sendung der Ordensleute. Diese Forderungen haben in den vom letzten Generalkapitel der Kongregation beschlossenen Weisungen schon eine erste Antwort gefunden. Auf diesem Weg soll mutig vorangegangen werden, bei gleichzeitiger Achtung der spezifischen Eigenschaften sowohl des weltlichen als auch des geweihten Lebens. 6. Der hl. Alfons wird nicht müde, immer wieder auf die Notwendigkeit der Treue zu den Entscheidungen und Bestimmungen hinzuweisen, kraft deren der Erlöser die Botschaft von Gott unter uns gewesen ist. In den ursprünglichen Regeln der Kongregation wird die Nachfolge des Erlösers als grundlegendes Gesetz bestätigt. Das fleischgewordene Wort teilt unsere Lebensbedingungen, es wird für uns zur Gegenwart und Erfahrung Gottes, es stellt sich als aufrichtige und entschiedene Verkündigung dar bis hin zum Kreuz und zur Auferstehung. Der Geist leitet die Kirche immer auf diesem Weg (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Der hl. Alfons fordert von seinen Kindern, daß sie das Bedürfnis, auf den Wegen Christi weiterzugehen, auf eindeutigere und entschiedenere Weise bezeugen: Menschwerdung ujd Teilhabe, verständliches Zeugnis, Aufrichtigkeit und Bedeutsamkeit der Verkündung, selbstlose Teilnahme an der Entäußerung des Kreuzes sind wesentlich für all jene, die mit apostolischer Wirksamkeit evangelisieren wollen. Es ist vor allem nötig, der Entscheidung des Gründers zugunsten der Verlassenen treu zu bleiben. Genau auf diesem Grundstein wurde die Kongregation im Jahre 1732 ins Leben gerufen. Es handelte sich um eine grundsätzliche Entscheidung zugunsten jener, die selbst von der Seelsorge am Rand gelassen wurden: Die Welt der Verlassenen wurde zur Welt des hl. Alfons. Sie soll die Welt jedes Redemptoristen bleiben als Ergebnis einer beständigen Einsicht inmitten der verschiedenen Situationen der Kirche, um rechtzeitig auf die auftretenden Dringlichkeiten reagieren zu können. All dies ist bedeutsam für das ganze Volk Gottes bei seinem Einsatz für eine neue Evangelisierung und Bekehrung, der als Vorbereitung auf das dritte Jahrtausend vermehrt werden muß. Angesichts der alten und neuen Situationen der Verlassenheit muß die Kirche das Wirken des guten Hirten fortführen, der die neunundneunzig zurückläßt und dem einen verlorenen Schaf nachgeht (vgl. Lk 15,4-7). 7. Eine solche Anstrengung ist ohne eine beständige geistige Erneuerung unmöglich. Der hl. Alfons wiederholt das unaufhörlich voller tiefempfundener Liebe und Vertrauen: „Wer in die Kongregation des Allerheiligsten Erlösers berufen ist, wird nie zu einem Nachfolger Jesu Christi und nie heilig werden, wenn er nicht den Zweck seiner Berufung erfüllt und nicht vom Geist dieses Instituts beseelt ist, nämlich die der geistigen Hilfe bedürftigsten Seelen zu retten, wie es oft bei den armen Leuten in ländlichen Gegenden der Fall ist. 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dies war schon damals das Ziel der Menschwerdung des Erlösers, der von sich sagte: .Spiritus Domini... unxit me evangelizare pauperibus1“ (vgl. Werke, Bd. IV, Turin 1847, 429-430). Deshalb vertraute er auf die starke Fürsprache Marias, der er sich selbst und seine Kongregation anvertraut hatte. Gern mache ich mir die Worte und das Gebet des Gründers zu eigen und haue darauf, daß sein Vorbild nicht nur die Redemptoristen und Redemptoristinnen, sondern das ganze Volk Gottes zu einem dynamischeren Streben nach der Fülle der Heiligkeit im großzügigen Dienst an den Brüdern anregt. Mit diesen Wünschen spende ich Euch und der ganzen Kongregation als Unterpfand meiner steten Zuneigung einen besonderen Apostolischen Segen. Castel Gandolfo am 24. September 1996 Tiefe Übereinstimmung in Ziel und Weg Schreiben an Joseph Kardinal Ratzinger, Vorsitzender der Internationalen Theologenkommission, vom 4. Oktober Mit großem Bedauern mußte ich in diesem Jahr darauf verzichten, die Mitglieder dieser Internationalen Theologenkommission anläßlich ihrer Vollversammlung zur gewohnten eucharistischen Konzelebration in meiner Kapelle zu empfangen. Die Tatsache, daß es sich um die letzte Session dieses Fünfjahresturnus handelt, macht dieses Bedauern noch größer. Während ich Sie, verehrter Bruder, bitte, dies den Teilnehmern an der Vollversammlung zum Ausdruck zu bringen, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um einem jeden meine ganze Dankbarkeit für das in diesen fünf Jahren vollbrachte Werk auszusprechen. Regelmäßig über den Verlauf der Arbeiten informiert, habe ich daraus mit Freude entnommen, zu welch einer tiefen Übereinstimmung mit den Zielen und dem Weg der Kommission ich kam, als ich in diesen Jahren in einigen meiner Enzykliken grundlegende Themen darlegte. Wie sollte man nicht an das ähnliche fruchtbare Einvernehmen denken, das zwischen dem Apostel Petrus und dem Apostel Johannes bestand, wie es uns vor allem das vierte Evangelium beschreibt? Simon, der „Fels“, dem Jesus seine Schafe anvertraute, war regelmäßig Seite an Seite mit dem Lieblingsjünger, der seinen Kopf an die Brust des Herrn lehnte. So half der Dienst des einen mit zum Dienst des andern. Wenn ich in diesem Licht die Arbeit der zu Ende gehenden fünf Jahre bedenke, möchte ich vor allem meine Zufriedenheit im Hinblick auf das Dokument über die Erlösung zum Ausdruck bringen, das kürzlich von dieser Kommission veröffentlicht wurde. Darin finde ich das Thema meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis in angebrachter Weise vertieft und beleuchtet. Die gleiche Zufriedenheit muß ich auch aussprechen hinsichtlich des Textes über das Christentum und die anderen Reügionen, den die Kommission soeben im Lauf dieser Session approbiert hat. 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In ihm ist die Thematik meiner Enzyklika Redemptoris missio über die bleibende Gültigkeit des Missionsauftrags aufmerksam wieder aufgenommen und entfaltet. In ähnbcher Weise, meine ich, findet meine Enzyklika Dives in misericordia, die gewissermaßen wie von einem Mittelpunkt aus den ganzen Weg meines Pontifikates beleuchtet, ein einzigartiges Echo und eine echte Entfaltung in dem Dokument Dieu, bonne nouvelle pour nous (Gott, die gute Nachricht für uns), das die Kommission zur Zeit überprüft und das mir vorerst nur in seinen großen Linien bekannt ist. So ist also erkennbar, daß - wenn auch nur in dem kurzen Zeitraum von fünf Jahren und in der Verschiedenheit der Charismen - jene fruchtbare Zusammenarbeit Wirklichkeit geworden ist, wie sie, im Verlauf des Zweiten Vatikanischen Konzils erprobt, als Weiterführung gerade durch die Errichtung der Internationalen Theologenkommission gewünscht wurde. Es ist ein mutiger Weg der Suche nach dem Antlitz Gottes, wobei die Jünger des Herrn, obwohl verschieden nach je eigener Persönlichkeit und Berufung, einander unterstützen und helfen. Für das alles bin ich den Mitgliedern der Kommission aufrichtig dankbar und versichere sie meines steten Gedenkens im Gebet. Ich bitte sie, auch über Ihre augenblickliche Tätigkeit innerhalb dieses Organs hinaus in diesem wertvollen kirchlichen Dienst fortzufahren, in jedem Bereich der Sendung der Kirche, in den der Herr sie beruft, um die Frohe Botschaft von Christus, dem Auferstandenen, „die Hoffnung auf Herrlichkeit“ (Kol 1,27), zu verkünden. Mit meinem von Herzen erteilten Segen. Aus dem Vatikan, 4. Oktober 1996 Joannes Paulus PP. II Erziehung der Jugend ist wesentlicher Beitrag zum Aufbau des Friedens Ansprache an vier neue Botschafter bei der Überreichung der Beglaubigungsschreiben am 4. Oktober Exzellenzen! Ich freue mich, Sie heute hier zu empfangen und die Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, die Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Ihrer jeweiligen Länder akkreditieren: Japan, Ägypten, China und die Niederlande. Es ist mir ein Anliegen, meine Hochachtung und Freundschaft gegenüber den Behörden Ihrer Nationen wie auch gegenüber Ihren Mitbürgern erneut zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte Ihnen aufrichtig für die herzlichen Botschaften danken, die Sie mir seitens Ihrer jeweiligen Staatsoberhäupter überbracht haben. Ich wäre 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihnen dankbar, wenn Sie ihnen im Gegenzug meine ehrerbietigen Grüße und meine herzüchen Wünsche für ihre Person und für ihren wichtigen Auftrag im Dienst an ihren Landsleuten übermitteln würden. In der heutigen Welt sind mehr denn je Ihre Völker Träger tiefempfundener Hoffnungen und Sehnsüchte, vor allem hinsichtlich des Friedens und der Beachtung der Menschenrechte. Zu Recht wünscht jeder Mensch, als Person mit einer eigenen Kultur und einem besonderen geistig-geistlichen Weg und zugleich als Teil eines sozialen Gefüges, in dem er den ihm zustehenden Platz einnehmen kann, anerkannt zu werden. Sie kennen das Interesse und den beständigen Einsatz des Hl. Stuhls hinsichtlich eines immer besseren Einvernehmens unter den Völkern. Friede ist der Wunsch eines Zusammenlebens zum Wohle aller und besonders der jungen Generationen, denn für sie müssen wir eine bessere Zukunft vorbereiten. Diejenigen, die heutzutage die Jugend in der Überzeugung erziehen, daß jeder Mensch unser Bruder ist und auf Grund dessen Aufmerksamkeit und Achtung verdient, bauen den Frieden. In diesem Geist ist das Erlernen von Brüderlichkeit und menschlichen, bürgerlichen, sittlichen und geistlichen Werten ein Beitrag zum Aufbau einer Zivilisation der Liebe, derer wir an der Schwelle des dritten Jahrtausends alle bedürfen. Ich bin sicher, daß Sie in Ihrer Eigenschaft als Diplomaten diesem Aspekt des gesellschaftlichen Lebens gegenüber besonders aufmerksam sind. Zum Beginn Ihrer Mission möchte ich Ihnen meije besten Wünsche aussprechen und erbitte in Fülle Gottes Segen für Sie, für Ihre Familien, Ihre Mitarbeiter und die von Ihnen vertretenen Nationen. In der Kirche gibt es keine Fremden Botschaft zum Welttag der Migranten 1996 vom 25. Juli 1995 [in Deutschland begangen am 4. Oktober] Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Phänomen der Migration mit seiner komplexen Problematik ruft heute mehr denn je die internationale Gemeinschaft und die einzelnen Staaten auf den Plan. Diese tendieren meistens dazu, durch eine Verschärfung der Ausländergesetze und eine Verstärkung der Systeme der Grenzkontrolle zu intervenieren, und die Migration verliert so die Dimension wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Entwicklung, die sie historisch besitzt. Tatsächlich ist immer weniger von der Situation der „Emigranten” in den Herkunftsländern die Rede und immer mehr von „Immigranten” unter Bezugnahme auf die Probleme, die sie in den Ländern, in denen sie sich niederlassen, hervorrufen. Die Migration erhält zusehends die Merkmale sozialen Notstands vor allem wegen der Zunahme der irregulären Migranten, eine Zunahme, die trotz der laufenden 795 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Restriktionen unaufhaltsam scheint. Ungesteuerte Migration hat es immer gegeben, und sie ist oft toleriert worden, weil sie eine Personalreserve schafft, aus der man schöpfen kann, wenn die zugelassenen Migranten allmählich in der sozialen Stufenleiter aufsteigen und in der Arbeitswelt fest Fuß fassen. 2. Heute hat das Phänomen der ungesetzlichen Migranten erhebliche Ausmaße angenommen, sei es weil das Angebot ausländischer Arbeitskräfte übergroß ist im Verhältnis zu den Erfordernissen der Wirtschaft, die schon die inländischen kaum zu beschäftigen vermag, sei es wegen der Ausbreitung der Zwangsmigration. Die notwendige Vorsicht, die die Behandlung einer so heiklen Frage gebietet, darf nicht zu passiver Zurückhaltung oder einem Ausweichen vor den Problemen werden; auch deshalb, weil davon Tausende von Menschen betroffen sind, Opfer von Situationen, die dazu bestimmt scheinen, immer schlimmer zu werden, anstatt eine Lösung zu finden. Der Status der Ungesetzlichkeit rechtfertigt keine Abstriche bei der Würde des Migranten, der mit unveräußerlichen Rechten versehen ist, die weder verletzt noch unbeachtet gelassen werden dürfen. Kirche und Migration Illegale Immigration muß verhütet werden, doch gilt es auch kriminelle Initiativen energisch zu bekämpfen, die die schwarze Emigration ausbeuten. Die passendste und dazu geeignete Wahl, langfristig gehaltreiche und dauerhafte Früchte zu bringen, ist die der internationalen Zusammenarbeit zur Förderung der politischen Stabilität und zur Beseitigung der Unterentwicklung. Das gegenwärtige wirtschaftliche und soziale Ungleichgewicht, das in großem Maß die Migrationsströme nährt, ist nicht als eine Fatalität anzusehen, sondern als eine Herausforderung für den Verantwortungssinn des Menschengeschlechts. 3. Die Kirche betrachtet das Problem der gesetzwidrigen Migranten aus der Sicht Christi, der gestorben ist, um die versprengten Kinder Gottes in Einheit zu sammeln (vgl. Joh 11,52), die Ausgeschlossenen herein- und die Fernstehenden heimzuholen, um alle in einer Gemeinschaft zu vereinen, die nicht auf ethnischer, kultureller und sozialer Zugehörigkeit beruht, sondern auf dem gemeinsamen Willen, das Wort Gottes aufzunehmen und die Gerechtigkeit zu suchen. „Gott [sieht] nicht auf die Person ..., sondern ... ihm [ist] in jedem Volk willkommen ..., wer ihn fürchtet und tut, was recht ist” (Apg 10,34-35). Die Kirche handelt in Kontinuität mit der Sendung Christi. Insbesondere sucht sie zu verstehen, wie man unter Beachtung der Gesetze Menschen helfen kann, denen der Aufenthalt auf dem nationalen Territorium nicht gestattet ist; sie fragt sich ferner, welchen Wert das Recht auf Emigration hat ohne das dazugehörende Recht auf Immigration; sie stellt sich das Problem, wie man die christlichen Gemeinschaften, die oft von einer manchmal immigrantenfeindlichen öffentlichen Meinung beeinflußt sind, an diesem Werk der Solidarität beteiligen kann. 796 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die erste Weise, diesen Menschen zu helfen, ist es, sie anzuhören, um ihre Situation kennenzulemen, und ihnen unabhängig von ihrer Rechtsstellung vor dem Staat die nötigen Unterhaltsmittel zukommen zu lassen. Es ist sodann wichtig, dem ungesetzlichen Migranten zu helfen, die behördlichen Schritte zum Erwerb der Aufenthaltsbewilligung zu unternehmen. Institutionen sozialer und karitativer Art können mit den Behörden Kontakt auf nehmen, um in Achtung vor der Legalität die passenden Lösungen für die verschiedenen Fälle zu suchen. Eine Anstrengung dieser Art ist vor allem zu Gunsten derer zu unternehmen, die in der Gesellschaft des Aufnahmelandes nach langem Aufenthalt Fuß gefaßt haben, derart, daß die Heimkehr in das Ursprungsland eine Art „Rück”-Emigration mit schweren Konsequenzen besonders für die Kinder bedeuten würde. Konkrete Lösungsmöglichkeiten 4. Wenn keine Lösung möglich scheint, müßten dieselben Institutionen die von ihnen Betreuten dahin orientieren, daß sie entweder in anderen Ländern Aufnahme suchen oder den Weg zurück in die Heimat nehmen, und ihnen dabei nötigenfalls auch materiell helfen. Bei der Lösung des Problems der Migration im allgemeinen und der gesetzwidrigen Migranten im besonderen spielt die Haltung der Gesellschaft des Aufnahmelandes eine bedeutende Rolle. In dieser Hinsicht ist es sehr wichtig, daß die öffentliche Meinung gut informiert ist über die reale Situation, in der sich das Herkunftsland der Migranten befindet, über die Tragödien, in die sie verwickelt sind, und über die Risiken, die eine Rückkehr mit sich bringt. Das Elend und Unglück, wovon sie betroffen sind, ist ein Grund mehr, um den Immigranten großherzig entgegenzukommen. Es ist nötig, zu wachen über das Auftauchen von neo-rassistischen Tendenzen oder fremdenfeindlichem Verhalten, die unsere ausländischen Brüder zu Sündenböcken eventueller schwieriger örtlicher Situationen machen wollen. Wegen der beachtlichen Ausmaße, die das Phänomen der ungesetzlichen Migration angenommen hat, muß die Gesetzgebung der betroffenen Länder soweit als möglich harmonisiert werden - auch um die Lasten einer ausgewogenen Lösung besser zu verteilen. Man muß es vermeiden, zum Gebrauch behördlicher Regelungen zu greifen, die das Kriterium der Familienzugehörigkeit einschränken wollen, mit der Konsequenz, daß zu Umecht Menschen aus der Legalität gedrängt werden, denen kein Gesetz das Recht auf Zusammenleben mit der Familie verweigern darf. Angemessener Schutz ist denjenigen zu gewähren, die zwar nicht aus von den internationalen Konventionen vorgesehenen Gründen aus ihren Ländern geflohen sind, in der Tat aber ernstlich Gefahr für ihr Leben laufen, sollten sie zur Rückkehr in die Heimat gezwungen werden. 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Ich fordere die Teilkirchen auf, die Reflexion zu fördern, Weisungen zu erlassen und Informationen bereitzustellen, um den Pastoral- und Sozialarbeitern zu helfen, in einer so heiklen und komplexen Materie überlegt zu handeln. Erforderliches Engagement der Ortskirchen Wenn das Verständnis des Problems durch fremdenfeindliche Vorurteile und Haltungen beeinträchtigt wird, darf es die Kirche nicht unterlassen, die Stimme der Brüderlichkeit zu Gehör zu bringen und Gesten zu setzen, die den Primat der Liebe unterstreichen. Die große Bedeutung, die in diesen Notsituationen den Aspekten der Hilfeleistung zukommt, darf nicht die Tatsache in den Hintergrund geraten lassen, daß sich auch unter den gesetzwidrigen Migranten viele katholische Christen befinden, die oft im Namen desselben Glaubens Seelenhirten suchen und Orte, an denen sie beten, das Wort Gottes vernehmen und die Geheimnisse des Herrn feiern können. Es ist Pflicht der Diözesen, diesen Erwartungen entgegenzukommen. Niemand ist in der Kirche fremd, und die Kirche ist niemandem und nirgendwo fremd. Als Sakrament der Einheit und somit sammelndes Zeichen und sammelnde Kraft für das ganze Menschengeschlecht ist die Kirche der Ort, wo auch die illegalen Immigranten anerkannt und als Brüder aufgenommen werden. Es ist Aufgabe der verschiedenen Diözesen, sich dafür einzusetzen, daß diese Menschen, die gezwungen sind, außerhalb des Schutznetzes der zivilen Gesellschaft zu leben, Brüderlichkeit in der christlichen Gemeinschaft erfahren. Solidarität bedeutet, gegenüber dem, der in Schwierigkeiten ist, Verantwortung wahrzunehmen. Für den Christen ist der Migrant nicht einfach ein Individuum, das er nach gesetzlich festgelegten Vorschriften zu respektieren hat, sondern eine Person, deren Anwesenheit ihn herausfordert und deren Bedürfnisse seine Verantwortung verpflichten. „Was hast du mit deinem Bruder gemacht?” (vgl. Gen 4,9). Die Antwort ist nicht in den vom Gesetz vorgeschriebenen Grenzen, sondern im Stil der Solidarität zu geben. 6. Besonders der schwache, wehrlose, an den Rand der Gesellschaft gedrängte Mensch ist Sakrament der Präsenz Christi (vgl. Mt 25,40.45). „Dieses Volk ..., das vom Gesetz nichts versteht, verflucht ist es” (Joh 7,49), hatten die Pharisäer über diejenigen geurteilt, denen Jesus auch über die von ihren Vorschriften festgelegten Grenzen hinaus geholfen hatte. Denn er ist gekommen, die Verlorenen zu suchen und zu retten (vgl. Lk 19,10), die Ausgeschlossenen und Verlassenen, die von der Gesellschaft Verstoßenen heimzuholen. „Ich war fremd ..., und ihr habt mich aufgenommen” (vgl. Mt 25,35). Es ist Aufgabe der Kirche, diese Glaubenslehre des Herrn nicht nur unablässig zu wiederholen, sondern auch deren richtige Anwendung auf die verschiedenen Situationen zu zeigen, die der Wechsel der Zeiten jeweils neu entstehen läßt. Heute tritt der ungesetzliche Migrant als jener „Fremde” vor uns, in dem Jesus 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wiedererkannt werden will. Ihn aufzunehmen und solidarisch mit ihm zu sein ist Pflicht der Gastfreundschaft und der Treue zu unserer Identität als Christen. Mit diesem Wunsch erteile ich allen auf dem Gebiet der Migration Tätigen den Apostolischen Segen als Unterpfand reichen Lohnes des Himmels. Aus dem Vatikan am 25. Juli 1995, im siebzehnten Jahr meines Pontifikats. Wege zur Verbreitung des Gottesreiches Ansprache bei der Audienz für Gebetsgruppen von Pater Pio auf dem Petersplatz am 5. Oktober Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine große Freude, mit Euch hier zusammenzutreffen und jeden einzelnen herzlichst willkommen zu heißen. Ganz besonders danke ich dem Herrn Kardinalstaatssekretär, der mit Euren Gruppen die Messe feierte. Dank auch an Msgr. Riccardo Ruotolo, der mir als Euer Sprecher die Bedeutung Eurer heutigen Pilgerschaft verdeutlicht hat. Ihr seid zahlreich hier in Rom, an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, zusammengekommen, um das vierzigjährige Bestehen des von Pater Pio da Pietrel-cina gegründeten Werks, die „Casa Sollievo della Sofferenza“ (Haus der Linderung des Leidens), zu feiern, die er im Mai 1956 in San Giovanni Rotondo einweihte. Vor zehn Jahren erfolgte dann die Anerkennung des Statuts der Gebetsgruppen, ein weiteres Ereignis, dessen ihr heute voller Dankbarkeit zum Herrn gedenken wollt. Gerne teile ich Eure Freude, die soeben während der von meinem engsten Mitarbeiter, Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, zelebrierten heiligen Messe zur Danksagung wurde. Möge die Teilnahme am Brot des Lebens eure gemeinschaftlichen Bande untereinander und mit euren Bischöfen stärken, damit Ihr als ein Herz und eine Seele ein Gott wohlgefälliges geistliches Opfer zu seinem Lobpreis darbringen könnt. 2. Anläßlich dieses zehnten Jahrestags der Anerkennung eurer Statuten sollten wir, hebe Brüder und Schwestern, nicht versäumen, die große Bedeutung hervorzuheben, die das Gebet stets in der Lehre Pater Pios eingenommen hat. Er hat Euch die Überzeugung hinterlassen, daß das Gebet das erste unerläßliche Mittel zur Verbreitung des Gottesreiches in den Herzen der Menschen ist. Möget ihr würdige Verwalter dieses Erbes sein! Seid es vor allem in diesen Jahren der Vorbereitung auf das Große Jubeljahr 2000. Übt sowohl das persönliche, vom Wort Gottes genährte Gebet als auch das gemeinschaftliche Beten, stets im Einklang mit dem in der Liturgie zum Ausdruck 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kommenden „Gebetsatem“ der Kirche. Mögen auch für Euch, wie für Pater Pio, die beiden Sakramente der Eucharistie und der Wiederversöhnung die fundamentalen Elemente des geistlichen Lebens sein: Messe und Beichte sind die vorrangigen Vermittler des österlichen Dynamismus, der aus der Kraft des Opfers Christi hervorgeht. 3. Ein solcher Dynamismus wird sich bald in tätige Liebe an den Brüdern verwandeln, insbesondere an den notleidenden und bedürftigen unter ihnen. Auch hierin ist Pater Pio euch ein Beispiel. Die intensive Beziehung zu Gott weckte in ihm, fast unwillkürlich, den Eifer der Nächstenliebe. Und die Menschen strömten immer zahlreicher zu ihm in der Hoffnung auf Hilfe und Trost für ihre physischen und geistlichen Bedürfnisse. Ständiger Ausdruck der Sorge Pater Pios für die Kranken ist die „Casa Sollievo della Sofferenza“, deren wertvolle vierzigjährige Tätigkeit auf dem Gebiet der Krankenpflege wir heute gedenken. Schon der Name, den Pater Pio seinem Werk gegeben hat, deutet auf seine grundlegende Eigenschaft hin: notwendige medizinische Behandlung, beseelt von Barmherzigkeit und christlicher Nächstenliebe. Das ist die Einstellung jener, die sich bewußt sind, in den Kranken der geheimnisvollen Gegenwart des leidenden Christus zu dienen. Sein Glaube hinderte Pater Pio jedoch nicht daran, jene Möglichkeiten wahrzunehmen, die die medizinische Wissenschaft und moderne therapeutische Technologien heute der Krankenbetreuung zur Verfügung stellen. Seine Absicht war es, die „Casa Sollievo della Sofferenza“ zu einem „Tempel des Gebets und der Wissenschaft“ zu machen (vgl. Ansprache zur Feier des ersten Jahrestags der Einweihung, 5. Mai 1957). Dieses Konzept ist auch heute noch fest verwurzelt im Werk Pater Pios, das allen, die sich voll Vertrauen an es wenden, einen qualifizierten Dienst bietet. Ich hoffe, daß es auch in Zukunft diesen Weg weitergehen wird. In der heutigen Gesellschaft, wo die Technologie einen ständig größeren Raum einnimmt, was manchmal leider auf Kosten der vollen Achtung der menschlichen Würde geschieht, beweist die von dem demütigen Kapuziner aus Pietrelcina gegründete „Casa Sollievo della Sofferenza“, daß sich Wissenschaft und Glaube gemeinsam für das ganzheitliche Wohl des Menschen einsetzen können und müssen. 4. Liebe Brüder und Schwestern, in Pater Pio bewundert ihr zu Recht einen überzeugten Diener der Kirche. Dem Beispiel des hl. Franziskus und den besten Traditionen des Kapuzinerordens folgend, blieb er auch in den dunklen Zeiten der Prüfung und Einsamkeit seinem Entschluß zum Gehorsam gegenüber den kirchlichen Autoritäten treu. Seinem Willen entsprechend sollten auch seine geistigen Kinder diese im Schoß der Kirche erlebte auf dem Evangelium begründete Integrität beibehalten. Darauf weist auch das Statut der Gebetsgruppen hin, das Msgr. Riccardo Ruotolo eben mit Recht erwähnt hat. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals das wiederholen, was ich bereits vor einigen Jahren bei der Audienz für die Pilger der Diözese Capitanata gesagt 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN habe: „Das Inkrafttreten des neuen Statuts gibt den Gruppen nun einen sicheren Leitfaden, der die Anhänger in ihrer Spiritualität und Teilnahme am Leben der Pfarrgemeinde und der Diözese führt. In enger Verbindung mit dem authentischen Lehramt der Kirche und den Anweisungen ihres Bischofs können die Gebetsgruppen nun ihre persönliche Formung im liturgischen und pastoralen Leben und in der Übung der Barmherzigkeit an den Mitmenschen besser verwirklichen“ (In-segnamenti XI/1 [1988], S. 1070). Heute richte ich erneut an jeden von Euch die Aufforderung, dem kirchlichen Geist des verehrten Paters nachzueifem und die Gemeinschaft mit Euren Hirten zu vertiefen, aktiv an den Initiativen der Pfarr- und Diözesangemeinden teilzunehmen und durch Euren wertvollen Beitrag des Gebets, der Nächstenhebe und des bezeugten Evangeliums das Leben Eurer Diözese zu bereichern. Möge Maria mit mütterlicher Fürsorge über Euch und Euer Werk wachen, damit Ihr stets offen seid für die Gnade Gottes und als dem Gebet, der Liebe und der kirchlichen Gemeinschaft geweihte Personen wachsen werdet. In diesem Sinn erteile ich von Herzen den hier Anwesenden, der „Casa Sollievo della Sofferenza“, den dort arbeitenden Ordensleuten, dem Ärzte- und Pflegepersonal und allen Kranken meinen herzlichen Segen. Die neuen Seligen — ausgezeichnete Mitarbeiter im Weinberg des Herrn Predigt während der Seligsprechungen von 16 Dienern Gottes am 6. Oktober 1. „Der Weinberg des Herrn ist sein Volk“ (Vers zum Antwortpsalm). Am heutigen Sonntag legt uns das Wort Gottes das Thema vom Weinberg vor: ein bei den Propheten beliebtes Thema, das auch in den Psalmen vorkommt. Christus hat es aufgenommen und im Geheimnis seiner Person zur Erfüllung gebracht, ja er bezeichnet sogar sich selbst als „den wahren Weinstock“, dessen Winzer der Vater ist (vgl. Joh 15,1). Die Liturgie hebt den tragischen Kontrast zwischen der Treue Gottes und der Untreue des Menschen hervor, unterstreicht aber zugleich die Absicht der göttlichen Vorsehung, die alle zur Heiligkeit beruft. Im „Lied vom Weinberg“, dessen Verfasser der Prophet Jesaja ist (Jes 5,1-7), haben wir die wunderbare Allegorie von der leidenschaftlichen und nicht erwiderten Liebe Gottes zu seinem Volk gehört. Er hat tausend Aufmerksamkeiten auf seinen Weinberg verwendet, doch dieser hat bedauerlicherweise schlechte Früchte gebracht. In auflodemder Enttäuschung droht darum der Herr, den Weinberg dem Verfall anheimzugeben. 2. Das Markusevangelium bringt das Echo auf die erste Lesung. Jesus stellt darin die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes ihren Verantwortungen gegenüber. 801 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie ihre Vorväter, die die Propheten getötet haben, so schmieden sie jetzt Pläne, Ihn, den Gesandten Gottes, zu töten. So scheint das Böse den Sieg davonzutragen, jedoch die Barmherzigkeit Gottes triumphiert. Denn durch sein Opfer überwindet Jesus endgültig den Haß und die Sünde. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden“ (Mt 21,42). Auf Jesus Christus, dem Felsen des Heiles, wird „der Weinberg des Herrn der Heere“ neu angelegt, „die Reben, die er zu seiner Freude gepflanzt hat“ (Jes 5,7). Reben, zu Gottes Freude gepflanzt, das, liebe Brüder und Schwestern, waren diejenigen, die seligzusprechen ich heute die Freude habe. Es handelt sich um Menschen - Männer und Frauen -, die dem Herrn des Weinbergs das Zeugnis unerschütterlicher Treue gegeben haben. Sie haben ihn nicht enttäuscht, sondern, mit Christus verbunden bleibend wie die Reben mit dem Weinstock, haben sie die erhofften Früchte der Bekehrung und der Heiligkeit gebracht. Sie haben ausgeharrt, auch um den Preis des höchsten, letzten Opfers. In polnischer Sprache fahr der Papst fort: 3. „Sie packten seine Knechte; den einen prügelten sie, den andern brachten sie um, einen dritten steinigten sie“ (Mf 21,35). Ist das nicht das Los, das Wincenty Lewoniuk und seine Märtyrergefährten von Podlasien (Nordpolen) traf? Als treue „Knechte“ des Herrn vertrauten sie auf seine Gnade und gaben Zeugnis für ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche in Treue zu ihrer östlichen Tradition. Sie taten es mit vollem Bewußtsein und zögerten nicht, ihr Leben als Bestätigung ihrer Treue zu Christus hinzugeben. Mit dieser hochherzigen Geste verteidigten die Märtyrer von Pratulin nicht nur das Gotteshaus, vor dem sie niedergemetzelt wurden, sondern auch die von Christus dem Apostel Petrus anvertraute Kirche, als deren lebendige Steine sie sich fühlten. So opferten sie ihr Blut in Vereinigung mit dem des Gottessohnes, der aus der Stadt gejagt und getötet wurde (vgl. Mf 21,39) für das Heil und die Versöhnung der ganzen Menschheit. Mit ihrem Beispiel und ihrer Fürsprache fordern Wincenty Lewoniuk und seine heute zur Ehre der Altäre erhobenen zwölf Märtyrergefährten uns alle auf, mutig den Weg auf die volle Einheit der ganzen Familie der Jünger Christi hin weiterzugehen im Geist der vom II. Vatikanischen Konzil gegebenen ökumenischen Richtlinien. Dann wechselte der Papst zur englischen Sprache: 4. Der sei. Edmund Ignatius Rice ist ein leuchtendes Beispiel für die Fruchtbarkeit des christlichen Lebens, wenn wir, wie der hl. Paulus an die Philipper schreibt, bedacht sind auf das, „was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, hebenswert, ansprechend ist“ {Phil 4,8-9). Hier haben wir ein herausragendes Beispiel eines echten Laienapostels und eines Ordensmannes, der sich voll und ganz hingegeben hat. Die Liebe, die er erst seiner jungen Frau schenkte und die er nach deren frü- 802 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hem Tod stets seiner Tochter bewahrte, blühte auf in einer Menge geistlicher und leiblicher Werke der Barmherzigkeit. Er half dem Klerus seiner Pfarrei, die dringenden Nöte seiner von Armut und dem Gewicht der antikatholischen Gesetzgebung bedrückten Mitbürger zu lindem. Schließlich führte der Heilige Geist ihn zur vollkommenen Weihe seiner selbst und seiner Gefährten im Ordensleben. Heute setzen seine geistlichen Söhne, die „Christian Brothers“ von Irland und die „Presentation Brothers“, seine Sendung fort, eine Sendung, deren Ziel er selbst klar und einfach so beschrieb: „Auf Gottes Hilfe vertrauend, hoffe ich in der Lage zu sein, diese Jungen zu guten Katholiken und guten Bürgern zu erziehen.“ Wer könnte je all das Gute ermessen, das aus dem geistlichen Tiefblick, dem warmen Herzen und dem entschlossenen Glauben des sei. Edmund Ignatius Rice hervorging? Irland hat einmal mehr der Kirche und der Welt ein hervorragendes Zeugnis vollkommener Treue zu Christus gegeben: „Tut all das, was er euch gelehrt hat... Dann wird der Gott des Friedens mit euch sein“ (vgl. Phil 4,9). Dann sagte der Papst in spanischer Sprache: 5. Die Allegorie vom Weinberg spricht uns von der innigen Liebe Gottes zu seinen Kindern. Auf diese Liebe wußte Mutter Maria Ana Mogas Fontcuberta hochherzig zu antworten und überreiche Früchte zu bringen. Sie verzichtete auf eine gute gesellschaftliche Position. Eng mit dem Tabernakel und dem Kreuz verbunden, entwarf sie den Plan zu einer Spiritualität, die sich am Herzen Christi inspiriert und sich auf liebende und opferfreudige Hingabe an Gott und den Nächsten gründet. Dem franziskanischen Ideal getreu, zeigte sie ihre Vorliebe für die Armen und ihre Fähigkeit, Undankbarkeit und Beleidigungen zu vergeben und zu vergessen. Mit Eifer widmete sie sich der Kindererziehung und der Sorge für die Kranken und Notleidenden. Auf diese Weise antwortete sie so wirklichkeitsnah auf den Ruf des Herrn, in seinem Weinberg zu arbeiten, daß „ihre Heiligkeit sie nicht daran hinderte, so heiter und leutselig zu sein“. Das ist der Stil, den sie an ihre Töchter, die Franziskanerinnen Missionarinnen von der Mutter des Göttlichen Hirten, weitergab, wie es in ihrer letzten Aufforderang zum Ausdruck kam: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe, und ertragt einander, wie ich euch ertragen habe. Liebe, echte Liebe. Liebe und Opfer.“ Folgendes sagte der Papst wieder in polnischer Sprache: 6. „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Fracht“ (Joh 15,5). Heute freut sich die Kirche auch, daß die sei. Marcelina Darowska zur Ehre der Altäre erhoben wird, die Mitgründerin der Kongregation der Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Heiligen Jungfrau Maria. Das ganze Leben der sei. Marcelina war ein unaufhörliches „in Gott Bleiben“ durch das Gebet und die treue Nachfolge Jesu Christi, der den Menschen bis ans Ende liebte (vgl. Joh 13,1). 803 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Das Reich Gottes in den Seelen der Menschen ausbreiten und sie in die Welt einführen“, das war das Programm für ihr apostolisches Wirken. Es ging aus dem Schweigen eines ins Gebet vertieften Herzens hervor. Sie wollte alles tun, damit die Wahrheit, die Liebe und das Gute im Leben der Menschen siegen und das Gesicht der geliebten Nation umwandeln könnten. Mutter Marcelina arbeitete mit ihren Schwestern hochherzig an dem mühsamen Werk, das Reich Christi aufzubauen. Dabei widmete sie der religiösen Formung der jungen Generation, vor allem der jungen Mädchen, und der Entwicklung der Katechese sowie der Erziehungsarbeit besondere Aufmerksamkeit. Im Leben schrieb sie der christlichen Frau als ,3raut, als Mutter und als Bürgerin ihres Landes“ eine besondere Rolle zu. Mit großem Eifer sorgte sie für die Entfaltung des Gottesreiches in der Familie, denn nur die gesunde, heilige und - wie sie sagte - „auf Gott gegründete“ Familie kann das Fundament für eine neue Gesellschaft sein. Die neue Selige ist das Beispiel eines apostolischen Glaubens, der neue Formen für die Präsenz der Kirche in der Welt schafft und eine gerechtere und menschlichere Gesellschaft, die in Christus „bleibt und Frucht bringt“, Gestalt gewinnen läßt. Dann kehrte der Papst wieder zur italienischen Sprache zurück: 7. „Der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (Phil 4,9). Liebe Brüder und Schwestern, „der Gott des Friedens“ ist gewiß mit den neuen Seligen, die wir heute in der Herrlichkeit des Himmels betrachten. Der Gott des Friedens wird auch mit uns sein, wenn wir ihr Beispiel und ihre mutige Treue nachahmen. Wir sind der „Weinberg Gottes“, das Volk, für das Christus sich ganz hingegeben hat. Nehmen wir die Einladung der Liturgie an, und lassen wir uns anziehen von dem leuchtenden Beispiel dieser Brüder und Schwestern im Glauben, die heute in hellstem Licht erstrahlen. Mit Maria, der Königin der Märtyrer und der Heiligen, die wir in diesem Rosenkranzmonat mit besonderer Andacht anrufen wollen, gehen wir voll Vertrauen dem glorreichen Christus entgegen, ohne uns je von Schwierigkeiten niederdrük-ken zu lassen. Er ist heute und immer mit uns. Amen. 804 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neue Energien für den Frieden aus dem Gebet in Assisi Botschaft an Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano zum 10. Jahrestag des historischen Gebetstreffens für den Frieden in Assisi im Oktober 1986 vom 6. Oktober An meinen verehrten Bruder Angelo Kardinal Sodano, Staatssekretär In diesem Monat Oktober ist es zehn Jahre her, seit ich 1986 namhafte Vertreter verschiedener religiöser Traditionen zu einer außerordentlichen Gebetsveranstaltung für den Frieden nach Assisi eingeladen habe. Mit Freude habe ich vernommen, daß der Anlaß auf Initiative der Gemeinschaft von Sant’Egidio mit einem neuerlichen Reflexions- und Gebetstreffen gefeiert werden soll, an dem Sie, verehrter Bruder, teilnehmen werden. Gerne vertraue ich Ihnen den Auftrag an, den Ausdruck meines wohlwollenden Grußes zusammen mit der Versicherung meiner Anwesenheit im Gebet den Teilnehmern zu überbringen. Es ist mir ein tiefer Trost, festzustellen, daß der vor zehn Jahren in Assisi ausgestreute Samen weitersprießt. Wir haben in jenem Jahr in der Stadt des hl. Franz nicht umsonst gebetet! In der Tat hat jenes Ereignis, das in einem Zeitabschnitt der Geschichte stattfand, wo die internationale Lage besonders komplex und schwierig war, neue Energien für den Frieden freigesetzt. Es ist das eingetreten, wovon im Psalm 120 die Rede ist: „Ich rief zum Herrn in meiner Not, und er hat mich erhört ...“ In diesen Jahren hat man weiter für den Frieden gebetet und sich dafür eingesetzt, auch dann, wenn Krieg Gegenstand der Gespräche und leider auch Ziel des Handelns war. Die jedes Jahr durch die Gemeinschaft von Sant’Egidio angeregte Pilgerreise des Dialogs und Gebets hat Fortschritte gemacht und nach Assisi weitere bedeutsame Etappen durchlaufen: Rom, Warschau (zum 50. Jahrestag des Ausbruchs des Weltkriegs), Bari, Malta, Brüssel, Mailand, neuerlich Assisi, Florenz und in diesen Tagen wieder Rom. Diesen Weg begleitend, habe ich es nicht an Zeichen meiner Solidarität fehlen lassen, damit - wie ich zu dem Treffen in Bari an Francis Kardinal Arinze schrieb (Botschaft vom 21. September 1990\ deutsch in: Der Apostolische Stuhl [1990], S. 1064 f.) - das Gebet wie eine Woge des Friedens die Kontinente überflute, so daß die Gefühle des Hasses und der Gewalttätigkeit verschwinden, um überall Wahrheit und Liebe triumphieren zu lassen. Gerne wäre ich persönlich bei dem Treffen anwesend, das seinen Höhepunkt am Donnerstagabend, 10. d. M., auf der Piazza Santa Maria in Trastevere finden wird. Ich werde im Geiste dabei sein mit Liebe und Dankbarkeit gegenüber allen Teilnehmern, die sich hochherzig dafür einsetzen, daß der Geist von Assisi nicht verlöscht, sondern immer mehr verbreitet wird. Wie viele Gläubige haben auf diesem 805 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zehnjährigen Weg gelernt, einander näherzukommen, eine Sprache der Solidarität zu gebrauchen und die Botschaft des Friedens in ihrer Umgebung zu verbreiten! Wir wollen weiter zum Gott des Friedens beten, damit die Männer und Frauen unserer Zeit die grauenhaften Konflikte, die die Geschichte und insbesondere dieses zwanzigste Jahrhundert verdüstert haben, wirklich hinter sich lassen; damit sie es verstehen, ihr Herz von jenen Gefühlen und Haltungen zu säubern, die dem Aufflammen von Haß und Kriegen fruchtbaren Boden bieten. Mit großer Hochachtung für die religiösen Persönlichkeiten sowie für die religiösen Traditionen, die ein jeder vertritt, bete ich, daß dank dem Beitrag aller Menschen guten Willens die gesamte Menschheit sich immer klarer der gemeinsamen Berufung bewußt werde, den Frieden aufzubauen. Das entspricht dem Plan Gottes. Wir lesen in der Heiligen Schrift; Du bist „der Herr“, der „den Kriegen ein Ende setzt. ,Herr‘ ist dein Name“ (Jdt 9,7 f.). Möge Gott geben, daß die Männer und Frauen unserer Zeit sich auf den Weg der gegenseitigen Achtung, der Eintracht und der Solidarität zu begeben wissen, um gemeinsam eine Zukunft wahren Friedens aufzubauen! Aus dem Vatikan am 6. Oktober 1996 Joannes Paulus PP. II Christus-Nachfolge durch das Zeugnis gelebter Gemeinschaft verkünden und bezeugen Schreiben an den Generalabt der Trappisten, Dom Bemardo Olivera, anläßlich des Generalkapitels der Zisterzienser von der strengen Observanz vom 6. Oktober 1. Anläßlich des Generalkapitels, das der Männer- und der Frauenzweig dieses Ordens gerade in Rom abhalten, ist es mir eine Freude, hochwürdiger Pater, an die jeweiligen Kapitelsversammlungen eine spezielle Botschaft zu senden, da es mir leider im Augenblick nicht möglich ist - was mein lebhafter Wunsch gewesen wäre -, Sie zu empfangen. Ein herzlicher Gruß geht zunächst an alle verehrten Äbte und Äbtissinnen, die zu diesem wichtigen Treffen zusammengekommen sind, welches zu einer wirklich passenden Zeit stattfindet: einer Zeit, in der sich die ganze Kirche auf das Heilige Jahr 2000 vorbereitet, und einer Zeit, in der die Familie der Zisterzienser im besonderen kurz davor steht, 900 Jahre ihres Bestehens zu begehen, das 1098 in Citeaux den Anfang nahm. „Eine günstige Zeit“, auch, weil es eine Zeit des Martyriums ist: Tatsächlich ist eure Arbeit wie erleuchtet und bestärkt vom Zeugnis der sieben Mitbrüder aus „Notre-Dame d’Atlas“ in Algerien, die am vergangenen 23. Mai niedergemetzelt worden sind. Die Grundperspektiven, an denen sich die Reflexion dieses Kapitels ausrichtet, sind zwei: die der Erneuerung und die der 806 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaft. Dies sind Perspektiven, die die Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils wiederaufnehmen und weiterentwickeln und sich also von Natur aus in den Weg hin zum Großen Jubiläum eingliedem. 2. „Erneuerung“ ist gemäß dem Evangelium ein Synonym für „Umkehr zu Christus“, die Vertiefung Seiner Nachfolge, der Angleichung an Ihn. Dieser Grundsatz, gültig für alle Getauften und jede kirchliche Wirklichkeit, erfährt bei den Gott geweihten Personen und ihren Gemeinschaften eine besondere Anwendung: „Es muß freilich die Überzeugung lebendig bleiben, daß auf der Suche nach immer vollkommenerer Gleichförmigkeit mit dem Herrn die Gewähr für jede Erneuerung gegeben ist, die der ursprünglichen Inspiration treu bleiben will“ (Vita consecrata, Nr. 37). Seit den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte hat das Klosterleben eine große Ausdrucksvielfalt, sowohl eremitischer als auch zönobitischer Art, kennen-gelemt. Das zisterziensische Mönchstum ist gemäß der besten benediktinischen Tradition das Produkt von Scharen von Männern und Frauen, die von der Welt abgelassen haben, um Gott zu suchen und sich Ihm zu weihen, ,andern sie der Liebe zu Christus nichts vorziehen“ (Regula Benedicti, 4,21; 72,11). Die Nachfolge Christi ist für die zisterziensischen Mönche und Nonnen vor allem eine Berufung, oder genauer gesagt, eine Einberufung: d. h. ein Appell, mit Ihm im Zusammenleben mit anderen zu leben. Mit Ihm und wie Er zu leben: geweiht in Keuschheit, Armut, Gehorsam und Beständigkeit, um seine Sendung durch das Zeugnis eines Lebens aus dem Geiste des Evangeliums zu teilen. Es ist nötig, sich jeden Tag als würdige Erben von Citeaux, des „Neuen Klosters“, zu erweisen: neu nicht auf Grund seiner Entstehungszeit, sondern auf Grund seiner Zielsetzung, die der neue Mensch ist. Als Jünger des Herrn gilt es, sich von Ihm erneuern zu lassen, der sagt: „Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21,5). Auf diese Weise wird die aus Citeaux stammende Neuheit am Leben und wirksam erhalten, und es wird verhindert werden, daß Mangel an Festigkeit oder die wandelbaren zeitlichen und örtlichen Umstände ihre Kraft und ihre Zeugenaussage schwächen. Das leuchtende Beispiel, das uns die Mönche von Notre-Dame d’Atlas geboten haben, ist der eloquenteste Beweis dafür, daß der Geist des hl. Robert, des sei. Alberich, des hl. Stephan und des hl. Bernhard mit Hilfe des Heiligen Geistes in der Gegenwart der Kirche lebt. Im Dankgebet mit den zisterziensischen Mönchen und Nonnen vereint, möchte ich mich, ehrwürdiger Generalabt, einer Stelle in dem Brief anschließen, den Sie nach der Ermordung der Brüder geschrieben haben, wo es heißt: „Auf der Schwelle zum 900jährigen Bestehen von Citeaux und zum Jubeljahr 2000 sind diese Ereignisse für uns ein ,Zeichen der Zeit, ein Wort Gottes, das nicht zu ihm zurückkehren wird, ohne unsere Herzen befruchtet und Frucht getragen zu haben“ (in: O.R.dt. v. 21.6.96, S. 14). 3. Die zweite Perspektive, die die jeweiligen Kapitel zu betrachten gedenken, ist die der „Gemeinschaft innerhalb der Familie der Zisterzienser“. Denn diese steht 807 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vor einem neuen Abschnitt ihrer langen Geschichte, in einer Zeit, in der sie gerufen ist, die Herausforderung der „Gemeinschaft in der Verschiedenheit“ anzunehmen. Ich kann dieses Vorhaben nur unterstützen, das an jenes weiterreichende und allgemeinere der ganzen Christenheit erinnert, die mit Eifer und Entschlossenheit zur vollen Einheit strebt. Die Bewegung der „Strengen Observanz“ gelangte 1892 auf einem nicht immer einfachen Weg nach Rom. Damals verwirklichte sich jene Vereinigung, der der heutige Zisterzienserorden der strengen Observanz seinen Ursprung verdankt. Gleichzeitig mit der Vereinigung vollzog sich aber auch die Trennung vom anderen Teil, von dem, der bis dahin der einzige Zisterzienserorden gewesen war. Von jenem Augenblick an verwandelte sich der Orden unter der Autorität Papst Leos XIH. in die nunmehr aus zwei Orden bestehende Familie der Zisterzienser (vgl. Leo XHL, Apostolisches Schreiben Non mediocri, 30. Juli 1902). Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita consecrata habe ich die nach wie vor aktuellen Worte des hl. Bernhard bezüglich der verschiedenen Orden zitiert: „Ich bewundere sie alle. Einem von ihnen gehöre ich durch die Befolgung der Regel an, allen aber in der Liebe. Wir alle brauchen einander: das geistliche Gut, das ich nicht habe und nicht besitze, empfange ich von den anderen“ (Nr. 52). Möge das Näherrücken der Neunhundertjahrfeier der Gründung von Citeaux in allen Zisterziensermönchen und -nonnen das Bewußtsein, die Disponibilität und auch die Schaffenskraft steigern, die es braucht, um die Realisierung des von den Kapitularen des Jahres 1892 verfolgten, grundlegenden Zieles vorzubereiten: zusammen mit den Brüdern und Schwestern der Allgemeinen Observanz eines Tages die volle Einheit der ganzen großen Zisterzienserfamilie zu erreichen. Eine Einheit, die nicht die Mehrheit demütigen soll, sondern die unter Rücksichtnahme auf die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten herangereiften authentischen Traditionen all jenes ausdrücken soll, was gemeinsames Erbe ist, insofern es auf die ersten Ordensväter zurückgeht. Diesen Wunsch vertraue ich der heiligen Gottesmutter Maria an, die die Söhne und Töchter des hl. Bernhard ja so sehr lieben und verehren. Ihnen aber, hochwürdiger Pater, den Kapitularen und den Kapitularinnen sowie allen Mitgliedern des Zisterzienserordens der strengen Observanz erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 6. Oktober 1996 808 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christliches Menschenbild und moderne Evolutionstheorien Botschaft an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften vom 22. Oktober An die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften anläßlich ihrer V ollversammlung Mit großer Freude richte ich einen herzlichen Gruß an Sie, Herr Präsident, und an alle Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften anläßlich ihrer Vollversammlung. Meine guten Wünsche gelten besonders den neuen Akademiemitgliedern, die zum ersten Mal an den Arbeiten dieser Versammlung teilnehmen. Außerdem möchte ich die im Laufe des vergangenen Jahres verstorbenen Mitglieder in Erinnerung rufen, die ich dem Herrn des Lebens anvertraue. 1. Zur Feier des sechzigsten Jahrestags der Neugründung der Akademie möchte ich an den Wunsch meines Vorgängers Pius XI. erinnern, der ein Gremium ausgewählter Wissenschaftler um sich versammeln wollte zu dem Zweck, daß sie den Hl. Stuhl in voller Freiheit über die Entwicklungen der wissenschaftlichen Forschung unterrichteten und ihn bei seinen Studien unterstützten. Er wollte von denen, die er den „Senatus scientificus“ der Kirche zu nennen pflegte, daß sie der Wahrheit dienen. Dieses Anliegen möchte ich heute erneut an Sie herantragen in der Überzeugung, daß wir alle aus der „Fruchtbarkeit eines vertrauensvollen Dialogs zwischen Kirche und Wissenschaft“ Nutzen ziehen können (vgl. Ansprache an die Akademie der Wissenschaften am 28. Oktober 1986, Nr. 1; in: Der Apostolische Stuhl [1986], S. 1677). 2. Ich freue mich über das erste Thema, das Sie gewählt haben, nämlich: Der Ursprung des Lebens und die Evolution. Es handelt sich um ein außerordentlich wichtiges Thema, das für die Kirche von großem Interesse ist, da ihrerseits die Offenbarung Erklärungen über die Natur und den Ursprung des Menschen enthält. Wie kann man die Ergebnisse, zu denen die verschiedenen Disziplinen der Wissenschaft kommen, in Einklang bringen mit dem, was in der Botschaft der Offenbarung enthalten ist? Und wenn es auf den ersten Blick scheinen mag, daß Widersprüche auftreten, in welcher Richtung soll man nach einer Lösung suchen? Wir wissen in der Tat, daß Wahrheit nicht der Wahrheit widersprechen kann (vgl. Leo XIIL, Enzyklika Providentissimus Deus). Um die geschichtliche Wahrheit besser zu beleuchten, sind übrigens die von Ihnen durchgeführten Untersuchungen über das Verhältnis der Kirche zur Wissenschaft vom 16. bis zum 18. Jahrhundert von großer Bedeutung. Bei dieser Vollversammlung nehmen Sie eine „Reflexion über die Wissenschaft am Anbruch des dritten Jahrtausends“ vor. Als erstes bestimmen Sie die hauptsächlichen von der Wissenschaft hervorgerufenen Probleme, die für die Zukunft der Menschheit Bedeutung haben. Durch dieses Vorgehen stecken Sie Lösungs- 809 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wege ab, die der ganzen Menschengemeinschaft zum Wohl gereichen können. Im Bereich der leblosen sowie der belebten Natur läßt die Entwicklung der Wissenschaft und ihrer Anwendungen neue Fragestellungen entstehen. Deren Tragweite wird die Kirche um so besser erfassen, als sie deren Hauptaspekte kennt. So wird sie - gemäß der ihr eigenen Sendung - neue Kriterien anbieten können, um die sittlichen Verhaltensweisen zu erkennen, die jedem Menschen im Hinblick auf sein Gesamtheil aufgetragen sind. 3. Bevor ich zu einigen spezifischeren Betrachtungen über die Fragen des Ursprungs des Lebens und der Evolution übergehe, möchte ich daran erinnern, daß das Lehramt der Kirche sich im Rahmen seiner Zuständigkeit bereits zu diesen Themen geäußert hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang zwei Dokumente zitieren. In seiner Enzyklika Humani generis aus dem Jahr 1950 hatte schon mein Vorgänger Pius XII. dargelegt, daß die Evolution und das, was der Glaube über den Menschen und seine Berufung lehrt, nicht im Gegensatz zueinander stehen unter der Bedingung, daß man einige Fixpunkte nicht aus den Augen verliert (vgl. AAS 42[1950]575-576). Als ich am 31. Oktober 1992 die Teilnehmer der Vollversammlung Ihrer Akademie empfing, hatte ich meinerseits Gelegenheit, die Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit Galilei auf die Notwendigkeit einer strengen Hermeneutik im Hinblick auf eine korrekte Interpretation des inspirierten Wortes zu lenken. Es gilt den eigentlichen Sinn der Schrift gut abzugrenzen und unzutreffende Interpretationen wegzulassen, die Dinge in sie hineindeuten, die sie nicht zu sagen beabsichtigt. Um den Bereich ihrer Zuständigkeit klar abzugrenzen, müssen Exegeten und Theologen sich über die Ergebnisse, zu denen die Naturwissenschaften gelangen, auf dem laufenden halten (vgl. AAS 85[1993]764-772; Ansprache an die Päpstliche Bibelkommission am 23. April 1993 [dt. in: O.R.dt. v. 14.5.1993, S. 10 ff.] bei der Vorstellung des Dokuments Die Interpretation der Bibel in der Kirche'. AAS 86[1994]232-243). Zum Stand der Forschung 4. In Anbetracht des wissenschaftlichen Forschungsstandes der Zeit und der Erfordernisse der Theologie betrachtete die Enzyklika Humani generis die Lehre vom „Evolutionismus“ als emstzunehmende Hypothese, die es ebenso wie die gegenteilige Annahme verdiente, genauer untersucht und bedacht zu werden. Pius XII. setzte zwei Bedingungen methodologischer Art hinzu: Man sollte diese Ansicht nicht so übernehmen, als ob es sich um eine gesicherte und bewiesene Lehre handelte und als ob man ganz von der Offenbarung absehen könnte, was die von ihr aufgeworfenen Fragen betrifft. Er nannte ebenfalls die Bedingung, unter der diese Ansicht mit dem christlichen Glauben vereinbar ist, worauf ich noch zurückkommen werde. 810 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute, beinahe ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen der Enzyklika, geben neue Erkenntnisse dazu Anlaß, in der Evolutionstheorie mehr als eine Hypothese zu sehen. Es ist in der Tat bemerkenswert, daß diese Theorie nach einer Reihe von Entdeckungen in unterschiedlichen Wissensgebieten immer mehr von der Forschung akzeptiert wurde. Ein solches unbeabsichtigtes und nicht gesteuertes Übereinstimmen von Forschungsergebnissen stellt schon an sich ein bedeutsames Argument zugunsten dieser Theorie dar. Welche Tragweite hat eine derartige Theorie? Diese Frage zu erörtern heißt, sich auf das Gebiet der Epistemologie zu begeben. Eine Theorie ist eine metawissenschaftliche Erarbeitung, unterschieden von den Beobachtungsergebnissen, aber mit diesen homogen. Durch sie kann ein Komplex voneinander unabhängiger Daten und Fakten in einen Zusammenhang gebracht und interpretiert werden. Die Theorie beweist ihre Gültigkeit in dem Maß, wie sie nachprüfbar ist; sie wird fortwährend am Stand der Tatsachen gemessen. Dort, wo sie für diese nicht mehr Rechenschaft geben kann, beweist sie ihre Grenzen und ihre Unangemessenheit. Dann muß sie überdacht werden. Die Erarbeitung einer Theorie wie der Evolutionstheorie greift ferner auf gewisse Vorstellungen aus der Naturphilosophie zurück, ohne dabei das Erfordernis der Homogenität mit den Daten der Beobachtung außer acht zu lassen. Genau genommen muß man eher von Evolutionstheorien sprechen als von der Theorie der Evolution. Diese Vielfalt entspricht einerseits den unterschiedlichen Ansätzen, die vorgeschlagen wurden, um den Mechanismus der Evolution zu erklären. Andererseits entspricht sie der Unterschiedlichkeit der Weltanschauungen, auf die man sich bezieht. So gibt es materialistisch-duktionistische Lesarten und auch spiritualistische Lesarten der Evolutionstheorie. Das Urteil darüber gehört in die Kompetenz der Philosophie und darüber hinaus der Theologie. 5. Das Lehramt der Kirche ist unmittelbar von der Frage der Evolution betroffen, denn sie betrifft das Menschenbild. Die Offenbarung lehrt uns, daß der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde (vgl. Gen 1,27). Die Konzilskonstitution Gaudium et spes hat diese Lehre, die zum Zentrum des christlichen Denkens gehört, auf großartige Weise ausgeführt. Sie hat daran erinnert, daß der Mensch „auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist“ (Nr. 24). Mit anderen Worten: Der Mensch kann weder seiner Spezies noch der Gesellschaft als einfaches Mittel oder bloßes Werkzeug untergeordnet werden; er hat einen Wert an sich. Er ist Person. Durch seine Intelligenz und seinen Willen ist der Mensch in der Lage, in eine Beziehung der Gemeinschaft, der Solidarität und der Selbsthingabe mit seinem Mitmenschen zu treten. Der hl. Thomas stellt fest, daß die Ähnlichkeit des Menschen mit Gott vor allem in seiner spekulativen Intelligenz begründet ist, denn seine Beziehung zum Gegenstand seiner Erkenntnis ähnelt der Beziehung Gottes zu seinem Werk (vgl. Summa theologica, I-EI, q. 3, a. 5, ad 1). Aber mehr noch ist der Mensch aufgefordert, eine Beziehung der Kenntnis von Gott und der Liebe zu Gott selbst aufzubauen. Diese Beziehung wird nach der 811 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeit in der Ewigkeit ihre volle Entfaltung finden. Ina Geheimnis des auferstandenen Christus werden uns die ganze Tiefe und die ganze Größe dieser Berufung offenbart (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Eben weil sie eine Geistseele hat, besitzt die gesamte menschliche Person einschließlich des Körpers eine solche Würde. Pius XII. hat diesen wesentlichen Punkt betont: Der menschliche Körper hat seinen Ursprung in der belebten Materie, die vor ihm existiert. Die Geistseele hingegen ist unmittelbar von Gott geschaffen: „animas enim a Deo immediate creari catholica fides nos retinere iubet“ (Enzyklika Humani generis, AAS 42[1950]575). Folglich sind diejenigen Evolutionstheorien nicht mit der Wahrheit über den Menschen vereinbar, die - angeleitet von der dahinter stehenden Weltanschauung -den Geist für eine Ausformung der Kräfte der belebten Materie oder für ein bloßes Epiphänomen dieser Materie halten. Diese Theorien sind im übrigen nicht imstande, die personale Würde des Menschen zu begründen. 6. Mit dem Menschen befinden wir uns also vor einer Differenzierung ontologischer Art, vor einem ontologischen Sprung, könnte man sagen. Aber bedeutet der Ansatz einer solchen ontologischen Diskontinuität nicht auch ein Zugehen auf diese physische Kontinuität, die als roter Faden der Forschungen über die Evolution erscheint, und das schon begonnen auf der Ebene der Physik und der Chemie? Die Berücksichtigung der in den verschiedenen Ordnungen des Wissens verwendeten Methode erlaubt uns, zwei Standpunkte, die unvereinbar scheinen, miteinander in Einklang zu bringen. Die empirischen Wissenschaften beschreiben und messen mit immer größerer Genauigkeit die vielfältigen Ausdrucksformen des Lebens und schreiben sie auf der Zeitachse fest. Der Moment des Übergangs ins Geistige ist nicht Gegenstand einer solchen Beobachtung, die aber dennoch auf experimenteller Ebene eine Reihe wertvoller Hinweise über das Besondere am Wesen des Menschen zutage fördern kann. Aber die Erfahrung des metaphysischen Wissens, des Bewußtseins seiner selbst und der eigenen Fähigkeit zur Reflexion, die Erfahrung des sittlichen Gewissens und der Freiheit oder auch die ästhetische und religiöse Erfahrung gehören in den Bereich der philosophischen Überlegungen, während die Theologie deren letztendlichen Sinn nach dem Plan des Schöpfers herausstellt. 7. Zum Abschluß möchte ich eine Wahrheit des Evangeliums erwähnen, die ein höheres Licht auf den Horizont Ihrer Forschungen über die Ursprünge und die Entwicklung der belebten Materie werfen könnte. Die Bibel ist in der Tat die Trägerin einer außerordentlichen Botschaft vom Leben. Sie gibt uns dadurch, daß sie die höchsten Formen des Seins bestimmt, eine Anschauung der Weisheit vom Leben. Diese Vision hat mich bei der Abfassung der Enzyklika geleitet, die ich der Achtung vor dem menschlichen Leben gewidmet und deshalb Evangelium vitae betitelt habe. 812 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist bedeutsam, daß im Evangelium nach Johannes das Leben das göttliche Licht bezeichnet, das Christus uns eröffnet. Wir sind aufgerufen, in das ewige Leben einzugehen, das heißt in die Ewigkeit der göttlichen Seligkeit. Um vor größeren Versuchungen zu warnen, die auf uns zukommen, zitiert unser Herr das große Wort aus dem Buch Deuteronomium: „[...] daß der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht“ (Dtn 8,3; vgl. Mt 4,4). Ja mehr noch: Das Leben ist einer der schönsten Titel, den die Bibel Gott zuerkannt hat: Er ist der lebendige Gott. Von ganzem Herzen rufe ich auf Sie und alle, die Ihnen nahestehen, den Segen Gottes in Fülle herab. Aus dem Vatikan am 22. Oktober 1996 Joannes Paulus PP. H Für Europa geeignete Wege zum Glauben eröffnen Schreiben an Kardinal Miloslav Vlk, und alle Teilnehmer am IX. Symposion des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (23. bis 27. Oktober in Rom) vom 23. Oktober An den verehrten Bruder Kardinal Miloslav Vlk Präsident der Bischofskonferenzen Europas Erzbischof von Prag 1. Mit Freude und Zuneigung entbiete ich Ihnen, Herr Kardinal, dem Präsidenten des Rates der Bischofskonferenzen Europas, meinen Gruß, ebenso den Brüdern im Bischofsamt und den beteiligten Delegierten zum IX. Symposion der europäischen Bischöfe, welches vom 23. bis 27. Oktober in Rom stattfindet unter dem Thema: „Religion: Privatsache und öffentliche Angelegenheit. Die Kirche in der pluralistischen Gesellschaft.“ Diese Zusammenkunft markiert den Zielpunkt eines langen Weges, der versucht hat, die viefältigen soziologischen Gegebenheiten des europäischen Kontinents zu erfassen, die gekennzeichnet sind durch schnelle Veränderungen und neue Herausforderungen an die christliche Gemeinschaft. Dieses Symposion beschließt eine Reflexionsphase, die für ein ganzes Jahr die Bischofskonferenzen Europas beschäftigt und die Teilnehmer mit den Zusammenkünften von Budapest, Warschau, Paris, Rom, Bonn und London dazu gebracht hat, gleichsam eine Pilgerfahrt durchzuführen und den Europäer von heute anzuhören: ein Anhören seiner Erwartungen und Frustrationen, seiner Errungenschaften und seines Scheitems sowie vor allem seiner schwierigen und teilweise dramatischen Suche nach der Wahrheit. 813 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leitgedanke für diese Arbeiten auf diesem vielschichtigen und mutigen Weg zur Begegnung mit den neuen Situationen in der westlichen Gesellschaft wie in Osteuropa war der Wunsch, dem „alten“ Kontinent eine erneuerte Verkündigung des Evangeliums anzubieten, welches die christlichen Wurzeln seiner jahrtausendealten Geschichte wiederentdecken kann mit der Zielrichtung auf eine Zukunft in Frieden und Wohlstand. 2. Die Zukunft zeigt sich vor uns voller Versprechungen und Sorgen. Als Hirten der Kirchen in Europa habt ihr Euch zweckmäßigerweise für das Symposion vorgenommen, über die Rolle, die die Religion und die Kirche in diesem historischen Augenblick spielen, zu reflektieren. Jedem ist die dringende Notwendigkeit gemeinsamer pastoraler Wege bewußt. Außerdem sollten mit neuen Methoden und Ausdrucksweisen die Gründe für die Hoffnung deutlich gemacht werden, die die Gläubigen bewegen. Im heutigen geschichtlichen Kontext besteht die Gefahr, die Religion und die Kirche an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Es gibt andererseits einen großen Wunsch nach der Bestätigung der grundlegenden Menschenrechte, darunter das Recht auf die Religionsfreiheit, im Zusammenhang mit einem inneren Verlangen nach spirituellen Werten. Die Aufgabe des gegenwärtigen Symposions besteht darin, entsprechende Vorschläge zu erarbeiten, wie man auf die Männer und Frauen in Europa zugehen kann, damit sie die gemeinsame und öffentliche Dimension des Glaubens wiederentdecken können. Der Irrtum, dem man erlag, als man versuchte, eine Welt ohne Gott aufzubauen, darf sich nicht wiederholen. Man hat statt dessen nur eine Gesellschaft gegen den Menschen errichtet. Es ist der Einsatz aller Gläubigen gefragt, damit sie durch diese gemeinsame Anstrengung Zeugnis für den Vorrang Gottes in ihrem Leben ablegen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verkünden, daß „wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127,1). 3. Diese unsere pluralistische Gesellschaft stellt an die an Christus Glaubenden immer neue Ansprüche. Sie verlangt nicht nur danach, mutige Wege der Evangelisierung zu suchen, sondern auch geeignete Wege zum Gauben zu eröffnen im Hinblick auf die wechselnden sozio-kulturellen Bedingungen. Es ist daher unabdingbar, daß die Kirche weiterhin aufmerksam denen zuhört, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, und daß vor allem der ökumenische und interreligiöse Dialog intensiviert wird, um der säkularisierten Welt zusammen mit Christen anderer Konfessionen und Gläubigen der anderen Religionen ein klares Zeugnis für die transzendenten Werte zu vermitteln. Ich bin sicher, daß das in diesen Tagen stattfindende Symposion, auch um der fast zweitausendjährigen Geschichte der Evangelisierung Rechnung zu tragen, in der Lage sein wird, der gesamten christlichen Gemeinschaft brauchbare Anregungen an die Hand zu geben, um die Trennung zwischen dem Evangelium und der Kultur zu überwinden, die - wie schon für andere Epochen - das Drama auch unserer Zeit ist (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Die Geschichte des Christentums zeigt deut- 814 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lieh, daß der Herr seinen Beistand niemals hat fehlen lassen und aus dem christlichen Volk Heilige berufen hat: Märtyrer, Missionare, Hirten, Theologen, Prediger, Ordensleute und Laien, die dem Evangelium treu waren und prophetische Verkünder der Erwartungen und Hoffnungen ihrer Zeit und ihrer Kultur waren. 4. Herr Kardinal, ich wünsche Ihnen, daß das Symposion zu einem bedeutsamen Moment des Hörens auf das wird, was der Geist den Kirchen sagt (vgl. Apg 2,7). Wie der Geist des Herrn beim Pfingstfest die Herzen der Apostel umwandelte, so soll er auch heute die Voraussetzungen schaffen für eine erneuerte Verkündigung der frohen Botschaft in der heutigen europäischen Gesellschaft vom Ural bis zum Atlantik. Ich empfehle die Kirchen Europas und Euer Symposion dem mütterlichen Schutz der Gottesmutter Maria und verbinde meine Wünsche mit einem besonderen Apostolischen Segen. Zusammenarbeit von Bischöfen und Theologen in der Verkündigung Botschaft an die in Rom versammelten Erzbischöfe und Bischöfe von Indien, an die Präfekten und Sekretäre der Kongregationen für die Glaubenslehre, für die Orientalischen Kirchen, für die Evangelisierung der Völker, für das Katholische Bildungswesen und an den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog vom 23. Oktober An meine im Vatikan versammelten verehrten Brüder, die Bischöfe von Indien, und an die Vertreter der Römischen Dikasterien Für all Eure freundlichen Wünsche und Gebete für meine rasche Genesung bin ich Euch sehr dankbar. Ihr habt Euch versammelt, um über wichtige Aspekte des kirchlichen Lebens in Indien zu diskutieren. Ich hätte Euch sehr gerne persönlich getroffen, um diese „Arbeitsgemeinschaft“ zu stärken, die uns in „dem hohen Amt, den christlichen Namen auszubreiten“ (Lumen Gentium, Nr. 23), verbindet. Ich bin froh, diese Gelegenheit wahmehmen zu können, jedem einzelnen von Euch meine tiefe Wertschätzung für Euren pastoralen Eifer im Werk der Evangelisation auszudrücken. Während dieses wichtigen Treffens habt Ihr gemeinsam die derzeitige theologische Lage in Indien betrachtet, insbesondere ihre lehrmäßigen und pastoralen Implikationen, indem Ihr ohne Zögern die dauerhafte Gültigkeit des im Licht der Tradition und des kirchlichen Lehramtes zu interpretierenden Gotteswortes, immer mit gebührender Empfindsamkeit für die besonderen Eigenheiten Eures Volkes, hervorgehoben habt. Ich schätze mich glücklich, daß Ihr das Mittel des brüderlichen und kollegialen Dialoges bei Eurer gemeinsamen Arbeit gewählt habt, um diese Themen tiefer zu ergründen; die Wahl dieser Methode hat es Euch ermög- 815 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN licht, die fundamentalen Prinzipien wiederaufzunehmen, die ich im Rundschreiben Redemptoris missio in Erinnerung gerufen habe und die kürzlich von der Internationalen Theologischen Kommission in ihrem Dokument Christentum und die anderen Religionen ausgearbeitet wurden. In besonderer Art und Weise hat Euer Treffen, immer unter angemessener Respektierung der in anderen Religionen gültigen Werte, den absoluten Charakter der christlichen Offenbarung unterstrichen. Eure Versammlung hat mit Recht die dauerhafte Gültigkeit der Christologie des Neuen Testamentes, die Einheit des Mysteriums Christi, die Einzigartigkeit und Universalität seiner Vermittlung wie auch die heilsvermittelnde Rolle der Kirche als Sakrament und Instrument des Heiles betont. Kurz vor dem Anbruch des dritten christlichen Jahrtausends muß die Aufmerksamkeit der Kirche auf das Herz der christlichen Botschaft gerichtet sein. Abschließend lege ich mein Vertrauen in Eure Verantwortung als Hirten und Lehrer des Glaubens, so daß diese Prinzipien immer der nötige Bezugspunkt bei der Vertiefung des Glaubensverständnisses wie auch für den Inkulmrationsprozeß sein mögen. Das ist der wichtige Dienst für die Kirche, zu dem die Theologen - unter Eurer Führung und im Dialog mit Euch - berufen sind: daß die christliche Wahrheit zu Eurem Volk gelange. Im Gebet für Euch und für Eure Brüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst in ganz Indien möge Christus, der Hohepriester, Euch an sich binden und Euch in Eurer großen Mission, zu die er Euch gesandt hat, stärken. Als Unterpfand der Freude und des Friedens in der bleibenden Liebe des Vaters erteile ich Euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 23. Oktober 1996 Joannes Paulus PP. H Stärkt Euch im gemeinsamen Glauben! Botschaft an die katholischen Gläubigen der Diözesen Torit, Tombura-Yambio und Rumbek, überreicht vom Apostolischen Nuntius, Erzbischof Erwin Ender, bei einem Pastoralbesuch dieser Diözesen im Südsudan (9. bis 18. November) vom 24. Oktober In der Liebe unseres Herrn Jesus Christus grüße ich Euch alle, und gern vertraue ich meinem Vertreter im Sudan, Erzbischof Erwin Josef Ender, diese Botschaft an, die er als Zeichen meiner beständigen Sorge und Liebe Euch persönlich überbringen wird. Als ich im Februar 1993 in Khartoum haltmachte, war es mein inständiger Wunsch, zu Euch zu kommen, aber unglücklicherweise ließen die Umstände es 816 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht zu. Nichtsdestoweniger aber habe ich jeden Tag im Gebet an Euch gedacht. Ich denke an Euch, die Bischöfe, die die schwierige Aufgabe haben, die Gläubigen in einer besonders kritischen sozialen und politischen Lage zu leiten; die Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, die in einer selbstlosen Hochherzigkeit, die der Kirche zur Ehre gereicht, die täglichen Prüfungen ihrer Brüder und Schwestern teilen; und Ihr alle, die Katholiken des Südsudans, die Ihr inmitten von Unglück, ja selbst von Verfolgung für Euren Glauben Zeugnis ablegt. Spontan kommen mir die Worte des hl. Paulus an die Thessalonicher in den Sinn: „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir ... an euch denken; unablässig erinnern wir uns vor Gott ... an das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn“ (i Thess 1,2-3). Der Herr gewährt es Euch, große Dinge zu vollbringen, wenn sie auch den Augen der Welt verborgen zu sein scheinen. Mitten in Gewalttaten aller Art versteht Ihr es noch, zu heben und einander Erleichterung zu bringen. Wenn Diskriminierung und Ungerechtigkeit Euch treffen, versteht Ihr im Glauben und in Gemeinschaft mit der Kirche, dem Leibe Christi, durchzuhalten. Wenn alles fehlgeschlagen scheint, wißt Ihr Zeichen von Güte und Solidarität zu setzen, die es möglich machen, daß von der Vorbereitung für ein besseres Morgen gesprochen werden kann. Ich fordere Euch dringend auf, um Eure Bischöfe vereint zu bleiben und nie der Verzweiflung nachzugeben. Jeder Christ und jede Ortskirche ist aufgerufen, eins zu sein mit dem österlichen Geheimnis vom Tod und der Auferstehung des Herrn. Vom Tod hinübergehen ins Leben, Prüfungen annehmen, die uns läutern und uns helfen, das zu leben, was wirklich wesentlich ist: Das ist die Botschaft des Evangeliums, die wir in der Gewißheit leben, die uns Jesus selbst gegeben hat: „Habt Mut, ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). In diesem Sinn möchte ich Euch stärken und ermutigen, damit es Euch nie an der Hoffnung und dem Vertrauen fehlt, die Ihr braucht, um durchzuhalten. Ich vertraue Euch alle der Fürsprache der Seligen Josephine Bakhita und des Seligen Daniel Comboni, der himmlischen Patrone Eurer Gemeinden, an. Ich möchte Euch der Solidarität des Gebetes der ganzen Kirche versichern, so wie auch der unablässigen Bemühungen des Hl. Stuhls, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf Eure tragische Lage zu lenken. Wißt, daß der Nachfolger des Petrus Euch nahe ist und Gott für Euch anfleht, daß Ihr die Kraft haben mögt, weiterzugehen, „in Christus verwurzelt und auf ihn gegründet“ (vgl. Kol 2,7). Als Unterpfand für Versöhnung und Frieden erteile ich Euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 24. Oktober 1996 Joannes Paulus PP. II 817 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dank für die musikalische Betrachtung Graßworte anläßlich des Festkonzerts zum 50jährigen Priesteijubiläum in der „Aula Paolo VI“ am 31. Oktober Meine Herren Kardinäle, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Dankerfüllt möchte ich Ihnen allen am Ende dieser herrlichen Aufführung des Oratoriums „Messias“ von Georg Friedrich Händel meinen herzlichen Graß entbieten. Ich danke vor allem dem geschätzten Kardinal Bemardin Gantin, der mir im Namen des Kardinalskollegiums und aller Anwesenden Glückwünsche zum fünfzigsten Jahrestag meiner Priesterweihe, den ich genau morgen begehe, ausgesprochen hat. Ich danke allen, die gekommen sind und mir so ihre Nähe und Wertschätzung bei diesem Anlaß bekundet haben. Mein Dank geht sodann an den Präsidenten und an den Generaldirektor der RAI für die Übertragung des Konzerts. Auf deutsch setzte der Papst die auf italienisch begonnene Ansprache fort: 2. Ich bedanke mich bei der Regierung der Republik Österreich, deren Geste ich sehr geschätzt habe, mir diese musikalische Betrachtung anläßlich meines Priesterjubiläums anzubieten. Ich gratuliere dem Dirigenten Franz Welser-Möst, den Solisten, dem Orchester der „Camerata Accademica“ von Salzburg und den jungen Sängern des „Mozartchores“ aus Linz. Der „Messias“ von Händel ist die musikalische Nacherzählung der Wegstrecken jenes „admirabile commercium“ zwischen Gott und den Menschen, jenes geheimnisvollen Austausches, der seinen Höhepunkt in der durch das menschgewordene Wort Gottes bewirkten Erlösung erreicht. Der Priester in seiner authentischen Identität ist der Diener des Erlösungswerkes Jesu Christi. Indem er die Einladung, ihm zu folgen, annimmt, wird er selber zum Geschenk für die Menschheit, damit jeder Mann und jede Frau in Überfluß von den Quellen der Gnade, die vom Erlöser ausgehen, schöpfen kann.... und schloß auf italienisch: 3. Fünfzig Jahre nach dem gesegneten Tag, an dem der Heilige Geist mich durch die Auflegung der Hände des Erzbischofs von Krakau, Adam Stefan Kardinal Sa-pieha, zum Priester Christi weihte, sage ich Gott ergriffen Dank für alles, was er in mir vollbracht hat. Meine Dankbarkeit gilt zugleich den vielen Menschen, denen ich auf meinem Weg begegnet bin und die mir in unterschiedlichem Maß auf der in all diesen Jahren zurückgelegten Wegstrecke geholfen haben. 818 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wolle der ewige Vater auf die Fürsprache Mariens, der Königin aller Heiligen, meine Schritte lenken, damit ich ein getreuer Verwalter der göttlichen Gaben und ein selbstloser Diener der Herde, die er mir anvertraut hat, sein möge. Mit diesen Empfindungen erteile ich allen gerne meinen Segen. Gnade und Geheimnis priesterlicher Existenz Predigt bei der Eucharistiefeier anläßlich des 50. Jahrestages der Priesterweihe Johannes Pauls II. am Fest Allerheiligen, 1. November 1. „Ecce Sacerdos magnus ...“ „Seht, das ist der Hohepriester, der in seinen Tagen Gott gefiel und gerecht erfunden ward; zur Zeit des Zornes trat er auf als Mittler der Versöhnung ... Den Segen für alle Völker gab Er ihm und bestätigte Seinen Bund über seinem Haupte“ (vgl. Sir 44,16 ff.; 45,3 ff.). Diese Worte, die der ersten Messe von einem heiligen Bekenner und Bischof nach der früheren Liturgie entnommen sind, kommen mir oft wieder in den Sinn. Sie führen mich in die Zeit meiner Priesterweihe zurück, die vor fünfzig Jahren stattgefunden hat, genau an dem Tag, an dem die Kirche alle Heiügen feiert. Das Geheimnis Christi, des Priesters, ist heute Teil der Liturgie zum Fest Allerheiligen. An diesem Tag verkündet die Kirche: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner. Denn er hat ihn auf Meere gegründet, ihn über Strömen befestigt“ (Ps 24,1-2). Vor dem Hintergrund des ganzen Reichtums der Schöpfung betrachtet der Psalmist denjenigen, der würdig ist, auf den Berg des Herrn hinaufzuziehn und an seiner heiügen Stätte zu stehen (vgl. Ps 24,3). Es ist derjenige, der „reine Hände hat und ein lauteres Herz“ (Ps 24,4). Er hat „den Segen des Herrn“ empfangen, um vor ihm zu stehen im Namen aller Generationen, die das Angesicht des Gottes Jakobs schauen wollen. So lädt uns die heutige Liturgie ein, unsere Gedanken und Herzen auf Christus, den Höchsten und Ewigen Priester, zu richten. 2. „Ecce Sacerdos magnus ...“: Christus, der Erlöser der Welt, ist dieser Hohepriester“. Über seinem Haupt wird der Bund Gottes mit seinem Volk bestätigt. Er ist der Gesetzgeber und der Zeuge jenes Neuen und Ewigen Bundes, dessen Magna Charta die acht Seügpreisungen sind, die im heutigen Evangelium erwähnt wurden. Dieser Bund mit Gott, der durch das Kreuz und die Auferstehung besiegelt worden ist, besteht durch alle Jahrhunderte hindurch unverändert weiter. Durch diesen Bund wird das verwirklicht, von dem der eben verlesene Abschnitt aus der Offenbarung berichtet: „eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen in weißen Gewändern vor dem Thron [Gottes] und vor dem Lamm [...] Sie riefen mit lauter Stimme: Die Rettung kommt von unserem Gott [...] Lob und Herriichkeit, Weis- 819 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in alle Ewigkeit“ (Ojfb 7,9-12). Wer sind diese Leute in weißen Gewändern, die die ewige Rettung bezeugen, die von Gott und von Christus kommt? Es sind die, die „aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Ojfb 7,14). 3. Jesus ist der Hohepriester, der allein in der Lage ist, mit Gott durch die überirdische Sprache des eigenen Opfertodes zu sprechen. Ihm erweisen wir heute die Ehre und danken ihm. Ich möchte dies zusammen mit der ganzen christlichen Gemeinde Roms tun zur Erinnerung an mein Priesterjubiläum. Liebe Brüder und Schwestern! Ich danke Euch für Eure Anwesenheit zu dieser für mein Leben so bedeutsamen Feierstunde. Herzlich begrüße ich zuallererst den Kardinalvikar, die Weihbischöfe und Euch alle, liebe Brüder im Priesteramt, die Ihr Euch meiner Danksagung zum Herrn für die unschätzbare Gabe des priester-lichen Auftrags angeschlossen habt. Außerdem begrüße ich - und danke ihnen für ihre geschätzte Teilnahme - den Präsidenten der italienischen Republik, den Bürgermeister der Stadt Rom, den Präsidenten der Provinz und den Präsidenten der Region Latium sowie alle weiteren, hier anwesenden Vertreter der öffentlichen Behörden. Spontan denke ich bei dieser Gelegenheit mit besonderer Zuneigung und Dankbarkeit an alle Priester, die hier in Rom arbeiten und leben. Besonders möchte ich die Alten und Kranken erwähnen, die ich meines täglichen „Mementos“ in der Feier des eucharistischen Opfers versichere. Meine Gedanken gehen auch an die jungen Priester, die die ersten Erfahrungen in ihrem Amt sammeln, mit allen damit zusammenhängenden Freuden und Rückschlägen, Enttäuschungen und Hoffnungen. Möge der Herr das Öl des Glaubens in ihren Lampen nie zu Ende gehen lassen, denn dieses Öl kann Licht auf menschliches Verhalten werfen und jedem Leid einen Sinn geben. Im Laufe dieser achtzehn Jahre meines seelsorgerischen Dienstes als Bischof von Rom hatte ich die Freude, fast zweitausend Priester zu weihen, von denen nicht wenige direkt in unserer Diözesangemeinschaft tätig sind. Sollten wir für das alles etwa nicht einen Gesang des Lobes und Dankes zum Herrn erheben? Ich danke Gott für mein und Euer Priestertum, und ich tue dies zusammen mit Euch und allen Gläubigen der Diözese Rom, die im Geiste an dieser Jubiläumsfeier Anteil nehmen. Ich lade alle ein, mit mir zum „Herrn der Ernte“ zu beten, daß er die Arbeiter, die für seine Ernte benötigt werden, mehren möge. 4. Wie ausdrucksstark doch heute die Worte des hl. Apostels Johannes wirken: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat“ (1 Joh 3,1); nicht nur „heißen [wir] Kinder Gottes und [...] sind es“ (vgl. ebd.), sondern er hat uns auch am Priesteramt Christi teilhaben lassen. Durch das Sakrament unserer Weihe können wir Priester „in persona Christi“ das einzige und ewige Opfer des Neuen 820 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bundes darbringen. Darum sage ich Gott Dank, weil er mir ermöglicht hat, an jedem Tag der vergangenen fünfzig Jahre die Messe zu feiern, und zwar seit jenem 1. November 1946. Vor meinem geistigen Auge laufen nun die Bilder jenes längst vergangenen Tages ab, als ich - von einer kleinen Gruppe von Verwandten und Freunden begleitet -frühmorgens in der Residenz der Erzbischöfe von Krakau in der Francziskanka-straße erschien, um die Priesterweihe zu erhalten. Bewegt erinnere ich mich daran, wie ich auf dem Boden der Privatkapelle des Fürsterzbischofs hingestreckt lag. Ich höre den Gesang des „Veni Creator“ und der Heiligenlitanei; ich warte auf die Auflegung der Hände; ich nehme die Aufforderung an, die Frohe Botschaft zu verkünden, das Volk Gottes zu leiten und die göttlichen Geheimnisse zu feiern. Es sind unauslöschliche Erinnerungen, die ich an diesem Tag erneut erlebe in unsagbarer Dankbarkeit gegenüber dem Herrn. 5. „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat!“: eine Liebe, die uns verwandelt und uns zur Heiligkeit drängt! Die Heiligkeit ist eine universale Berufung für jeden Getauften, wie das heutige Fest Allerheiligen zu Recht unterstreicht. Der Priester hat sein Dasein, um den Gläubigen die Mittel an die Hand zu geben, die Christus für diesen Weg fortschreitender Heiligung bereitgestellt hat. Unter diesen Mitteln der Heiligkeit ist in erster Linie die Eucharistie, die Gedenkfeier der Passion, des Todes und der Auferstehung des Erlösers zu nennen. Durch den Priester „erwirkt“ die Kirche die Eucharistie, und es ist diese selbe Eucharistie, die ihrerseits die Kirche „schafft“. So wird der Priester zum Diener der Heiligkeit und der Gemeinschaft der Getauften. In diesem Geist denke ich an die vielen Jahre meines Priesterseins zurück. Über die Erinnerung an Ereignisse und Personen hinaus richte ich meinen Blick in die Tiefe, fast so, als wollte ich das Geheimnis erforschen, das mich im Laufe dieser Jahrzehnte begleitet und umhüllt hat. Als Priester bin ich von Gott berufen, ein Mann des Wortes, ein Mann des Sakraments und ein Mann des „Geheimnisses des Glaubens“ zu sein. Wenn auch die Zeit weitergegangen ist, kommen mir auch heute noch jeden Tag die Worte des Psalmisten aus dem Herzen: „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen, bis zum fernsten Geschlecht laut deine Treue verkünden“ (Ps 89,2). 6. Ich werde Deine Wahrheit verkünden, Herr, ich werde Deine Liebe verkünden: eine ewige Liebe, die uns ermutigt, vertrauensvoll in die Zukunft zu schauen. Der hl. Johannes schreibt: „Was wir sein werden, ist noch nicht offenbart worden. Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (I Joh 3,2). Wir erwarten diesen Augenblick, wir erwarten ihn mit Besorgnis, wir bereiten uns jeden Tag darauf vor. Die Liebe Gottes ermöglicht uns, diese Schwelle der eschatologischen Hoffnung jeden Tag zu überschreiten. „Wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Wir werden ihn von Angesicht zu Angesicht sehen. Wir werden ihn sehen zusammen mit all de- 821 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen, die uns auf unserer irdischen Pilgerreise begleitet haben; wir werden ihm begegnen mit jenen, die in der Seligkeit des Paradieses sind, vor allem mit Maria, die wir heute als Königin aller Heiligen verehren. Und die Freude wird im Licht der Heiligsten Dreifaltigkeit vollkommen sein. Ihr sei Lob jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen! Mensch ist Mittelpunkt akademischer Bildung Schreiben an den Rektor der Lateranuniversität vom 7. November An meinen verehrten Bruder Msgr. Angelo Scola Rector Magnificus der Päpstlichen Lateranuniversität 1. Anläßlich der Eröffnung des neuen Akademischen Jahres richte ich an Sie, verehrter Bruder, einen herzlichen Gruß; ebenfalls grüße ich den Großkanzler, Kardinal Camillo Ruini, die Behörden, die Dozenten, die Studenten und alle Teilnehmer an dem feierlichen akademischen Akt, mit welchem diese wohlverdiente Einrichtung - die in besonderer Weise an die Sendung des Nachfolgers Petri gebunden ist - offiziell den Beginn der Lehrtätigkeit wieder aufnimmt. Meine Gedanken gehen auch zu allen anderen Universitäten und zu den verschiedenen Päpstlichen Athenäen, die in Rom tätig sind. Alle fordere ich auf, großzügig ihren Beitrag zur Stadtmission zu leisten, die gerade in unserer Diözese in Vorbereitung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 ihren Anfang nimmt. 2. Die Universität ist als Stätte der Forschung und der Bildung von ihrer Natur her darauf ausgerichtet, das Geheimnis des Menschen zu erkunden, und erfordert als solche den Einsatz für die Wahrheit aufrichtig begeisterter Menschen. Unter diesem Gesichtspunkt zeichnet sie sich nicht nur durch den Gegenstand und die Methode ihrer Forschung aus, sondern auch durch die Subjektivität, die sie dank des Beitrages von Personen auszudrücken vermag. Diese verfügen über eine Erfahrung, in der die Wahrheit über das Geheimnis des Menschen in gewissem Maß bereits ans Tageslicht gekommen ist. Die Übereinstimmung dieser beiden Umstände ist es, die den Universitätsbereich nicht nur intellektuell fruchtbar und schöpferisch, sondern auch existentiell bedeutsam macht. Dieser hat tatsächlich den Menschen in allen Dimensionen seines Seins und Daseins im Blickfeld und verlangt, daß sich alle, die dort arbeiten - dem jeweiligen Ausmaß ihres Seins und Handelns entsprechend -, aktiv für die Wahrheitsfindung einsetzen. In ihrer Eigenschaft als freier und offener Raum, wo man eine „besondere Form des ,Daseins4 und des ,Seins“ des Menschen“ (Ansprache an die UNESCO, 2. Juni 1980, 6: AAS 72[1980]738; deutsch in: Wort und Weisung, 1980, S. 224) lernt, ist die Universität primäre Stätte der Kultur. 822 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Durch den Glauben an Jesus Christus, den Erlöser des Menschen, und durch die tägliche Begegnung mit den menschlichen Erwartungen und Hoffnungen hat sich die Kirche, obschon sie auf keine Kultur im einzelnen reduzierbar ist, als außerordentliche Förderin der Kultur erwiesen. Sie hat den Menschen in die Kenntnis des Geheimnisses Christi eingeweiht und hat ihn dadurch zur Entdeckung des tiefsten Kerns seines eigenen Seins geführt, des Quells, dem jede Form von Kultur entspringt. Im übrigen besitzt das Phänomen der Kultur an seiner ontologischen Basis eine innerliche religiöse Dimension, da es auf vielerlei Weisen jenes desiderium naturale videndi Deum an den Tag legt, das in jedem Menschen vorhanden ist. In seiner Eigenschaft als Erzeuger von Kultur trägt der Glaube an Jesus Christus gleichzeitig auch das Bedürfnis in sich, sich auf alle Bereiche des Menschlichen und auf die verschiedenen Wissensgebiete zu erstrecken, um darin jenes geistige Licht zu offenbaren, das die einzelnen Realitäten und die unterschiedlichen Situationen beleuchtet, in denen es um den Menschen geht; wie auch, um jene sittliche Kraft zu bezeigen, die nktwendig ist, um auf dem Weg der Wahrheit und des Guten in jeder Gegebenheit und Bedrängnis des menschlichen Lebens vorwärtszuschreiten. 4. Der Glaube wird aus der Verkündigung geboren, und diese ist niemals von der Beziehung zu denjenigen getrennt, die sie überbracht haben. Der Verfasser des Briefes an die Hebräer schreibt in diesem Zusammenhang: „Uns ist die gleiche Freudenbotschaft verkündet worden wie jenen [die aus Ägypten ausgezogen waren]; doch hat ihnen das Wort, das sie hörten, nichts genützt, weil es sich nicht durch den Glauben mit den Hörem verband“ (Hebr 4,2). Die Verbindung Glaube-Kultur, primäre Zielsetzung der Päpstlichen Universitäten, bringt notwendigerweise das „Vereintbleiben im Glauben“ mit sich. Die echte Gemeinschaft der Dozenten, der Studenten und aller, die dort mit verschiedenartigen Aufgaben tätig sind, bildet die natürliche Voraussetzung für eine tatkräftige und nutzbringende Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung jeglichen Wissensgehaltes. Fehlte die Erfahrung dieses Gemeinschaft-Seins, würden die Grandbedingungen schwinden, auf der die Kirchlichkeit des intellectus fidei beruht, wie auch das reiche Potential an Kreativität, das mit diesem eng verbunden ist. Wenn der Glaube Mutterboden der Kultur ist, wird er auch zum Urheber der Geschichte. Eine derartige Erwägung ist in dieser Zeit, die für uns Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 ist, sehr angebracht. In meinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich gesagt: ,,In Jesus Christus, dem fleischgewordenen Wort, wird die Zeit zu einer Dimension Gottes, der in sich ewig ist“ (Nr. 10), und, daß Christus der Herr der Zeit und der Geschichte ist. Die Aussicht auf das bevorstehende Jubeljahr muß den gesamten Arbeitsablauf der Päpstlichen Akademischen Institutionen durchdringen und diese dazu anregen, aufmerksam über die historische Tragweite des Glaubens zu reflektieren, um zur Überwindung der gnostischen Versuchungen beizutragen, die auch heute in nicht wenigen Milieus und kulturellen Strömungen der westlichen Welt im Umlauf sind. 823 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Der missionarische Elan - welcher stets das Studium und die Forschung beseelen muß, die vom Glauben gelenkt und auf ihn ausgerichtet sind - ermöglicht vor allem dieser Päpstlichen Universität, an der Stadtmission mitzuwirken, die in den nächsten drei Jahren die römische Bevölkerung einbeziehen wird. Es handelt sich hierbei um eine umfassende Aktion der neuen Evangelisierung, die die Erwartungen und Herausforderungen der heutigen Zeit berücksichtigen soll. Die Theologie, die Philosophie, das Recht, die Geschichte, die Literatur, die Kirnst und alle weiteren Ausdrucksformen, die eng mit dem menschlichen Geist verknüpft sind, werden der christlichen Gemeinde Roms - der die besondere Berufung der Stadt wohl bewußt ist - dabei helfen, die geistlichen Bedürfnisse des zeitgenössischen Menschen zu begreifen, und so eine umfangreiche und angemessene apostolische Tätigkeit ermöglichen. Die Kirche von Rom, die seit zwanzig Jahrhunderten existiert, besitzt einen von der Vorsehung bestimmten Platz, vor allem wegen der Unvergänglichkeit des Glaubens und der Lehre, die Petrus durch das Gebet von Jesus selbst zugesichert ist (vgl. Lk 22,31-32). Deshalb wird sie in gewisser Weise zu einem Urbild, einem Modell, und zu einem bedeutsamen Ort der Verbreitung der Wahrheit des Evangeliums. Im kommenden Jubeljahr wird Rom das Ziel unzähliger Pilger sein, die danach verlangen, ihr Festhalten am Erlöser durch den Besuch der Stätten des Martyriums der Heiligen Petrus und Paulus zu bestärken. Auch die Römischen Universitäten - und an erster Stelle die Päpstliche Lateranuniversität - sind zur Vorbereitung eines so großen kirchlichen Ereignisses auf gerufen, indem sie die außerordentliche Gnade ihrer Verwurzelung in der Stadt von Petrus und Paulus in den Dienst der Kirche stellen. Ich bin sicher, daß diese Päpstliche Universität mit großem Einsatz in dieser Richtung wirken und so das besondere Band festigen wird, welches sie mit dem Nachfolger Petri und der Diözese von Rom vereint. Möge dieses Athenäum in seinem täglichen akademischen Wirken immer mehr zum Bezugspunkt einer aus dem Glauben geborenen Kultur werden, einer Kultur, in der die Würde des Menschen, die Achtung seiner Rechte und der Verweis auf seine Pflichten hell aufleuchten. 6. Die besondere Aufmerksamkeit, die dem menschlichen Wesen und seiner Würde erwiesen werden muß, darf dennoch nicht vergessen machen, daß das Ziel unseres Weges Gott ist. „Ambula per hominem et pervenis ad Deum“, so drückt sich der hl. Augustinus in bezug auf das heilige Menschsein Christi aus, indem er hervorhebt, daß dieser der einzige „Mittler zwischen Gott und den Menschen“ ist (1 Tim 2,5) und wie gerade seine Vermittlung durch den Menschen geht. Die hl. Kirchenlehrerin Theresia von Jesus stimmt ihm zu und erinnert daran, daß wir - um durch Christus zu Gott zu kommen - durch den Menschen gehen müssen, welcher der Sohn geworden ist, indem er unser Menschsein auf sich genommen hat (vgl. Buch ihres Lebens, Kap. 22). Eure Päpstliche Universität ist also aufgerufen, das Primat Gottes zu bezeugen durch eine Teilnahme an der Auseinandersetzung über das ,Jmmanum“, eine 824 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Streitfrage, die einen Großteil des zwanzigsten Jahrhunderts gekennzeichnet und bei der sich das Zweite Vatikanische Konzil besonders in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes lange aufgehalten hat. All das ist dank einer ständigen Umkehr zu Christus möglich, die nie vom aufmerksamen Studium der Theologie und den mit ihr verbundenen Wissenschaften getrennt ist. Dies veplangt von allen eine stete Orientierung am göttlichen Geheimnis, an der Teilnahme an Christus und am „Geist Christi“. Wie der Apostel lehrt: „Wir aber haben den Geist Christi“ (1 Kor 2,16). In der Tat kann die Ausübung der Theologie nicht nur als scientia fidel betrachtet werden, wohl aber, und mehr noch, als participatio cum Christo in fide. Mein Wunsch für das neue Akademische Jahr ist, daß diese Gemeinschaft ihrer Evangelisierungsaufgabe immer besser nachkommen möge. In den Hörsälen, beim Studium und den Forschungsarbeiten, in den Publikationen und bei der fortgesetzten und strengen Gegenüberstellung mit den Ergebnissen der menschlichen Forschung sei stets Christus die größte Freude, die sich nicht mit Worten ausdrük-ken läßt (vgl. 1 Petr 1,8). Unter diesen Vorzeichen wünsche ich ein nutzbringendes Studienjahr. Ich versichere Euch meines Gedenkens im Gebet und spende Euch, den Dozenten, den Studenten und allen denen, die zu dieser Päpstlichen Lateranuniversität gehören, von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 7. November 1996 Priester-Sein — verfügbar für den Herrn und das Heil der Welt Predigt bei der Vesper am 7. November 1. Mit lautem Schreien ... Christus hat, „als er auf Erden lebte, mit lautem Schreien und unter Tränen Bitten und Gebete vorgebracht“ ... (Hebr 5,7). Die kurze Stelle aus dem Hebräerbrief, die soeben zu hören war, stellt eine wundervolle Zusammenfassung zum Thema Priestertum dar; vor allem des Priestertums Christi, und in ihm, Christus, schließlich unseres Priestertumc. Christus, der eingeborene Sohn des Vaters, ist der höchste und ewige Priester, zu dem der himmlische Vater spricht: „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt“ (Hebr 5,5). Dieses Heute ist ewig. Sprechen wir im Credo vielleicht nicht die Worte: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater ...? Der Vater hat seinen ewigen Sohn zum Priestertum berufen: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“ {Hebr 5,6). Und deswegen konnte es sich vollenden, der 825 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sohn, wesensgleich mit dem Vater, ist Mensch geworden und wurde geboren von der Jungfrau durch das Wirken des Heiligen Geistes. So also „hat er, als er auf Erden lebte, mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht [den Vater], der ihn aus dem Tod retten konnte“ (Hebr 5,7). Sieht man in diesem Passus nicht gleichsam eine Anspielung auf das Gebet in Getsemani: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber“ {Mt 26,39)? Auch wenn ihm dieser Kelch nicht erspart wurde, lesen wir dennoch, daß er „erhört worden und aus seiner Angst befreit worden ist. Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt“ (Hebr 5,7-8). Beschuldigt, zum Tode verurteilt, gegeißelt und mit Domen gekrönt, vollendet er seine messianische Aufgabe am Holz des Kreuzes. Er war „gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). „Zur Vollendung gelangt“, gerade durch den Tod, „ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden“ (Hebr 5,9). Die Eucharistie setzt dieses Opfer im Leben der Kirche fort. „Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise - sagt Jesu und mein Blut ist wirklich ein Trank“ {Joh 6,55). Sein blutiges Opfer vollendet sich in unblutiger Weise unter den Gestalten des Brotes und des Weines in Erfüllung der Gestalt des greisen Königs von Salem, Melchisedek, „Priester des höchsten Gottes“, welcher, nachdem er den über die feindlichen Verbündeten siegreichen Abraham gesegnet hatte, „Brot und Wein herausbrachte“ (Gen 14,18). 2. In diesen Tagen, da ich mich des fünfzigsten Jahrestags meiner Priesterweihe erinnere, verspüre ich im Innersten der Seele wieder die Worte des Ecce Sacerdos magnus, welche das „Geschenk und Geheimnis“ des priesterlichen Amtes hervorheben. Liebe Brüder im priesterlichen Amt, die ihr wie ich nunmehr 50 Jahre geweiht seid! Das Geschenk, das wir durch die Handauflegung des Bischofs empfangen haben, ist Geheimnis der Gemeinschaft und bringt Gemeinschaft hervor; gerade das ist der Grund, weshalb ich euch an meiner Seite haben möchte an diesem Gedenktag voll Freude und Ergriffenheit. Ich möchte, daß diese Tage, in denen wir gemeinsam Betrachtungen über unser Priestertum anstellen, die Atmosphäre des Abendmals widerspiegeln in gegenseitigem innigen Gebet um Christus, die Quelle unseres priesterlichen Seins. Ihr seid auch aus weit entfernten Gebieten gekommen: Danke für Euer Hiersein. 3. Fünfzig Jahre nach der Priesterweihe läuft auf einer Woge innersten Empfindens die Erinnerung an diesen Gnadentag vor meinen Augen ab. Ich sehe den verehrten Erzbischof Kardinal Sapieha, meinen Vorgänger auf dem Metropolitansitz und echten Vater, der mich durch die Handauflegung teilhaft werden ließ am priesterlichen Geheimnis Christi. In ihm habe ich stets ein ganz edles Beispiel unerschütterlicher menschlicher Tugenden und großzügiger Hingabe an die eigentlichen Aufgaben des bischöflichen Amtes gehabt. 826 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich habe in meinem Herzen und meiner Dankbarkeit durchaus präsent, wie viele beigetragen haben, mich zum Altar zu führen: von der Familie bis zu meiner Pfarrei, vom Fabrikbereich bis zum geheimen Seminar, von meinen Beichtvätern bis zu vielen anderen priesterlichen Freunden. Ich erinnere mich mit dankbarem Herzen, wie viele mir geholfen haben, den Schatz der Nachfolge des gekreuzigten Christus zu entdecken, welcher spricht: „Sieh her, deine Mutter“, und die mich ermutigt haben, Maria in mein Innerstes aufzunehmen. So viele mir liebe Menschen: Männer und Frauen, gebildete und einfache Leute! Die meisten befinden sich schon in der Ewigkeit. Ich vertraue, daß sie im göttlichen Licht fortfahren, mich zu begleiten mit einer noch heilsameren und strahlenden Präsenz. 4. Nun sind fünfzig Jahre vergangen, liebe Jubilarmitbrüder. An uns alle richten sich die Worte des Briefes an die Hebräer, der „Hohepriester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen“ (Hebr 5,1). Auf diesen Ruf haben wir geantwortet: „Hier bin ich“! Wir haben mit Überzeugung und mit Freude geantwortet, wobei in einem solch kurzen Ausdruck die öffentliche und feierliche Verkündigung eines vorhergehenden „Hier bin ich“ enthalten ist: jenes Erblühen in der Tiefe unseres Ichs im Wirkungsfeld des Heiligen Geistes, wenn wir in einer analogen und doch für jeden von uns unterschiedlichen Geschichte uns des Rufs bewußt geworden sind, das einzigartige Erlösungswerk Christi, des höchsten und ewigen Priesters, zu verbreiten. Unser „Hier bin ich“ drückt die Verfügbarkeit aus, abgelegt in die Hände des Bischofs, der uns geweiht hat, um die Kostbarkeit des Zölibats für das Reich zu leben als Geschenk unserer selbst „in“ und „mit“ Christus. „Hier bin ich“ offenbart das „Ja“ des Dienstes an den Brüdern zwischen den Schwierigkeiten und den apostolischen Freuden, in der Haltung von Abkehr und Demut. „Hier bin ich“ ist das Wort, das jeden Tag aus der Tiefe unseres Ichs hervorquellt; wenn wir die hl. Messe feiern, bringen wir dem Vater das einzigartige Kreuzesopfer dar zum Wohl der ganzen Menschheit. „Hier bin ich“ ist die Antwort auf die Frage nach dem Sinngehalt, die aus dem Herz so vieler Menschen hervorbricht. Die Kraft, dieses Geschenk ohne Vorbehalte zu erneuern, erwächst aus dem täglichen Aufenthalt vor dem Tabernakel, wo der wahrhaft gegenwärtig ist, der unsere Stärke und unser Halt ist. Der Tabernakel ist unsere immerwährende Schule einer echten ständigen Vervollständigung, Schule einer opferbereiten Liebe und eines pastoralen Dynamismus. 5. Mit der Handauflegung durch den Bischof und das Weihegebet sind wir vor fünfzig Jahren Christus, dem Priester und Meister, dem Heiler und Hirten seines Volks, seinsmäßig gleichgeformt worden - (vgl. Lumen Gentium, Nm. 18-31; Presbyterorum ordinis, Nr. 2; CIC can. 1008; Direktorium für Dienst und Leben des Priesters, Nr. 6). 827 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir finden uns in diesen Tagen gemeinsam wieder, um unserm Herrn unser „Hier bin ich“ zu wiederholen. An jedem Tag, der vergeht, muß sich dieser Wille in uns verstärken als Ausdruck einer innerlich anhaltenden Jugend: „So will ich zum Altar Gottes treten, zum Gott meiner Freude ... (Ps 42,4; 43,4). Im Lauf der Jahre lassen die Körperkräfte nach, sie gehen dahin. Die innere Kraft folgt allerdings nicht den physischen Gesetzmäßigkeiten. Das Priestertum darf wirklich nicht nur auf funktionale Gesichtspunkte eingeschränkt werden. Wir sind Diener Christi und seiner Braut (vgl. Direktorium für Dienst und Leben des Priesters, Nr. 44), und für die Zeit, die Gott will, erwartet uns noch eine außergewöhnliche Aufgabe. Die Schwierigkeiten und die Prüfungen sollen uns nie entmutigen, uns erreiche nicht die Versuchung, die Klage des Jeremias zu wiederholen: „Ach, mein Gott und Herr, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung.“ Der Herr spornt uns an: „Sag nicht: Ich bin noch so jung. Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten ... Hiermit lege ich meine Worte in deinen Mund“ (vgl. Jer 1,6-9). 6. Liebe Mitbrüder im priesterlichen Amt! Unser Dank an Christus an diesem bedeutsamen Tag geht einher mit Gefühlen der Demut und der Anrufung des Erbarmens Gottes. Wir fühlen uns solidarisch mit all denen, die in Unkenntnis und Irrtum leben, da auch wir den menschlichen Schwächen ausgeliefert sind (vgl. Hebr 5,2). Deshalb muß jeder von uns „für sich selbst ebenso wie für das Volk Sühnopfer darbringen“ {Hebr 5,3). Wenn wir Eucharistie feiern, bekennen wir zu Beginn unsere Sünden gemeinsam mit den Gläubigen und bitten Gott um Vergebung: Misereatur nostri omnipotens Deus et dimissis peccatis nostris perducat nos ad vitam aetemam. Und so vollendet sich von Tag zu Tag unser priesterliches Amt. Von Tag zu Tag stellen wir in einem bestimmten Sinn Christus unsere Lippen und unsere Hände zur Verfügung zur Verwaltung der verschiedenen Sakramente, beginnend mit dem eucharistischen Opfer, dem „Quell und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ {Lumen Gentium, Nr. 11). 7. Kann es eine größere und erhabenere Berufung geben als diese? Gerade das ist für mich der Beweggrund innerer Freude, nämlich gemeinsam mit Euch, liebe Brüder, in so feierlicher Form Gott Dank zu sagen für das unaussprechliche Geschenk des Priestertums. Es war richtig, daß ich als Bischof von Rom diese Danksagung zuerst mit der Diözesangemeinschaft Roms beging - dies hat am Allerheiligentag stattgefunden - und dann mit Euch allen, die ihr die universale Kirche repräsentiert. Mit lautem Schreien - laßt uns mit lautem Schreien inbrünstige Gebete und Bitten (vgl. Hebr 5,7) vor Gott, den Vater und Schöpfer, bringen, damit durch das österliche Geheimnis Christi die Welt und die Menschheit vor allem Bösen bewahrt bleibe. Derselbe Gott gesteht uns allen gleichfalls zu, die Verwirklichung seines 828 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reiches voranzubringen, das uns durch seinen eingeborenen Sohn offenbart ist. Mit diesen Empfindungen laßt uns nun das „Magnificat“ singen, wo wir die mütterliche Fürsprache Marias und ihren immerwährenden Beistand anrufen: „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesgebärerin.“ Die göttliche Gnade helfe uns, dafür zu sorgen, daß jeder Augenblick unseres Lebens ein Wachsen in jener Liebe anzeige, die sich mit der Zeit an der Treue erkennen läßt. Noch einmal möchte ich danken für diese feierliche Zelebration der Vesper und ihre liturgische und außerliturgische Gestaltung. Allen möchte ich zum Schluß dieser unvergeßlichen Begegnung den Segen spenden. Alles Gute! Demokratie ohne Werte setzt Frieden und Fortschritt aufs Spiel Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden am 8. November Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Es ist mir eine Freude, Euch zu begagnen und Euch meine aufrichtige Dankbarkeit für die Arbeit der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden auszusprechen. Eure Versammlung findet kurz vor Beginn der drei Vorbereitungsjahre auf das Große Jubeljahr 2000 statt; dieses außerordentliche Ereignis verleiht der Arbeit Eures Gremiums eine besonders tiefe Inspiration, damit die Welt Zeiten der Gerechtigkeit und des Friedens in Christus erleben kann. Ich danke vor allem Eurem Präsidenten, Kardinal Roger Etchegaray, für die Worte, die er an mich gerichtet hat, und für seinen unermüdlichen Einsatz bei seiner Tätigkeit, die darauf ausgerichtet ist, im Namen des Hl. Stuhls das Wort und die Gesten des Friedens zu jenen zu bringen, die von den Schrecken des Krieges und von vielen kollektiven Formen der Armut heimgesucht werden. Außerdem möchte ich seinen tatkräftigen Mitarbeitern danken für die Dienste, die sie jeden Tag leisten. Als Organ des Hl. Stuhls trägt der Rat für Gerechtigkeit und Frieden in hohem Maße zur Verbreitung der Soziallehre der Kirche bei: Die von ihm ein-gebrachten Überlegungen waren wertvoll und haben die Teilnahme des Hl. Stuhls an der Tätigkeit der internationalen Gemeinschaft in den vergangenen Jahren sicherlich bereichert. 2. Das zentrale Thema Eurer Vollversammlung ist das Verhältnis zwischen Demokratie und Werten, über das ich schon mehrfach gesprochen habe. Es handelt sich 829 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um eine ganze Reihe von hochaktuellen Fragen, die außerdem ausschlaggebend sind, was die Erhaltung und Verbesserung demokratischer Systeme betrifft. Die Soziallehre der Kirche verurteilt jede Form von Totalitarismus, denn dieser leugnet „die transzendente Würde des Menschen“ (Centesimus annus, Nr. 44); überdies bringt sie ihre Achtung gegenüber den demokratischen Systemen zum Ausdruck (vgl. ebd., Nr. 46), die geschaffen worden sind, um die Teilnahme der Bürger zu sichern (vgl. Gaudium et spes, Nr. 75) gemäß dem weisen Kriterium der Subsidiarität. Dieses Prinzip setzt voraus, daß das politische System die wesentliche Rolle der Einzelpersonen, der Familien und der Gruppen, aus denen die bürgerliche Gesellschaft besteht, anerkennt. Trotzdem gibt es Grund zur Sorge: In zahlreichen Ländern kann die Demokratie -die entweder schon lange existiert oder erst seit kurzer Zeit eingerichtet worden ist - durch Auffassungen oder Verhaltensweisen gefährdet werden, die von Gleichgültigkeit oder Relativismus im Bereich der Moral beeinflußt werden, wobei der wahre Wert des Menschen verkannt wird. Eine Demokratie, die nicht auf den der Menschennatur eigenen Werten gründet, bringt das Risiko mit sich, den Frieden und den Fortschritt der Völker zu gefährden. 3. Angesichts dieser Situationen sind die Christen auf gerufen, mit der Kraft zu reagieren, die sie aus dem Evangelium Jesu Christi und aus dem erleuchtenden Reichtum der Soziallehre der Kirche schöpfen. Insbesondere die gläubigen Laien haben die Aufgabe, die demokratische Praxis mit menschlichen und christlichen Werten zu bereichern - dank einer intelligenten und beständigen Erziehungsarbeit: Erziehung zur Rechtschaffenheit, zur Solidarität, zur Hinwendung gegenüber den Bedürftigen, zu „Lebensweisen, [...] in denen die Suche nach dem Wahren, Schönen und Guten und die Verbundenheit mit den anderen für ein gemeinsames Wachstum jene Elemente sind, die die Entscheidungen für Konsum, Sparen und Investitionen bestimmen“ (Centesimus annus, Nr. 36). Mit klarem Bezug auf die Werte der einzigartigen Würde des Menschen darf das gegenwärtige Nachdenken über das demokratische System nicht bei den politischen Systemen und den Institutionen stehen bleiben, sondern muß die Gesamtheit der Gesellschaft, die Ökonomie der Arbeit in Betracht ziehen (vgl. Paul VI., Octo-gesima adveniens, Nr. 47), um so ein authentisches und vollständiges Konzept der Demokratie herauszuarbeiten. 4. In dieser Perspektive, in der Demokratie und Wirtschaft richtigerweise miteinander verbunden sind, möchte ich Eure Aufmerksamkeit auf das Thema der internationalen Verschuldung lenken, denn ein entschlossener Beitrag zu einer vernünftigen Lösung dieses Problems von seiten derer, die den Namen Christi tragen, wäre ein beredtes Zeichen für die Bekehrung der Herzen - ein wesentliches Element des Großen Jubeljahrs. Ihr wißt, daß das Problem der Verschuldung zur verzweifelten sozialen Lage zahlreicher Länder beiträgt und eine schreckliche Hypothek für die demokratische Entwicklung ihrer politischen und Wirtschaftssysteme 830 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darstellt, denn eine hohe Verschuldung verbaut jede Hoffnung auf eine menschlichere Zukunft. Die internationale Gemeinschaft, besorgt über den Zerfall von Netzen der Solidarität, hat begonnen, über dieses für das Wohl der Menschheit so wichtige Thema verantwortungsvoll nachzudenken, um konkrete und angemessene Lösungen zu finden. Ich möchte an dieser Stelle die Würdigung und Ermutigung der Kirche gegenüber solchen vielversprechenden Ansätzen zum Ausdruck bringen. Die Kirche ist entschlossen, ihre Anstrengungen fortzusetzen, um jenen Erleuchtung zu bieten, die folgenschwere Entscheidungen zu treffen haben. Vor zehn Jahren hatte der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden in seinem mutigen Dokument über die internationale Verschuldung (27. Dezember 1986) klare und vorausblickende Vorschläge gemacht. Heute bestätige ich den Rat in dieser Art von Sendung und betraue ihn mit der Aufgabe, Empfehlungen und Orientierungshilfen im geistigen und kulturellen Rahmen des Großen Jubiläums des Jahres 2000 abzufassen und auszuarbeiten. Ich bin davon überzeugt, daß ich mit Eurem selbstlosen Einsatz rechnen kann, um Lösungswege zu finden, die die Situation der Armut zahlreicher Brüder und Schwestern lindem helfen und Ansporn sind für eine Welt, die - vor allem auf internationaler Ebene - zu einer Zeit des Teilens und der Solidarität zurückfinden muß. Ich bitte die Jungfrau Maria um ihre mütterliche Hilfe bei diesen Aufgaben und Anliegen und segne von ganzem Herzen Eure Diözesen, Eure Länder und Eure Familien. Lebensschutz auch vor falsch verstandener Freiheit Botschaft anlässlich eines von der „Universitä Cattolica del Sacro Cuore“ angeregten Internationalen Kongresses des Studien- und Forschungszentrums für natürliche Fruchtbarkeitsregelung vom 8. November An meinen verehrten Bruder Msgr. Elio Sgreccia, Titularbischof von Zama Minore und Leiter des Instituts für Bioethik der „Universitä Cattolica del Sacro Cuore“ 1. Mit großer Freude habe ich von dem in diesen Tagen stattfindenden internationalen Kongreß zum Thema: „An der Quelle des Lebens“ erfahren, zu dem das Studien- und Forschungszentrum für natürliche Fruchtbarkeitsregelung der „Universitä Cattolica del Sacro Cuore“ angeregt hat. Ich möchte meine Anerkennung für diese Initiative zum Ausdmck bringen und gleichzeitig den Erzbischof von Ferrara, Msgr. Carlo Caffarra, den Rektor der Universität, Prof. Adriano Bausola, die Leiterin des Zentrums, Prof. Anna Cappella, wie auch alle Referenten und Teilnehmer herzlichst begrüßen. 831 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Das Infragestellen von Werten und Idealen, das unsere heutige Gesellschaft betrifft, verlangt von den Gläubigen eine eingehende und konstante Bildungstätigkeit: das ist das anspruchsvolle Ziel der neuen Evangelisation, für das wir uns auf der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends einsetzen müssen. Eines der Themen, dem die wesentliche Aufmerksamkeit der Kirche und der Verantwortlichen für die Zukunft der Völker gelten sollte, ist sicherlich die Familie, Mittelpunkt der menschlichen Gesellschaft und Grundzelle der kirchlichen Gemeinschaft. Zügelloser Hedonismus und Geringschätzung des menschlichen Lebens, schwach und unproduktiv bei seinem geheimnisvollen und zerbrechlichen Beginn, erfordern eine von konstanten Bemühungen zur Erziehung der Ehepartner begleiteten Verkündigung des „Evangeliums vom Leben“, damit sie in verantwortungsvoller Zusammenarbeit mit der vorausschauenden Weisheit des Schöpfers ihre Berufung als Diener des Lebens erkennen. 3. Dieser Kongreß ist ein bedeutender Abschnitt der unauffälligen und intensiven Arbeit, die dieses Zentrum nunmehr seit zwanzig Jahren leistet, um die Ehepartner über das schwierige Gebiet der verantwortlichen Zeugung durch die Verbreitung natürlicher Methoden zu unterrichten. Die mutige Initiative zur Förderung dieser Methoden, dem Geist und der Lehre von Humanae vitae, Familiaris consortio und Evangelium vitae entsprechend, genießt heute, nach schwierigen, vom Unverständnis der öffentlichen Meinung getragenen Anfängen, wachsende wissenschaftliche Anerkennung und findet Bestätigung im inneren Gleichgewicht und Frieden jener Eheleute, die sich zu periodischer Enthaltsamkeit verpflichten und deren Wert und Sinn sie anerkennen. Zweifellos geben uns diese Ergebnisse neuen Mut angesichts der besorgniserregenden Folgen, die im sexuellen Bereich von einer falsch verstandenen Freiheit ausgelöst wurden, einer Freiheit, der die Empfängnisverhütung Antrieb und Mittel liefert und die so ein Verflachen des Gewissens und ein Schwinden von Werten fördert. 4. Den verderblichen Kampagnen gewisser Strategien der Bevölkerungspolitik, die versuchen, Methoden der Empfängnisverhütung zu legitimieren und als Pflicht darzustellen, indem sie eine zweckdienliche und utilitaristische Vorstellung vom Leben des einzelnen Menschen und der Völker verbreiten und durchsetzen, muß mit jeder Initiative geantwortet werden, die - nach der feststehenden Lehre der Kirche - auf wissenschaftliche Weise und durch korrekte Information die Gültigkeit der natürlichen Methoden vertritt. Möge Euch bei dieser Aufgabe nicht die Gewißheit fehlen, eine wertvolle und verdienstreiche Arbeit zum Schutz der menschlichen Person, der Würde der Frau und des Grundwertes des menschlichen Lebens selbst zu leisten. 5. In dem Wunsch, daß die wissenschaftliche Welt und die christlichen Gemeinden sich in zunehmendem Maße, jeder für seinen Teil, in dieses Werk der Forschung, der Erziehung und Evangelisierung einbezogen fühlen, möchte ich denjenigen 832 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN danken, die, insbesondere in Zusammenarbeit mit der „Universitä Cattolica del Sacro Cuore“, bereits in dieser Richtung tätig sind. Gleichzeitig spende ich als Zeichen des göttlichen Beistands für die Kongreßarbeiten Ihnen, den Verantwortlichen des Zentrums, den Referenten und Teilnehmern meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan am 8. November 1996 Joannes Paulus PP. II Tragt die Soziallehre der Kirche in die Gesellschaft! Ansprache an die slowakischen Pilger am 9. November Verehrte Brüder im Bischofsamt! Liebe Priester, Ordensleute und Ihr alle, slowakische Pilger! 1. Seid willkommen! Mit großer Freude empfange ich Euch und grüße Euch in Liebe. Euer heutiger Besuch will jenen erwidern, den ich der Slowakei vom 30. Juni bis zum 3. Juli vergangenen Jahres abgestattet habe. Ich danke Msgr. Rudolf Baläz, dem Vorsitzenden der Slowakischen Bischofskonferenz, der mir Gefühle der Treue und der Dankbarkeit im Namen aller ausgedrückt und mich gleichzeitig zum 50. Jahrestag der Priesterweihe herzlich beglückwünscht hat. In meinem Gedächtnis sind noch die feierlichen und begeisterten Stunden eingeprägt, die ich in Eurer Mitte verbracht habe, und die heutige Audienz belebt deren Erinnerung: der Halt in der Con-Kathedrale von Bratislava; das freudige Treffen mit der Jugend in Nitra; die Pilgerfahrt nach Sastin, um die Schmerzensjungfrau, die Schutzherrin der Slowakei, zu verehren; die Heiligsprechung der drei Märtyrer von Kosice; die Gebetsstunde mit der griechisch-katholischen Gemeinde in Pre-sov; die große Feierstunde auf dem „Marienhügel“, in dem alten Wallfahrtsort bei Levoca. Während ich nun an die Stationen meiner apostolischen Reise in Eurem Land zurückdenke, sage ich Gott erneut Dank dafür, mir Gelegenheit zum Besuch Eurer christlichen Gemeinschaft gegeben zu haben, und ich sage denen Dank, die bei der Vorbereitung und Verwirklichung der unvergeßlichen pastoralen Pilgerfahrt mitgewirkt haben. 2. Die göttliche Vorsehung hat gewollt, daß der Nachfolger Petri die Slowakei in der Stunde ihrer Wiedergeburt besuchte, nach der traurigen Erfahrung von Leid und Qual, die außerdem eine künstliche Spaltung innerhalb der Nation und der katholischen Gemeinde erzeugt hatte. Die Botschaft, die ich Euch bei meinem Kommen hinterlassen habe, war eine dringende Aufforderung, die Wunden in gemeinschaftlichem Einsatz zu heilen und die Einheit auf der Grundlage jener Nor- 833 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men neu zu bilden, die Voraussetzung sind für jedes friedliche Zusammenleben und eine gesunde Entwicklung der Gesellschaft sicherstellen. Mein Appell war an alle gerichtet. Gewiß wollte er aber für die Katholiken - die ja die Mehrzahl der Bevölkerung darstellen - besonderen Charakter annehmen. Es reicht nämlich nicht aus, sich für katholisch zu erklären. Es ist notwendig, jenen „wirkenden“ Glauben zu bezeigen, von dem uns die Apostelgeschichte spricht: Ein Glaube, der seinen höchsten Ausdruck in der Barmherzigkeit, der wechselseitigen Aufnahme, in der gegenseitigen Achtung und der brüderlichen und solidarischen Liebe findet (vgl. Apg 2,42-47). 3. Diese Früchte des Glaubens können nur dann reifen, wenn man sich um eine aufrichtige persönliche Umkehr bemüht, die durch ihr beredtes Beispiel anzuziehen und zu überzeugen vermag. „Verba volant, exempla trahunt.“ Jeden Tag aufs neue Christus im Alltag bezeugen: Hier ist also die Verpflichtung für jeden Gläubigen, bei der Familie angefangen, um dann in den kirchlichen Bewegungen und den Organisationen christlicher Inspiration fortzufahren. Einzig auf diese Weise wird man erreichen, daß das Evangelium die Botschaft vom menschgewordenen Gott, das wirksame Ferment in der Menge bildet, für das Wachsen jedes einzelnen bürgt und das der Gesamtheit fördert. Die Katholiken dürfen nicht am Rande des gesellschaftlichen und politischen Lebens bleiben. Der Beitrag, den sie leisten können und müssen, ist vielmehr groß, wenn sie sich nach der Soziallehre der Kirche richten, ohne sich je auf vorgefaßten und parteilichen Positionen in Sicherheit zu bringen, die häufig unfruchtbar, wenn nicht sogar schädlich sind. Die gegenseitige Achtung ist in diesem Bereich von größter Bedeutung, gemäß der alten und goldenen Regel: „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in Omnibus caritas.“ Ihr Lieben, Europa durchlebt gerade einen schwierigen Moment seiner Geschichte: Die Christen sind zusammen mit allen Menschen guten Willens gerufen, jene ,(Zulage des Herzens“ zu geben, von der mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Papst Paul VI., sprach: eine Zulage an Glauben, Hoffnung und Liebe, eine Zulage an Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden. Die Slowakei hat ihre besondere Rolle beim Aufbau des Europa des dritten Jahrtausends: Seid Euch dessen wohl bewußt! Mit ihren Traditionen und ihrer Kultur, mit ihren Märtyrern und Bekennem, mit den lebendigen Kräften ihrer neuen Generationen ist sie aufgerufen, dem wahren Fortschritt des Kontinents einen sehr bedeutenden Beitrag anzubieten. Die Slowakei ist aufgefordert, Europa vor allem die Gabe ihres Glaubens an Christus und ihrer Liebe zu Maria darzubieten. Und gerade die Heilige Jungfrau ist es, der ich Eure Nation abermals anvertraue, während ich Euch, die Ihr hier anwesend seid, und dem gesamten slowakischen Volk einen besonderen Apostolischen Segen erteile. Gelobt sei Jesus Christus! 834 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Spender der Sakramente zur Erlösung der Welt Predigt bei der Eucharistiefeier über dem Grab des Apostels Petrus anlässlich des Goldenen Priesterjubiläums des Papstes und von Kardinalen, Bischöfen und Priestern aus aller Welt am 10. November „Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn“ CPs 116,13). 1. Meine Herren Kardinale, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Priester! Wir sind heute hier in der Petersbasilika versammelt, um jenes feierlichen Augenblicks vor 50 Jahren zu gedenken, als wir mit Bangen zum ersten Mal den „Kelch des Heils“ in unsere Hände nahmen. Dieser Kelch ist aus dem Abendmahlssaal zu uns gelangt. Wir haben ihn durch die Vermittlung eines Apostelnachfolgers von Christus selbst, dem einzigen und ewigen Priester, übernommen. Diesen Kelch umfaßten wir damals mit unseren Händen, und vor uns wurde die vom Mysterium geprägte Atmosphäre des Letzten Abendmahls wieder lebendig. Gerade auf dieses freudenvolle und zugleich dramatische Ereignis lenkt der heutige Text aus dem Evangelium nach Lukas unsere Aufmerksamkeit, indem er die Worte Christi wiedergibt: „Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis das Mahl seine Erfüllung findet im Reich Gottes“ (Lk 22,15-16). 2. Jesus weiß, daß er nunmehr an der Schwelle zu seinem Opfer steht - zu jenem Erlösungsopfer, das ein einziges Mal in der Geschichte auf blutige Weise vollzogen werden wird. Er will aber, daß dieses entscheidende Ereignis für alle Zeiten gegenwärtig bleibt, so daß jede Generation von Menschen auf dem Angesicht der Erde es in gewisser Weise in ihrer Zeit gegenwärtig erfahren kann. Deshalb nimmt er am Abend des Gründonnerstags im Abendmahlssaal das Brot, sagt Dank, bricht es und reicht es seinen Jüngern mit den Worten: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22,19). Nach dem Mahl tut er dasselbe mit dem Kelch: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (Lk 22,20). Nehmt und eßt alle davon. Nehmt und trinkt alle daraus (vgl. Mt 26,26-28). Die Apostel empfangen aus den Händen Christi selbst unter der Gestalt des Brotes seinen Leib und unter der des Weines sein Blut: So wird die erste und ursprüngliche eucharistische Konsekration vollbracht! Die Apostel befinden sich vor dem großen Geheimnis des Glaubens, das sie in diesem Augenblick am Abend vor dem Karfreitag noch nicht bis ins letzte erfassen können, das sie aber schon sehr bald mit bebender Erkenntnis begreifen und mit demütig-dankbarer Verehrung annehmen werden. Damit diese innere Erkenntnis in ihnen reifen konnte, sandte Christus - wie wir wohl wissen - den Aposteln nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt den Hei- 835 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ligen Geist. Erleuchtet und gestärkt durch seine Gaben, begriffen sie und ergriffen sie das im Abendmahlssaal vollzogene Erlösungsgeheimnis. Der Heilige Geist machte sie endgültig dazu fähig, das eucharistische Opfer mit der gebührenden inneren Einstellung zu feiern. 3. Das, was in den Aposteln geschah, hat sich auch in uns ereignet, die wir von ihnen das Amtspriestertum übernommen haben. Jeden Tag, wenn wir an den Altar treten und nach der Präfation die Worte des Hochgebets „Ja, du bist heilig, großer Gott, du bist der Quell aller Heiligkeit“ (Zweites Hochgebet) sprechen, erleben wir aufs neue die Erfahrung des Abendmahlssaals. Auf geheimnisvolle, aber reale Weise erhalten auch wir mystisch Anteil am Letzten Abendmahl, wenn wir die Hände über das Brot und den Wein ausstrecken und beten: „Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus“ (ebd.). Der Heilige Geist bewirkt es also, daß die Gaben der Menschen, Brot und Wein, wie damals im Abendmahlssaal Leib und Blut Christi werden. Sehr passend bringt uns daher die heutige Liturgie das Symbol der Salbung in Erinnerung, von dem der Prophet Jesaja spricht: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (Jes 61,1). 4. Bei unserer Priesterweihe vor 50 Jahren salbte der Bischof unsere Hände, um damit auszudrücken, daß gerade die Hände jener jungen Männer, die wir damals waren, ein bevorzugtes Werkzeug Christi, des Hohenpriesters, werden würden. In der Tat würden die Neupriester mit diesen Händen zuerst das Opferbrot und dann den mit Wein gefüllten Kelch halten. Über sie - das Brot und den Wein - würden sie dieselben Worte sprechen, die Christus im Abendmahlssaal gesagt hatte, und so ihre Konsekration vornehmen und ihre Substanz in Seinen Leib und Sein Blut verwandeln. Durch den Priester empfängt auf diese Weise die Versammlung der Gläubigen unter den Gestalten Brot und Wein das große Sakrament der Erlösung der Welt, wenn sie dieses große Geheimnis des Glaubens feiert. Jeder von uns, geliebte und verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt, weiß, daß er nach dem Vorbild Christi Diener des Erlösungsgeheimnisses ist. Während des Letzten Abendmahls wusch Christus den Aposteln die Füße, um deutlich zu machen, daß Er selbst an erster Stelle als „Dienender“ in ihrer Mitte bleiben wollte und daß daher auch sie aufgerufen waren, allen ihren Brüdern zu dienen. Das Priestertum, das sie aus den Händen des Erlösers empfingen, - auch das sollten die Apostel nach und nach verstehen - war ein „Amtspriestertum“. 5. In dieser Liturgie haben wir auch die Worte vernommen, die der Apostel Petrus an die Ältesten, d. h. an die Presbyter, richtete, und damit sind wir alle gemeint. Er schreibt: „Eure Ältesten ermahne ich, da ich ein Ältester bin wie sie und ein Zeuge der Leiden Christi und auch an der Herrlichkeit teilhaben soll, die sich offenbaren wird: Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus 836 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung; seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde! Wenn dann der oberste Hirt erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen“ (i Petr 5,1-4). Diese Worte schreibt Petrus, der Apostel, der eine besondere Glaubensprüfung durchgemacht hatte: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,31-32). Wie deutlich ist in den nachfolgenden Worten der heutigen Lesung der Nachhall der leidvollen Erfahrung aus der Gründonnerstagsnacht ersichtlich! Der Apostel Petrus schreibt: „Alle aber begegnet einander in Demut! Denn Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade. Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöht, wenn die Zeit gekommen ist. Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch. Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens!“ (I Petr 5,5-9). Gerade Petrus, gestärkt durch die erlebte Erfahrung und das Gebet Jesu, hatte ein Recht, so zu sprechen; ja, er mußte so sprechen. Mit diesen Worten brachte er das Bewußtsein der eigenen Schwäche und zugleich des Rufes zum Dienst zum Ausdruck; gleichzeitig entwarf er das Programm des Einsatzes und der Askese jedes Priesterlebens. 6. „Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn.“ Verehrte und geliebte Mitbrüder, heute nimmt der Nachfolger Petri wie einst der Apostel selbst den Kelch des Heils und feiert am 50. Jahrestag seiner Priesterweihe das eucharistische Opfer. Ich grüße Euch alle mit großer Zuneigung. Mein Gedenken geht in besonderer Weise zu Kardinal Bemardin Gantin, Dekan des Kardinalskollegiums, dem ich von Herzen für die freundlichen Worte und Glückwünsche danke, die er vorhin im Namen aller an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich die anderen Kardinäle und lasse denjenigen unter ihnen, die ihr Priesterjubiläum feiern, ein besonderes Gedenken zukommen. Mein herzlicher Gruß gilt sodann Euch allen, meine lieben Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, die Ihr in diesem Jahr den 50. Jahrestag Eurer Weihe begeht. Euch, die ihr in dieser Patriarchalbasilika versammelt seid, um ein so bedeutsames Gedächtnis zu feiern; Euch, die ihr die Kirche in Rom und die Kirche überall auf der Erde repräsentiert, bringt der Nachfolger Petri seinen innigen Dank zum Ausdruck. Durch die geieinsame Feier des einzigen Opfers Christi bezeugen wir denselben eucharistischen Glauben in Dankbarkeit für das Geschenk, das Gott uns gemacht hat, als er uns vor 50 Jahren zum Amtspriestertum im Dienst am Volk Gottes in der ganzen Welt berief. 837 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Spontan kommt mir bei dieser feierlichen hl. Messe das Motto meines Pontifikats „Totus Tuus“ auf die Lippen, um der Mutter Christi, des Priesters, diese unsere Jubilarsgemeinschaft anzuvertrauen. Maria möge auf dem weiteren Weg unseres Lebens und unseres Dienstes an der Seite von jedem von uns bleiben! Königin der Apostel, Mutter der Priester, bitte für uns! Amen! Freiheit ohne Moral macht Demokratie zum Werkzeug des Stärkeren Ansprache bei der Audienz für Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen und Internationalen Agenturen anlässlich der Weltemährungsgipfelkonferenz der FAO in Rom am 12. November Liebe Freunde! 1. Sehr gerne empfange ich diese Gruppe von Verantwortlichen von Nicht-Regierungsorganisationen und anderen Agenturen, die auf internationaler Ebene die Würde der menschlichen Person fördern und verteidigen. Sie haben diese Begegnung gerade deshalb gewünschd, weil Sie eine wesentliche Übereinstimmung zwischen der Lehre der katholischen Kirche sowie der Politik und den Zielen Ihrer Organisationen hinsichtlich zahlreicher Themen von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Menschheitsfamilie erkennen. 2. Sie sind im Zusammenhang mit dem Gipfeltreffen der Emährungs- und Landwirtschaftsorganisation, welches die Emährungsprobleme der Welt - insbesondere der Armen der Welt - behandelt, hier in Rom zusammengekommen. Im Plan des Schöpfers bedeutet die universale Bestimmung der Güter der Erde, daß jedes Individuum ein Grandrecht auf angemessene Ernährung hat. Das Gespenst des Hungers und der Unterernährung ist wahrlich eine Beleidigung des Schöpfer-Ebenbildes in jedem Menschen. Das gilt vor allem dann, wenn der Hunger die Folge eines schlechten Gebrauchs von Ressourcen oder eines übertriebenen Eigeninteresses im Kontext gegen einander auftretender politischer und wirtschaftlicher Gruppen ist oder seine Ursache in der strengen Anwendung des Profitprinzips zum Nachteil der Solidarität und Zusammenarbeit zum Wohl aller, die die Menschheitsfamilie bilden, hat. Die Gläubigen müssen sich in ihrem Gewissen zum Einsatz dafür gedrängt fühlen, daß die Unterschiede zwischen Nord und Süd zurückgehen, und zum Aufbau aufrichtiger Beziehungen auf jeder Ebene des menschlichen Lebens auf dieser Erde: Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Moral (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 1986). Die Worte Christi selbst sollen den Christen Ansporn sein und ihnen die Dringlichkeit vermitteln: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben“ {Mt 25,35). 838 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Viele von Ihnen suchen einer weiteren, noch schrecklicheren Schande entgegenzutreten, nämlich der Bedrohung des Lebens selbst und der systematischen Vernichtung unschuldigen Lebens, besonders des ungeborenen. Sollen wir am Ende eines Jahrhunderts, das in noch nie dagewesener Weise Leben vernichtet hat - zumeist im Namen totalitärer Ideologien - abschließend feststellen müssen, daß auch die Demokratie zu einem Förderer von beispiellosen Angriffen gegen das Menschenleben geworden ist? Einerseits hat uns der Fortschritt demokratischer Freiheiten eine neue Stärkung der Menschenrechte gebracht, kodifiziert in wichtigen internationalen Erklärungen und Abkommen. Wenn anderseits die Freiheit losgelöst ist von den moralischen Prinzipien, die der Gerechtigkeit zugrundehegen und die das Gemeinwohl bestimmen, wird die Demokratie selbst untergraben und zu einem Werkzeug der Stärkeren, mit dem sie ihren Willen den Schwächeren aufzwingen, wie wir in wachsendem Ausmaß um uns hemm beobachten können. 4. Wie Sie nur zu gut wissen, genügt es nicht, über die Situation zu klagen. Es gibt viel zu tun, um die Gewissen und die öffentliche Meinung im Hinblick auf das zu bilden, was der Kürze wegen, doch mit solider Begründung die „Kultur des Todes“ genannt wird. Ich lade Sie ein, Ihre Anstrengungen zur Förderang der „Kultur des Lebens“ zu erneuern und nach einer höheren moralischen Sicht zu suchen, die es Ihnen möglich machen wird, immer enger zusammenzuarbeiten bei der Verteidigung der Unantastbarkeit jedes Menschenlebens. Machen Sie Ihre Kräfte, Ihre Talente und Ihr Fachwissen dieser immensen und vitalen Anstrengung zugunsten der Menschheit nutzbar! Möge Gott Ihnen die Kraft und den Mut geben, um in der internationalen Arena für diejenigen zu sprechen, die keine Stimme haben, und die zu verteidigen, die sich nicht zur Wehr setzen können. Er möge seinen reichlichen Segen über Sie und Ihre Familien ausschütten. Nicht Mitleid, sondern Gerechtigkeit verhindert Hunger in der Welt Ansprache an die Teilnehmer des Weltgipfels für Ernährung der FAO in Rom am 13. November Sehr geehrter Herr Generaldirektor, sehr geehrter Herr Generalsekretär der Vereinten Nationen, Exzellenzen, meine Damen und Herren! l.Mit besonderer Dankbarkeit komme ich Ihrer freundlichen Einladung nach, mich an die Delegationen der einhundertvierandneunzig Staaten zu wenden, die am Weltemährangsgipfel teilnehmen. Ich danke Ihnen für Ihren warmherzigen 839 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Empfang. Ich teile Ihre Sorgen, und es ist mir ein Anliegen, Ihre Anstrengung zugunsten von Kindern, Frauen, alten Menschen und Familien, die Hunger leiden oder sich nicht angemessen ernähren können, anzuerkennen und zu unterstützen. Um eine zutreffende Antwort auf die dramatische Situation zahlreicher Länder zu finden, tragen Sie die Verantwortung, die technischen Schwierigkeiten zu untersuchen und vernünftige Lösungen vorzuschlagen. 2. In den Studien, die mit den Vorbereitungsarbeiten zu diesem Treffen verbunden waren, wird darauf aufmerksam gemacht, daß immer noch über achthundert Millionen Menschen an Unterernährung leiden und daß es oft schwierig ist, sofort Lösungen zu finden, um solche dramatischen Lebenslagen rasch verbessern zu können. Dennoch müssen wir gemeinsam Anstrengungen auf uns nehmen, damit es nicht mehr - Seite an Seite - Menschen gibt, die hungern und die im Übarfluß leben, sehr arme Menschen neben sehr reichen, Menschen, denen das Nötigste fehlt, neben anderen, die übermäßig verschwenden. Solche Gegensätze zwischen Armut und Reichtum sind für die Menschheit unerträglich. Es ist Aufgabe der Nationen, ihrer Regierenden, ihrer Führungskräfte in der Wirtschaft und aller Menschen guten Willens, nach allen Möglichkeiten für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen, an denen es nicht mangelt, und der Konsumgüter zu suchen. Durch dieses Teilen werden alle ihren Sinn für Brüderlichkeit zum Ausdruck bringen. Auch braucht es eine „feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). In diesem Geist ist es angebracht, die Mentalität und die Gewohnheiten im Hinblick auf die Lebensweise und die Einstellung zu Ressourcen und Gütern zu verändern sowie die Menschen zur Achtung ihrer Nächsten und deren berechtigten Bedürfnissen zu erziehen. Es wäre wünschenswert, wenn Ihre Überlegungen auch konkrete Maßnahmen anregen könnten als Mittel zum Kampf gegen die Nahrungsunsicherheit, der immer noch zu viele unserer Brüder im Menschengeschlecht ausgeliefert sind. Denn es wird sich weltweit nichts ändern, wenn die Verantwortlichen der Nationen die in Ihrem Aktionsplan dargelegten Verpflichtungen nicht selbst übernehmen, um Wirtschafts- und EmährungsStrategien umzusetzen, die nicht nur auf finanziellem Nutzen und Gewinn, sondern auch auf solidarischem Teilen begründet sind. 3. Wie Sie festgestellt haben, genügen demographische Überlegungen allein nicht, um die mangelhafte Verteilung der Nahrungsmittel zu erklären. Man muß den Trugschluß aufgeben, der besagt, daß „zahlreich zu sein bedeutet, zur Armut verdammt zu sein“. Durch sein Eingreifen kann der Mensch die Situation verändern und auf die wachsenden Bedürfnisse antworten. Eine allen zugängliche Ausbildung, eine den lokalen Gegebenheiten angepaßte Ausstattung, eine gerechte Agrarpolitik und ausgewogene Wirtschaftsstrukturen können ebenso Faktoren darstellen, die langfristig positive Auswirkungen schaffen werden. Eine zahlreiche 840 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bevölkerung kann sich als Antrieb für die Entwicklung erweisen, denn sie führt zu Umsatz und Nachfrage von Gütern. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß das Bevölkerungswachstum unbegrenzt sein darf. In diesem Bereich hat jede Familie ihre eigenen Aufgaben und trägt ihre eigene Verantwortung. Und die Bevölkerungspolitik der Staaten muß die Würde der Menschennatur und die Grundrechte der Person respektieren. Es wäre allerdings illusorisch zu glauben, daß eine willkürliche Stabilisierung der Weltbevölkerung oder sogar ihre Abnahme eine direkte Lösung des Hungerproblems mit sich brächten: Ohne die Arbeit der Jugendhichen, ohne den Beitrag der wissenschaftlichen Forschung, ohne die Solidarität zwischen den Völkern und den Generationen werden die landwirtschaftlichen Ressourcen und die Nahrungsmittel wahrscheinlich immer weniger gesichert sein, und die ärmeren Schichten der Völker werden unterhalb der Armutsgrenze und von den Wirtschaftsabläufen ausgeschlossen bleiben. 4. Man muß außerdem anerkennen, daß die unter Bedingungen der Nahrungsunsicherheit lebenden Bevölkerungsgruppen oft wegen politischer Gegebenheiten dazu gezwungen sind, die sie daran hindern, normal zu arbeiten und zu produzieren. Man denke in diesem Zusammenhang zum Beispiel an die Länder, die von Konflikten aller Art verwüstet werden oder die die Last einer teilweise erdrückenden internationalen Verschuldung tragen müssen, an die Flüchtlinge, die zum Verlassen ihrer Heimat genötigt und allzuoft ohne Hilfe gelassen werden, an die Völker, über deren Länder - oft ohne ausreichende Abwägung - Embargos verhängt worden sind. Solche Situationen fordern die Anwendung friedlicher Mittel zur Lösung der auftretenden Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, wie es im übrigen im Aktionsplan des Weltemährungsgipfels vorgeschlagen wird (vgl. Nr. 14). 5. Ich weiß natürlich, daß zu Ihren wichtigsten Verpflichtungen auf lange Sicht diejenigen zählen, die die verschiedenen Investitionsformen im Bereich der Landwirtschaft und Ernährung betreffen. Es scheint sich hier ein Vergleich aufzudrängen mit den Kosten der Rüstung oder mit den überflüssigen Ausgaben, wie sie gewöhnlich in den höchstentwickelten Ländern praktiziert werden. Es müssen dringend Entscheidungen umgesetzt werden, die - sowohl auf nationalem und internationalem Niveau als auch auf dem Niveau der verschiedenen Gemeinschaften und Familien - die Bereitstellung bedeutender Mittel ermöglichen, um in der Mehrzahl der Länder die Nahrungssicherheit als wesentlichen Faktor für den Frieden zu gewährleisten; sie besteht nicht nur darin, erhebliche Vorräte an Nahrungsmitteln zu schaffen, sondern vor allem darin, daß jedem Menschen und jeder Familie die Möglichkeit gegeben wird, jederzeit genügend zu essen zu haben. 6. Sie haben vor, anspruchsvolle Verpflichtungen in diesen Bereichen einzugehen, vor allem hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und politischen Dimension. Sie wollen die geeignetsten Maßnahmen ermitteln, um die landwirtschaftliche Produktion vor Ort und den Schutz des landwirtschaftlich genutzten Bodens zu fördern, wobei 841 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gleichzeitig die natürlichen Ressourcen bewahr' eerden sollen. Die im Aktionsplan enthaltenen Vorschläge zielen darauf ab, daß - durch politische Initiativen und gesetzgeberische Maßnahmen - für eine gerechte Verteilung des Produktionsvermögens und für die Förderung des gemeinschaftlichen und genossenschaftlichen Handelns in der Landwirtschaft gesorgt werde sowie für die Förderung des Marktzugangs zum Wohl der ländlichen Bevölkerung. Sie haben außerdem Vorschläge vorgelegt für die internationale Hilfe zugunsten der ärmsten Länder und für eine gerechte Definition der Handelsbedingungen und des Zugangs zu Krediten. All das wäre sicherlich nicht ausreichend, wenn nicht weitere Anstrengungen im Dienst der Erziehung der Menschen zur Gerechtigkeit, zur Solidarität und zur Liebe gegenüber jedem Menschen, der unser Bruder ist, hinzukämen. Die Grundlagen, die durch Ihre verschiedenen Verpflichtungserklärungen gelegt sind, können zu fähigen Antriebskräften werden, die Beziehungen zwischen den Völkern zu beleben durch einen konstanten Austausch, „einer wahren ,Kultur des Schenkens1, die jedes Land für die Bedürfnisse der Benachteiligten vorbereiten sollte“, wie ich anläßlich des fünfzigjährigen Bestehens der FAO sagte (.Ansprache am 23. Oktober 1995, Nr. 4). Nahrungssicherheit ergibt sich nicht einfach aus Hilfsleistungen; sie ist vielmehr das Ergebnis von Entscheidungen, die von einer Ethik der Solidarität inspiriert sind. 7. In dem Schreiben Tertio millennio adveniente, das ich zur Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres 2000 verfaßte, habe ich konkrete Initiativen internationaler Solidarität vorgeschlagen. Ich hielt es für meine Aufgabe, dazu aufzurufen, „an eine Überprüfung, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlaß der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten“ (Nr. 51). Letzte Woche habe ich die Teilnehmer an der Vollversammlung des Päpstlichen Rats Cor Unum empfangen und ihnen die Wertschätzung der Kirche gegenüber einigen von der internationalen Gemeinschaft geleisteten Diensten bestätigt. Ich erneuere hier meine Aufforderung dahingehend, die auf den Weg gebrachten Maßnahmen auch zu Ende zu führen. Die Kirche ist ihrerseits entschlossen, ihre Bemühungen zur weiteren Aufklärung all derer fortzusetzen, die folgenschwere Entscheidungen treffen müssen. In seinem neuesten Dokument Der Hunger in der Welt — Eine Herausforderung fiir alle: solidarische Entwicklung hat der Päpstliche Rat Cor Unum einige Vorschläge unterbreitet, die auf die Förderung einer gerechteren Verteilung der Nahrungsmittel abzielen. In der Tat fehlt es heute - dank Gott und dank der Arbeit des Menschen - nicht an Nahrungsmitteln, und es wird auch in Zukunft nicht daran fehlen. Der gute Wille und eine gutwillige Politik sollten die Findigkeit der Menschen anregen, damit die lebensnotwendigen Bedürfnisse aller gesichert werden, gerade auf Grund der allgemeinen Zielbestimmung der Ressourcen der Erde. 8. Exzellenzen, meine Damen und Herren! Sie haben bemerkt, daß Ihnen meine Unterstützung sicher ist. Die Anwesenheit einer Beobachter-Delegation des 842 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hl. Stuhls bei der Emährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen sollte hinreichen, um das Interesse auszudrücken, mit dem der Hl. Stuhl Ihre Arbeit und Ihre Bemühungen zur Beseitigung des Hungers in der Welt verfolgt. Im übrigen wissen Sie auch, wie sehr sich die Glieder der katholischen Kirche im Rahmen zahlreicher lokaler Organisationen einsetzen, die dafür arbeiten, daß die armen Länder ihre Produktion verbessern und sich aus sich selbst heraus entwickeln können, „in Treue zu ihrem Wesen selbst die Mittel zu ihrem sozialen und menschlichen Fortschritt“ (Paul VI., Populorumprogressio, Nr. 64) zu finden. Ich möchte an dieser Stelle an die Devise der Organisation erinnern, bei der wir heute zu Gast sind: „Fiat panis.“ Sie knüpft an das Gebet an, das den Christen so sehr lieb ist und das Jesus selbst sie gelehrt hat: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Arbeiten wir also ohne Zögern zusammen, damit jeder Mensch, wo immer er auch lebt, das Brot zum Teilen auf seinen Tisch bringen kann. Gott segne all jene, die es hersteilen und sich davon ernähren! Solidarität muß sich auch in Wirtschaftsstrukturen zeigen Ansprache an die Mitglieder der Stiftung „Centesimus annus“ am 23. November 1. Es ist mir eine Freude, Sie alle, die Sie hier im Vatikan zusammengekommen sind, herzlich zu begrüßen. Sie haben sich hieranläßlich der alljährlichen Studienversammlung der Stiftung „Centesimus annus - Pro Pontifice“ eingefunden zum Thema: „Die Solidarität in den päpstlichen Lehrschreiben.“ Mein Gruß gilt vor allem Rosalio Jose Kardinal Castillo Lara und Erzbischof Lo-renzo Antonelti, denen ich für die freundlichen Worte danke, die sie auch im Namen aller an reich gerichtet haben. Auch grüße ich Erzbischof Claudio Maria Celli so wie alle hier anwesenden Mitglieder der Stiftung, die Sie zusammen mit Ihren Familienangehörigen hierher gekommen sind, um mir diesen Besuch abzustatten. 2. Die Ziele Ihrer verdienstvollen Vereinigung entnehmen ihre Anregungen aus der Enzyklika Centesimus annus, die ich veröffentlichte, um an das zu erinnern, was vor einem Jahrhundert mein verehrter Vorgänger Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika Rerum novarum geschrieben hat. Es ist ein Dokument, das in Kirche und Welt viele Früchte hervorgebracht hat. Daher freue ich mich über diesen Besuch, der es mir ermöglicht, aus der Nähe zu verfolgen, was Sie zur Unterstützung der kirchlichen Soziallehre, zu ihrer Vertiefung sowie zu ihrer Verbreitung und Anwendung leisten. In der Tal kann diese Lehre nicht einfach als eine Theorie betrachtet werden; denn sie will in erster Linie eine Grundlage und eine Motivation für eine konsequente Anwendung im Handeln bieten (vgl. Centesimus annus, 57). Diesbezüglich habe ich in der genannten Enzyklika angemerkt: „Die Kirche ist sich heute mehr denn je 843 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bewußt, daß ihre soziale Botschaft mehr im Zeugnis der Werke als in ihrer inneren Folgerichtigkeit und Logik Glaubwürdigkeit finden wird“ (ebd.). Eben darin hegen Grund und Ziel Ihrer heutigen Überlegungen: Sie wollen die reichhaltige Lehre der Kirche über die Solidarität in das konkrete tägliche Leben der einzelnen und ihrer Pflichten im menschlichen und beruflichen Bereich übertragen. 3. Über diese Themenwahl freue ich mich aufrichtig; denn sie rückt den Wert des Zeugnisses für das Evangelium in den Vordergrund, das die großzügige Anwendung der Prinzipien der kirchlichen Soziallehre in sich birgt (vgl. Centesirnus an-nus, 54). Solidarität besteht nicht in irgendeiner isolierten Geste oder in „einem Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der leiden so vieler Menschen“ (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38), sondern sie ist eine Tugend, und als solche zeigt sie auch „die feste und beständige Entschlossenheit auf, sich für das ,Gemeinwohl4 einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (ebd.). Solidarität muß das Leben und die Wege eines jeden sozusagen von innen heraus informieren und transformieren. Sie verpflichtet die Person auch hinsichtlich des Gebrauchs der materiellen Güter, die der Herr gewährt hat und von denen sie mehr Verwalter als Eigentümer ist, zum Nutzen aller. Wie könnte eine wirklich humane Gesellschaft den Wert der Solidarität verkennen oder ihn lediglich privater Initiative überlassen? Die Gesellschaft hat, insofern sie aus Geschöpfen besteht, die von Gott alle gleich geschaffen wurden, die Pflicht, die Solidarität untereinander zu fördern und auch für Strukturen zu sorgen, die diese Solidarität wirksam werden lassen. Dies muß mit Achtung vor der berechtigten Autonomie der verschiedenen Sozialsubjekte und des Subsidiaritätsprinzips geschehen. Auch auf internationalem Niveau wird dies bei dem gegenwärtigen Phänomen der sog. „weltweiten Wirtschaft“ angewandt (vgl. Centesirnus annus, Nr. 58). 4. In diesem Bereich ist die Rolle der Christen entscheidend. Wenn sie wirklich die Soziallehre der Kirche und ganz speziell die Lehre über die Solidarität zum Kriterium ihres Handels im persönlichen und im sozialen Bereich gemacht haben, dann wird es nicht ausbleiben, daß sie konkretes Zeugnis geben über die Werte, die auf Liebe und Gerechtigkeit gründen. Sie werden hierin nur dem Beispiel ihres göttlichen Meisters folgen müssen, der sich zum „Sklaven“ aller machte „bis zum Tod ja bis zum Tod am Kreuz“ (vgl. Phil 2,78). Er selbst versichert ihnen: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Brüder und Schwestern im Herrn, möge es Ihnen immer gelingen, treue Verwalter und umsichtige Gestalter der Solidarität zu sein gemäß dem Geiste des Evangeliums. Auf diese Weise werden Sie fortfahren, die Menschenwürde im Sinne Christi und der Lehre der Kirche zu verteidigen und zu fördern. Seien Sie rührige Zeugen 844 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihres Glaubens. So werden Sie auch tatkräftig zur Errichtung der ersehnten Zivilisation der Liebe beitragen, deren erste Regel es ist, die Achtung vor jedem Menschen zu fördern. Ich vertraue diese Wünsche sowie Ihr Engagement der mütterlichen Fürsprache der allerse ligsten Jungfrau Maria an. Möge sie es sein, die Ihre Tätigkeit zugunsten so vieler Brüder und Schwestern in Not leite. Und so erteile ich denn Ihnen, Ihren Mitarbeitern und allen, die Ihnen heb sind, den Apostoüschen Segen. Auf den Spuren dieser Seligen Zeugnis ablegenfür Christus und sein Reich Predigt bei der Eucharistiefeier zu den Seligsprechungen am 24. November 1. Heute, am letzten Sonntag des liturgischen Jahres, feiert die Kirche das Hochfest von Christus, dem König, und richtet ihren Blick auf die Gestalt des Guten Hirten. Christus, der Gute Hirte, leitet seine Herde, er schützt sie vor den Angriffen des Feindes, sorgt für die Nahrung der Schafe (vgl. Ez 34,11 ff.) und sucht sie vor allem ins Haus des Vaters zu führen, das heißt in jenes Reich, das der Vater ihm anvertraut hat, damit er den Menschen Anteil daran gebe. Christus, der Gute Hirte, „gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). Christus, der Gekreuzigte, ist auferstanden: als Gekreuzigter gibt er sein Leben hin, als Auferstandener schenkt er sein Leben. Der Apostel Paulus schreibt: „Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (7 Kor 15,21-22). Und er fügt hinzu: „Danach kommt das Ende, wenn er ... seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt. Denn er muß herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod“ (7 Kor 15,24-26). 2. In diesem Reich übt der Sohn die Macht aus. Nicht nur die des Hirten, sondern auch die des Richters, wie es das heutige Evangelium zeigt. Christus ist König, denn ihm kommt das Gericht über die Völker, das Gericht über jeden Menschen zu. Der hl. Matthäus umreißt eindrucksvoll, wie sich dieses Gericht vollzieht. Der Richter sagt: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleider gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25,34- 845 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 36). Die Gerechten werden fragen: Wann haben wir das alles je getan? Und Er wird antworten: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). Christus ist König der Liebe, und daher wird das letzte Gericht über den Menschen und über die Welt ein Gericht über die Liebe sein. Geliebt zu haben oder nicht geliebt zu haben, davon wird es abhängen, ob uns auf der einen oder auf der anderen Seite unser Platz zugewiesen wird. Das Reich, das Christus uns anbietet, ist zugleich eine Aufgabe, die er jedem von uns stellt. An uns ist es, sie durch jene Werke der Liebe zu erfüllen, die im Evangelium sehr realistisch beschrieben sind. 3. Heute stellt uns die Kirche zwei Männer und eine Frau vor Augen, die in ihrer Umwelt gerade durch die Werke einer hochherzigen Hingabe an Gott und an die Brüder das Reich Gottes verwirklicht haben und seine Erben geworden sind. In der Stunde des Gerichtes haben sie gehört, wie zu ihnen gesagt wurde: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“ {Mt 25,34). Mit dem Ritus der Seligsprechung, der heute vollzogen wird, wollen wir das Geheimnis des Gottesreiches bekennen und Christus, den König, ehren, den Hirten voll Liebe zu seiner Herde. Folgendes sagte der Papst in deutscher Sprache: 4. Jesus, der gekommen ist, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen, geht es nicht um eine philosophische Diskussion, sondern es geht um die Wahrheit, die das Heil bringt und das Leben verändert. Für diese Wahrheit legt der Herr sein Zeugnis ab. Und für diese Wahrheit, die der Hintergrund seines Königtums ist, sollte er den Tod erleiden. Die beiden Märtyrer aus Tirol, der Weltpriester und Pfarrer Otto Neururer und der Priester des Marianistenordens Jakob Gapp, stehen mit ihrem Lebenszeugnis sozusagen neben dem gefesselten Christus, der der Macht des Pilatus ausgeliefert war. Pater Jakob Gapp legte sein Zeugnis ab mit der Kraft des unerschrockenen Wortes und der tiefen Überzeugung, daß es zwischen der heidnischen Ideologie des Nationalsozialismus und dem Christentum keine Kompromisse geben konnte. Er sah mit Recht in dieser Auseinandersetzung einen apokalyptischen Kampf. Er wußte, wo er zu stehen hatte, und wurde deshalb zum Tode verurteilt. 5. Der schlichte Pfarrer Otto Neururer legte sein Zeugnis für die Wahrheit Christi ab, indem er unter schwierigsten und gefährlichsten Umständen für die Heiligkeit der christlichen Ehe eintrat und deshalb ins Gefängnis der Gestapo geworfen wurde. Im Konzentrationslager war es sein priesterliches Pflichtbewußtsein, das ihn drängte, Glaubensunterricht zu geben - trotz strengsten Verbots der Lagerleitung. Zur Strafe hängte man ihn mit dem Kopf nach unten auf, bis er tot war. Beide Priester sind für die Wahrheit eingetreten, beide haben Zeugnis abgelegt, 846 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf sich allein gestellt, verlassen, verhöhnt, wehrlos, aber treu bis in den Tod. Darum fällt heute in dieser Stunde der Seligsprechung ein Strahl des ewigen Königtums Christi auf diese beiden Blutzeugen. Sie gehören zu denen, die mit Ihm auf dem Thron sitzen, weil sie, wie die Offejbarung des Johannes sagt, „das Tier und sein Standbild nicht angebetet haben“ (Offb 20,04). Uns allen aber schenken die beiden Märtyrer Otto Neururer und Jakob Gapp in einer Zeit, die das Christentum nur zu gerne in die Unverbindlichkeit tauchen und alle Verpflichtungen relativieren möchte, das Zeugnis für kompromißlose Treue zur Wahrheit Jesu, wo immer sie als solche aufleuchtet. So mögen sie als Patrone für die Unerschrockenheit der Verkündigung, für die Heiligkeit der Ehe und des priesterlichen Dienens im Himmel unsere Fürbitter sein. In Französisch fuhr der Papst fort: 6. „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ (Ps 22/23,1). Von dieser Gewißheit erfüllt, widmete Catherine Jarrige ihr ganzes Leben dem Dienst Gottes und des Nächsten. Wenn sie bei Nacht durch die Täler des Cantal eilte, wenn sie „die Schluchten des Todes“ (vgl. Ps 22/23,4) durchschritt, um verfolgten Priestern Hilfe zu leisten, wenn sie in den Häusern Almosen für die Armen sammelte, in denen sie das Antlitz des leidenden Christus erkannt hatte, dann trug sie unaufhörlich die Gegenwart des Herrn, seinen Schutz und Schild (vgl. Ps 84,12) im Herzen. Als Dominikaner-Tertiarin, geistliche Tochter der hl. Katharina von Siena, predigte sie Christus und das Evangelium durch ihre Taten. Ihre Botschaft ist eine Botschaft der Freude, der Liebe und der Hoffnung. Botschaft der Freude: Christus, der König des Universums, kann sich einer Seele ganz bemächtigen, um aus ihr ein lebendiges Bild seiner Liebe zu machen. Wie er es an ihr getan hat, so zieht er auch uns unaufhörlich hin zu sich. Botschaft der Liebe: Angesichts ihrer Verfolger fand Catinon-Menette („Kathrinchen, die kleine Schwester“) schlagfertig eine mit Humor gewürzte Antwort und entwaffnete damit einen Gegner, den sie im Grund nicht aufhörte, zu lieben. Botschaft der Hoffnung: Das verlorene Schaf (Ez 34,16) wird vom Hirten und von denen, die bei ihm sind, auf die Schulter genommen. Catherine hat vielerlei materielle und geistige Armut mit ihrem Beistand begleitet. Alles, was sie einem „dieser geringsten Brüder“ getan hat, das hat sie Christus getan (vgl. Mt 25,40). Und Christus selbst hat sie aufgenommen und ihr Anteil an seiner glückseligen Auferstehung gegeben. Abschließend sagte der Papst in Italienisch: 7. „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid“ (Mt 25,34): Diese hebe-volle Einladung haben die drei Seligen gehört, die zur Ehre der Altäre zu erheben ich heute die Freude hatte. Die Kirche steht sie ahen Getauften zur Verehrung vor. Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns ihren Glauben und ihre Liebe nachahmen, damit unsere Hoffnung Unsterblichkeit gewinne. Lassen wir uns nicht durch andere, irdische und vergänghche Interessen ablenken. Die Seligen Otto Neururer, 847 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jakob Gapp und Catherine Jarrige zeigen uns den Weg: Folgen wir ihren Spuren! Maria, die Königin aller Heiligen, führe uns auf dem Weg zum Himmelreich, damit es auch uns eines Tages gegeben sei, die Worte Christi zu hören: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid!“ Amen. Sichere und treue Begleiter auf dem Weg des Gottesreiches Ansprache an die Pilger bei der Audienz nach der Seligsprechung am 25. November Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, Hebe Schwestern und Brüder! Euch allen, die Ihr heute, am Tag nach der Seligsprechung von Pfarrer Otto Neu-rurer, P. Jakob Gapp und Schwester Catherine Jarrige zu dieser Audienz zusammengekommen seid, gilt mein herzlicher Gruß. Besonders grüße ich Euch, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, sowie alle Priester und Ordensleute und Euch, liebe Pilger, die ihr so zahlreich vor allem aus Nord-, Ost- und Südtirol gekommen seid. Herzlich grüße ich die Pilger aus Wattens, dem Geburtsort von P. Jakob Gapp, sowie aus Piller, dem Geburtsort von Pfarrer Otto Neururer, und aus Götzens, wo er begraben Hegt. Die neuen Seligen sprechen zu uns in besonderer Weise mit der Sprache des Kreuzes, weil sie uns in Gedanken in Zeiten zurückführen, in denen die Christen verfolgt wurden. Sie haben uns ein heroisches Opfer hinterlassen; in ihnen „kämpfen Tod und Leben einen unbegreiflichen Zweikampf4 (Ostersequenz). Obgleich in den Augen der Menschen der Tod gesiegt zu haben scheint, so haben sie nach dem göttlichen Heils plan der Erlösung die Fülle des Lebens als Geschenk erhalten. Alle Brüder und Schwestern, die um ihres Glaubens willen leiden, haben in einzigartiger Weise am Kreuz Christi teil. Das Kreuz trägt mit seinem tödlichen Zugriff den Leib Christi, bis „alles vollbracht“ ist. Dieses Geheimnis setzt sich in der Geschichte der Welt fort. Ebenso setzt sich die herrliche Erlösung fort, die auf immer an das Kreuz von Kalvaria gebunden sein wird. Durch dieses Kreuz wird Gott in der Geschichte des Menschen niemals sterben! Eine SeHgsprechungsfeier ist immer etwas Tröstliches und Erhebendes. Sie ist gleichsam ein Vorspiel zum endgültigen Sieg Christi am Ende der Zeiten. Nehmt etwas von dieser endzeit-lichen Hoffnung mit nach Hause; denn es wäre in der Tat zu wenig, wenn nichts zurückbliebe als eine schöne Erinnerung an die Tage in Rom und ein Datum im liturgischen Kalender, an dem wir der Seligen gedenken. Die Märtyrer Jakob Gapp und Otto Neururer verkörpern einen Appell an unseren Alltag als Christen, sie sollen als mitreißendes Beispiel in unser Leben hineinwirken. Pater Jakob Gapp wird uns ein bleibendes Vorbild für das unerschrockene Zeugnis der Wahrheit sein. Sein Leben und Sterben hat etwas von Johannes dem Täufer, der unerschrocken zum Tyrannen sagte: „Es ist dir nicht erlaubt...“ und dafür in 848 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Tod ging. Pater Gapp ist das Vorbild des unbequemen Mahners, wenn es um die von Christus geoffenbarte Wahrheit geht. Pfarrer Otto Neururer wird uns immer an die Heiligkeit der Ehe erinnern, für die er ins Gefängnis ging, und an die Treue zum priesterlichen Dienst, weswegen er ermordet wurde. Sein Zeugnis berührt somit zwei Säulen des christlichen Lebens. Wenn Ihr Euch nun wieder nach Hause begebt, bitte ich Euch, die Erinnerung, das Beispiel und die Botschaft dieser beiden großen Persönlichkeiten im Herzen zu bewahren im Vertrauen, daß sie uns mit ihrer Fürbitte nahe sein werden. Euch allen und Euren lieben Angehörigen zu Hause erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. In französischer Sprache sagte der Papst: Herzlich willkommen, Ihr lieben Schwestern und Brüder, die Ihr mit Eurem Hirten, Msgr. Rene Sejoume, mitten aus Frankreich nach Rom gekommen seid, um an der Seligsprechung einer Tochter Eures Landes teilzunehmen. Willkommen Ihr Pilger französischer Sprache und Ihr, Söhne und Töchter der großen dominikanischen Familie, aus der eine der ältesten Getreuen in die unzählbare Schar der Heiligen und Seligen eingereiht wurde, die Christus, den König des Universums, umgeben. Wie Ihr wißt, gab man Catherine Jarrige den Beinamen Catinon-Menette: Kathrinchen, die .kleine Schwester der Armen“. „Menctte“ bedeutet soviel wie .kleine Schwester“: Sie war in der Tat Gott geweiht, eine Frau der einzig großen Liebe, jener Liebe, die jede andere Liebe umfaßt, übersteigt und zum Leben bringt: die Liebe zu Christus, dem Auferstandenen. Beständig wandte sie ihre Nächstenliebe den Bedürftigsten zu. Die Armen, die Gefangenen, die Kranken und die Sterbenden waren erleichtert, wenn sie sie kommen sahen, denn sie brachte ihnen Stärkung und Trost in ihrer Prüfung. Denjenigen unter Euch, die sich ebenfalls diesem Dienst widmen, möchte ich hier meinen Dank und den Dank der ganzen Kirche zum Ausdruck bringen. Mögen sie mit Ausdauer fortfahren, körperliche und seelische Leiden zu erleichtern! Durch ihr beispielhaftes Leben, die Ausübung ihrer Tätigkeit, ihren Gebetsgeist und ihren hochherzigen Dienst am Nächsten gab sich Catherine larrige ganz dem Herrn hin. Möge sie Euch, hebe Brüder und Schwestern, nunmehr eine echte Freundin sein, die Euch inspiriert und Christus, dem Heiland, entgegenführt! Ich vertraue ihr Euer christliches Leben und Euer Apostolat an und bitte sie, wie auch die Seligen Otto Neururer und Jakob Gapp, euch auf den Wegen des Gottesreiches zu begleiten. Jedem von Euch, Euren Familien und denen, die in Gedanken mit Euch verbunden sind, erteile ich von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 849 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wege suchen, die zur vollen Gemeinschaft führen Botschaft an Seine Heiligkeit Bartholomaios I., Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch, vom 26. November „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben“ (1 Petr 1,3). Dieser Segen, der den ersten Brief des Apostels Petrus an die Christen in Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien eröffnet, bringt die Gefühle zum Ausdruck, mit denen ich mich Eurer Heiligkeit und dem Ökumenischen Patriarchat anschließe, um zusammen das Fest des Apostels Andreas, des Bruders des Petrus, zu feiern. Die Heilsbotschaft, die durch Jesus Christus in die Welt kam, wurde uns durch die Apostel vermittelt; sie waren die Gewährsmänner ihres Fortbestands und ihrer Echtheit. Auf diese Weise sind wir also eng mit dem Werk Christi verbunden, der die gemeinsame und lebhafte Hoffnung nährt, die in uns wohnt und die wir mit allen teilen wollen, denn so lautet der Auftrag, den wir vom auferstandenen Herrn erhalten haben. Die Kirche von Rom, die des hl. Andreas am selben Tag wie die Kirche von Konstantinopel gedenkt, wird mit einer eigenen Delegation an der Feierstunde des Ökumenischen Patriarchats teilnehmen. Die Delegation wird angeführt von meinem ehrwürdigen Bruder, Kardinal Edward Idris Cassidy, Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen. Mit Freude erinnere ich mich an die Feier, an der ich selbst einmal teilnehmen durfte. Diese gegenseitigen Besuche anläßlich der Festtage unserer Schutzpatrone sind inzwischen zu einer immer fruchtbareren Gelegenheit zum Gebet, zum Dialog, zur Ausarbeitung von gemeinsamen Projekten und zur Umsetzung von Initiativen geworden, die darauf abzielen, der Welt zu verkünden, daß das Heil von Gott kommt und daß wir eifrig Wege suchen, die zur vollen Gemeinschaft führen. In Rom wird am 30. November, dem Fest des, hl. Andreas, die Vorbereitung des Großen Jubeljahrs mit der Feier der ersten Vesper beginnen. So begeben wir uns auf den Weg zum Jahr 2000, um in der Freude und der größten Dankbarkeit der Menschwerdung unseres Herrn und Heilands zu gedenken. Dieses Ereignis betrifft in Wirklichkeit aber alle, die an Jesus Christus glauben. In meinem Schreiben Tertio millennio advenienfe zur Vorbereitung auf das Jubeljahr 2000 habe ich meiner Hoffnung Ausdruck gegeben, daß wir zu diesem Zeitpunkt, „wenn schon nicht in völliger Einheit, so wenigstens in der Zuversicht auf-treten [können], der Überwindung der Spaltungen des zweiten Jahrtausends sein-nahe zu sein“. Außerdem schrieb ich: „Man muß den Dialog über die Lehre fortsetzen, sich aber vor allem stärker dem ökumenischen Gebet widmen“ (Nr. 34), 850 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um dieses Ziel zu erreichen. Durch dieses doppelte Engagement werden wir Fortschritte machen auf unserem Weg zur Lösung der Probleme, die immer noch zwischen Katholiken und Orthodoxen existieren. Der bisher geführte Dialog stellt eine Möglichkeit dar, die uns gegeben ist, uni gemeinsam vor der ganzen Welt und vor den Augen aller Christen unseren Willen zu bekräftigen, eine große Anstrengung zu unternehmen, um unsere volle Gemeinschaft wiederherzustellen, die Quelle so vieler Güter für die Kirche Christi ist (vgl. Ut unum sint, 56). Dieser Dialog, ein langsamer und mühsamer Prozeß, der jedoch Quelle großer Freude war (vgl. Ut unum sint, Nr. 51), hat schon erste Früchte getragen, die sogar unverhofft erscheinen mögen, so weit ist der Weg, den wir zurückzulegen haben. Wir müssen uns daran gewöhnen, die Aufforderung des Apostels immer tiefer in uns aufzunehmen: Der eine trage des anderen Last. Heute, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend unserer Geschichte, sehnen wir uns danach, daß die christlichen Gemeinschaften in ihrem Glauben und ihrem starken Verlangen nach dem Wohl der Menschheit sich dem Aufruf des Geistes immer williger öffnen, denn er führt die Christen zur vollen und sichtbaren Einheit (vgl. Ut unum sint, Nr. 99). Auf Grund der zwischen uns schon existierenden Gemeinschaft wollen wir immer intensiver beten und unsere Suche beharrlich fortsetzen. Durch ihre Fürsprache werden die heiligen Brüder Andreas und Petrus den Katholiken und den Orthodoxen dabei helfen, dem Wort Gottes gegenüber, das uns zur vollen Gemeinschaft auffordert, aufmerksamer und gehorsamer zu sein. Aus dem Vatikan am 26. November 1996 Engagierte Förderer des Dialogs zwischen Glauben und Kultur Ansprache bei der ersten öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien in der Synodenaula am 28. November Meine Herren Kardinale, verehrte Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist mir Grund zur Freude, heute morgen bei der ersten öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien - die aus gegebenem Anlaß vom Koordinierungsrat einberufen und vorbereitet worden ist - Vorsitz führen zu können. Seit mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., das Werk der Erneuerung Ihrer Akademien eingeleitet hat, haben Sie dieses Unternehmen im Lauf der vergangenen Jahre geduldig und entschlossen weitergeführt in der Absicht, jede Einrichtung den neu auftretenden, kulturellen Gegebenheiten besser anzupassen. Ich danke allen, die während der letzten Jahrzehnte in diesem Sinne gewirkt haben. 851 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich freue mich, den bis heute beschrittenen Weg durch dieses Treffen besiegeln zu können. In der Tat empfange ich nun zum ersten Mal die neu strukturierten Akademien, die jetzt in fruchtbarem Dialog zwischen dem Evangelium und den Kulturen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend zu einer konsequenteren Aktion bereit sind. Meine Dankbarkeit gilt den verehrten Präsidenten und Mitgliedern der einzelnen Päpstlichen Akademien, die im Licht ihrer reichen und langjährigen Erfahrung sich für eine stärkere Anwesenheit ihrer Einrichtungen im Zentrum der Kulturen unserer Zeit eingesetzt und eine systematische, fachübergreifende Zusammenarbeit gefördert haben, die der wissenschaftliche Fortschritt heutzutage unentbehrlich macht. Meine Anerkennung möchte ich ferner dem Päpstlichen Rat für die Kultur aussprechen, vor allem dessen Präsidenten, Kardinal Paul Poupard, der diese Arbeit koordiniert und uns in seinem herzlichen Grußwort soeben kurz darüber berichtet hat. Ich grüße die hier versammelten Kardinäle, die dieser Sitzung durch ihre Anwesenheit besonderes Gewicht verleihen; auch an die Vertreter des Diplomatischen Corps, die sich zu diesem Anlaß hier eingefunden haben, richte ich einen hochachtungsvollen Gruß. Meine Gedanken gehen nun zu allen akademischen Instituten in der ganzen Welt, wo unzählige Gelehrte - Männer und Frauen, durch ein gemeinsames Ideal geeint - Wissenschaft, Erfahrung und Wissenserkenntnis in Beziehung zueinander setzen, um einen Weg fortschreitender Zivilisation abzustecken, in dem jeder Mann und jede Frau die hohen Ziele, die sie sich vorgegeben haben, tatsächlich erreichen können. In diesem Rahmen, meine sehr verehrten Mitglieder der Akademien, ist Ihr besonderer Beitrag von großer Wichtigkeit, und ich danke Ihnen für die Arbeit, die Sie so selbstlos tun. 2. Wenn jede Päpstliche Akademie ihre eigene Aufgabe und ihren besonderen Tätigkeitsbereich hat, so entspricht die jüngste Reform hingegen dem Bedürfnis nach notwendiger Koordinierung der Arbeitsgebiete - natürlich unter Wahrung der berechtigten Unabhängigkeit jeder Akademie. Die Anregung zu dieser willkommenen Koordinierung der Arbeitsprogramme entsprang dem Wunsch, die Päpstlichen Akademien zu einem wichtigen Träger des Dialogs zwischen Glauben und Kultur in unserer Zeit zu machen. Diese Aufgabe kommt an sich allen christlichen Einrichtungen im intellektuellen Bereich zu, da christliches Denken stets offen für die Wahrheit ist, wo immer diese sich auch finden mag. Christliches Denken ist jederzeit bereit, sich mit andersartigen Meinungen, die im großen Universum der verschiedenen religiösen und kulturellen Traditionen zu finden sind, auseinanderzusetzen. Der diesbezügliche Beitrag der verschiedenen Organe des Hl. Stuhls oder der mit ihm verbundenen Einrichtungen auf kulturellem Gebiet ist wohlbekannt: von der Kongregation für die Glaubenslehre zur Kongregation für das Katholische Bildungswesen, vom Päpstlichen Rat für die Kultur zu den Päpstlichen Kommissionen für die Kulturgüter der Kirche und für die sakrale Archäologie, vom Geheim- 852 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN archiv und der Apostolischen Bibliothek zu den Vatikanischen Museen, von den Päpstlichen Universitäten in der Ewigen Stadt zu den verschiedenen katholischen Kulturzentren auf der ganzen Welt. Ein besonderes Anrecht, Träger des Dialogs zwischen Glauben und Kultur zu sein, haben die Päpstlichen Akademien. Dabei muß allerdings sofort festgehalten werden, daß die Bedingung, um mit anderen Kulturen optimal ins Gespräch zu kommen, darin besteht, selbst kreativ zu sein. Eher als formeller Dialog macht Kreativität einen christlichen Denker, Gelehrten und Künstler - entsprechend den Erfordernissen seines Forschungsgebiets - zu einem glaubwürdigen und anregenden Gesprächspartner. Als Erbe reichen Kulturgutes ist der christliche Denker nicht weniger als der christliche Künstler aufgerufen, seinem nichtgläubigen Gegenüber diesen ungeheuren Schatz mit großer Ehrlichkeit vorzustellen. Das allein ist jedoch nicht ausreichend. Es gilt, darüber hinaus eigene, originelle Vorschläge zu entwickeln, die einerseits fest im Wort Gottes und in der Tradition der Kirche wurzeln und andererseits in der Lage sind, die neuen Problematiken unserer Zeit zu erfassen und konkrete Antworten auf die Fragen der gegenwärtigen kulturellen Strömungen zu finden. Aus dem unerschöpflichen Reichtum des geoffenbarten Wortes kann der eine oder andere Aspekt der „alten und immer neuen Schönheit“, die auf dem Antlitz des Erlösers leuchtet, genommen werden, um in verschiedenen Bereichen menschlicher Ausdruckskraft wahrhaft kreativen Geist zu fördern. Die Geschichte der vergangenen zwanzig Jahrhunderte Aussaat des Evangeüums ist ein beredtes Zeugnis für eine vortreffliche Ernte - unter vielerlei Himmeln - auf dem fruchtbaren Feld des christlichen Humanismus. 3. In diesem letzten Abschnitt unseres Jahrhunderts und Jahrtausends haben auch die Päpstüchen Akademien die Aufgabe, bei der Vorbereitung zum Großen Jubeljahr 2000 mitzuwirken gemäß dem besonderen Charakter jeder Akademie. Ich habe erfahren, daß das von Ihnen gewählte Thema - als Ihr besonderer Beitrag zu dieser breitangelegten Reflexion und diesem weitreichenden geistigen und missionarischen Einsatz - gerade der „christliche Humanismus“ ist. Diese Entscheidung billige und unterstütze ich. Darum möge es bei Ihren Forschungen und Tätigkeiten in den kommenden Jahren gehen - eine wahrhaft großartige Herausforderung! Das Geheimnis der Menschwerdung hat dem Denken und der künstlerischen Fähigkeit des Menschen einen außerordentlichen Antrieb gegeben. Dank der Reflexion über die Verbindung der beiden Naturen (der menschlichen und der göttlichen) in der Person des menschgewordenen Worts haben die christlichen Philosophen das Konzept der menschlichen Person als einmaliges und unwiederholbares Zentrum mit Freiheit und Verantwortung entwickelt, dem eine unveräußerliche Würde zuerkannt werden muß. Diese Auffassung der Person hat sich als Grundstein jeder wirklich menschlichen Kultur herausgestellt. Wenn man die verschiedenen Jahrhunderte eingehender untersucht, wird man sich bald bewußt, daß das Geheimnis der Menschwerdung den menschlichen Verstand 853 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oft auf unwegsame Straßen und zu unerreichbaren Horizonten geleitet hat und so philosophische Strukturen beachtlicher Breite und Tiefe entstehen ließ. Es genügt, an die Schriften der Kirchenväter zu denken, oder an die mittelalterlichen „theologischen Summen“, allen voran die Summa des hl. Thomas von Aquin, sowie an die Werke vieler weiterer christlicher Denker und Forscher. Es ist wahr! Das Geheimnis der Menschwerdung hat in den zwei vergangenen Jahrtausenden einen Glauben, eine Freude, ein Erstaunen erweckt, die auch heute noch die christliche Schöpfergabe inspirieren. Diese hat ihren Ausdruck in unzähligen und wunderbaren Kunstwerken gefunden: von der Architektur zur Malerei, von der Bildhauerkunst zur Musik, von der Literatur bis hin zu allen anderen Kunstformen. 4. Wir bereiten uns darauf vor, im Jahr 2000 dieses außerordentliche Ereignis zu feiern, das die Geschichte in zwei Abschnitte teilt - vor und nach Christus - und gleichzeitig deren verbindende Mitte bildet. Ich bin überzeugt, daß die Päpstlichen Akademien im Licht dieses Ereignisses einen spezifischen Beitrag zur Entwicklung eines neuen christlichen Humanismus leisten und der Menschheit Christus als Vorbild für die Generationen des neuen Jahrtausends vorstellen werden. Eine wunderbare Aufgabe: Schönes schaffen, aus dem Guten schöpfen und Wahres erfassen und ausdrücken! Die kulturelle Fruchtbarkeit der Botschaft des Evangeliums, die im Laufe der Jahrhunderte ihren Ausdruck in so vielen Meisterwerken gefunden hat, ist gewiß nicht erschöpft. Das große Ideal der Seligpreisungen bleibt für die Menschen jeder Epoche, jedes Landes und jeder Kultur eine unvergleichliche Quelle der Inspiration: Denn es bewirkt im Menschen Erstaunen und erweitert seine Fähigkeit, zu sein und zu handeln, zu betrachten und zu schaffen. 5. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Möge jeder von Ihnen seine kreativen Bemühungen im Bewußtsein des wesentlichen Stellenwerts der Kultur mutig erneuern - vor allem in einer Zeit wie der unsrigen, die das Zweite Vatikanische Konzil „eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte“ genannt hat (Gaudium et spes, Nr. 54). Der Glaube an Christus, an das menschgewordene Wort, führt uns mit einem neuen Blick zum Menschen. In gewissem Sinn erlaubt er uns, an den Menschen zu glauben, der als Bild und als Gleichnis Gottes geschaffen wurde als Mikrokosmos der Welt und zugleich Bild Gottes auf Erden. Eine anthropologische Sicht dieser Weite bildet ein Ferment unvergleichlicher geistiger Energie zur Überwindung der Grenzen aller Kulturen durch die Erweiterung deren kreativen Potentials. Wenn man an die Unschlüssigkeit und Unsicherheit denkt, die für unser Zeitalter so typisch sind, erscheint dies als ein Faktor authentischer Metamorphose. Denn aus der gegenwärtigen Krise dringt der Aufruf zum Aufbau „eines neuen Humanismus“ (Gaudium et spes, Nr. 55) zu uns: Dieser Humanismus soll dem Men- 854 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen seine menschliche Dimension wiedergeben und ihm gleichzeitig helfen, sich seiner außerordentlichen göttlichen Berufung voll bewußt zu werden. Die Kirchenväter haben es immer wieder betont: „Er [Gott] wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden“ (Athanasius, Über die Menschwerdung des Logos, 54,3: PG 25, 192; deutsch in: Bibliothek der Kirchenväter, Kempten u. München 1917, [Athanasius II], S. 152). Auf der Suche nach Freiheit und Wahrheit, Liebe und Schönheit findet der Mensch in der Betrachtung des lebendigen „Wortes“, Sohn Gottes und Sohn Marias, „Triebkräfte des Lebens und der Hoffnung“ (Gaudium et spes, Nr. 31). Hier ist die unerschöpfliche Quelle der Kultur, die den Menschen zu „mehr Mensch“ macht (Gaudium et spes, Nr. 41). 6. Aus diesen Überlegungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht hervor, daß die Päpstlichen Akademien gerade kraft ihres eindrucksvollen Erbes ein beachtliches Potential und eine reiche Quelle der Hoffnung für die Kirche und die ganze Menschheit darstellen. Mögen Sie wirksame Zeugen der ewigen Neuheit des Evangeliums sein und beweisen, daß der christliche Kulturschatz ein unglaublich fruchtbarer kultureller Nährboden ist. Um Sie bei der Erfüllung dieser Aufgabe zu unterstützen, habe ich den „Preis der Päpstlichen Akademien“ geschaffen, mit dem besonders verheißungsrolle Talente und Initiativen aus den verschiedenen Wissensgebieten, mit denen Sie sich beschäftigen, gefördert werden sollen: Theologie und Mariologie, Archäologie, Religionsgeschichte und Märtyrerverehrung, Literatur und Kunst. Auf Weisung des Präsidenten des Koordinierungsrats für die Päpstlichen Akademien werde ich selbst - so Gott will - jedes Jahr die Freude haben, diese Auszeichnung bei der alljährlichen öffentlichen Sitzung Ihrer Akademien dem Preisträger zu verleihen. Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frohe Botschaft von der heilbringenden Liebe Gottes, deren Trägerin die Kirche ist, möge stets Ihre Tätigkeit und Kreativität leiten. Erneuert und für die Herausforderungen des neuen Jahrtausends gewappnet, mögen die Päpstlichen Akademien ihrerseits gleich einer kraftvollen Symphonie Zeugnis ablegen für die ewige Neuheit Gottes und für die Wunder der Schöpfung. In diesem Sinne bete ich zum Herrn, daß er Ihnen überreiche Gaben des Verstandes, der Weisheit und der Liebe schenke für einen neuen Frühling christlicher Kultur zum „tertio millennio adveniente“. Ich begleite diese Wünsche mit dem Apostolischen Segen. 855 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Glaube und die Grenzen der Wissenschaft Botschaft an die Teilnehmer der Studientagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften vom 29. November Mit großer Freude grüße ich erneut diese Versammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu ihrer derzeitigen Studientagung. Sie wissen, wie sehr ich diese Gruppe engagierter Wissenschaftler schätze und mit wieviel persönlichem Interesse ich ihre Untersuchung von Fragen verfolge, die im Vordergrund der ständig erweiternden menschlichen Wissens über das Universum stehen. Hiermit möchte ich die Hochachtung und Anerkennung der Kirche für die Erkenntnisse der Wissenschaft und ihren enormen Wert für die Menschheit zum Ausdruck bringen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 59). Ihre Akademie hat unter anderem das Ziel, den Hl. Stuhl und die Kirche so umfassend wie möglich über den neuesten Stand der Erkenntnisse auf verschiedenen Forschungsgebieten zu informieren. Auf diese Weise tragen Sie zu einem besseren Einvernehmen zwischen Wissenschaft und Glauben bei. In der Vergangenheit war diese Beziehung manchmal von gegenseitigem Unverständnis gekennzeichnet. Glücklicherweise können Kirche und Wissenschaft sich heute bei der gemeinsamen Suche nach einer ständigen, vollkommeneren Erschließung des Universums -Schauplatz der Reise des Menschen durch das Zeitliche bis zu seinem transzendenten Ziel - als Partner betrachten. Zwischen diesen beiden Bereichen findet nun ein fruchtbarer Dialog statt: Wissen, das auf der natürlichen Kraft der Vernunft begründet ist, und Wissen, das von der selbstoffenbarenden Einwirkung Gottes auf die Geschichte der Menschheit ausgeht. Der Ewige Vater spricht zu uns in seinem Wort und durch den Heiligen Geist, den er in unsere Herzen ausgegossen hat (vgl. Joh 1,14; Rom 5,5). Der gleiche Gott spricht in der Natur zu uns; und auch hier bedient er sich einer Sprache, die wir entschlüsseln können. Beide Wissensgebiete sind wunderbare Gaben des Schöpfers. Ein klares Beispiel dieser gemeinsamen Interessen von Wissenschaft und Religion - ja sogar ihres wechselseitigen Aufeinander-angewiesen-Seins - bietet uns das Thema Ihres gegenwärtigen Treffens: Das Erkennen einer Struktur im galaktischen Bereich des Universums. Mit dieser Konferenz wird ein allgemeiner Übeb-Tick über den physischen Kosmos abgeschlossen. Es ist sicherlich erstaunlich, daß Sie mit Hilfe von modernen und hochentwickelten technischen Mitteln nicht nur die unendliche Ausdehnung des Universums, sondern auch die unvorstellbare Kraft und Dynamik „sehen“, die es durchdringt. Noch faszinierender ist die Tatsache, daß Sie in die entfernteste Vergangenheit „zurückblicken“ und heute stattfindende Prozesse beschreiben können, da die Signale aus den entlegensten Bereichen durch begrenzte Lichtgeschwindigkeit übertragen werden. Einwandfrei erwiesene experimentelle Ergebnisse ermöglichen Ihnen, ein allgemeines System oder Modell aufzubauen, um die gesamte Evolution des Universums von einem 856 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN infinitesimalen Augenblick an nach dem Anfang der Zeit bis in die Gegenwart und darüber hinaus in die ferne Zukunft nachzuvollziehen. Sicherlich ist nicht alles einfach und klar in diesem allgemeinen Schema, und eine Reihe wesentlicher Fragen beschäftigen Sie und Ihre Kollegen in aller Welt. Eine dieser Fragen, das Auftauchen einer Struktur, ist Gegenstand Ihrer gegenwärtigen Konferenz und von wesentlichem Interesse, vor allem wenn wir berücksichtigen, daß das Auftreten einer Struktur letzten Endes als Voraussetzung für das Entstehen des Lebens und schließlich des Menschen zu betrachten ist, des Höhepunkts aller Dinge, die im physischen Kosmos um ihn herum existieren. Ihre Kollegen aus der Wissenschaft versuchen wie auch Sie, das unendlich weite und pulsierende Universum zu ergründen, und während Sie seine Geheimnisse entdecken, erkennen Sie, daß die Forschung an gewissen Punkten eine mysteriöse Grenze zu berühren scheint, wo neue Fragen auftauchen, die in die Bereiche der Metaphysik und Theologie übergehen. Demnach ist der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Glauben um so dringlicher und vielversprechender. Es scheint, daß die Forschung selbst eine praktische Rechtfertigung für jene offene und vertrauensvolle Haltung bietet, die das Zweite Vatikanische Konzil zeigte, als es darauf hinwies, daß: „methodische Forschung in einer wirklich wissenschaftlichen Weise und gemäß den Normen der Sittlichkeit niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen wird“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 36). Ich danke Ihnen für all das, was Sie auf Ihren jeweiligen wissenschaftlichen Gebieten leisten. Ich hoffe und bitte den Herrn, „durch dessen Wort die Himmel geschaffen wurden“ (vgl. Ps 33,6), um seine Unterstützung für Ihre großartigen Bemühungen, deren Ergebnisse den Dialog zwischen Wissenschaft und Religion konkreter gestalten und tiefer mit der Wahrheit verbinden werden. „Seid gesegnet vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“ (Ps 115,15). Aus dem Vatikan am 29. November 1996 Joannes Paulus PP. II Christus ist der Herr der Zeit und der Ewigkeit Predigt zum Beginn der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 in der 1. Vesper zum 1. Adventsonntag am 30. November 1. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Heute, an der Vigil des ersten Adventsonntags, am Beginn der Zeit, die uns auf das Weihnachtsfest vorbereitet, legt uns die Liturgie diese Worte vor. Sie beziehen sich auf das ganze Leben Christi, von seiner Geburt bis zum Ostergeheimnis. In der Ostervigil spricht der Zelebrant sie bei der Segnung der Osterkerze: „Christus, gestern und heute, Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die 857 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ewigkeit. Sein ist die Macht und die Herrlichkeit in alle Ewigkeit.“ Christus gehören die Jahrtausende: alle Jahrtausende der Geschichte, besonders aber die beiden, die seit seinem Kommen in die Welt vergangen sind. Ihm gehört dieses zweite Jahrtausend des christlichen Zeitalters, dessen Vollendung wir nun schon eilends entgegengehen, während sich der Beginn des dritten bereits abzeichnet: das herannahende dritte Jahrtausend. Als der Sohn Gottes, das Wort, das dem Vater wesensgleich ist, Mensch wurde, hat er unsere Zeit in all ihren Dimensionen in Besitz genommen und sie auf die Ewigkeit hin geöffnet. Die Ewigkeit aber ist die Dimension Gottes. Als er Mensch wurde, hat der Sohn Gottes in seiner Menschheit die irdische Zeit in sich aufgenommen, um den Menschen durch alle Grenzen dieser Zeit hindurch der Ewigkeit entgegenzuführen, zur Teilnahme am göttlichen Leben, dem wahren Erbe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. 2. Darum bringen wir Menschen, Pilger in der Zeit, durch Christus ein „Opfer des Lobes dar“, wie der Verfasser des Briefes an die Hebräer schreibt (vgl. 13,15), nämlich „die Frucht der Lippen, die seinen Namen preisen“ (ebd. 13,15). Die Worte der Didache sind ein Echo auf diese Stelle: „Wir sagen dir Dank, heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, dem du in unseren Herzen Wohnung gegeben hast“ (10,2). Der Name Gottes, der im Alten Testament als Jahwe, „Derjenige, der ist“ (vgl. Ex 3,14), bekannt war, erhält im Neuen Testament einen typisch menschlichen Ausdruck: Jesus Christus. Im Namen Christi also beginnen wir in dieser ersten Vesper des Advents die unmittelbare Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres Zweitausend. Die Kirche richtet ihren Blick auf die Heilige Nacht der Geburt Christi, blickt aber zugleich schon auf die große Ostervigil. 3. Wir haben soeben gehört: „Der Gott des Friedens, der Jesus, unseren Herrn, den erhabenen Hirten seiner Schafe, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut eines ewigen Bundes, er mache euch tüchtig in allem Guten, damit ihr seinen Willen tut. Er bewirke in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, dem die Ehre sei in alle Ewigkeit“ (Hebr 13,20-21). Mit welch einer Klarheit stellen die Worte des Briefes an die Hebräer das Geheimnis vom Tod und von der Auferstehung Christi dar! Derjenige, der die Grenzen des Todes überschritten und sich als Sieger über Tod und Satan erwiesen hat, er hat die Macht, auch uns fähig zu machen, das Gute zu tun. Das Programm der Vorbereitung auf das dritte Jahrtausend regt uns an, uns dieser tröstlichen Wahrheit bewußt zu werden, die in der kurzen Lesung, die wir eben gehört haben, enthalten ist. Der heilige Verfasser hat uns ermahnt: „Vergeßt nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen; denn an solchen Opfern hat Gott Gefallen“ (Hebr 13,16). Ist nicht gerade dies der Hinweis, den ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente gegeben habe? Ich mahnte darin zur Nächstenliebe und zur sozialen Gerechtigkeit und wies hin auf den Geist des Jubiläums, 858 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie er uns von der alttestamentlichen Tradition überliefert ist (vgl. ebd., Nr. 12-13). 4. Opus iustitiae, pax. Liebe Brüder und Schwestern, flehen wir im Gebet um den wirklichen Frieden, die Frucht der Gerechtigkeit und der Liebe. Opus iustitiae, opus laudis. Das ganze Programm der Vorbereitung auf das dritte Jahrtausend sollte uns helfen, die Herrlichkeit Gottes zu entdecken, die sich in Christus offenbart hat. Die Herrlichkeit Gottes ist jedem Geschöpf eingeschrieben, dem sichtbaren und dem unsichtbaren. In alles überragender Weise ist sie dem Menschen eingeschrieben, der nach dem Bild und Abbild Gottes erschaffen und von der Gnade zur Gotteskindschaft erhoben ist. Diese Herrlichkeit ist dem Menschen wie auch der Kirche zugleich als Aufgabe gegeben, die sie zu erfüllen haben. Gerade das war das Programm unzähliger Heiliger. Es möge genügen, an das des hl. Benedikt zu erinnern: „Ut in omnibus glorificetur Deus — In allem werde Gott verherrlicht“ und an das des hl. Ignatius: „Omnia ad maiorem Dei gloriam - Alles zur größeren Ehre Gottes.“ Wenn die Kirche dieses Programm verkündet, ist sie weit davon entfernt, zu einer Art Abwendung vom Menschen aufzufordem! Das hatte jener große Kirchenvater, der hl. Irenäus, gut begriffen. Er betonte: „ Gloria Dei vivens homo Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch (Adv. Haer. IV 20, 7; Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München 1912, S. 66). Das ist die Wahrheit über die Verherrlichung Gottes, die uns das Evangelium bietet! In ihrem Licht wollen wir den Weg der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres Zweitausend beginnen, und in diesem Geist wollen wir es in jedem Winkel der Welt begehen: in Urbe et in Orbe. Dieser Weg wird uns bis an die Schwelle der Heiligen Pforte führen, die, so Gott will, in der Heiligen Nacht 1999 geöffnet wird und so den Beginn des Großen Jubiläums bezeichnet. 5. Dir, Mutter Christi, Mutter des ersten Advents und jedes Advents, vertrauen wir dieses Programm an: opus iustitiae et opus laudis. Dir, Maria, die mit der bekannten Antiphon zu ehren uns die Liturgie des Advents einlädt: Alma Redemptoris Mater, quae pervia caeliporta manes ... „O heilige Mutter des Erlösers, du Pforte des Himmels und Stern des Meeres, komm deinem Volk zu Hilfe, das sich danach sehnt, wieder aufzuleben. Du nahmst den Gruß des Engels an, und zum Staunen alles Erschaffenen gebarst du deinen Schöpfer. Mutter und Jungfrau, hab’ Erbarmen mit uns Sündern!“ Amen. 859 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Petrusamt als Dienst an der Einheit Schreiben an den Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Joseph Kardinal Ratzinger, anlässlich des Symposions „Der Primat des Nachfolgers Petri“ vom 30. November Es ist mein innigster Wunsch, Herr Kardinal, Ihnen meine Dankbarkeit für die Initiative entgegenzubringen, die die von Ihnen geleitete Kongregation für die Glaubenslehre ergriffen hat, um das Zustandekommen eines Symposiums über das Thema „Der Primat des Nachfolgers Petri“ in die Wege zu leiten, was der Zusammenarbeit zahlreicher und bedeutsamer Wissenschaftler und Experten bedurfte. Bitte übermitteln Sie allen bedeutenden Teilnehmern den Ausdruck meiner dankbaren Wertschätzung für deren Bereitschaft und den Einsatz, den sie leisten. In der Enzyklika Ut unum sint habe ich die Anerkennung dafür zum Ausdruck gebracht, daß „es bedeutungsvoll und ermutigend ist, daß die Frage des Primats des Bischofs von Rom gegenwärtig zum Gegenstand einer unmittelbaren bzw. bevorstehenden Untersuchung wurde, und bedeutungsvoll und ermutigend ist es auch, daß die Frage nicht nur in den theologischen Gesprächen der katholischen Kirche mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als wesentliches Thema vertreten ist, sondern auch allgemeiner in der ökumenischen Bewegung insgesamt“ (Nr. 89). Die katholische Kirche ist sich bewußt, daß sie in Treue zur apostolischen Tradition und zum Glauben der Väter das Amt des Nachfolgers Petri bewahrt hat, den Gott als das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen bestellt hat (Lumen Gentium, Nr. 23). Dieser Dienst an der Einheit, der im Werk der göttlichen Barmherzigkeit wurzelt, ist ein Geschenk, das innerhalb des Bischofskollegiums dem anvertraut wurde, der dem Apostel Petrus als Bischof von Rom nachfolgt. Die Vollmacht und Autorität dieses Amtes, ohne die diese Funktion reine Illusion wäre, müssen stets im Hinblick auf den Dienst am erbarmungsvollen Plan Gottes gesehen werden, der will, daß alle „eins“ seien in Jesus Christus. So gesehen, wird der Primat auf verschiedenen, die Einheit des Glaubens betreffenden Ebenen ausgeübt, und zwar wacht er über den sakramentalen und liturgischen Gottesdienst, über die Mission, über die Disziplin und das christliche Leben, jedoch immer in dem Bewußtsein, daß all das sich in Gemeinschaft vollziehen muß. Gleichzeitig muß auch unterstrichen werden, daß der Dienst an der Einheit des Glaubens und der Kirche von seiten des petrinischen Amtes Mittel und Werkzeug der Evangelisierung ist: Auch der Ausgang der Neuevangelisierung ist an das Zeugnis der Einheit der Kirche gebunden, deren Garant und sichtbares Zeichen der Nachfolger Petri ist. Anderseits bildet diese Überzeugung der katholischen Kirche eine Schwierigkeit für die meisten anderen Christen, „deren Gedächtnis durch gewisse schmerzliche 860 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erinnerungen gekennzeichnet ist“, wie ich anläßlich des Zusammentreffens mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf im Juni 1984 erwähnte (Insegna-menti, VII, 1 [1984], 1686; O.R.dt., 22.6.1984, 6). Aus Gründen der Sorge um die Einheit also, die ja wesentlich unter den Zustandsbereich des Primates fällt, habe ich in der Enzyklika Ut unum sint die Überzeugung ausgesprochen, daß „ich diesbezüglich eine besondere Verantwortung habe, vor allem wenn ich die ökumenische Sehnsucht der meisten christlichen Gemeinschaften feststelle und die an mich gerichtete Bitte vernehme, eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet“ (Nr. 95). Diese Forderung befindet sich auch in dem Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre Communionis notio, über einige Aspekte der Kirche als Gemeinschaft. Es wird dort der Wunsch zum Ausdruck gebracht, „daß es in stets neuer Bekehrung zum Herrn allen möglich werde, das Fortdauern des Petrusprimates in seinen Nachfolgern, den Bischöfen von Rom, anzuerkennen und das Petrusamt so verwirklicht zu sehen, wie es der Herr gewollt hat: als universalen apostolischen Dienst, der in allen Kirchen von innen her präsent ist und der, unbeschadet seiner kraft göttlicher Einsetzung unveränderlichen Substanz, auf verschiedene, den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen gemäße Weisen zum Ausdruck kommen kann, wie die Geschichte bezeugt“ (Nr. 18). Das Engagement der Wissenschaftler, Experten in den verschiedenen Bereichen der theologischen Disziplinen - der biblischen, historisch-theologischen und der systematischen - gibt bei Ihrem Symposium Zeugnis von der Strenge und der Vollständigkeit der Forschung innerhalb der verschiedenen theologischen Fachbereiche. Diese Forschung möchte nach der doktrinalen Schwerpunktsetzung bei der Studientagung einen beträchtlichen Beitrag im Dienste der Weiterführung des theologischen Dialoges leisten, indem sie die wesentlichen Elemente der katholischen Glaubenslehre über diesen Punkt der Ekklesiologie aufzeigt und sie von Fragen abhebt, die rechtmäßig diskutierbar, bzw. nicht definitiv bindend sind. Dieses besondere Merkmal stellt, weit entfernt davon, ein Hindernis im ökumenischen Dialog zu bilden, vielmehr eine notwendige Bedingung für ihn dar, damit der Dialog ein Instrument sei, die göttliche Wahrheit zu erkennen. Ich verfolge mit großem Interesse Ihre Arbeit und übersende Ihnen, verehrter Bruder, und allen Teilnehmern und Mitarbeitern des Symposiums meine besten Wünsche für ein gewinnbringendes Resultat der gemeinsamen, aufrichtigen und selbstlosen Erforschung der Wahrheit. Ich begleite diese Wünsche mit einem besonderen Apostolischen Segen. Vatikanstadt den 30. November 1996 Joannes Paulus PP. II 861 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zur Fürsorge und Pflege geistig behinderter Menschen aus christlicher Sicht Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Konferenz für die Pastoral im Krankendienst am 30. November 1. Es ist mir eine Freude, mit Ihnen heute zusammenzukommen, denn so kann ich all den verehrten Teilnehmern dieser Internationalen Konferenz selbst meinen Gruß entbieten. Diese Konferenz wurde vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst organisiert. Sie behandelt das Problem der geistigen Behinderung unter dem bezeichnenden Titel: „Nach dem Abbild Gottes - immer? Geistesgestörtheit beim Menschen.“ Vor allem begrüße ich Fiorenzo Kardinal Angelini, dem ich für die herzlichen Worte danke, die er an mich gerichtet hat. Ihm und all seinen Mitarbeitern gilt mein Ausdruck besonderer Wertschätzung für ihr Engagement bei der Vorbereitung dieses Symposiums, zu dem sich Spezialisten aus allen Teilen der Welt hier einfinden. 2. Unter Ihnen sind Männer und Frauen von Rang und Namen anwesend, Forscher, Wissenschaftler und Experten aus den Wissenschaftsbereichen der Biomedizin, der Theologie, der Ethik, der Jurisprudenz, der Psychologie, der Soziologie und der Krankenpflege. Gemeinsam stellen sie das Erbe der Menschlichkeit und Weisheit, der Wissenschaft und Erfahrung dar, aus dem Hinweise von großer Nützlichkeit für das Verständnis, die Pflege und den Beistand der Geisteskranken hervorgehen können. Um diese Menschen sowie um alle anderen menschlichen Wesen, die von einer Krankheit heimgesucht werden, kümmert sich die Kirche mit besonderer Fürsorge. Durch die Worte des göttlichen Meisters unterwiesen, „glaubt sie, daß der Mensch, der nach dem Abbild des Schöpfers geschaffen, mit dem Blut Christi erlöst und von der Gegenwart des Heiligen Geistes geheiligt wurde, als das Endziel seines Lebens das Sein ,zum Lob der Herrlichkeit“ Gottes hat, indem er bewirkt, daß jede seiner Handlungen dessen Herrlichkeit widerspiegelt“ (Veritatis splen-dor, Nr. 10). Die Kirche ist zutiefst von dieser Wahrheit überzeugt. Und sie ist es auch dann, wenn die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen - welche ja die edelsten sind, weil sie seine geistige Natur bezeugen - in starkem Maße eingeschränkt oder aufgrund eines pathologischen Prozesses sogar behindert erscheinen. Daher erinnert die Kirche die politische Gemeinschaft an ihre Pflicht, das Abbild Gottes im Menschen durch Werke der Hilfeleistung und des Dienstes anzuerkennen und zu ehren, die all jenen zugute kommen sollen, die sich in einem Zustand starker geistiger Beeinträchtigung befinden. Es geht hier um ein Engagement, das Wissenschaft und Glaube, Medizin und Seelsorge, berufliche Kompetenz und der Sinn für allgemeine Brüderlichkeit gemeinsam durch die Investition angemessener menschli- 862 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eher, wissenschaftlicher und sozialwirtschaftlicher Ressourcen verwirklichen müssen. 3. Der Titel des Kongresses lädt uns dazu ein, bisher nur skizzierte Betrachtungsweisen zu vertiefen. Denn in der Tat führt dies einerseits zu einer glaubwürdigen Bestätigung der Bibel, wirft aber andererseits eine beunruhigende Frage auf. Eine der Säulen christlicher Anthropologie ist die Überzeugung, daß der Mensch nach Gottes Abbild geschaffen worden ist, so heißt es im ersten Kapitel des Buches Genesis 11,26): Die philosophische und theologische Reflexion hat die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen, das heißt seine Vernunft und seinen Willen, immer schon als ein herausragendes Zeichen dieser Affinität zu Gott gedeutet. In der Tat sind es diese Fähigkeiten, die es dem Menschen ermöglichen, den Herrn zu erkennen und mit ihm eine Beziehung im Dialog einzugehen. Es sind dies die Vorrechte, die aus dem menschlichen Wesen überhaupt erst eine Person machen. Der hl. Thomas hat diese Dinge reflektiert und geschrieben: „Person bedeutet das, was im ganzen Universum am vollkommensten ist, das heißt das Seiende der vernunftbegabten Natur“ (vgl. Summa Theologiae I) Es muß jedoch präzisiert werden, daß der ganze Mensch und nicht nur seine geistige Natur, das heißt nicht nur mit seiner Intelligenz und seinem freien Willen, sondern auch mitsamt seinem Leib, an der Würde des „Abbildes Gottes“ teilnimmt. In der Tat ist der menschliche Leib „deswegen menschlicher Leib, weil er durch die geistige Seele beseelt wird. Die menschliche Person ist als ganze dazu bestimmt, im Leibe Christi zum Tempel des Geistes zu werden“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 364). „Wißt ihr nicht“, schreibt der Apostel, „daß eure Leiber Glieder Christi sind? ... Ihr gehört nicht euch selbst, ... verherrlicht also Gott in eurem Leib“ (1 Kor 6,15.19.20). Daher kommt also die Forderung nach dem Respekt vor dem eigenen Leib und auch vor dem Leib der anderen, vor allem dann, wenn sie leiden (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1004). 4. Eben weil der Mensch Person ist, ist er unter allen Geschöpfen mit einer einzigartigen Würde bezeichnet. Jeder einzelne Mensch hat seinen Zweck und sein Ziel in sich selbst und kann niemals als ein einfaches Mittel benutzt werden, um andere Ziele zu erreichen; auch nicht im Namen des Wohlstandes und des Fortschrittes der gesamten Gemeinschaft. Gott wollte durch die Erschaffung des Menschen nach seinem Abbild diesen an seiner Herrschaft und seiner Glorie teilhaben lassen. Als er ihm die Aufgabe anvertraute, sich um die ganze Schöpfung zu kümmern, hatte er dessen kreative Intelligenz und dessen verantwortungsvolle Freiheit wohl erwogen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das Mysterium des Menschen genauer betrachtet und in Anlehnung an die Worte Christi (vgl. Joh 17,21-22) neue Horizonte, aufgezeigt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind. In der Konstitution Gaudium et spes hat es ausdrücklich „eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Einheit der göttlichen Person und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe“ nahegelegt (Nr. 24). Wenn Gott seinen Blick auf den 863 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen richtet, sind das erste, was er an ihm sieht und lieht, nicht die vom Menschen verrichteten Werke, sondern das Abbild seiner selbst; dieses Abbild verleiht dem Menschen die Fähigkeit, den eigenen Schöpfer zu erkennen und zu lieben, sich alle irdischen Geschöpfe untertan zu machen und sich derer zur Ehre Gottes zu bedienen (vgl. ebd., Nr. 12). Das ist der Grund, weshalb die Kirche bei allen Menschen die gleiche Würde und den gleichen fundamentalen Wert erkennt, und zwar ungeachtet jedweder sonstigen Erwägung, die den jeweiligen Umständen entspringt. Daher bleibt auch die Tatsache unbeachtet - und das ist von größter Wichtigkeit -, ob eine solche Fähigkeit aus Gründen geistiger Behinderung nicht ausgeübt werden kann. 5. Diese Auffassung vom Menschen als einem Abbild Gottes wird in der neute-stamentlichen Offenbarung nicht nur bestätigt, sondern auch im höchsten Maße bereichert. Der hl. Paulus sagt: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5). Der Mensch nimmt also kraft der Gnade wirklich an dieser göttlichen Sohnschaft teil, indem er im Gottessohn ein Kind Gottes wird. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: Christus, „der ,das Bild des unsichtbaren Gottes“ ist (Kol 1,15), ist zugleich der vollkommene Mensch, der den Söhnen Adams die Gottebenbildlichkeit wiedergab, die von der ersten Sünde her verunstaltet war. Da in ihm die menschliche Natur angenommen wurde, ohne dabei verschlungen zu werden, ist sie dadurch auch schon in uns zu einer erhabenen Würde erhöht worden. Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in der Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (Gaudium et spes, Nr. 22). 6. Nun wird uns das ganze Gewicht der beunruhigenden Frage „immer?“ bewußt, die zum Thema des Kongresses gehört. Es handelt sich dabei um eine provokatorische Frage, die sich nicht so sehr auf ontologischer - hier begegnen sich Glaube und Vernunft, insofern sie den Geisteskranken die volle menschliche Würde zuerkennen - als vielmehr auf deontologischer Ebene stellt. Man darf sich in der Tat fragen, ob zwischen der Bedeutung des - wenn auch geisteskranken - Menschen im göttlichen Heilsplan und der Art und Weise, wie er von seinen Mitmenschen im Alltagsleben behandelt wird, volle und angemessene Übereinstimmung besteht. Diese Frage „immer?“ muß sowohl das persönliche als auch das kollektive Gewissen dazu bewegen, aufrichtig über das Verhalten gegenüber den Menschen nachzudenken, die an geistiger Behinderung leiden. Ist es denn nicht tatsächlich so, daß diese Menschen oftmals der Gleichgültigkeit und Verwahrlosung ausgesetzt sind, wenn sie nicht gar ausgenutzt werden oder ihnen womöglich Gewalt angetan wird? Aber es gibt - Gott sei Dank - auch die andere Seite der Medaille, was ich ja bereits in der Enzyklika Evangelium vitae unterstrichen habe, als ich „an alle jenen 864 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN täglichen Gesten von Annahme, Opfer und selbstloser Sorge“ erinnerte, „die eine unübersehbare Anzahl von Personen voll Liebe in den Familien, in den Krankenhäusern, in den Waisenhäusern, in den Altersheimen und in anderen Zentren oder Gemeinschaften zum Schutz des Lebens vollbringt“ (Nr. 27). Aber wir dürfen die Augen angesichts verschiedener Verhaltensweisen nicht schließen, welche die Würde des Menschen ignorieren und dessen unveräußerliche Rechte mit Füßen treten. 7. Ganz besonders wir Christen dürfen das nicht. Diesbezüglich spricht das Evangelium sehr deutüch. Christus hat nicht nur Mitleid mit den Kranken und vollbringt an ihnen zahlreiche Heilungen. Er gibt ihnen sowohl ihre körperliche als auch geistige Gesundheit wieder. Sein Mitleid führt sogar so weit, daß er sich mit ihnen identifiziert, wenn er sagt: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36). Die Jünger des Herrn haben, gerade weil sie in allen von Krankheit gezeichneten Menschen das Abbild des „leidenden“ Christus zu sehen vermochten, ihnen gegenüber auch ihr Herz geöffnet und sich für sie in verschiedener Art und Weise fürsorglich aufgeopfert. Anders ausgedrückt, hat Christus alles menschliche Leid auf sich genommen, und dies schließt auch die geistige Behinderung ein. Ja, auch diese Form des Leidens, die uns vielleicht als die absurdeste und unverständlichste erscheint, macht den Leidenden Christus gleich und läßt ihn an seiner erlösenden Passion teilhaben. 8. Die Antwort auf die Frage des Themas ist also einleuchtend: Wer an einer geistigen Behinderung leidet, trägt, wie jeder Mensch, „immer“ das Abbild Gottes in sich. Ja, er hat außerdem „immer“ das unveräußerliche Recht, nicht nur als Abbild Gottes und daher als Person betrachtet zu werden, sondern auch als solche behandelt zu werden: Jeder hat die Aufgabe, diese Antwort in die Tat umzusetzen. Durch Taten muß man beweisen, daß die Geisteskrankheit weder unüberwindbare Gräben aufreißt noch das Verhältnis echter christlicher Nächstenliebe denen gegenüber ein-schränkt, die Opfer dieser Krankheiten sind. Vielmehr muß diese Krankheit ein Verhalten ganz besonderer Aufmerksamkeit den Menschen gegenüber hervorru-fen, die mit vollem Recht zu jener Kategorie von Armen gehören, welchen das Himmelreich gehört (vgl. Mt 5,3). Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe an diese grundlegende und tröstende Wahrheit erinnert, wohl wissend, daß ich zu Leuten spreche, die genau wissen, worum es geht. Gerne ergreife ich die Gelegenheit, um Ihnen all meine Wertschätzung für Ihre kostbare Arbeit auszudrücken, und auch, um Sie zu ermutigen, Ihren Dienst fortzusetzen, der eine so hohe humanitäre Bedeutung besitzt. Der Herr segne Ihre therapeutischen Bemühungen und kröne sie mit Resultaten, die Ihre Patienten bestärken, welchen ich meine innigsten Genesungswünsche übermittle. Mögen sie meines Gebetes versichert sein. 865 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Änderung von Produktionssystemen muß den Menschen und seine Arbeit im Blickfeld haben Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Treffens für Gewerkschaftsvertreter auf Einladung des Päpstüchen Rates für Gerechtigkeit und Frieden am 2. Dezember Meine Damen und Herren! 1. Sehr herzlich heiße ich Sie willkommen, und ich danke Ihnen, der Einladung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden gefolgt zu sein, und für Ihre Teilnahme an dieser Begegnung, die sich mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten und der Rolle von Arbeitnehmerorganisationen und Gewerkschaften für die Verteidigung und Förderung der Würde des arbeitenden Menschen beschäftigt. Ich danke Roger Kardinal Etchegaray und seinen Mitarbeitern für die große Bereitschaft, mit der Sie die komplizierten Fragen verfolgen, die heute die soziale und wirtschaftliche Situation aufwirft. Dieses Treffen mit Ihnen, den hoch angesehenen Gewerkschaftsvertretern aus vielen Teilen der Welt, ist ein willkommener Anlaß, Sie in Ihrer verantwortungsvollen Arbeit zu bestärken in der Überzeugung, daß „Arbeit eine fundamentale Dimension der Existenz des Menschen auf Erden darstellt“ (Laborem exercens, Nr. 4). 2. Heute erleben wir teils mit Zuversicht und teils mit Besorgnis eine weitverbreitete Umstrukturierung der Wirtschaftswelt. Diese Entwicklung geht von einer tiefgreifenden Veränderung der Produktionssysteme aus, die einerseits auf dem Einsatz neuer und hochkomplizierter Technologien und andererseits auf der Globalisierung von Finanz- und Handelsbeziehungen begründet ist. Technologische Neuerungen führen zur Produktionssteigerung, aber diese Umstrukturierung des Erzeugungsprozesses hat ernste negative Auswirkungen auf die Beschäftigungslage. Die Forderung nach größerer Leistungsfähigkeit ist unvermeidbar und berechtigt, vorausgesetzt, sie ist nicht lediglich durch Gewinnstreben motiviert, sondern achtet auch die Arbeit an sich als ein gemeinschaftliches Gut, das gefördert werden sollte. Die tragische und oft ungerechte Lage derjenigen, die keine Arbeit finden oder sie verloren haben, muß eine wesentliche Sorge bei der Suche nach leistungsfähigeren Wirtschafts- und Produktionssystemen sein. Gleichzeitig können wir nicht jene Methoden ignorieren, durch die, aufgrund eines sich über jeden moralischen Wert hinwegsetzenden Wirtschaftsdenkens, menschliche Arbeit in einigen Teilen der Welt auf schamlose Art und Weise ausgebeutet wird. Wie könnte man denn das unannehmbare Verhalten jener gutheißen, die sogar in Regionen mit einer soliden industriellen Grundlage die Arbeit von Frauen, ja selbst von Kindern ausbeuten? 866 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. In dem dynamischen und sich wandelnden Kontext der heutigen Wirtschaft muß das Recht auf Arbeit als Grundrecht bestätigt werden, entsprechend der grundlegenden Verpflichtung des Menschen, sich und seine Familie zu erhalten. Hier geht es nicht um das bloße Existenzrecht, sondern vielmehr um die Möglichkeit der Selbstverwirklichung des arbeitenden Menschen und seine aktive Rolle in den Gemeinschaften, denen er angehört (vgl. Laborem exercens, Nm. 9-10,16-18). Ihre Organisationen wurden mit dem Ziel gegründet, den Wert der Arbeit und die Würde des arbeitenden Menschen zu wahren. Heute sind Sie aus dem gleichen Grund zur Entwicklung neuer Initiativen aufgefordert, um beim Aufbau einer Gesellschaft mitzuhelfen, deren Leitprinzip das ganzheitliche Wohl aller ist. Die neuen, durch die Globalisierung der Wirtschaft und die Einführung neuer Technologien aufgeworfenen Fragen erfordern ein Überdenken der Rolle der Gewerkschaften und eine neue Art und Weise, die Arbeiterschaft in den jeweiligen Situationen zu vertreten. Diese Erneuerung sollte nicht das Recht auf Versammlungsfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigen, das ihm erlaubt, seine eigenen Rechte und die anderer zu schützen. Unter diesem Gesichtspunkt werden die Gewerkschaften auch in Zukunft eine wichtige Rolle für die Vertretung der Interessen arbeitender Menschen einnehmen. 4. Der Weg zu diesem Ziel ist zweifellos der Weg der Solidarität - einer Solidarität, die gefährlichen, zu gesellschaftlichen Spaltungen führenden Tendenzen entgegenwirkt. Eine gemeinschaftliche Verpflichtung zu dieser Tugend der Solidarität ist die notwendige Vorbedingung für die Festlegung einer Politik, die letzten Endes jene neue Wirtschaft definieren wird, die nie außer acht läßt, daß „die wichtigste Ressource des Menschen ... der Mensch selbst ist“ (vgl. Centesimus annus, Nr. 32). Die Gewerkschaften sollten wirksame Werkzeuge einer solchen Solidarität sein, die nur durch den Dialog, durch Kooperation und eine korrekte, langfristige Konvergenz der verschiedenen Gesellschaftsschichten erzielt werden kann. Wie auch andere soziale Einrichtungen leisten die Gewerkschaften einen direkten Beitrag für den Aufbau einer wirklich gerechten und demokratischen Welt, einer durch die verantwortungsvolle und aktive Teilnahme aller in der Wirtschaft wie auch in anderen wesentlichen Bereichen des Lebens bereicherten Welt (vgl. Laborem exercens, Nm. 8, 14). Jeder hat die Pflicht, sich für das Wohl der gesamten nationalen und internationalen Gemeinschaft zu verwenden. Daher ermuntere ich Sie, auch weiterhin mit all Ihren beruflichen Fähigkeiten und im Geist des Dienstes an der gesamten Menschenfamilie Ihre Arbeitskollegen zu vertreten. Für alle arbeitenden Menschen in der Welt, für jeden von Ihnen, Ihre Organisationen und Länder erflehe ich den reichen Segen Gottes. 867 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christen tragen zur Förderung jedes Gemeinwesens bei Botschaft an die Kirche in China zum Fest des hl. Franz Xaver, vom 3. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! Der Gedenktag des hl. Franz Xaver, des Schutzheiligen der Missionen, gibt mir Gelegenheit, gemeinsam mit Euch, die Ihr die Kirche Chinas in Rom vertretet, die hl. Messe zu feiern. Wie Franz Xaver bei seiner Ankunft in China von dem Wunsch erfüllt war, dem chinesischen Volk das Licht des Evangeliums zu bringen, so schauen auch wir heute mit den gleichen Gefühlen auf dieses große Land und erinnern uns an zwei bedeutsame Ereignisse: den siebzigsten Jahrestag der Weihe der ersten Gruppe chinesischer Bischöfe in Rom durch Papst Pius XI. und das 50jährige Jubiläum der von seinem Nachfolger Papst Pius XII. begründeten kirchlichen Hierarchie in China. Diese beiden Anlässe wecken in mir als dem universalen Hirten der Kirche Gedanken, Wünsche und Vorsätze hinsichtlich der heutigen Bedeutung und Aufgaben des bischöflichen Amtes der Kirche in China in voller Gemeinschaft mit dem Bischofskollegium unter dem Vorsitz des Nachfolgers Petri. Erlaubt mir, Euch, den hier anwesenden Brüdern und Schwestern, mein Herz zu öffnen wie in einem gedanklichen Gespräch mit den Bischöfen, den Priestern, den Ordensleuten und zahlreichen Gläubigen auf dem chinesischen Festland. Es ist ein lautes Denken, fast ein mit lauter Stimme gesprochenes Gebet, vor den Augen Christi, dem Hohenpriester, dem guten Hirten, dem Herrn der Geschichte. 1. Die Worte Jesu: „Darum geht zu allen Völkern (...) Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,19-20) bewirken Freude und Zuversicht in der Kirche: Freude über die Gegenwart des während seiner irdischen Pilgerschaft auferstandenen Herrn; Zuversicht aufgrund seiner Nähe und seiner Führung inmitten aller Schwierigkeiten. Diese Worte bestätigen jene, mit denen Jesus auf das Messiasbekenninis des Apostels Petrus antwortete: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche ,bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ {Mt 16,18). Mit dieser Verheißung sichert der Herr den Fortbestand seiner auf der Person Petri und dessen Nachfolgern begründeten Kirche. 2. Die Kirche in China erhielt die Frohbotschaft und die Gabe des Heiligen Geistes bereits im 7. Jahrhundert und dann erneut zur Zeit von Johannes von Monte-corvino, dem ersten Erzbischof von Khambaliq, dem heutigen Beijing; seit dem hat sie sich stets durch ihre Katholizität und beispielhafte Treue zum römischen Papst ausgezeichnet. In Gemeinschaft mit der in aller Welt verstreuten Kirche haben die chinesischen Katholiken stets ihre Treue zu Christus, dem Papst und der Realität einer als Völkerfamilie vereinten universalen Kirche bewiesen. Diese 868 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tradition machte die Kirche in China durch das Zeugnis von Generationen von Hirten und Gläubigen, die ihr Leben für Christus geopfert haben und die, den Worten des Evangeliums zufolge, Salz, Licht und Sauerteig der menschlichen Gesellschaft gewesen sind, zu einer wertvollen Perle der katholischen Kirche. Auch in schwersten Zeiten zeichnete sich die katholische Kirche in China durch ihre Treue aus. Als Jünger Christi und treue Bürger ihres Landes haben Hirten und Gläübige die Gewährleistuhg der Wahrheit und des menschlichen Lebens stets der konkreten Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, dem Bischof von Rom und Hirten der Gesamtkirche, anvertraut. Auch heute sind alle chinesischen Katholiken auf gerufen, jenem Glauben treu zu bleiben, den sie empfangen und weitergegeben haben, und sich nicht den Konzeptionen einer Kirche zu fügen, die weder dem Willen des Herrn Jesus Christus noch dem katholischen Glauben oder dem Empfinden und den Überzeugungen der überwiegenden Mehrheit der chinesischer Katholiken entsprechen. Derartiges würde lediglich zu einer verwirrenden Spaltung führen und sowohl für den Glauben selbst als auch für jenen Beitrag negative Auswirkungen haben, den die Gläubigen als Urheber des Friedens und sozialen Fortschritts für ihr Land leisten können. 3. Ich weiß, daß die Kirche in der Volksrepublik China trotz schmerzlicher Erfahrungen und ihres besonderen Werdegangs wirklich katholisch sein möchte. Daher muß sie ganz besonders durch das Dienstamt der Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl mit Christus, dem Nachfolger Petri und der gesamten universalen Kirche verbunden bleiben. Das ist eine Glaubenswahrheit, die in der chinesischen Tradition seit der „plantatio Ecclesiae“ in diesem Land weitgehend gelebt wurde: Johannes von Montecorvino wurde durch andere Bischöfe, die der Papst mit der apostolischen Vollmacht für seine bischöfliche Weihe entsandt hatte, zum ersten Bischof der katholischen Kirche in China geweiht. Der Nachfolger Petri und das Kollegium der Bischöfe In der Weihe nämlich empfängt der Bischof die Gnade und Verantwortung seines Hirtenamtes. Er muß also ein Hirt sein; er muß sich durch menschliche, moralische und geistliche Eigenschaften auszeichnen, die ihn zum Beispiel und Vorbild der Herde machen, die Christus ihm anvertraut hat. Die zweitausendjährige Tradition und beständige Disziplin der Kirche haben diese Eigenschaften, stets verlangt. Er muß der erste Zeuge des Glaubens sein, den er selbst bis zum Blutvergießen“ bekennt und verkündet, wie die Apostel und viele andere Hirten im Lauf der Jahrhunderte in zahlreichen Nationen und auch in China. Der Bischof ist berufen, sein pastorales Amt in einer hierarchischen Gemeinschaft (communio) auszuüben: in jener Gemeinschaft eben, die er kraft seiner sakramentalen Weihe und als Glied des Bischofskollegiums gemeinsam mit dem Nachfolger 869 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Petri eindeutig bezeugen und leben muß, was auch notwendig ist, damit Priester und Gläubige ihre Hirten als Bischöfe der einen Kirche Christi erkennen. 4. Ihr, hebe Brüder im Bischofsamt, die Ihr mit großem Mut und apostolischem Eifer die katholische Gemeinde in China leitet, seid heute ganz besonders aufgerufen, die volle Wiederversöhnung aller Gläubigen zum Ausdruck zu bringen und zu fördern. Ihr verkörpert eine Gemeinschaft: die volle Gemeinschaft mit Gott, die im Gebet und Leben zum Ausdruck kommt; und eine sichtbare Gemeinschaft mit der gesamten Weltkirche, dem Bischofskollegium und seinem Haupt. Mögen Eure Herzen von jener tiefen Liebe für die kirchliche Einheit erfüllt sein, die Euch erlaubt, in Demut und Liebe zur Wiederversöhnung aller, von Hirten und Gläubigen, beizutragen. Das wird Euch lediglich im Rahmen eines Dialogs der Wahrheit und der Liebe auch mit denjenigen möglich sein, die sich aufgrund großer und andauernder Schwierigkeiten - unter bestimmten Gesichtspunkten - von der Fülle der katholischen Wahrheit entfernt haben. Möge das Gebet Jesu auch das Eure sein: „Vater, auch sie sollen in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (vgl. Joh 17,21). Als Stellvertreter und Gesandte Christi leitet Ihr Bischöfe in völliger Freiheit und unabhängig von jeder örtlichen Autorität die Euch anvertrauten Teilkirchen; es ist Eure Aufgabe, angemessene Initiativen zur geistlichen Vorbereitung Eurer Herde auf das Jubeljahr 2000 zu fördern. Könnten nun diese intensiven Bemühungen zur Verwirklichung einer vollen Gemeinschaft und sichtbaren Einheit nicht Euer und unser persönliches Geschenk an Christus, den Herrn, im Licht und der besonderen Kraft des Jubiläums sein? Um auf dem Weg zur vollkommenen Einheit Fortschritte zu machen und die Zukunft der Kirche in China zu sichern, wird die Gewährleistung einer angemessenen und eingehenden Ausbildung der Priesteramtskandidaten eine der grundlegenden Aufgaben des bischöflichen Dienstamtes sein, denn von einer authentischen theologischen, sittlichen, geistlichen und pastoralen Formung der künftigen Priester, der kirchlichen Tradition und Diszipün entsprechend, hängt in entscheidendem Maße die Zukunft der christlichen Gemeinden ab. Aber mehr denn je muß heute, entsprechend dem Beispiel aus der Vergangenheit, eine solche ganzheitliche Ausbildung auch auf Ordensleute, Katechisten und die um die Weitergabe des Evangeliums bemühten Laien ausgedehnt werden: denn so können sie für ihren Glauben und ihre Hoffnung auch vor einer Gesellschaft Rechenschaft ablegen, die ein mutiges und überzeugtes Zeugnis der Weisheit und Wahrheit des Evangeliums Christi braucht. 5. In der Eucharistiefeier wird die Kirche auf äußerst konkrete Weise zum Leib des Herrn. Paulus schreibt: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (1 Kor 10,17). In der Eucharistiefeier werden wir durch den auf jedem Altar gegenwärtigen Herrn wirklich zu einem Leib; sie hebt jede Distanz auf, damit die volle Glaubens- und Lebensgemeinschaft mit 870 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Nächsten spürbar wird; in ihr kommt die wahre Natur der durch dasselbe Wort, dasselbe Gebet und die eine Eucharistie geeinten Kirche zum Ausdruck. Diese innige Gemeinschaft und sakramentale Einheit verlangt auch Gemeinschaft im Glauben selbst und in jener Zuneigung, die alle Glieder der katholischen Kirche miteinander verbindet. Wie könnten wir die Anforderungen der kirchlichen Gemeinschaft vergessen, die jenes Gebet zum Ausdruck bringt, mit dem wir die Eucharistie feiern? Ohne das volle Bekenntnis der Glaubenseinheit eines jeden Bischofs vor dem Papst, der Priester vor dem Papst und ihrem rechtmäßigen Hirten in Gemeinschaft mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche kann es keine vollkommene Einheit in der Eucharistie geben. 6. Neues Vertrauen gibt mir die auch in vielen Berichten aus Euren Gemeinden bestätigte Tatsache, daß der in der Kirche stets gegenwärtige Heilige Geist seine Gaben weiterhin unter den chinesischen Katholiken austeilt und sie ermutigt, sich der Hoffnung zu öffnen und dem höchsten Gebot des Evangeliums, der Liebe, entsprechend zu handeln und im Hinblick auf die Umstände und Momente der vollen Offenbarung der ganzen Wahrheit zu beten und auf die Vorsehung zu vertrauen.. Ich schließe mich dem Apostel Paulus an und rufe Euch also auf, gemeinsam die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche zu bauen und seine Worte als Lebensprogramm zu verwirklichen: „Ich [...] ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles in allem ist“ (Eph 4,1-6). Beitrag der Christen zum Leben des Gemeinwesens Doch mit der gleichen Überzeugung, mit der Verantwortung und dem Vertrauen, die mir der von Christus übertragene apostolische Auftrag verleiht, fordere ich alle Hirten und Gläubige in China auf, mutig, ohne Furcht, das wahre Bekenntnis des katholischen Glaubens zum Ausdruck zu bringen, denn „wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten“ {Eph 4,15). 7. Die staatlichen Obrigkeiten der Volksrepublik China haben keinen Grund, beunruhigt zu sein. Ein Anhänger Christi kann seinen Glauben in jeder beliebigen politischen Ordnung ausüben, vorausgesetzt, sein Recht, dem eigenen Gewissen und Glauben entsprechend zu handeln, wird geachtet. Daher wiederhole ich der Regierung Chinas das, was ich auch zu anderen schon oft gesagt habe: Fürchtet weder Gott noch seine Kirche. Im Gegenteil, mit dem Ausdruck meiner Ergebenheit, bitte ich sie, daß unter Beachtung authentischer Freiheit, des angeborenen Rechts jedes Menschen, auch die gläubigen Christen in zunehmendem Maße durch ihre Tatkraft und Fähigkeiten zur Entwicklung des Landes beitragen kön- 871 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen. Die chinesische Nation spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der internationalen Gemeinschaft. Die Katholiken können hierzu wesentlich beitragen, eine Aufgabe, die sie mit Begeisterung und Hingabe erfüllen werden. 8. Liebe Brüder und Schwestern, ich habe Euch an meiner Liebe und Sorge für die Kirche in China Anteil nehmen lassen. Es ist eine apostolische Sorge, erfüllt von der Hoffnung auf das Wirken des Heiligen Geistes in den Herzen der Menschen und voller Vertrauen auf die Treue der chinesischen Katholiken, auf jene Treue, die sie in stets stärkerem Maße Christus, dem Herrn, und seinem Evangelium entgegenbringen werden. Die römische Kirche, die in Liebe allen in der Welt verstreuten und von ihren jeweiligen Hirten geführten katholischen Teilkirchen vorsteht, ist in ihrem Gebet bei Euch, den Bischöfen und Gläubigen in China. Mit Wohlwollen verfolgt sie Eure Geschichte und hofft, daß bald der Moment der vollen und sichtbaren Gemeinschaft aller Hirten und Gläubigen mit dem Papst kommen wird. Wie die Welt Kultur und Unternehmungsgeist der chinesischen Nation bewundert, so wartet auch die gesamte Kirche nun, auf der Schwelle des dritten Jahrtausends, auf das volle Glaubenszeugnis der chinesischen Katholiken und ihren Beitrag zur Verkündigung und Bezeugung des Evangeliums. , Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Während wir im Jahr 2000 des christlichen Zeitalters das Große Jubiläum der Geburt Jesu feiern, blickt der Papst mit Vertrauen und Zuneigung auf China und die Kirche in China und hegt den Wunsch, persönlich mit den chinesischen Katholiken Zusammentreffen zu können, um in demselben Glauben und derselben Liebe dem Vater dankzusagen, wann immer es Ihm beliebt. Diese Wünsche vertraue ich der Jungfrau Maria an, die die Katholiken in China als Mutter und Königin verehren und anrufen. „Der Gott des Friedens mache euch tüchtig in allem Guten, damit ihr seinen Willen tut. Er bewirke in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, dem die Ehre sei in alle Ewigkeit. Amen“ (vgl. Hebr 13,21). Mit meinem herzlichen Segen. Aus dem Vatikan am 3. Dezember 1996 Joannes Paulus PP. D 872 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die von Christus gewollte Einheit in Denken und Handeln fördern Grußworte bei den Begegnungen mit dem Erzbischof von Canterbury und Primas der Anglikanischen Gemeinschaft, Dr. George Leonard Carey, am 3. und 5. Dezember am 3. Dezember: Euer Gnaden, liebe Brüder und Schwestern in Christus! Von Herzen begrüße ich Euer Gnaden bei diesem Ihrem zweiten Besuch am Römischen Bischofssitz, einem Besuch, der eine Reihe von Begegnungen fortsetzt, die bis kurz nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zurückgehen. In Dankbarkeit erinnere ich mich auch an die Gelegenheit während meines Pastoralbesuchs in Großbritannien im Jahre 1982, als ich in der Kathedrale von Canterbury zusammen mit Ihrem Vorgänger, Erzbischof Runcie, beten konnte. Diese kostbaren Augenblicke waren bedeutsame Meihensteine auf einem Weg, der vom Heiligen Geist, dem Geist der Wahrheit und des Zeugnisses, veranlaßt und gelenkt wurde (vgl. Joh 15,26). Durch diese Besuche und besonders durch das Gebet, das sie begleitet, wurden wir immer wieder daran erinnert, daß selbst in unserer traurigen Trennung Anglikaner und Katholiken nicht aufgehört haben, Brüder und Schwestern in dem einen Herrn zu sein. Die vor uns liegende Aufgabe soll dieses Band stärker machen, bis wir zu der vollen Einheit gelangen, die der Wille Christi für uns ist. Laßt uns ernstlich den Heiligen Geist bitten, uns zu Versöhnung und Einheit in einer einzigen Gemeinschaft des Glaubens, des Lebens und der Sendung zu führen, zur Ehre des Vaters. Während dieses Aufenthalts Eurer Gnaden in der Stadt des Martyriums von Petrus und Paulus möge der Gott der Hoffnung uns alle mit Freude und Frieden erfüllen (vgl. Rom 15,13). am 5. Dezember: Euer Gnaden, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Ich begrüße Euch in der Liebe, die der Heilige Geist in unsere Herzen eingießt (vgl. Röm 5,5). Vor dreißig Jahren, nach dem Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils, machte Erzbischof Michael Ramsey einen offiziellen Besuch bei Papst Paul VI. Dieser seit der tragischen Trennung im 16. Jahrhundert erstmals von einem Erzbischof von Canterbury abgestattete Besuch beim Hl. Stuhl sollte große Bedeutung für die Beziehungen zwischen der Anglikanischen Gemeinschaft und der katholischen Kirche haben. Er gab Katholiken und Anglikanern ein Zeichen, daß 873 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie in christlicher Liebe Konflikte hinter sich lassen und daran arbeiten sollten, die Einheit wieder herzustellen. Unsere Vorgänger unterschätzten nicht die damit verbundenen Schwierigkeiten, es fehlte ihnen aber auch nicht an Verständnis für die Dringlichkeit der Aufgabe. Sie erklärten ihre Absicht, einen ernsthaften theologischen Dialog zu beginnen, der heute vor allem durch die Internationale Anglikanisch-Römisch katholische Kommission (ARCIC) fortgesetzt wird. 2. In den Jahren seit Erzbischof Ramseys Besuch begannen einige der erhofften Früchte sichtbar zu werden. Vor allem wurde der zwischen Anglikanern und Katholiken bestehende Grad wirklicher, wenn auch unvollkommener Gemeinschaft wiederentdeckt. In vielen Teilen der Welt gibt es einen neuen Geist der Zusammenarbeit zwischen uns: Wir haben uns eifriger zusammengetan im Gebet um das Geschenk der Einheit; wir haben begonnen, miteinander zu arbeiten und, wenn immer möglich, auf Grund von so vielem, was unser gemeinsames Erbe ist, miteinander Zeugnis zu geben. Der Schlußbericht der ersten Stufe unseres internationalen Dialogs hat Punkte gegenseitiger Annäherung, ja sogar der Übereinstimmung herausgestellt, die, ehe die ARCIC ihre Arbeit begann, für unmöglich gehalten wurden. Der weitere Weg mag uns noch nicht klar sein, aber wir sind hier, um uns wiederum zu verpflichten, ihm zu folgen. Die im Gang befindliche Studie der Kommission über die Lehrautorität in der Kirche kann angesichts neuer Gebiete der Meinungsverschiedenheit, die in den letzten Jahren hervorgetreten sind, von großer Hilfe sein. Leider scheinen diese Schwierigkeiten sich bedrohlich über dem Weg zu der Versöhnung abzuzeichnen, die der Dialog zu fördern beabsichtigte. Meine besondere, dem Nachfolger des Petrus obhegende Verantwortung für den Glauben und die Einheit der Kirche führt mich dazu, meine Brüder und Schwestern der Anglikanischen Gemeinschaft einzuladen, über die Motive und Gründe für die Stellungnahmen nachzudenken, die ich in der Ausübung meines Lehramtes zum Ausdruck gebracht habe. Unser beider Wunsch, dem Willen des Herrn zu entsprechen, wird uns ganz gewiß bei jedem schwierigen Aspekt der Konstitution der Kirche zu einem gemeinsamen Verständnis der Absicht Christi führen. 3. Das Nahen eines neuen christlichen Jahrtausends bildet mit seinen Vorbereitungen, auf intensivere Weise das Geheimnis der Menschwerdung unseres Erlösers zu feiern, einen einzigartigen Kontext für unseren ökumenischen Dialog. Der Dialog, mit dem wir uns befassen, ist ja in erster Linie auf den Einen hingelenkt, „den Erlöser der Welt und Herrn der Geschichte ... der unsere Versöhnung ist“, es ist der Dialog, in welchem „Christus, die Quelle der Einheit der Kirche, mit der ganzen Kraft seines Tröstergeistes wirksam tätig werden kann“ (vgl. Ut unum sint, Nr. 35). Mein Bruder in Christus, liebe Freunde, möge dies das Anhegen unseres Gebetes sein, wenn wir uns heute nachmittag in der Kirche des hl. Gregor auf dem Caelius wieder treffen. 874 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN An der Basis für ein gemeinsames Zeugnis arbeiten Predigt beim feierlichen Abendgottesdienst in S. Gregorio anläßlich des Besuchs des Primas der Anglikanischen Gemeinschaft, Erzbischof Carey von Canterbury, in Rom [3. bis 5. Dezember] am 5. Dezember Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet“ (Eph 1,3). In dem gleichen Geist tiefster Dankbarkeit haben wir uns zu diesem abendlichen Gebet versammelt. Mich erfüllt dieser Augenblick mit ganz besonderer Freude, auch weil wir uns an jenem Ort versammelt haben, von dem aus Papst Gregor der Große den Mönch Augustinus und seine Gefährten nach Britannien sandte. Viele Jahrhunderte trennen uns heute von diesem Ereignis, Jahrhunderte, in denen die in eurem Land gepflanzte Saat des Evangeliums starke Wurzeln entwickelt und eine reiche Ernte erbracht hat. Beide, der hl. Papst Gregor der Große und der hl. Augustinus von Canterbury, werden sowohl von der anglikanischen als auch von der katholischen Kirche hoch verehrt. So wie bereits vor sieben Jahren, als ich mit Erzbischof Runde ebenfalls an diesem Ort zusammentraf, erflehe ich ihre Fürsprache auch für das heutige Treffen, denn diesen Männern lagen die Bande der Einheit zwischen dem christlichen England und dem Hl. Stuhl in Rom sehr am Herzen. Exzellenz, indem ich Sie heute abend hier begrüße, möchte ich Ihnen herzlichst für Ihren Besuch danken und gemeinsam mit Ihnen und Ihren Begleitern danksa-gen für jene Saat, die der hl. Augustinus von Canterbury auf englischem Boden gepflanzt hatte, und für die zahlreichen Früchte, die dieser Samen auch heute noch, auf der Schwelle des dritten Jahrtausends, erbringt. 2. Ein ökumenisches Gebet wie dieses bringt die Realität unserer Brüderlichkeit in Christus zum Ausdruck und drängt uns, seiner barmherzigen Liebe die Zukunft unserer Gemeinschaft, die Stärkung unserer bereits bestehenden einheitlichen Bande anzuvertrauen (vgl. Ut unum sint, Nr. 26). Im gemeinsamen Gebet kommt unser Wunsch und Streben nach „einer einen, sichtbaren Kirche Gottes“ zum Ausdruck, „die in Wahrheit allumfassend und zur ganzen Welt gesandt ist, damit sich die Welt zum Evangelium bekehre und so ihr Heil finde zur Ehre Gottes“ (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1). Im gemeinschaftlichen Gebet stehen wir in dankbarer Anerkennung für unsere wahre, wenn auch noch nicht vollkommene Gemeinschaft vor dem einen Vater. Wir erkennen in zunehmendem Maße wieviel uns verbindet und werden ermuntert, stets intensiver für das Überwinden unserer noch vorhandenen Spaltungen zu arbeiten. Es ist der Plan des Vaters, „in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,10). Fehlende Einheit unter den Christen widerspricht diesem göttlichen Plan ganz eindeutig. Aber durch die Barmherzigkeit des Vaters 875 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bewirkte der Heilige Geist, insbesondere in diesem Jahrhundert, jenen Sinneswandel, der viele Christen veranlaßt hat, „nicht nur einzeln für sich, sondern auch in ihren Gemeinschaften, in denen sie die frohe Botschaft vernommen haben“ (Uni-tatis redintegratio, Nr. 1), der ökumenischen Bewegung zu folgen. Das Trachten nach christlicher Einheit hat nicht nur pragmatische Gründe oder praktische Vorteile. Es entspricht ganz einfach dem Willen Gottes, und wir sind bestrebt, in gehorsamer Nachfolge seinen Namen zu ehren. 3. Vor dreißig Jahren machten sich die katholische und die anglikanische Kirche unter der Eingebung des Heiligen Geistes entschlossen auf jenen Weg, der schließlich zur Wiederherstellung der Einheit führen würde. Dieses Vorhaben hat sich als schwieriger erwiesen, als anfänglich erwartet worden war. Leider stoßen wir seit dem Beginn des Dialogs immer wieder auf Aspekte, in denen wir nicht übereinstimmen, einschließlich der unterschiedlichen Einstellung bezüglich der Priesterweihe für Frauen. Diese Frage hebt deutlich die Notwendigkeit hervor, sich darüber zu verständigen, wie die Kirche Lehre und Praxis des uns anvertrauten apostolischen Glaubens maßgeblich erkennt. Außerdem können Christen, wenn sie sich nicht über die Anforderungen einig sind, die das Evangelium an ihr Leben stellt, keineswegs ein gemeinschaftliches Zeugnis abgeben, sondern werden vielmehr zur moralischen Verwirrung der Gesellschaft und dem Verlust jeglicher Orientierung beitragen. Die unlängst von ARCIC II. abgegebene Erklärung, Leben in Christus, ist eine passende Ermutigung für Anglikaner und Katholiken zu weiteren theologischen Reflexionen über die moralischen Grundsätze des Lebens, um bestehende Divergenzen zu lösen und dafür zu sorgen, daß eventuelle neue zu Uneinigkeit führende Fragen nicht aufkommen, und, angesichts der zahlreichen moralischen Nöte, mit denen Männer und Frauen heute konfrontiert werden, eine festere Basis für ein gemeinsames Zeugnis aufzubauen. Seitdem ich vor achtzehn Jahren durch die Vorsehung Gottes mit der besonderen Verantwortung betraut wurde, um, wie der hl. Gregor sagt, servus servorum Dei zu sein, bin ich mir bewußt gewesen, daß das Petrusamt für viele Christen noch immer ein von gewissen schmerzlichen Erinnerungen überschattetes schwieriges Problem darstellt. In meiner Enzyklika Ut unum sint habe ich zu einem geduldigen und brüderlichen Dialog über den Dienst an der Einheit des Bischofs von Rom (vgl. Nm. 88.95-96) aufgerufen. So bete ich heute abend in der Kirche des hl. Gregors, daß bald der Tag kommen möge, wenn wir gemeinsam, ohne in irgendeiner Weise das aufzugeben, was dem Willen Christi entsprechend für diesen Dienst von wesentlicher Bedeutung ist, jene Formen erkennen werden, die ihn für alle Christen zu einem Dienst der Liebe machen. 4. Liebe Brüder und Schwestern, bezeichnenderweise findet unser Treffen in der Adventszeit statt. Diese heilige Zeit steigert unsere Erwartung auf das Kommen des Herrn in Herrlichkeit. Wir sind ein Volk, dessen Blick stets auf die Zukunft gerichtet ist und das voll Zuversicht die Ankunft des Erlösers erwartet, was der 876 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hl. Paulus mit folgenden Worten zum Ausdruck brachte: „Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld“ (Rom. 8,25). Während wir warten, müssen wir uns um die Wiederherstellung der im Lauf der Jahrhunderte geschwächten und verletzten Einheit mühen. Aus diesem Grund bitten wir den Herrn hier heute abend, daß er am Tag des Jüngsten Gerichts unsere aufrichtigen Bemühungen zur Wiederherstellung der Gemeinschaft seiner Anhänger anerkennen möge, für die er in der Nacht vor seinem Opfertod inständig betete (vgl. Joh 17,21). Mögen wir auf der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends, wenn auch nicht voll vereint, so doch zumindest weniger gespalten, einander näher sein und in größerer Treue zu dem priesterlichen Gebet Christi: „ut unum sint“ stehen. Möge der barmherzige Vater jene inständigen Bitten erhören und beantworten, die wir als Anglikaner und Katholiken an diesem heiligen Ort an ihn richten. Ihm wollen wir unsere Hoffnungen anvertrauen, „der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können. Er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen“ (Eph 4,20-21). Eure Fackeln verkünden Christus, das Licht der Welt Grußworte an die Pilger der süditalienischen Region Molise nach einem folkloristischen Fackelumzug auf dem Petersplatz am 8. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! Danke für dieses großartige Schauspiel; danke für dieses „Feuer der Brüderlichkeit“! Mein herzlicher Dank und mein Gruß gehen an die zivilen Behörden der Region Molise und der Gemeinde Agnone, an die Verantwortlichen der Provinzen Cam-pobasso und Isemia, an die Bürgermeister der Gemeinden des Molise und an die Organisatoren dieser besonderen Darbietung des uralten Brauchs der ,,'ndocciata“ im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag meiner Priesterweihe. Ich grüße auch Euch, Hirten und Bauern, Hauptakteure einer so wundervollen Kundgebung von Glauben und Kultur, die auf die frohe Nachricht des Tages der Geburt des Herrn voraus weist. Eure Väter haben das antike heidnische Ritual des Sonnenwendfeuers durch ihre Bekehrung zum christlichen Glauben in freudige Aufnahme Jesu, des Lichts der Welt, verwandelt. Das Feuer, positives Element der Läuterung und des Lebens für die Menschen, ist so zum Zeichen Christi geworden, der uns von der Sünde befreit und uns die Auferstehung und das Leben schenkt. Die knisternden Fackeln leuchten in der Nacht und erinnern daran, daß Christus das wahre Licht ist, das die Finsternis der Welt erhellt. Wenn Ihr riesige Tannen- 877 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fackeln auf Euren Schultern tragt und sozusagen einen Strom von Feuer entstehen laßt, der dann zum „Feuer der Brüderlichkeit“ wird, verkündet Ihr die Liebe dessen, der gekommen ist, das Feuer des Evangeliums auf die Erde zu bringen (vgl. Lk 12,49). Möge diese alte Tradition, die wir heute hier auf dem Petersplatz, dem Zentrum der Christenheit, neu erleben, Euren Wunsch nach dem Guten vermehren, Euch im großherzigen Einsatz christlicher Lebensführung bestärken und Euch zu Verkündern und Zeugen der Weihnachtsfreude und der Weihnachtsbotschaft machen. Heute, am Fest der Unbefleckten Empfängnis, vertraue ich Euch alle dem Schutz der himmlischen Mutter des Herrn an und erteile jedem einzelnen von Euch, Euren Familien, der geliebten Stadt Agnone und allen Einwohnern des Molise von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen. Sei gegrüßt, du Gnadenvolle, in göttlichem Licht Strahlende Worte in der Basilika Santa Maria Maggiore nach dem Gebet vor der Marienikone „Salus Populi Romani“ am 8. Dezember 1. „Sei gegrüßt, Herrin der Welt, Königin der Himmel; sei gegrüßt, Jungfrau der Jungfrauen, Morgenstern. Sei gegrüßt, o du Gnadenvolle, in göttlichem Licht Strahlende; eile, o Herrin, der Welt zur Hilfe. Von Ewigkeit her hat der Herr dich zur Mutter des eingeborenen Wortes ausersehen, durch das er die Erde, die Meere, die Himmel erschuf; und hat dich als seine liebreizende Braut geschmückt, auf die die Sünde Adams sich nicht übertragen hat.“ Das sind Worte aus einem Hymnus, der im „Kleinen Offizium zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis Mariens“ enthalten ist - so heißt es auf polnisch. Es ist eine Übersetzung des polnischen Textes. Diese Worte entwickeln auf eindrückliche Weise den vom Engel bei der Verkündigung an Maria gerichteten Gruß: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ {Lk 1,28). Wie das Lukasevangelium berichtet, verkündigt der Engel Gabriel Maria, daß sie den Sohn des ewigen Vaters empfangen und gebären soll - nicht kraft menschlichen Vermögens, sondern „durch den Heiligen Geist“ (vgl. Lk 1,30-33). Die ,JBegnadete“ ist also zur Teilnahme an der Heiligkeit Gottes selbst - des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes - gerufen. Die Unbefleckte wird im Gruß des Engels, der über ihre geistliche Schönheit erstaunt ist, als „begnadet“ erklärt. Und der Hymnus des „Kleinen Offiziums“ beschreibt sie als die „im Licht Strahlende“, an die man sich mit der flehenden Bitte wendet, der von der Sünde bedrohten Welt zu Hilfe zu eilen. 878 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. „Von Ewigkeit her hat der Herr dich zur Mutter des eingeborenen Wortes ausersehen.“ In diesen Worten läßt sich das Echo einer Stelle aus dem Brief des hl. Paulus an die Epheser vernehmen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,3-4). In Christus hat der Vater uns alle erwählt, aber auf besondere Weise hat er Maria erwählt, die er als Mutter für seinen Sohn wollte. „Von Ewigkeit her hat der Herr dich zur Mutter des eingeborenen Wortes ausersehen.“ Der Evangelist Johannes schreibt im Prolog seines Evangeliums: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott [...] Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,1.3). Das Wort - der ewige Sohn, eines Wesens mit dem Vater - ist am Anfang aller Schöpfung gegenwärtig, zu der auch Maria gehört. Maria, eine Tochter Adams und Evas, ist wie alle Kreatur im ewigen Wort erschaffen, begriffen und von Ewigkeit her gedacht Nach dem Bild und Gleichnis Gottes gestaltet, ist sie zugleich als Mutter des fleischgewordenen Wortes von allen Geschöpfen und allen Menschen verschieden. 3. „... und hat dich als seine hebreizende Braut geschmückt, auf die die Sünde Adams sich nicht übertragen hat.“ Die Liturgie der Unbefleckten Empfängnis ruft die erste Sünde ins Gedächtnis, die Erbsünde, die sich auf alle Menschen übertragen hat Aber bereits die Worte des Proevangeliums im dritten Kapitel des Buches Genesis weisen darauf hin, daß die Frau vor der Macht des bösen Geistes bewahrt bleiben wird. Denn der Herr sagt: „Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ (Gen 3,15). Die Frau wird demnach auf besondere Weise am Kampf gegen die Schlange, den Satan, beteiligt sein. Gott deutet den endgültigen Sieg über das Böse an und gibt die erste Verheißung vom Kommen des Messias, des Erlösers der Welt. Mit dem heutigen Fest feiern wir die Erfüllung dieses Versprechens: In der Tat hat Maria auf besondere Weise an der vom Sohn vollbrachten Erlösung teilgenommen und ist deshalb in ganz außerordentlicher Weise erlöst worden. Schon bei ihrer Empfängnis wurde sie vor dem Erbe der Ur-sünde bewahrt: Sie ist die Unbefleckte Empfängnis. „Gott hat sie erwählt und ausersehen: Er läßt sie in seinem Heiligtum wohnen“, so verkündet unser „Kleines Offizium“. Wie sollte man in diesen Worten nicht eine enge Verbindung zwischen dem Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis und dem Geheimnis der Aufnahme der Mutter Christi in den Himmel erkennen? 4. Heute grüßt die Kirche Maria als die Begnadete. Sie grüßt sie in ihrer einzigartigen Vereinigung mit der Heiligen Dreieinigkeit im Augenblick der Empfängnis, im Augenblick der Verkündigung, auf Kalvaria, beim Pfingstereignis und schließlich im Augenblick der Aufnahme in den Himmel. 879 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sei gegrüßt, Tochter des Gottvaters! Sei gegrüßt, Mutter des Gottessohnes! Sei gegrüßt, Braut des Heiligen Geistes! Sei gegrüßt, Wohnstätte der Heiligen Dreieinigkeit! Amen. Um 18 Uhr wird die hl. Eucharistie gefeiert. Ich empfehle mich Euren Gebeten. Schönheit ist Herausforderung, das Böse zu überwinden Ansprache und Gebet bei der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1. „Ganz schön bist du, Maria, und kein Makel der Erbschuld ist an dir“. Heute ist Rom wiederum auf dem Spanischen Platz vor dieser Säule zusammengekommen, um der Heiligen Jungfrau zu huldigen, die frei von Sünde empfangen wurde: „Kein Makel der Erbschuld ist an dir.“ Dieser eindrucksvolle Ort ist der geeignete Rahmen für das Bildnis dort oben, von dem eine außergewöhnliche Schönheit ausgeht: „Ganz schön bist du.“ Nicht nur dieser Platz, sondern die ganze Stadt besitzt natürliche und künstlerische Schönheit in ungewöhnlichem Ausmaß. In Rom trifft der Besucher auf Monumente aus dem antiken Römischen Reich, auf frühchristliche Basiliken, auf Bauwerke der Renaissance und des Barock, die Peterskirche mit der wunderbaren Kuppel, die vielen Museen, reich an Skulpturen und Gemälden, in denen die schöpferische Kraft Italiens über die Jahrhunderte ihren Ausdruck gefunden hat: Stellen diese Schätze nicht einen entfernten Abglanz der Schönheit Gottes dar? Nach diesem höchsten Gut der erhabensten Schönheit trachtet doch der Mensch, auch ohne es zu wissen, mit jeder Faser seines Seins. In Maria kommt uns dieser Abglanz näher, wird unmittelbar. Ihre Schönheit ist zuhöchst geistlicher Natur: Es ist die Schönheit der Unbefleckten Empfängnis, einmaliges und ausschließliches Vorrecht der Jungfrau von Nazaret. „Ganz schön bist du“ heißt: In dir ist nichts, was nicht mit der vom Schöpfer für den Menschen gewollten Schönheit übereinstimmt. Weder der Makel der Erbsünde, noch irgendein Makel persönlicher Schuld hat dich gestreift. Gott hat in dir die ursprüngliche Schönheit der Schöpfung in ihrer Reinheit bewahrt, um seinem eingeborenen Sohn eine würdige Wohnstatt zu bereiten, der um der Rettung des Menschen willen Mensch geworden ist. 2. Der polnische Dichter Cyprian Norwid hat geschrieben: „Die Gestalt der Liebe ist die Schönheit..." (vgl. Promethidion, Bogumil) und weiter: „Denn die Schönheit. existiert, um einen zur Arbeit zu begeistern - die Arbeit, um einen auferstehen zu lassen“ (vgl. ebd.). Ja, die Schönheit, Verkörperung der Liebe, ist Quell starken Ansporns zur Arbeit, zur Anstrengung zum schöpferischen Ringen um eine bessere Form des menschli- 880 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen Lebens; sie ist Anreiz zur Überwindung der Kräfte des Todes und zur fortwährenden Auferstehung. Denn die Liebe, die Schönheit und das Leben sind eng miteinander verbunden. Wir, die wir in Rom wohnen, versammeln uns um diese Säule - auf der die Statue der Unbefleckten Empfängnis über der Stadt thront -, um hier zur Quelle des Staunens zurückzufinden, aber auch, um uns von der geistlichen Schönheit Mariens fesseln zu lassen. Diese Neuentdeckung vermag neue Kräfte in uns zu wecken und neue Beweggründe, um uns einzusetzen im Kampf gegen das Böse und die Sünde und um jeden Tag zu neuem Leben zu erwachen. 3. Wir danken dir, o Unbefleckte Empfängnis, daß du unter uns bist in diesem hoch aufragenden Bildnis, das das Wunder der Gnade in Erinnerung bringt, das der Herr an dir vollbracht hat und das uns anspomt, jede Form des Bösen mit beharrlichem Eifer zu besiegen. Wir danken dir, o Heilige Jungfrau, daß du uns hier versammelt hast, um deine Unbefleckte Empfängnis zu betrachten und unseben persönlichen Einsatz in der Teilnahme an der Stadtmission zu erneuern, die das Antlitz deines Sohnes in allen Winkeln der Stadt zum Leuchten bringen will. Wir danken dir, o unsere Mutter, für das Geschenk dieser jährlichen Verabredung mit dem Geheimnis deiner Schönheit, die uns jedesmal in Erstaunen versetzt wegen ihrer Einzigartigkeit und Reinheit. Ganz schön bist du, Maria! Eine Kultur der Universitäten wird von ihren Mitgliedern geprägt Predigt während der Messe mit den Studenten am 12. Dezember 1. „Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet Ihn herab“ (Rorate coeli). Der Advent wird in diesem Bittruf ausgedrückt, der aus dem Buch Jesaja stammt: 881 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, laßt Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor“ (Jes 45,8). So lauten die Worte des Propheten Jesaja, der sich damit auf die Situation seines Vaterlandes bezieht. Aus den Beobachtungen eines nach Wasser lechzenden Bodens, der des Regens bedarf, um blühen zu können, leitet Jesaja die Analogie der Erwartung des Volkes ab, nämlich der Erwartung des verheißenen Messias, des Heilands Israels. Jesaja weiß, daß die Erfüllung dieser Verheißung nur „von oben“ kommen kann, d. h. von Gott, so wie der Regen, der aus den Wolken herabfällt. Gleichzeitig sieht der Prophet in nicht weniger präziser Weise voraus, daß der Messias, der Heiland der Welt, hier auf Erden geboren werden wird als gebene-deite Frucht aus dem Stamme Jesse, gemäß der Verheißung des Herrn. Er wird inmitten des erwählten Volkes erscheinen, und er wird die Erfüllung jenes großen „Advent“ sein, welcher der Alte Bund ist. In der ersten Lesung spricht Gott zu seinem Volk: ,Fürchte dich nicht, ich werde dir helfen. [...] Ich selber werde dir helfen - Spruch des Herrn. Der Heilige Israels löst dich aus“ (Jes 41,13-14). „Die Elenden und Armen suchen Wasser, doch es ist keines da; ihre Zunge vertrocknet vor Durst. Ich, der Herr, [...] lasse Ströme hervorbrechen und Quellen inmitten der Täler. Ich mache die Wüste zum Teich und das ausgetrocknete Land zur Oase“ (Jes 41,17-18). Dank dieser von der Vorsehung bestimmten Bewässerung wird die Wüste blühen und reiche Frucht hervorbringen. Diese Metapher, die für alle, die schon einmal die Wüstenlandschaften Palästinas besucht haben, eine große Aussagekraft hat, evoziert jedoch eine andere Ernte, nämlich die Ernte der Seelen. Der verheißene Messias wird das Los des Volkes Israels und der ganzen Menschheit wandeln: aus einer ausgetrockneten Wüste wird er eine üppige Ernte von Erlösten hervorgehen lassen. Der Antwortpsalm verkündet die Güte und das Erbarmen Gottes für alles, was er geschaffen hat: „Danken sollen dir, Herr, all deine Werke und deine Frommen dich preisen. Sie sollen von der Herrlichkeit deines Königtums reden, sollen sprechen von deiner Macht“ (Ps 144[145],10-11). Der Abschnitt aus dem Evangelium stellt uns Johannes den Täufer vor, wie es ja öfters im Advent vorkommt. Jesus selbst spricht zur Menge: „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er“ (Mt 11,11), und er fügt hinzu: „Seit den Tagen Johannes’ des Täufers bis heute wird dem Himmelreich Gewalt angetan; die Gewalttätigen reißen es an sich“ (Mt 11,12). Johannes der Täufer hat die Menschen für das Himmelreich vorbereitet, doch nur die, die Christus nachfolgen, können daran teilhaben. Und das nicht ohne „Gewalt“ gegen die eigenen Leidenschaften und gegen die Mächte des Bösen. Es sind diese friedfertigen „Gewalttätigen“, die das Reich für sich; für die anderen, ja für die ganze Welt gewinnen. 2. Liebe Brüder und Schwestern! Heute begehen wir wieder das mittlerweile zur Tradition gewordene Adventstreffen mit den Studenten der römischen Universitä- 882 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten. Ich freue mich über Eure Anwesenheit, und es ist auch schön, feststellen zu können, daß zusammen mit den Studenten auch immer mehr Rektoren und Professoren der römischen und italienischen Athenäen teilnehmen. Euch alle grüße ich herzlich: den Herrn Kardinalvikar, seinen Vertreter, die verschiedenen akademischen Autoritäten, die Studentenseelsorger und die Assistenten der Universitätsgruppen. Und ich begrüße Euch alle, hebe Studentinnen und Studenten. Die heutige Begegnung, der ich sehr große Bedeutung beimesse, ist gewissermaßen zu einem Treffen der gesamten Universitätswelt Italiens geworden. Ich habe die Tradition, mit den Universitätsstudenten aus Krakau zusammenzukommen, nach hier mitgebracht. Dort hat sich die Universitätsseelsorge unter schwierigen Voraussetzungen entwickelt, denn es herrschten Zeiten systematischer, vom marxistischen Regime organisierter atheistischer Propaganda. Durch ihren pastoralen Dienst hat die, Kirche die christlichen Werte und die Dimension des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in den Universitätskreisen und überhaupt unter den Jugendlichen gefördert. „Die wichtigste Erfahrung dieser Zeit - so habe ich es in meinem Buch Die Schwelle der Hoffnung überschreiten geschrieben -, als meine Seelsorgetätigkeit vor allem den jungen Leuten galt, war die Entdek-kung der wesentlichen Bedeutung der Jugendzeit. Was ist die Jugendzeit? Sie ist nicht nur ein Lebensabschnitt, der eine bestimmte Anzahl von Jahren umfaßt, sondern eine zugleich jedem Mann und jeder Frau von der Vorsehung als Aufgabe übertragene Zeit, während der er, wie der junge Mann im Evangelium, die Antwort auf die grundlegenden Fragen sucht. Er forscht nicht nur nach dem Sinn des Lebens, sondern auch nach einem konkreten Plan, mit dem er beginnen kann, sein Leben einzurichten. Dies ist das wesentlichste Kennzeichen der Jugend“ (S. 148/149). 3. Der Sinn und Zweck dieses jährlichen Treffens, welches uns darauf vorbereitet, die Geburt des Herrn intensiv zu erleben, ist die Vertiefung unseres Bewußtseins als Christen und folglich auch unseres Verhaltens. Was heißt es eigentlich, Christ zu sein? Es heißt, im Innersten vom Mysterium Christi gezeichnet zu sein: „Christianus alter Christus.“ Es heißt, sich der von Christus vollbrachten Erlösung bewußt zu sein. Wir alle sind erlöste Menschen. Erlöst sind unsere Seelen und unsere Körper; erlöst sind die Ehe und die Familie, die Völker und Nationen; erlöst ist die menschliche Arbeit, und zwar sowohl die körperliche als auch die geistige Arbeit; auch ist das soziale Leben, die Kultur und die Politik erlöst. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Konstitution Gaudium er spes diesen Sachverhalt kraftvoll hervorgehoben. Christ sein heißt, am Erlösungsgeheimnis teilzuhaben, es in allen Dimensionen des Lebens und der Berufung als Menschen zu erleben. Was bedeutet es also, als Universitätsstudent, akademischer Dozent oder als Erzieher das Erlösungsgeheimnis zu leben? Was bedeutet es, aus diesem Geheimnis zu leben als Verlobte, als Verheiratete, als Menschen, die Christus zum Priestertum oder zum geweihten Leben berufen hat? Was bedeutet es, in jedem Beruf und 883 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in jeder Tätigkeit aus dem Erlösungsgeheimnis zu leben? Die Universitätsseelsorge möchte Antworten auf diese Fragen geben. Vor dieser adventlichen Zusammenkunft habe ich die Vertreter der Studentenseelsorge in Rom treffen wollen, um mir ein Bild von den verschiedenen akademischen Kreisen zu machen. Es geht hierum einen unerläßlichen Dialog, der erweitert und vertieft werden muß. Ich sage dies als Bischof von Rom, aber gleichzeitig auch als Priester, der im Laufe seiner fünfzigjährigen Tätigkeit die Möglichkeit hatte, den Wert der Jugendseelsorge zu erfahren, welches Engagement sie fordert, aber auch welche Freude sie bereitet. 4. Es geht in besonderer Weise darum, im schwierigen Bereich der kulturellen Jugendbildung zu wirken. Die italienische Kirche konzentriert ihre Aufmerksamkeit gerade auf die Kultur, um einen breit angelegten pastoralen Neubeginn in Gang zu setzen. Wie ich jedoch auf dem Kongreß in Palermo erwähnte, besteht der treibende Kern jeder authentischen Kultur in seiner Annäherung an das Gottesgeheimnis, in welchem die soziale Ordnung, die in der personalen Würde und Verantwortung gründet, ihr letztes Fundament findet. Von diesen Voraussetzungen aus muß man zur Entfaltung einer Kultur beitragen, die fest in den Werten des Evangeliums verankert ist. Liebe Studenten, Ihr stellt die lebendige Energie eines solchen kulturellen Projektes dar, Ihr seid dessen Frische und dessen Zukunft. Möge Euer Engagement im Studium, in der kulturellen und wissenschaftlichen Vertiefung bei der Förderung eines neuen Humanismus eine bezeichnende Einheit finden, um so eine neue Gesellschaft zu errichten. An dieser Stelle möchte ich Euch Studenten meine Anerkennung aussprechen für den Weg, den Ihr eingeschlagen habt, um Euer zweites Diözesantreffen vorzubereiten, welches im April nächsten Jahres stattfinden und dessen Thema lauten wird: „Evangelium und Kultur in der Universität.“ Liebe Jugendliche, leistet dazu Euren großzügigen Beitrag, und räumt der Betrachtung und dem Studium dieser Thematik einen nicht zu geringen Platz ein, und zwar in Zusammenarbeit mit Euren Dozenten. So werdet Ihr zu einem lebendigen Teil dieser kulturellen Bildungsprozesse, welche das Universitätsleben auszeichnen müssen. So werdet Ihr auch im Stande sein, ein solides und überzeugendes Profil Eures Engagements auf diesem Weg des menschlichen und christlichen Wachstums abzugeben. Die Initiative der „theologischen Universitätswochen“ ist eine Neuheit und stellt einen wertvollen Beitrag in diese Richtung dar; ich möchte Euch dazu ermutigen, mit jener Leidenschaft für die Wahrheit daran teilzunehmen, die die Intelligenz anregt und ihr immer weitere Horizonte eröffnet. Aus dieser Perspektive gesehen wird auch die Form der Studentenseelsorge, die seit jeher das universitäre Gemeinschaftsleben spirituell begleitet, bereichert. Diese wird in noch vollkommenerer Weise zum echten Seelsorgezentrum, in dem Kultur und Geist gefördert und angesprochen wird. 884 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Universitätsstudenten von Rom, betrachtet bitte diese Wirklichkeit als die Eurige, belebt sie durch Eure Anwesenheit, stimuliert ihre Lebenskraft, öffnet sie für die Begegnung und den kulturellen Austausch. Die Lampe, die ich am Ende der heutigen Liturgie den Vertretern Eurer Seelsorgszentren übergeben werde, ist Zeichen und Unterpfand für diese Erneuerung, die Ihr gemeinsam angehen müßt. Außerdem erinnere ich an dieser Stelle gerne an eine weitere Begegnung, die Euch betrifft, nämlich an das Jugendtreffen in Paris im August nächsten Jahres am Weltjugendtag. Dort, in der Hauptstadt der Moderne, werden wir gemeinsam Zeugnis für den Glanz der Wahrheit ablegen, der vom Lichte Christi ausgeht. Diesbezüglich ist es mir eine Freude, die Gruppe der hier in Rom lebenden französischen Studenten zu begrüßen, die heute abend bei uns sein wollten. 5. „Tauet, ihr Himmel von oben; ihr Wolken, regnet herab den Gerechten. Tu dich auf, o Erde, und sprosse den Heiland hervor“ (vgl. Jes 45,8). Diese Worte sind an jeden von uns gerichtet. Es ist der Segenswunsch für die Kirche in Rom und für die kirchliche Gemeinschaft in Universitätskreisen. Möge diese „Erde“, die wir alle sind Männer und Frauen des Jahres des Herrn 1996 sich erneut auftun und in der Weihnacht den Heiland hervorbringen. Möge der Herr in die Welt kommen, wie er auch vor fast 2000 Jahren zu Betlehem in die Welt kam. Mögen die Menschen - und in besonderer Weise all jene, die an den Universitäten sind - die Worte vernehmen: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geborene (Lk 2,10-11). Und wie die Hirten nachts in Betlehem mögen sie hineilen und Ihn anbeten. Gesegnete Weihnachten, Amen! Gemeinsam in allen nur möglichen Bereichen flir den Frieden tätig sein Grußwort bei der Überreichung von Akkreditierungsschreiben neuer Botschafter beim Hl. Stuhl am 12. Dezember Exzellenzen! Es ist mir eine Freude, Sie als Botschafter der Kapverdischen Inseln, von Kongo, Costa Rica, Äthiopien, Fidschi, Haiti, Mali, Nepal, Ruanda, Südafrika und Zimbabwe für die Überreichung Ihrer Akkreditierungsschreiben hier willkommen zu heißen. Mit diesem feierlichen Akt beginnen Sie offiziell eine Periode engen Kontakts mit dem Hl. Stuhl, und ich hoffe und bete, daß es eine Zeit fruchtbaren Dienstes zugunsten Ihrer Länder und der internationalen Gemeinschaft wird. Durch Sie grüße ich Ihre jeweiligen Staatschefs, Ihre Regierungen und die Völker, für deren Wohlergehen Sie Ihren Dienst tun. 885 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Da wir dem Ende des zwanzigsten Jahrhunderts und dem Beginn des dritten Jahrtausends nahe sind, steht die Menschheit vielen wichtigen Herausforderungen gegenüber. Am Horizont unserer Welt zeichnet sich vor allem eine schwierige und komplizierte Aufgabe ab, nämlich die Erreichung einer gerechten und fairen Verteilung der Ressourcen der Welt zwischen dem Teil der Menschheitsfamilie, der schon einen ausreichenden Lebensstandard erreicht hat, und dem viel größeren Teil, der immer noch und unter den widrigsten Umständen nach einem würdevollen Dasein strebt. Von dem Ergebnis dieser riesigen Herausforderung hängt die ganze Zukunft der Menschheit ab. Unsere gegenwärtige Epoche bietet viele Zeichen der Hoffnung, aber es gibt auch ernsten Grund zur Sorge. Es ist nicht einfach, die Veränderungen, die sich zu diesem Zeitpunkt der Weltgeschichte in der Politik und der allgemeinen Geisteshaltung abspielen, klar zu definieren. Einerseits führt der Zusammenfluß vieler komplexer Entwicklungen - in den Bereichen der Wissenschaft und der Technologie, in der Wirtschaft, in einer zunehmenden politischen Reife, in der um sich greifenden Macht der Kommunikationsmittel -zu neuen Hoffnungen auf Freiheit, zu neuen Forderungen nach Teilnahme an allen Aspekten des sozialen Lebens sowie zu einer weltweiten, gegenseitigen Abhängigkeit, der sich niemand wirklich entziehen kann. Andererseits sind diese Zielsetzungen ernstlich gefährdet von der allzu menschlichen Neigung zum Eigennutz und zur hemmungslosen Verteidigung persönlicher Interessen. Die Herausforderung, der sich all jene stellen müssen, die Verantwortung im öffentlichen Leben tragen, ist, auf diesen Zeitpunkt des Erwachens zu reagieren, ohne dem sittlichen Relativismus und Utilitarismus zu verfallen, die einen großen Teil der modernen Kultur beherrschen. Die utilitaristische Ethik zeigt ihre Mängel allerdings vor allem dann, wenn es darum geht, die Heiligkeit des menschlichen Lebens selbst zu verteidigen. Wenn der Wert des Lebens von seinem natürlichen Beginn bis hin zu seinem natürlichen Ende nicht mehr vollkommen geachtet wird, wird auch jeder andere Wert relativiert, und zwar so weit, daß nur der Überlebenswille als Verhaltenskriterium übrigbleibt. Es ist aber ein anderer höherer Weg notwendig. Die Verantwortlichen der verschiedenen Nationen sollten neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen aus Religion, Wissenschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft fördern, damit die Probleme der Welt in Angriff genommen werden können: Es handelt sich um quälende Probleme, wie zum Beispiel um die Erhaltung unseres Planeten und seiner Ressourcen, um den Frieden zwischen Völkern und Nationen, um Gerechtigkeit in der Gesellschaft und um eine effektive Antwort auf alle verschiedenen Formen der Armut, die Millionen Menschen betrifft. Diese sind einige der wichtigen Themen, die Ihre Aufmerksamkeit bei der Erfüllung Ihres diplomatischen Auftrags beim Hl. Stuhl in Anspruch nehmen werden. Möge der allmächtige Gott Sie bei dieser Aufgabe und in Ihrem edlen Beruf unterstützen! Auf Sie und auf die Völker, die Sie vertreten, rufe ich gerne Gottes Segen in Fülle herab. 886 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsame Verpflichtung zu dem einen Sendungsauftrag Ansprache an Seine Heiligkeit Karekin I., Oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier, am 13. Dezember Verehrter und Heber Bruder in Christus! 1. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Wir glauben zutiefst, daß Christus selbst in unserer Mitte ist und daß wir Sie im Namen Christi empfangen, Sie selbst und die hohen Persönlichkeiten, die Sie begleiten. Diese erneute Begegnung ist für uns ein Grund zu großer Freude, zu Dank und Beptrauen. Vor allem sagen wir Dank dem „Vater der Gestirne“ (Jak 1,17), der uns zur Gemeinschaft in seinem Sohn berufen hat; von ihm kommt jede gute Gabe. Seien Sie alle willkommen in diesem Haus und in unserer Kirche, denn Sie sind für uns sehr gehebte Brüder. Seien Sie versichert, daß Ihr Besuch wahrhaft ein Segen für den Nachfolger des Petrus, für die Kirche von Rom und für die ganze katholische Kirche ist. Die Gegenwart des Herrn gibt unserer Begegnung ihre wahre Bedeutung und ihren wahren Reichtum. Die tiefe Gemeinschaft, die wir in diesem Augenblick empfinden, hat ihre Quelle in unserem gemeinsamen Glauben an den einen Herrn, dem Glauben, der durch das Geschenk der Taufe besiegelt ist. 2. Kraft der apostolischen Sukzession, die uns das gegenseitige Anerkennen der Gültigkeit des Amtspriestertums und des Bischofsamtes gestattet, feiern unsere Kirchen die gleichen Sakramente, vor allem die Taufe und die Eucharistie. So können sie gemeinsam Gott den Vater, den Sohn und den Heüigen Geist preisen und Zeichen und Sakraient des Liebesplanes Gottes sein, der alle seine zerstreuten Kinder zur Einheit sammeln will (vgl. Joh 11,25). Unsere Kirchen sind daher der gleichen Sendung für die heutige Welt verpflichtet. So wollen wir also gemeinsam diese Mission erfüllen, jeder seiner besonderen Aufgabe entsprechend, in der Sorge für den Teil der Herde, den Christus jedem ihrer Hirten anvertraut hat, und wir wissen, daß wir wirkhch einander brauchen. In diesem Geist gegenseitiger Brüderlichkeit hat die armenische kathoüsche Kirche, der die gleichen geistüchen Wurzeln und die gleiche Kultur eigen sind wie Ihrer Kirche, auch ihren Platz in der Sendung und trägt dazu bei, uns noch enger miteinander zu verbinden. 3. Die armenische apostolische Kirche ist Trägerin eines unvergleichlichen Reichtums an Traditionen, die bis in die Ursprünge unseres Glaubens zurückreichen. Das armenische Volk war unter den ersten, die die Frohe Botschaft aufnah-men und ihr, seiner Identität, seiner Sprache und seiner Geschichte entsprechend, ein besonderes Gesicht gaben. So wurde es eine lebendige christliche Gemeinschaft, die, mit den Menschen in diesem Lebensraum wahrhaft verwurzelt, sohda-risch ist mit den Freuden und Leiden des ganzen Volkes. Da sie in einer von Stürmen heimgesuchten Region am Knotenpunkt von verschiedenen Kulturen und 887 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Religionen und unterschiedlichen politischen Gruppierungen lebt, war die armenische Kirche der Verfolgung ausgesetzt. Sie hat ihre unerschütterliche Treue zu Christus im ganzen Verlauf ihrer Geschichte mit dem Blut ihrer unzähligen Märtyrer besiegelt. Die Kirche vergißt nicht diese einzigartige Erfahrung, durch die der Jünger radikal seinem Meister ähnlich und die durch das Kreuz des Erlösers unverdient erhaltene Frohe Botschaft des Heiles in die Welt ausgesät wird. Denn das Blut der Märtyrer ist das Saatgut der Christen. Auch heute noch bleibt die Kirche eine Märtyrerkirche und zahlt in allen Kontinenten einen schweren Tribut. Aber im Glauben und in der Hoffnung erkennen wir, daß das für Christus gegebene Zeugnis die Kirche Gottes stärkt und läutert. 4. Die armenische Kirche steht heute vor einer neuen und ungeheuren Aufgabe. Die katholische Kirche möchte ihr bei der Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit helfend zur Seite stehen in voller Achtung vor ihrem Eigenleben und ihrer besonderen Identität. Vor einigen Jahren, nach dem Drama des schrecklichen Erdbebens, das Armenien 1988 heimsuchte, hatten wir Gelegenheit, unserer brüderlichen Liebe Ausdruck zu geben und ein wenig dazu beizutragen, die Leiden der Menschen zu lindem und Ihr aufs neue verwundetes Volk mit unseren inständigen Gebeten zu begleiten. Den Christen in Ihrem Land fehlt es an vielem. Wir müssen zusammen überlegen, wie eine engere Zusammenarbeit den Wiederaufbau der Kirche wird fördern können und wie dem armenischen Volk, das jetzt lernen muß, sich mit Würde seiner wiedergefundenen Freiheit zu bedienen, Beistand geleistet werden kann. Eine solche Zusammenarbeit wird für alle eine Bereicherang sein, und die konkrete Liebe, die Bruderliebe, wird den Dialog noch bedeutend mehr voranbringen, um die Hindernisse zu überwinden, die unserer vollen Gemeinschaft noch entgegenstehen. 5. In der letzten Enzyklika Ut unum sint, die der Suche nach der Einheit unter den Christen gewidmet ist, habe ich gesagt, daß der ökumenische Weg ein „Dialog der Bekehrung“ (Nr. 35) und gleichzeitig ein „Austausch von Gaben und Geschenken“ (Nr. 28) ist. Durch den Dialog müssen wir um des Dienstes für den Erlöser der Welt und den Herrn der Geschichte willen unaufhörlich bestrebt sein, mutig der Wahrheit Zeugnis zu geben. Unsere beiderseitigen Heiligen und Märtyrer rufen uns aus Liebe zum Leibe Christi zu immer tieferer Treue und Gemeinschaft auf. 6. Eure Heiligkeit, Sie gehören zu den Pionieren auf ökumenischem Gebiet. Sie waren von Ihrer Kirche entsandter Beobachter bei drei Sessionen des Zweiten Vatikanischen Konzils, und Sie konnten Zeuge der Bemühungen um die Rückkehr zu den Quellen und um die Erneuerung der katholischen Kirche sein wie auch ihrer unwiderruflichen Verpflichtung zugunsten des Ökumenismus, der eine Frucht des Konzils war. Sie haben in gleicher Weise eine sehr beachtliche ökumenische Tätigkeit entfaltet, sowohl im Rahmen des ökumenischen Rates der Kirchen, auf Weltebene, wie auch in dem des Rates der Kirchen des Mittleren Ostens, auf regionaler Ebene. Wir konnten uns übrigens schon 1983 über diese gemeinsame 888 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verpflichtung zum Dienst an der christlichen Einheit bei Ihrem früheren Besuch der Kirche Roms unterhalten, als Sie gerade das Amt des Katholikos des Hauses von Kilikien übernommen hatten. Ich persönlich hoffe, daß diese Zusammenarbeit weitergehen und noch intensiver werden kann, damit wir treuer unsere Sendung in der heutigen Welt erfüllen können. In diesem Sinn wünschen wir, daß noch weitere und mehr Begegnungen gleich der jetzigen stattfinden mögen, um nach und nach zu wirklichen Beratungsund Arbeitszusammenkünften zu werden. So werden wir in der Evangelisierungsaufgabe, die uns an der Schwelle des dritten Jahrtausends erwartet, vereint sein. 7. Verehrter und sehr lieber Bruder in Christus, bitten wir gemeinsam den Herrn, daß Ihre Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulos und zum Sitz des Nachfolgers Petri die Bande zwischen der katholischen Kirche und der armenischen Kirche wieder neu beleben möge und daß diese Verbundenheit beide bestärke in dem Glauben, den sie bis in ihr Martyrium hinein bekannt haben. Wir hoffen auch, daß die zahlreichen Begegnungen mit verschiedenen Personen und Institutionen in Rom Ihnen ermöglicht haben, verschiedene heue Initiativen zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der theologischen und pastoralen Ausbildung wie auch des gemeinsamen Zeugnisses und Dienstes zum Wohl unserer Zeitgenossen zu entdecken und anzuregen. Mögen unsere Versöhnung und unsere Verbundenheit auch den Weg zum Frieden und zum brüderlichen Einvernehmen unter den Völkern öffnen in einer Welt, die noch zu oft von Ungerechtigkeit, Geringschätzung der Armen, verschärftem, übersteigertem Nationalismus und Diskriminierung gezeichnet ist! 8. Gestatten Sie mir, daß ich zum Abschluß unseres Gespräches Ihnen noch einmal unsere tiefe Freude darüber zum Ausdruck bringe, daß wir Sie bei uns empfangen durften. Mögen die Freundlichkeit und Herzlichkeit unserer Begegnung wie „ein Licht“ werden, „das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen“ (2 Petr 1,19)! „Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, f0r ewige Zeiten. Amen!“ (Eph 3,20.21). Trennungen überwinden und auf die Einheit zugehen Weihnachtsansprache an die Römische Kurie am 21. Dezember 1. Natus est hodie Salvator mundi! Das Weihnachtswunder erfüllt uns immer wieder mit neuem Staunen. Im „Heute“ der Liturgie, die uns zu leitgenossen des zweitausendjährigen Ereignisses unserer Erlösung macht, erleben wir erneut die Freude jener Hirten, die als erste die Nachricht erhielten und sich nach Betlehem 889 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aufmachten. In diesem von der Jungfrau geborenen Kind erkennen wir den Erlöser der Welt. Er ist die Antwort auf den Ruf nach Heil, der sich von den Männern und Frauen jederzeit und aller Länder erhebt. Aber was ist das Heil? Wir müssen diesen zentralen begriff der christlichen Botschaft in seiner tiefen Bedeutung neu entdecken. Der Name Jesus weist schon darauf hin: Gott rettet. In Ihm kommt uns Gott entgegen, um uns dem Schicksal des Todes zu entreißen, das infolge der Sünde auf uns lastet. Er kommt, um uns den zahlreichen Grenzen und Auswirkungen unserer Vergänglichkeit zu entziehen und in die liefe des göttlichen Lebens zu führen. Er kommt, um unserer gesamten menschlichen Realität Sinn und Hoffnung zurückzugeben. Mit ihnen tritt das Ewige ein in die Zeit, die Zeit wird in das Ewige aufgenommen. Die Geschichte des Menschen wird gewissermaßen Geschichte Gottes. Das Wort hat sich mit Ausnahme der Sünde alle Aspekte unseres Menschseins zu eigen gemacht. Alles ist angenommen worden, um in Ihm „vereint“ (vgl. Eph 1,10) und von Ihm „geheilt“ zu werden. Die Heilsdimension der Menschwerdung ist mit dieser vollkommenen Annahme des Menschseins durch den Sohn Gottes so tief verbunden, daß die Kirchenväter gegen jene Häresien, die den „Skandal“ der Menschwerdung mindern wollten, den (rund Satz verkündeten: „Das, was nicht angenommen ist, kann nicht gerettet werden“ (vgl. Gregor von Nazianz, Ep. 101; PG 37, 181). 2. Hodie natus est Salvator mundi! In der Freude dieses Geheimnisses, das unserem Menschsein Fülle gibt, danke ich Ihnen, Herr Kardinaldekan, herzlich für Ihre freundlichen und ergebenen Glückwünsche, die Sie mir im Namen dieser großen Familie der Mitarbeiter der römischen Kurie übermittelt haben. Jeden einzelnen von ihnen gilt meine herzliche und dankbare Anerkennung. Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Mitarbeiter aus dem Ordens- und Laienstand, es ist mir eine große Freude, mit Euch über jenes einzigartige Ereignis nachzudenken, auf dem unsere Erlösung begründet ist. In diesem Jahr findet unsere Reflexion in einem breiteren Rahmen statt, da wir seit kurzem mit der dreijährigen Vorbereitungsphase des Großen Jubelsjahres begonnen haben. Wir stehen am Anfang eines mehrjährigen Advents, der uns zu der besonders intensiven Feier des Geheimnisses der Menschwerdung im Jahr 2000 hin führen wird. Die junger Christi müssen sich in diesen Weg des Glaubens und der Lebensemeuerung einbezogen fühlen. Das gilt jedoch ganz besonders für diejenigen die, wie ihr, eng mit dem Nachfolger Petri Zusammenarbeiten. Das soeben begonnene Jahr soll für uns ein Jahr zunehmender Liebe zu Christus sein, für den wir immer klarer und treuer Zeugnis geben müssen. Mit Nachdruck hallt in mir jene Frage wider, die Christus an Petrus richtete: „Liebst du mich?“ (Joh 21,15-17). Diese Frage erfüllt mich mit großer Verantwortung. Aber ich mochte sie auch an Euch weitergeben, die Ihr tagtäglich die Sorge für die gesamte Kirche mit mir teilt. 890 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Frage nach der Liebe ist die Grundlage der gesamten christlichen Existenz. Die Kirche selbst wird unablässig von Christus, ihrem Bräutigam, vor die Frage gestellt: „Liebst du mich?“ In dem nun zu Ende gehenden Jahr gab es verschiedene starke Momente, in denen diese Liebe lebendig wurde. Solche besonders bedeutungsvollen Stunden waren die Pastoraireisen, mit denen Gott mich auch dieses Jahr bei der Ausübung meines Amtes als Nachfolger Petri beauftragt hat. Der verehrte Kardinaldekan hat sie und die aus ihnen hervorgegangenen Früchte des Guten in seiner Ansprache erwähnt. Wir wollen dem Herrn gemeinsam dafür danksagen. Bedeutungsvoll war auch die Veröffentlichung des postsynodalen Apostolischen Schreibens Vita consecrata, mit dem ich denjenigen, die zum Leben einer besonderen Weihe berufen sind, Hinweise für eine stets eingehendere Erneuerung auf dem Weg der Treue und der Liebe gegeben habe. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß dieses Apostolische Schreiben das dritte einer Trilogie ist: vorher wurden bereits Christifideles laici mit den Ergebnissen der Synode über die Berufung und Sendung der Laien und Pastores dabo vobis über die Priesterbildung veröffentlicht. Dem Geist des Konzils entsprechend sind diese beispielhaften Berufungen des kirchlichen Lebens in ihrer Identität und Sendung tiefer betrachtet worden. Sie bringen jeweils auf ihre eigene Art und Weise das Heilsgeheimnis des fleischgewordenen Wortes zum Ausdruck und „brechen“ mit ihren verschiedenartigen und sich ergänzenden Akzenten gewissermaßen das Licht Christi, das auf dem Antlitz der Kirche widerscheint (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Im Leben der Laien wird Christus als das Fundament verherrlicht, das der gesamten Schöpfung Wert und Sinn verleiht. Im Leben der geweihten Menschen, die sich Ihm in der Befolgung der evangelischen Räte „ungeteilten Herzens“ (Lumen Gentium, Nr. 42) hingeben, ist er das eschatologische Ziel, auf das alles hinstrebt. Im Priesteramt, das in der Zeit des „schon und noch nicht“ im Dienst der Kirche stellt, offenbart sich das Antlitz des Guten Hirten, der sich unablässig jenes Volkes annimmt, das er mit seinem Blut erworben hat. 4. Dieser letzteren Berufung habe ich im vergangenen Monat anläßlich meines fünfzigjährigen Priesterjubiläums ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt. In der Herzlichkeit, die mir die gesamte Kirche insbesondere auch während meines Krankenhausaufenthalts entgegengebracht hat, war nicht nur die Achtung für meine Person zu erkennen, sondern auch die Hochachtung der christlichen Gemeinde für das priesterliche Dienstamt. Es ist „Geschenk und Geheimnis“, ein Geschenk, das unablässig vom Herrn erfleht werden, ein Geheimnis, das stets neu entdeckt werden muß. All diejenigen, denen die Gnade des Priesteramtes zuteil wurde, sind durch die Verkündigung des Wortes, die Feier der Sakramente und die liebevolle Leitung der christlichen Gemeinde Verwalter der göttlichen Geheimnisse. Ihre besondere Beziehung zur Eucharistie muß sie veranlassen, mit einzigartiger Intensität jene Hingabe ihrer selbst zu leben, wie Christus es auf Golgota 891 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tat. Wie er sollen sie „gebrochenes Brot“ für die Brüder werden und stets, wie bei dem eindrucksvollen Sichhinstrecken auf dem Boden am Tag der Priesterweihe, jener feste „Boden“ bleiben, auf dem die Brüder dem Herrn entgegengehen können (vgl. Geschenk und Geheimnis). 5. Das Augenmerk auf das Mysterium Christi gerichtet, ist die Kirche auch in diesem Jahr den Weg des Ökumenismus weitergegangen mit dem innigen Wunsch, die volle Einheit aller Gläubigen zu verwirklichen. In diesem Sinn wollte ich in den einzelnen sonntäglichen Angelusansprachen ein Nachdenken über die große spirituelle Tradition der orientalischen Kirchen vorlegen, die wir besser kennenlemen und schätzen sollten. Wir müssen mit dem festen Vorsatz auf das dritte Jahrtausend zugehen, die im Lauf der Geschichte angesammelten Ursachen der Trennung zu überwinden. Die Kirche muß wieder in vollem Maße mit ihren „beiden Lungen“ atmen können. Lebendige Vorzeichen dafür sind die Katholiken der orientalischen Kirchen, denen ich anläßlich der Gedenkfeiern für die „Unionen“ von Brest und Uzhorod in besonderem Maße meine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Gleiches gilt für den willkommenen Besuch des armenischen Patriarchen Karekin I. Andererseits muß der Ökumenismus auch im Hinblick auf die Spaltungen im Westen Früchte tragen. Die jüngste Begegnung mit George Leonard Carey, dem Erzbischof von Canterbury, er möglichte einen Überblick über die Fortschritte der Beziehungen zur anglikanischen Gemeinde, trotz alter und neuer Hindernisse, die die Verwirklichung der vollen Einheil verzögern. Der Heilige Geist treibt uns an, entsprechend den Anforderungen der Wahrheit und der Logik der auf dem Evangelium begründeten Liebe, auf diesem Weg weiterzugehen. 6. Natus est hodie Salvator mundi! Auch in diesem Jahr haben viele Probleme dieses mühe vollen „Heute“ der Menschheit die wachsame Aufmerksamkeit der Kirche geweckt. Wenn Christus der Erlöser ist, dann ist die Kirche als sein mystischer Leib und seine Braut „das allumfassende Heilssakrament“ {Lumen Gentium, Nr. 48). Als solches ist sie berufen, in allen Bereichen des menschlichen Lebens Verkünder des Evangeliums zu sein und zum Aufbau einer brüderlicheren und solidarischeren Gesellschaft beizutragen. Diese Art von Präsenz kommt in vielerlei Formen zum Ausdruck, durch Initiativen, die so wohl auf weltkirchlicher als auch auf teilkirchlicher Ebene gefördert werden. Bei unserem heutigen Treffen möchte ich auch an das besondere Zeugnis des Hl. Stuhls erinnern, dessen Delegationen an verschiedenen internationalen Gipfel treffen teilnahmen, auf denen Probleme von wesentlicher Bedeutung für die Menschheit eröffnet wurden. Dieses Jahr leistete der Hl. Stuhl einen weiteren Beitrag für die im vergangenen Juni in Istanbul gehaltene Zweite UNO Konferenz über das Wohn- und Siedlungswesen (Habitat 11). Ähnliche Initiativen, stets mit dem Ziel, die Würde aller Menschen, insbesondere der schwächeren unter ihnen, zu verteidigen, sind bei früheren Anlässen ergriffen worden. Vor allem denke ich hier an die Konferenz der Vereinten Natio- 892 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen über Umwelt- und Entwicklungsfragen, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand, die internationale Menschenrechtskonferenz in Wien von 1993, die im Mai 1994 in Yokohama veranstaltete internationale Konferenz zur Einschränkung von Naturkatastrophen, die internationale Kairoer Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung im darauffolgenden September und schließlich die Weltfrauenkonferenz in Peking im September des vergangenen Jahres. Bei allen Anlässen war es das Ziel des Hl. Stuhls, jenes „ganzheitliche Heil“ zu bezeugen, das Christus der menschlichen Person gebracht hat und das all seine Dimensionen, die geistigen und körperlichen, die kulturellen und sozialen, einschließt: das Heil „jedes Menschen und des ganzen Menschen“, um hier an das schöne Wort Pauls VI. (vgl. Po-pulorum progressio, Nr. 14) zu erinnern. 7. Während die internationale Gemeinschaft über die Probleme der Menschheit nachdenkt, deren Inangriffnahme oft sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, erdulden Männer, Frauen und Kinder in vielen Teilen der Welt unsägliche Not. Jeden Tag haben wir die Tragödie von Personen und Völkern am Rande der Erschöpfung vor Augen, deren Armut in krassem Gegensatz zu den konsumorientierten Gesellschaften der wohl habenden Regionen steht. Die im vergangenen November von der FAO einberufene Weltemährungskonferenz lenkte die Aufmerksamkeit aller auf jene skandalöse Situation, die Hunger und Mangelernährung verursachen und von der noch immer eine von fünf Personen betroffen sind. In meiner Ansprache auf diesem Gipfeltreffen habe ich auf die untragbaren Kontraste hingewiesen, die weiterhin bestehen zwischen denen, die nichts haben und denen, die rückhaltlos jene Güter verschwenden, die der Schöpfer in seinem Plan für die gesamte Menschheit bestimmt hat. Es ist dringend notwendig, daß sich die Staaten zur Durchführung von wirtschafts- und emährungspolitischen Programmen verpflichten, die nicht nur auf Gewinn, sondern auch auf Solidarität ausgerichtet sind. Ist diesem Zusammenhang hat der Päpstliche Rat Cor Unum unlängst ein Dokument Der Hunger in der Welt herausgegeben, in dem verschiedene interessante Vorschläge zur Förderang einer gerechteren Aufteilung von Nahrungsmitteln formuliert werden. Einige Völker müssen mit der tragischen Realität ethnischer und nationalistischer Konflikte leben, die zahllosen Unschuldigen Verzweiflung und Tod bringt. Nicht selten gelingt es ihnen nur für kurze Zeit, das Interesse der Öffentlichkeit zu wek-ken, um dann ihrem Schicksal überlassen zu werden. In diesem Jahr konnten trotz anhaltender Spannungen für die Lösung der problematischen Situation in Bosnien-Herzegowina bedeutende Fortschritte gemacht werden; gleichzeitig aber spielt sich in Zentralafrika eine Tragödie erschütternden Ausmaßes ab. Die Kirche wird wiederum zur Stimme derer, die keine Stimme haben, und fordert Machthaber und Verantwortliche auf, angesichts solch dramatischer Notlagen ihre Hilfe nicht zu verweigern. 893 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Das, meine Herren Kardinale, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Ordensleute und Laienmitarbeiter, ist ein sicherlich unvollständiger Überblick über die zahlreichen Dienste, zu denen sich der Apostolische Stuhl berufen fühlt, um auf aktive und konkrete Weise Vermittler der weihnachtlichen Heilsbotschaft zu sein. Im Bereich dieser vielschichtigen Verpflichtung leistet Ihr in Euren jeweiligen Di-kasterien einen wertvollen und unersetzbaren Dienst, indem Ihr Eure geistigen und fachlichen Fähigkeiten tagtäglich dem Papst und der Kirche zur Verfügung stellt. Leider kann ich hier nicht auf Einzelheiten eingehen, um hervorzuheben, wie sehr doch die oft still und unauffällig verrichtete Arbeit jedes einzelnen die herzlichste Anerkennung verdient. Ich weiß aber, daß Gott selbst der Ursprung Eurer tiefen Motivierung ist, an dessen unerschöpflicher Quelle der Gnade Ihr Eure Liebe zur Kirche nährt. Eben diese Motivierung bewirkt, daß die Arbeit der Kurie, trotz der unvermeidbaren Belastung der bürokratischen Aspekte, niemals ihre auf dem Evangelium begründete Inspiration und große menschliche Wärme verliert. Ich möchte allen von ganzem Herzen meine Anerkennung und meinen Dank aussprechen. 9. Natus est hodie Salvator mundi! Im Geiste pilgern wir zur Grotte von Betlehem, um das göttliche Kind anzubeten, um es als unseren Herrn und Erlöser anzuerkennen, um die Barmherzigkeit des Vaters zu feiern, der „uns in ihm erwählt hat vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (vgl. Eph 1,4). Möge die heilige Jungfrau, die ihn in ihrem Schoß trug und ihn in den Armen haltend betrachtete, uns an ihrem Glauben teilhaben lassen, damit das Kommen Christi unser Leben nicht müßig und unser Herz nicht kalt lasse. Möge sie uns zu Zeugen der Liebe machen, damit er Zugang finde zu denen, deren Geist von Zweifeln geplagt ist, zu den von Armut zermürbten Familien, zu den Jugendlichen, die Hoffnung brauchen. Indem ich für jeden von Euch alles Gute erbitte, erteile ich allen meinen Segen. Frohe Weihnachten! Jesus Christus ist die Quelle der Weihnachtsfreude Predigt bei der Christmette in der Weihnachtsnacht 24725. Dezember 1. „In tiefer Nacht ruft eine Stimme“ (polnisches Weihnachtslied). Der Prophet Jesaja sagt in der ersten Lesung: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf1 (Jes 9,1). Das Licht strahlt auf, „denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt“ (Jes 9,5). 894 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das genannte Weihnachtslied verleiht diesem nächtlichen Ruf Ausdruck:, Auf, ihr Hirten, Gott wird für euch geboren, eilt nach Betlehem, um den Herrn zu begrüßen.“ Es ist dieselbe Stimme, die in dem soeben verlesenen Abschnitt des Lukasevangeliums erklingt: „In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“ (Lk 2,8-12). In dem Weihnachtslied heißt es weiter: „Sie (die Hirten) eilten hin und fanden das Kind in der Krippe, so wie es der Engel verkündet hatte. Sie beteten in ihm Gott a 2. Was Lukas im Evangelium über die Geburt des Herrn Jesus schreibt, wurde in zahllosen Liedern und Schriften übersetzt, die die reiche weihnachtliche Tradition darstellen. Wir bringen diese Tradition mit, wenn wir zur Christmette kommen, die so viele Bischöfe und Priester in der ganzen Welt zur gleichen Zeit mit mir, dem Bischof von Rom, feiern. An allen Orten verkünden die liturgischen und außerliturgischen Lieder die Freude über die Geburt des Herrn. Der Engel sagt: Fürchtet euch nicht, freut euch! Die Geburt eines Menschen ist immer Grund zu großer Freude (vgl. Joh 16,21) Wieviel Grund zur Freude muß also die Geburt des menschgewordenen Gottes bieten! Jesaja sagt: „Man freut sich in deiner Nähe, wie man sich freut bei der Ernte“ (Jes 9,2). Eine einzigartige Ernte! Seht, die Menschheit ist reif für diesen Augenblick, in dem der Schöpfer „von einer Frau“ geboren wird. Der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffene Mensch (vgl. Gen 1,27) wächst und geht auf diesen menschgewordenen Gott zu, in dem er die eigene Vollendung als Geschenk empfängt und in dem zugleich die ganze Schöpfung zur Fülle erhoben wird. Der Antwortgesang dieser Liturgie verkündet: „Singt dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Länder der Erde! Singt dem Herrn und preist seinen Namen. Verkündet sein Heil von Tag zu Tag!“ (Ps 96,1-2). Und in einem Weihnachtslied schallt es zurück: „Die ganze Schöpfung singe ihrem Herrn.“ Diese Aufforderung zum Lobpreis erklingt mit besonderem Nachdruck. Ja, die ganze Schöpfung, von der der Apostel Paulus schreibt, sie warte „sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ (Rom 8,19), wird Zeugin der Offenbarung des Sohnes Gottes im menschlichen Fleisch. Zugleich ist dies Beginn und Grundlage der Offenbarung derer, die Söhne und Töchter Gottes wurden durch die Gotteskindschaft, zu der alle gerufen sind. Welch tiefen Grund zur Freude hält für uns das Fest der Geburt des Herrn bereit! 3. Über diese Gründe spricht auch der hl. Paulus in der zweiten Lesung: „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11). Der Sohn 895 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes kommt nicht mit leeren Händen in die Welt. Zwar empfängt er im Stall von Betlehem die Geschenke der Hirten, aber vor allem bringt er selbst reiche Gaben mit. Es ist eine unaussprechliche Ausgießung von Gaben: „Unvergleichliche Gaben sendet uns heute der liebende Vater vom Himmel, wenn das ewige Wort durch seine wunderbare Macht Mensch wird“ (Weihnachtslied). Gerade dieses unschätzbare Geschenk, das der Apostel „Gnade“ nennt, ist die tiefste Quelle der Weihnachtsfreude: Gnade als Ausgießung der Teilhabe am Leben Gottes - und dies im allumfassenden Sinn, weil der Weg zum ewigen Heil allen Menschen offensteht. Mit dieser Freude im Herzen feiern wir die festliche und eindrucksvolle nächtliche Liturgie. Wir wollen uns mit den Chören der Engel vereinen, die über dem Stall von Betlehem den Herrn mit den Worten preisen: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). Wir beten heute für alle Menschen, für die Christen und die Nichtchristen, für die Glaubenden und die Nichtglaubenden. Denn wir wollen dem Geschenk treu bleiben, das uns Gott in der Nacht von Betlehem bereitet hat: der Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die für alle Menschen erschienen ist. Von dieser Petersbasilika aus richte ich an alle einen herzlichen Gruß mit dem Wunsch, daß diese Freudenquelle, die in der Geschichte des Menschen durch die Geburt des Sohnes Gottes entsprungen ist, für alle in reichem Maße fließe, damit jeder daraus schöpfe und sich an ihr labe. Ja, die Heilsquelle, die Gott jedem Menschen anbieten will, steht offen. Gerade deshalb wollte er zu uns kommen und in seinem Sohn den Menschen gleich werden: wahrer Gott und wahrer Mensch. „Gott wird geboren, die menschliche Macht wird erschüttert, der Herr des Himmels und der Erde erniedrigt sich! Das Feuer erlischt, der Glanz wird getrübt, die Unendlichkeit setzt sich Grenzen“ (F. Karpinski, Weihnachtslied). Zugleich weiten sich in dieser Nacht die Grenzen des menschlichen Daseins. Indem er die Begrenzungen des Menschen annimmt, erschließt uns der Sohn Gottes den Ausblick auf die Qnendlichkeit Gottes. „Natus est hodie Salvator mundi.“ Geboren ist heute der Retter der Welt. Kommt, lasset uns anbeten! Botschaft beim Segen URBI ET ÖRBI am Weihnachtsfest 1996, 25. Dezember 1. „Alle Enden der Erde sahen das Heil unsres Gottes“ (Ps 98,3). Heute ist ein Tag der Freude, und für die Bewohner Roms und der ganzen Weit erklingt die frohe Botschaft der Geburt des Sohnes Gottes: Weihnachten ist ein Geheimnis der Gnade, über das es nachzudenken gilt; Weihnachten ist ein außerordentliches Ereignis, das es mitzuteilen gilt. Die Quelle der heutigen Freude beschreibt voller 896 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Staunen ein polnisches Weihnachtslied: „Gott wird geboren, die menschliche Macht wird erschüttert: Der Herr des Himmels und der Erde erniedrigt sich! Das Feuer erlischt, der Glanz wird getrübt, die Unendlichkeit setzt sich Grenzen. Verachtet, doch bekleidet mit Herrlichkeit, du sterblicher König der Ewigkeit! Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (F. Karpinski, 18. Jh.). 2. Der Dichter bezieht sich auf den Prolog des Johannesevangeliums, der als Geheimnis darstellt, was Matthäus und Lukas als Ereignis beschreiben. ,,Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott... In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt“ (Joh 1,1-5). Das Licht leuchtete in der Nacht über dem Stall von Betlehem; es leuchtete vor den Augen der Menschen und offenbarte allen, daß das Wort Gottes zur Welt gekommen war. 3. Doch der Evangelist betont: „... die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht“ (Joh 1,10). Es erkannten ihn nur die armen, aber wachsamen Hirten von Betlehem, die eilig dem Licht folgten, das ihnen den Ort anzeigte, wo der Sohn Marias geboren war. Sie waren die ersten, die das Wort aufnahmen: „Und das Wort gab ihnen Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). 4. Der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt: „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten: in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat“ (Hebr 1,1-2). Der Sohn, Abglanz der Herrlichkeit des Vaters und Abbild seines Wesens, trägt alles durch sein machtvolles Wort (vgl. Hebr 1,3). Er hat die Welt erschaffen: In ihm lebt sie, und durch ihn wird sie am Leben erhalten. Ja, die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist gleichsam die Krönung der Schöpfung. Deshalb erinnert ein anderes polnisches Weihnachtslied daran, daß „am Weihnachtstag die ganze Schöpfung sich, freut“, weil im neugeborenen Sohn der Jungfrau die Schöpfung ihren Schöpfer und Herrn erkennt. 5. Teilen wir miteinander, Brüder und Schwestern der ganzen Welt, dieses Lied der Freude, während überall in verschiedenen Sprachen die traditionellen Weihnachtsmelodien erklingen. Mögen sie froh erschallen in den Kirchen und Gotteshäusern, wo sich die Christen vor der Krippe versammeln, um den Sohn Gottes aufzunehmen. Mögen sie Frieden und Ruhe besonders dorthin bringen, wo wie in Bosnien und Herzegowina oder in Guatemala nach langen Jahren des Krieges im Inneren und nach außen die Waffen endlich cchweigen und die Menschen den Weg des solidarischen Einvernehmens beschreiten. 6. Aber noch viel weiter soll sich das Echo der Weihnachtslieder ausbreiten! Es soll die Mauern durchdringen, hinter denen weitarhin die Waffen dröhnen und die friedliche Atmosphäre eines so heiligen Tages bricht. Ich denke an Betlehem und an das ganze Heilige Land, wo Jesus geboren wurde und gelebt hat: an das Land, 897 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das er liebte, wo die Hoffnung nicht erlöschen darf trotz Provokationen und tiefen Kontrasten. Ich denke an Zypern, das immer noch geteilt ist; an Algerien, das von einer Gewaltwelle erfaßt wird, die man nicht rechtfertigen kann. Der Blick richtet sich an diesem Festtag auch nach Osten, nach Afghanistan und Sri Lanka, wo Bruderkriege und Identitätskonflikte Verwüstung und Tod nach sich ziehen. 7. Nicht zu vergessen ist Afrika! Mitten in seinem Herzen, im Gebiet der großen Seen, erlebt dieser junge Kontinent bei allgemeiner Gleichgültigkeit von seiten der internationalen Gemeinschaft eines der grausamsten menschlichen Dramen seiner Geschichte. Tausende und Abertausende von Menschen - unsere Brüder und Schwestern sind Opfer von Angst, Hunger und Epidemien und werden keine Weihnachtsfreude verspüren können. Niemand kann ungerührt bleiben angesichts dieses Skandals, den Worte und Bilder nur andeutungsweise verdeutlichen können. 8. Vor solcher Gewalt und Ungerechtigkeit einfach zu resignieren, das aber wäre eine zu schwerwiegende Absage an die Freude und Hoffnung, die uns Weihnachten schenkt. Gott wird Mensch und zeigt uns erneut, daß es möglich ist, den Haß zu überwinden, daß es schön ist, einander als Brüder und Schwestern zu lieben. Göttliches Kind, ermutige durch deine holde Gegenwart die Männer und Frauen, daß sie Haß und Groll überwinden; hilf ihnen, den Dialog wiederaufzunehmen und den Weg des Lebens gemeinsam zu gehen; Indem er sich zur Stimme und zum Wortführer der Sehnsucht aller Menschen macht, sagt der genannte polnische Dichter: „Erhebe die Hand, göttliches Kind! Segne das liebe Vaterland mit gutem Rat und Wohlergehen. Unterstütze seine Kraft durch die deine. Segne unsere Häuser und Höfe, alle Dörfer und Städte“. Das wünsche ich allen Ländern der Welt. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (F. Karpinski, op. cit.). 9. In der heutigen Weihnachtsliturgie heißt es: ,Ein heiliger Tag ist uns aufge-strahlt. Kommt, ihr Völker, betet den Herrn an“ (Zwischengesang zum Evangelium). Wir kommen zu dir, Wort Gottes, um Weisheit zu schöpfen; wir kommen zu dir, Christus, Sohn Gottes, um Gnade und Segen zu erbitten. Kind von Betlehem, Sohn Gottes und der Jungfrau Maria, du bist unser Retter und heilst jeden Menschen durch das Geschenk deines Lebens. Laß Frieden einkehren, wo dein Name genannt wird. Erhebe deine Hand, göttliches Kind, und segne die Erde, die dein Heil gesehen hat. Du bist aus Liebe gekommen, um unter uns zu wohnen. 898 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Wort Gottes kann auch heute Deinen Lebensweg erhellen Grußwort an die Familien der Diözese Rom vom 25. Dezember Im Rahmen der Volksmission der Diözese Rom zur Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 hat Johannes Paul n. jedem römischen Haushalt ein Geschenk - das Markusevangelium -durch den Pfarrer oder seinen Vertreter überreichen lassen. Lieber Bruder, liebe Schwester! Dieses Buch, das Dir überreicht wurde, ist das Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Der hl. Markus hat es geschrieben. Er gibt darin die mündliche Unterweisung des Apostels Petrus wieder, dessen „Interpret“ und treuer Jünger er in der Stadt Rom war. In diesem Buch des Evangeliums - ein Wort, das aus der griechischen Sprache kommt und „gute Nachricht“ bedeutet - wirst Du die Predigt und die bedeutendsten Taten aus dem Leben von Jesus aus Nazaret finden, beginnend mit seiner Mission in Galiläa um das Jahr 30, bis zu seinem Tod am Kreuz drei Jahre später und seiner Auferstehung und seinem Auffahren in den Himmel. Eine immer wiederkehrende Frage durchzieht das ganze Evangelium des Markus: Wer ist Jesus von Nazaret? Ein großer Prophet? Ein Zeuge Gottes, der in seinem Namen spricht? Ein Wundertäter, der staunenswerte Dinge vollbringt? Die Frage, die die Zeitgenossen Jesu und Millionen von Männern und Frauen sich in diesen zweitausend Jahren Geschichte gestellt haben, findet im Evangelium des Markus eine klare und genaue Antwort: Jesus Christus ist der menschgewordene Sohn Gottes, der in seiner Auferstehung den Tod besiegt hat und der jedem, der an ihn glaube, das ewige Leben schenkt. Keine Nachricht ist überraschender als diese: Gott selbst ist uns persönlich entgegengekommen, hat sich zu einem von uns gemacht, ist gekreuzigt worden, ist auferstanden und ruft alle zur Teilnahme an seinem eigenen Leben für immer. In dieser Behauptung ist das Glaubensbekenntnis der Christen enthalten, die Verkündigung, die das Leben von ungezählten Menschen zu allen Zeiten und überall auf Erden verändert hat. Um diesen Glauben zu bezeugen, sind die Märtyrer gestorben, deren Gedenken die Stadt Rom in so großer Zahl bewahrt; im Namen dieses Glaubens handelten die Heiligen der Nächstenliebe, die ihr Leben im Dienst an ihren ärmsten Brüdern und den Leidenden verzehrt haben. Aus diesem konsequent gelebten Glauben nahmen zahllose Generationen von Christen die Kraft, um die Liebe zu jedem Menschen und die unerschütterliche Hoffnung auf eine Zukunft in Gerechtigkeit und Frieden für die ganze Menschheit zu bezeugen. 899 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Am Ende des zweiten Jahrtausends - in Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000, in welchem das Ereignis der Geburt Jesu Christi, das Geheimnis seiner Menschwerdung gefeiert wird - habe ich zu einer großen Stadtmission aufgerufen. Sie hat den Zweck und das Ziel, im Bewußtsein und im Leben aller Einwohner Roms, in jeder Familie und in jeder Umgebung die gleiche Verkündigung und das gleiche Glaubensbekenntnis an Jesus Christus wieder vernehmbar zu machen, das die heiligen Apostel Petrus und Paulus bis zum Martyrium bezeugt haben. Die Mission wird in Deiner Pfarrei während der Fastenzeit 1998 stattfinden. Doch schon in diesem Jahr wollte man mit der Initiative „Das Evangelium in jedes Haus“ beginnen, um jeder Familie das für die Mission grundlegende Buch anzubieten und alle vorzubereiten, mit Glaubensgeist und Bekehrungsbereitschaft die darin enthaltene gute Nachricht aufzunehmen. Öffne mit Vertrauen dieses Evangelium, mache es zum Gegenstand aufmerksamer Lektüre und Besinnung, Du für Dich persönlich oder zusammen mit Deinen Lieben in der Familie. Du wirst in ihm inneren Frieden und genug Hoffnung und Kraft finden, um jeden Tag den verschiedenen Situationen im Leben entgegenzutreten, auch denen, die bedrückend und schwierig sind. Nach und nach, wenn Du tiefer in die faszinierende Geschichte von Jesus aus Na-zaret eindringst, wirst Du entdecken, daß er nicht eine Persönlichkeit der Vergangenheit ist. Seine Worte sind das Wort Gottes, das auch heute Deinen Lebensweg erhellen kann; seine Taten sind das Zeichen der starken und geduldigen Liebe des himmlischen Vaters zu Dir. So wirst Du Schritt für Schritt dazu kommen, mit immer klarerem und freudigerem Bewußtsein zu glauben und zu bekennen, daß Gott dich liebt, Christus flir dich gekommen ist und daß fiir dich Christus Weg, Wahrheit und Leben ist. Aus dem Vatikan, Weihnachten 1996 Joannes Paulus PP. II Gottes Menschwerdung - Überschreiten historischer Dimensionen Predigt während der Vesper zum Jahresschluß in Sant’Ignazio am 31. Dezember 1. „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ... damit wir die Gottessohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5). Wir sind am Ende eines Jahres angekommen: In einigen Stunden wird 1996 dem neuen Jahr weichen, nachdem es sozusagen seine Zeitfülle und den Endpunkt seines Laufes, der vor 366 Tagen begann, erreicht hat. Der Ausdruck „Fülle der Zeit“ hat - so läßt sich sagen - eine ,historischen Wertigkeit. Denn man wird sich bewußt, daß sich mit der baldigen Vollendung des Jahres der Beginn des 3. Jahrtau- 900 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sends mit großen Schritten nähert. Dennoch will der hl. Paulus mit diesem Ausdruck im Brief an die Galater eine sehr tiefreichende Dimension aufzeigen, die Bezug nimmt auf das, was sich in der Grotte von Betlehem erfüllt hat. „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau“, in die Welt (Gal 4,4). In diesen Worten lebt das geheimnisvolle Geschehen der Heiligen Nacht wieder auf: Der eingeborene und ewige Sohn Gottes „hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist und von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden“ (Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel). Er ist in die Geschichte der Menschen eingetreten und hat sie gleichsam überschritten. Kann man tatsächlich das Eintreten Gottes in die Geschichte anders definieren, wenn nicht als ein Überschreiten der Geschichte selbst? Als Gott Mensch wurde, wurde die Zeit in ihren Abschnitten von Jahren, Jahrhunderten und Jahrtausenden eingeführt in die Dimension der göttlichen Ewigkeit: In der Tat wollte Gott mit dem Kommen seines eingeborenen Sohnes die Dimensionen von Zeit und Ewigkeit miteinander vereinigen. Darauf bezieht sich die heutige Liturgie und macht uns eine neue Sichtweise bewußt: Mit der Fleischwerdung des Wortes ist die Zeit des Menschen aufgerufen, an der Ewigkeit Gottes teilzuhaben. 2. Wie ereignete sich all das? Die Frage beantwortet die Lesung der heutigen Vesperliturgie: „Gott sandte seinen Sohn“ in die Welt, „geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5). Darum nahm das Wort Fleisch an, wohnte unter uns, damit wir es aufnehmen und die Sohnschaft erlangen. Der Apostel Johannes verkündet im Prolog seines Evangeliums mit Staunen: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt ... Allen aber, die ihn auf-nahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (.loh 1,14.12). Der Eingeborene, wesensgleich mit dem Vater, kommt in die Welt, damit durch die heiligmachende Gnade alle Menschen wiedergeboren werden, berufen zum hohen Privileg, durch göttliche Annahme an Kindes Statt „filii in Filio“, Kinder durch den Sohn, zu sein. 3. Die Kirche bekennt diese Wahrheit über die Fülle der Zeit und will sie heute in einer ganz besonderen Weise verkünden. Als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus, dessen Sendung es ist, das Evangelium „Urbi et Orbi“ zu verkündigen, habe ich heute abend besonderen Grund, Gott zu loben für die „Fülle der Zeit“ und für das Heil, das er durch den kirchlichen Dienst in der Welt wirkt. Ich habe besondere Ursache, dem Herrn zu danken für unsere kirchliche Gemeinde, Herz der universalen Kirche, mit besonderem Auftrag zum Dienst an der Stadt Rom: Sie ist tatsächlich an erster Stelle zu den römischen Bürgern gesandt, wie seinerzeit die Apostel Petrus und Paulus beauftragt waren. Seitdem sind fast zweitausend Jahre vergangen, und in der Spanne dieser zwei Jahrtausende hat das der Kirche Roms übertragene Mandat unzählbare Früchte hervorgebracht. In dieser herrlichen Kirche, im Herzen der Stadt gelegen, wollen wir heute abend in unsere Danksagung all das Gute hineinnehmen, das Gott durch den apostolischen 901 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dienst in der Gesamtkirche und in der Kirche dieser Stadt gewirkt hat. Ich möchte dem Herrn in besonderer Weise danken für die erreichten Erfolge in diesem Jahr, in dem wir uns dem Ende des zweiten Jahrtausends nähern und in dem wir die nächstliegende Vorbereitung des Großen Jubiläums begonnen haben. 4. Noch habe ich das wunderschöne Ereignis des vergangenen Vorabends von Pfingsten vor Augen. Bei diesem Geschehen hat die Kirche Roms in ihren unterschiedlichen Gliederungen Bischöfe, Priester, religiöse Gemeinschaften und gläubige Laien in Vertretung des ganzen Volkes Dimensionen Gottes - den festlichen Beginn auf die unmittelbare Vorbereitung des Heiligen Jahres mit der Eröffnung der Großen Stadtmission begangen. Mein Gedenken geht weiter zu den Pfarreien und Gemeinschaften, die im vergangenen Jahr das Geschenk des Pastoralbesuches empfingen: Sant’Antonio da Pa-dova an der „Circonvallazione Appia“, San Cleto, San Giulio, San Vincenzo Pal-lotti, Santa Maria „Causa Nostrae Laetitiae“, Santa Bibiana, Beato Jose Maria Es-crivä, Santa Maddalena di Canossa im ersten Teil des Jahres und kürzlich San Gi-rolamo Emiliani und Nostra Signora di Valme. Die Zahl der besuchten Pfarreien stieg damit auf 251 an. 77 Besuche stehen noch an. Für alle diese Veranstaltungen und für den der Kirche von Rom geleisteten Dienst danke ich dem Kardinalvikar und euch Weihbischöfen und Mitbrüdem sowie den Pfarrern, Kaplänen und Priestern, die in unserer Stadt tätig sind. Ich danke den Ordensmännem und Ordensfrauen wie auch den Laien, die in den verschiedensten Bereichen apostolischer Tätigkeit engagiert sind, und entbiete allen einen herzlichen und brüderlichen Gruß. Ich möchte aber auch allen Gläubigen der Diözese Rom mein Wohlwollen bekunden. Herzlichen Dank, liebe Brüder und Schwestern! Ein Dankeschön Euch römischen Familien, „Hauskirchen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11) ersten und grundlegenden Zellen der Gesellschaft! Dank den Mitgliedern vieler Gemeinschaften, Vereine und Bewegungen, die Ihr im christlichen Leben unserer Stadt geistig und geistlich tätig seid! Mit großer Dankbarkeit grüße ich Pater Peter-Hans Kolvenbach, den General der Gesellschaft Jesu, und die Jesuitenpatres, die an dieser Kirche tätig sind. Ein herzlicher Gruß gilt auch den Behörden und in besonderer Weise dem Bürgermeister von Rom, dem ich für das Geschenk des Kelches danke, den er nach einer schönen Tradition mir auch dieses Jahr wieder überreicht hat. Von Herzen wünsche ich, das Engagement aller möge nie nachlassen, der Stadt ein Gesicht zu geben, das übereinstimmt mit den Werten des Glaubens, der Kultur und der Zivilisation, die sich aus ihrer Berufung und ihrer tausendjährigen Geschichte herleiten - dieses auch im Hinblick auf das Große Jubeljahr 2000. 5. Liebe Brüder und Schwestern, um noch einmal auf die Begeisterung und Ermutigung einzugehen, die wir durch die Worte des Apostels Paulus an die Galater in dieser Vesperliturgie empfangen haben: Laßt uns gemeinsam der einzigen Ursache 902 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Erlösung dienen: Vom Zeitpunkt, zu dem Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat, damit wir ermächtigt sind, die Kindschaft zu erlangen (vgl. Gal 4,5), kann es für uns keine größere Verpflichtung geben als die, ganz für den Dienst am göttlichen Plan da zu sein. „Meine Seele preist die Größe des Herrn!“ (Lk 1,46). Dieses Lied, das Maria aus Anlaß ihres Besuches bei Elisabeth aus dem Herzen kam, kann heute Ausdruck unserer Dankeshaltung sein. Die Kirche betet es täglich im Gedenken an alle Wohltaten, mit denen sie sich überreich ausgestattet fühlt. „... Und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut“ (Lk 1,47). Mit Maria singt so die Kirche Roms und entdeckt damit täglich wieder neu ihre eigene Unzulänglichkeit einerseits und andererseits die Wundertaten, die Gott in ihr wirkt. „Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig: Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1,48-50). Wir sind hier, um die vom Herrn im Verlaufe dieses vergangenen Jahres erwirkten Gnadenzeichen zu verkünden. Wir sind hier, um mit dankerfülltem Herzen das Jahresende und den Beginn des Jahres 1997 um Mitternacht zu begehen. „Großer Gott, wir loben dich ... Vor dir neigt die Erde sich ... Herr, erbarm, erbarme dich ... Auf dich hoffen wir allein: laß uns nicht verloren sein.“ Amen! 903 IV. Ad-Limina-Besuche AD-L1MINA -BESU CHE Familien- und Priesterbildung als Schwerpunkte der Pastoralarbeit in den jungen Kirchen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Benin am 22. August Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich Euch, die Hirten der Kirche in Benin. Ihr seid nach Rom gekommen zu Eurer Pilgerreise an die Gräber der Apostel und zur Begegnung mit dem Nachfolger des Petrus und mit seinen Mitarbeitern, um Ermutigung zu finden in Eurer Sendung zum „Zeugnis für die Frohe Botschaft von der Gnade Gottes“ und für den „Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit in Herrlichkeit“ (Lumen Gentium, Nr. 21). Durch Euch grüße ich in Liebe Eure Diözesange-meinschaften und das ganze beninische Volk. Mit Freude erinnere ich mich an den herzlichen Empfang, der mir bei meinem zweiten Aufenthalt in Eurem Land vor bereits mehr als drei Jahren zuteil wurde. Ich danke Bischof Lucien Monsi Agboka von Abomey, dem Vorsitzenden Eurer Bischofskonferenz, für die liebenswürdigen Worte, die er in Eurem Namen an mich gerichtet hat. Sie bekunden die geistliche und missionarische Lebenskraft Eurer Gemeinschaften und ihre Treue zum Evangelium. 2. Seit Eurem letzten Besuch wurden, der Entwicklung und Dynamik Eurer christlichen Gemeinden entsprechend, drei neue Diözesen errichtet. Es freut mich sehr, ihre Bischöfe zu empfangen, die zum ersten Mal zum Ad-limina-Besuch kommen. Ich wünsche ihnen, daß sie Hirten voll apostolischer Begeisterung seien in der Nachfolge jener, die an der Erstverkündigung des Evangeliums inmitten des Volkes gearbeitet haben, in dessen Dienst nun sie selbst stehen. Die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, die wir vor einiger Zeit abgehalten haben, wollte auf den Hunger der Völker Afrikas nach Gott antworten (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 47). Sie war für den ganzen Kontinent und für Eure Teilkirchen eine Gelegenheit zu neuem Schwung in der Verkündigung der Frohen Botschaft des Evangeliums an die Männer und Frauen Eurer Gesellschaften. Bei meinem letzten Besuch in Eurer Region wollte ich das Schreiben Ecclesia in Africa bekanntgeben, das der ganzen Kirche die Früchte dieser großen kollegialen Zusammenarbeit anbietet. Ich möchte, daß dieses Dokument die Charta für Euren Einsatz in dem Euch anvertrauten Evangelisierungsauftrag werde. 3. Im Verlauf der Synode wollten die Bischöfe auf zwei wesentliche Fragen antworten: „Wie soll die Kirche ihren Evangelisierungsauftrag beim Näherrücken des Jahres 2000 voranbringen? Wie werden die afrikanischen Christen zu immer treueren Zeugen des Herrn Jesus werden können?“ (Ecclesia in Africa, Nr. 46). Diese Fragen werden ihre Antwort darin finden, daß das gesamte Gottesvolk sich wirklich bemüht, den Anforderungen der Taufe entsprechend zu leben. Ich freue mich, die Bemühungen zu sehen, die in Euren Diözesen unternommen werden, um die 907 AD-LIM1NA-BES U CHE Gläubigen entsprechend ihrer Verantwortung als Jünger Christi heranzubilden. Die vielfältigen Gefahren, denen die Christen heute ausgesetzt sind, namentlich in Zeiten größerer Leiden oder innerer Nöte, erfordern eine gediegene Grundlage und Schulung ihres Glaubens. Die Rückkehr zu früheren, noch nicht vom Geist Christi umgestalteten Handlungs- und Verhaltensweisen und die Anziehungskraft der immer mehr aufkommenden Sekten sind Versuchungen, die sehr aufmerksam beachtet werden müssen. Es ist wichtig, daß man ihnen die wirkliche Macht entgegenzustellen weiß, die den Menschen das Leben gibt und sie von allem Übel heilt: die Macht des auferstandenen, in der Kirche gegenwärtigen Herrn, der seinen Geist zum Werk in dieser Welt ausgießt. Im nachsynodalen Schreiben Ecclesia in Africa habe ich darauf hingewiesen: „Im heutigen Afrika ,ist die Glaubensbildung ... nur allzu oft im ersten Anfangsstadium steckengeblieben, und die Sekten nützen diese Unwissenheit schonungslos aus1. Es bedarf daher dringend einer ernsthaften Glaubensvertiefung“ (Nr. 76). Wir sehen hier wieder, wie dringend notwendig eine wirkliche Inkulturation des Glaubens ist, damit die Jünger Christi sich die Botschaft des Evangeliums ganz zu eigen machen können und dabei den echten afrikanischen Werten treu bleiben (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 78). Die „Pastoral der Inkulturation“, die Ihr mit den Trägem der Evangelisierung entwickeln wollt, ist eine langwierige Arbeit. Auf zahlreichen Gebieten ist schon viel getan worden, z. B. die Übersetzung der biblischen Texte und im Bereich der Liturgie, um ein leichteres Verständnis des Gotteswortes und einen besser vorbereiteten Empfang der Sakramente zu ermöglichen. Die Inkulturation muß den Menschen in seinem Innersten erreichen. „Es handelt sich ja nicht nur um eine äußere Anpassung, denn Inkulturation .bedeutet die innere Umwandlung der authentischen kulturellen Werte durch deren Einfügung ins Christentum und die Verwurzelung des Christentums in den verschiedenen Kulturen1“ (Redemptoris missio, Nr. 52). 4. Die Bedrohungen, die heute auf der Familie lasten, geben Anlaß zur Besorgnis um die Zukunft der christlichen Gemeinden und der Gesellschaft als solcher. Hier möchte ich an die Würde und die wichtige Rolle der christlichen Ehe für die Jünger Christ erinnern. Zwar sind ihre Anforderungen manchmal schwierig zu beachten. Doch sie sind der wahre Ausdruck der Verbindung von Mann und Frau in den Augen Gottes. „Dank ihrer Beständigkeit vermag (die Ehe) wirksam zur vollen Verwirklichung der aus der Taufe erwachsenen Berufung der Eheleute beizutragen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 83). Mehr denn je bedarf es des pastoralen Wirkens der Kirche, um die jungen Menschen auf das Sakrament der Ehe und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen im Familienleben vorzubereiten. Die Begleitung der Eheleute und der Familien auf ihrem Lebensweg, vor allem in den schwierigsten Stunden des Daseins, ist ein vorrangiges Erfordernis kirchlicher Pastoral. Jedes Ehepaar müßte auch auf den Rückhalt der anderen christlichen Familien zählen können, um mit Nutzen eine wirkliche Gemeinschaft der Liebe zu entdecken und zu leben. 908 AD-LIMINA-BESUCHE Ich möchte Euch auch sehr dazu ermutigen, daß Ihr die christlichen Familien auffordert, durch Wort und Beispiel die erste Glaubensschule zu sein. Jede Familie soll wirklich ein bevorzugter Ort des Zeugnisses für das Evangelium werden. Ich weiß die Bemühungen zu schätzen, mit denen die christliche Gemeinschaft auf den Unterhalt der Familien bedacht ist, die schweren Gesundheitsproblemen oder ungewissen Lebensbedingungen gegenüberstehen. 5. Die menschliche und christliche Bildung, die mit der ersten Erziehung in der Familie beginnt, wird in der Schule weiter entfaltet. Ich weiß um die Schwierigkeiten, die Euch bei dem Bemühen begegnen, die katholischen Schulen wieder ins Leben zu rufen und so den christlichen Eltern und solchen, die es wünschen, die Mittel in die Hand zu geben, ihren Kindern eine gediegene menschliche, kulturelle und religiöse Bildung zu vermitteln, begründet in den Grundsätzen des Evangeliums. Es handelt sich hier um ein wirkliches, ihnen zukommendes Recht, wie es zur echten Demokratie und zum Prinzip der Religionsfreiheit gehört. Ich wünsche also sehr, die offizielle Anerkennung des katholischen Schulwesens möge den Familien gestatten, ihre Erziehungsaufgabe ihren eigenen Überzeugungen gemäß zu erfüllen, zu den gleichen Bedingungen, wie sie für Eltern gelten, die eine andere Wahl treffen. Auf diese Weise soll den Forderungen nach Gleichheit und Gerechtigkeit unter allen Bürgern entsprochen werden. Das Konzil hat daran erinnert: „Weil die katholische Schule also dem Volk Gottes in der Erfüllung seines Auftrages so förderlich und dem Gespräch zwischen Kirche und menschücher Gemeinschaft zu deren beiderseitigem Vorteil nützlich sein kann, behält sie auch in unserer heutigen Welt eine entscheidende Bedeutung“ (Gravissimum educationis, Nr. 8). 6. Seit vielen Jahren hat man sich in Euren Diözesen sehr um die Berufungspasto-ral bemüht. Mehrere Häuser sind für die Formung der jungen Menschen auf der Suche nach ihrer Berufung und für die großen Seminaristen bestimmt. Kürzlich habt Ihr ein neues Seminar für den ersten Lehrgang eröffnet. Ich beglückwünsche Euch dazu, und mit Euch danke ich Gott für dieses Geschenk, das er in die Herzen der jungen Menschen legt, die er zur Teilhabe am Priestertum Christi zum Dienst an der Kirche und an den Menschen beruft. Die Ausbildung der zukünftigen Priester ist eine große Verantwortung im Dienst des Bischofs. Ihm obliegt in letzter Zuständigkeit die Zulassung zur Weihe. „Erster Repräsentant Christi in der Priesterausbildung ist der Bischof“ (Pastores dabo vobis, Nr. 65). Um diese Aufgabe ganz zu erfüllen, muß der Bischof sich auf Ausbilder stützen können, die sich tief mit ihm verbunden wissen und untereinander in wirklicher Gemeinschaft leben. Geistliche Leiter in ausreichender Zahl müssen die Seminaristen regelmäßig begleiten können, um ihnen bei den notwendigen geistlichen Unterscheidungsprozessen zu helfen. Ich fordere Euch auf, mit der Freistellung von Priestern für diese wichtige Aufgabe nicht zu zögern, sei es auch um den Preis großer Opfer auf anderen Gebieten der Seelsorge. Die Zukunft des Priesters wie die der Sendung der 909 AD-LIMINA-BESUCHE Kirche erfordert es, „daß die Seminaristen so ausgebildet werden, daß sie eine echte affektive Reife erwerben, klare Vorstellungen haben und zutiefst davon überzeugt sind, daß Zölibat und Keuschheit des Priesters untrennbar zusammengehören. Außerdem sollen sie eine entsprechende Ausbildung darüber erhalten, welchen Sinn und Platz die Weihe an Christus im Priestertum hat“ (Ecclesia in Africa, Nr. 95). Für mich ist dies heute eine Gelegenheit, die Arbeit anzuerkennen, die in Eurem Land von Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen, einheimischen und ausländischen, geleistet wird, die sich hochherzig und eifrig dem Dienst am Evangelium widmen. Unterstützt sie in ihren apostolischen Anstrengungen, und fordert sie auf, den Horizont ihrer Berufung im Dienst Christi immer mehr zu erweitern und besonders an die Regionen in Eurem Land zu denken, in denen die Kirche erst vor kurzem eingepflanzt wurde und wo die Arbeiter für die Mission noch zu gering an Zahl sind. Allen spreche ich mit herzlichem Gedenken erneut mein Vertrauen aus. Mögen die gemeinsame bischöfliche Verantwortung und die Brüderlichkeit, die Euch verbinden, Euch auch helfen, in immer größerer Solidarität und Zusammenarbeit miteinander und mit den Teilkirchen zu leben! 7. Die Ausbildung der Katechisten und der Gemeindeleiter ist mit Recht eine Eurer Hauptsorgen. Die Katechisten nehmen ja im Hinblick auf die Vitalität und die Dynamik der Kirche einen wichtigen Platz ein. Ihre charakterliche Qualifikation als echte Glaubenszeugen im gesellschaftlichen Umfeld ihrer Brüder macht die Kraft und Folgerichtigkeit ihrer Unterweisung im Wort Gottes und ihrer Anleitung der Gemeinde zum Gebet aus. Ermutigt sie in ihrem Evangelisierungsdienst! Die bedeutenden Anstrengungen, die Ihr zu ihrer Ausbildung in Glaubenslehre und Pädagogik schon unternommen habt und noch weiter entfalten wollt, sowie ihre beständige geistige Erneuerung werden es ihnen ermöglichen, Führungskräfte zu sein, die sich mit ihren Brüdern für die Lebendigkeit der kirchlichen Gemeinschaften einsetzen, in enger Zusammenarbeit mit ihren Hirten. 8. Der Einsatz der christlichen Berufung mitten in der Welt erfordert auch eine Haltung des Dialogs mit denen, die nicht unseren Glauben teilen. „Die Dialoghaltung ist die Verhaltensweise des Christen innerhalb seiner Gemeinschaft sowie gegenüber den anderen Gläubigen und Menschen guten Willens“ (Ecclesia in Africa, Nr. 65). Das Verhalten des Christen hinsichtlich derer, die nicht seinen Glauben teilen, ist von Achtung und Wertschätzung bestimmt. Gewiß, es ist eine Situation, die ihre Schwierigkeiten hat, besonders dann, wenn Vorurteile und Mißtrauen einer wirklichen Begegnung zwischen Personen oder Menschengruppen Hindernisse in den Weg legen. Erziehung zu religiöser Freiheit in Hochachtung vor einem jeden muß eine Priorität sein. Damit der bürgerliche und der religiöse Friede in Zukunft erhalten bleiben, muß die Würde jedes Menschen anerkannt werden, und jeder muß - angefangen bei der Religionsfreiheit - seine fundamentalen Rechte ausüben können. 910 AD-LIMINA-BESUCHE 9. Zum Schluß unserer Begegnung möchte ich die Christen Benins lebhaft ermutigen, ihren Platz beim Aufbau der Nation einzunehmen. Sie sind berufen, unter denen zu sein, die über die Bedeutung des Gemeinwohls und über die den Familien-und den regionalen Bereich übersteigende Solidarität wachen und sich bemühen, „die universale Liebe Christi zu leben, die die Schranken der natürlichen Solidaritäten der Clans, der Stämme oder anderer Interessengruppen übersteigt“ {Ecclesia in Africa, Nr. 89). Die Verbundenheit unter allen Bürgern, ohne Unterschied von Abstammung oder Glaubensrichtungen, muß wieder mit Eifer angestrebt werden. Sie muß begründet sein in der Liebe zum gemeinsamen Vaterland und im Blick auf die Zusammenarbeit zur vollen Entwicklung der Nation in Eintracht und Gerechtigkeit. Mögen die jungen Leute keine Angst haben, sich für die Zukunft ihres Landes einzusetzen, um eine Zivilisation der Liebe herbeizuführen, die jeden Menschen an seinem rechtmäßigen Platz einbezieht! Liebe Brüder im Bischofsamt, die Kirche in Benin hat schon feste Fundamente, sie sieht aber auch Knospen für ihre Zukunft sprossen. Nun, da wir vor den Pforten des dritten Jahrtausends stehen, treibt der Geist Christi uns an, in der Hoffnung zu wachsen. Die Vorbereitung auf das Große Jubiläum möge für die Kirche in Eurem Land ein günstiger Augenblick zur Vertiefung des Glaubens und zum christlichen Zeugnis sein! Ich vertraue der Jungfrau Maria die Zukunft Eurer Gemeinden an und bitte sie, mütterlich darüber zu wachen. Von ganzem Herzen erteile ich Euch den Apostolischen Segen, den ich auch auf die Priester, die Ordensleute, die Katechisten und alle Gläubigen Eurer Diözesen ausweite. Der Beitrag der Kirche zur Sicherung des sozialen Friedens in Bolivien Ansprache beim Ad-limina-Besuch der bolivianischen Bischöfe am 22. April Geliebte Brüder im Bischofsamt! 1. Mitten in der frohen Osterzeit ist es mir eine ganz besondere Freude, Euch heute hier bei dieser gemeinsamen Zusammenkunft, mit der Euer Ad-limina-Besuch seinen Höhepunkt erreicht, empfangen zu können. Ihr seid gekommen, um erneut Eure Gemeinschaft und die der Ortskirchen, denen Ihr vorsteht, mit dem Nachfolger Petri zu bestätigen. Petrus und seine Nachfolger sind dazu berufen, die Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Deshalb begrüße ich Euch sehr herzlich und wünsche Euch „Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (2 Kor 1,2). Auch möchte ich gerne durch Euch meine Grüße den Priestern und Diakonen, den Ordensangehörigen und dem ganzen Volk der Gläubigen in Euren Kirchengemeinden zukommen lassen. Zuerst möchte ich Msgr. Edmundo Luis Flavio Abastoflor, Bischof von Potosi und Vorsitzender der Bolivianischen Bischofskonferenz, für seine liebenswürdigen 911 AD-LIMINA-BESUCHE Worte danken, die er an mich richtete als Übermittler eines Geistes der Treue und Liebe zur Person des Papstes und zu seinem Lehramt. Bei den Begegnungen dieser Tage konnte ich den Eifer feststellen, mit dem Ihr Euch Eurem Amte widmet, und auch Eure Hoffnungen und Wünsche, Freud und Leid in Eurem Dienst am bolivianischen Volk mitfühlen. Dieses Volk zeichnet sich durch einen „tiefen Geist der Menschlichkeit und durch Solidaritätssinn aus, es liebt die Gastfreundschaft und schätzt die Freundschaft überhaupt sehr hoch“ (Ansprache am Flughafen von El Alto, 9. Mai 1988, Nr. 3). Dies durfte ich ja in besonderer Weise bei meinem Pastoralbesuch im Jahre 1988 erfahren. 2. Ihr, liebe Brüder, seid berufen, den Glauben des Gottesvolkes stets durch die Verkündigung des Wortes Gottes zu nähren und ihm zu helfen, durch die Feier der Liturgie und durch die übrigen Tätigkeiten der Kirche in Gnade und Heiligkeit zu wachsen und dafür zu sorgen, daß die Liebe und die anderen christlichen Tugenden das Leben und Wirken der Brüder und Schwestern bestimmen, die Eurem Seelsorgedienst anvertraut sind. Die Gläubigen erwarten von Euch jederzeit angemessene und sachgerechte Orientierungshilfen, so daß sie immer mehr über ausgereifte Kriterien hinsichtlich der christlichen Lebensweise und des Verantwortungsbewußtseins innerhalb der Gesellschaft verfügen. Das wird ihnen ebenso die nötige Standfestigkeit in der Glaubenslehre geben, um der Konfrontation mit Denkweisen und Systemen standzuhalten, die nicht mit dem ursprünglichen Glaubensbekenntnis in Einklang stehen. Daher ist es mir eine Freude zu wissen, daß Ihr unermüdlich Euren Dienst am Wort des Lebens ausübt, und ich ermutige Euch, auf diesem Weg weiterzugehen und für das Wort einzutreten, „ob man es hören will oder nicht... in unermüdlicher Belehrung“ (2 Tim 4,2). In dieser Hinsicht möchte ich die Einheit hervorheben, die Ihr als Hirten zeigt. Sie findet ihren Ausdruck in der Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl, dem Ihr schon immer Zuneigung und volle Anhänglichkeit erwiesen habt, und in der Einheit mit der Universalkirche durch die häufigen Kontakte mit den Schwesterkirchen im Hinblick auf Gedankenaustausch, auf gegenseitige Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe - sowohl empfangene als auch angebotene. So nehmt also in beispielhafter Solidarität die Hoffnungen und Probleme Eurer kirchlichen Gemeinschaft in Angriff. Wenn Ihr in Eintracht handelt, wird Euer Wort in Bolivien mit Aufmerksamkeit gehört, sowohl bei allgemeinen Richtlinien für die pastorale Tätigkeit als auch bei Normen und Prinzipien, die das liturgische Leben inspirieren müssen, und nicht zuletzt, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit der ganzen Nation auf die Probleme zu lenken, welche die Entwicklung der Gesellschaft betreffen. In den letzten Monaten habe ich aufmerksam die Situation verfolgt, in der sich die Erzdiözese von La Paz befindet, die ja eine schwierige und schlimme Zeit durchgemacht hat. Ich bin sicher, daß der neue Erzbischof, der bald ernannt wird, auf die brüderliche Solidarität von Euch allen zählen kann. Ihr steht ihm mit Eurer 912 AD-LIMINA-BESUCHE konkreten Unterstützung und Eurer menschlichen Sympathie nahe, so daß diese kirchliche Gemeinschaft auch durch die Zusammenarbeit von Priestern und Gläubigen ihre derzeitige Lage klären kann. 3. Ihr habt, Euer Lehramt ausführend, in der letzten Vollversammlung, die in das dreißigste Jahr seit der Veröffentlichung des Konzilsdekretes Presbyterorum Or-dinis fiel, das Thema behandelt: „Begleitung der Priester in ihrem Leben und Dienst.“ Es freut mich also zur Kenntnis zu nehmen, daß die Priester, die das Konzil als Eure fleißigen Mitarbeiter, als Eure Hilfe und Instrument im Dienst am Volk Gottes (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23) vorstellt, einen besonderen Stellenwert in Euren pastoralen Überlegungen einnehmen. Ihr müßt sie daran erinnern, daß aus der Berufung, die jeder von ihnen erhalten hat, ganz unterschiedliche Verpflichtungen hervorgehen. Ganz besonders sind da natürlich die Verkündigung des Wortes und die Feier der Sakramente zu nennen. Die jeweiligen Situationen und Lebensumstände führen die Priester dazu, sich in ganz verschiedenen Bereichen zu betätigen, aber nichts darf die Antwort auf den Aufruf verdunkeln, den der Herr unablässig an den Priester richtet, „seine ursprüngliche Wahl zu bekräftigen und immer wieder von neuem auf Gottes Ruf zu antworten“ {Brief an die Priester vom Gründonnerstag 1996, Nr. 5). Um diese Antwort zu unterstützen, erinnert sie daran, vor allem mit Jesus Christus, an dessen Priestertum sie ja teilhaben, vereint zu bleiben durch das Gebet und die Sakramente, besonders durch die tägliche Feier der heiligen Eucharistie und des Stundengebetes. Ermutigt sie, sich häufig zum Sakrament der Versöhnung einzufinden, damit sie die Gnade empfangen, die sie wohlgefällig macht vor den Augen Gottes und die gleichzeitig ihre innige Verbundenheit mit dem Herrn stärkt. Ladet sie ein, mit Liebe und der Wachsamkeit des Evangeliums die empfangene Gabe und die in der Kirche übernommenen Verpflichtungen zu hüten, unter ihnen auch den ständigen Zölibat um des Himmelreiches willen. Die ständige intellektuelle, spirituelle und pastorale Weiterbildung des Klerus muß eine bevorzugte Stellung im Leben der Priester einnehmen, und es obliegt Euch, dies zu überschauen und zu fördern. Daher ist das Studium des Wortes Gottes so wichtig, damit es den Gläubigen „nicht nur auf abstrakte und allgemeine Weise dargestellt wird, sondern indem die ewige Wahrheit des Evangeliums auf die konkreten Lebensumstände angewandt wird“ {Presbyterorum Ordinis, Nr. 4); und zugleich ist es wichtig, die verschiedenen theologischen Disziplinen zu vertiefen. Es ist ebenfalls notwendig, jedem einzelnen Priester nahe zu sein, ihm in seinen Schwierigkeiten beizustehen und ihm jede notwendige Hilfe zukommen zu lassen, damit er sich nie einsam fühlt und in seinem Bischof immer einen Vater und Hirten sieht, der im hilft, die schwierigen Momente zu überwinden, und der ihn führt, so daß er immer wieder von neuem die Größe der völligen Selbsthingabe für die eigene Sendung entdeckt. 913 AD-LIMINA-BESUCHE Die Sorge um jeden Priester muß auch seinen gerechten Lebensunterhalt beachten, d. h., der Arbeiter für das Evangelium verdient seinen Lohn (vgl. 1 Tim 5,17-18; 1 Kor 9,13-14). Es ist richtig, daß das Beispiel der Uneigennützigkeit und Armut vieler Priester einen Grund zur Bewunderung für die Gläubigen bietet, wenn sie sehen, wie die Priester die schwierige Situation und das Leid so vieler Brüder und Schwestern teilen. Ich rufe Euch deshalb auf, weiterhin mit Euren Priestern und Gläubigen nach den am meisten geeigneten Wegen zu suchen, um hinreichende Mittel zu gewährleisten, damit die Priester in Gerechtigkeit und Genügsamkeit leben können. 4. Die Neuevangelisierung braucht zahlreiche und qualifizierte Verkünder des Evangeliums. Daher muß es eines Eurer Hauptanliegen sein, „die Priester- und Ordensberufe soviel wie mögüch zu fördern“ (Christus Dominus, Nr. 15), wozu auch die Jugend- und Berufungsseelsorge sehr viel beiträgt. Es ist Eure und der Priester und übrigen Pastoralassistenten Pflicht, in den Jugendlichen den Wunsch wachzurufen, Christus auf dem Weg des Priestertums oder des geweihten Lebens nachzufolgen, damit sie zu Setzern des Saatgutes der Gerechtigkeit und zu Boten der Hoffnung für das bolivianische Volk werden. Es ist tröstend zu wissen, daß in den letzten fünf Jahren die Zahl der Seminaristen gestiegen ist und man neue Seminare eröffnet hat. Ich freue mich mit Euch über diese Realität, die Ihr nun mit allem Eifer und mit Hingabe hegen und pflegen müßt. Die dem Seminar eigene und spezifische Sendung, d. h. die Erziehung der jungen Anwärter auf das Priestertum, erfordert es, daß die Erziehenden in geeigneter Weise für diese wichtige Aufgabe ausgewählt werden, die zukünftigen Priester heranzubilden. Den Seminaristen ist eine ganzheitliche Ausbildung, eine solide spirituelle, moralische und intellektuelle Grundlage zu vermitteln, und es ist ihnen dafür auch die nötige Disziplin, der nötige Opfergeist und die nötige Hingabebereitschaft abzuverlangen. Nur so kann man den Nöten der kirchlichen Gemeinschaften Boliviens gerecht werden, die darauf hoffen, daß ihre Priester vor allem Lehrer des Glaubens und Zeugen der Liebe zu Gott und zum Nächsten sind. Die Gestalt des Priesters muß sich den Gläubigen ohne Zweideutigkeiten und in seiner wesentlichen Identität präsentieren, so wie es in den verschiedenen Dokumenten des Apostolischen Stuhls klar und deutlich umschrieben wurde und wie ich selbst in dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis in Erinnerung gerufen habe. Diesbezüglich lehrt ja das Zweite Vatikanische Konzil in angemessener Weise folgendes: „Bei der Auslese und Prüfung der Kandidaten soll man mit der nötigen geistigen Festigkeit Vorgehen, auch dann, wenn Priestermangel zu beklagen ist. Gott läßt es ja seiner Kirche nicht an Dienern fehlen, wenn man die fähigen auswählt, die nicht geeigneten aber rechtzeitig in väterlicher Weise anderen Berufen zuführt und ihnen dazu verhilft, daß sie sich im Bewußtsein ihrer christlichen Berufung mit Eifer dem Laienapostolat widmen“ (Optatam totius, Nr. 6). 914 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Es gibt viele Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihre Weihe in der Kirche in Bolivien leben und so die Erben der ersten Künder des Evangeliums in diesem Kontinent sind. Sie widmen sich der apostolischen Aufgabe, die vom jeweiligen Charisma eines jeden Ordens geprägt ist, und genießen die Wertschätzung und Sympathie des bolivianischen Volkes. In Gemeinschaft mit dem Diözesanbischof, der der erste Verantwortliche seiner Christengemeinde ist, tragen sie zum Aufbau des Gottesvolkes und zum Wachstum der Ortskirche bei. Viele von ihnen kamen als Missionare in Zeiten des Priestermangels und verdienen daher Anerkennung und Hochschätzung. Außerdem haben sie durch ihr Lebenszeugnis und ihre konkreten Bemühungen dazu beigetragen, ein deutlicheres Bild von der Universaütät der Kirche zu bieten. Erst vor kurzem habe ich das nachsynodale Schreiben Vita consecrata veröffentlicht. Ich hoffe, daß dessen Studium und Anwendung den Ordensleuten in Bolivien hilft, mit erneutem Enthusiasmus und tieferem Bewußtsein ihrer Identität jene Sendung fortzusetzen, die ihnen der göttliche Meister anvertraute. Mögen doch alle, Hirten und Gläubige, in diesem Schreiben Motive finden, um noch mehr diesen Lebensstil zu schätzen, der zur Heiligkeit der Kirche gehört. 6. Es ist die Pflicht der Kirche, das Evangelium zu verkünden und mit dessen Prinzipien die konkreten Lebenssituationen zu erhellen. Diesbezüglich habt Ihr über die Wirklichkeit in Eurem Land nachgedacht. Ihr habt allen den Ruf des Herrn verkündet, den er an jeden einzelnen von uns richtet, damit er sich im Geist des Evangeliums den Realitäten des Alltags stellt. Ihr habt die traditionsgemäß ruhige und friedliebende Gesellschaft Boliviens unter Augenschein genommen und bei verschiedenen Gelegenheiten festgestellt, daß gewisse Haltungen der Intoleranz und mangelnder Dialogbereitschaft sich in zunehmenden Maße breitmachen. Der soziale Friede ist ein sehr wichtiger, aber auch empfindlicher Wert, der auf keinen Fall irgend einer Gefahr ausgesetzt werden darf. Deshalb verdient die Bereitschaft, zu seiner Erhaltung beizutragen, indem geeignete Initiativen der Förderung und Entwicklung im rechten Moment unterstützt werden, alle Aufmerksamkeit und Bewunderung. In diesem Sinn darf die soziale Situation in Bolivien nicht in Vergessenheit geraten. Die Anzahl der Menschen, die wegen verschiedener Faktoren nicht einmal ein Dasein gemäß dem geringsten human akzeptablen Lebensniveau fristen können, ist hoch. In diesem Zusammenhang muß auch das besondere Problem der unkontrollierten Produktion und des Handelns von Rauschgift in Betracht gezogen werden, was in nicht wiedergutzumachender Weise die Kultur des Todes in der Gesellschaft propagiert. Angesichts dieser Tatsache muß eine Kultur des Lebens verkündet und verbreitet werden. Es ist aber auch eine Tatsache, daß die bolivianische Gesellschaft das Verdienst hat, sich zum Kampf gegen den Rauschgifthandel verpflichtet zu haben. Ruft doch dieser Handel skrupellose Verhaltensweisen hervor, die wirklichen „Todeshändlem“ eigen sind. Daher ist es nur zu wünschen, daß unter anderen Maßnahmen auch die verschiedenen öffentlichen Instanzen nutzbringende 915 AD-LIMINA-BESUCHE und rechtschaffene Arbeitsaltemativen unterstützen, die imstande sind, den Arbeitern und ihren Familien eine Situation zu bieten, die mit der Würde der Menschen als Kinder Gottes in Einklang steht. Ich zweifle nicht daran, daß Ihr mit Eurer Sensibilität als Ehrten fortfahren werdet, Eure kirchlichen Gemeinschaften zu erleuchten, und daß Ihr ihnen im Lichte des Evangeliums ethische und gangbare Richtlinien bietet, die eine Hilfe sein werden, um die vielen Probleme der bolivianischen Gesellschaft zu überwinden. 7. Liebe Brüder, die ganze Kirche bereitet sich auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 vor, das ein Anreiz für die Evangelisierungsaufgabe ist und auch dafür, von neuem unsere Hoffnung auf den auferstandenen Herrn zu bestätigen, der uns zugesagt hat, alle Tage bei uns zu sein, bis ans Ende dieser Welt (vgl. Mt 28,20). Im Herrn also müssen wir weiterhin die christlichen Gemeinschaften, die sich in seinem Namen versammeln, aufbauen und festigen. „Nuestra Senora de Copa-ca-bana“, die Ihr als Mutter und Patronin anruft, möge Euch auf Eurem kirchlichen Weg begleiten, und der Apostolische Segen, den ich Euch und allen geliebten Gläubigen Boliviens erteile, möge Euch Kraft geben. Bischöfe sind Lehrer und Vorbilder für Priester und Laien Ansprache beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe der Region Mitte-West am 29. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (2 Kor 1,2). 1. Mit großer Freude empfange ich Euch, die Bischöfe der Region Mitte-West der nationalen Bischofskonferenz von Brasilien. Diese unsere heutige Begegnung ist gekennzeichnet durch den besonderen Umstand, daß mit ihr die Reihe der 1995 begonnenen Besuche, die der brasilianische Episkopat in Rom gemacht hat, um Petrus zu besuchen (vgl. Gal 1,18), zu Ende geht. Eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel ist für jeden einzelnen von Euch ein äußerst persönlicher Akt. Wenn Ihr herkommt, bekennt Ihr den apostolischen Glauben vor der Welt und verkündet, daß die Kirche die Braut des göttlichen Erlösers ist und sein Werkzeug für die Rettung der Menschheit. Wenn Ihr ferner über Eure bischöfliche Verwaltung Rechenschaft ablegt, wiederholt Ihr mit Nachdruck: „gratias tibi Deus, gratias tibi“ (Dank sei dir, Gott, Dank sei dir) und lobt zugleich die Güte des Herrn für alles, was Er sich durch Euch zu wirken gewürdigt hat. Ihr bittet zugleich den Allmächtigen, er möge Euch Kraft geben, daß Ihr zu Euren pastoralen Aufgaben zurückkehrt in der Gewißheit der Hoffnung, die nicht täuscht (vgl. Röm 5,5). In den Worten, die Kardinal Jose Freire Falcäo in Eurem Namen an mich gerichtet hat 916 AD-UMINA-BESUCHE und dem ich dankbar bin für den Ausdruck der kollegialen Verbundenheit, die er dem Nachfolger des Petrus aussprach, sehe ich den Kern Eurer Bemühungen und Aufgaben, die Ihr in einer jeden der Einzelkirchen, denen Ihr vorsteht, übernommen habt, um den Sauerteig des Wortes, das rettet, mit immer neuem missionarischem Eifer zu verbreiten. 2. Eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der heiligen Apostel ist ferner durch ein Ereignis von besonderer Bedeutung gekennzeichnet. Die universale Kirche befindet sich ja in der wichtigen Phase der Vorbereitung, um ,4m christlichen Volk das Bewußtsein für den Wert und die Bedeutung wiederzubeleben, die das Jubeljahr 2000 in der menschlichen Geschichte hat“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 31). Daher muß ich unbedingt das Herz in Dankbarkeit zu Gott dem Vater erheben, weil in Brasilien die Jubiläumsfeier gut aufgenommen wurde, zumal im Hinblick auf die neue Evangelisierung. Ich bin über zahlreiche pastorale Initiativen informiert worden, die in Euren Diözesen zu diesem Zweck ergriffen wurden. In den persönlichen Gesprächen, die ich in diesen Tagen mit Euch geführt habe, konnte ich erneut die Lebenskraft Eurer Einzelkirchen schätzen lernen, Eure Sorge als Hirten, die Hingabe Eurer Mitarbeiter im apostolischen Dienst und die Treue zu diesem Zentrum der Einheit, das der Sitz des Petrus ist. Wie ich bereits bei ähnlichen Gelegenheiten erwähnt habe, ruft die heutige Begegnung spontan meine pastoralen Reisen in Euer Land in Erinnerung. Im Schatten des Kreuzes geboren, war es von seinen Ursprüngen an mit der Predigt des Evangeliums und der Gnade der Taufe gesegnet, und es bietet weiterhin ein unermeßliches Arbeitsfeld, auf das Ihr gesandt seid und auf dem Ihr selbstlos Euren bischöflichen Dienst verrichtet. Dieser missionarische Einsatz erhält jetzt einen neuen Impuls angesichts der Feier des zweiten Jahrtausends seit der Geburt des Erlösers, und er bietet eine besondere Gelegenheit, um in Herz und Geist eines jeden Brasilianers den wahren Glauben zu bekräftigen, die christlichen Gemeinschaften in der Übung der Liebe mit neuem Leben zu erfüllen, die Methoden zu überprüfen und die pastoralen Werkzeuge anzupassen, die es der Kirche in Brasilien gestatten, weiter und mit neuem Eifer die Sendung zu erfüllen, die sie seit den Anfängen der Evangelisierung ausgeübt hat. 3. Wenn das Jubiläum des Jahres 2000 ein großes Lob- und Dankgebet vor allem für das Geschenk der Menschwerdung des Gottessohnes und der von ihm vollbrachten Erlösung sein soll, so müssen wir besonders danken „für das Geschenk der Kirche, die von Christus als Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit gegründet wurde“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 32). Die zur Kirche gehören, sind unter sich eins, bilden einen einzigen geistigen mystischen Leib, dessen Haupt Christus ist. So bilden sie nicht eine bloß menschliche Gemeinschaft und stellen nicht nur eine moralische oder juridische Person religiöser Art dar, sondern haben im Gegenteil an der inneren Einheit Anteil, die sie mit dem gleichen Leben beschenkt, das wir übernatürliches oder Gnadenleben nennen. Mein verehrter 917 AD-LIMINA-BES U CHE Vorgänger Pius XII. sagte: Bei der moralischen Person nämlich ist „nichts anderes das Prinzip der Einheit als der gemeinsame Zweck und die gemeinsame Einmütigkeit aller auf ebendiesen Zweck hin vermittels einer gesellschaftlichen Autorität; während im mystischen Leib ... dieser Einmütigkeit noch ein anderes inneres Prinzip hinzugefügt wird, ... das alle Bande der Einheit, mit denen der physische oder moralische Leib verknüpft wird, ganz unermeßlich überragt“. Es geht nicht um ein Prinzip der natürlichen, sondern der übernatürlichen Ordnung. Noch mehr, es ist in sich selbst völlig unbegrenzt und ungeschaffen, nämlich der göttliche Geist (vgl. Mystici Corporis, AAS 35[1943]222). Die Kirche läßt sich daher nicht auf eine bloß mystische und innere Gemeinschaft des Geistes verkürzen. Jeder Mensch ist berufen, ein Teil von ihr zu werden, die sich nach außen hin als eine echte soziale und historische Gemeinschaft darstellt: das Volk Gottes. Die Konstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils verkündet: „Die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (Nr. 8). An der Wurzel des Ganzen aber stoßen wir auf eine große Analogie mit dem Geheimnis des menschgewordenen Wortes: „Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes“ (ebd.). Wacht also über diese Identität der einzigen Kirche Christi, um sie mit dem eigenen pastoralen Dienst und der Heiligkeit des Lebens zu bekräftigen, denn Eure Sendung hier reicht sehr weit und bringt große Verantwortung mit sich. 4. Vom Beginn meines Pontifikates an habe ich die universale Kirche aufgefordert, ihr Augenmerk auf den Beginn des Dritten Jahrtausends zu richten, das schon bevorsteht; ich ergriff zugleich die Gelegenheit festzustellen, daß es nicht um einen „neuen Chiliasmus“ geht (Tertio millennio adveniente, Nr. 23), wie um eine Versuchung, substantielle Wandlungen im Leben der Gemeinschaften und jedes Einzelmenschen vorauszuahnen. Das menschliche Leben wird weitergehen, die Menschen werden weiter Erfolg und Mißerfolg haben, Stunden des Triumphes und der Dekadenz erleben, und Christus, unser Herr, wird weiter bis zum Ende der Zeiten die einzige Quelle des Heiles sein. Doch die Zeit hat auch eine grundlegende Bedeutung, denn das Heil kommt uns zu durch die Taten, die das menschgewordene Wort innerhalb der Geschichte vollbracht hat. Der katholische Glaube seinerseits zieht uns keineswegs aus der Welt heraus, er regt uns vielmehr an, die Anrufe Gottes an uns zu erfassen oder, anders gesagt, „eine besondere Sensibilität für alles zu wecken, was der Geist der Kirche und den Kirchen sagt (vgl. Offb 2,7 ff.)“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 23). Da also nun die Zeit der Gnade für die Kirche in Brasilien mit dem Abschluß einer weiteren Reihe von Besuchen „ad limina“ zu Ende geht - eine Zeit des Dankes, der Überlegung und pastoraler Entscheidungen -, bin ich sicher, daß jeder ein- 918 AD-UM1NA-BESUCHE zelne von Euch sich diese und die übrigen Botschaften, die ich an den brasilianischen Episkopat gerichtet habe, zu eigen macht und sich nach der „besonderen Sensibilität“, von der ich eben sprach, fragt, um in jeder Einzelkirche die Hinweise anzuwenden, die ich nach und nach im Verlauf unserer persönlichen oder kollektiven Begegnungen gegeben habe. In diesem Sinn wird sich dann jene „Freude und metanoia einstellen, die die Vorbedingung für die Versöhnung sowohl der einzelnen wie der Gemeinschaft mit Gott ist“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 32), doch es geht jeden einzelnen Hirten an, unablässig wachsam zu sein, wenn es um das geistliche Wohl seiner Schafe geht. 5. „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“ (7 Petr 2,5). Ja, liebe Brüder im Bischofsamt, die Kirche ist ein „geistiges Haus“ aus „lebendigen Steinen“, die es tragen. Jesus aber ist der „Eckstein, auserwählt und geehrt“, auf dem sich die Kirche unter dem Wirken des Geistes im Verlauf der Jahrhunderte erbaut. Wie um uns vor den immer wiederkehrenden Versuchungen zur Oberflächlichkeit oder zur Klage zu warnen, oder auch vor Enttäuschung und Mutlosigkeit, erinnert uns der erste Petrusbrief daran, daß das wahre Wesen der Kirche in ihrem Fundament besteht: Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Ja, noch mehr, nach den Worten des Lehrers von Hippo „setzt die Kirche ihren Pilgerweg inmitten der Verfolgungen der Welt und der Tröstungen Gottes fort“ (Augustinus, De Civ. Dei XVIII, 51,2: PL 41,614), sie verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8; 1 Kor 11,26). Die Kraft Christi ist unsere Hoffnung. Daher dürft und könnt Ihr nicht mutlos werden! Der auferstandene Christus wacht über dem Dienst seiner Hirten bis zu dem Tag, da er sich am Ende der Zeiten im Glanz seiner Majestät offenbaren wird. Doch Ihr müßt auch „lebendige Steine“ für das Volk Gottes sein, das gern dieses Geheimnis Christi und seiner Kirche kennenlemen und tiefer darin eindringen möchte. Für diesen inneren Weg der Gnade tragen wir Bischöfe und Priester eine große Verantwortung. Wie sollten wir hier nicht daran denken, daß zugleich mit einem aufrichtigen Wunsch, die Wahrheit, die frei macht, zu besitzen, ein gewisses Klima „religiöser Gleichgültigkeit (da ist), die viele Menschen heute dahin bringt, zu leben, als ob es Gott nicht gäbe“? Oder was soll man sagen vom „verbreiteten Verlust des transzendenten Sinnes der menschlichen Existenz und der Verwirrung im ethischen Bereich sogar bei den Grundwerten der Achtung des Lebens und der Familie“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 36)? Der „Fürst dieser Welt“ (.Joh 14,30) wird gewiß Christus und seine Kirche nicht überwältigen, doch alles tun, um die Seelen zu verderben, denn „euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann“ (7 Petr 5,8). In dieser Stunde der Verwirrung, „die sich auch wegen der Gehorsamskrise gegenüber dem Lehramt der Kirche verbreitet“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 36), müßt Ihr Euch fest als ,Lehrer des Glaubens“ erweisen (Christus Dominus, Nr. 2) und vor allem sicherstellen, daß Ihr mit der Gnade Gottes und gelehrig gegenüber 919 AD-LIMINA-BESUCHE dem Geist getreue Hüter der geoffenbarten Wahrheit seid und Euch konkret dafür einsetzt, die Einheit der Kirche zu bewahren durch die Förderung ihrer allgemeinen Disziplin und die Befolgung aller kirchlichen Gesetze (vgl. can. 392 C1C). So werdet Ihr noch mehr der großen Sendung gerecht werden, die Euch an der Schwelle des dritten Jahrtausends der Erlösung erwartet: mitzuhelfen, den Menschen die Früchte des Heils in Christus zu vermitteln (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8), indem Ihr sie lehrt, die eine, heilige katholische und apostolische Kirche neu zu entdecken und zu lieben. 6. Ihr wißt gut, daß „die pilgernde Kirche ihrem Wesen nach missionarisch“ ist (Ad gentes, Nr. 2). Daher muß notwendig der Missionsgeist in all ihren Gliedern unablässig erneuert werden, angefangen beim Reifen eines jeden in seinem in der Taufe empfangenen persönlichen Glauben. Um eine aktive Beteiligung jedes Mitglieds der Kirche an der Missionsaufgabe zu erreichen, die allen, wenn auch in unterschiedlicher Weise aufgetragen ist, muß mit Vorzug die Aufmerksamkeit und ein wirksames Bemühen dem Anliegen gelten, die riesige Zahl der Getauften, die ihre religiöse Praxis aufgegeben haben oder nicht im Glauben weitergebildet wurden, mit einem klareren und deutlicheren Bewußtsein ihrer katholischen Identität und ihrer Zugehörigkeit zur Kirche zu erfüllen und sie zu eifriger Teilnahme am sakramentalen Leben und zur Integration in die eigenen christlichen Gemeinschaften anzuleiten. Helft ihnen mit Geduld und väterlicher Erziehungskunst durch ständige katechetische Betreuung, durch Volksmissionen oder andere Formen des Apostolates, daß sie sich in ihrem Bewußtsein, zur Kirche zu gehören, vervollkommnen. Der materiellen Eingliederung in die Gemeinschaft der Kirche durch die Taufe muß ihre bewußte Bejahung und eine aktive hochherzige Beteiligung folgen, so daß ihre Zugehörigkeit zum Haupte Christus gestärkt wird, der durch die Bischöfe als Nachfolger der Apostel die ganze Kirche leitet. Dabei werden das unerläßliche Angebot der Gnadenmittel in den Sakramenten und die Frohbotschaft des Wortes Gottes, das dem Evangelium gemäß verkündet wird, für jene, die glauben, zu Werkzeugen des Heiles. Gerade diese Zahllosen, die den Glauben ihrer Taufe bewahrt haben, wenn er auch wahrscheinlich durch die Unkenntnis der religiösen Wahrheiten geschwächt ist, werden durch den Druck des Säkularismus und den Proselytismus der Sekten am leichtesten verwundbar, wie ich im Verlauf des vergangenen Jahres bei den verschiedenen Begegnungen mit dem brasilianischen Episkopat mehrfach ausgeführt habe. Ohne eine volle Integration in das kirchliche Leben und die sichtbaren Strukturen der Kirche oder auch ohne eine lebendige Teilnahme an der Verkündigung des Wortes und an den Sakramenten wird der Glaube schwach. Er wird schwerlich dem vorherrschenden entsakralisierenden Klima widerstehen können, das dazu einlädt, Gott beiseite zu lassen und die Wichtigkeit der Religion für das tägliche Leben der Menschen zu verkennen. Die Gläubigen möchten in ihren Bischöfen und Vätern im Glauben Männer Gottes, einen „zweiten Christus“ sehen, der sie auf den Wegen des Glaubens leitet und 920 AD-LIMINA -BES UCHE bereit ist, jene, die fern sind, zum Vater zurückzuführen (vgl. III. Euch. Hochgebet). Sie würden gern durch die Heiligkeit und würdige Lebensführung in ihren Hirten Christus erblicken; mehr als durch deren Volkstümlichkeit, die sie zuweilen aus ideologischen oder sozialen Gründen erlangen, wenn sie den Nächsten zu lieben lehren und sich mit denen, die am meisten leiden, solidarisieren. Die Kirche würde ihren echtesten übernatürlichen Sinn verlieren, den ihr Stifter gefordert hat (vgl. Joh 18,36), wenn sie vor allem auf ihre sichtbare Struktur zählen wollte und sich vor allem auf irdische Aufgaben konzentrieren würde mit der Gefahr, eine bereits zu große und verwirrende Spaltung im Schoß der Gesellschaft zu vertiefen, der eine positive Ausrichtung auf ihr Geschick fehlt. Das „Fundament der Gemeinschaft, wie sie Gott in seinem ewigen Plan will, ist das Erlösungswerk, das die Menschen von der durch die Sünde hervorgerufenen Spaltung und Zerstreuung befreit“ (Generalaudienz vom 31. Juni 1991, Nr. 7). Christus ist durch sein Erlösungsopfer, das im Tod am Kreuz gipfelt, die Quelle der neuen Einheit der Menschen, die in Ihm berufen sind, ihre Würde als Kinder Gottes zurückzugewinnen. Das Kapitel der Intoleranz und Gewaltanwendung in den Städten und auf dem Land, von dem ich informiert bin, mitsamt den schweren Formen der Ungerechtigkeit und des sozialen Randdaseins, die Eure Gesellschaft betreffen, kann überwunden werden durch eine Katechese, die die richtigen Kriterien für soziale Gerechtigkeit anbietet und zu einer Bekehrung der Herzen zu Gott sowie einem lebendigeren Bewußtsein von der übernatürlichen Dimension des eigenen Lebens führt. Daher kann man nie genug betonen: „Wenn die Kirche dem Menschen Gottes Heil verkündet, wenn sie ihm durch die Sakramente das göttliche Leben anbietet und vermittelt, wenn sie seinem Leben durch die Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe Orientierung gibt, dann trägt sie zur Bereicherung der Würde des Menschen bei. Aber so wie sie diesen ihren religiösen und transzendenten Sendungsauftrag für den Menschen niemals auf geben kann, ... so läßt sie sich immer wieder mit neuen Kräften und Methoden auf die Evangelisierung ein, die den ganzen Menschen fordert“ (Centesimus annus, Nr. 55). Die zentrale Botschaft, das wirklich Neue der Predigt und des Wirkens der Kirche ist die durch Jesus Christus vollbrachte Erlösung des Menschen (vgl. Redemptor hominis, Nr. 18). Dieser bereits gut bekannte soteriologische Aspekt darf niemals vergessen oder vernachlässigt werden; er muß im Gegenteil den zentralen Platz einnehmen, auch wenn die Kirche in Erfüllung ihrer spezifisch religiösen Sendung von den irdischen Wirklichkeiten spricht und sie mit ihrer Soziallehre beleuchtet. Vor allem die von Jesus Christus vollbrachte Erlösung, die im Glauben vom Herzen des Menschen angenommen wird und die ihn von Sünden befreit, kann die letzten und tiefsten Sperren des Bösen und der Ungerechtigkeit überwinden und eine bessere Gesellschaft garantieren, in der die Kultur der Liebe verwirklicht wird. 921 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Doch was könnt Ihr konkret in Eurer jeweiligen Kirche tun? Aus der Lektüre Eurer Berichte, die Ihr vorbereitet hattet, und aus der Erfahrung, die mir von meinem Petrusdienst her zuwächst, der sich ja auf die ganze Kirche erstreckt, möchte ich Euch brüderlich einige Hinweise empfehlen, die ich nicht nur für Euch, sondern für alle Hirten allgemein für wertvoll halte. a) Notwendig ist, daß Ihr Euch aktiv für die Neuevangelisierung einsetzt, die sich seit langem als absolut dringlich für die Christen unserer Zeit zeigt. Sorgt methodisch und ins einzelne gehend für den Religionsunterricht, für die Katechesierung der Kinder und Jugendlichen, für erfüllte und erziehende Ausbildung von jungen Menschen und Erwachsenen, und legt besonderen Wert auf das Verständnis der Heiligkeit der Ehe und der Achtung vor dem Leben. Betont die unveränderlichen Grundlagen des Glaubens: Gott, Jesus Christus, den lebendigmachenden Geist und die Kirche; Christus allein ist die Wahrheit, und nur in der Gnade des Geistes gibt es wahres Heil. Prägt ferner in das Herz eines jeden Gläubigen eine zarte Liebe zur Gottesmutter, der Jungfrau Maria, ein. Sorgt für die Bildung eines richtigen, konsequenten und mutigen Gewissens. Laßt mich hier betonen, daß es angemessen ist, sich des Katechismus der Katholischen Kirche zu bedienen, der eine bedeutsame Äußerung „der kollegialen Natur des Episkopates“ ist (Fidei depositum, Nr. 2). Drei Jahre sind bereits vergangen, seitdem ich seine Veröffentlichung autorisiert habe. Er kann Euch bei der korrekten Deutung dieser und anderer Wahrheiten unseres Glaubens helfen. b) Zweitens ist angesichts der ungenügenden Zahl von Geistlichen für die Betreuung einer ständig wachsenden Bevölkerung eine umfassende Förderung der Priesterberufe dringlich. Mit Recht haben die Bischöfe und die in der Berufungspasto-ral stehenden Kräfte, die sich zum Ersten Kongreß des Lateinamerikanischen Kontinents für Berufungen vom 23. bis 27. Mai 1994 in Itaici getroffen haben, zu Beginn ihrer Schlußerklärung ausgeführt, daß „die Weckung, Auswahl, Anregung und Unterstützung der Berufungen zu einer besonderen Weihe an Gott das grundlegende Anliegen der Kirche ist“. Die Jugendlichen von heute bilden eine Kirche, die sich mit den übernatürlichen Wahrheiten und den Geheimnissen Gottes identifiziert. Diese Kirche ist nicht nur Volk Gottes, das leicht auf eine sozio-kulturelle oder politisch-parteibestimmte Gruppe verkürzt werden kann. Die wahre Eigenart des Volkes Gottes ist seine Teilhabe am ,königlichen Priestertum Christi“. Es ist „Braut des menschgewordenen Wortes“, „Familie Gottes“. Die Kirche Gottes ist als „mystischer Leib Christi“ in dem Maße in die Welt gesandt, wie sie an der göttlichen Sendung des Sohnes Gottes, der Mensch wurde, teilnimmt und ihre Identität in der Feier der göttlichen Geheimnisse in der Liturgie lebt. In diesem Sinn ist es dringlich, daß alle wieder die Liturgie als einzigartigen Schatz für die Gestaltung des gottgeweihten Lebens entdecken. Es geht hier nicht um die Geschichte eines Volkes, das sich selber feiert, sondern um das Geheimnis Christi, und dies ist der tiefste Gehalt der Kirche auf der Suche nach ihrem endgültigen Geschick. Daher sei hier die Frage wiederholt, die ich kürzlich formuliert habe: 922 AD-LIMINA-BES U CHE „Wird die Liturgie gemäß der Lehre von Sacrosanctum Concilium als ,Quelle und Höhepunkt1 des kirchlichen Lebens gelebt“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 36)? c) Endlich gehen meine letzten Empfehlungen, wie es ja nicht anders sein kann, an Euch, „die Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes“ (Lumen Gentium, Nr. 21). Gott unser Herr ruft seine Hirten zu einer unaussprechlichen Lie-besvereinigung mit ihm selber auf. Er ist es, der uns zuerst geliebt hat, und er kann dann von seinen „Verwaltern“ und „Freunden“ auch ein beständiges, glühendes und heroisches Herz verlangen, in dessen Tiefe wir absolut aufrichtig bekräftigen können: „Herr, du weißt, daß ich dich liebe“ (Joh 21,17). Diese Liebe des Evangeliums, die der Heilige Geist in unsere Herzen ausgießt (vgl. Röm 5,5), muß die belebende Kraft aller Eurer pastoralen Tätigkeit zum Wohl des Volkes Gottes sein. Christus hat Euch erwählt und Euch gesandt, mit Eurem Wort und Eurem Leben allen seine Botschaft und seine Heilswahrheit zu verkündigen. Weil Ihr Erzieher im Glauben und „echte Lehrer“ (Lumen Gentium, Nr. 25) seid, muß Euer Gebet und Euer Hören des Wortes beständig und aufmerksam sein, damit Ihr es den anderen weitergeben könnt, um ihnen so in jedem Ereignis die Pläne Gottes zu enthüllen (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 4). Eure Predigt muß immer ein Zeugnis für Eure persönliche Begegnung mit Christus und Eure bedingungslose Entschlossenheit sein, das Evangelium zu verbreiten und das Reich Gottes in kirchlicher Gemeinschaft aufzubauen. 8. Während dieses Jahrtausend sich seinem Ende nähert, setzt die Kirche ihren Pilgerweg fort; sie wacht und wartet auf ihren Herrn, das Alpha und das Omega, auf den, der alles neu macht (vgl. Ojfb 21,5). Zum Abschluß unserer Begegnungen bei Gelegenheit Eurer Ad-limina-Besuche möchte ich die ganze Kirche in Brasilien einladen, vom „Vater der Barmherzigkeit“ (2 Kor 1,3) die Gnade des Geistes zu erbitten, damit sie sich nicht dieser Welt angleicht (vgl. Röm 12,2), sondern immer dem „Bild seines Sohnes“ (vgl. Röm 8,29) entspricht. Gott gebe, daß im Morgenrot des dritten Jahrtausends, wo die ganze brasilianische Nation sich zur Feier der 500 Jahre seit ihrer Entdeckung anschickt, im Land des Heiligen Kreuzes überreiche Früchte der Gnade und Heiligkeit in Eurem guten und hochherzigen Volk erblühen, das von Euch die Offenbarung des Geistes und der Kraft Gottes erwartet (vgl. 1 Kor 2,4). Wenn Ihr in Eure Diözesen zurückkehrt, übermittelt bitte Euren Priestern, den Ordensleuten, Seminaristen, Katechisten und Gläubigen den herzlichen Gruß des Papstes, der in großer Herzlichkeit und fester Hoffnung an alle denkt und für alle betet. Der Fürbitte der allerseligsten Jungfrau, Unserer Lieben Frau Aparecida, empfehle ich Eure Personen, Eure Absichten und pastoralen Vorsätze, damit der Name Christi im Herzen und auf den Lippen eines jeden Brasilianers immer gegenwärtig sei. Zusammen mit diesen Gedanken begleitet Euch mein Gebet und mein Apostolischer Segen. 923 AD-LIMINA-BESUCHE Grundlage ökumenischer Zusammenarbeit ist der Dialog des Lebens Ansprache beim Ad-limina-Besuch der indonesischen Bischöfe am 3. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit brüderlicher Zuneigung heiße ich Euch, die Bischöfe aus Indonesien, zu Eurem Ad-limina-Besuch willkommen und grüße Euch mit dem Gebet des Apostels Paulus: „Möge der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit geben, damit ihr versteht, wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist“ (vgl. Eph 1,17-19). Möge der dreieinige Gott in uns „den Geist der Kraft“ (2 Tim 1,7), den wir durch unsere Bischofsweihe erhalten haben, mehr und mehr festigen! Eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der hll. Apostel, die in Rom durch ihr „Blutvergießen“ für Christus das höchste Zeugnis abgelegt haben, stellt Bande der Zuneigung und der Treue her, die Eure Teilkirchen mit dem Stuhl Petri verbinden. Durch Euch grüße ich die gesamte Kirche Eures großen Archipels, den ich seit meinem Pastoralbesuch von 1989 in teurem Gedenken bewahre. Ich danke dem allmächtigen Gott für Eure Treue zum Evangelium, Euer Streben nach Heiligkeit und Euren Evangelisierungseifer. Als der Heilige Geist im Abendmahlssaal auf die Apostel herabkam, gab er ihnen die Macht zur Erfüllung ihrer Sendung, die Frohbotschaft „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) zu tragen. Von Anfang an haben sie diese Aufgabe in der „Einheit des Geistes“ (Eph 4,3) ausgeführt in einer Gemeinschaft der Gnade, stärker als familiäre, rassische oder sprachliche Bande. Der gleiche Geist ist auf besondere Weise über all jene ausgegossen worden, denen die Fülle des Apostolischen Amtes übertragen wurde. Der Dienst des Gottes Volkes sollte - nach dem Vorbild des „einen Herzens“ und des „einen Geistes“ der ersten Gemeinde (vgl. Apg 4,32) -von einem Geist der Kollegialität gekennzeichnet sein. Eure Gemeinschaft soll allen verdeutlichen, wie durch weise Planung und durch Zusammenarbeit, begründet auf gegenseitiger Achtung, der Leib Christi aufgebaut werden kann. Innerhalb des Bischofskollegiums ist jeder von Euch persönlich für die Teilkirche verantwortlich, die seiner liebevollen Führung anvertraut ist. Gleichzeitig erweitern die brüderlichen Bande, die Euch untereinander verbinden, Euren Horizont, um für das Wohl anderer Teilkirchen Sorge zu tragen. In dieser „koinonia“ kann keine Gemeinde isoliert bleiben. Durch Eure Bereitschaft zur Zusammenarbeit gebt ihr vor Eurem Volk Zeugnis für die wunderbare Einheit in der vom Geist geschaffenen Fülle der Verschiedenheit (vgl. 1 Kor 12,4-6). 2. Noch ist die Kirche in Indonesien eine „kleine Herde“ (Lk 12,32). Aus diesem Grund ist sie in den Augen Gottes besonders wertvoll. An das Bischofsamt werden schwerwiegende Anforderungen gestellt, aber an diejenigen, die diese Last tragen, 924 AD-LIMINA-BESUCHE sind die tröstenden Worte des Herrn gerichtet, der uns seine „Freunde“ (vgl. Joh 15,15) genannt hat. Mehr noch, er hat versprochen, von unserer Schwäche Gebrauch zu machen, „damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird“ (7 Kor 1,17). Bei all unseren menschlichen Vorhaben und Programmen dürfen wir die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, daß Jesus Christus uns alle zu sich zieht, wenn er über die Erde erhöht ist (vgl. Joh 12,32). Die „Torheit“ und das „empörende Ärgernis“ des Kreuzes offenbaren die Macht und Weisheit Gottes (vgl. 1 Kor 1,21-24). Den Ängsten, die die Menschen erfüllen und sie daran hindern, zu vollkommener menschlicher und spiritueller Größe zu gelangen (vgl. Eph 4,13), wirkt jene Gnade entgegen, die aus der von der Hanze durchbohrten Seite des Erlösers fließt (vgl. Joh 19,34). Wie schwer die Last unseres Amtes auch sein mag. Wir müssen auf die vorhersehende Sorge Gottes für seine Schöpfung vertrauen, „die von der Sklaverei und Verlorenheit zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes befreit werden soll“ (vgl. Röm 8,21). Wir dürfen uns nicht fürchten, denn der auferstandene Herr selbst ist mit uns (vgl. Mt 28,20)! Bei diesem ersten Treffen mit den Mitgliedern Eurer Bischofskonferenz möchte ich über Eure pastorale Aufgabe als „Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums“ (Lumen Gentium, Nr. 26) zu Euch sprechen, zu Euch, die Ihr dafür sorgt, daß das Wort Gottes zuverlässig gelehrt wird! (vgl. Veritatis splendor, Nr. 116). 3. Da Ihr in erster Linie geistliche Leiter Eurer Herden seid, möchte ich Euch insbesondere darin bestärken, eine wahrhaft ,kontemplative Sicht“ (Evangelium vi-tae, Nr. 83) zu entwickeln. Eine solche Sicht wird durch das Gebet und das sakramentale Leben genährt und versucht, den tieferen Sinn des Lebens zu ergründen. Ein solcher Geist steht im Einklang mit der kulturellen und religiösen Erfahrung der Völker Asiens. Die alten geistlichen Traditionen Eures Kontinents fordern die gesamte Kirche heraus, sich auf das zu konzentrieren, was für den Glauben absolut vorrangig ist: am Leben des ewigen Gottes als seine gebebten Kinder teilzuhaben (vgl. 1 Joh 3,1). Möge die Kirche in Indonesien immer mehr eine Gemeinschaft der Kontemplation und des Gebetes werden, in der die Heilige Dreifaltigkeit wohnt (vgl. Joh 14,23). Die Wahrung und Förderung der Integrität, der Schönheit und der ordnungsgemäßen Feier der Sakramente ist der Weg zur Erneuerung der Gläubigen mit dem „lebendigen Wasser“, das aus dem Inneren Christi fließt (vgl. Joh 7,38). Zu Euren Aufgaben gehört die Förderung der aktiven und eifrigen Teilnahme an der Eucharistie, des häufigen Empfangs des Sakraments der Versöhnung - wobei Ihr auf dessen Notwendigkeit hinweisen und für ein verfügbares Angebot sorgen sollt -, eine umfassende Katechese für den Empfang der Sakramente zur Einführung in den christlichen Glauben und ein eingehendes Programm für die Ehevorbereitung, das vor allem im Fall von Mischehen besonders intensiv gestaltet werden sollte. 925 AD-LIMINA-BES U CHE 4. Auch die Inkulturation der Liturgie ist ein Thema, das große pastorale Aufmerksamkeit erfordert. Ordnungsgemäße liturgische Anpassungen, die die wesentliche Einheit des römischen Ritus beibehalten, sind eine wichtige Dimension der vollen Einbindung des Evangeliums in das Leben jedes Volkes und seiner Kultur. Dieser Prozeß ist das Ergebnis eines progressiven Reifens im Glauben. Es handelt sich hierbei um einen komplexen Vorgang, einen „langsamen Weg“ (Re-demptoris missio, Nr. 52), der große Einsicht erfordert. Ich bestärke Euch in Euren Bemühungen, die befreiende Kraft der Frohbotschaft in den Mittelpunkt des reichen Kulturmosaiks Eures Archipels zu bringen. Inkulturation ist mehr als einfache Anpassung traditioneller Bräuche oder gängiger Trends. Es handelt sich um einen Vorgang, der in authentischem Austausch zwischen tiefgläubigen Menschen und ihrer Kultur wurzelt. Liebe Brüder, es ist Eure Aufgabe, diesen schwierigen Inkulturationsprozeß, der die Katholizität des Leibes Christi verstärkt, anzuregen, zu leiten und zu bewerten. 5. Als Bischöfe seid Ihr ferner aufgerufen, „für die Wahrheit Zeugnis abzulegen“ (vgl. Joh 18,37) und dafür zu sorgen, daß Euer Volk die Wahrheit erkennt, die es befreien wird (vgl. 1 Tim 2,4; Joh 8,32). Die Erhaltung der lehrmäßigen Integrität der Katechese und die Förderung einer authentischen katholischen Erziehung gehören zu den Verantwortungen jener, denen die treue Wahrung des Glaubensguts anvertraut ist. Das Ausarbeiten der Konsequenzen des Evangeliums für das christliche Leben in der Welt wie auch seine Anwendung auf neue Situationen sind wesentliche Elemente, die die apostolische Predigt berücksichtigen sollte. Durch die individuelle und gemeinsame Veröffentlichung von Pastoralbriefen können die Bischöfe auf wirkungsvolle Art und Weise den „unergründlichen Reichtum Christi“ mit ihren Herden teilen. Mutiges, aufrichtiges und überzeugendes Lehren fördert im Volk Gottes die Erkenntnis Christi Jesu, seines Herrn (vgl. Phil 3,8). Aufgrund Eurer pastoralen Erfahrung wißt Ihr, daß die Glaubenserziehung auf verschiedene Art und Weise erfolgt: in Pfarrgemeinden, Vereinigungen und Gemeinschaften mit jeweils besonderen Anforderungen. Vor allem möchte ich Euch ermutigen, weiterhin die Eltern bei der Weitergabe des Glaubens an ihre Kinder zu unterstützen (Familiaris consortio, Nr. 52). Fördert nach besten Kräften die theologische und geistliche Bildung der Laien, indem Ihr die Bemühungen aller Beteiligten auf den wahren Zweck jeder Katechese lenkt: die ,Tülle des Lebens“ in Christus (vgl. Joh 10,10), eine Verinnerlichung der Gaben des Geistes. 6. Mit Recht ist die indonesische Kirche stolz auf den Beitrag, den die katholischen Schulen für das geistliche und weltliche Wohl einzelner und der gesamten Gesellschaft leisten. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß Ihr in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft auch weiterhin diesen Erziehungsauftrag unterstützen und für dessen Verwurzelung in den Werten des Evangeliums sorgen werdet. Immer wenn die Erziehung lediglich auf das Erlernen wissenschaftlicher und technologischer Fachkenntnisse beschränkt ist, verfehlt sie jenes edle Ziel, das sich die 926 AD-LIM1NA-BESUCHE Kirche setzt: die ganzheitliche Entwicklung der menschlichen Person und die Verwirklichung einer gerechten und friedlichen Gesellschaftsordnung (vgl. Gra-vissimum educationis, Nr. 8). Ich bestärke Euch, auf jenem Weg weiterzugehen, den Ihr so weise gewählt habt: stärkt die katholische Identität Eurer Schulen durch die klare Herausstellung ihrer besonderen Aufgabe und die Förderung der pasto-ralen Betreuung von Schülern und Lehrern in den Eurer Sorge anvertrauten Bildungseinrichtungen. Ermutigung Eurerseits verdienen auch die nun häufiger werdenden Solidaritätsprogramme - wobei wohlhabende Schulen ihre Mittel mit weniger wohlhabenden teilen. 7. Als Nation kann Indonesien auf eine Geschichte der Toleranz und der Religionsfreiheit zurückblicken, eine Tatsache, die auf der Achtung für „Pancasila“, dem edlen Ausdruck seiner traditionellen Weisheit, begründet ist. Die tiefgründigste Motivation ökumenischer Einheit entspringt der inneren Botschaft der Religion: Suche nach Gott und nach Achtung für die Mitmenschen. Die Kirche lehrt, daß jede Form von religiöser Intoleranz und von Proselytismus das grundlegende Recht der Religionsfreiheit gefährdet. In Euren Diözesen sollte daher der interreligiöse Dialog „Teil der Sendung der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums“ (Redemptoris missio, Nr. 55) sein. Ökumenische Zusammenarbeit beginnt mit dem Dialog des Lebens, der das gegenseitige Kennenlemen und die Achtung fördert. Dies wiederum führt zum Dialog des tätigen Einsatzes, der Solidarität im kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich aufbaut. Praktische Kooperation bewirkt gegenseitige Hochachtung aller, die an Gott glauben, und bestärkt uns in dem Wunsch, von anderen zu lernen und mit ihnen zu arbeiten. Als „authentische Lehrer des Glaubens“ (Christus Dominus, Nr. 2) haben die Bischöfe die besondere Aufgabe, über der theologischen Dimension des interreligiösen Dialogs zu wachen. Insbesondere dürfen sie die Universalität und Einzigartigkeit der Erlösung in Christus nicht aus den Augen verlieren: Der eine geliebte Sohn des Vaters ist „der alleinige Erlöser von allen, jener, der allein Gott auszusagen und zu ihm zu führen vermag“ (Redemptoris missio, Nr. 5). Ein erfolgreicher interreligiöser Dialog ist auf einem Geist brüderlicher Liebe, der Achtung vor Gewissensfragen auf beiden Seiten und tiefer Wahrheitsliebe begründet. Die Situation in Indonesien erfordert Euren besonderen Einsatz, damit durch den Dialog zwischen Christentum und Islam engere Bande unter jenen geknüpft werden können, die an den einen barmherzigen Gott glauben. 8. Liebe Brüder, Ihr seid mit den Vorbereitungen der Bischofssynode für Asien beschäftigt, jene wichtige Versammlung, die den Pilgerweg Eurer Kirchen in das dritte christliche Jahrtausend führen wird. Die Synode verspricht ein bedeutender Meilenstein für die gesamte Kirche in Asien zu werden. Ebenso ist Euer Ad-li-mina-Besuch Teil Eurer Vorbereitung auf das Jubiläum des Jahres Zweitausend. Möge der Heilige Geist dem Volk Gottes in Eurem Land ermöglichen, das Große 927 AD-LIMINA-BESUCHE Jubeljahr „durch die Erneuerung seiner Hoffnung auf die endgültige Ankunft des Reiches Gottes zu feiern, die es Tag für Tag in seinem Herzen, in der christlichen Gemeinschaft, der es angehört, vorbereitet“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 46). Ich rufe Euch auf, in jenen, an denen Ihr Euren Dienst verrichtet, den authentischen Wunsch nach Umkehr und ein Verlangen nach Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist (vgl. 1 Joh 1,3) zu wecken. Ich vertraue Euch und alle Priester, die Ordensleute und die gläubigen Laien Eurer Teilkirchen der Fürsprache Marias an, deren mütterliche Vermittlung Euren Weg zum Herzen ihres Sohnes ebnet, und spende Euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Echter Dialog dient dem Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft Ansprache beim Ad-limina-Besuch der zweiten Gruppe der Bischöfe von Indonesien am 13. September Liebe Brüder im Bischofsamt 1. Von Herzen grüße ich Euch, die zweite Gruppe der indonesischen Bischöfe, zu Eurem Ad-limina-Besuch, zur Bekräftigung Eures Glaubens an den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus. Ich danke Gott für „die Freude und den Trost eurer Liebe“ (vgl. Phlm 1,7) und für die brüderlichen Bande, die uns innerhalb des Bischofskollegiums verbinden. Das dem Bischof von Rom anvertraute Hirtenamt ist ein Geschenk Gottes, das im Leben jeder Teilkirche voll zum Ausdruck kommt. Dieses Amt für die Weltkirche macht mich zum Diener an ihrer Einheit in der Wahrheit, ein in der göttlichen Barmherzigkeit verwurzelter Dienst, den ich mit meinen Brüdern im Bischofsamt teile (vgl. Ut unum sint, Nr. 88-96). In ähnlicher Weise seid Ihr in Euren Diözesen Diener und Hüter der kirchlichen Wahrheit und Einheit. In der Liebe zum Herrn Jesus Christus möchte ich Euch darin bestärken, diese Aufgabe mit all jener Verantwortung und Vollmacht auszuüben, die Euch Eure bischöfliche Weihe verleiht - eine Vollmacht, die das Evangelium deutlich von weltlicher Macht unterscheidet (vgl. Mt 20,25; Mk 10,42) - , damit das Gottesvolk Indonesiens stets mehr ein Leib, ein Geist in Christus werde. 2. Euer fünfjährlicher Bericht bestätigt, daß wir Gott danken müssen für die reiche Ernte der Berufungen zum Priester- und Ordensleben, die viele Eurer Kirchen erleben. Die innere sakramentale Gleichförmigkeit mit Christus, dem Hohenpriester, die Ihr mit Euren Priestern teilt, macht sie zu Euren wichtigsten Mitarbeitern im Dienst am Volk Gottes. Gemeinsam seid Ihr „in ganz enger Brüderlichkeit verbunden, die sich spontan und freudig in gegenseitiger Hilfe, geistiger wie materieller, pastoraler wie persönlicher Art äußert“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28). Seid das lebendige Bild des Vaters für sie; seht sie als Söhne, Brüder und Freunde; be- 928 AD-LIMINA-BESUCHE tet inständig für sie, damit der Heilige Geist sie zur vollen Erfüllung ihrer Berufung führen möge. Mehr denn je ist heute die Integration der akademischen, pastoralen und spirituellen Dimensionen der Priesterausbildung auf allen Ebenen unerläßlich. Geistliche Formung ist nicht lediglich oder sogar vornehmlich die Entwicklung pastoraler Fähigkeiten, sondern vielmehr die Erlangung von Gleichförmigkeit - in Herz und Geist - mit Jesus Christus (vgl. Phil 2,5) in denjenigen, die berufen sind, der Kirche an Christi Statt zu dienen. Da auch diejenigen, die dem Ruf des Herrn gefolgt sind, manchmal unter dem Einfluß einer allzu weltlichen Denkweise stehen, muß das Seminar den Kandidaten klarmachen, daß das Priestertum nicht als Berufswahl zur Förderung eigener Interessen angesehen werden kann. Im Gegenteil, die schlichte Lebensweise und reife Verantwortung des Priesters sollten der Haltung jener Jünger entsprechen, die alles verlassen haben, um Christus nachzufolgen (vgl. Mt 19,27). Es freut mich, daß sich Eure Seminare um die Anwendung der in dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis dargelegten Richtlinien zur Priesterausbildung bemühen. Auch das Lehrpersonal eines Seminars sollte ausschließlich unter denjenigen ausgewählt werden, die in dieser Hinsicht wirklich Ausgeglichenheit und Reife bewiesen haben. 3. Während meines Pastoralbesuchs in Indonesien vor sieben Jahren habe ich auf die wesentliche Bedeutung „der sich ergänzenden Rolle von Klerus und Laien“ (Begegnung mit dem Klerus und den Ordensleuten, 10. Oktober 1989, Nr. 5) hingewiesen. Die Priesterschaft sollte darauf achten, sich nicht die Rolle der Laien in der weltlichen Ordnung anzumaßen, und ihrerseits sollten gläubige Laien jene Art von „Klerikalisierung“ vermeiden, die die spezielle Würde des auf der Taufe und der Firmung begründeten Laienstands beeinträchtigt (vgl. Christifideles laici, Nr. 23). Ihrerseits wird die Laienschaft in dem Maß „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“ (Mt 5,13-14) sein, insoweit für ihre geistliche, theologische und sittliche Erziehung gesorgt ist. Eine solche Formung sollte auf das persönliche, familiäre und liturgische Gebet, Verantwortlichkeit für das Leben und die Sendung der Kirche und die Kenntnis ihrer Lehre Wert legen. Höhere katholische Lehranstalten haben die besondere Funktion, der Laienschaft die reiche Tradition der katholischen Soziallehre - die selbst ein wirkungsvolles Instrument der Glaubensverkündigung ist (vgl. Centesimus annus, Nr. 54) - durch Lehrgänge, öffentliche Konferenzen und die Medien zu vermitteln und bei ihrer Anwendung zu helfen. Ich kann mich lebhaft an meine Begegnung mit der Hochschulgemeinschaft auf dem Campus der Atma Jaya Universität erinnern, und erneut möchte ich hier meine Hochachtung und Ermutigung all jenen gegenüber aussprechen, die sich dieser großherzigen und gleichzeitig schwierigen Aufgabe verpflichtet haben. Eine eingehende christliche Erziehung ermöglicht der Laienschaft, mit entsprechender Motivierung und Kraft eine konstruktive Rolle im Leben der Nation zu übernehmen: Sie sehen ihre Bemühungen als Erfüllung des göttlichen Gebots, sei- 929 AD-LIMINA -BESUCHE nen Nächsten so zu lieben wie sich selbst (vgl. Mt 22,39: Christifideles laici, Nr. 42). Diese Haltung bildet das Grundelement für die „Pancasila“-Philosophie, jene Prinzipien, die nationale Einheit, religiöse Toleranz und Gerechtigkeit unter den zahlreichen verschiedenen Gemeinschaften Eures großen Landes fördern. Die Katholiken Indonesiens, sowohl den christlichen Prinzipien als auch den charakteristischen Werten ihrer eigenen Kultur treu folgend und in Zusammenarbeit mit den Anhängern anderer religiöser Traditionen, werden auch weiterhin ihren Beitrag zum Aufbau einer Gesellschaft leisten, die fähig ist, die Würde aller Bürger zu wahren und zu achten. Sie setzen sich besonders in schwierigen und komplexen Situationen dafür ein, zur ganzheitlichen Entwicklung der Nation beizutragen. In diesem Zusammenhang werden wir an die tragischen Ereignisse erinnert, zu denen es unlängst in Jakarta kam und die allen, denen das Wohl Indonesiens wirklich am Herzen hegt, Sorge und Leid brachten. Während wir für die Opfer und all diejenigen beten, die aufgrund dieser traurigen Ereignisse in irgendeiner Weise Leid erdulden müssen, wollen wir hoffen, daß jeder jener tiefen Überzeugung folgen wird, von der ich während meines Besuchs in Eurem Land gesprochen habe: „Ihre nationale Tradition lehrt hingegen, daß die sicherste Gmndlage für eine bleibende Einheit und eine Entwicklung als Nation die Hochschätzung des menschlichen Lebens, der unveräußerlichen persönlichen Rechte des Menschen und der Freiheit verantwortungsbewußter Bürger ist, die ihr Geschick als Nation zu bestimmen verstehen“ (Ansprache beim Staatsempfang, Jakarta, 9. Oktober 1989, Nr. 2). Laßt uns beten, daß sich diese Überzeugung weiterhin entfalten und sich eine allgemeine Bereitschaft durchsetzen wird, um im Geist der Wahrheit und der Gerechtigkeit eine friedliche Lösung der herrschenden Spannungen herbeizuführen. 4. Indem Ihr Euch einer sich verändernden Gesellschaft anpaßt, habt Ihr als Hirten Eure Aufmerksamkeit in zunehmendem Maße auf das Familienleben gerichtet, einschließlich auf die traditionelle erweiterte Familie - eine Gemeinschaft von Generationen -, die in vielen Teilen Eures Landes noch stark verwurzelt ist. Wesentlich ist vor allem die Vorbereitung junger Menschen auf die Ehe, eine Vorbereitung, die ein echter „Glaubensweg sein sollte..., eine hervorragende Gelegenheit, daß die Verlobten den Glauben, den sie in der Taufe empfangen haben,... neu entdecken und vertiefen“ (Familiaris consortio, Nr. 51). Das Wohl der Gesellschaft setzt die Förderung und Festigung der Würde und der besonderen Aufgabe der Frauen voraus, die zu wirklicher Gleichberechtigung führt, einschließlich der „Gleichheit der Eheleute im Familienrecht und die Anerkennung von allem, was mit den Rechten und Pflichten des Staatsbürgers in einer Demokratie zusammenhängt“ {Brief an die Frauen, 29. Juni 1995, Nr. 4). Überall in der Welt hofft und betet die Kirche dafür, daß Frauen den Weg für die Begründung einer Kultur des Lebens weisen werden, die der Heiligkeit der menschlichen Person entspricht. Eine schwere Herausforderung an Euer Amt im Zusammenhang mit der Familie ist in der Tat die Gefahr, die aggressive, in einer utilitaristischen Bewertung des 930 AD-LIMINA-BESUCHE Lebens verwurzelte Programme zur Geburtenkontrolle darstellen. Einerseits gesteht die Kirche den staatlichen Behörden das Recht zu, „auf das Bevölkerungswachstum einzuwirken“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2372), anderseits betont sie aber auch, daß „solche Initiativen immer die vorrangige und unveräußerliche Verantwortlichkeit der Ehegatten und der Familien ... respektieren“ und die Anwendung von Methoden „die die Person und ihre Grundrechte mißachten“ ausschließen müssen (vgl. Evangelium vitae, Nr. 91). Jenen Werbekampagnen zur Geburtenkontrolle, die Eheleute in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht unter Druck setzen und sie ihrer Würde und Freiheit berauben, muß die katholische Gemeinde durch die Verteidigung der Wahrheit über die eigentliche Natur und Bedeutung der ehelichen Liebe und die Verbreitung von Methoden zur Fruchtbarkeitsregelung, die dieser Wahrheit entsprechen, entgegentreten. Diese kurzen Gedanken zum Thema der Familie wären unvollständig ohne den Hinweis auf eine Herausforderung, die Euch als Hirten zweifellos am Herzen liegt: die Weitergabe des Evangeliums Christi an die Jugend Indonesiens. Führt sie auf dem Weg der „Heiligkeit und Gerechtigkeit“ (Lk 1,75). Lehrt sie, die Evangelisatoren ihrer eigenen Generation zu sein. Geht auf ihre Erwartungen, ihre Zweifel, ihre inneren Konflikte, auf ihre begründete Kritik ein. Vor allem aber, lehrt sie zu beten - mit reinem Herzen, lebendigem Glauben, vollem Vertrauen und steter Wachsamkeit. 5. Ordensmänner und -flauen, dem Beispiel jener hingebungsvollen Missionare folgend, die das Kreuz auf eure Inseln brachten, sind auch weiterhin, insbesondere durch ihre Fürsprache, ihr unermüdliches Trachten nach Heiligkeit, ihre Brüderlichkeit und ihren apostolischen Eifer, von unerläßlicher Bedeutung für den Evangelisierungsauftrag. In einem Land so vieler verschiedener Volksgruppen ist gemeinschaftliches brüderliches Leben ein vielsagender Beweis für die Einheit des Gottesvolkes, „denn ihr alle seid ,einer4 in Christus Jesus“ (Gal 3,28). Insbesondere im Licht der ehrwürdigen Traditionen des Jubeljahres werden die Ordensleute herausgefordert, sich auf stets hochherzigere Weise dem Dienst an den Armen und Notleidenden, den Verlassenen und Ausgestoßenen hinzugeben. Ihrem Gründungscharisma entsprechend, sollten Ordensgemeinschaften Würde und Rechte der Menschen verteidigen und fördern. Das ist keine Aufforderung zu politischem oder rein humanitärem Engagement, sondern vielmehr ein Aufruf zu authentischem Dienst für die Glaubens Verkündigung: um den Armen, den Gefangenen und den Unterdrückten eine gute Nachricht zu bringen (vgl. Lk 4,18), damit sie „in den Tiefen Gottes verweilen“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 8) und am Leben des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes teilhaben (vgl. Joh 17,3). Für jene Institute, die rechtlich der Diözese unterstellt sind, sollten die Bischöfe auf persönliche und umsichtige Weise durch die Förderung von Berufungen und die einsichtige und wohlüberlegte Auswahl der Kandidaten Sorge tragen. Für das Wohl der Kirche müssen wir uns bemühen, damit alle Ordensleute, Männer und 931 AD-LIMINA-BESUCHE Frauen, eine gründliche und ganzheitliche menschliche, theologische, spirituelle und pastorale Ausbildung erhalten. Natürlich ermutige ich die sich anbahnende Intensivierung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen der indonesischen Bischofskonferenz und der Vereinigung der Höheren Ordensoberen. Ein herzlicher und offener Dialog ist Ausdruck echter kirchlicher Liebe und dient dem Aufbau der Gemeinschaft der Kirche Gottes, die sowohl hierarchischer als auch charismatischer Natur ist. Liebe Brüder! Auf der Schwelle des Großen Jubiläums sollten wir davon überzeugt sein, daß dieses Gedenken der erlösenden Inkarnation „Gottes, der in Person kommt, um zum Menschen über sich zu sprechen und ihm den Weg zu zeigen, auf dem er ihn erreichen kann“ (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 6), eine Gelegenheit tiefer innerer Erneuerung in der Kirche sein muß. Er, der war und ist und kommt (vgl. Offb 4,8), fordert jeden einzelnen Menschen und jede Gemeinschaft zu einer radikalen inneren Umkehr auf. In der noch verbleibenden Zeit wird jeder Hirte in seiner Diözese und im gemeinschaftlichen Rahmen der Bischofskonferenz bestrebt sein, durch intensiveres Beten, theologische Bildung und solidarische Annahme des Nächsten das gesamte Gottesvolk Indonesiens für die Gnadengaben dieses „Gnadenjahres des Herrn“ (vgl. Jes 61,2) vorzubereiten. Möge Maria, Mutter des Erlösers und Mutter der Kirche, Euch - und alle in Euren Diözesen, die ich herzlich grüße - auf Eurer Reise zur Begegnung mit dem Herrn, der bald kommt (vgl. Offb 22,20), begleiten. Mit meinem Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, 13. September 1996 Angewandte Soziallehre der Kirche trägt zur Gesundung des Landes bei Ansprache beim Ad-limina-Besuch der kolumbianischen Bischöfe der Kirchenprovinzen Bogota, Zunja und Ibague am 30. April Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich preise den Herrn und danke ihm von ganzem Herzen, daß er es mir gewährt, mit Euch, den Bischöfen der Kirchenprovinzen von Bogota, Tunja und Ibague, zusammenzutreffen, die Ihr zum Ad-limina-Besuch gekommen seid. Mit Freude empfange ich Euch; und durch Euch werden auch die Erinnerungen an die Gläubigen Eurer Diözesen und überhaupt an alle Kolumbianer wieder wachgerufen. Ich danke Msgr. Pedro Rubiano Säenz, Erzbischof von Bogota und Vorsitzender der Kolumbianischen Bischofskonferenz, für die Worte, die er an mich gerichtet und damit auch die Wünsche eines jeden von Euch ausgesprochen hat. Er hat die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, die Euch anspomt, mit pastoraler Liebe und 932 AD-L1M1NA-BESUCHE entschiedenem Eifer die Herausforderungen anzugehen, die die momentane Situation der Tätigkeit der Kirche stellt. 2. Die Feiern anläßlich des 500. Jahres seit der Ankunft des Glaubens auf dem geliebten amerikanischen Kontinent haben zur „Neuevangelisierung“ angeregt. Sie ist keineswegs eine isolierte Strategie zu einem gewissen Zeitpunkt im Dasein der Kirche, sondern ein nie endender Prozeß. Dieser Prozeß sucht einerseits den Glauben der katholischen Christen zur Reife zu bringen und anderseits die Kultur der Völker mit dem Licht und der Lebenskraft des Evangeliums zu erfüllen. Deshalb müssen wir mit erneuter Kraft ans Werk gehen, damit unsere Gläubigen und unsere Gemeinschaften echte Zeugen der transzendenten Wahrheit sind, die das neue Leben in Christus birgt. Christliche Reife beinhaltet auch die persönliche Annahme des Gnadengeschenkes und, daß wir allen, die nach der Hoffnung fragen, die uns erfüllt, Rede und Antwort stehen (vgl. 1 Petr 3,15). Sie bedeutet Feier der Liturgie und der übrigen heiligen Handlungen, Überwindung des Bruches zwischen Glauben und Leben, Bereitschaft zur Nächstenliebe und zum Einsatz für die Gerechtigkeit, verantwortungsvolles Eintreten für die Konsolidierung der eigenen kirchlichen Gemeinschaften und schließlich glühenden apostolischen Eifer, der dazu führt, die eigenen Glaubenserfahrungen durch die Mission weiterzugeben. Mit einem Wort, christliche Reife ist auf die totale Verwirklichung der persönlichen und gemeinschaftlichen Existenz in der Nachfolge Jesu ausgerichtet. Wir sind uns alle der hohen Pflicht bewußt, die Gläubigen durch einen organischen und progressiven Evangelisierangsprozeß zur Reife im Glauben zu führen. Angesichts der gegenwärtigen Situation der Kirche in Eurer Heimat und angesichts des ständigen Vormarsches einer immer mehr säkularisierten Kultur richte ich wiederum die Einladung an Euch, das kommende Jahr für die „Wiederentdek-kung der Taufe als Grundlage der christlichen Existenz“ (Tertio millennio adve-niente, Nr. 41) zu nutzen, so daß die Gläubigen, wenn sie sich auf dieses Sakrament besinnen, mit erneuter Kraft an Christus, dem Herrn, festhalten, dem einzigen Licht, das den Weg der Menschen erleuchten kann. 3. Da die Evangelisierung die grundlegenden Werte, die Denkrichtungen und Wertekriterien erleuchten und eine Änderung in jenen Lebensmodellen hervorru-fen muß, die im Widerspruch zu den christlichen Prinzipien stehen, rufe ich Euch, geliebte Brüder, dazu auf, mit klarer Unterscheidungsgabe und im Lichte des Wortes Gottes adäquate Antworten und gesunde Initiativen vorzulegen. Sie sollen es der Kirche ermöglichen, ihre Mission in der kolumbianischen Gesellschaft zu erfüllen, die in diesem Abschnitt ihrer Geschichte vielen Veränderungen ausgesetzt ist. Die neue Nationalverfassung versucht in Kolumbien die bürgerlichen und rechtlichen Strukturen zu reorganisieren; die sozialen und politischen Vorgänge bringen neue Weltanschauungen und Wertehierarchien mit sich, die Erziehung führt bei den Jugendlichen zu einer neuen Mentalität. Auf diese Herausforderun- 933 AD-L1M1NA -BES UCHE gen muß die Kirche mit einer wagemutigen Evangelisierungstätigkeit antworten, die neu ist im Handeln, Bemühen und Planen. Die Kirche hat präsent zu sein in einer Zeit, in der alte Formen verfallen und absterben, die dem Menschen zur Meinungsbildung dienten und die ihm zum Maßstab seines Lebensstils wurden. Die Kirche muß die auf dem Weg zum Dritten Jahrtausend neu aufkommenden kulturellen Strömungen inspirieren. Wir dürfen mit der befreienden Botschaft Jesu Christi nicht zu spät zu einer Gesellschaft kommen, die sich in einem dramatischen und leidenschaftlichen Augenblick ihres Daseins zwischen tiefgreifende Bedürfnisse und enorme Hoffnungen gestellt sieht. Es geht hier um eine sozio-kulturelle Konjunktur, die sich als eine vorzügliche Gelegenheit darstellt, um weiterhin die christlichen Werte in das Leben eines Volkes zu inkamieren und alle Lebensbereiche mit der Botschaft der vollen Erlösung zu erfüllen. Kein Aspekt, keine Situation, keine menschliche Realität darf von der Evangelisierungsmission ausgeschlossen bleiben. Angesichts der von Euch selbst kürzlich erstellten besorgniserregenden Diagnose, daß das Land „moralisch krank“ (vgl. Botschaft der CEC, 16. März 1996, Nr. 2) ist, fordere ich Euch auf, daß Eure Evangelisierungstätigkeit unverzüglich und mit neuer Kraft eine moralische Ausrichtung annimmt. Angesichts der Gefahr eines Relativismus hinsichtlich der Wahrheit und der Sitten, angesichts der herrschenden Säkularisierungstendenz, angesichts von Korruption, Ungerechtigkeit und Gewalt, die die Fundamente des menschlichen Zusammenlebens selbst erschüttern, ist die moralische Frage in ganz besonderer Weise dringlich. Die Kirche, die sich selbst als „Experte in Sachen Menschlichkeit“ (vgl. Populo-rum progressio, Nr. 13) definiert hat, erfüllt ihre Mission am Menschen, wenn sie die traurige Verlegenheit der menschlichen Person feststellt, die oft nicht mehr weiß, wer sie ist, woher sie kommt und wohin sie geht; was zu Situationen fortschreitender Selbstzerstörung führt. Die Kirche erfüllt ihre Mission dann, wenn sie vor aller Augen die Abwertung der Person, die Verletzung der fundamentalen Menschenrechte und die ungerechte Zerstörung der für ein würdiges Dasein notwendigen Güter denunziert; oder wenn der Mensch, was noch wesentlich schlimmer ist, bezweifelt, daß er allein in Christus die Erlösung finden kann und die Kirche ihn darauf hinweist. Die Kirche darf sich in ihrer Antwort auf die Frage nach der Wahrheit über den Menschen der Verpflichtung nicht entziehen, der Gesellschaft den Weg zum wahren Guten zu zeigen. Daher muß sie ohne zu schwanken die moralischen Normen proklamieren, die den Menschen den Weg der authentischen Freiheit garantieren, ihre unverletzliche Würde schützen und helfen, das Sozialgeflecht zu erhalten und zu dessen rechter und fruchtbringender Entwicklung beizutragen. In diesem Sinne bringen die fundamentalen Moralregeln des sozialen Lebens einige Anforderungen ins Spiel, denen sich sowohl die öffentliche Macht als auch die Bürger stellen müssen. Besonders in diesem Augenblick in der Geschichte Kolumbiens ist es dringlich, an die Beachtung der moralischen Prinzipien zu erinnern, sind sie doch 934 AD-LIMINA-BESUCHE das Fundament des politischen Zusammenlebens, ohne welche das soziale Leben fortschreitend gefährdet, bedroht und der Auflösung nahe gebracht wird (vgl. Veritatis splendor, Nr. 101). 4. Aber damit die Wahrheit die Intelligenz erleuchte und die Freiheit der Menschen und Völker forme, ist es zu allererst notwendig, daß der „Glanz der Wahrheit“ sich im Leben der Kirche manifestiert. Dies wurde in der Dritten Allgemeinen Bischofskonferenz Lateinamerikas zum Ausdruck gebracht, wo es hieß, daß „ohne das Zeugnis einer bekehrten Kirche unsere Worte als Hirten eitel wären“ (vgl. Puebla, 1221). Es bedarf daher also einer tiefen und dauernden Umkehr, um im Namen und mit der Autorität Jesu Christi ein Volk ermahnen, lehren, korrigieren und stärken zu können, das hinsichtlich der moralischen Objektivität im Ungewissen ist. Die Kirche ist die erste, die angesichts des Auseinanderklaffens von Glauben und Leben in Gesellschaft dazu berufen ist, durch das tägliche Zeugnis ihrer Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien zu zeigen, daß „der Glaube auch einen sittlichen Inhalt besitzt: Er schafft und verlangt ein konsequentes Engagement des Lebens; er unterstützt und vollendet die Annahme und Einhaltung der göttlichen Gebote“ ('Veritatis splendor, Nr. 89). Deshalb möchte ich Euch dazu ermutigen, das, was Ihr in eurem „Globalen Pastoralplan 1993-1999“ geschrieben habt, auch in die Tat umzusetzen. Ruft dazu auf, dem neuen Jahrtausend so entgegenzugehen, daß die Berufung zur Heiligkeit im Antlitz der Kirche widerstrahlt. Das verlangt Änderungen in der Lebensweise, in den Meinungen und pastoralen Methoden, in der Art und Weise, in der Gesellschaft gegenwärtig zu sein, und in den Zielsetzungen und Aktivitäten vieler kirchlicher Einrichtungen. Änderungen, die zu fördern angebracht ist, denn nur das Leben in der Wahrheit läßt fest in der Autorität und Freiheit stehen, um das neue Leben in Christus anzukündigen, und in der Fähigkeit, die Lüge zu denunzieren, die auf vielfältige Weise versucht, sich in unseren Herzen einzunisten; und es bringt den notwendigen Mut mit sich, „damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird“ (1 Kor 1,17). 5. Eine weitere seelsorgliche Herausforderung, die den höchsten Einsatz unserer pastoralen Anstrengungen fordert, ist die Familie. Ich hatte ja bereits Gelegenheit, anläßlich des Jahres der Familie zu schreiben, daß „unter den zahlreichen Wegen die Familie der erste und wichtigste Weg ist. Ein gemeinsamer Weg, und doch ein eigener, einzigartiger und unwiederholbarer Weg, so wie jeder Mensch unwiederholbar ist; ein Weg, von dem kein Mensch sich lossagen kann“ (Brief an die Familien, Nr. 2). Ihr kennt gut die Gefährlichkeit der vielförmigen Bedrohungen, die die Familie überall zu erdulden hat, und was Ihr besonders in Euren eigenen diözesanen Gemeinschaften feststellen konntet. Die Ausbreitung der Scheidung, die so gar von nicht wenigen Katholiken als ein legitimer Ausweg gesehen wird, und der Gesetzesvorschlag bezüglich der Legalisierung der Abtreibung, der fälschlicherweise 935 AD-LIMINA-BES U CHE den Anspruch erhebt, diesem in seiner Häufigkeit steigenden, schrecklichen und „verabscheuungswürdigen Verbrechen“ (Gaudium et spes, Nr. 51) Recht zu verschaffen, sind Übel, zu denen sich u. a. die schmerzhafte Problematik der immer schneller um sich greifenden Desintegration der Familie gesellt, die im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte in Kolumbien immer häufiger festzustellen war, sowie das alarmierende Anwachsen der Prostitution und der Gewalt, die auf verschiedene Weise so viele Familien betrifft, ferner der Mangel an Vorbereitung und Pflichtbewußtsein seitens der Eltern, um ihren Kindern eine wahre christliche Bildung zu gewährleisten, und die kulturelle, soziale und wirtschaftliche, wirklich unmenschliche Situation, in der so viele Familien leben. Aber „trotz der Probleme, die in unseren Tagen die Ehe und die Familie als Institution belasten, kann dieselbe als erste vitale Keimzelle der Gesellschaft große Energien freisetzen, die für das Wohl der Menschheit notwendig sind. Daher muß man mit Freude und Überzeugung die Frohbotschaft von der Familie verkünden“ (Ansprache in Santo Domingo, 12. Oktober 1992, Nr. 18). Es ist eine fundamentale Wahrheit, daß die Ehe und die Familie nicht nur vorübergehende Zeiterscheinungen sind, wie die Mode und die sich ständig ändernden Gewohnheiten einer Gesellschaft, sondern daß sie von Gott kommen. In diesem Licht muß die wesentliche Beziehung der Familie zu ihrem göttlichen Ursprung betrachtet werden, in welchem die menschliche Liebe durch das Sakrament der Ehe getreu die göttliche Liebe widerspiegeln und seine schöpferische Macht verlängern will, indem sie für die Einheit, die Unauflöslichkeit und die Treue der Eheleute einsteht. 6. Ich weiß, daß Ihr wiederholt als Bischöfe in wichtigen Augenblicken die Gelegenheit wahrgenommen habt, verteidigend und fördernd für die Institution Familie einzutreten. Da sich diese Problematik beständig zuspitzt, ist eine objektive Bewertung der Ursachen notwendig, damit die Evangelisierung eine bessere Unterweisung der Gläubigen begünstige und gleichzeitig die Stimme der Kirche in ihrem sozialen, kulturellen und juridischen Umfeld zu Gehör bringt, Lebensbereiche, die die Institution Familie bewahren sollen. Es ist also dringend angebracht, noch intensiver und tiefer darüber nachzudenken, was unter den gegenwärtigen Umständen dazu verhelfen soll, ein Familienmodell zu schaffen und zu fördern als einen echt menschlichen Kern, der die Werte des Evangeliums verkörpert und sie dann auch als Grundlage einer neuen Gesellschaft ausstrahlt. Wenn in der Familie die Zukunft der Menschheit geschmiedet wird, dann darf auch nicht an Kräften gespart werden, um eine eher organische wagemutige Pasto-ral zu fördern, durch die wir imstande sind, die Jugend auf die Ehe vorzubereiten; eine kreative Pastoral, um die „unvollständigen Familien“ zu unterstützen und ihnen zu helfen, die leider in Eurem Land von Tag zu Tag zunehmen; eine Pastoral der ständigen Begleitung der katholischen Eheleute, die inmitten der Attacken einer permissiven und materialistischen Gesellschaft darum kämpfen, ihr Heim gemäß dem Vorhaben Gottes aufzubauen; eine Pastoral der spirituellen Begleitung, 936 AD-LIMINA-BES UCHE die auch die besondere Situation der Geschiedenen, der getrennt Lebenden und derer, die unverheiratet Zusammenleben, in Betracht zieht; eine koordinierte Pasto-ral, die es schafft, alle Kräfte zu vereinen und das gesamte Potential so vieler apostolischer Initiativen und Bewegungen zu nutzen, die effektive Antworten auf all die Probleme geben, die die kolumbianischen Familien bedrängen. Die dramatische Situation, welche die Familie durchmacht, ist in gewissem Sinne die Ursache, aber auch eine Konsequenz der Kulturkrise, die wir derzeit erleben. Dies führt uns zu dem Gedanken, daß es nur folgerichtig ist, die Familienpastoral im weiteren Rahmen der Neuevangelisierung zu situieren. 7. Ich würde mir wünschen, daß dieses Treffen einen wahren Ansporn hervorruft, der in einem jeden einzelnen von Euch die Hingabebereitschaft belebt und immer mehr zur Fülle bringt, ganz besonders innerhalb Eurer Herde; auch wünsche ich mir, daß ihr zur gleichen Zeit gemeinsam mit mir „die Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) teilt im Bemühen um gemeinsame Verteidigung des Erbes menschlicher und christlicher Werte. Gewiß könnten Eure Anstrengungen scheinen, als stünden sie in keinem Verhältnis zu der ungeheuren Missionsaufgabe, die auf Euren Schultern lastet, aber unsere Anstrengung hat stets ihren Rückhalt in Christus, den wir ja als den Glorreichen und Sieger über das Böse sehen, ganz besonders in dieser freudenreichen Osterzeit. Er sendet uns aus und verspricht uns, daß wir „mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werden“ (Lk 24,49). Daher ist mein letztes Wort auch ein Wort des sicheren Vertrauens auf das Versprechen des Obersten Hirten: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen“ (Lk 21,19). Mit diesen Wünschen und in dieser Hoffnung bitte ich um den Beistand der Heiligsten Jungfrau von Chiquinquirä, die das kolumbianische Volk ja so sehr liebt und verehrt, und ich erteile Euch und allen Mitgliedern Eurer kirchlichen Gemeinschaften von Herzen den Apostolischen Segen. Priesterbildung ist wesentliche Aufgabe des Bischofs Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Kolumbien (Kirchenprovinzen Cartagena, Barranquilla, Nueva Pamplona und Bucaramanga sowie des Militärordinariates) am 11. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist für mich ein Grund zur Freude, Euch hier beim Besuch des Nachfolgers Petri begrüßen zu können. Ihr Bischöfe der Kirchenprovinzen Cartagena, Barranquilla, Nueva Pamplona und Bucaramanga sowie des Militärordinariates seid nach Rom gekommen, um die Gräber der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu verehren, und um erneut die tiefe Gemeinschaft mit diesem Apostolischen Stuhl zu bekunden. 937 AD-LIMINA-BESUCHE Diese Gemeinschaft wird durch den Umstand manifestiert und gestärkt, daß Ihr mit dem Bischof von Rom Freude und Hoffnungen, Erfahrungen und Schwierigkeiten Eures Bischofsamtes in diesen Tagen der Begegnung und Reflexion teilt. Diese Tage sollen die Einheit in demselben Glauben, in derselben Hoffnung und Liebe festigen sowie immer mehr den unermeßlichen Schatz an spirituellen und moralischen Werten, den die Kirche in der ganzen Welt verbreitet, bekannt zu machen und zu würdigen (vgl. Pastor bonus, Anhang 1,3). Durch Euch möchte ich auch gleichzeitig den gesamten Klerus, die religiösen Gemeinschaften und die Laien Eurer Diözesen grüßen, und ich möchte ihnen ebenso Gnade und reichen Frieden in unserem auferstandenen Herrn wünschen (vgl. 1 Petr 1,2). Ich danke für die liebenswürdigen Worte, die der Erzbischof von Cartagena, Msgr. Carlos Jose Ruiseco Vieira, an mich gerichtet und mit denen er mir das Wohlwollen aller zum Ausdruck gebracht hat. Ebenso danke ich für Eure aufrichtige Treue und für die unermüdliche Hingabe in dem Euch anvertrauten Amt. Ihr übt es aus, indem Ihr das Volk Gottes in Kolumbien auf seinem Weg unterweist, heiligt und leitet. 2. Die Anwesenheit und der Einsatz der Priester und Laien in der Diözesange-meinschaft ist ein grundlegender Aspekt, da er einerseits zur kirchlichen Natur und Struktur gehört und anderseits zur Verkündigung des Evangeliums gehört. Sie wäre nicht möglich ohne den Dienst geeigneter Hirten und das Zeugnis und Wirken gut ausgebildeter Laien in den verschiedenen Bereichen des Apostolats. Die Sendung der Priester und der Laien innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft entspricht einer vom Herrn als Geschenk empfangenen Berufung: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Die Initiative geht immer von Gott aus, der von denen, die er erwählt hat, die Antwort eines großzügigen Einsatzes in jedem Moment des Daseins erwartet. Die verschiedenen Berufungen, in denen das kirchliche Leben zum Ausdruck kommt, haben an einer gemeinsamen Würde teil; denn alle sind sie ein Ruf zur Heiligkeit und wirken zusammen zum Aufbau des einen Leibes Christi, je nach den verschiedenen Gaben, die ein jeder vom Heiligen Geist empfangen hat (vgl. Röm 12,3-8). Die gleiche Würde aller Glieder der Kirche widerspricht jedoch nicht der Verschiedenheit der Formen, denn der Heilige Geist erbaut die Kirche als eine Gemeinschaft in der Verschiedenheit der Berufungen und Dienstämter (vgl. Vita consecrata, Nr. 31). Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt ja: „Damit die Gläubigen zu einem Leib, in dem ,nicht alle Glieder denselben Dienst verrichten“ (Röm 12,4), zusammenwachsen, hat der gleiche Herr einige von ihnen zu amtlichen Dienern eingesetzt. Sie sollten in der Gemeinde der Gläubigen heilige Weihevollmacht besitzen“ (Pres-byterorum Ordinis, Nr. 2). Über die Taufweihe hinaus, erhalten die Priester noch eine Weihe, um als Mitarbeiter des Bischofs den apostolischen Dienst durch die Zeiten hindurch fortzusetzen. So wird in harmonischem Zusammenwirken der 938 AD-LIMINA-BESUCHE kirchlichen Geistesgaben den Laien und den Priestern die Mission anvertraut, die eine oder die andere Dimension des einen Mysteriums Christi zu offenbaren: den Laien, daß sie inmitten der alltäglichen Realität das Evangelium verkünden, und den Priestern, daß sie das Volk Gottes stärken durch die Lehre des Wortes, die Verwaltung der Sakramente und die Ausübung der zum Dienste an der kirchlichen Gemeinschaft bestimmten Weihegewalt. 3. Die Ausbildung und Sorge für die Priester war ein ständiges Anhegen in der Geschichte der Kirche. Ein selbstverständliches Anhegen, wenn man an die unermeßliche Sendung denkt, die den Priestern anvertraut wurde, um die Kirche aufzubauen, und an ihre Verantwortung als lebendige Werkzeuge Christi. Das veran-laßte die Konzilsväter zu der Aussage, daß „sie als Priester in besonderer Weise zum Streben nach der Vollkommenheit verpflichtet“ sind (ebd., Nr. 12). Angesichts der kirchlichen, sozialen und kulturellen Herausforderungen, die sich heutzutage in Kolumbien stellen, und die unbedingt Gegenstand der Neuevangelisie-rung sein müssen, lege ich Euch ans Herz, als Bischöfe all Eure Energie der dringenden Aufgabe der Priesterausbildung zu widmen und so dem Beispiel des Herrn zu folgen, der ja auch einen Großteil seines öffenthchen Wirkens damit verbacht hat, die Apostel vorzubereiten (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 1-10). Ihr kennt die Lücke, die die Übergangsperiode in einem Teil Eures Klerus hinterlassen hat, und die Schwierigkeiten, die die Priester jeden Tag zu bewältigen haben. Deshalb muß man auch ohne Umschweife das pastorale Augenmerk auf die Priester lenken, als auf eine der ersten Verantwortungen eines jeden Bischofs in seiner Teilkirche. Es ist eine wahre Herausforderung für die Bischofskonferenz sowie für einen jeden Bischof, in diesem Bereich nach entschiedenen, geeigneten und wirksamen Antworten zu suchen und sie anzuwenden, wie Ihr das ja auch zu Recht in Eurer letzten Vollversammlung im vergangenen Jahr getan habt. Die Priester sind Eure ersten und unersetzlichen Mitarbeiter, da sie die unmittelbarsten „Verwalter der Mysterien Christi“ (vgl. 1 Kor 4,1) sind. Ihr sollt sie immer mehr heben. Gibt es doch keinen Aufgabenbereich, in dem ein Bischof fruchtbarer seine Zeit, sein Herz und all seine Aktivität einsetzen könnte als im Heranbilden, Anhören und Ermutigen seines Klerus. Es ist notwendig, die Priester in ihren Sorgen und Nöten zu unterstützen. Mit Umsicht und pastoraler Liebe sollt Ihr schwierigen Situationen vorbauen. Versucht Lösungen für die moralischen Probleme zu finden, von denen einige von ihnen angefochten sind. Trefft präzise Maßnahmen angesichts eines verweltlichten Lebensstiles sowie der Teilnahme an politischen Tätigkeiten und Aufgaben. 4. Auch möchte ich eingehen auf die Auswahl und Ausbildung der Priesteramtskandidaten. Es ist mir ein Trost zu wissen, daß Ihr in Kolumbien ernsthafte Anstrengungen zur Förderung der Priesterberufungen unternehmt, und dies mit beachtlichen Ergebnissen, die die Seele mit Freude und Hoffnungen erfüllen. Es ist für Euch eine große Herausforderung, denn Ihr wißt ja wohl, daß von der Qualität 939 AD-LIMINA-BES U CHE der Ausbildung, die Ihr denen zukommen laßt, die die Hirten des nächsten Jahrhunderts sein werden, die Zukunft der Kirche Eures Landes zum großen Teil abhängt. Es ist in der Tat nicht genug, daß die Anzahl der jungen Priester weiter ansteigt, sondern es ist wirklich notwendig, vor allem auf ihre Ausbildung zu achten, denn diese ist stets die Garantie für die apostolische Fruchtbarkeit, während eine unvollständige Ausbildung häufig Schwierigkeiten und Leid für das Leben in den Diözesangemeinschaften und für die Priester selbst mit sich bringt. Wenn bestimmte günstige Gegebenheiten einige Jugendliche dazu bewegen können, sich für das Priestertum als persönliche Selbstbestätigung oder sozialen Aufstieg zu entscheiden, dann müßt Ihr Euch der schwerwiegenden Verantwortung bewußt sein, die im Hinblick auf deren Auswahl auf Euch lastet. Diese muß unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien stattfinden, wie zum Beispiel: die familiären Verhältnisse des Kandidaten, seine menschlichen Qualitäten, seine offensichtliche Haltung des Dienens, seine Verbundenheit mit der Kirche durch die Pfarrei oder durch Gruppen des Apostolats und dergleichen. Es ist somit nicht angebracht, Jugendliche in das Seminar aufzunehmen, die unangemessene Berufungsmotivationen aufweisen oder noch nicht in einen ernsthaften Prozeß spiritueller Unterscheidung oder Reife eingetreten sind. An diesem Punkt ist es mir auch ein Anliegen, die Initiative zu unterstützen, die verschiedene Bischöfe Kolumbiens bereits unternommen haben, nämlich ein eigenes Seminar in ihrer jeweiligen Umgebung zu errichten. Dabei geht es nicht nur um eine legitime, sondern auch um eine wirklich lobenswerte Wahl. Trotz allem ist es nützüch, in solchen Fällen an die Lehre des Evangeliums zu erinnern, das uns anhält, mit Umsicht Kräfte einzuteilen und Mittel zu bemessen (vgl. Lk 14,28-32). Tatsächlich wird eine Zunahme an Priesterseminaren, die aber dann in den verschiedenen Diözesen die entsprechenden pastoralen und unterweisenden Strukturen entbehren würden - Strukturen, die den Weg der Vorbereitung auf das Priestertum erleichtern und unterstützen -, die Probleme und Schwierigkeiten nicht lösen können, die Ihr selbst jetzt in den Seminaren und der Priesterschaft Kolumbiens entdeckt habt. 5. Ein anderes in Betracht zu ziehendes Thema ist die Präsenz und die spezifische Rolle der Laien der diözesanen Gemeinschaft. Diesbezüglich hat die Dritte Allgemeine Lateinamerikanische Bischofskonferenz ihre Identität als Menschen der Kirche im Herzen der Welt und als Menschen der Welt im Herzen der Kirche dargestellt (vgl. Dokument von Puebla, 786). Besonders in letzter Zeit wurden die Laien zusammengerufen, um an der Gemeinschaft und am Leben der Kirche teilzunehmen, wie es das Zweite Vatikanische Konzil in seinem immer noch aktuellen, so kraftvollen Aufruf getan hat: „Das Heilige Konzil beschwört also im Herrn inständig alle Laien, dem Ruf Christi, der sie in dieser Stunde noch eindringlicher einlädt, und dem Antrieb des Heiligen Geistes gern, großmütig und entschlossen zu antworten ... damit sie sich in den verschiedenen Formen und Weisen des einen Apostolats der Kirche, das dauernd den Bedürfnissen der neuen Zeiten anzupassen 940 AD-LIMINA-BES UCHE ist, als seine Mitarbeiter einweisen. So wirken sie alle Zeit und mit aller Kraft für das Werk des Herrn; dabei wissen sie wohl, daß ihre Mühe nicht vergebens ist im Herrn“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 33). Die Ausbildung und Organisation der Laien ist von äußerster Wichtigkeit. Die Laienschaft muß neu belebt werden. In ihr müssen sich großzügige, gute Menschen zusammenfinden, geistig jung und stark, Männer und Frauen, denen es an Denk- und Tatkraft nicht mangelt, und die willens und fähig sind, die kolumbianische Gesellschaft mit christlichem Geist zu beleben. Die katholischen Laien Kolumbiens sind heute mehr denn je dazu berufen, einen entscheidenden Beitrag zur moralischen Neugestaltung des Landes, zur Suche und Förderung des Allgemeinwohles und zur Verwurzelung und Verteidigung der christlichen Werte zu leisten. Das ist eine sehr beunruhigende Sorge, die ich im Herzen trage, und die ich Euch heute bei diesem Zusammentreffen eurer pastoralen Verantwortung anvertrauen möchte. Es ist notwendig, die Kräfte zu vervielfachen, um so den Laien eine solide, organische und ständige Weiterbildung zukommen zu lassen, die sie dazu befähigt, Künder des Evangeliums zu sein. Das ist eines der Erfordernisse, um auf lebendige und in ihrer Mission einsatzbereite kirchliche Gemeinschaften zu zählen, in denen die Laien die Gefahr umgehen, eine „Parallelexistenz zu führen: auf der einen Seite ein sogenanntes spirituelles ‘ Leben mit seinen Werten und Forderungen und auf der anderen Seite das sogenannte ,welthafte“ Leben, das heißt das Familienleben, das Leben in der Arbeit, in den sozialen Beziehungen, im politischen Engagement und in der Kultur“ (Christifideles laici, Nr. 59). 6. Ich möchte nicht schließen, ohne darauf hinzuweisen, daß diese wichtige Aufgabe der Förderung und Formung der Priester und Laien - Themen, die im Mittelpunkt meiner Überlegungen standen - immer eines ekklesialen Kontextes bedürfen. Nur im Umfeld der Kirche, der Mutter und Lehrmeisterin des Menschen, ist es möglich, das Modell für den Hirten und für den Laien zu entwerfen, das wir angesichts des nahen Dritten Jahrtausends in die Tat umgesetzt sehen wollen. Die Teilkirche ist vorzugsweise der Raum, wo der Priester die spezifischen Mittel zu seiner Heiligung und die geeigneten Hilfen zur Überwindung seiner Schwierigkeiten und Begrenzungen finden muß. Es müssen also die bereits unternommenen Initiativen, die Identität des Diözesanklerus zu stärken, noch weiter ausgewertet und die Gemeinschaft und die brüderliche Liebe unter seinen Mitgliedern gefördert werden. Ebenso ist es notwendig die Beschaffenheit und Funktionalität der Priesterräte mit den Weisungen des Kirchenrechts in Übereinstimmung zu bringen (vgl. CIC, 495-502), sowie die ständige Weiterbildung des Klerus nach dem Leben und der Mission der Teilkirche auszurichten, um immer und überall den konkreten Bedürfnissen angemessen entsprechend zu können. Die Teilkirche ist ebenso der Ort, wo die Laienverbindungen und -bewegungen das geeignete Umfeld zur Ausbildung und die passendsten Mittel für ihre Ausrichtung finden können. Wenn von der Diözese aus das Laienapostolat und eine Atmosphäre der Gemeinschaft unter den verschiedenen besonderen Charismen im 941 AD-LIMINA-BES U CHE Leben der Laien untersützt wird, dann wird auch die kirchliche Gemeinschaft gefördert und die Gefahr vermieden, daß die Gläubigen in die verschiedenen Sekten und pseudoreligiösen Gruppierungen abgleiten. Es ist also notwendig, geeignete Initativen zu fördern, um die Aktivitäten der Pfarreien und kirchlichen Gemeinschaften zu koordineren und sie in die gesamte diözesane Seelsorge einzugliedem, so daß die Laien ihrer bedeutsamen Berufung entsprechend leben und ihren vollen Einsatz von der ihnen eigenen Mission her zur Verfügung stellen können. In diesem Sinne sollten Gemeinschaft und Beteiligung auf lokaler Ebene noch wirksamer gestaltet, und das gesamte Potential an spirituellem Reichtum mit allen Möglichkeiten der Teilkirche aufgeboten werden. Wenn wir also mit Enthusiasmus einen von Gebet, Askese und Bekehrung der Herzen begleiteten Weg der organischen Erneuerung gehen, so werden zweifelsohne überreiche Früchte apostolischer Dynamik und Fruchtbarkeit reifen. Viel wird bereits getan, aber wir müssen immer bedenken, daß man noch mehr tun kann. 7. Liebe Brüder, mit diesen Überlegungen wollte ich meine Wertschätzung bezeugen, die mich mit Euch, Ihr Hirten der Kirche Kolumbiens, und mit Euren Gläubigen verbindet. Ihr steht mir immer nahe, und ich begleite Euch bei Eurem Arbeiten und Mühen im Dienst des Evangeliums stets im Gebet und in der pastoralen Verantwortung im Amt des Nachfolgers Petri. Ich möchte Euch alle daran erinnern, daß, wie es der Apostel lehrt, „wir uns ebenso unserer Bedrängnis rühmen; denn wir wissen, Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Rom 5,3-5). Mit diesen Gedanken erbitte ich von Gott für Euch, für Eure Priester, für die religiösen Gemeinschaften und alle Euch anvertrauten Gläubigen die vielfachen Gaben seiner Gnade, auf die Fürsprache unserer Lieben Frau „Nuestra Senora del Rosario de Chiquinquirä“, die ich inständig bitte, sie möge den Diözesen Kolumbiens eine erneuerte Dynamik vermitteln. Und so stärke Euch der Apostolische Segen, den ich Euch von ganzem Herzen erteile. Erneuerung der kirchlichen Gemeinschaften durch Lebensführung im Geist des Evangeliums Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Kolumbiens (Kirchenprovinzen Popayän, Medellin, Manizales, Cali und Santa Fe de Antioquia) am 25. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist nur eine Freude, Euch bei dieser gemeinsamen Zusammenkunft am Höhepunkt Eures Ad-limina-Besuchs zu empfangen. Von Herzen grüße ich Euch, nachdem ich mit einem jeden von Euch Freud und Leid teilen konnte, die Euch bei 942 AD-LIMINA-BES UCHE der Ausübung Eures Amtes als Hirten der Kirchenprovinzen Popayän, Medellin, Manizales, Cali und Santa Fede Antioquia widerfahren sind. Es naht das Hochfest Pfingsten, das der Herabkunft des Heiligen Geistes auf dia apostolische Gemeinde gedenkt und sie erneut vergegenwärtigt. Es ist ein von der Vorsehung bestimmter Rahmen für Euren Besuch sowie ein besonderes Motiv, das apostolische Amt neu zu beleben und zu stärken. Deshalb priesen auch die Jünger - wie Irenäus von Lyon erinnert - „in dem Zusammenwehen aller Sprachen Gott, indem der Geist die auseinander wohnenden Stämme zur Einheit zurückführte und die Erstlinge aller Völker dem Vater darbot“ {Adv. Haer. IV,17,2; Bibliothek der Kirchenväter, München 1912, S. 283). Auch Ihr wolltet durch Eure Wallfahrt zum Grabe Petri das Feuer neu entfachen, das der Geist den Aposteln eingoß, um öffentlich das Evangelium zu predigen (vgl. Apg 4,13) und bereitwillig dem gleichen Schicksal entgegenzugehen, das der Meister erduldete (vgl. Apg 5,41; Mt 10,17-20). Im Leiden vollendeten sie die ihnen anvertraute Sendung, in unerschütterlicher Treue zum Evangelium, das sie empfangen hatten. So knüpft auch Ihr eurerseits enge Bande der Einheit mit dem Nachfolger Petri, um durch ihn im Glauben gestärkt zu werden (vgl. Lk 22,32). Dadurch laßt Ihr in der Kirche das Wirken des Heiligen Geistes erstrahlen, der ja „die Kirche in Gemeinschaft und Dienstleistung eint, sie bereitet und lenkt durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben“ {Lumen Gentium, Nr. 4). Mein Dank gilt Erzbischof Alberto Giraldo Jaramillo für seine gütigen Worte, die er im Namen aller und als vielsagender Ausdruck der Zugehörigkeit zum Hl. Stuhl an mich gerichtet hat. Nun möchte ich mich einigen Aspekten der Realität zuwenden, in der das kolumbianische Volk lebt, ein Volk, das stets meiner Zuneigung und meines Gebetes versichert sein kann. 2. Es gibt Gründe, die uns hoffen lassen, daß in Eurer Heimat schrittweise das Bewußtsein sozialer Solidarität in Gang kommt, und zwar durch neue Mechanismen demokratischer Beteiligung und eine ausgedehntere Fürsorge, die besonders für die Ärmsten so notwendig ist, sowie eine immer deutlicher empfundene Forderung nach Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit in der öffentlichen Verwaltung, damit sie ausschließlich auf die Förderung des Allgemeinwohls bedacht sei. Dennoch bestehen nach wie vor andere Realitäten, die Euch als Hirten Sorge bereiten. Insbesondere möchte ich jetzt eingehen auf den seit Jahrzehnten in bedauernswerter Weise anhaltenden Zustand der Gewalt, der Schmerz und Schrecken bereitet, den sozialen Frieden verhindert und eine ausgeglichene Entwicklung des Landes bremst. Eine Gewalt, die sich in mannigfachen Formen zeigt: das verabscheuungswürdige Verbrechen der Abtreibung und die schlimmen Zustände in den Familien; die Konfrontation zwischen Guerrillas und regulärem Militär; das Auftreten paramilitärischer Gruppen; allgemeine Kriminalität, Bandenwesen und Morde in Verbindung mit dem Drogenhandel. 943 AD-LIMINA-BESUCHE Wenn die Zahl der Gewaltopfer auf ihrem Höhepunkt ist und eine Atmosphäre des Scheitems sich breit macht, wenn Anschläge sogar gegen solche verübt werden, die für den Frieden arbeiten, wie es gegen Priester und Ordensleute geschah, dann müssen mit erneuter Energie jene die Stimme erheben, die das Evangelium des Lebens und des Friedens verkünden. Bei denen, die den Gruß des Herrn: „Friede sei mit euch“ (Lk 24,36; Joh 20,19-20) empfangen und weitergetragen haben, müssen die Kräfte zugunsten eines friedlichen Zusammenlebens, das auf Gerechtigkeit, Versöhnung und Liebe basiert, verdoppelt werden. In diesem Sinne habt Ihr Euch in verschiedenen Initiativen engagiert, wie z. B. in der Kommission für Nationale Versöhnung, die ihre guten Dienste für einen Dialog zwischen den verschiedenen Seiten anbietet, in der Hoffnung, baldigst zu einem vollen und dauerhaften Frieden in Eurem Lande zu gelangen. Die der Kirche aufgetragene Sendung, den Frieden, die unschätzbare Gabe des Heiligen Geistes, zu verkünden und zu seinem Gelingen beizutragen, kommt von ihrem unerschütterlichen Glauben an Gott, den Vater in seiner Vorsehung, und von ihrem treuen Festhalten an Christus, der einzig alle Dinge miteinander versöhnt (vgl. Kol 1,20). Er ist der Sieger über alle Macht, die gegen die Menschenwürde und die Möglichkeiten, sie voll zu verwirklichen, ins Feld ziehen könnte. Der Friede ist ein konkretes Zeichen der Anwesenheit des Gottesreiches in der Welt, einer Welt, die voll von geschichtlich bedingten wechselhaften Situationen ist. Das muß uns inspirieren, erleuchten und unsere Bemühungen um den politischen und sozialen Frieden unterstützen. Man darf also den Frieden nicht mit Passivität oder Konformismus verwechseln und noch viel weniger mit der Ruhe, die man sich fälschlicherweise zu erlangen erhofft, indem man einfach Gewalt anwendet. Nein, ein aktives, ernsthaftes und kreatives Engagement ist gefordert, um zu neuen Zielen des menschlichen Zusammenlebens, der sozialen Ordnung, des Respektes vor den Völkern und vor den unverbrüchlichen Rechten der Person zu gelangen. 3. Ich bin mir der tiefgreifenden Veränderung, die in Eurem Lande stattfindet, und des Umfangs ihrer Problematik wohl bewußt. Von der Liebe Christi gedrängt (vgl. 2 Kor 5,14), habt Ihr als Hirten auf die Gewaltsituation, die sich breitmachen will, zu reagieren, d. h. Ihr habt mit einem umfassenden Aufrütteln der Gewissen zu antworten, damit sie, ausgerichtet an einer Kultur des Lebens und der Liebe (vgl. Evangelium vitae, Nr. 95), zugunsten des Friedens wirken. Die Liebe Gottes, sichtbar geworden im Geschenk seines Sohnes, der uns geliebt hat „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1), hat uns das wahre Maß gelehrt. Diese Liebe ist das Zeichen unserer Identität und das Kriterium, nach dem wir uns richten. Nur die Liebe kann sich wirksam der Gewalt entgegensetzen und sie in ihrer Wurzel entwaffnen. Nur die Liebe weiß die wahren Pfade des Friedens zu finden, und sie hilft uns auf unserer Suche nach ihnen. 944 AD-LIMINA-BESUCHE 4. Die Gewalt zeigt sich von ihrer perversesten Seite in der Verachtung des Lebens (vgl. Evangelium vitae, Nr. 10), das sie in vielfachen Formen bedroht. Die Kirche tritt ihr entgegen, indem sie sich dem Dienst am menschlichen Leben in all seinen Stufen widmet und indem sie die Präsenz des Gottes des Lebens in der heutigen Kultur verkündet, der sich allzu viele „Zeichen des Todes“ (vgl. Dominum et vivificantem, Nm. 57-58) zu bemächtigen versuchen. Die Gründe, die die Kirche zu dieser Aufgabe drängen, gehen weit über Vemunftgründe, die von der Wissenschaft kommen, und über bloßes Mitleid oder einfache Philanthropie hinaus. Ihre tiefen Wurzeln liegen im Glauben an Gott, der nicht nur ins Dasein beruft, sondern es auch durch seine Gnade erschafft, um es am Ende in die trinitari-sche Gemeinschaft aufzunehmen (vgl. Evangelium vitae, Nr. 2). Deshalb hat das Leben einer jeden Person, auch jenes, das unnütz oder an den Rand gedrängt erscheinen mag, einen unendlichen Wert, denn jede Person ist ein Kind Gottes und Gegenstand seiner unerschöpflichen Liebe. Die tiefe Begründung muß sichtbar werden in den Konsequenzen, die das Engagement für das Leben mit sich bringt. So muß die Achtung vor dem Grundrecht des Lebens zur Förderung der Würde der Person führen, die nach dem Abbild und Ebenbild Gottes geschaffen ist. Bei aller Förderung der Lebensqualität, zu der so viele und verdienstvolle Anstrengungen von seiten der Wirtschaft und der Politik sowie im sanitären und kulturellen Bereich unternommen werden, darf die Förderung der Kreativität, der Begegnung mit sich selbst, der Innerlichkeit und der Fähigkeit zur Hingabe, nicht fehlen, um so aus dem Menschen ein Wesen zu machen, das in vollem Umfang fähig ist, seine Berufung hier auf Erden ernst zu nehmen, und das seiner transzendenten Dimension gegenüber offen ist. Die wahre menschliche Förderung darf nicht von der Gemeinschaft mit Gott absehen, die der höchste Grund der Würde einer jeden Person ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 19). Angesichts so vieler Schatten, die in der heutigen Gesellschaft die Liebe und die Achtung vor dem Leben zu verdecken scheinen, sind konkrete Zeichen der Hoffnung angebracht, Initiativen, die Mißstimmung und Entmutigung vertreiben und dem Antlitz der Menschen seine Fröhlichkeit wiedergeben, vor allem den Kindern und Jugendlichen. Diese Initiativen müssen die Aufnahmebereitschaft der Familien unterstützen, die notwendigen Bedingungen für ein ungestörtes Heranwachsen und eine ganzheitliche Erziehung fördern, und christliche Gemeinschaften und Kreise stärken, in denen man erfahren kann, daß es möglich ist, ein Dasein zu führen, das „ein Herz und eine Seele“ ist (Apg 4,32), sowie in der freudigen Sicherheit zu leben, daß die Zukunft und die wahre Fülle des Menschen in Gott ist. 5. Angesichts der drängenden Herausforderungen werdet Ihr mit Eurer Einfühl -samkeit als Hirten nicht aufhören, die notwendigen Anregungen zu geben, die der Kultur ein klares und deutliches christliches Siegel aufdrücken. Wenn Ihr den Heiligen Geist bereitwillig aufnehmt, wird er Euch den Wagemut geben, den auch schon die ersten Apostel hatten, damit Ihr alle Uneinigkeit und allen Egoismus 945 AD-LIMINA-BES U CHE beiseite laßt, die Versuchung zum Fatalismus und das Gefühl von Machtlosigkeit überwindet und bereit seid zu der Sendung, die heute zu erfüllen ist. Bei dieser Aufgabe ist es von höchster Wichtigkeit, sich vor Augen zu halten, daß unsere Sicherheit einzig von Gott herrührt (vgl. Jes 49,5). Die Kirche hat von ihrem Herrn das Gebot empfangen, dasselbe zu tun, was auch er tat (vgl. Joh 13,15), und wir haben ein deutliches Beispiel, wie Jesus die Frohbotschaft vom Reiche Gottes verkündet: er ruft die Menschen zur Umkehr auf, er manifestiert echte Solidarität mit Ärmsten und Entrechteten, er kämpft gegen Ungerechtigkeit, gegen Heuchelei, gegen Gewalt, gegen Machtmißbrauch, gegen den maßlosen Bereicherungsdrang und gegen die Gleichgültigkeit den Armen gegenüber. 6. Des göttlichen Schutzes gewiß und mit der Sicherheit, die das Beispiel Jesu uns klar und deutlich gibt, könnt Ihr Euch auf die Führung des Heiligen Geistes verlassen bei den notwendigen Entscheidungen, die Gott von uns und der Kirche Kolumbiens erwartet (vgl. Rom 12,2). In der Tat „läßt der Geist die Kirche allezeit sich verjüngen und erneut sie immerfort“ (Lumen Gentium, Nr. 4), er leitet ihre Schritte, wie sich schon in den ersten Augenblicken gezeigt hat, und er führt sie, wenn sie mutige Stellungen zu beziehen hat im Hinblick auf Dinge, die als schwierig gelten, oder die für die Mentalität einer Zeit neu und unbekannt sind (vgl. Apg 11,18). In einem sich verändernden sozio-kulturellen Kontext muß auch der durch Trägheit bedingte Zeitverlust überwunden werden, bei dem man sich lediglich mit den schon vorgegebenen Wegen begnügt. Man muß mit Kreativität, Kühnheit und Aufrichtigkeit die Herausforderungen in Angriff nehmen, die das Wort Gottes unserer heutigen Welt auferlegt. Bei der ständigen Erneuerung der kirchlichen Gemeinschaften zur intensiven und bewußteren christlichen Lebensführung im Glauben und im Dienst am Nächsten müssen auch jene berücksichtigt werden, die die Sakramente nicht mehr empfangen bzw. nicht mehr regelmäßig zur Kirche gehen. Allen Menschen soll das Evangelium gebracht werden. 7. Die gebotene Unterscheidung fordert von allen, daß über allem speziellen Interesse der Geist des Dienstes und der Gemeinschaft herrscht. Es darf in der Tat keine andere Motivation geben, als die, Gott und den Menschen zu dienen. Man darf nicht in einer Einstellung leben, die nicht die Gemeinschaft umfaßt, eine geduldig in beständigem, aufrichtigen und wahren Dialog aufgebaute Gemeinschaft. Eure kirchlichen Gemeinschaften werden ein Grund zur Hoffnung sein, wenn sie die Schönheit christlicher Brüderlichkeit bezeugen können in einer Gesellschaft, die durch Zerstreuung und Individualismus gezeichnet ist. Gleichzeitig wird es bei Problemen, die nicht selten die individuellen Fähigkeiten oder einseitige Interventionen übersteigen, durch die Zusammenarbeit aller möglich, „Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit zu geben mit Hilfe des gemeinsamen Beitrages der verschiedenen Gaben“ (Vita consecrata, Nr. 54). Die derzeitigen Umstände erfordern auch ein organisches und umfassendes Konzept, bei dem die ganze Kirche mitwirkt und das über isolierte und sporadische 946 AD-LIMINA-BESUCHE Initiativen hinausgeht. Ein Projekt, bei dem keine kirchliche Schicht unberührt bleibt, das keine Person oder Institution gleichgültig läßt und bei dem keine pasto-rale Initiative ausgeschaltet bleibt. So nutzt die Kirche, wenn sie alle Kräfte vereint, am besten die günstige Gelegenheit, einen Beitrag zur Entwicklung einer Kultur zu leisten, die von den Idealen des Evangeliums geprägt ist. Schließlich müssen angesichts der unmenschlichen Umstände, in denen so viele Kinder Gottes leben, die Programme sozialer Pastoral auf diözesanem und nationalem Niveau ganz konkret greifbar und einschätzbar sein. Sie müssen ein deutliches Zeichen der echten Sorge der Kirche um die Armen und Unterdrückten sein. Diese Programme sind auch sicher die beste Art und Weise, das soziale Gewissen aller zu prägen, besonders bei den Verantwortlichen von verschiedenen sozialen Instanzen in der nationalen Gemeinschaft. 8. Ich wünsche Euch, daß Ihr diesen Besuch als ein neues Pfingsten empfindet, bei dem sich Euer apostolischer Eifer erneuert und „der ganzen Herde zu Gute kommt, in der euch der Heilige Geist zu Bischöfen bestellt hat, damit ihr als Hirten für die Kirche Gottes sorgt“ (Apg 20,28). Überbringt den Kirchen, denen Ihr in Liebe vorsteht, meine herzlichen Grüße, und teilt mit ihnen, mit den Priestern, den Ordensleuten und den gläubigen Laien, die frohe Erfahrung des Glaubens und der Gemeinschaft, die Ihr in diesen Tagen gemacht habt, damit auch sie alle sich im Herzen der Kirche als lebendige Steine fühlen und als Mitarbeiter bei deren Auferbauung in der Liebe (vgl. Eph 4,17). Als Zeichen der brüderlichen Liebe und der steten Sorge als Hirte der universalen Kirche erbitte ich die Fürsprache Unserer Lieben Frau von Chiquinquira und ich erteile Euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen als Stärkung für die Zukunft und als Unterpfand des unaufhörlichen göttlichen Beistandes. Glaubens erleben in kleinen Gemeinschaften fördern Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Erzdiözese Cali und der Apostolischen Vikariate und Präfekturen von Kolumbien am 15. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich Euch heute, Ihr Hirten der Erzdiözese Cali und der Apostolischen Vikariate und Präfekturen Kolumbiens, zu dieser abschließenden Zusammenkunft Eures Ad-limina-Besuches, bei dem Ihr Eure „communio“ sowie die Eurer kirchlichen Gemeinschaften mit dem Nachfolger Petri erneuert und „die Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens“ enger geknüpft habt (Lumen Gentium, Nr. 22). In diesem Geiste danke ich auch für die wohlmeinenden Worte, die Msgr. Hector Julio Lopez Hurtado, der Apostolische Vikar von Ariari, an mich gerichtet hat. 947 AD-LIMINA-BESUCHE Ich weiß sehr wohl, daß Ihr bei der Ausübung Eures Hirtenamtes in dieser gegenwärtigen Zeit der Geschichte und der kolumbianischen Gesellschaft vielen Schwierigkeiten begegnet. Deshalb möchte ich Euch meine Wertschätzung für die mühevolle Arbeit zum Ausdruck bringen, die Ihr auf Euch nehmt, und Euch gleichzeitig ermutigen, Euch beharrlich weiterhin als Verkünder, Apostel und Lehrer des Evangeliums (vgl. 2 Tim 1,11) einzusetzen. Meine Anerkennung gilt ebenso den Priestern und Diakonen, den Ordensgemeinschaften- und Laien, die wirksam mit Euch in der missionarischen Arbeit der Kirche Zusammenarbeiten. 2. Die Mission, die Ihr empfangen habt und die Ihr als Ausdruck Eurer Hirtenliebe mutig und hochherzig übernehmen sollt, besteht darin, Christus, den Erlöser des Menschen, zu verkündigen. Ihn verkündigen in der konkreten sozialen und kulturellen Realität Eurer Gemeinschaften und Völker und ebenso unter allen Nationen der Erde, mit besonderer pastoraler Sorge „um jene Gegenden, in denen das Wort Gottes noch nicht verkündet ist oder in denen die Gläubigen, besonders wegen der geringen Anzahl der Priester, in der Gefahr schweben, den Geboten des christlichen Lebens untreu zu werden, ja den Glauben selbst zu verlieren“ (Christus Dominus, Nr. 6). In der Tat „will Gott, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4), und deshalb hat er in Christus sein Werk der universalen Erlösung vollbracht. Die Ersterlöste ist die Kirche. Sie ist berufen, vor allen Völkern zu bekennen, daß Gott Christus als einzigen Erlöser und Mittler eingesetzt hat und daß sie selbst als universales Sakrament der Rettung gestiftet wurde (vgl. Lumen Gentium, Nr. 48). Deshalb ist in der Kirche die missionarische Tätigkeit eine erstrangige und wesentliche Aufgabe, die ohne Unterlaß fortdauert, da die Kirche ohne sie ihrer fundamentalen Bedeutung und ihrer exemplarischen Tätigkeit beraubt würde (vgl. Redemptoris missio, Nm. 33-34). 3. Sowohl die Mission „ad gentes“ als auch die Neuevangelisierung, zu der ich immer wieder die ganze Kirche aufrufe, gehen aus der Sicherheit hervor, daß in Christus ein „unergründlicher Reichtum“ (vgl. Eph 3,8) besteht. Er erklärt keine Kultur, aus welcher Epoche auch immer, für nichtig und ist den Menschen zu ihrer geistigen Bereicherung jederzeit zugänglich. Dieser Reichtum ist vor allem Christus selbst, seine Person, weil er selbst unsere Rettung ist (vgl. Eröffnungsansprache zur 4. Vollversammlung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz, Santo Domingo, 12. Oktober 1992, Nr. 6). Er ist das lebendige Abbild des Vaters (vgl. Kol 1,15), ewige Wahrheit, unendliche Liebe und höchstes Gut. Gleichzeitig ist er auch das lebendige Bild des Menschen, seiner Rettung und seiner wahren Größe, trotz der Probleme, die die Menschheit umgeben. In Christus entdeckt der Mensch seine volle Würde als Person, berufen zur ganzheitlichen Entwicklung in der Wahrheit und offen für die Transzendenz. Deshalb ist es dringend notwendig, daß der Name Jesu Christi, der vom Vater gesandt wurde, mit erneuter Kraft in Kolumbien und bis zu den Enden der Erde er- 948 AD-LIMINA -BES UCHE klinge und daß die von ihm in seinem Kreuzesopfer und dem Sieg der Auferstehung vollbrachte Erlösung verkündet werde. Es ziemt sich, daß die Kirche heute an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends in ihrer Evangelisierung einen großen Schritt nach vorne in einen neuen geschichtlichen Abschnitt ihrer missionarischen Dynamik hinein unternimmt (vgl. Christifideles laici, Nr. 35). In diesem Sinn „sieht sich die Kirche“ - wie ich in der Enzyklika Redemptoris missio geschrieben habe - „mit anderen Herausforderungen konfrontiert; sie muß zu neuen Ufern aufbrechen, sei es in ihrer Erstmission ,ad gentes4, sei es in der Neuevangelisierung von Völkern, die die Botschaft von Christus schon erhalten haben. Heute wird von allen Christen, von den Ortskirchen und von der Weltkirche derselbe Mut verlangt, der die Missionare der Vergangenheit bewegt hat, und dieselbe Verfügbarkeit, um die Stimme des Geistes zu hören“ (Nr. 30). 4. Ein Hoffnungszeichen dieser kirchlichen Erneuerung in Kolumbien ist die zunehmende Öffnung Eurer Gemeinschaften zur missionarischen Zusammenarbeit. In der Tat muß sich die ganze Teilkirche in großzügiger Weise für die Bedürfnisse der anderen Teilkirchen öffnen. Alle müssen in wirklicher Gegenseitigkeit Zusammenarbeiten, bereit, zu geben und zu nehmen, als Quelle der Bereicherung für alle Gebiete des kirchlichen Lebens. Deshalb ermuntere ich Euch, weiterhin dem christlichen Volk einen wirklich universalen Geist zu vermitteln. Zeigt eine besondere Sorge für die Missionsaufgabe, indem Ihr vor allem missionarische Tätigkeiten in der eigenen kirchlichen Gemeinschaft amegt, fördert und unterstützt (vgl. C/C782, Par. 2). Von dieser Eurer lobenswerten Mühe wird es in großem Ausmaß abhängen, daß die Priester mit echtem pastoralem Eifer arbeiten und sich auch freiwillig dafür anbieten, ausgesandt zu werden, um außerhalb ihrer eigenen Region zu evangeli-sieren in dem Bewußtsein, daß „die Geistesgabe, die ihnen in ihrer Weihe verliehen wurde, sie nicht für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung rüstet, sondern für die alles umfassende und universale Heilssendung bis an die Grenzen der Erde“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 10). Ebenso wird Euer Bemühen den Ordensleuten helfen. In unserer Zeit zu einer wichtigen Mission in der Kirche berufen, sollen sie ein neues Kapitel der Heiligkeit und uneingeschränkten Hingabe schreiben im Einklang mit den Idealen eines Lebens nach dem Evangelium, für das sie sich entschieden haben. Ferner wird Euer Einsatz die Teilnahme der Laien am Evangelisierungswerk wirksam unterstützen durch eine erneuerte Pastoral, die der missionarischen Vitalität der Laien Aufmerksamkeit schenkt. Auf diese Weise werdet ihr in Eurem geliebten Kolumbien die Erklärung der Bischöfe in Puebla in die Tat Umsetzern „Endlich ist für Lateinamerika die Stunde gekommen, ... sich über die eigenen Grenzen hinaus ,ad gentes' zu wenden. Es stimmt, daß wir selbst Missionare brauchen. Aber wir müssen auch von unserer Armut abgeben“ (III. Lateinamerikanische Bischofskonferenz, Nr. 368). 949 AD-LIM1NA-BESUCHE 5. Angesichts des Vormarsches der Sekten und der Proselytenmacherei pseudoreligiöser Gruppen, die der kolumbianischen Gesellschaft falsche Erlösungsangebote vorgaukeln, ohne daß sich in allen Fällen ihre klaren Absichten und die Legitimität ihrer Methoden gewährleisten lassen, ist es dringend notwendig, sich immer wieder neu um die Ausbildung und die Katechese auf allen Ebenen zu bemühen. Die katechetische Arbeit muß ihren Mittelpunkt in der Person Jesu Christi haben und sich des Katechismus der Katholischen Kirche als eines sehr nützlichen Hilfsmittels bedienen. Um den katholischen Glauben in seinen grundlegenden Wahrheiten und seinen individuellen, familiären und sozialen Dimensionen zu stärken, muß sie eine umfassende, schlagkräftige und gewandte Antwort geben. Diesbezüglich ist es mir eine Freude zu wissen, daß Eure Mühen mit reichen Früchten gesegnet sind, besonders hinsichtlich der Katechese zur Vorbereitung auf die Sakramente. Es sollen weiterhin auch Gemeindestrukturen geschaffen und verbessert werden, die der Erwachsenenkatechese zugute kommen. Ebenso sollt Ihr verantwortungsbewußt den Raum ausnutzen, der dem Religionsunterricht in den Schulen und Kollegien eures Landes eingeräumt wurde. Dies erfordert u. a. adäquate Ausbildung der Religionslehrer, Aktualisierung der Lehrpläne, Schaffung von Hilfs- und Kontrollstrukturen und das Angebot guten pädagogischen Materials, jenen angepaßt, denen es zukommen soll. Man darf nicht vergessen, daß die Zukunft Kolumbiens in großem Maße von der Unterweisung und Ausbildung abhängt, die heute die ganz jungen Generationen erhalten. 6. Ein anderes sehr wichtiges Thema bezüglich der Neuevangelisierung, in der Ihr Euch ja so großzügig engagiert, ist das der Gründung kleiner christlicher Gemeinden, in denen die Gläubigen mit Freude und Beharrlichkeit ihren Glauben bezeugen, sich eifrig zum Gebet versammeln und sich gegenseitig ermutigen können, für das Evangelium Zeugnis abzulegen. Diese Gemeinschaften, die immer in die Großgemeinschaft der Pfarrei eingebunden bleiben, werden zu wirksamen Werkzeugen der Evangelisierung und der Erstverkündigung. Für das Leben der Kirche bilden sie eine große Hoffnung, wenn sie in aufrichtiger Gemeinschaft mit den Oberhirten bleiben, sich nicht abschließen und ideologische Instrumentalisierung vermeiden (vgl. Redemptoris missio, Nr. 51). Das Erlebnis der kirchlichen Gemeinschaftsdimensionen, das von diesen kleinen Gruppierungen sehr begünstigt wird, kommt auch der Bildung von wahren christlichen Familien und der Glaubensübermittlung an die jungen Generationen zugute. Es wird zu einem angemessenen Umfeld, das es vielen jungen Leuten gestattet, den Ruf des Herrn zum Priestertum oder zum Ordensleben zu hören und zu befolgen. Und das kommt nicht nur Eurem Land, sondern auch anderen Ländern der Welt zugute. So ist es also ratsam, diesen blühenden Ausdruck kirchlichen Lebens seelsorglich zu unterstützen, damit das Evangelium noch tiefer und wirksamer in die Herzen aller Männer und Frauen dringt und die sozialen und politischen Strukturen, die Welt der Wissenschaften sowie die der manuell arbeitenden Bevölkerung durchwirkt und auch zu den verschiedenen ethnischen Gruppen der 950 AD-L1MINA-BESUCHE einheimischen Ureinwohner vordringt. Auf diese Weise wird die Kirche Kolumbiens noch klarer die vier „Gesichter“ widerspiegeln können, von denen in Eurem globalen Pastoralplan die Rede ist, nämlich: Heiligkeit, Dienstbereitschaft, Solidarität und Missionseifer. 7. Die 2000jährige Geschichte der Kirche zeigt weithin, daß die Verkündigung des Evangeliums und die Ausbreitung des Gottesreiches immer von Schwierigkeiten begleitet waren. Nichtsdestoweniger führt der Heilige Geist die ganze Kirche und steht ihr zu allen Zeiten bei, „er belebt gleichsam die kirchlichen Einrichtungen als Seele und senkt den gleichen Geist der Sendung, von dem Christus getrieben war, in die Herzen der Gläubigen ein“ (Ad gentes, Nr. 4). Deshalb sollen meine letzten Worte an Euch Worte der Ermutigung und großer Hoffnung für das ganze Volk Gottes sein, das sich in Kolumbien auf der Pilgerschaft befindet, und besonders für die Oberhirten dieses Volkes. Erbittet beharrlich vom Tröstergeist die wahre Heiligkeit, den glühenden Eifer, die stete Großzügigkeit, die vorausblickende Umsichtigkeit und die unerschrockene Entschlossenheit, deren Ihr in diesem Moment bedürft, um in Euren kirchlichen Zuständigkeitsbereichen wirksame seelsorgliche Arbeit zu leisten, solidarisch mit den Nöten aller Kirchen. Der Nachfolger Petri ist Euch in Gedanken und durch sein Gebet sehr nahe, um Euch zu ermutigen, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen (vgl. 1 Tim 6,12). Zum Abschluß dieses Zusammenkommens bitte ich Euch, Euren Gläubigen, insbesondere den Priestern, den Ordensangehörigen und den Mitarbeitern im Apostolat, meinen väterlichen Zuspruch und von ganzem Herzen Grüße und meine Segenswünsche zu überbringen. Euch alle stelle ich unter den Schutz der Gottesmutter von Chiquinquirä und erteile Euch den Apostolischen Segen als Unterpfand des ständigen göttlichen Beistandes für die Zukunft. Glaubensvertiefung - Inhalt und Ziel bischöflichen Auftrags Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Lesotho am 16. April Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude begrüße ich Euch, die Mitglieder der Bischofskonferenz von Lesotho, die Ihr, wie der Apostel Paulus in den frühen fahren der Kirche, gekommen seid, um Kephas kennenzulemen (vgl. Gal 1,18). Euer Ad-limina-Besuch ist ein konkretes Zeichen jener gemeinschaftlichen und brüderlichen Bande, die die gesamte Kirche Gottes vereint, damit wir alle „einer in Christus Jesus“ (ebd., 3,28) sind. Durch Euch grüße ich auch den Klerus, die Ordensmänner und -frauen, ebenso wie die gläubigen Laien eurer Diözesen. Von österlicher Freude erfüllt, erheben wir unsere Stimmen im Gebet zu Gott und danken ihm, denn „er hat uns 951 AD-LIMINA -BESUCHE in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben“ (1 Petr 1,3). Diese lebendige Hoffnung, dieser Glaube gibt uns den Mut zu verkünden, daß „in keinem anderen das Heil zu finden ist. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (vgl. Apg 4,12). Darin müssen wir stets die Grundlage unseres Predigens und Lehrens sehen, wenn wir die Herde Christi hüten und bemüht sind, neue Jünger zu ihm zu führen. Mein Vorgänger Papst Paul VI. sagte sehr treffend: ,3s gibt keine wirkliche Evangelisierung, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheißungen, das Reich, das Geheimnis von Jesus von Nazaret, des Sohnes Gottes, verkündet werden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 22). Die Kraft des Heiligen Geistes unterstützt uns bei der Erfüllung unserer Pflichten in dieser Hinsicht. Die Evangelisierungsarbeit darf, wenn sie einmal begonnen hat, nicht unterbrochen werden. Überall dürsten Menschen nach der transzendenten Dimension, die die Frohbotschaft in ihr Leben bringt; die neuen Generationen erwarten die Verkündigung des Evangeliums. 2. Die Kirche hat die Pflicht, das Evangelium so darzustellen, daß es von allen Menschen - was immer auch ihr kultureller Hintergrund sein mag - erfaßt und verstanden werden kann. Folglich sollte jede einzelne Ortskirche „die Fähigkeit, die Botschaft Christi auf eigene Weise auszusagen, entwickeln und zugleich den lebhaften Austausch zwischen der Kirche und den verschiedenen nationalen Kulturen fördern“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 44). Diese Inkulturation ist notwendig für „eine tatsächliche Verwurzelung des Evangeliums in Afrika“ (Ecclesia in Africa, Nr. 59). Es handelt sich um einen doppelten Prozeß, der „die innere Umwandlung der authentischen kulturellen Werte durch deren Einfügung ins Christentum und die Verwurzelung des Christentums in den verschiedenen Kulturen bedeutet“ (vgl. Redemptoris missio, Nr. 52). Ihr habt als Bischöfe die Aufgabe, dieses Bemühen zu überwachen und seine Authentizität zu gewährleisten. Bei zahlreichen Anlässen, einschließlich meines jüngsten Besuchs im vergangenen Jahr, konnte ich persönlich feststellen, daß es im Leben der afrikanischen Bevölkerung viele Elemente gibt, die zur weiteren Verbreitung und zum besseren Verständnis der Frohbotschaft nützlich sind. Wenn diese Elemente vom Geist des Evangeliums durchtränkt sind, bewirken sie die Wandlung jener Situationen und Umstände, die der Heilung bedürfen. Nach einer solchen Berührung mit der grenzenlosen Gnade Christi (vgl. Röm 5,17.20) sehnen sich die Menschen von Lesotho, und Ihr seid berufen, ihnen bei der Verwirklichung dieses Ziels zu helfen. Ja, liebe Brüder im Bischofsamt, „aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16). Das muß Gegenstand und Kernpunkt Eurer Verkündigung sein, wenn Ihr die Menschen Eures Landes unablässig an jene Hoffnung erinnert, die uns durch Jesus Christus gegeben ist (vgl. 1 Tim 1,3; 4,10). „Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche“ (Hebr 4,15). Christi Erbarmen, Trost und Frieden muß stets Eure treue 952 AD-LIMINA-BES UCHE und unbeirrbare Botschaft an die Menschen von Lesotho sein, insbesondere an diejenigen, die mit einigen der schwierigeren Situationen konfrontiert sind, die Ihr in Eurem Ad-limina-Bericht erwähnt habt: Wanderarbeiter, die aus wirtschaftlichen Gründen oft für lange Zeit gezwungen sind, ihren Lebensunterhalt weit von zu Hause entfernt zu verdienen; Frauen, die allein für die Erziehung der Kinder zu sorgen haben; Eheleute, die aufgrund der langen Abwesenheit eines Partners unter dem Alleinsein leiden; Kinder, die ohne die hebevolle Sorge und Einflußnahme eines Eltemteils aufwachsen; Arbeiter und Berufstätige, die bei ihrer Heimkehr steigende Arbeitslosigkeit und wachsendes Elend vorfinden. 3. Ich weiß, daß Ihr bei der Auseinandersetzung mit diesen und ähnlichen Situationen mit den anderen kirchlichen Gemeinschaften eures Landes, insbesondere im Rahmen des Christlichen Rates von Lesotho, in enger Verbindung steht und zusammenarbeitet. Ohne das eigentliche Ziel des ökumenischen Dialogs aus den Augen zu verlieren - die Verwirklichung der vollen Einheit der Jünger Christi -, bestehen bereits viele Gelegenheiten für gemeinschaftliche Aktionen zur Verteidigung der menschlichen Würde und Freiheit im Dienst des Gemeinwohls und für Hilfs- und Unterstützungsinitiativen zugunsten notleidender Menschen. 4. Bei der Erfüllung Eurer pastoralen Aufgaben werdet Ihr von den Priestern unterstützt, die „für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,12) geweiht wurden und die Gott Euch als Mitarbeiter gegeben hat. Als „wahre Väter, die sich durch den Geist der Liebe und der Sorge für alle auszeichnen“ (Christus Dominus, Nr. 16), sollten die Bischöfe ihre Priester ermuntern und unterstützen. Nichts kann Eure persönliche Rolle ersetzen, wenn Ihr ihnen helft, „die Gnade Gottes wieder zu entfachen, die ihnen durch die Auflegung der Hände zuteil geworden ist“ (vgl. 2 Tim 1,6). Unterstützt ihr Bemühen um ständige Erneuerung, und versucht, ihre Identifizierung mit Christus, dem Hohenpriester, zu vertiefen. Ich bin überzeugt, daß trotz aller Anforderungen, die an Eure Mittel gestellt werden, die Ausbildung der Priesteramtskandidaten auch weiterhin Vorrang haben wird, insbesondere im Hinblick auf jene Glaubensstärke und christliche Tugend, die sie befähigen, in Worten und Taten glaubhafte Zeugen der Heilsbotschaft in Jesus Christus zu sein. Das Augustinusseminar ist ein wertvolles Gut der Kirche in Lesotho. Ich bin sicher, daß der Regens, die Oberen, Professoren und Studenten, die eine Art „Familie“ (Optatam totius, Nr. 5) bilden, keine Mühe scheuen werden, eine wahre Glaubensgemeinschaft, „eine enge Gemeinschaft in Gesinnung und Tat“ (ebd.), zu sein. Zögert nicht, Eure besten Priester in den Seminardienst zu stellen (vgl. ebd..)', in jedem Aspekt des Seminarlebens muß der Priesteramtsanwärter die wahre Identität des Geistlichen erkennen können, der Christus, dem guten Hirten, gleichgestaltet und berufen ist, die Liebe des Herrn für alle gegenwärtig werden zu lassen (vgl. Pastores dabo vobis, Nm. 21-23). 5. Auch gottgeweihte Männer und Frauen haben ganz besonderen Anspruch auf Eure pastorale Sorge. Bestärkt sie in ihrer Lebensweise und ihrem Hebevollen 953 AD-LIMINA-BESUCHE Dienst, damit sie weiterhin hervorragende Boten des Evangeliums seien. Insbesondere durch die Arbeit der Ordensleute auf dem Erziehungs- und Gesundheitssektor im Königreich Lesotho ist die Kirche in der Lage, wesentlich zur Förderung der Gesellschaft beizutragen. Ich möchte Euch und durch Euch Euren Ordensleuten das unlängst veröffentlichte nachsynodale Apostolische Schreiben Vita conse-crata empfehlen als Anregung, über ihre besondere Berufung in der Kirche nachzudenken, die „auch für die Gegenwart und Zukunft des Gottesvolkes ein kostbares und unerläßliches Geschenk ist, weil sie zutiefst zu dessen Leben, Heiligkeit und Sendung gehört“ (Vita consecrata, Nr. 3). Wenn ich an meinen Pastoralbesuch in Lesotho zurückdenke, kann ich mich lebhaft an die Katechisten und Laienführer erinnern, die eine so entscheidende Rolle für die Gründung und Ausbreitung der Kirche in Afrika haben (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 91). Ihnen möchte ich meine ganz besondere Dankbarkeit und Anerkennung aussprechen. Mögen sie in Euch stets die Unterstützung finden, die sie zu einer angemessenen Ausbildung und zum vollen Bewußtsein ihrer besonderen Rolle in der Kirche und der Gesellschaft brauchen. Die Laien sollten in ihrer katholischen Identität gestärkt werden, damit sie daheim, am Arbeitsplatz und überall in der Gesellschaft glaubhafte Zeugen Christi und seiner Wahrheit seien. Das gilt vor allem für die christliche Familie, die „Hauskirche“. Es darf keine Mühe gescheut werden, diese erste und wichtigste Zelle der Gesellschaft zu unterstützen und zu verteidigen. Mischehen erfordern ganz besondere pastorale Aufmerksamkeit, um jede Schwächung des Glaubens zu vermeiden. Zur Festigung und Neubelebung des Glaubens können kleine christliche Gemeinschaften besonders wirksame Arbeit leisten, indem sie die Kenntnis des Gotteswortes und die aktive Teilnahme am Pfarrleben und im Gemeindedienst fördern. Sie sind von ganz besonderem Nutzen, weil sie der Kirche helfen, den pastoralen Bedürfnissen der Jugendlichen zu entsprechen, die die Unterstützung der kirchlichen Familie spüren müssen, wenn sie fähig sein sollen, auf die Herausforderungen neuer Kulturmodelle zu antworten. Je mehr junge Männer und Frauen ermutigt werden, eine aktivere Rolle im kirchlichen Leben zu spielen, um so zahlreicher werden sie der Gnade und dem Ruf Christi entsprechen und ihm in der Berufung zum Priester- oder Ordensleben nachfolgen. 6. Ziel all Eurer pastoralen Bemühungen ist jene „ernsthafte Glaubensvertiefung“, die ganz besonders heute aufgrund moderner Phänomene, wie Entwurzelung der Familien, Verstädterung und Arbeitslosigkeit, verbunden mit materiellen Versuchungen aller Art“, notwendig ist (Ecclesia in Africa, Nr. 76). In dieser Hinsicht zählen die katholischen Schulen in Lesotho zu Euren wertvollsten Gütern und wichtigsten pastoralen Anliegen. Ich unterstütze Eure Bemühungen um ein besseres Einvernehmen mit der Regierung zur Überwindung der augenblicklichen Schwierigkeiten auf dem Schulsektor in Lesotho. Der wirksame Dienst Eurer Schulen für die Kinder des Landes ist weitgehend von der Aufrechterhaltung ihrer besonderen katholischen Identität abhängig. Die Gegenwart der Kirche auf dem 954 AD-LIMINA-BES U CHE Bildungssektor wie auch im Bereich der Sozialarbeit und Gesundheitspflege ist ein konkreter Ausdruck christlicher Liebe, einer Liebe, die wachsen muß, um auf stets neue Herausforderungen antworten zu können. Aufgrund der gegenwärtigen sozialwirtschaftlichen Lage Eures Landes sind praktisch alle Bevölkerungsschichten mit Schwierigkeiten konfrontiert, was christliche Nächstenliebe und Solidarität um so dringender erforderlich macht. Ein authentisches Zeugnis geistlichen und materiellen Dienstes ist stets ein Beweis für die Glaubwürdigkeit der Jünger Christi. 7. Während wir uns dem Jubiläumsjahr 2000 nähern, ist die gesamte Kirche aufge-rufen, sich auf die besonderen Gnaden vorzubereiten, die dieses Gedächtnis sicherlich bringen wird (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 15). Zu diesem Zweck ermuntere ich Euch, darüber nachzudenken, wie Ihr Euer Volk zu einem intensiveren Erleben der Kirche als christliche Gemeinschaft, als lebendige Einheit, führen könnt, in der alle Mitglieder ihre geistlichen Gaben teilen und das eine göttliche Leben des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes offenbaren. Ich bitte Euch, nehmt meine herzlichen Grüße mit zurück in Eure Diözesen, und versichert allen, daß ich sie stets in mein Gebet einschließen und für sie Sorge tragen werde. Ich vertraue die Katholiken von Lesotho der liebevollen Fürsprache Marias und eures sei. Joseph Gerard an und erteile Euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen als Zeichen der Kraft und des Friedens in unserem auferstandenen Erlöser. Glaube wird stark durch Weitergabe Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Malaysia, Singapur und Brunei am 1. Juli Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude und brüderlicher Zuneigung grüße ich Euch, die Bischöfe von Malaysia, Singapur und Brunei, anläßlich Eures Ad-limina-Besuchs, der Euch nach Rom geführt hat, um die Gräber der hfl. Apostel Petrus und Paulus zu ehren: „Gnade, Erbarmen und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn“ (i Tim 1,2). Wie bereits bei meinem Besuch in Singapur vor fast zehn Jahren, so möchte ich Euch auch jetzt „in eurem Glauben ermutigen und bestärken und eure Wertschätzung vertiefen für die Bande des Glaubens und der Liebe, die euch mit euren Brüdern und Schwestern in Christus über die ganze Welt hin verbindet“ {Predigt in Singapur, 20. November 1986, Nr. 2). Eure Pilgerschaft ist Ausdruck Eurer engen Verbindung mit dem Nachfolger Petri im Dienst des Evangeliums. Sie ist gleichsam ein Bekenntnis des apostolischen Glaubens, für den die Kirche die Braut des göttlichen Erlösers und sein Werkzeug zur Rettung aller Völker ist. „Zum neuen Gottesvolk werden alle Menschen geru- 955 AD-L1MINA-BES UCHE fen; das ganze Menschengeschlecht ist durch die Gnade Gottes zum Heil berufen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 13). Das ist die Aufgabe, die Euch, den Nachfolgern der Apostel, anvertraut worden ist, und die Botschaft, die ihr verkündigt, „ob man sie hören will oder nicht“ (vgl. 2 Tim 4,2). Das ist das große Anliegen eures täglichen Dienstes. Unsere heutige Begegnung hier gibt uns Gelegenheit, Gott Dank zu sagen für alles, was er erwirkt, indem er durch Euch den Völkern Eurer Region des weiten asiatischen Kontinents die Gnade der Erlösung vermittelt. 2. In Euren Ländern bildet die katholische Kirche lediglich eine kleine Minderheit der Bevölkerung; außerdem wird die Evangelisierung und der interreligiöse Dialog oft durch das gesellschaftliche und kulturelle Klima erschwert. Doch der Herr sagt: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn eurer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben“ (Lk 12,32). Die Teilkirchen von Malaysia, Singapur und Brunei machen sich diese Worte unseres Erlösers zu eigen und verdeutlichen dadurch das Verkünden des Evangeliums, dessen Kraft die innere Erneuerung des Menschen bewirkt. Durch ihre konstruktive Präsenz im Bereich der Erziehung, der Solidarität im gesellschaftlichen Leben und der Gesundheitspflege, ebenso wie durch die wachsende Unterstützung des weltweiten Evangelisierungsauftrags der Kirche, erweisen sie sich als Erben dieses Versprechens. Auf vielsagende Weise verleiht Ihr jener missionarischen Berufung Ausdruck, die „zutiefst in der Natur des christlichen Lebens verwurzelt“ (Redemptoris missio, Nr. 1) ist. Eure einheimischen Gemeinden mit ihrer reichen Mischung ethnischer und kulturelher Verschiedenheit haben die besten Voraussetzungen, um denjenigen unter Euren asiatischen Brüdern und Schwestern Christus näherzubringen, die ihn noch nicht kennen. Ihre weitreichende missionarische Tätigkeit erfüllt Eure Gemeinden mit Begeisterung und erneuert sie, denn „Glaube wird stark durch Weitergabe“ (ebd.). Gerade in dieser Hinsicht kann Euer Beitrag für die kommende Sondersynode der Bischofskonferenz für Asien von großem Wert sein. 3. Die religiösen Traditionen Eurer Völker, wie auch gewisse bedeutende Aspekte Eurer politischen und gesellschaftlichen Situation, sind von Ort zu Ort grundverschieden. Dennoch teilt Ihr viele spirituelle Freuden und Prüfungen. Somit entsteht eine feste Grundlage für einen lebendigen Gemeinschaftsgeist innerhalb Eurer Bischofskonferenz und für die Koordinierung diözesaner und interdiözesaner Programme der Evangelisierung und Katechese. Die in einigen Eurer Diözesen stattfindenden Konferenzreihen zur Erörterung wesentlicher Aspekte des kirchlichen Lebens in Eurer Region, an denen Priester, Ordensleute und Laien teilnehmen, ist ein vielversprechendes Zeichen für eine neue, fruchtbare Einstellung. Diese Treffen betonen mit Recht, daß Leben in der Kirche Leben in der Gemeinschaft bedeutet, in der alle einander Glieder sind und sich entsprechend der Verschiedenheit der empfangenen Gaben gegenseitig dienen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 32). Insbesondere muß den Laien, die darauf drängen, eine angemessene Rolle 956 AD-L1MINA -BES UCHE zu übernehmen, mehr Gestaltungsraum gegeben werden. Während Ihr Euch um eine immer intensivere Beteiligung aller Gläubigen am kirchlichen Leben bemüht, solltet ihr dafür sorgen, daß die im Codex Iuris Canonici vorgesehenen Organe mit beratender Funktion, wie Seelsorgsräte und Finanzausschüsse, bestehen und ihre Aufgabe pflichtgemäß erfüllen. Diese Organe werden Euch und Euren Priestern eine wertvolle Hilfe sein und die Möglichkeit geben, Euch nach besten Kräften jener Aufgabe zu widmen, die von vorrangiger Bedeutung ist, nämlich der spirituellen und pastoralen Sorge für all diejenigen, die Eurem Dienstamt anvertraut sind (vgl. CIC 169, 492 und 495). 4. Eure Priester bleiben natürlich Eure engsten und wichtigsten Mitarbeiter, die Euch bei der Erfüllung Eurer Aufgabe der Erziehung, Heiligung und Lenkung des Gottesvolkes unterstützen. Denn als Spender des Sakraments handeln sie an Christi Statt und müssen „radikal und vollständig in das Geheimnis Christi eingetaucht ... sein“ (Pastor es dabo vobis, Nr. 18). Auf praktischer Ebene sollte sich das tägliche Leben und Hirtenamt des Priesters, dem Geist und der Lehre der Kirche entsprechend, auf die Feier des hl. Meßopfers und der anderen Sakramente konzentrieren. Was immer Ihr auch tut, um Eure Priester in der hingebungsvollen Darbringung der Eucharistie, im häufigen Empfang des Bußsakraments und im treuen Vollzug des Stundengebets zu bestärken, sollte so sein, als wäre es Mittelpunkt Eures eigenen Hirtenamts. Die vitale Kraft der kirchlichen Sendung geht in erster Linie von Bischöfen und Priestern aus, die durch das Gebet gestärkt und von der Liebe zum lebendigen Gott erfüllt sind (vgl. Richtlinien fiir das priesterliche Leben und Hirtenamt, Nm. 38-42). Gleichzeitig habt Ihr die Pflicht, „den Personen des geweihten Lebens beizustehen und zu helfen“ (Vita consecrata, Nr. 49); auch sie haben einen besonderen Anspruch auf Eure pastorale Fürsorge. Die Präsenz der Ordensleute in euren Ortskir-chen bewirkt „eine besonders reichhaltige Beschreibung der evangelischen Güter und eine vollkommenere Verwirklichung des Zieles der Kirche, das die Heiligung der Menschheit ist“ (ebd., Nr. 32). Die Arbeit der verschiedenen Ordensgemeinschaften ist für die Förderung der kirchlichen Sendung in Asien von entscheidender Bedeutung. Das Beispiel der Heiligkeit, des gemeinschaftlichen Lebens, des Apostolats und Dienstes im Geist christlicher Nächstenliebe so vieler geweihter Männer und Frauen ist ein Zeugnis authentischer christlicher Lebensweise von unschätzbarem Wert. 5. Ich weiß, daß Eure ganz besondere Sorge der angemessenen Ausbildung und Formung der Kandidaten zum priesterlichen und geweihten Leben gilt und daß Un-gemeinsam bemüht seid, auf dem aufzubauen, was bereits erreicht werden konnte. Ihr zählt sehr auf den Einsatz und die Hingabe der Ausbildungsteams in Euren drei Priesterseminaren, deren Aufgabe „eine gediegene Einführung in die Sensibilität für den Hirtendienst und in die bewußte und reife Übernahme seiner Verantwort- 957 AD-LIM1NA -BES UCHE lichkeiten ist. Gleichzeitig soll dieses Bemühen den Kandidaten innerlich daran gewöhnen, die Probleme einzuschätzen und Prioritäten und Möglichkeiten bei ihrer Lösung festzulegen, und zwar immer auf der Grundlage klarer Glaubensbegründungen und entsprechend den theologischen Ansprüchen der Seelsorge selbst“ (vgl. Pastor es dabo vobis, Nr. 58). Eure Aufmerksamkeit in diesem Bereich wird sich auch positiv auf die Förderung der Berufungen zum Priester- und Ordensstand auswirken. Das Wahmehmen und die Förderung von Berufungen gehört, auch im Hinblick auf die verringerte Zahl der Missionare aus anderen Teilen der Welt, zu den dringendsten Erfordernissen Eurer Kirchen. Das innige Gebet aller Gläubigen für die Berufungen, sowohl in der Pfarrgemeinde als auch im Familienkreis, wird jungen Männern und Frauen helfen, sich dem Ruf des Herrn zu öffnen und ihm nachzufolgen. „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2). 6. Gleichzeitig ist das klare Zeugnis christlicher Werte, das Laien in der Familie und der Gesellschaft geben, von entscheidender Bedeutung für eine dynamische und überzeugende christliche Präsenz (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 4). Bei der Erziehung und Ausbildung der Laien muß ganz besonders auf das eingehende und systematische Studium der Hl. Schrift und der kirchlichen Soziallehre geachtet werden. Einsatzbereite und kompetente Katecheten sind unerläßlich: Oft sind sie die Grundkraft ihrer Gemeinden, und die Zukunft der Kirche hängt weitgehend von ihrer Treue ab (vgl. Redemptoris missio, Nr. 73). Möge Gott ihnen Kraft und Freude schenken! Die verschiedenen kirchlichen Gruppen und Organisationen Eurer Diözesen sollten alle in harmonischer Eintracht Zusammenarbeiten. Möglich ist das vor allem, weil die Liturgie, der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, die Gläubigen inspiriert, „in Liebe eines Herzens zu sein“ (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 10). Eure Bemühungen für die Gestaltung der hl. Messe und die Feier der Sakramente in den wesentlichen Landessprachen sollten so fortgesetzt werden, daß eine theologisch vertretbare Inkulturation der christlichen Botschaft gewährleistet ist (vgl. Redemptoris missio, Nr. 52). 7. In Euren Ortskirchen ist viel für die Erziehung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen getan worden, ein in der Kirche stets hochgeschätztes Apostolat, wie ihre gesamte Geschichte bezeugt. In einigen Fällen werden Eure Bemühungen nicht durch den Staat unterstützt. Ich kann Euch nur bestärken, weiterhin die Gegenwart der Kirche auf diesem wichtigen Sektor wie auch die katholische Studentenseelsorge zu gewährleisten. In jeder Situation sollten besondere Programme und Initiativen für die christliche Erziehung junger Menschen zu den wichtigsten Anliegen der gesamten Gemeinde gehören; für das Wohl der Kirche wie auch der Gesellschaft müssen die jungen Generationen in ihrer christlichen Identität bestärkt und unterstützt werden. Es wird Aufgabe der jungen Menschen Eurer Pfarr- 958 AD-LIMINA-BESUCHE gemeinden und Vereinigungen sein, das Königreich Gottes im dritten christlichen Jahrtausend zu verkünden und zu verbreiten (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 58). Es ist ermutigend zu wissen, daß Ihr bereits aktiv mit der Vorbereitung Eurer Ortskirchen im Hinblick auf das Große Jubiläum begonnen habt. 8. Malaysia, Singapur und Brunei sind gleichermaßen mit der Problematik eines schnellen sozialwirtschaftlichen Wachstums konfrontiert. Die Kirche darf nicht müde werden, das hervorzuheben, was eine authentische menschliche Entwicklung verkörpert, eine Entwicklung nämlich, die den kulturellen, ethischen und spirituellen Anforderungen der Menschen entspricht (vgl. Sollicitudo rei socialis. Nr. 33). Auf diese Weise wird die Kirche auch weiterhin Sauerteig in der Gesellschaft sein und jene Initiativen fördern, deren Ziel es ist, wahre Werte zu schützen und zu verteidigen, insbesondere die Werte der Familie und der Solidarität innerhalb der Gemeinschaft, die von Materialismus und egozentrischem Individualismus bedroht sind. In diesem Zusammenhang ist die Förderung des Einvernehmens und der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen religiösen, kulturellen und ethnischen Gruppen von besonderer Bedeutung. Setzt Euch auch weiterhin ein für die Entwicklung von stets authentischeren und wirksameren ökumenischen wie auch interreligiösen Dialogen. Besonders wichtig ist der „Dialog des Lebens“, in dem sich Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammentun, um anderen in Not zu helfen, um den Leidenden Trost zu spenden, um die Rechte von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern zu schützen. Auch unter den Immigranten, die Eure Küsten erreichen, sind viele Katholiken, und ich bitte Euch dringend, ihnen jene pastorale Unterstützung und Sorge zu bieten, die sie brauchen. „Deshalb wollen wir, solange wir noch Zeit haben, allen Menschen Gutes tun, besonders aber denen, die mit uns im Glauben verbunden sind“ (Gal 6,10). 9. Liebe Brüder im Bischofsamt, ich bin mir durchaus der Verantwortungen bewußt, die der Herr Euch durch die Berufung zum bischöflichen Amt auferlegt, hat und versichere Euch die Unterstützung meines Gebets. Möge dieses Treffen Euch einen neuen Gemeinschaftsgeist vermitteln, den wir, als Nachfolger der Apostel, im Dienst an Christus und seinem Reich teilen. Möge Euch Maria, Königin des Friedens und Stern der Evangelisierung, führen und die Kirche in Malaysia, Singapur und Brunei schützen. Für Euch und Euren Klerus, die Ordensleute und gläubigen Laien Eurer Region, die ich mit Gottes Hilfe in Zukunft wieder besuchen werde, erflehe ich die Fülle göttlicher Gnaden und erteile allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. 959 AD-LIMINA -BES UCHE Fördern des Dialogs vom Leben zwischen Christen und Muslimen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Mali am 8. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude begrüße ich Euch in diesem Hause anläßlich Eures Ad-limina-Besuchs. Durch Euch Hirten der Kirche in Mali möchte ich Euer ganzes Volk grüßen, denn in meiner Erinnerung ist die warmherzige Aufnahme, die mir bei meinem Besuch in Bamako entgegengebracht wurde, immer noch lebendig. Ich richte einen besonderen Gruß an die Priester, an die Ordensmänner und Ordensfrauen, an die Katechisten und an alle Laien Eurer Diözesen, die als kleine, doch eifrige Minderheit mit großem Einsatz das Evangelium Christi unter ihren Brüdern und Schwestern in Mali bezeugen. Die liebenswürdigen Worte, die Msgr. Julien-Marie Sidibe, Bischof von Segou, in Eurem Namen an mich gerichtet hat, bestätigen die Anhänglichkeit Eurer Gemeinden gegenüber dem Nachfolger Petri. Ich danke Euch herzlich dafür. 2. Die Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel ist eine Gelegenheit für die Hirten der Kirche, um in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom ihre missionarische Sorge aufzufrischen, damit das Evangelium Christi bis an die Grenzen der Welt verkündet werde. Dieses Jahr findet unser Treffen zu einem Zeitpunkt statt, da Ungerade das hundertjährige Bestehen der Diözese Segou gefeiert habt. Und ich bin glücklich, mich der Freude und der Hoffnung ihres Bischofs und aller Mitglieder dieser Diözese anschließen zu können. Euer Besuch fällt außerdem in die Verlängerung eines wichtigen Ereignisses für die Universalkirche, nämlich der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, die Ihr so gewissenhaft vorbereitet und erlebt habt, indem Ihr Eure Gemeinschaften daran habt Anteil nehmen lassen. Letztes Jahr habe ich anläßlich meiner Reise in Euren Kontinent in der feierlichen Phase der Synode das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa veröffentlicht. Ich wünsche, daß es für jede Eurer Diözesen zu einer Quelle der Erneuerung im Festhalten an Christus und im missionarischen Engagement aller Christen werde, sowie für Eure Nation ein brüderlicher Aufruf, mit Vertrauen in die Zukunft zu blicken. 3. Die Vitalität der Kirche in Eurem Land drückt sich vor allem in der Entwicklung der kirchlichen Basisgemeinschaften aus, die jeden Tag die Verpflichtung erfüllen, die in Eurem Hirtenbrief aus dem Jahr 1990 mit dem Titel Eine Kirche der brüderlichen Gemeinschaft dargestellt ist. Auch nach diesem Hirtenbrief habt Ihr den Weg mit verschiedenen weiteren pastoralen Dokumenten richtig abgesteckt. Nun da die Kirche in Mali in das zweite Jahrhundert ihres Daseins tritt, wollt Ihr Eure Gläubigen dazu anregen, die Gegenwart und die Zukunft des Evangeliums in 960 AD-LIMINA-BES UCHE Eurem Land in die Hand zu nehmen. Dies bedarf einer wahrhaften Bekehrung der Herzen und einer tiefen Änderung der Mentalität. Die Hindernisse, die der Annahme des Glaubens im Wege stehen, sind oft gewaltig in Anbetracht des Einflusses gewisser traditioneller Praktiken, der sozio-ökonomischen Schwierigkeiten oder auch der Entfernung zwischen den Orten, wo christliche Gemeinden oder einzelne Christen leben. Liebe Brüder, ich ermutige Euch dazu, kirchliche Gemeinschaften aufzubauen, die lebendig sind, die eine starke Ausstrahlung haben und die anderen gegenüber offen sind. Darin möge sich die universale Liebe Christi offenbaren, die über die natürlichen Schranken der Solidarität hinausgeht (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 89). Mögen überall dort, wo sich die Jünger Christi befinden, die Zeichen der Liebe Gottes für die Menschen von heute sichtbar werden. Das Engagement der Christen für ein brüderlicheres Leben ist in Zusammenarbeit mit all ihren Landsleuten in der Gesellschaft eine sehr bedeutende Ausdrucksform davon. Im Zuge der gegenwärtigen Veränderungen der Gesellschaft versucht die Jugend, trotz der Versuchungen zur Ermutigung oder der Flucht in ein bequemeres Leben eine menschlichere und gerechtere Welt zu errichten, die ihren Bestrebungen besser entspricht. Ihr sollt eine brüderliche Stütze für die Jugendlichen sein, die sie den Wert des Schenkens der eigenen Person zum Wohle aller entdecken läßt: Helft ihnen, ihren Platz im Leben der Kirche und der Nation einzunehmen. 4. Wie ich schon in meinem nachsynodalen Schreiben präsent gemacht habe: „Die Synode betrachtet die Inkulturation als eine Priorität und Dringlichkeit im Leben der Teilkirchen für eine tatsächliche Verwurzelung des Evangeliums in Afrika, als ein .Erfordernis der Evangelisierung1, als .einen Weg zur vollen Evangelisierung1, als eine der größten Herausforderungen für die Kirche auf dem Kontinent angesichts des nahenden dritten Jahrtausends“ (Ecclesia in Africa, Nr. 59). Die Verwurzelung des Evangeliums in Eurer Kultur ist ein schwieriger Auftrag, der die Treue zur Botschaft des Evangeliums in seiner ganzen Kraft fordert bei gleichzeitiger Achtung der echten afrikanischen Werte. In dieser Hinsicht ist die Familie eine der wichtigsten Instanzen, wo sich diese Art von Inkulmration entwickeln kann. Die Aufmerksamkeit, die Ihr seit mehreren Jahren der Ehe widmet, damit die christlichen Werte tief in die Strukturen Eurer Gesellschaft eindringen können, ist ein gelungener Beitrag zur Evangelisierung des Familienlebens. In Euren Diözesen und in Zusammenarbeit mit den Priestern und den Ordensschwestern bemüht man sich sehr um die Vorbereitung der zukünftigen Ehepaare hinsichtlich der Verpflichtungen, die sie für das ganze Leben eingehen. Ich lade die jungen Christen ein, großherzig diesen Schritt zu tun. Ihre Zukunft zeichnet sich darin ab. Und ich möchte hier die besondere Sendung unterstreichen, die den Familien der Katechisten zukommt, vor allem in bezug auf die Jugend: Sie offenbaren nämlich die Würde der christlichen Ehe als Weg der Heiligkeit, um der Berufung der Taufe zu entsprechen. Das tagtägliche Beispiel innig verbundener Paare nährt oft den Wunsch, es ihnen gleichzutun. Mögen sie in 961 AD-LIMINA-BESUCHE allen Situationen echte Verteidiger des Lebens sein! Mögen sie Vorbilder sein in ihrer Achtung der Würde der Frau und für den Sinn der elterlichen Verantwortung in der menschlichen und christlichen Erziehung ihrer Kinder Zeugnis ablegen! 5. Liebe Brüder, „eine weitere Herausforderung, die von den Synodenvätem hervorgehoben wurde, betrifft die verschiedenen Formen von Uneinigkeit und Zwietracht, die es durch eine ehrliche Praxis des Dialogs zu beheben gilt. Mit Recht wurde darauf hingewiesen, daß innerhalb der von den Kolonialmächten ererbten Grenzen die Koexistenz unterschiedlicher ethnischer Gruppen, Traditionen, Sprachen und auch Religionen oft auf Hindernisse stößt, die auf schwerwiegende wechselseitige Feindschaften zurückgehen ... Deshalb fühlt sich die Kirche in Afrika gerade zu der Aufgabe ermahnt, solche Feindschaften abzubauen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 49). In dieser Beziehung seid Ihr als Hirten der ganzen Euch anvertrauten Herde aufmerksam gegenüber allen Formen der Spaltung, die in Eurem Land Hindernisse für den Frieden darstellen könnten. Ihr wißt auch an die Verpflichtungen der Gerechtigkeit gegenüber jenen zu erinnern, die noch nicht in ihr Heimatland zurückkehren können und deshalb das schwierige Leben der Flüchtlinge führen. Zum Glück ist das Vebh$ltnis zwischen der christlichen Gemeinschaft und den Gläubigen des Islam meistens von positivem Zusammenleben und gegenseitiger Wertschätzung gekennzeichnet. Der Weg einer wahrhaften Begegnung mit den anderen ist gewiß mühsam. Die Hindernisse, die auf diesem Weg zu finden sind, sollten die Gläubigen dazu anspomen, den gegenseitigen Beziehungen eine größere Intensität zu verleihen, die in der Lage ist, die Ursachen der Uneinigkeit aus dem Weg zu räumen. Wie Ihr selbst schon öfter hervorgehoben habt, geht der Dialog des Lebens, den die Christen mit den Muslimen pflegen, weit über das einfache Zusammenleben hinaus, da Ihr davon überzeugt seid, daß Ihr eine in Eurer Tradition verwurzelte Schicksalsgemeinschaft bildet. In Eurem gemeinsamen Einsatz zugunsten der Entwicklung der Solidarität in der Gesellschaft führt die bedeutungsvolle Überwindung einer unklaren Toleranz (nur als einfache Annahme des anderen verstanden) nach und nach zum Aufbau einer Gemeinschaft von Brüdern, die sich schätzen und lieben. Auf diese Weise legen wir Gläubige für Gott Zeugnis ab, ,andern wir die Werte und religiösen Traditionen eines jeden achten, gemeinsam für die Förderung und Entwicklung des Menschen auf allen Ebenen arbeiten. Weit davon entfernt, jemand sein zu wollen, in dessen Namen andere Menschen sich umbringen, verpflichtet er die Gläubigen dazu, sich gemeinsam in den Dienst am Leben in Gerechtigkeit und Frieden zu stellen“ (Ecclesia in Africa, Nr. 66). Das Zeugnis der Kirche muß auf diese Weise die Freigebigkeit der Liebe Gottes zum Ausdruck bringen, die allen ohne jeden Unterschied zuteil wird, insbesondere durch die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit, die im Laufe der Zeit und der Ereignisse des Lebens entwickelt werden. 962 AD-LIM1NA-BESUCHE 6. Damit Eure Gemeinschaften immer stärker im Glauben und großzügiger in der Nächstenliebe werden, räumt Ihr der Ausbildung zu Recht einen wichtigen Stellenwert ein. In Euren Diözesen seid Ihr sehr um neue Berufungen zum Priesteramt und zum Ordensleben bemüht, vor allem für die Jugendseelsorge und dank des ständigen Gebets aller Gläubigen. Die Weiterbildung Eurer Mitarbeiter in der Seelsorge ist eine immer wachsende Notwendigkeit in allen Bereichen, die das Leben des Gottesvolkes, seine Evangelisierung und sein Zeugnis betreffen. Seid Euren Priestern nahe, damit sie in Euch Hirten finden, die bereit sind, ihnen vertrauensvoll und freundschaftlich zuzuhören (vgl. Christus Dominus, Nr. 16). Die Ausbildung von Laienanimatoren muß unter den Aufgaben Eurer Gemeinschaften einen zentralen Platz einnehmen. Erlaubt mir, Euch zu den zahlreichen Einrichtungen und Initiativen zu beglückwünschen, die Ihr auf verschiedenen Ebenen bereitgestellt habt: die erste Ausbildung der Kinder und der Katechumenen, die Ausbildung der Katechisten und der für die Gemeinde Verantwortlichen, ohne die Hinführung zum christlich-islamischen Dialog zu vergessen. Eine gute Kenntnis der einheimischen Sprachen und Kulturen erlaubt auch eine Begegnung in der Wahrheit mit der Botschaft des Evangeliums. Denn letztendlich muß jeder Christ das erhalten, was er gemäß seiner eigenen Berufung innerhalb der Gemeinschaft für sich braucht, um seinen Glauben kennenzulemen und ganz nach diesem Glauben zu leben. „Die Kirche in Afrika muß, um Trägerin der Evangelisierung zu sein, .damit beginnen, sich selbst zu evangelisieren [...]. Sie muß unablässig selbst vernehmen, was sie glauben muß, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist. Als Volk Gottes, das mitten in dieser Welt lebt und oft durch deren Idole versucht wird, muß die Kirche immer wieder die Verkündigung der Großtaten Gottes hören1 (Paul VI., Evangelii nuntiandi, Nr. 15)“ (Ecclesia in Africa, Nr. 76). 7. Nun, da sich die Feier des Großen Jubeljahrs 2000 am Horizont abzeichnet, möchte ich Euch einladen, Euch zum nächsten Jahrtausend hinzu wenden, indem Ihr Euch entschlossen dafür einsetzt, Eure Entscheidung für Christus als den einzigen Erlöser der Menschheit zu erneuern. In ihm finden die Erwartungen und die Hoffnungen der ganzen Menschheit ihre Erfüllung. Möge die Vorbereitung des Jubeljahrs eine Gelegenheit für die Kirche in Mali sein, um ihren Glauben und ihr Zeugnis für Christus noch weiter zu stärken! Dies sind die Wünsche, die ich der mütterlichen Fürsorge der Jungfrau Maria, Unserer Lieben Frau von Maü, anvertraue, die in Eurem Land so sehr verehrt wird. Ich bitte sie besonders, Euch in Eurem bischöflichen Amt zu leiten, das Ihr mit großem Opfergeist ausübt im Dienst des Euch anvertrauten Volkes. Von ganzem Herzen spende ich Euch, Euren Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen, den Katechisten und allen Gläubigen Malis meinen Apostolischen Segen. 963 AD-LIMINA-BESUCHE Das Recht auf Religionsfreiheit darf von der Kirche niemals vernachlässigt werden Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Myanmar am 5. Juli Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Zuneigung begrüße ich Euch, die Bischöfe aus Myanmar, anläßlich eures Ad-limina-Besuchs: „Jesus Christus aber, unser Herr und Gott, unser Vater, ... tröste euch und gebe euch Kraft zu jedem guten Werk und Wort“ (2 Thess 2,16-17). Ihr seid gekommen, um die Gräber der Apostelfürsten zu verehren und den Bischof von Rom zu treffen, der „der universalen Gemeinschaft der Liebe vorsteht“ (vgl. hl. Ignatius, Brief Ad Romanos, Einleitung). Unsere brüderliche Begegnung offenbart den kollegialen Geist, der die Bischöfe mit dem Nachfolger Petri, miteinander und mit dem Volk Gottes auf der ganzen Welt verbindet. Unser Treffen bringt also das tiefe Geheimnis der Kirche als Gemeinschaft zum Ausdruck - jene gesegnete Gemeinschaft mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit - Teilhabe am Leben des Vaters durch den Sohn im Heiligen Geist (vgl. Joh 1,1-3) die Weg und Ziel ihrer Pilgerreise ist. Ich ermutige die Kirche in Myanmar, einen lebendigen Sinn für die übernatürliche „koinonia“ der Gnade zu entwickeln, die über jede menschliche Zwietracht hinausgeht und es den verschiedenen Ämtern und Charismen ermöglicht, sich einander zu nähern und zusammenzuarbeiten, um „den Tempel des lebendigen Gottes“ aufzubauen (2 Kor 6,16). 2. Eure Anwesenheit ist für uns alle eine Gelegenheit, um uns zusammen zu freuen und dem Herrn zu danken für die Art und Weise, wie der Samen des Glaubens in euren Gemeinschaften wächst und gedeiht. Diese bilden zwar nur eine „kleine Herde“, aber sie sind voller Anzeichen der Hoffnung. Viele Eurer Diözesen erleben eine bemerkenswerte Zunahme der Berufungen zum Priesteramt und zum gottgeweihten Leben. Das ist ein wunderbares Zeichen der Vitalität und Reife der Kirche, aber es bringt auch große Verantwortung mit sich. In Eurer Eigenschaft als Hauptverantwortliche für die Priesterausbildung sollt Ihr auf das bisher Getane aufbauen und sicherstellen, daß die Kandidaten einem soliden und umfassenden Programm zur Priesterausbildung folgen. Ihr müßt der Bedingung entsprechen, daß die Zeit der Ausbildung sie zu der menschlichen, psychologischen, sittlichen, intellektuellen und geistigen Reife führt, die sie für das Priesteramt geeignet macht. Ich ermutige Euch besonders dazu, für diese Arbeit Priester auszuwählen, die ein sichtbares und freudiges Zeugnis für den Wert und die Tugenden des Priestertums ablegen, das als willkommene und von Gott geschenkte Gnade erlebt und von intensivem Gebet, selbstloser Hingabe und pastoraler Liebe getragen wird. Das Nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis bietet wie eine Art Magna Charta des priesterlichen Lebens und Lernens eine Zusammenfassung der Weisheit und Erfahrung der Kirche auf diesem Gebiet. Wenn Ihr in Eure Di- 964 AD-L1M1NA -BESUCHE özesen zurückkehrt, sollt Ihr Euren Priestern versichern, daß Ihr und ich ihre Arbeit anerkennen: Und dankt ihnen erneut dafür! Bittet sie, den von ihnen gewählten Weg mit Freude weiterzugehen, denn derselbe Gott, der sie gerufen hat, bleibt bei ihnen alle Tage ihres Lebens (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 4). 3. Im Lichte einer im Laufe der Jahrhunderte und mit dem Beistand des Geistes der Wahrheit erworbenen Weisheit (vgl. Joh 14,26) fordert das Kirchenrecht, daß gewisse Gemeinschaftsstrukturen in jeder Ortskirche eingerichtet werden. Die wichtigste dieser Strukturen ist der Priesterrat, der gleichsam Senat des Bischofs ist; seine Aufgabe besteht darin, den Bischof bei der Leitung der Diözese nach Maßgabe des Rechts zu unterstützen, um das pastorale Wohl des ihm anvertrauten Gottesvolks zu fördern (vgl. Codex des kanonischen Rechts, can. 495, Par. 1). Ebenso ist der diözesane Vermögensverwaltungsrat für die Regelung weltlicher Angelegenheiten wichtig (vgl. ebd., can. 492 Par. 1) sowie der Pastoralrat, der eine große Hilfe bei der Organisation der kirchlichen Aktivitäten aller verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Diözese sein kann (vgl. ebd., can. 511). Bemüht Euch auch weiterhin, diese Möglichkeiten für Gemeinschaft und Zusammenarbeit einzurichten und noch wirkungsvoller zu gestalten, denn sie ermöglichen es jeder Ortskirche, wirklich und wahrhaftig einig zu sein im Lob Gottes und im Dienst am Nächsten. 4. Ihr seid die Erbauer der Gemeinschaft, und Eure pastorale Sorge gilt allen Mitgliedern der Kirche: dem Klerus, den Ordensleuten und den Laien. Jede Lebensart drückt auf ihre Weise einen Aspekt des Mysteriums Christi aus (vgl. Vita conse-crata, Nr. 32). Da das gottgeweihte Leben eine engere Nachfolge des Lebens Christi selbst erforderlich macht, kommen darin in besonderer Fülle die Werte des Evangeliums zum Ausdruck. Es bezeugt die Tatsache, daß die Welt nicht ohne den Geist der Seligpreisungen verwandelt und Gott dargeboten werden kann (vgl. ebd., Nr. 33). Es soll eines Eurer Hauptanliegen sein, den Mitgliedern der religiösen Gemeinschaften zu einer so fundierten Vorbereitung zu verhelfen, daß sie „die frei übernommenen Verpflichtungen konsequent und vollständig leben“ können {ebd., Nr. 103). 5. Die Treue Eures Volkes zum Gebet und ihr aktives sakramentales Leben sind Schätze, die sorgsam gehütet und vermehrt werden sollten. Für die Erfüllung ihrer Sendung müssen die gläubigen Laien innerlich von der Kraft des Geistes gestärkt werden, der durch die Wunden des gekreuzigten und auferstandenen Herrn über die Kirche ausgegossen wurde. Aus dem durchbohrten Herzen des Erlösers fließen Ströme des lebendigen Wassers der Gnade (vgl. Joh 7,38), die die Katholiken von Myanmar - auch in schwierigen Situationen - beim Aufbau des mystischen Leibes Christi stärken werden. Die vom Geist geleitet sind (vgl. Gal 5,16), werden von der Liebe gedrängt, dem Sohn gleichgestaltet zu werden (vgl. Röm 8,29) und einander zu lieben, wie er sie geliebt hat (vgl. Joh 15,12). Wahrhafte Spiritualität führt immer zur Nächstenliebe und zu einer festen Verpflichtung, die Welt - Zu- 965 AD-LIMINA-BES U CHE hause, Nachbarschaft, Arbeitsplatz und Nation - im Licht des Glaubens zu verändern. Opus orationis iustitia: Der Hunger und Durst der Christen nach Gerechtigkeit ist die Frucht ihrer Vereinigung mit Gott im Gebet. Es freut mich zu wissen, daß die Laien in Euren Diözesen trotz mangelnder materieller Ressourcen sich großzügig den geistlichen und leiblichen Werken der Barmherzigkeit widmen, besonders zugunsten der Waisen, der Armen und der Vernachlässigten. Die Einrichtung von Karuna Myanmar [Caritas] wird den Initiativen der Solidarität eine Struktur geben, durch die die verschiedenen Gruppierungen noch wirksamer für das Wohl aller Zusammenarbeiten können. Wie ich von Euch erfahren habe, sind die Katecheten in Euren Diözesen „unersetzbare Verkündiger“ und Grundkraft Eurer christlichen Gemeinden (vgl. Re-demptoris missio, Nr. 73). Jedem von ihnen sende ich einen besonderen Gruß im Herrn! Das erste Zeugnis jedes Katecheten - und auch das, was ihr ständig unterstützen sollt - ist ein heiliges Leben in standhaftem Glauben, unerschütterlicher Hoffnung und glühender Liebe. Das sind die „Worte“, die die Menschen dem Evangelium näherbringen. Damit die spezifisch kirchliche Mission Eurer Katecheten immer reichere Frucht trage, sollten sie nach präzisen, realistischen und nachprüfbaren Kriterien ausgesucht werden (vgl. Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Leitfaden für Katecheten, Nr. 18), und es muß ihnen eine intensive geistliche, theologische und pastorale Ausbildung zuteil werden. 6. Die Kirche in Myanmar - wie ihre Schwesterkirchen auf der ganzen Welt - „ist ihrer Natur nach missionarisch, hat das Evangelium empfangen und trägt es weiter“ (Redemptoris missio, Nr. 49). Kein Teil des Gottesvolkes darf sich der Aufgabe entziehen, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden (vgl. Mk 16,15). Durch das Zeugnis der Priester, Ordensleute und Katecheten macht die Evangelisierung auch in den entlegensten Gegenden Eures Landes Fortschritte. Die jüngsten Projekte zur Errichtung einer Missionsgesellschaft, die Verbände von Laienmissionaren und die mit dem Großen Jubeljahr verknüpften Bemühungen für die Evangelisierung sind beredte Zeichen jenes missionarischen Geistes, der die Garantie dafür ist, daß Eure Herzen im Einklang mit den Bedürfnissen der universalen Kirche schlagen (vgl. Apg 12,24). Ihr sprecht von einer Verbesserung der ökumenischen Kontakte und speziell von gemeinsamen Gebeten mit denen, die keine volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche haben. Wir dürfen hoffen, daß diese Praxis - die in Wirklichkeit „die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung ist“ (Unitatis redintegratio, Nr. 8) - die Christen in Myanmar mehr und mehr dazu bringen wird, „zu wichtigen Problemen, die die menschliche Berufung, die Freiheit, die Gerechtigkeit, den Frieden, die Zukunft der Welt betreffen, gemeinsam im Namen Christi Stellung (zu) beziehen“ (Ut unum sint, Nr. 43). Desgleichen ist der interreligiöse Dialog eine heikle, aber unverzichtbare Aufgabe für Eure Ortskirchen. In der Tat ist in Myanmar, wie auch in den anderen Ländern Asiens, „die Frage der Begegnung des Christentums mit den ältesten Kulturen und Lokalreligionen am ausgeprägtesten“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 38). Darin 966 AD-LIMINA-BES U CHE seid Ihr von Eurer Hochachtung gegenüber den Anhängern anderer religiöser Traditionen geleitet, denn das ist die Voraussetzung allen Dialogs. Eine respektvolle Haltung verhütet sowohl einen falschen Irenismus, der seine Wurzeln in der religiösen Gleichgültigkeit hat, als auch den militanten Fundamentalismus, der die individuelle und persönliche Natur des Verlangens, die Wahrheit zu kennen und dementsprechend zu leben, verkennt. Auf der unmittelbaren und praktischen Ebene schließt der interreligiöse Dialog den Wunsch ein, Uneinigkeiten zu überwinden und die Eintracht durch gegenseitige Achtung, Selbstlosigkeit und mitfühlenden Dienst an den anderen ohne Unterschied zu fördern. Myanmars uralte Tradition des Mönchtums kann in besonderer Weise eine geistige Brücke der Gemeinsamkeit schlagen, die den Dialog zwischen Buddhisten und Christen anregt. Das dem Gebet und der Askese gewidmete Leben erinnert ja stark daran, daß die tiefste Unruhe des Herzens nicht durch den Materialismus des „Habens“ befriedet wird, sondern durch die Gemeinschaft des „Seins“ mit Gott. Wäre es nicht ein großer Segen für die Kirche in Myanmar, über ein Institut des kontemplativen Lebens zu verfügen, eine Gemeinschaft, die „dem Zeugnis der Herrlichkeit und Liebe Gottes ... unter den Nichtchristen Leuchtkraft verleihen“ könnte (Ad gentes, Nr. 40)? Die Zunahme klösterlichen Lebens in einer jungen Kirche ist ein Zeichen dafür, daß das Evangelium wahrhaftig und voll im Land verwurzelt ist. 7. Hinsichtlich Eurer Bemühungen, den katholischen Gläubigen immer mehr die Rolle bewußt zu machen, die sie bei der Entwicklung Eures Landes spielen können, möchte ich Euch erneut ermutigen. Es handelt sich um eine Entwicklung, die die Achtung der Menschenrechte und der kulturellen und religiösen Werte verkörpern sollte sowie die Förderung der Gerechtigkeit und den Dienst zugunsten des Gemeinwohls. Die Soziallehre der Kirche gründet auf einer „Sicht von der Würde der Person, die sich im Geheimnis des Mensch gewordenen Wortes in ihrer ganzen Fülle offenbart“ (Centesimus annus, Nr. 47). Sie beruht auf der festen Überzeugung, daß die in der Schöpfung verankerten und im Herzen des Menschen eingeprägten universalen sittlichen Normen das unerschütterliche Fundament und die zuverlässige Gewähr für ein gerechtes und friedliches menschliches Zusammenleben bilden (vgl. Veritatis splendor, Nr. 96). Die Verteidigung und Förderung der Würde des Menschen und seiner unveräußerlichen Rechte, vor allem des Rechts auf Religionsfreiheit, ist eine Aufgabe, die von der Kirche niemals vernachlässigt werden darf. 8. Liebe Brüder, nun, da das Große Jubeljahr in greifbare Nähe gerückt ist, wollen wir beten, daß die Kirche in Myanmar mit den besonderen Früchten dieses Jubiläums gesegnet werden möge. In Eurer Mitte gibt es schon jetzt viele hoffnungsvolle Zeichen für die Zukunft des Christentums (vgl. Redemptoris missio, Nr. 86). Gott bereitet diese Zukunft durch Euren Eifer und Eure Treue im bischöflichen Amt vor. Ich möchte Euch nochmals meiner brüderlichen Unterstützung versichern, und ich bete, daß das Ministerium Petrinum, das der Herr mir zum Wohle 967 AD-LIMINA-BESUCHE seiner Herde anvertraut hat (vgl. Joh 21,15-17), Euch im apostolischen Glauben stärke (vgl. Lk 22,32). Möge die Heilige Jungfrau Maria für die ganze Familie Gottes in Myanmar Fürsprache einlegen, damit sie auch in Zukunft „das Geheimnis des Evangeliums“ mit Mut und Freude verkündet (vgl. Eph 6,19). Mit diesem Gebet spende ich Euch und den Priestern, den Ordensleuten und gläubigen Laien von Herzen den Apostolischen Segen: „Friede sei mit euch allen, die ihr in Christus seid“ (/ Petr 5,14). Die Kirche ist für Sünder, Zweifelnde und Mutlose offen Ansprache beim Ad-limina-Besuch philippinischer Bischöfe aus Mindanao und Südluzon am 27. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir immer eine große Freude, mit den Bischöfen der Philippinen zusammenzutreffen, insbesondere anläßlich Eurer Ad-limina-Besuche, wenn Ihr dem Nachfolger Petri das freudige Zeugnis vom Glauben Eures Volkes und seiner Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl bringt. Ich grüße Euch, die erste Gruppe dieser Besuchsreihe, und durch Euch alle Gläubigen auf den Philippinen: „Die Gnade Jesu Christi, unseres Herrn, sei mit eurem Geist“ (Gal 6,18). Eure Anwesenheit hier erinnert mich an das wunderbare Erlebnis des Weltjugendtags in Manila im Januar des vergangenen Jahres. Beeindruckend war nicht nur die große Anzahl engagierter junger Filipinos, sondern vor allem die Lebenskraft, die Überzeugung und Begeisterung, mit der die gesamte katholische Gemeinde der Philippinen ihre Liebe zu Gott und seiner Kirche bekannte. Bereits bei meiner Ankunft auf philippinischem Boden hatte ich den Wunsch, mein Predigen auf „die Frohe Botschaft von der Liebe und der Barmherzigkeit Gottes - das Wort der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens - zu konzentrieren, das allein ein Leben, das der Söhne und Töchter Gottes würdig ist, inspirieren kann“, und auf „die besondere Berufung“ der philippinischen Kirche, „das Evangelium im Herzen Asiens zu bezeugen“ (vgl. Begrüßungsansprache, 12. Januar 1995, Nr. 4). Durch ihre Worte und ihr Verhalten zeigten die philippinischen Katholiken ihre Bereitschaft, dieser Berufung als Antwort auf die Liebe Gottes zu folgen; und zwar „mit neuem Licht, neuer Liebe, neuer Einsatzbereitschaft, um den großen Anforderungen der Menschheit zu entsprechen“ (ebd., Nr. 6). 2* Ja, zweifellos ist die Kirche in Eurem Land, überall auf Euren Inseln, voller Bewegung, Kraft und Leben. Wie die junge Braut in der Offenbarung, vertraut sie vollends auf die unerschütterlicha Treue ihres Herrn und Erlösers; sie bringt ihr Versprechen der Liebe und des Lebens dar: „Wir wollen uns freuen und jubeln und ihm die Ehre erweisen. Denn gekommen ist die Hochzeit des Lammes, und seine Frau hat sich bereit gemacht“ (Offb 19,7). Welche Kennzeichen deuten auf 968 AD-LIMINA-BESUCHE diese jugendliche geistliche Vitalität hin? In erster Linie das treue Dienstamt Eurer geliebten Mitarbeiter, der Priester, die ihre priesterliche Identität im großherzigen Dienst am Volk Gottes verwirklichen. Sie stärkt die sakramentale Gleichgestaltung mit Christus, dem erhabenen Hohenpriester (Hebr 4,14), dessen Freundschaft sie im persönlichen Gebet und in der Liturgiefeier erleben. Auch Eure Seminaristen sind ein sicheres Zeichen der Hoffnung für die Zukunft. Sie erwarten von Euch eine eingehende geistliche Formung, damit sie „zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph 4,13). Und was ist mit den zahlreichen Ordensleuten? Ihr unerläßlicher Beitrag zur Evangelisierung der Philippinen ist ein wesentlicher Bestandteil Eurer Geschichte, der heute durch die Bemühungen Eurer Teilkirchen, das wahre Wesen Christi in allen Formen des kirchlichen Dienstes zu zeigen, fortgesetzt wird. Ein besonderes Zeichen der Lebenskraft ist die wachsende Beteiligung der Laien an der Sendung der Kirche. In zunehmendem Maße könnt Ihr bei der Beantwortung der zahlreichen Herausforderungen, vor die uns die Neuevangelisierung und die ganzheitliche menschliche Entwicklung stellen, die den Rahmen der kirchlichen Aktion beim Übergang in das nächste christliche Jahrtausend bilden, auf ihre aktive und fruchtbare Mitarbeit zählen. Aufgrund Eurer einzigartigen und zentralen Rolle, die Ihr als Bischöfe bei der Beantwortung dieser Herausforderungen einnehmt, möchte ich Euch darin bestärken, voll auf den Herrn, den obersten Hirten (1 Petr 5,4), der seine Herde nie verläßt, zu vertrauen. Ganz gleich welche Schwierigkeiten auch immer im Wandel der Zeit und der Gegebenheiten entstehen mögen, er ist mit seiner Gnade und der Macht seines Wortes zugegen, um Euch in Eurem Amt und Dienst zu lenken und beizustehen. In der Tat „verfügt“ der Herr „in seinem Leib, der Kirche, die Dienstgaben immerfort, vermöge deren wir durch seine Kraft uns gegenseitig Dienste leisten zum Heil, so daß wir, die Wahrheit in Liebe vollbringend, in allem auf ihn hin wachsen, der unser Haupt ist“ (Lumen Gentium, Nr. 7). Als Bischöfe habt Ihr die Verantwortung, diese Gaben und Charismen zu erkennen und zu beurteilen, aber vor allem sollt Ihr sie für das Wohl aller fördern und sie zu einem großen Gotteslob vereinen. Darin besteht die eigentliche Bedeutung der Gemeinschaft der Jünger und Anhänger, die die Zweite Vollversammlung der philippinischen Bischöfe als Ziel für eure pastoralen Vorhaben und Aktivitäten setzte. 3. Mit Euren Brüdern im Bischofsamt in den anderen Teilen des Landes in Übereinstimmung mit dem Aufruf des Zweiten Vatikanischen Konzils und Eurer eigenen Zweiten Vollversammlung seid Ihr um die Vermittlung eines tieferen Sen-dungs- und Gemeinschaftssinns bemüht, um ein Bewußtsein, das den Gläubigen die Zugehörigkeit und die Teilnahme am Leib Christi vermittelt, einer Realität, die über sie hinausgeht, sie aber doch einschließt, die von ihnen abhängig ist und sie für die Gegenwart und die Zukunft eben dieser Realität verantwortlich macht. In dieser Gemeinschaft sind die Bischöfe heute wie damals die älteren Brüder. Uns, den Nachfolgern der Apostel, ist in erster Linie die Aufgabe anvertraut worden, so 969 AD-LIM1NA-BESUCHE zu evangelisieren und zu lehren, damit alle durch Glaube, Taufe und Erfüllung der Gebote das Heil erlangen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 24). Wir sind berufen, diese Funktion und Autorität auszuüben, nicht mit Stolz oder auf unsere eigene Kraft vertrauend, sondern mit Liebe und demütigem Gehorsam der Wahrheit gegenüber, als „Diener der Diener Gottes“ (vgl. Augustinus, Ep ist. 217; ML 33,378). Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert uns daran, daß , jenes Amt, das der Herr den Hirten seines Volkes übertragen hat, ein wahres Dienen ist, weshalb es in der Heiligen Schrift bezeichnenderweise mit dem Wort ,Diakonia‘, d. h. Dienst, benannt wird“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 24). Euer Ad-limina-Besuch ist eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Erneuerung und Stärkung dieser inneren Verpflichtung und Bereitschaft, die täglich Euer Gebet, Eure Arbeit und Eure Bemühungen für das Wohl der Euch anvertrauten Diözesen inspirieren. Ihr wißt, daß Eure persönliche Art und Weise, der Gnade Gottes zu entsprechen, nicht ohne Auswirkung auf die Entwicklung des Gottesvolkes ist, „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (Cyprian, De Orat. Dom. 23: PL 4,553; Lumen Gentium, Nr. 4). Die dogmatische Konstitution Lumen Gentium gibt den Banden zwischen Hirten und Gläubigen eine ausgesprochen theologische Basis, sieht sie als Bestandteil eines göttlichen Plans für die Kirche, als Ausdruck ihrer gemeinsamen Würde, die der Wiedergeburt in Christus entspringt: „Der Unterschied, den der Herr zwischen den geweihten Amtsträgem und dem übrigen Gottesvolk gesetzt hat, schließt eine Verbundenheit ein, da ja die Hirten und die anderen Gläubigen in enger Beziehung miteinander verbunden sind ... denn gerade die Vielfalt der Gnadengaben, Dienstleistungen und Tätigkeiten vereint die Kinder Gottes, weil ,dies alles der eine und gleiche Geist wirkt“ (7 Kor 12,11)“ (Lumen Gentium, Nr. 32). Ihr, die Hirten, sagt zu den Gläubigen: ja, Christus hat uns ein Amt geistlicher Autorität, ein Amt des Lehrens und Lenkens übertragen, aber auch das ist ein Dienst am ganzen Leib; die unsere ist „eine Hierarchie des Dienens und nicht eine Hierarchie christlicher Würdenträger“ (vgl. Zweite Vollversammlung der philippinischen Bischöfe, Dokument, Nr. 96). Mit anderen Worten, es ist, als würdet Ihr den Gläubigen sagen: niemand hat eine lediglich passive Funktion; der Beitrag jedes einzelnen und jeder Familie ist wesentlich; Christus braucht jeden von Euch. Und mit Hilfe der Priester, der Ordensleute und engagierten Laien seid Ihr durch Eure pastorale Arbeit bemüht, das auf dem Evangelium begründete Konzept der Gemeinschaft in eine alltägliche Realität jeder einzelnen Ortsgemeinde zu verwandeln. 4. Ein wesentlicher Aspekt dieser eingehenden pastoralen Bemühungen ist die Verbreitung und Festigung kirchlicher „Basisgemeinschaften“, ebenso wie die Ausbildung der für sie verantwortlichen Leiter. Einerseits seid Ihr Euch des großen Potentials solcher Gemeinschaften durchaus bewußt, andererseits aber erkennt Ihr auch die Herausforderungen, die sie mit sich bringen. In dieser Hinsicht bleibt das von meinem Vorgänger Papst Paul VI. verfaßte Apostolische Schreiben Evan-gelii nuntiandi eine grundlegende Aussage des kirchlichen Lehramts, auf das ihr 970 AD-LIMINA-BESUCHE von Zeit zu Zeit zurückgreifen solltet, um Euch daran zu erinnern, daß diese pasto-rale Ausdrucksform nur dann gültig ist, wenn solche Gmppen „sich innerhalb der Kirche bilden, um in der Einheit der Kirche zu stehen und zum Wachstum der Kirche beizutragen ... eng an ihrem Leben teilnehmend, gestärkt durch ihre Unterweisung und ihren Hirten verbunden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 58). Durch die Vertiefung der Bande zwischen ihren Mitgliedern, Bande, die vor allem das sakramentale und liturgische Leben der Kirche aufrecht erhält, werden diese auf brüderlicher Solidarität begründeten Gemeinschaften zum Sauerteig christlichen Lebens, der Sorge für die Armen, Notleidenden und Ausgestoßenen, des Engagements für die gesellschaftliche Erneuerung. Ihr seht diese Gemeinschaften als eine Möglichkeit, den Glauben durch eine eng mit der Realität des Lebens verbundene Katechese zu lehren und somit als wirksames Mittel zum Schutz gegen das Übergreifen fundamentalistischer Tendenzen auf die Gemeinde. Sie dienen auch zur rechtmäßigen Ausrichtung der Volksfrömmigkeit, indem sie für grundlegende Bibel- und Theologiekenntnisse sorgen. In vielen Eurer Diözesen habt Ihr erlebt, daß die Lehren der Kirche, die Pastoralbriefe der Bischofskonferenzen und die Dokumente der Zweiten Vollversammlung der philippinischen Bischöfe über die kirchlichen Basisgemeinschaften einfacher und schneller auf die Ebene der Pfarrgemeinden gebracht werden können. 5. Wie Papst Paul VI. erkannte, sind solche Gemeinschaften für die universale Kirche in dem Maße eine Hoffnung, als sie vom Wort Gottes her zu leben versuchen und nicht einer politischen Polarisierung oder modischen Ideologien erliegen und die stets drohende Versuchung zu systematischer Kontestation und überzogener Kritik, die unter dem Vorwand der Echtheit erfolgen, klar meiden. Es ist wesentlich, daß sie mit der Ortskirche, in die sie sich eingliedem, und mit der universalen Kirche fest verbunden bleiben, damit sie nicht der allzu bedrohlichen Gefahr erliegen, sich in sich selbst abzukapseln und die anderen kirchlichen Gemeinschaften zu verurteilen (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 58). Wenn sich die Erfahrung kirchlicher Basisgemeinschaften für die Förderung eines eingehenderen, brüderlicheren und praktischeren Zeugnisses christlichen Lebens und christlicher Solidarität bewähren sollte, dann werden wir die Kirche in einem neuen Licht sehen, im Licht einer aktiven und verantwortungsbewußten Gemeinschaft, die wirklich jenes Beispiel widerspiegelt, das uns die in der Apostelgeschichte beschriebenen ersten Christen von Jerusalem gegeben haben. Gleichzeitig kann die pastorale Arbeit, insbesondere in den Pfarreien, nicht jene Mehrheit ignorieren, die nicht teilnimmt, und diejenigen, die nachlässig geworden sind oder der Kirche gänzlich fembleiben. Die Kirche steht auch für die Sünder, die Zweifler und die Mutlosen offen. Nie darf sie ausschließlich zur Domäne einer Elite engagierter Mitglieder werden. 6. Die Hirten der Kirche haben die Pflicht, zu Fragmentierung und Spaltung führende zentrifugale Tendenzen zu korrigieren. Innerhalb der christlichen Gemeinde 971 AD-L1MINA-BESUCHE ist der Bischof Mittelpunkt der Einheit, eine Tatsache, die diese treffenden Worte des Konzils wiedergeben: „Die Gläubigen aber müssen dem Bischof anhangen wie die Kirche Jesus Christus und wie Jesus Christus dem Vater, damit alles in Einigkeit übereinstimme und überströme zur Verherrlichung Gottes“ (Lumen Gentium, Nr. 27). Der Bischof muß sich auf jede mögliche Art und Weise für die Eintracht des Klerus, der Ordensleute und der Laien einsetzen, eine Harmonie, die in erster Linie auf den Glaubensgrundsätzen begründet ist und sich auf ganz besondere Weise in der Einheit des um den Opferaltar versammelten Gottesvolkes zeigt. Er muß den ihm anvertrauten Teil des göttlichen Erbes ausbilden, hüten und verteidigen im Bewußtsein, daß Frieden auch auf einer eingehenden und weitreichenden Katechese begründet ist, die unser Gewissen im Hinblick auf jene verantwortlichen Entscheidungen erleuchtet und stärkt, die auch auf staatlichem und gesellschaftlichem Gebiet getroffen werden müssen. Alle Glieder der Kirche sind als aktive und verantwortliche Bürger aufgerufen, sich für den Frieden in der Gesellschaft als Ganzes einzusetzen; diese Aufgabe ist überall dort um so dringlicher, wo religiöse Gegensätze oder kulturelle und gesellschaftliche Bedingungen Spannungen erzeugen. Einige Eurer Diözesen haben unter einem gewissen Mangel an Stabilität und Gewalttätigkeit zu leiden. Die Kirche betet und arbeitet überall für gesellschaftlichen Frieden, der in erster Linie auf der Achtung der grundlegenden Rechte des Menschen begründet ist, angefangen bei dem wesentlichen Anspruch auf Religions- und Gewissensfreiheit. Seiner Natur entsprechend, erfordert das Bemühen um Frieden einen offenen und konstruktiven Dialog seitens aller Beteiligten. Frieden kann nur dann erlangt werden, wenn das ganzheitliche Wohl der gesamten Gesellschaft das vorrangige Ziel aller ist. Als ich 1981 den südlichen Teil der Philippinen besuchte, war es mir eine Freude, mit einigen Mitgliedern der muselmanischen Gemeinde zusammenzutreffen und den bereits eingeleiteten Dialog zu fördern, der, trotz Schwierigkeiten, weitergeführt wird. Was damals gesagt wurde, gilt auch heute noch: „Die Gesellschaft kann den Bürgern nur dann das Glück bringen, das sie von ihr erwarten, wenn sie selbst auf dem Dialog gründet. Das Gespräch miteinander ist auf Vertrauen gebaut, und Vertrauen setzt nicht nur Gerechtigkeit voraus, sondern Erbarmen“ (Ansprache an die Vertreter der islamischen Gemeinde, Davao, 20. Februar 1981, Nr. 4). Auch Ihr habt geschrieben, daß „der Weg zum Frieden der Weg ist, den Menschen verschiedener Religionen gehen, Menschen, die zu dem gleichen allmächtigen Gott beten, der um des Friedens willen in unseren Herzen gegenseitige Achtung, Vertrauen und Liebe für Gerechtigkeit, Wahrheit und Freiheit verankert hat, jenen Pfeilern, auf denen ein ,Haus des Friedens“ aufgebaut ist“ (vgl. Katholische Bischofskonferenz der Philippinen, 73. Vollversammlung, 8. Juli 1996). 7. Im Jahr 1995 habe ich in Manila die Bischöfe bestärkt, durch die erlösende Kraft des Evangeliums auf die pastoralen Herausforderungen einzuwirken, denen 972 AD-LIMINA-BES U CHE ihr gegenübersteht (vgl. Begegnung mit den philippinischen Bischöfen, 14. Januar 1995, Nr. 5). Tatsächlich ist der Gehorsam des Glaubens um Christi Namen willen (vgl. Rom 1,5) die ausdrückliche und endgültige Antwort auf die Probleme des Menschen und die Erfüllung seiner Hoffnungen. Unsere Vorbereitungsarbeiten für das Jubeljahr 2000 werden im kommenden Jahr der Reflexion über Christus gewidmet sein, das Wort Gottes, Mensch geworden durch das Wirken des Heiligen Geistes (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 40). Ich hoffe inständig, daß Ihr das Volk Gottes zu einer „Wiederentdeckung Christi als Retter und Verkünder des Evangeliums ... einer Vertiefung seiner Menschwerdung“ (ebd.) führen werdet. Während Ihr Christus stets näherkommt, werdet Ihr und Euer Volk an der wahren Quelle des Heils und der Hoffnung trinken. „Ich strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegpreis: der himmlischen Berufung, die Gott uns in Christus Jesus schenkt“ (vgl. Phil 3,13-14). Möge Gott Euch führen und unterstützen. Möge die Mutter des Erlösers die Fürsprecherin des geliebten philippinischen Volkes sein. Mit meinem Apostolischen Segen. Katechese - Schwerpunkt der Seelsorge als Alternative zur Orientierungslosigkeit an der Schwelle des neuen Jahrtausends Ansprache beim Ad-limina-Besuch der zweiten Gruppe der philippinischen Bischöfe am 5. Oktober Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! l.Ich heiße Euch, die zweite Gruppe philippinischer Bischöfe, zu Eurem Ad-limina-Besuch herzlich willkommen. Ich grüße Euch als diejenigen, „die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Rom 1,7). Unsere Treffen und Euer Gebet an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus sind sichtbarer und freudiger Ausdruck jener Bande brüderlicher Einheit, die der Heilige Geist durch unsere Teilhabe an der Fülle des priesterlichen Amtes Christi unter uns geknüpft hat. Ich hoffe, daß dieser Besuch jeden einzelnen von Euch in dem Euch anvertrauten Dienst ermutigen wird: das Mysterium Christi, des fleischgewordenen Wortes, unverkürzt und mit der ganzen Kraft seiner Forderungen zu verkündigen und Euer Volk in dem zum Heil führenden Glauben zu bekräftigen und zu stärken. Aus Eurem Bericht geht klar hervor, daß die Kirche auf den Philippinen eine Zeit neuen Eifers erlebt. 1991 habt Ihr Eure Zweite Plenarsynode - Second Plenary Council (PCP-II) - abgehalten, deren vom Hl. Stuhl geprüfte und bestätigte Dekrete ein brauchbares und anspruchsvolles Programm für Euren Pastoraldienst in den kommenden Jahren enthalten. Zahlreiche Regional- und Provinzialsynoden, 973 AD-LIMINA-BESUCHE Diözesansynoden und PastoralVersammlungen haben bereits stattgefunden oder werden vorbereitet zur wirksamen Durchführung des von der Plenarsynode ausgearbeiteten Nationalen Pastoralplans. Keine Mühe ist gescheut worden, und vieles konnte bereits erreicht werden. Aber Ihr, die Hirten, erkennt als erste, daß manches noch getan werden muß für die Erneuerung des Lebens und der Ausbildung der Priester, für das Jugendapostolat, für eine intensivere Einbeziehung der Laien in die Sendung der Kirche und für den Dienst an den Armen: All das sind Schwerpunkte Eurer pastoralen Arbeit. Eurer Konferenz kommt eine wesentliche Rolle zu bei der Organisation und Förderung des Evangelisierungs- und Emeuerungsprogramms, das die Plenarsynode (PCP-H) in Eure Hände gegeben hat. Es hängt aber auch in großem Ausmaß von dem persönlichen Einsatz und der pastoralen Führerschaft eines jeden von Euch in seiner Ortskirche ab, daß die Gnade Gottes gedeihen und blühen kann. 2. Überall in Eurem Land sind Zeichen der reichen religiösen Tradition und Frömmigkeit des philippinischen Volkes erkennbar. Eure Kirchen und Heiligtümer, Eure Feste und Feiern zeugen von einer spontanen, vertrauensvollen Beziehung zu den Personen der Heiligen Dreifaltigkeit, zu den Heiligen und ganz besonders zur Mutter des Erlösers, die unter Titeln angerufen und verehrt wird, die ihre mütterliche Rolle und ihr Vorbild der Nachfolge Christi zum Ausdruck bringen. Die Verehrung des „Santo Nino“ ist bezeichnend für die Volksfrömmigkeit in Eurem Land. Und die Inthronisierung des Bildnisses „Unserer Lieben Frau von Antipolo“ am Vorabend des Zehnten Weltjugendtages ist mir in bester Erinnerung! All das zeugt von einem Schatz an Glauben und Frömmigkeit, den es zu erhalten und jeder neuen Generation weiterzugeben gilt. Sollte irgendein Aspekt dieser Volksfrömmigkeit von Elementen zu befreien sein, die mit den Grundsätzen des Glaubens nicht in Einklang stehen, so möge dies schrittweise durch solide Unterweisung und Katechese geschehen, deren Ziel es ist, das religiöse Empfinden und die äußere Manifestation mit dem wahren Geist innerer Umkehr zu erfüllen. 3. Das führt uns zu Überlegungen über die Gestalt des Bischofs als Lehrer des Glaubens in seiner Diözese. Die Bischöfe sind „authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer“ (Lumen Gentium, Nr. 25). Gewissermaßen besteht darin Eure Hauptaufgabe, denn durch die Predigt der Glaubensboten entsteht die Gemeinschaft der Gläubigen: „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie soll aber jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist?“ {Rom 10,14-15). Wir haben die sakramentale Weihe empfangen, die uns als Nachfolger der Apostel eine Sonderstellung gibt. Uns ist nicht nur das Glaubensgut anvertraut worden, sondern zugleich auch die Pflicht, es zu wahren und gegen alle Gefahren zu schützen. Wir müssen uns stets prüfen: einerseits, was unsere Treue zu den uns überlieferten Glaubenswahrheiten betrifft, andererseits hinsichtlich der Art und Weise, wie wir 974 AD-LIMINA-BES UCHE den Auftrag Gottes erfüllen, diese weiterzugeben. Die Ermahnung des hl. Paulus an Timotheus ist auf jeden einzelnen von uns direkt anwendbar: „Achte auf dich selbst und auf die Lehre; halte daran fest! Wenn du das tust, rettest du dich und alle, die auf dich hören“ (i Tim 4,16). Von dem Augenblick an, als auch ich Bischof wurde, hat diese Pflicht in meinem Herzen und bei meiner Arbeit an vorderster Stelle gestanden. Und später schrieb ich in meiner ersten Enzyklika Re-demptor hominis: „Die Verantwortung für eine solche Wahrheit bedeutet auch, sie zu lieben und möglichst genau zu verstehen zu suchen, damit sie uns selbst und den anderen in all ihrer erlösenden Kraft [...] immer vertrauter wird“ (Nr. 19). Die Bischöfe sind auf gerufen, durch persönliches Gebet und Studium in der Vertrautheit mit dem Heiligen Geist zu wachsen, um den vollen Inhalt der christlichen Botschaft aufnehmen und weitergeben zu können: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). 4. Die Pflicht, den Glauben weiterzugeben, kommt so spezifisch dem Bischof zu, daß niemand an seine Stelle treten kann, wenngleich jedermann in unterschiedlichem Maß bei dieser Aufgabe mit ihm Zusammenarbeiten und diese mit ihm teilen kann und sollte. Der gute Hirt weiß, wie er die aktive Mitarbeit von jedem - Priester, Ordensleute und Katecheten - gewinnen und fördern kann. Er sorgt dafür, Mittel und Personal einzusetzen für theologische und katechetische Studien und Unterweisung sowie für die Evangelisierung in all ihren Formen ein schließlich des Gebrauchs der Medien. In dieser großen individuellen und kollektiven Verantwortung für die Weitergabe des vollen Glaubensinhalts hat jedes Glied der Kirche eine Funktion. Aber die Rolle und Verantwortung des Bischofs sind von einzigartiger und herausragender Natur. Wo es notwendig ist, wird er die Gläubigen daran erinnern, daß es „in den Einzelkirchen“ dem Bischof zukommt, „das Wort Gottes zu hüten und auszulegen und mit Autorität zu entscheiden, was ihm entspricht oder nicht“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen, Nr. 19). Es ist wahr: Der Heilige Geist verteilt seine Gaben der Erkenntnis und Gnade ohne Unterschied: „Alle haben denselben Herrn; aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen“ [Rom 10,12). Oft geschieht das auf stille und verborgene Weise, wobei der Geist die Seelen zu einer tieferen inneren Übereinstimmung mit dem Willen Gottes führt. Manchmal aber will es scheinen, daß seine Gaben im Leben bestimmter Einzelpersonen oder Gemeinschaften besonders sichtbar und auffallend in ihrer Wirkung sind. Je auffallender die Gaben sind, um so größer muß die Einsicht der Hirten sein, um nicht „auch die Auserwählten irrezuführen“ (vgl. Mt 24,24). Der Heilige Geist, der seine Gaben austeilt, ist derselbe Geist, der die Heilige Schrift inspiriert hat, der der Kirche in ihrem Lehramt beisteht, dem die unverfälschte Auslegung der Schrift anvertraut ist (vgl. Dei Verbum, Nr. 12). 975 AD-LIMINA-BES U CHE 5. Um den Herausforderungen einer Welt zu begegnen, die in einem Zustand weit verbreiteter geistlicher und kultureller Ungewißheit auf das neue Jahrtausend zugeht, steht die Kirche auf den Philippinen - wie überall - vor der immensen Aufgabe, die Katechese auf allen Ebenen zu verstärken. Alle anderen Formen des Apostolats und Dienstes werden aus einer zunehmend erleuchteten katholischen Kultur Nutzen ziehen. Unzählige Kinder und Jugendliche bedürfen der Unterweisung in den Grundsätzen des Glaubens, wenn sie zu lebendigen Mitgliedern der kirchlichen Gemeinschaft werden sollen. Die Eltern müssen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe als erste Erzieher auf dem Weg zu Gott Unterstützung erhalten. Auch diejenigen, die über einen guten Bildungsstand verfügen, brauchen oft Hilfe, um ihren Glauben zum Ausdruck zu bringen und ihn angesichts der Vielschichtigkeit des modernen Lebens und einer Vielzahl von Anschauungen und Meinungen voll zu leben. Wie kann ein Bischof auf solche Herausforderungen antworten? Er wird sich zu allererst um eine gute menschliche, geistliche, theologische und pa-storale Bildung seiner Priester bemühen, denn wenn die Priester in der Lage sind, den Inhalt des Glaubens - „fides quae creditur“ - mit Sicherheit und Überzeugung weiterzugeben, wird ihr Dienst dauerhaften Einfluß nehmen auf die Bildung der Gewissen und die Belebung des Apostolats: „Je mehr sich das Laienapostolat entfaltet, desto stärker spürt man das Bedürfnis nach gut ausgebildeten, heiligmäßigen Priestern“ (Pastores dabo vobis, Nr. 3). In den letzten Jahren habt Ihr Euch sehr um die Verbesserung der Priesterausbildung bemüht. Das Ziel der für die Seminare Verantwortlichen soll sein, „eine Atmosphäre“ zu schaffen, „die einen Ausbildungsprozeß begünstigt und gewährleistet, so daß der von Gott zum Priestertum Berufene durch das Weihesakrament zu einem lebendigen Bild Jesu Christi, des Hauptes und Hirten der Kirche, werden kann“ (Pastores dabo vobis, Nr. 42). Eure Konferenz sollte als Gremium die Situation überprüfen, um regionale Ungleichheiten in der Priesterausbildung zu beseitigen; sie sollte durch einen intensiveren Personalaustausch zwischen den Diözesen und mit den Ordensgemeinschaften das Ausbildungsniveau aller Seminaristen zu heben suchen. Die Rolle von Oberen, geistlichen Leitern sowie Erziehern ist für das künftige Wachstum und Wohl der gesamten kirchlichen Gemeinschaft von so wesentlicher Bedeutung, daß kein Bischof zögern sollte, Personal und Mittel für diese Aufgabe einzusetzen. 6. Als erste Verantwortliche für das Leben der Kirche in Euren Diözesen habt Ihr auch Pflichten hinsichtlich einer soliden Ausbildung der Mitglieder von Ordensinstituten - der männlichen wie der weiblichen. Unter Beachtung der inneren Autonomie dieser Gemeinschaften, wie sie durch das Kirchenrecht oder partikulare Gesetzgebung festgelegt ist, kann Eure persönliche Nähe und Unterstützung sein-wertvoll sein, um Ordensmänner und Ordensfrauen in ihrer besonderen Berufung zu stärken, durch das Zeugnis der evangelischen Räte Christus und seinem Reich zu dienen. Ich ermutige Euch von ganzem Herzen zur Verstärkung des Dialogs zwischen der Bischofskonferenz und der Konferenz der Höheren Ordensoberen, 976 AD-LIMINA -BESUCHE vor allem dort, wo es darum geht, theologische Desorientierung bei gottgeweihten Personen und Gruppen zu beheben, oder wo ein Absinken des Niveaus im geistlichen und Gemeinschaftsleben zu einem Identitätsverlust, einer Schwächung des öffentlichen Zeugnisses des geweihten Leben in der Gesellschaft oder zu Gleichgültigkeit gegenüber dem wahrhaft charismatischen und opferhaften Charakter der Ordensweihe geführt hat. Die Ordensleute sind berufen, in Kirche und Welt den gehorsamen, keuschen und armen Christus zu verkörpern. Alle Eure Bemühungen zur Unterstützung dieser wunderbaren, aber auch anspruchsvollen Berufung werden Euren Ortskirchen reichen Segen bringen. 7. Wenn es auch nicht möglich - noch nötig - ist, jeden Aspekt Eures Dienstes zu erwähnen, möchte ich Euch doch in einem Anliegen bestätigen, das Ihr wiederholt zum Ausdruck gebracht habt: der Sorge für die Wanderarbeiter. Euer Pastoralbrief „Comfort my people, comfort them“ (Tröste mein Volk, tröste sie) - um nur das letzte Schreiben zu erwähnen, das ihr diesem Thema gewidmet habt - spricht unumwunden über dieses immense Problem und lenkt die Aufmerksamkeit auf das Leid zahlreicher philippinischer Migranten, auf die Bedürfnisse ihrer Familien daheim und auf die Pflicht der kirchlichen Gemeinschaft, diesen Menschen zu helfen, wohin sie auch gehen. Eine großherzige und zuwendungsvolle Identifizierung mit dem barmherzigen Samariter seitens der Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien wird die Kirche auf den Philippinen in die Lage versetzen, ihre Bemühungen in dieser Richtung auszuweiten. Ein weiterer Aspekt Eurer Sendung betrifft die in gewissen Gegenden Eures Landes ansässigen Stammesvölker. Ihre Lebensweise macht eine tiefe, wenn auch nicht immer positive Wandlung durch, was nicht zuletzt auf die Zerstörung ihres Wohnraumes zurückzuführen ist, verursacht durch die industrielle Abholzung der Wälder. Die Beeinträchtigung ihrer traditionellen Kultur macht sie für verschiedene Formen von Fundamentalismus anfällig: ein Problem, mit dem sich die gesamte philippinische Kirche befassen sollte. Ein koordiniertes Programm für menschliche Entwicklung und Evangelisierung, das alle Werte, die in der Kultur dieser Völker vorhanden sind, respektiert, ist eine der Aufgaben, die hochherzigen und engagierten Einsatz von Priestern, Ordensleuten und freiwilligen Laienhelfem erfordern. Eurem kollektiven pastoralen Bemühen vertraue ich die Arbeit der Kommission Eurer Konferenz für Philippiner aus Stammesvölkem (Commission on Tribal Filipinos) an, damit die Wohlfahrtsaspekte des Herantretens an diese Gruppen von einer ernsthaften und zuversichtlichen Evangelisierung begleitet seien. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, unsere gemeinsame Reflexion über Euer Amt als Nachfolger der Apostel hatte vor allem das Ziel, Eure Treue zum Herrn und Euer Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes zu festigen, damit ihr reich werdet an Hoffnung (vgl. Röm 15,13). Schreckt nicht vor der harten Arbeit zurück, die Euch 977 AD-LIMINA-BESUCHE erwartet: eine Arbeit, der sich oft Hindernisse und Schwierigkeiten in den Weg stellen. Denn - so schreibt der hl. Paulus - „all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ (Rom 8,37). Mit Gottes Hilfe ist alles möglich. Ich bete, daß durch Eure Arbeit und Lehre die ganze Kirche auf den Philippinen mit der Kraft Gottes erfüllt werde und daß die Katholikengemeinschaft unter Eurer Führung unermüdlich an einer Kultur der Wahrheit und der Liebe bauen möge. Ich vertraue Euch und alle Gläubigen der hebevollen Fürsprache der Mutter des Erlösers an und erteile Euch als Zeichen meiner Verbundenheit den Apostolischen Segen. Zeugnis für das gemeinsame Evangelium geben Ansprache an die Mitglieder der inter-rituellen Konferenz der Bischöfe von Rumänien anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 5. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist eine Freude für mich, Euch anläßlich Eures Ad-limina-Besuchs zu empfangen. Mit innerer Bewegung erinnere ich mich noch an unsere Begegnung im Jahr 1991, als Ihr zum ersten Mal nach 43 Jahren zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus pilgern konntet. Besonders begrüße ich die Bischöfe der griechisch-katholischen Kirche, die ich auch letztes Jahr treffen durfte, als sie nach Rom kamen, um über die Neuordnung ihrer Gemeinschaften zu beraten. Ich danke dem Präsidenten Eurer inter-rituellen Konferenz, Msgr. Joan Robu, dem Erzbischof von Bukarest, für die herzlichen Worte, die er soeben an mich gerichtet hat. 2. Ihr seid die Hirten von Gemeinschaften, die verschiedenen Riten angehören. Aber ihr sollt alle gemeinsam das Evangelium verkünden und die katholische Kirche in Rumänien aufbauen. Mein Gebet begleitet Euch in Eurem Amt, das Ihr mitunter in noch recht schwierigen Situationen zu erfüllen habt. Die verschiedenen Riten dürfen sich nicht als Konkurrenten innerhalb der einzigen, katholischen Kirche betrachten, sondern als unterschiedliche geistliche Ansätze, wobei jeder auf seine Weise die Schätze der eigenen, langjährigen Tradition beisteuert und für das Wohlergehen aller und im Dienst an der Gemeinschaft seifte Früchte bringt. Ein immer engeres brüderliches Zusammenleben zwischen den Gemeinschaften verschiedener Riten wird für unsere Brüder im Christentum ein Aufruf sein, damit sich alle um ihren Herrn versammeln; außerdem wird dies für die Gesamtheit Eurer Mitbürger ein Zeugnis zugunsten des Evangeliums sein. Deshalb freue ich mich über die immer wichtigere Zusammenarbeit, die Ihr untereinander aufgebaut habt, und über die brüderliche Hilfe, die Ihr Euch gegenseitig leistet, vor allem im Bereich der liturgischen Reformen, in der Aufnahme der Gemeinschaften, die noch über keine angemessenen Kult- und Begegnungsstätten verfügen, und in der Ausbildung des Klerus. 978 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Im Hinblick auf den Kongreß über das Priesteramt und das gottgeweihte Leben in Europa, der in Rom vom 5. bis 10. Mai 1997 stattfinden wird, habt Ihr die negativen Auswirkungen vermerkt, die durch den Mangel an religiöser Erziehung im Laufe der vergangenen Jahre im geistlichen Leben der Christen und bei den Berufungen zu spüren sind. Gleichzeitig begrüßt Ihr aber auch den neuen Schwung Eurer Gemeinschaften und freut Euch über die wachsende Anzahl Jugendlicher, die ihr Leben dem Herrn weihen wollen. Wir wollen Gott für diesen neuen Frühling danken, denn er ruft weiterhin unaufhörlich Männer und Frauen in seinen Dienst, sogar in schwierigen und von Mittellosigkeit gekennzeichneten Lebenslagen. 4. Unter den Bedenken, die Ihr in Euren Berichten zum Ausdruck gebracht habt, ist vor allem Eure Sorge um die rechte Unterscheidung hinsichtlich der Berufungen hervorzuheben sowie Euer Wunsch, die Neuorganisation der Seminare fortzusetzen. Ihr Hirten der Kirche seid dafür zuständig, den Jugendlichen dabei zu helfen, ihre Berufungen reifen zu lassen, in eine immer engere Beziehung zu Christus zu treten und Diener des Herrn und seiner Kirche zu werden. Vor allem eine aufmerksame Lektüre der Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils erlaubt es uns, den Platz einer jeden Berufung in der Heilsgeschichte zu erkennen, den besonderen Aufruf zur Heiligkeit bei denen zu beleben, die sich für ein dem Herrn geweihtes Leben entschieden haben, und zu zeigen, daß das priesterliche Amt ein spezifischer Dienst für Christus und seine Kirche ist. Ich ermutige Euch also, alle in Euren Gemeinden verfügbaren Energien für die Ausbildung der Erzieher des Klerus und der zukünftigen Priester zu mobilisieren. Außerdem hegt Euch die Reform der ratio studiorum gemäß den in der Kirche geltenden Regelungen am Herzen: Natürlich hat in der gegen wärtigen Situation, wo es noch an Personal, an Unterbringungsmöglichkeiten für die Seminaristen, an Bibliotheken und an Arbeitsmitteln mangelt, nicht jede Diözese die Möglichkeit, ein eigenes Seminar einzurichten. Es ist also notwendig, untereinander und mit den Verantwortlichen der in Eurem Land ansässigen Ordensgesellschaften zu untersuchen, wie die Ausbildung der Diözesanpriester und der Ordensgeistlichen am besten durchzuführen ist, denn ihre Zahl nimmt immer noch in beachtlicher Weise zu. Ihr zögert auch nicht, einige Priester zur Ausbildung an ausländische Universitäten - vor allem nach Rom - zu schicken, damit sie morgen zu Erziehern Eures Klerus werden und in Kontakt mit anderen Aspekten des kirchlichen Lebens treten können. Bei ihren Begegnungen mit anderen Bereichen der Kirche wird ihnen die Universalität der Kirche noch besser bewußt. Sie werden ihre theologischen Forschungen vertiefen und verschiedene Ausdrucksformen lebendiger Pastoral entdecken. Diese Bemühungen beweisen den wichtigen Stellenwert, den ihr der Ausbildung der Seminaristen auf intellektuellem, geistlichem und pastoralem Niveau beimeßt, um Priester heranzubilden, die in der Lage sind, erleuchtete Zeugen des Glaubens und gute Erzieher zu sein. 979 AD-LIM1NA-BESUCHE 5. Ihr spürt das Bedürfnis, die Weiterbildungsmöglichkeiten für die Geistlichkeit zu entwickeln. Denn die Geistlichen sind aufgerufen, die wichtigen Dokumente aufzugreifen, die die Lehre, das Denken und das Leben der Kirche geprägt haben, vor allem die des Zweiten Vatikanischen Konzils. Im Laufe ihrer ganzen Tätigkeit sollen die Priester dazu angehalten werden, ihre Kenntnisse zu vertiefen. Dies trägt dazu bei, in ihnen die Gnade Gottes neu zu entfachen (vgl. 2 Tim 1,6) mit einer sicheren Wirkung auf ihr geistliches Leben und ihren seelsorgerischen Elan. In der Tat besteht das tiefe Wesen dieser Weiterbildung darin, eine hervorragende Ausdrucksform der „Treue gegenüber dem priesterlichem Amt“ und ein „beständiger Bekehrungsvorgang“ zu sein. Es handelt sich um einen Akt der Liebe zu Christus und „gegenüber dem Volk Gottes, zu dessen Dienst der Priester bestellt ist“ (Pastores dabo vobis, Nr. 70). In diesem Geist freue ich mich über die Anstrengungen für die Übersetzung, Verbreitung und Erläuterung der Texte des Lehramts sowie für die Organisation von Weiterbildungskursen und Einkehrtagen. 6. Außerdem ist Euch die Bedeutung der menschlichen und religiösen Erziehung der gläubigen Laien bewußt die in den christlichen Gemeinschaften ihre eigene Verantwortung übernehmen müssen. Ich ermutige Euch, in diesem Sinne weiterzuarbeiten und Laien für die Kirche von morgen heranzubilden. Denn sie werden bei der geistigen, sittlichen, intellektuellen und staatsbürgerlichen Bildung ihrer Brüder eine wichtige Rolle spielen und immer aktiver am kirchlichen Leben teilnehmen. Mehrere von Euch betrachten die Ausbildung der Jugendlichen als eine ihrer Hauptaufgaben. Ich fordere Euch auf, alles in Gang zu setzen, damit diese Dimension der Pastoral gebührend beachtet wird, denn die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft selbst steht auf dem Spiel. In erster Linie seid Ihr darum bemüht, die Kinder- und Jugendkatechese auszubauen trotz der vielen Schwierigkeiten, die Euch dabei begegnen, vor allem wenn es darum geht, Religionskurse im Rahmen der Schulen zu organisieren. Das darf Euch nicht entmutigen! Nach den leidvollen Jahren, die Ihr durchgemacht habt, ist es nun dringend notwendig, daß Ihr die geeigneten Mittel findet, damit die Jugendlichen die Worte des Glaubens und die Worte des Gebets neu lernen können. Dann können sie in eine enge Beziehung zu Gott kommen und voll am Wachstum der Kirche teilnehmen. Dafür lenkt Ihr Eure besondere Aufmerksamkeit auf die Entfaltung der Sakramentenpastoral. Ihr habt mir darüber hinaus die sittlichen Fragen und Probleme mitgeteilt, mit denen die Jugend von heute und die Gesamtheit der Rumänen konfrontiert werden. Gewisse Verhaltensweisen, wie Alkohol- und Drogenmißbrauch oder Abtreibung, bilden große Gefahren sowohl für die Einzelpersonen, die in ihrer Würde verletzt werden, als auch für die ganze Gesellschaft, denn sie zersetzen die ehelichen, familiären und sozialen Bande. Um diese Geißeln der heutigen Zeit einzuschränken, setzt Ihr zu Recht besonders auf die Entwicklung der Familienseelsorge, vor allem der Ehevorbereitung, des Verantwortungsbewußtseins in den zwischenmenschlichen Beziehungen und der Pastoral der Schüler und Studenten. Es ist wichtig, den 980 AD-LIMINA-BESUCHE Kindern, den Jugendlichen und den jungen Erwachsenen Gründe zum Glauben und zur Hoffnung zu geben und ihnen geistige und sittliche Bezugspunkte zu liefern, die es ihnen ermöglichen, freie und verantwortliche Entscheidungen gemäß dem Gesetz Gottes zu treffen. Der Werdegang einer Gesellschaft hängt zum großen Teil von der Erziehung der Entscheidungsträger von morgen ab. 7. Mit dem Wunsch, das Leben der christlichen Gemeinden, ihr ökumenisches Engagement und ihren missionarischen Geist neu zu beleben, habe ich die Katholiken eingeladen, sich intensiv auf das Große Jubeljahr 2000 vorzubereiten. Ich wünsche, daß die Hirten und Gläubigen Eures Landes sich durch eine Bekehrung der Herzen und durch einen erneuerten Einsatz in der Kirche und in der Gesellschaft auf dieses historische Ereignis einstellen. In dieser Hinsicht habt Ihr die Aufgabe, die Ausarbeitung und Umsetzung der Pastoralpläne fortzusetzen, die jenen „neuen Frühling christlichen Lebens“ zur Blüte bringen, „der von dem Großen Jubeljahr offenbar gemacht werden muß, wenn die Christen fügsam sein sollen gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 18). Mit Eurer wiedergefundenen Freiheit habt Ihr Euch auch um eine grundlegende Umorganisation der Diözesen, der diözesanen Dienste und der Gemeinden bemüht, um auf immer angemessenere Weise auf die neuen Lebensumstände und auf die Dringlichkeit der Evangelisierung zu reagieren. Ich fordere Euch auf, in dieser Richtung weiterzumachen, denn eine wohldurchdachte Anordnung der diözesanen. Verwaltung auf allen Ebenen fördert die Tatkraft einer Gemeinschaft. In Euren Fünfjahresberichten habt Ihr den Mangel an Personal und die Geringfügigkeit Eurer Mittel beklagt. Ich begrüße deshalb die wichtige Beihilfe von seiten gewisser Kirchen Europas und Nordamerikas und verschiedener karitativer Verbände, um Euch in materieller und geistiger Hinsicht zu unterstützen. Diese Solidarität zwischen den diversen kirchlichen Gemeinschaften knüpft an das an, was zur Zeit der Apostel bestand: „Alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam“ (Apg 2,44). 8. Von den dringendsten Problemen sprechend, habt Ihr mir auch anvertraut, daß Ihr bei Euren Verhandlungen mit den staatlichen Behörden über die Frage der Rückgabe der Güter, die vor 1948 der Kirche gehörten und ungerechterweise enteignet wurden, auf Hindernisse stoßt. Wie in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils hervorgehoben wird, ist für eine echte Praxis der Religionsfreiheit und der Demokratie die Handlungsfreiheit der kirchlichen Amtsträger nötig, denn „die religiösen Gemeinschaften haben das Recht, keine Behinderung bei der öffentlichen Lehre und Bezeugung ihres Glaubens [...] zu erfahren [...] und nicht daran gehindert [zu] werden, [...] die besondere Fähigkeit ihrer Lehre zu zeigen“ (Digitalis humanae, Nr. 4). In der Tat ist es Aufgabe der Regierenden aller Nationen, den Gläubigen der verschiedenen Religionsfamilien zu ermöglichen, ihren 981 AD-LIMINA-BESUCHE Glauben frei auszuüben und die Mittel dafür zu haben, denn es ist allen Menschen ein Bedürfnis, die geistige Dimension ihres alltäglichen Daseins und ihrer familiären und sozialen Verpflichtungen zu entfalten. 9. Eure Fünfjahresberichte haben mir ebenfalls Kenntnisse über Eure Schritte zugunsten der ökumenischen Beziehungen vermittelt, vor allem zur orthodoxen Kirche Rumäniens, der die Mehrheit der Bevölkerung angehört. Ich freue mich über diese verstärkte Aufmerksamkeit von Eurer Seite und wünsche, daß Ihr die Erziehung der Gläubigen in diesem Bereich weiterführt, denn sie sind aufgerufen, sich unter Eurer Leitung für den Prozeß der vollen Einheit einzusetzen. Was Euch selbst betrifft, so lade ich Euch ein, Eure herzlichen Bande zu Euren getrennten Brüdern, die sich ebenfalls dem Dialog und der Wiederversöhnung verpflichtet haben, zu intensivieren. Für die katholische Kirche ist der Ökumenismus nunmehr eine dringende und unaufhaltsame Aufgabe, ein Zeugnis der mit Geduld gelebten brüderlichen Liebe und „ein Imperativ des vom Glauben erleuchteten und von der Liebe geleiteten christlichen Gewissens“ (Ut unum sint, Nr. 8). Dies setzt allerdings konkrete Leistungen voraus. Es ist zum Beispiel wichtig, daß die verschiedenen christlichen Kirchen sich zum Gebet und zu karitativen Werken zusammentun, denn die Armut kennt keine Grenzen, und unsere Liebe zu unseren Brüdern muß erfinderisch sein. Die Zusammenarbeit im sozialen Bereich wird den Christen Eures Landes verstehen helfen, daß sie aufgerufen sind, miteinander als Jünger Christi tätig zu werden, den alle als ihren Herrn verkünden. Erinnern wir uns an die Ermahnungen des Apostels der Nationen: „Dient einander in der Liebe!“ (Gal 5,13), denn „die Liebe [...] baut auf1 (7 Kor 8,1). 10. Zum Schluß unseres Treffens wende ich meine Gedanken an die Gläubigen Eurer Gemeinden. Überbringt den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen und den Katholiken Rumäniens die herzlichen Grüße und die Ermunterung des Papstes und versichert sie meines Gebets, damit ihnen in den gegenwärtigen Schwierigkeiten nie die Hoffnung fehlt und damit der Geist allen Menschen Gefühle der Einheit und des Friedens eingibt! Ich bitte Euch auch, Kardinal Alexandru Todea, dem emeritierten Erzbischof von Fagaras und Alba Julia, meinen persönlichen Gruß zu übermitteln und ihm meine brüderliche Unterstützung in seiner Krankhei t auszusprechen. Außerdem grüße ich alle weiteren emeritierten Erzbischöfe und Bischöfe Eures Landes. Durch die Fürsprache der Heiligen Eures Landes spende ich Euch und allen Mitgliedern des Volkes Gottes, das Eurer pastoralen Fürsorge anvertraut ist, von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 982 AD-LIMINA-BESUCHE Christliche Bildung fördert Achtung und Toleranz Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Sri Lanka am 24. August Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Herzlich begrüße ich Euch, die Bischöfe von Sri Lanka, und bete, daß „Erbarmen, Frieden und Liebe mit euch in Fülle seien“ (vgl. Jud 2). Ich hoffe sehr, Euer Ad-limina-Besuch und Eure Verehrung der hll. Märtyrer Petrus und Paulus mögen die „koinonia“ der Herzen und Seelen (vgl. Apg 4,32), die uns im Dienst am Evangelium vereint, stärken. Alle freudigen Momente meines Pastoralbesuchs des vergangenen Jahres in Eurem Land werden in meiner Erinnerung wach. Dort erfuhr ich die friedvolle, ausgezeichnete Gastfreundschaft und den starken religiösen Geist aller Einwohner Sri Lankas. Ich werde auch in Zukunft dafür beten, daß Euer Volk sein reiches geistiges und kulturelles Erbe immer erhalten möge und daß die Eintracht und die gegenseitige Achtung, die zwischen den verschiedenen Religionen erblüht ist, nicht durch die gegenwärtigen ethnischen Schwierigkeiten geschwächt wird (vgl. Ansprache bei der Ankunft in Colombo, 20. Januar 1995). Die ganze Kirche bereitet sich darauf vor, das Große Jubeljahr zu begehen, mit dem wir der Fülle der Zeit (Gal 4,4) gedenken, als das Ewige Wort Fleisch wurde im Schoße der jungfräulichen Mutter (vgl. Joh 1,14). Die Kirche in Sri Lanka muß diese Zeit nutzen, um zusammen mit Maria und den Aposteln in den Abendmahlssaal zu gehen und inständig um eine erneute Ausgießung des Geistes zu beten; sie muß ihre Tore weit für Christus öffnen und seinen dringenden Aufruf hören: , JDie Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Durch Euch, seine Gesandten (2 Kor 5,20), sollte dieser Aufruf in den letzten Jahren vor Beginn des dritten Christlichen Jahrtausends mit noch größerer Eindringlichkeit erschallen. Der Rahmen für diese Vorbereitung ist durch das positive Ergebnis des Nationalen Pastoralkongresses gegeben, für den wir letztes Jahr in Colombo gebetet haben. Die Entscheidungen und Beschlüsse dieses Kongresses haben die Richtlinien Eurer seelsorglichen Tätigkeit für das dritte Jahrtausend vorgezeichnet. Möge der Herr das gute Werk, das er bei Euch begonnen hat, auch vollenden! (vgl. Phil 1,6). 2. Der Kongreß hat bei den Laien ein neues Bewußtsein für die Tatsache geweckt, daß sie kraft ihrer Taufe und Firmung dazu aufgerufen sind, in jedem Lebensbereich für Christus treu Zeugnis abzulegen. Sie haben die spezifische Aufgabe, dem Reich Gottes zu dienen in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge (Lumen Gentium, Nr. 31). Sie schauen auf Euch und Eure Priester, daß Ihr ihnen helft, die Vorbereitung zu erhalten, die sie brauchen, um ihrer Berufung zu folgen. Eine systematische und fundierte Katechese, die den Samen des Glaubens in den Herzen der Menschen wirklich nährt, stellt eine Hauptaufgabe Eures prophetischen Amtes dar. In Sri Lanka bilden religiöse Feste, Novenen, Pilgerfahrten und andere Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit einzigartige Möglich- 983 AD-L1MINA-BESUCHE keiten - die noch gründlicher untersucht werden sollten - für eine eingehendere geistige und theologische Ausbildung der Laien. Die Übersetzungen des Katechismus der Katholischen Kirche in die Sprachen Eures Landes, die unter Eurer Aufsicht ausgearbeitet worden sind, werden für die Weitergabe der Schätze des Evangeliums an euer Volk eine große Hilfe sein. Es ist vor allem wichtig, daß das katechetische Apostolat den Familien hilft, ihrer Rolle als wichtigste Schule der Evangelisierung gerecht zu werden: „Die christlichen Eltern sind, weil das Ehesakrament sie dazu befähigt, die ersten und unersetzlichen Katecheten ihrer Kinder“ (Christifideles laici, Nr. 34). Sie müssen dabei natürlich von Priestern, Ordensleuten und Katecheten in den Gemeinden, Schulen und Verbänden unterstützt werden. Das gut organisierte System der Sonntagsschulen, das in Euren Diözesen eingerichtet worden ist, ist ein ausgezeichnetes Werkzeug zur Erfüllung dieser Aufgabe. Das gilt erst recht, wenn die Katecheten in ihrer Kenntnis des Glaubens ständig wachsen, wenn sie Lehrmethoden entwickeln, die auf die Katechumenen zugeschnitten sind, und wenn sie sich mit Eifer auch an jene wenden, die gleichgültig scheinen. Allen engagierten gläubigen Laien, die in Euren Diözesen Aufgaben des Apostolats übernommen haben, sende ich einen besonderen Gruß, und ich ermutige sie, „die Reichtümer des Glaubens und der Taufe immer mehr zu erkennen und in wachsender Fülle zu leben“ (ebd., Nr. 58). 3. In diesem Zusammenhang muß den Jugendlichen ein besonderes Kapitel gewidmet werden. Die Säkularisierung des Erziehungssystems und der Gesellschaft fordert die kirchliche Gemeinschaft heraus, mehr Zeit und Mittel auf das Jugendapostolat zu verwenden. Dies verlangt Kreativität bei der Programmgestaltung, der Planung von Einkehr- und Meditationstagen und der Einrichtung von katholischen Jugendverbänden, -bewegungen und -vereinen. In der ihr eigenen Weise sollte jede dieser Initiativen die segenbringende Begegnung der Jugend mit dem liebevollen Blick Christi fördern (vgl. Mk 10,21), der weiß, was im Menschen ist (vgl. Joh 2,25). Trotz Versuchungen aller Art sehnen sich junge Leute nach der Fülle des Lebens, die nur in ihm zu finden ist, der „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 14,6). Wenn die jungen Menschen ihren inneren Begleiter, das Wort des Lebens, den Heiland der Welt, erst einmal gefunden haben, werden sie zu den erfolgreichsten Aposteln für ihre eigene Generation! Ein besonderes Wort des Dankes gebührt der Arbeit und dem Zeugnis Eurer katholischen Schulen. Es werden nicht nur hervorragende Leistungen in den akademischen Fächern erstrebt, sondern die von der Kirche angebotene Ausbildung zielt auch darauf ab, die Schüler durch die Kraft der Wahrheit zur Erneuerung ihres Denkens (vgl. Röm 12,2) und zur Bekehrung der Herzen hin zur Gottes- und Nächstenliebe zu führen (vgl. Mt 22,37-40). Die katholischen Schulen erziehen zur Achtung der anderen und zur Toleranz der Verschiedenheit und tragen auf diese Weise zum Aufbau eines Klimas des Dialogs und der Zusammenarbeit in der Gesellschaft bei. Damit die Schulen ihrer wichtigen Aufgabe besser nachkommen 984 AD-LIMINA-BESUCHE können, fordere ich Euch auf, diejenigen zu ermutigen, die sich in diesem Apostolat engagieren, damit sie trotz aller Schwierigkeiten weitermachen und neue Wege erkunden, um auch den Armen und Ausgegrenzten zu dienen, die andernfalls keinen Zugang zu solch einer Ausbildung hätten. 4. In all diesen Bereichen Eurer Mission werdet Ihr von Euren großherzigen und einsatzfreudigen Priestern unterstützt. Eure Ortskirchen sind gesegnet mit Priestern voller Eifer, die geprägt sind vom Geiste der im Evangelium begründeten Armut. Ermuntert sie jederzeit dazu, in ihrem Innern an Kraft und Stärke zuzunehmen (vgl. Eph 3,16) durch ein Leben des Gebetes und durch die Bereitschaft, das eigene Selbst dem Herrn und seiner Kirche vollkommen und aufrichtig zu schenken. Die Kirche in Sri Lanka, wie auch überall sonst, braucht Priester, die sich aus zeichnen durch ihr heiligmäßiges Leben, ihr theologisches Wissen und ihre geistliche Weisheit, die andächtige Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente gemäß den Absichten und Regelungen der Kirche, den Gehorsam gegenüber ihren Bischöfen und ihren Einsatz zugunsten einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit den gläubigen Laien (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 18). Ihr habt kürzlich beschlossen, daß den Priesteramtskandidaten ein propädeutisches lahr intensiver geistlicher Formung zuteil werden soll, und dies wird zweifellos die Ausbildung der „Hirten nach dem Herzen des Herrn“ stärken (vgl. Jer 3,15). Seid den Priestern nahe, die leiden oder in Versuchung geraten, indem Ihr sie an die Gnade des Sakraments erinnert, das sie Christus gleichgestaltet hat, der sie lieber Freunde als Knechte nennt (vgl. Joh 15,15). Ermahnt Eure Priester, die traditionelle seelsorgliche Praxis der Gemeindevisitation beizubehalten, als ein wirkungsvolles Mittel zur Unterstützung der Gläubigen und um auch jene zu erreichen, die ihren Glauben nicht mehr praktizieren. 5. Ihr wißt wohl - und die jüngste Bischofssynode hat es noch einmal hervorgehoben -, daß das gottgeweihte Leben ein Geschenk des Vaters an die kirchliche Gemeinschaft ist. Innerhalb der Ortskirche sollen gottgeweihte Männer und Frauen ein Sauerteig der Gemeinschaft sein. Sie schulden dem Lehramt der Kirche Treue, „ein Festhalten mit Herz und Verstand am Lehramt“, treu gelebt und vor dem Volk Gottes klar und deutlich bezeugt „von allen Personen des geweihten Lebens, besonders jenen, die in der theologischen Forschung, in der Lehre, im Publikationswesen, in der Katechese, im Bereich der sozialen Kommunikationsmittel tätig sind“ (Vita consecrata, Nr. 46). Das Zeugnis der bereitwilligen Kooperation zwischen Bischöfen und Ordensleuten sowie zwischen der Bischofskonferenz und der Konferenz der Ordensobem wird das gemeinsame Werk zum Aufbau des Leibes Christi in eurer Nation intensivieren. Unterstützt vom persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet, sind die gottgeweihten Menschen aufgerufen, vor allem in den „Grenzbereichen“ (sowohl in geographischer als auch in soziologischer Hinsicht) der Evangelisierungsmission der Kirche tätig zu werden, und zwar in den Sektoren der Erziehung, der Sozialarbeit und der Medien. Durch Euch fordere ich die gott- 985 AD-L1MINA -BESUCHE geweihten Männer und Frauen Sri Lankas auf zu „einem erneuerten und kraftvollen evangelischen Zeugnis der Entsagung und der Mäßigung in einem von den Kriterien der Einfachheit und Gastfreundschaft inspirierten brüderlichen Lebensstil“ (vgl. Vita consecrata, Nr. 90). Das Apostolat der Ordensfrauen sollte dabei ihr besonderes Augenmerk auf die Förderung der Würde und Berufung von Frauen richten. Es sollte die Frauen unterstützen und leiten, damit sie ihre besonderen Gaben und Eigenschaften immer besser in den Dienst der Kirche und der Gesellschaft stellen können. 6. Gott selbst ist im „Dialog“ mit der Welt und bietet ihr seine Liebe, sein Erbarmen und seine Rettung an. In Treue zu dieser göttlichen Initiative und diesem Vorbild nimmt die Kirche den „Dialog des Heils“ mit allen Männern und Frauen auf, indem sie freimütig und respektvoll ihre Botschaft verkündet und auf die Weisheit anderer Glaubenden hört. Es wird heutzutage immer offensichtlicher, daß das fruchtbarste Terrain für interreligiöse Debatten auch Themen der Sittlichkeit und der Ethik einschließt, die die Zukunft der ganzen Menschheit beeinflussen. Die allgemeingültigen und unvergänglichen sittlichen Normen, die aus der Ordnung der Schöpfung abgeleitet sind, „bilden in der Tat das unerschütterliche Fundament und die zuverlässige Gewähr für ein gerechtes und friedliches menschliches Zusammenleben und damit für eine echte Demokratie, die nur auf der Gleichheit aller ihrer in den Rechten und Pflichten vereinten Mitglieder entstehen und wachsen kann“ (Veritatis splendor, Nr. 96). In Sri Lanka kann der interreligiöse Dialog, vor allem mit der buddhistischen Mehrheit, auf die Anerkennung gemeinsamer Werte gegründet werden, wie z. B. die unveräußerliche Würde eines jeden menschlichen Lebens, den unschätzbaren Wert der Familie, die Achtung eines tugendhaften Lebenswandels, Gewaltlosigkeit und Selbstaufgabe im Dienste an den Bedürfnissen anderer. Auch wenn die Katholiken in Sri Lanka nur „ein wenig Sauerteig“ sind (1 Kor 5,6), stellen die Förderung des interreligiösen Dialogs, das gemeinsame Zeugnis zugunsten der Religion und eine wirksame geistige Solidarität einen wichtigen Beitrag zum Aufbau des Friedens und der Eintracht in Eurem Lande dar. Bischöfe leiten ihr Volk auch da, wo es darum geht, anderen Christen „die Hand zum Zeichen der Gemeinsamkeit“ zu geben (Gal 2,9). Dem Gebet Christi selbst gehorchend - „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21) -, ist die Kirche unwiderruflich verpflichtet, die volle, sichtbare Einheit aller Jünger Christi zu suchen. Der ökumenische Auftrag „gehört organisch zu ihrem Leben und ihrem Wirken und muß infolgedessen dieses Miteinander durchdringen“ (Ut unum sint, Nr. 20). Stimmt es etwa nicht, daß eine wirksame Evangelisierung zum großen Teil vom vereinten Zeugnis aller Christen abhängt? In diesem Zusammenhang sind gemeinsame Aktionen zur Anwendung der Prinzipien des Evangeliums auf das soziale, wirtschaftliche und politische Leben von besonderer Bedeutung. 986 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Liebe Brüder, wenn es um die Mission der Kirche für die Welt geht, kann ich nicht stillschweigend über die Sorgen hinweggehen, die Ihr zum Ausdruck gebracht habt, hinsichtlich der Schwierigkeiten und Leiden, die Eurem Volk auferlegt worden sind durch die Gewalt, der Eure geliebte Nation immer noch unterworfen ist, und durch die schrecklichen Greueltaten, die verübt werden. Die Förderung des Friedens gehört wesentlich zur Sendung der Kirche, und Ihr habt schon des öfteren Eure Stimme für dieses höchste Wohl der Gemeinschaft erhoben. Ihr habt ständig verkündet, daß die ethnische, sprachliche und kulturelle Verschiedenheit ein Schatz ist, den es zu erhalten gilt, und nicht ein Hindernis, das aus dem Weg geschafft werden muß. Ihr habt zu Recht anerkannt, daß Unterschiede einen wahrhaften „Gabenaustausch“ ermöglichen und daß sie zur Stärkung der gegenseitigen Achtung und der Bereitschaft, für das Gemeinwohl zusammenzuarbeiten, dienen sollten. Berechtigterweise habt Ihr außerdem immer wiederholt, daß ein getroffener Kompromiß der einzig mögliche Weg ist, um die Probleme zu lösen, die an der Wurzel des im Norden und Osten eures Landes wütenden Konflikts sind. Nur der Dialog kann die unverletzlichen Menschenrechte schützen, einschließlich der legitimen Rechte der Minderheiten. Ihr habt Eure Bereitschaft zum Vermitteln ausgedrückt, gemäß der Tradition der Kirche, die immer bereit ist, ein unparteiliches Klima zu schaffen, wo sich diejenigen, die für den Frieden arbeiten, ohne Angst und Mißtrauen begegnen können. Wenn wir Gott um Frieden für Eure schöne Insel bitten, müssen wir auch den vielen christlichen Organisationen und Einzelpersonen danken, die auch während der Feindseligkeiten kraftvoll für den „alles übersteigenden Weg“ der Liebe, den Christus lehrte (vgl. 1 Kor 12,31), Zeugnis abgelegt haben. Die rasche Reaktion der Solidarität zugunsten der Obdachlosen, der Flüchtlinge und der Opfer des Blutvergießens ist ein Zeichen der göttlichen Gnade, die in Eurer Mitte am Werk ist. Als Hirten habt Ihr ein offenes Ohr für das Verlangen Eures Volkes nach Frieden und Gerechtigkeit, und Ihr seid Euch sehr wohl bewußt, daß die Soziallehre der Kirche zur Gesamtheit der Botschaft des Evangeliums gehört. Der Beitrag der Kirche zur ganzheitlichen Entfaltung der Gesellschaft in Sri Lanka besteht darin, eine Weltanschauung voranzubringen, bei der wirtschaftlicher, politischer und sozialer Fortschritt Hand in Hand geht mit religiöser, kultureller und sittlicher Weiterentwicklung. 8. Liebe Brüder: Ich danke Gott für Euch und für die Kirche Gottes, die jetzt in Eurem Land so stark verwurzelt ist. Möge der sei. Joseph Vaz, der Apostel von Sri Lanka, der das Evangeüum trotz Schwierigkeiten aller Art verkündete, Euer Vorbild und Eure Inspiration sein! Ich vertraue Euch und alle Priester, gottgeweihten Männer und Frauen und Laien der Fürsprache Marias, der Mutter des Heilands, an und spende Euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 987 AD-LIMINA -BES U CHE Beitrag der Kirche zu einer Zusammenarbeit des geteilten Landes Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Südkorea am 26. März Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Ich danke meinem Gott jedesmal, wenn ich an euch denke; ... wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude“ (Phil 1,3). Mit diesen Worten des hl. Paulus und im gleichen Geist der Danksagung und Freude heiße ich Euch, die Bischöfe von Korea, zu Eurem Ad-limina-Besuch willkommen. Ihr seid nach Rom, zu den Gräbern der Apostel Petms und Paulus, gekommen, um jene Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen, die Ihr und alle „Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19) in Korea mit dem Nachfolger Petri, der „der universalen Gemeinschaft der Liebe vorsteht“ (vgl. hl. Ignatius von Antiochia, Ad Romanos, Einleitung), bildet. Euer Ad-limina-Besuch findet in den letzten Tagen der Fastenzeit statt. Nach unseren Begegnungen werdet Ihr in Eure Diözesen zurückkehren und an der Spitze der Gläubigen die heiligsten Ereignisse unserer Erlösung feiern: Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn. Diese allerheiligsten Geheimnisse werden uns inspirieren, wenn wir uns darum mühen, in Treue und Eifer unsere Pflichten als Hirten des Gottesvolkes zu erfüllen. Gleichermaßen prägen sie auch meinen Gedankenaustausch mit Euch heute, „... denn als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden. Laßt uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit“ (7 Kor 5,7-8). 2. Im Kontext des Ostergeheimnisses können wir klarer erkennen, daß „die Bischöfe in der Mitte der Ihrigen wie Diener“ (Christus Dominus, Nr. 16, vgl. Mt 20,28) sind, denn selbst Christus ist nicht gekommen, um seinen eigenen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der ihn gesandt hatte (vgl. Joh 6,38). Ein Bischof muß ein guter Hirt sein, der seine Schafe kennt und dessen Schafe ihn kennen; diese Bande müssen ihn sogar dazu führen, sein Leben bereitwillig für seine Schafe hinzugeben (vgl. Joh 10,14-15). Er muß ein wahrer Vater sein, der Liebe und Interesse für alle zeigt, damit die ganze Glaubensfamilie vereint werde und „in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Retters Jesus Christus wachsen“ (vgl. 2 Petr 3,18) möge. Das ist der Aufruf, den der Herr täglich erneut an uns richtet. Unsere Antwort kann niemals die der „Tagelöhner“ sein, sondern muß vielmehr stets der absolut ergebenen Reaktion der Apostel entsprechen (vgl. Mk 1,20), die berufen sind, das Fundament des gesamten Baus der Kirche zu sein (vgl. Eph 2,20). Unsere Antwort als Bischöfe und Seelsorger wird zum lebendigen Zeugnis, das diejenigen, die bereits zum Schafstall gefunden haben, zu einer engeren Gemeinschaft mit dem Herrn anregt und jene zu Christus und seiner Kirche hinführt, die 988 AD-LIMINA-BESUCHE die volle Wahrheit des Evangeliums noch nicht kennen, denn „es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1,16). In Eurer Heimat zeigt sich diese erlösende Kraft Gottes sehr deutlich in der ständig wachsenden Zahl der Katholiken, in den gut besuchten Vorbereitungskursen für Katechumenen und Neugetaufte und in den zahlreichen Berufungen zum Priestertum und Ordensleben. Gläubige Laien sind, den heutigen Anforderungen entsprechend, auf stets aktivere Weise im Leben und Apostolat der Kirche tätig - in Pfarrgemeinden und Vereinigungen, in der Evangelisierung, der Katechese wie auch im Studium und der praktischen Anwendung der kirchlichen Soziallehre. Vor allem durch das den Werten des Evangeliums entsprechende Zeugnis ihrer christlichen Lebensweise und ihre verantwortungsvolle Teilnahme am gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Leben ihres Landes übernimmt die Laienschaft durch die Förderung der menschlichen Würde, den Aufbau von Solidarität und den Dienst für das Wohl aller ihre besondere Aufgabe in der Umgestaltung der weltlichen Ordnung im Hinblick auf das Reich Gottes. Zweifellos hat der Herr Eure Kirchen mit vielen geistlichen Gaben gesegnet. Eure Aufgabe ist es, diese Gaben zu hüten, sie zu nähren, zu entwickeln und zu führen, damit die gesamte menschliche Wirklichkeit in stets stärkerem Maße von der erlösenden Gegenwart und Liebe Christi erfüllt sein möge. So wird die Kirche wahrhaft „gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der ... menschlichen Gesellschaft“ (Gaudium et spes, Nr. 40). 3. Und ist es denn keine dringende Notwendigkeit für die Kirche in Korea, diese Rolle mit stets größerem Nachdruck und Eifer zu übernehmen? Ihr selbst habt darauf hingewiesen, daß die wirtschaftliche Entwicklung Eurer Gesellschaft Hand in Hand geht mit einer gewissen materialistischen Einstellung der Realität gegenüber, die sich hervortut und anscheinend auch die Anschauungen der Menschen, insbesondere der jüngeren Generation, beherrscht. Nicht nur in Korea, sondern überall im fernöstlichen Teil des asiatischen Kontinents setzen sich gewisse kulturelle Einflüsse durch, die im Gegensatz stehen zu einigen authentischeren menschlichen Werten, auf denen Eure Gesellschaft bisher begründet war. Als Hirten der Kirche seid Ihr Euch durchaus bewußt, daß in dieser Hinsicht große Einsicht erforderlich ist. Euer spezieller Beitrag ist es, auf intensive Weise die Ergänzung pastoraler Initiativen und Programme zu fördern, die eine angemessene Antwort auf die allgemein spürbare Infragestellung der Werte geben können. Unter den besonderen Aufgaben Eures Dienstamtes in dieser Hinsicht möchte ich Euch darin bestärken, die unantastbare Heiligkeit des menschlichen Lebens, von der Zeugung bis zum natürlichen Tod, unermüdlich zu verkünden, zu lehren und zu verteidigen. Seid die Fürsprecher der Kultur des Lebens, und sucht die wirksame Zusammenarbeit aller, die Eure tiefe Sorge für die „erschütternde Vermehrung ... der Bedrohungen des Lebens von Personen und Völkern, vor allem dann, wenn es schwach und wehrlos ist“ {Evangelium vitae, Nr. 3), teilen. 989 AD-LIMINA-BESUCHE 4. Wir alle müssen überzeugt sein, daß das kommende zweitausendjährige Jubiläum der Geburt des Erlösers eine providentielle Gelegenheit für die gesamte Kirche ist, um über das nachzudenken, was bisher erreicht werden konnte und was für eine innigere, hochherzigere Nachfolge des Herrn notwendig ist. In Euren Ortskirchen habt Ihr bereits mit einem Pastoralprogramm zur Vorbereitung dieses Gnadenjahres begonnen. Es ist wesentlich, allen - Priestern, Ordensleuten und Laien -zu helfen, die wahre Bedeutung dieses Ereignisses zu erkennen. Seine Berechtigung, sein Sinn und Zweck kommt in den Worten der Pastoralkonstitution des Konzils über die Kirche in der Welt von heute klar zum Ausdruck: „Die Kirche aber glaubt: Christus, der für alle starb und auferstand, schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkom-men kann; ... Sie glaubt ferner, daß in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist“ (Gaudium et spes, Nr. 10). Daher muß diese Zeit im Zeichen der Umkehr, der Gnade und der Erneuerung stehen und auf der lebendigen Gegenwart des Erlösers begründet sein. Diejenigen Katholiken, die sich aus verschiedenen Gründen vom Glauben entfernt haben, benötigen Eure pastorale Unterstützung und Liebe auf ganz besondere Weise. Ebenso werdet Ihr Euch bemühen, junge Katholiken in die Vorbereitung und Feier des Jubeljahres einzubeziehen. Letzteres ist von wesentlicher Bedeutung, da es ihre Aufgabe sein wird, die Kirche in das kommende Jahrhundert und Jahrtausend zu führen: Christus stellt hohe Erwartungen an die Jugend (vgl. Tertio millennio adveniente, Nr. 58). 5. Gleichermaßen bestärke ich Euch darin, Eure weitreichende missionarische Arbeit in Eurem eigenen Land und über seine Grenzen hinaus fortzusetzen. Schließlich bleibt sie ein wesentlicher Zug des kirchlichen Lebens in jeder Generation und in jedem Teil der Welt und ist somit ein grundlegender Aspekt unserer Rolle als Nachfolger der Apostel, die ihrerseits die Frohbotschaft ohne Unterschied allen Menschen verkündigten. Die in Eurer Region einmalige Stellung der Kirche Koreas gibt ihr die Möglichkeit, „den unergründlichen Reichtum Christi zu verkündigen“ (vgl. Eph 3,8). In dieser Hinsicht danke ich Euch für Eure hochherzige Bereitschaft, geistliches Personal in jene Gebiete Asiens zu senden, wo die gegebenen Umstände dies ganz besonders erforderlich machen, und für die bereitwillige Aufnahme auswärtiger Priesterkandidaten in Eure Seminare, ein konkretes Zeichen Eurer „missionarischen Kooperation“ (vgl. Redemptoris missio, Nr. 85). Andererseits möchte ich die Bemühungen der koreanischen Kirche um Solidarität mit ihren Brüdern und Schwestern im Norden des Landes loben, insbesondere anläßlich der jüngsten Überschwemmungen, die verschiedene Provinzen verwüsteten. 6. Bei der Erfüllung Eurer verschiedenen pastoralen Verantwortungen habt Ihr die Unterstützung Eurer Brüder im Priesteramt, die Eure „notwendigen Helfer und Ratgeber“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 7) im heiligen Dienstamt sind. Ich teile 990 AD-LIMINA-BESUCHE Eure Freude über die große Anzahl treuer Priester, mit denen Eure Diözesen gesegnet sind, und über die ständig wachsende Zahl der Berufungen. Da „der Bischof der erste Repräsentant Christi in der Priesterausbildung ist“ (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 65), solltet Ihr Sorge tragen, daß Priesterkandidaten von gesunden Beweggründen, echtem Mitgefühl und genügend Talent erfüllt sind und ernsthaft versuchen, Personen von einwandfreier moralischer Haltung zu werden. „Die geistliche Formung stellt das wichtigste Element in der Priestererziehung dar“ (vgl. ebd., Nr. 45), die notwendige Grundlage, von der alles übrige ausgeht. Diese Formung aber endet nicht mit der Weihe, da, wie jeder Priester weiß, Treue gegenüber dem priesterlichen Amt „ein beständiger Bekehrungsvorgang“ (ebd., Nr. 70) ist. Indem Ihr für die spirituelle Unterstützung und ständige Weiterbildung Eurer Priester sorgt, helft Ihr ihnen, stets ihre wahre Würde anzuerkennen und in ihrem Leben die priesterliche Identität als „Männer Gottes“, als „Diener der Kirche“, jeder als ein „alter Christus“ (vgl. Pastores dabo vobis, Nr. 5), zum Ausdruck zu bringen. Der von Euch eingesetzte jährliche „Tag der Heiligung und Erneuerung des Klerus“ ist eine Einladung an die Gläubigen, für die Heiligkeit, die Hingabe und Treue ihrer geweihten Diener zu beten. So werden Geistliche und Laien gemeinsam zum Herrn der Ernte beten, damit seine Verheißung auch in Euren Ortskirchen in Erfüllung gehen möge: „Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen; mit Einsicht und Klugheit werden sie euch weiden“ (der 3,15). 7. Meine Überlegungen wären sicher unvollständig, ohne jene gottgeweihten Männer und Frauen - Ordensleute und Mitglieder weltlicher Institute - zu erwähnen, die aufgrund ihrer speziellen Hingabe an den Herrn ein ganz besonders wirksames Zeugnis der Liebe Gottes für sein Volk geben. In jeder Ortskirche sind sie lebendige Zeichen der Wahrheit, die besagt, daß „das Reich Gottes nahe ist“ (vgl. Mk 1,15). Ihr wißt, wie sehr die Kirche in Eurem Land von ihrem hochherzigen Dienst abhängig ist. Ich bestärke Euch, ihnen nahezustehen und ihre Charismen als ein außergewöhnliches Geschenk Gottes zu wahren. In wenigen Tagen werde ich das postsynodale Apostolische Schreiben herausgeben, das die Ergebnisse der Bischofssynode von 1994 über Aufgabe und Sendung des gottgeweihten Lebens in. der Kirche und der Welt darlegt. Ich übergebe Euch und den gottgeweihten Männern und Frauen Eurer Diözesen dieses Dokument als Zeichen der Liebe, des Vertrauens und der Erwartungen, das ihnen das gesamte Volk Gottes in diesem besonderen Augenblick der Heilsgeschichte entgegenbringt. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt, dies sind einige der Gedanken, zu denen Euer Besuch angeregt hat. Ich möchte Euch noch einmal für die hochherzige und hingebungsvolle Erfüllung Eurer pastoralen Pflichten danken. Nun, da wir uns der Passionszeit nähern, wollen wir weiterhin auf ihn schauen, der sein Leben freiwillig hinge geben hat, um es wieder zu nehmen (vgl. Joh 10,17). Unablässig bete ich für Euch, damit der Herr Euch bei der treuen Erfüllung Eurer apostolischen Auf- 991 AD-LIM1NA-BES UCHE gäbe unterstützen möge: „Verkündet das Wort, tretet dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weist zurecht, tadelt, ermahnt, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (vgl. 2 Tim 4,2). Und möget Ihr Eurerseits das gleiche Gebet an den Herrn richten, damit er mich in meinem Amt als erster Hüter des Glaubensguts für das Wohl der Kirche in aller Welt stärke. Ich empfehle Euch alle der Fürsorge Marias, unserer leidgeprüften Mutter am Fuße des Kreuzes, und vertraue ihr die Bedürfnisse und Hoffnungen der Kirche in Korea wie auch die Bürden und Freuden unseres Amtes an. Jedem von Euch und allen Priestern, Ordensleuten und gläubigen Laien Eurer Diözesen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 26. März 1996 Dialog und Zusammenarbeit gehören zum christlichen Zeugnis Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Tansanias am 20. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine große Freude, Euch, die Bischöfe der Kirche Tansanias, zu Eurem Ad-limina-Besuch willkommen zu heißen, der die Bande der brüderlich-hierarchischen „Communio“, die jeden einzelnen von Euch mit dem Nachfolger Petri verbindet, verdeutlicht und festigt. Euch begleiten die Hoffnungen und Freuden, die Lasten und Leiden Eures Volkes. Möge Euer Gebet am Grab der hll. Apostel Petrus und Paulus, deren Martyrium diesen Hl. Stuhl zum Mittelpunkt der universalen „Koinonia“ machte, Eure eifrige Sorge für die Euch vom Heiligen Geist anvertraute Herde erneuern (vgl. Apg 20,28), damit die Priester, Ordensleute und gläubigen Laien Tansanias mehr und mehr „zu einem heiligen Tempel im Herrn“ (Eph 2,21) werden. Gestützt auf das Fundament des Zeugnisses und Opfers der Missionare, die das Evangelium vor mehr als hundert Jahren in Euer Land brachten, bereitet sich die Familie Gottes in Tansania gemeinsam mit der übrigen Kirche darauf vor, mit erneuerter Hingabe an das Evangelium die Schwelle des neuen Jahrtausends zu überschreiten. Der „neue Advent“, die Jahre der unmittelbaren Vorbereitung auf das Große Jubiläum, ist eine Zeit, in der das Volk Gottes all jene Frische, Begeisterung und Mutigkeit ausstrahlen soll, die das Leben derer kennzeichnen, die „den Herrn Jesus Christus (als neues Gewand) angelegt haben“ (vgl. Röm 13,14). Die Berufung zur Heiligkeit des Lebens - zum „ewigen Leben“ in Verbundenheit mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist - ist die oberste Pflicht in dieser Zeit der Gnade, eine Pflicht, die allen Mitgliedern der Kirche obliegt, insbesondere den Bischöfen, die als lebendige Werkzeuge des Ewigen Hohenpriesters das 992 AD-LIMINA-BESUCHE Gottesvolk leiten. Während wir den Weg der Umkehr und der Erneuerung gehen, müssen wir „Vorbilder für die Herde“ (7 Petr 5,3) sein „in unseren Worten, unserem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit“ (vgl. 1 Tim 4,12). Wir können kein überzeugenderes Zeugnis für die Heilswahrheit des Evangeliums geben als das Beispiel der Heiligkeit in unserem eigenen Leben. 2. Der Bischof ist der Bräutigam seiner Kirche und muß wie sein Meister treu für sie sorgen. Ich bitte Euch inständig, alle wie ein Vater und älterer Bruder zu heben, die Gott Euch anvertraut hat: Priester, Diakone, Ordensleute, Katechisten, Familien, jeden Menschen. Durch klares, verständliches Predigen und die ehrfürchtige Feier der Sakramente weckt in ihnen „eine echte Sehnsucht nach Heiligkeit, ein starkes Verlangen nach Umkehr und persönlicher Erneuerung“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 42). Jedes Mitglied der Gemeinschaft muß nach dem Geist Christi (vgl. Gal 2,5) geformt werden. Wir können die Bedeutung umfassender Katecheseprogramme für alle Altersgruppen in Euren Diözesen - Kinder, Jugendüche und Erwachsene -nicht genug betonen. Das Ziel dieser Bemühungen muß eine eingehende christliche Erziehung sein, die menschliche Reife, gesunde Lehre und geistliches Wachstum einschließt. Zwei wertvolle Werkzeuge werden Euch bei der Förderung „der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu, des Herrn“ (vgl. Phil 3,8), behilflich sein: der Katechismus der Katholischen Kirche, der nun auch in Kiswahili erschienen ist, und das nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa, das den Weg für den Evangelisierungsauftrag der Kirche für das dritte christliche Jahrtausend entwirft. 3. Im Licht unserer Begegnungen möchte ich Euch wärmstens in jener pastoralen Aufmerksamkeit bestärken, die Ihr Katechisten, Jugendüchen und Familien widmet. Mit Euch preise ich den Vater der Gnade dafür, daß die hingebungsvolle Arbeit der Katechisten in Euren Kirchen so gute Resultate bringt. Diese hochherzigen Männer und Frauen sind „unersetzbare Verkünder des Evangeliums“ und bilden die Grundkraft eurer christlichen Gemeinden (vgl. Redemptoris missio, Nr. 73). Ihr müßt weiterhin dafür Sorge tragen, daß die Katechisten „zu jedem guten Werk bereit und gerüstet“ sind (2 Tim 3,17) - entsprechend vorbereitet, um auf die Herausforderungen zu antworten, die die leeren Versprechen und falschen Lehren gewisser Verwirrung stiftender Sekten an sie stellen. Ihr habt dieses Problem bereits in Angriff genommen, indem Ihr eine planmäßige, systematische Ausbildung anhand von speziellen Programmen für Katechisten wie auch Gebetstage und Emeuerungskurse anbietet (vgl. Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Handbuch für Katechisten, 29-30). Unterstützt auch weiterhin die jungen Menschen in Eurem Land in ihrer hochherzigen Antwort auf die Ideale des Evangeliums. In der ganzen Welt bin ich jungen Menschen begegnet, die erwarten, daß die Kirche sie zum bedingungslosen Einsatz ihrer freudigen Begeisterung herausfordert, damit sie der großen Aufgaben, 993 AD-LIMINA -BES UCHE zu denen Christus sie beruft, würdig seien. Die Jugendseelsorge, die ausdrücklich in der Gesamtpastoral der Diözesen und Pfarreien vertreten sein muß (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 93), sollte die jungen Menschen Tansanias darauf vorbereiten, ihre Gaben in den Dienst der Kirche zu stellen, indem sie die Evangelisierer ihrer Altersgenossen werden und einen ihnen rechtmäßig zustehenden Platz im Pfarr-und Diözesanleben einnehmen. 4. Eine weitere Priorität Eures Dienstes ist die Förderung der Heiligkeit und Festigkeit der Familie, indem Ihr christliche Eheleute unterstützt, ihre Existenz auf der festen Grundlage der sakramentalen Gnade aufzubauen, die für die meisten Gläubigen das Ehe- und Familienleben zum normalen Weg der Heiligkeit macht. Den Familien Tansanias muß geholfen werden, ihre edlen Werte und Traditionen zu erhalten, insbesondere den ihnen eigenen Geist des Teilens und der Gastfreundlichkeit. Eine eingehende Familienpastoral sollte auch ein angemessenes Ehevorbereitungsprogramm einschließen, das auf klare und überzeugende Weise die kirchliche Lehre über die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehegemeinschaft wie auch über verantwortete Elternschaft darlegt und die Anwendung natürlicher Methoden zur Fruchtbarkeitsregelung (vgl. Evangelium vitae, Nr. 97). Ziel Eurer Initiativen muß die Unterstützung der Familien Eurer Diözesen sein, damit sie ihre Berufung erfüllen können, die ersten Schulen der Nachfolge Christi und der Evangelisierung zu sein, in denen die Eltern die ersten Katechisten ihrer Kinder sind und wo alle Glieder an der Sendung teilhaben, „die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen“ (Familiaris consortio, Nr. 17). 5. Jede Katechese sollte einen tiefen Einblick in die kirchliche Soziallehre einschließen, eine Ausbildung, die die Laien befähigt, ihre spezielle Aufgabe zu erfüllen, d. h. „auf das Gesellschaftsgefüge einen Einfluß auszuüben, der nicht nur die Denkweisen, sondern die eigentlichen Strukturen der Gesellschaft so umwandeln soll, daß sich darin Gottes Pläne bezüglich der menschlichen Familie besser widerspiegeln“ (Ecclesia in Africa, Nr. 54). Mit der Hilfe gut ausgebildeter Laien müßt Ihr weiterhin auf jene vitalen ethischen und sittlichen Fragen eingehen, die auf die Entwicklung eures Volkes Einfluß nehmen: Rechtschaffenheit im öffentlichen Leben, Gerechtigkeit in wirtschaftlichen Angelegenheiten, die erdrückende Last der Armut, die Wahrung der Menschenrechte und alles, was die Würde der ehelichen Liebe untergräbt. Hört auf den qualvollen Hilferuf der Armen, und erfüllt Eure Gemeinden mit unstillbarem „Hunger und Durst nach Gerechtigkeit“ (vgl. Mt 5,6). Jede Ortskirche muß „in ihren eigenen Strukturen und in den Beziehungen ihrer Mitglieder untereinander ein unbeugsamer Zeuge der Gerechtigkeit und des Friedens sein“ {Ecclesia in Africa, Nr. 106). Auch die Zusammenarbeit und der Dialog mit anderen Religionstraditionen gehören zu einem wirksamen christlichen Zeugnis. Ökumenische und interreligiöse Initiativen sollten also gefördert werden, damit gegenseitige Verständigung und 994 AD-LIMTNA-BESUCHE Achtung alle Menschen guten Willens zu gemeinsamen Bemühungen um menschliche Entwicklung und Förderung auf allen Ebenen der Gesellschaft führen. Die Ärmsten der Armen unter Euch sind die über siebenhunderttausend Flüchtlinge aus Ruanda und Burundi. Ich bitte Euch, ihnen auch weiterhin mit jenem tiefen Geist der Selbstaufopferung, der auch angesichts eurer begrenzten Möglichkeiten nicht ins Wanken gerät, Anteilnahme und Großzügigkeit zu zeigen. So Gott will, werden Frieden und Sicherheit wieder in jene leidgeprüften Länder zurückkehren und so die Heimkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat ermöglichen. Ich bin mir des Ernstes ihrer Lage durchaus bewußt, und ich habe es nicht versäumt, in ihrem Namen an die internationale Gemeinschaft zu appellieren. Obwohl wir dankbar sind für die vielen Hilfeleistungen, müssen wir alle doch mit großem Bedauern erkennen, daß auch die größten Bemühungen der Organisationen und freiwilligen Helfer nicht ausreichen, um die dringenden Bedürfnisse so vieler Menschen zu befriedigen. Mit ganz besonderer Enttäuschung müssen wir feststellen, daß die Verantwortlichen für die anhaltenden Gewalttätigkeiten die nach Recht und Gerechtigkeit verlangenden Stimmen anscheinend ignorieren. Trotz der Schwierigkeiten bitte ich Euch, für die Bedürfnisse dieser Brüder und Schwestern empfänglich zu sein. Einen ganz besonderen Aufruf möchte ich an die Diözesen Rulengo und Kigoma richten, deren menschliche und materielle Ressourcen durch ihre Bemühungen zur Unterstützung der Flüchtlinge auf eine harte Probe gestellt werden. Ich danke Euch im Namen der Kirche für das, was Ihr bisher geleistet habt. 6. Liebe Brüder! Eure wirksame Führung muß die männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften Eurer Diözesen, insbesondere die neugegründeten, festigen, ihre stete Berufung zur Heiligkeit und erneuerte Hingabe an das Apostolat zu fördern. Nur wenn Ordensleute ihre persönliche Freundschaft mit Gott vertiefen und auf konkrete Weise ein brüderliches Leben in der Gemeinschaft bezeugen - in der die Mitglieder „einander dienen“ (vgl. Gal 5,13) -, werden sie fähig sein, mit der Ortskirche jenes Geschenk der Gnade zu teilen, das das Charisma eines jeden Instituts bildet. Das gottgeweihte Leben in Tansania wird weiterhin „ein deutliches und hervorragendes Zeugnis dafür geben, daß die Welt nicht ohne den Geist der Seligpreisungen verwandelt und Gott dargebracht werden kann“ (Lumen Gentium, Nr. 31), vorausgesetzt daß Ordensleute nicht einem säkularisierten Lebensstil verfallen, sondern in der christlichen Gemeinschaft ein Verlangen nach Umkehr und Vollkommenheit wachrufen, Liebe zum persönlichen und zum liturgischen Gebet, feste Entschlossenheit zur Solidarität, besonders den Armen gegenüber. Umfassende Programme zur ständigen Weiterbildung sind von wesentlicher Bedeutung, wenn Ordensleute wirksame Werkzeuge einer Evangelisation sein sollen, die „auf einem glühenden Verlangen nach Heiligkeit“ (Redemptoris missio, Nr. 90) begründet ist. Als Erstverantwortliche des kirchlichen Lebens und mit der gebührenden Achtung für die rechtmäßige interne Autonomie der Ordensgemeinschaft sollten die Bischöfe zur gewissenhaften Auswahl der Kandidaten beitragen und 995 AD-LIMINA-BESUCHE dafür sorgen, daß sie eine Grundausbildung erhalten, die sie auf ihr vollkommenes Übereignetsein an Gott und ihre besondere Mission in der Kirche vorbereitet. 7. Wie könnten wir es unterlassen, den hingebungsvollen Dienst der überwiegenden Mehrheit Eurer Priester zu erwähnen, die wirklich als authentische „Diener Christi ... und als Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (7 Kor 4,1) leben und arbeiten? Bei unseren Begegnungen habt Ihr von der großen Freude gesprochen, die Euch der Zuwachs neuer Priester bereitet. Diese Freude muß natürlich mit der notwendigen Einsicht Hand in Hand gehen, wie der Apostel Paulus schreibt: „Lege keinem vorschnell die Hände auf1 (7 Tim 5,22). Der Bischof ist persönlich dafür verantwortlich, daß die Seminaristen nach dem Bild Christi, des Bräutigams und Hauptes der Kirche, geformt werden. Somit ist es „höchst bedeutungsvoll für seine Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Ausbildung der Priesterkandidaten, daß der Bischof sie häufig besuchen und auf bestimmte Weise bei ihnen ,sein‘ sollte“ (Pastores dabo vobis, Nr. 65). Ebenso möchte ich Euch dringend bitten, das Ausbildungsteam der Seminare sorgfältig auszuwählen. Alle, die für die Erziehung der Priesterkandidaten verantwortlich sind, sollten sich durch große menschliche und geistliche Reife und Hingabe auszeichnen. Wie Ihr wißt, verlangt echte priesterliche Spiritualität die Entwicklung von Haltungen, Gewohnheiten und Handlungsweisen, die auch nach der Weihe beibehalten werden - und das muß das Ziel all Eurer Ausbildungsprogramme sein. Solche Programme, gestützt durch die Kraft und die Weisheit des gekreuzigten Christus (vgl. 7 Kor 1,23-24), müssen auf inständigem Beten, fester Disziplin, bereitwilligem Gehorsam, hochherzigem Dienst am Nächsten, missionarischem Geist und zölibatärer Keuschheit begründet sein. Im Hinblick auf diesen letzten Punkt hat die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode daran erinnert, daß die künftigen Priester „eine affektive Reife erwerben sollen, klare Vorstellungen haben und zutiefst davon überzeugt sein müssen, daß Zölibat und Keuschheit des Priesters untrennbar zusammengehören“ (Ecclesia in Africa, Nr. 95). Der Zölibat ist der Weg des bedingungslosen Vertrauens auf Gott, der den Priester befähigt, Christus und seiner Kirche mit ungeteiltem Herzen (vgl. 7 Kor 7,32-34) zu dienen; er ist ein Aufruf zu radikaler Jüngerschaft. 8. In jedem Abschnitt ihres Lebens zählen Eure Priester auf Eure klare pastorale Führung und brüderliche Sorge. Die Bischöfe sollten ihre Priester darin bestärken, Beispiele einfacher Lebensführung zu sein. Sie sollten jenen Priestern ganz besonders nahestehen, die vielleicht schwankend geworden sind in der Treue zu ihrer Berufung, und sie dürfen nie müde werden zu betonen, daß das priesterliche Dienstamt kein Beruf oder Mittel für den gesellschaftlichen Aufstieg ist. Es ist ein heiliges Amt, die innere Gestaltung eines Menschen, der dadurch ermächtigt wird, an Christi Statt zu handeln. Der Gehorsam gegenüber dem Evangelium verlangt von den Bischöfen sofortiges, aufrichtiges und entschlossenes Handeln in jeder Situation, die die Herde verwirren oder die Glaubwürdigkeit des kirchlichen 996 AD-LIMINA-BESUCHE Zeugnisses mindern könnte. Dem Beispiel Christi, des Guten Hirten (vgl. Lk 15,3-7), folgend, sollen sie jene herausfinden, die in Schwierigkeit sind, und sie gütig „als ihre geliebten Kinder ermahnen“ (vgl. 1 Kor 4,14). Vor allem sollen Bischöfe unaufhörlich für ihre Priester beten, damit die Gnadengabe Gottes, die ihnen durch die Auflegung der Hände zuteil geworden ist (vgl. 2 Tim 1,6), ständig neu entfacht werde. 9. Geliebte Brüder in Christus, auf der Schwelle des neuen Jahrtausends schaut die Kirche auf den Herrn, der die Geschichte und das Schicksal aller Völker und Nationen in Händen hält. In dieser Zeit sollt Ihr „euren Geist und Sinn erneuern! Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (vgl. Eph 4,24). Möge Maria, die Mutter des Erlösers, Euch begleiten, während Ihr das Gottesvolk Tansanias zu dieser Heilsbegegnung führt. Mit meinem Apostolischen Segen. Religiöse Bildung ist im asiatischen Umfeld unverzichtbar Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Thailand am 29. August Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine große Freude, Euch, die Mitglieder der Bischofskonferenz von Thailand, anläßlich Eures Ad-limina-Besuchs beim Apostolischen Stuhl, dem treuen Bewahrer der Lehren und des höchsten Zeugnisses der Apostelfürsten Petrus und Paulus, zu begrüßen. Ich bin überzeugt, daß unsere Treffen in diesen Tagen die Bande der Einheit, Nächstenliebe und des Friedens weiter pflegen werden, die uns in der Gemeinschaft des Leibes Christi - der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche - zusammenbringen. Besonders möchte ich Kardinal Michai Kitbunchu für die herzlichen Grußworte danken, die er im Namen der Priester, geweihten Männer und Frauen und Laiengläubigen der Kirche Thailands an mich gerichtet hat. Von meiner Pastoraireise in Euer Land vor zwölf Jahren habe ich immer noch lebhafte Erinnerungen an die höfliche Gastfreundschaft und unternehmerische Vitalität Eures Volkes, an seine tolerante Einstellung, seine grenzenlose Großzügigkeit gegenüber Flüchtlingen und Ausländem, seinen ethnischen und kulturellen Reichtum und seinen tiefempfundenen Sinn für Religion. Mit Freude erinnere ich mich an den warmherzigen Empfang seitens seiner Majestät König Bhumibol Adulzadej, und aus Anlaß des fünfzigsten Jahrestags seiner Thronbesteigung möchte ich ihm meine Anerkennung für seine Rolle bei der Gewährleistung der thailändischen Tradition der Religionsfreiheit und für seine Förderung der hohen Ideale der sozialen Gerechtigkeit und Solidarität aussprechen. 2. Liebe Brüder: Wenn ich über Euer Amt nachdenke, kann ich nicht anders, als mich an das zu erinnern, was die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils so ein- 997 AD-LIMINA-BESUCHE drucksvoll gelehrt haben, nämlich daß die Kirche „ihrem Wesen nach ,missionarisch“1 ist (Ad gentes, Nr. 2). Die von den ersten Missionaren im Geist der Aufopferung und Selbsthingabe erwirkte Evangelisierung, die dann vom Blut der sieben Märtyrer Thailands besiegelt worden ist, ist im Gedächtnis Eurer Ortskirchen noch frisch. Diese edlen Anfänge können Euch nur dazu anspomen, das Werk der Evangelisierung unter den christlichen Gläubigen zu erneuern und zu kräftigen. In der Tat wendet die Kirche ihren Blick, nun da wir an der Schwelle zum dritten Jahrtausend stehen, verstärkt auf den asiatischen Kontinent, „auf den sich das Hauptaugenmerk der Mission ad gentes richten sollte“ (Redemptoris missio, Nr. 37). Heutzutage müssen diese missionarischen Bemühungen vor allem von den Asiaten selbst in die Hand genommen werden. Nachdem sie den Glauben von hingebungsvollen Missionaren erhalten haben, sind die Katholiken Thailands aufgerufen, für das Evangelium Zeugnis abzulegen gegenüber weiteren Bereichen der Gesellschaft, speziell bei den Stammesvölkem und den Armen, Nomaden und Flüchtlingen, sowie bei den Arbeitern und Berufstätigen. Mit Euch bin auch ich sehr dankbar für die Priester der Thai Missionary Society - die selbst eine reifende Frucht der plantatio Ecclesiae ist -, die jetzt die Frohbotschaft sowohl innerhalb eures Landes als auch im Ausland verbreiten. Durch Euch sende ich auch einen dringenden Aufruf an die geweihten Männer und Frauen, die „sich auf Grund ihrer innigen Weihe zu Gott in eine besondere Mitwirkung in die Missionstätigkeit der Kirche miteinbezogen fühlen“ müssen (Vita consecrata, Nr. 77), daß sie ihre Anstrengungen vermehren, um das Wachstum des Reiches Gottes in Thailand und darüber hinaus zu unterstützen. Allen jungen Männern und Frauen muß in den Bildungshäusem die Bereitschaft zu diesem wichtigen Einsatz für das Evangelium vermittelt und in ihnen ein großherziges und mutiges Engagement für die Aufgabe der Verkündung der Frohbotschaft geweckt werden. 3. Als Diener des Geistes der Wahrheit, der an alles erinnert, was Christus seine Kirche gelehrt hat (vgl. Joh 14,26; 16,13), müssen die Bischöfe dafür sorgen, daß ihre Leute eine gründliche und systematische Ausbildung über die Person Jesu und seine Botschaft erhalten, das heißt ein Wissen, das es ihnen ermöglicht, den anderen den unergründlichen Reichtum der Rettung (vgl. Eph 3,8) mit Freude und Überzeugung mitzuteilen und auch mit der Bereitschaft, über die Hoffnung, die sie erfüllt, Rede und Antwort zu stehen (vgl. 1 Petr 3,15). Ein großer Segen, der der Universalkirche in den letzten Jahren zuteil geworden ist, war die Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche, und gerne ermutige ich Eure Bischofskonferenz in ihrem Bestreben, eine Übersetzung auszuarbeiten, damit die darin enthaltenen Lehren den Glauben eures Volkes beleben können. Durch Euch sende ich einen besonderen Gruß an alle Katecheten - Eltern, Laien und Ordensleute -, die sich so großherzig aufopfem, um Jesus Christus, den einzigen „Mittler zwischen Gott und den Menschen“ (7 Tim 2,5) und Hoffnung der Menschheit, den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen näherzubringen, „wobei 998 AD-LIM1NA-BES UCHE man im allgemeinen organisch und systematisch vorgeht, um die Schüler in die Fülle des christlichen Lebens einzuführen“ (Catechesi tradendae, Nr. 18). Ihr Apostolat ist für das Wachstum der Diözesen, Gemeinden und christlichen Familien unentbehrlich. Die Zentren für katechetische Ausbildung, die Programme zur Erneuerung der Lehre und der Spiritualität und die beständige persönliche Ermutigung sind unschätzbare Mittel zur Erziehung all jener, die für die Weitergabe des Glaubens verantwortlich sind. Ich bete dafür, daß die Katecheten in Euren örtlichen Gemeinschaften - Christus als ihrem Meister gehorsam (vgl. Mt 23,8) - mit Eurer Hilfe und durch ihre eigenen Worte und Taten zu treuen Vermittlern des lebendigen Evangeliums werden, nämlich der Person Christi selbst, der „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 14,6). 4. Eure Ortskirchen sind mit vielen Laien, Männern und Frauen, gesegnet, die sich einem christlichen Leben und der Feier der Liturgie in Würde und andächtiger Erhabenheit tief verpflichtet fühlen. Gleichzeitig brauchen die Laien aber auch Eure Hilfe, um ihre besondere Sendung in jetztzeitlichen Bereichen erfüllen zu können, ein Auftrag, in den viele miteinbezogen sind, z. B. bei der Hilfe für Migranten und Flüchtlinge, Obdachlose, AIDS-Kranke oder auch für die Frauen und Kinder, die in ihrer Menschenwürde von einer wahren Industrie sexueller Ausbeutung tief verletzt worden sind. Ebenso stellen die rastlose Suche der Jugendlichen nach dem Sinn des. Lebens, ihre Sehnsucht nach einer engen Verbindung zu Gott und zur kirchlichen Gemeinschaft sowie ihr Enthusiasmus bei Freiwilligendiensten zugunsten der Bedürftigen eine Herausforderung für all jene dar, die in der Seelsorge tätig sind. Die Jugendlichen Thailands „sind in der Tat, und müssen darin ermutigt werden, aktive Subjekte, Protagonisten der Evangelisierung und Erbauer der sozialen Erneuerung“ (Christifideles laici, Nr. 46). Es ist allerdings in der Familie, die die Grundlage der Gesellschaft und die allererste Zelle des kirchlichen Lebens ist, daß die Laien ihrer wesentlichen Berufung gerecht werden. Aus diesem Grund verdient die Familie Eure aufmerksame pasto-rale Fürsorge, vor allem wenn sie von einem wachsenden Materialismus und Konsumdenken bedroht ist, die den traditionellen Werten der thailändischen Kultur fremd sind und oft von ausländischen Institutionen gefördert werden. Das Ergebnis davon ist der Fortschritt einer „kontrazeptiven Mentalität“, die nicht nur zu der vollen Wahrheit der ehelichen Liebe im Widerspruch steht, sondern auch zu einer bereitwilligeren Hinnahme des schrecklichen Verbrechens der Abtreibung führt (vgl. Evangelium vitae, Nr. 13). Um diese große Gefahr abzuwenden, sollte jede Diözese ein Programm für das Familienapostolat entwickeln, das Eltern und Kindern dabei helfen wird, ihre Berufung im Sinne Christi zu leben. Ein besonderes Problem, mit dem Ihr bei der Familienseelsorge konfrontiert werdet, ist das der religionsverschiedenen Ehen. Paare in solchen Situationen brauchen oft eine gezielte Unterstützung. Die Vorbereitung auf die Ehe, die vor allem eine Aufgabe der Familie ist (vgl. Brief an die Familien, Nr. 16), die aber auch der Hilfe der Priester und anderer Geistlicher bedarf, sollte gewährleisten, daß dem 999 AD-L1MINA-BES U CHE Glauben des katholischen Partners und seiner freien Ausübung die richtigen pasto-ralen Absicherungen eingeräumt werden, vor allem hinsichtlich der Pflicht, alles zu tun, um die kathohsche Taufe und Erziehung der Kinder aus dieser Ehe sicherzustellen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 78). Aufrichtiger interrehgiöser Dialog und Verständnis innerhalb der Familien werden nicht durch religiöse Gleichgültigkeit gefördert, sondern durch Liebe zur Wahrheit und durch echte, gegenseitige Achtung. 5. Die Kirche in Thailand ist zu Recht stolz auf den Beitrag, den ihre katholischen Schulen zum Fortschritt des Lebens der Kirche und der Nation geleistet haben. Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt die hauptsächlichen Zielsetzungen der Schulen, die der Aufsicht der Kirche anvertraut sind: daß die katholischen Kinder „stufenweise in die Erkenntnis des Heilsmysteriums eingeführt werden,... (um) ihr eigenes Leben ... in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit zu gestalten ... und so zum Aufbau des mystischen Leibes ihren Beitrag leisten“ (vgl. Gravissimum edu-cationis, Nr. 2). Ich bin sicher, daß Ihr jederzeit denen nahe sein werdet, die sich diesem Apostolat widmen, daß Ihr alles tun werdet, um die katholische Ausrichtung der kirchlichen Schulen beizubehalten und zu stärken, und daß Ihr nach Wegen suchen werdet, um ihre Türen auch für die benachteiligteren Mitglieder dieser katholischen Gemeinschaft und der ganzen Gesellschaft weiter zu öffnen. Dies ist ein guter Weg, um die Entscheidung der Kirche zugunsten der Armen in die Tat umzusetzen. Die Sendung der Kirche in Thailand wird außerdem unterstützt durch die wachsende Miteinbeziehung Eurer Bischofskonferenz im Bereich der sozialen Kommunikationsmittel. Mit großer Freude habe ich erfahren, daß Ihr die Verantwortung für die Sendung von Fernsehprogrammen übernommen habt, die ja auch ein Mittel zur Evangelisierung sind. Das bietet Euch neue und anspruchsvolle Möglichkeiten, und es muß alles getan werden, um die Gläubigen zu einem angemessenen Gebrauch der Medien - als ein Werkzeug der „Zivilisation der Liebe“ - zu erziehen. 6. Wie aus Euren Fünfjahresberichten hervorgeht, sind Eure Ortskirchen mit vielen Kandidaten zum Priesteramt und geweihten Leben gesegnet. Insbesondere möchte ich mich Euch anschließen, wenn Ihr Gott - anläßlich des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des nationalen Priesterseminars Lux mundi - für all das dankt, was dort geleistet worden ist zur Vorbereitung der Priester, die in Gottes Augen immer „heilig und untadelig“ sein werden (vgl. Eph 1,4). Es ist für die Familien und Pfarreien wichtig, daß sie inbrünstig für eine Zunahme der Berufungen beten, und Ihr selbst habt die Aufgabe, Euch am gesamten Ausbildungsprozeß Eurer Seminaristen zu beteiligen, indem Ihr dieses Amt vorbildlichen Priestern anvertraut, auch wenn dies Opfer in anderen Bereichen mit sich bringen sollte. Auch in den Jahren nach der Priesterweihe, vor allen den allerersten Jahren, müßt Ihr Euch bemühen, Euren Priestern zu helfen, damit sie die im Seminar übemom- 1000 AD-LIMINA-BESUCHE menen Lebensgewohnheiten der Disziplin, des Gebets und des apostolischen Eifers beibehalten. Das mit meiner Zustimmung von der Kongregation für den Klerus herausgegebene Direktorium für Dienst und Leben der Priester sollte Euch, sowohl einzeln als auch durch die Bischofskonferenz, ein Leitfaden sein bei Euren Anstrengungen zur Erneuerung des Geistes und Herzens der Priester, die sich der Sendung der Kirche verpflichtet haben. Die Priester sollen sich nie als einfache Verwalter der kirchlichen Einrichtungen fühlen, sondern als „lebendige Werkzeuge Christi, des Ewigen Priesters“ (Presbyterorum Ordinis, Nr. 12), durch das Verkündigen des Wortes, die Feier der Sakramente und die Verbreitung des Reiches Gottes. Darüber hinaus zeigt die persönliche Beziehung zwischen einem Bischof und seinen Priestern, den „Mitarbeitern“ des Bischofs (I Kor 3,9) beim Dienst am Volk Gottes und der Verkündigung des Evangeliums ad gentes, daß es sich beim Priesteramt wahrhaft um ein „Gemeinschaftswerk“ handelt (Pastores dabo vobis, Nr. 17). Dieser Sinn für brüderliche Zusammenarbeit wird von einer wirksamen Umsetzung der verschiedenen, vom II. Vatikanum und vom Codex Iuris Canonici vorgesehenen kirchlichen Strukturen noch gesteigert. Auf diese Weise wird sich die Diözese als eine wirkliche Familie darstellen, als eine Gemeinschaft von Personen, in der ein jeder - Priester, Ordensmann/Ordensfrau oder Laie - seine oder ihre Charismen in den Dienst des ganzen Leibes Christi stellt (vgl. Röm 12,4-8; 1 Kor 12,4-11). 7. Während Ihr einerseits die berechtigte Autonomie der Einrichtungen geweihten Lebens in Euren Diözesen schützen sollt, könnt Ihr aber auch diesen Einrichtungen bei der Erfüllung ihres besonderen Auftrags helfen, indem Ihr sie bei der seelsorgerischen Planung angemessen berücksichtigt (vgl. Vita consecrata, Nm. 48-49). Ermahnt auch weiterhin die Ordensoberen zu einer sorgfältigen Auswahl der Kandidaten, die um Aufnahme bitten, und unterstützt sie, vor allem in den Instituten des diözesanen Rechts, durch eine fundierte geistliche, sittliche und intellektuelle Ausbildung sowohl vor als auch nach der Profeß der evangelischen Räte. Ich ergreife diese Gelegenheit, um alle geweihten Männer und Frauen dazu aufzurufen, im Gebet und ausgiebig über das Nachsynodale Apostolische Schreiben Vita consecrata zu meditieren und es als ein Geschenk der Vorsehung an die heutige Kirche anzunehmen. Sie sollten freudig in die Zukunft blicken, in die der Geist sie führt, mit entschiedener Treue zum Charisma ihrer Berufung und mit vollkommener Hingabe an den Einen, dem sie Glauben geschenkt haben (vgl. 2 Tim 1,12). Inmitten des Gottesvolkes sollen sie immer für die „Vorrangstellung Gottes und der künftigen Güter“ (Vita consecrata, Nr. 85) und für die Wahrheit, daß in Christus lesus „das Reich Gottes ... nahe“ ist (Lk 10,9), Zeugnis ablegen! Ich möchte meine besondere Anerkennung den Ordensfrauen in Thailand aussprechen, die sich ganz dem kontemplativen Leben gewidmet haben, und hoffe, daß bald auch eine kontemplative Gemeinschaft für Männer gegründet werden kann. Durch ihr Zeugnis für die Traditionen der christlichen Askese und Mystik leisten die Mitglieder kontemplativer Orden - in der Stille, aber doch auf wirksame Art 1001 AD-LIMINA -BES U CHE und Weise - einen sehr wertvollen Beitrag zum interreligiösen Dialog (vgl. Vita consecrata, Nr. 8). Wenn sie ihre Erfahrungen des innigen Gebets, der Meditation und Kontemplation mit anderen teilen, tragen sie zur Kräftigung der Bande zwischen Christen und Buddhisten bei und ebnen den Weg für eine bessere Zusammenarbeit zur Förderung einer ganzheitlichen Entwicklung des Menschen. In diesem Zusammenhang stellt die Soziallehre der Kirche ebenfalls eine Christen und Buddhisten verbindende Brücke dar. Ihr sollt mit Euren Mitbürgern anderer religiöser Traditionen in gegenseitiger Achtung und Verständigung Zusammenarbeiten, um das menschliche Leben und seine Würde zu verteidigen, um die Familien zu unterstützen und Gerechtigkeit und Frieden in der Gesellschaft zu fördern durch eine enge Kooperation in allen Bereichen im Hinblick auf den Aufbau einer Gesellschaft, die immer menschenwürdiger wird. 8. Liebe Brüder! Während meines Pastoralbesuchs in Eurem Land habe ich mit Euch die Hoffnung geteilt, daß das Mysterium Christi durch Euch „in den tiefen Werten, die eure Thai-Kultur kennzeichnen“, mitgeteilt werde (Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Laien am 11. Mai 1984, Nr. 7; in Der Apostolische Stuhl [1984], S. 387). Das kirchliche Verständnis von Katholizität bedeutet, daß das Evangelium in der Kultur eines jeden Volkes Gestalt annehmen muß, und die Botschaft des Evangeliums sollte immer in einer Weise verkündet werden, die sie dem Denken eine jeden Volkes zugänglich macht. Die notwendige und schwierige Aufgabe der Inkulmration beinhaltet weder Synkretismus noch eine Anpassung der Wahrheit. Sie deutet vielmehr darauf hin, daß das Evangelium die innere Kraft hat, in das Herz einer Kultur einzudringen und dort verwirklicht zu werden: Die Frohe Botschaft sammelt die vielen positiven Werte verschiedener Kulturen und nimmt sie in das Geheimnis des Heils auf; sie reinigt, erhebt und verwandelt sie im Licht der göttlichen Weisheit (vgl. Lumen Gentium, Nr. 17). Ich bete, daß der Allmächtige Gott Euch die Gabe der Erkenntnis gebe, die es Euch ermöglicht, diesen Vorgang der Inkulmration weise zu unterstützen und umsichtig abzuwägen, denn es handelt sich um einen Prozeß, der zunehmend gefördert werden muß, wenn die Kirche in Thailand immer stärkere Wurzeln schlagen soll. 9. Das Herannahen des dritten Jahrtausends führt die ganze Kirche zu einer inbrünstigeren Hinwendung zu ihrem Herrn und zu einer vollständigeren Beteiligung an der Erfüllung seiner Heilssendung. Als Hirten haben wir eine einzigartige Verantwortung bei diesem heiligen Auftrag. Während des letzten Abendmahls lud Jesus die Apostel ein, seine Freunde zu sein (vgl. Joh 15,13-14) und besiegelte diese Vertrautheit mit dem Geschenk der Eucharistie. Er hört nicht auf, uns, die Nachfolger der Apostel, zur Gemeinschaft mit ihm aufzufordem, damit wir unsererseits viele - sowohl die, die schon zur Herde gehören, als auch die anderen, die noch entfernt sind - zu Ihm geleiten, der „unser Friede“ ist {Eph 2,14). Ich bete dafür, daß das Große Jubeljahr in Thailand wahrhaft „ein Gnadenjahr des Herrn“ werde {Jes 61,2; vgl. Lk 4,19), auf das sich jede Ortskirche in einem Geist der 1002 AD-LIMINA-BESUCHE Umkehr und mit einem erneuerten Einsatz für die Evangelisierung vorbereiten wird. Möge Maria für das Volk, dem ihr so eifrig und hingebungsvoll dient, Fürsprache einlegen und Euch alle zu ihrem Sohn leiten, denn er ist „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9). Mit herzlicher Zuneigung für das Volk Gottes in Thailand, das in meinem Herzen ist und für das ich täglich bete, spende ich Euch gerne meinen Apostolischen Segen. Zeugnis der Kirche Vietnams ist Vorbild für die Weltkirche Ansprach während des Ad-limina-Besuchs der Bischöfe von Vietnam am 14. Dezember Verehrter Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich Euch zu Eurem Ad-limina-Besuch, Euch, die ihr mit der Seelsorge des Volkes Gottes in Vietnam betraut seid. Ihr seid zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus gekommen, um das Bewußtsein Eurer Verantwortung als Nachfolger der Apostel zu stärken und um Eure Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom noch intensiver zu spüren. In der Tat haben die Ad-limina-Besuche eine besondere Bedeutung im Leben der Kirche, „da sie in gewisser Weise den Gipfel der Beziehungen zwischen den Hirten einer jeden Ortskirche und dem römischen Pontifex darstellen“ (vgl. Pastor bonus, Nr. 29). Diese Besuche heben die Katholizität der Kirche und die Einheit des Bischofskollegiums ganz deutlich hervor. Von Herzen danke ich Kardinal Paul Joseph Pham Dinh Tung, dem Erzbischof von Hanoi und Präsidenten Eurer Bischofskonferenz, für die bewegenden Worte, die er in Eurem Namen an mich gerichtet hat; dadurch hat er die Treue Eurer Gemeinden zum Nachfolger Petri zum Ausdruck gebracht. Mit besonderer Herzlichkeit grüße ich die Bischöfe Eures Landes, die Euch nicht haben begleiten können. Wie gerne hätte ich alle Bischöfe getroffen, um ihnen allen die Zuneigung auszudrücken, die ich für sie und ihre Diözesange-meinschaften hege, und um sie des Interesses zu versichern, mit dem ich ihre Arbeit in jeder ihrer Diözesen verfolge. Der Ad-limina-Besuch einer vollzähligen Bischofskonferenz ist nicht nur sichtbarer Ausdruck der geistigen Bande zwischen den Ortskirchen und der Universalkirche, sondern auch ein Zeichen dafür, daß die Religionsfreiheit in dem Land geachtet wird. Diesen Bischöfen spreche ich meine Solidarität aus und meine tiefempfundene Anteilnahme an ihrem apostolischen Amt im Dienst des Volkes, das ihnen anvertraut worden ist. Durch Euch bin ich auch den vietnamesischen Christen nahe, die mit großem Mut in Eurem Land und anderswo für Christus Zeugnis ablegen, sowie dem ganzen Volk Vietnams, für das ich große Sympathie empfinde. 1003 AD-LIMINA -BES UCHE 2. Seit der Ankunft des Evangeliums im sechzehnten Jahrhundert hat die Kirche in Eurem Land viele Prüfungen durchmachen müssen. Mehrmals war sie wegen ihres Glaubens an Christus, den Erlöser, sogar Verfolgungen unterworfen. Gezeichnet von der Heiligkeit und dem Martyrium vieler ihrer Kinder, ist sie zu einer Ortskirche geworden, die wegen des Eifers der Gläubigen im Dienst für Gott und ihre Brüder gerühmt wird. Ich möchte an dieser Stelle an die heldenhaften Gestalten der 117 Märtyrer erinnern, die ich im Jahr 1988 heiligsprechen durfte. Dieses Zeugnis, das die Söhne und Töchter Eures Landes für Christus durch ihre Liebe zu Gott und zu ihren Brüdern gegeben haben, hat zwischen der christlichen Gemeinschaft und der Gesamtheit der Vietnamesen eine Beziehung besonderer Art entstehen lassen. Indem sie die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Bevölkerung vollkommen teilt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1), hat diese Gemeinschaft bewiesen, daß sie in der vietnamesischen Bevölkerung tief verwurzelt ist. Wenn es auch im Laufe der Jahrhunderte hin und wieder zu Mißverständnissen zwischen der Kirche und der bürgerlichen Gesellschaft gekommen ist, so muß man doch bestätigen, daß die Katholiken loyale Mitglieder ihrer Nation sind: Heute wie auch in der Vergangenheit tragen sie zum sozialen Fortschritt des Landes bei und legen einen Einsatz für das Gemeinwohl an den Tag, der nicht hinter dem ihrer Landsleute zurücksteht. Auch wenn sie nur eine kleine Herde ist, möchte die Kirche mit der ihr eigenen Berufung voll an der Realität des Landes beteiligt sein. Sie ist zusammen mit allen Gliedern der Nation auf dem Weg, denn sie teilt dieselbe Geschichte - mit all ihren Fortschritten und Rückschlägen. Sie handelt nicht aus einem Geist der Rivalität heraus oder um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, sondern sie wünscht, in Gemeinschaft und Eintracht mit allen zu leben. Die Kirche hat den Auftrag, eine Botschaft des Lebens und der Liebe zu vermitteln, und zwar durch konkrete Aktionen zugunsten der Menschenwürde und für ein besseres Leben in einem Geist des Mitgefühls für die Ärmsten und Bedürftigsten. Bescheiden - und in Zusammenarbeit mit den anderen Kräften der Nation -beteiligen sich die Katholiken an der Erneuerung und Verwandlung der Lebensumstände in ihrem Land. Indem sie ihre Berufung zur Einheit und zum Dienst am ganzen Volk in die Tat umsetzt, erkennt und teilt die Kirche den großen Reichtum der vietnamesischen Kultur, ihre menschlichen und geistigen Werte; und sie möchte ihre Beziehungen der Brüderlichkeit, des Dialogs und der Zusammenarbeit mit allen Menschen ausbauen und vertiefen. 3. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich danke Gott für Euren Eifer und Eure Hingabe - trotz aller Schwierigkeiten - bei all Euren Aufgaben: Lehre, Leitung und Heiligung jener, die Euch im Namen Christi anvertraut worden sind. Vor allem fordere ich Euch auf, Euer Amt der Verkündigung des Evangeliums mit großer Energie fortzuführen, denn dies ist die wichtigste Aufgabe eines Bischofs. „Die Bischöfe sind Glaubensboten, die Christus neue Jünger zuführen; sie sind authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen 1004 AD-LIMINA-BESUCHE anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben und erklären sie im Licht des Heiligen Geistes, indem sie aus dem Schatz der Offenbarung Neues und Altes Vorbringen (vgl. Mt 13,52). So lassen sie den Glauben fruchtbar werden und halten die ihrer Herde drohenden Irrtümer wachsam fern (vgl. 2 Tim 4,1-4)“ (Lumen Gentium, Nr. 25). Der wichtigste Gegenstand der Verkündigung ist Christus, in dem sich die volle und wahrhafte Erlösung vom Bösen, von der Sünde und dem Tod vollzieht und in dem Gott selbst uns sein eigenes Leben mitteilt. Alle Menschen haben das Recht, diese Frohe Botschaft kennenzulemen, und die Bischöfe sind deren erste Missionare. Die prophetische Sendung der Kirche wird auch dann erfüllt, wenn die Kirche die großen Fragen, die sich ihrer Epoche stellen, im Lichte des Evangeliums interpretiert, oder - und vor allem - wenn sie für die Armen, die Kranken, die Ausgegrenzten oder die Jugendlichen Partei ergreift. Sie ist speziell dazu berufen, für die Förderung einer Zivilisation der Liebe, der Brüderlichkeit, der Solidarität, der Einheit, der Gerechtigkeit und des Friedens zu wirken. Der apostolische Auftrag, den Ihr erhalten habt, macht Euch zu „Zeugen Christi vor allen Menschen“. Die Bischöfe „sollen sich nicht bloß um die kümmern, die schon dem obersten Hirten nachfolgen, sondern sich mit ganzem Herzen auch jenen widmen, die [...] die Frohbotschaft Christi und sein heilbringendes Erbarmen nicht kennen“ (Christus Dominus, Nr. 11). Die Mission der Kirche ist universal, sie wendet sich an alle Menschen. 4. Nun da wir uns auf den Beginn des dritten Jahrtausends vorbereiten, bietet die Aussicht auf das Große Jubeljahr der Kirche eine willkommene Gelegenheit, um „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten“ (Gaudium et spes, Nr. 4). Wir sind eingeladen, unseren Blick in die Zukunft zu richten, und wissen, daß diese Zukunft Christus gehört, der sich uns schon jetzt offenbart. Auf einen neuen Frühling christlichen Lebens hin ist die Kirche in Vietnam zu einer pastoralen, missionarischen und geistigen Erneuerung aufgerufen, um in das dritte Jahrtausend mit der Kühnheit der Jünger Christi einzutreten. Das apostolische Leben bedarf beständiger Neugestaltung, damit es den Gegebenheiten der verschiedenen Epochen und den Bedürfnissen der Völker entspricht. Eines ist sicher: Die Kirche „kann nicht die Schwelle des neuen Jahrtausends überschreiten, ohne ihre Kinder dazu anzuhalten, sich durch Reue von Irrungen, Treulosigkeiten, Inkonsequenzen und Verspätungen zu reinigen. Das Eingestehen des Versagens von gestern ist ein Akt der Aufrichtigkeit und des Mutes, der uns dadurch unseren Glauben zu stärken hilft, daß er uns aufmerksam und bereit macht, uns mit den Versuchungen und Schwierigkeiten von heute auseinanderzusetzen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 33). Jeder Gläubige ist zur Bekehrung seines Herzens und zur Aufnahme Christi in seinem eigenen Dasein aufgerufen. „Das Gebot der Stunde geht heute mehr denn je dahin, daß alle Christen den Weg der Erneuerung im Geist des Evangeliums begehen, um sich hochherzig der Auf- 1005 AD-LIM1NA-BESUCHE forderung des Apostels zu stellen, daß ihr ,ganzes Leben heilig1 werde (i Petr 1,15)“ (Christfideles laici, Nr. 16). Aber die Kirche sollte sich auch veranlaßt fühlen, Gott zu danken für das großartige Werk, das trotz der Kargheit der zur Verfügung stehenden Mittel unter dem Einfluß des Heiligen Geistes vollbracht worden ist. Sie will allen Menschen jene Botschaft des Lebens und der Liebe näherbringen, die ihr von ihrem Herrn Jesus Christus hinterlassen worden ist. „Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, geh umher!“ (Apg 3,6), wie schon der Apostel Petrus am Eingang des Tempels sagte. Die Kirche findet im Zweiten Vatikanischen Konzil eine kostbare Quelle für die Erneuerung ihres ganzen Lebens. „Die beste Vorbereitung auf die Jahreswende zweitausend wird nämlich nur in dem erneuerten Einsatz für eine möglichst getreue Anwendung der Lehre des H. Vatikanums auf das Leben jedes einzelnen und der ganzen Kirche Ausdruck finden können“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 20). Ich fordere Euch also auf, die Inspiration f|r Eure Pastoral daraus herzuleiten. 5. Sie, Herr Kardinal, haben den lebendigen Glauben der Laien Ihrer Diözesen mit lobenden Worten unterstrichen. Es freut mich, hier den Mut und die Begeisterung Ihrer Gläubigen ehren zu können, die viele Prüfungen durchgemacht haben, ohne von Christus abzulassen. Möge jeder einzelne von ihnen sich immer bewußt sein, „daß er ,Glied der Kirche1 ist, dem eine originelle, unersetzliche und nicht übertragbare Aufgabe anvertraut wurde, die er zum Wohl aller erfüllen muß. In dieser Perspektive gewinnt die Aussage des Konzils über die absolute Notwendigkeit des individuellen Apostolates ihre volle Bedeutung“ (Christifideles laici, Nr. 28). Ich verstehe Eure Schwierigkeiten, verursacht durch die Einschränkungen, die denen auferlegt werden, die von Christus den Auftrag erhalten haben, das Apostolat der Gläubigen zu organisieren, und denen, die im Apostolat tätig sein wollen. Sie dürfen trotzdem den Mut nicht verlieren: Im Gegenteil, man muß die Verantwortlichkeit der Laien fördern, die sich - wie es das Konzil ausgedrückt hat - sowohl in der Kirche als auch in der Welt betätigt (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 9). Es ist ihre spezifische Aufgabe, aktiv am Leben der Kirche und an deren Sendung zur Verkündigung des Evangeliums inmitten ihrer Brüder teilzunehmen. Sie sind aufgefordert, ihre Berufung und ihre persönliche und gemeinschaftliche Mission zu entdecken und sie in vertiefter Weise zu leben. Dort, wo die brüderliche Gemeinschaft zwischen den Jüngern Christi geschwächt ist, ist auch die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses und ihres Auftrags geschwächt. Ich lade die Laien ein, die von ihnen erhaltenen Gaben immer großzügiger zu teilen, indem sie sich für das Gemeindeleben, die Katechese und die Erziehung der Jugendlichen einsetzen und sich an geistlichen Bewegungen und karitativen Werken beteiligen. Jeder Getaufte muß seinen Teil an Verantwortung und Dienst innerhalb der Kirche auf sich nehmen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, daß der menschlichen und geistlichen Formung der Laien und ihrer Ausbildung in der Glaubenslehre ein angemessener Platz in der Seelsorge eingeräumt wird. So wer- 1006 AD-UMINA-BESUCHE den immer brüderlichere und einträchtigere kirchliche Gemeinschaften entstehen können, gegründet auf einer tiefen Verbindung mit Christus, dem einzigen Heiland der Welt. Sie werden der Einheit unter allen Menschen auf wirksame Weise dienlich sein. 6. Nun möchte ich sehr herzlich die Priester grüßen, die Eure unmittelbaren Mitarbeiter im Dienste am Volk Gottes sind. Ich weiß, mit welchem Eifer und welcher Hingabe - und um den Preis welcher Mühen - sie ihr Amt erfüllen. Möge Gott sie stärken in ihrer Berufung als Erbauer christlicher Gemeinschaften im Einklang mit ihren Bischöfen und ihnen in schwierigen Lebenslagen neuen Mut geben. Vor allem ermuntere ich sie, Jesus Christus immer in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen, sich in allen Situationen an ihm zu orientieren und das Zeugnis eines in ihm erneuerten Lebens zu geben! „Der Kontakt mit Vertretern der wichtigsten nichtchristlichen Traditionen, insbesondere mit jenen Asiens, hat mich darin bestärkt, daß die Zukunft der Mission großenteils von der Kontemplation abhängt. Wenn der Missionar nicht kontemplativ ist, kann er Christus nicht glaubwürdig verkünden. Er ist ein Zeuge der Gotteserfahrung und muß wie die Apostel sagen können: ,Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch: das Wort des Lebens“ (1 Joh 1,1-3)“ (Redemptoris missio, Nr. 91). Meine Gedanken und mein Gebet gehen auch zu denjenigen, die sich auf das Priesteramt vorbereiten und die mit Sehnsucht den Tag erwarten, an dem sie die Priesterweihe empfangen werden, die sie am Priesteramt Christi, des Priesters, teilhaben läßt um seine Kirche aufzubauen. Ich hoffe, daß bald die notwendigen Bedingungen geschaffen werden, die es Euch ermöglichen, die erforderlichen Seminare einzurichten, um dort all die Jugendlichen aufzunehmen, die so großherzig ihr Leben dem Dienst an der Kirche und an ihren Brüdern weihen wollen. Was die Institute geweihten Lebens betrifft, so kenne ich die von ihren Mitgliedern diskret und doch wirksam entfaltete Tätigkeit in verschiedenen Bereichen der Fürsorge, so zum Beispiel in den Krankenhäusern, Leprastationen, Waisenhäusern, Kindergärten und Behindertenheimen: Sie teilen das Los ihres Volkes und geben so ein wunderbares Zeugnis für Christus und das Evangelium. Deshalb wäre es konstruktiv und von der Bevölkerung gern gesehen, wenn Noviziate eröffnet werden könnten, um die heranzubilden, die in Demut dem Gemeinwohl dienen. Ich fordere alle Mitglieder dieser Institute auf, ihre Berufung in ihrer dreifachen Dimension der Weihe, der Gemeinschaft und der Mission zu vertiefen, und ich wünsche ihnen erneute Energie, um den Herausforderungen, die sich der heutigen Gesellschaft stellen, in geistiger und apostolischer Hinsicht entgegentreten zu können (vgl. Vita consecrata, Nr. 13). 7. Anläßlich des Großen Jubeljahrs habe ich eine Sondersynode der Bischofskonferenz für Asien einberufen wollen, um „die Wahrheit über Christus als einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen und einzigen Erlöser der Welt [zu] erläutern und [zu] vertiefen“ (Tertio millennio adveniente, Nr. 38). Diese Synode 1007 AD-LIMINA-BESUCHE sollte die Umstände, in denen sich die Völker und Kulturen Eures Kontinents gegenwärtig befinden, beurteilen und die Kirche darauf vorbereiten, ihre Sendung der Liebe und des Dienstes immer besser zu erfüllen. Die Vorbereitung und die Kontinentalsynode als solche ist eine Gelegenheit, im Heiligen Geist und in der Nachfolge Christi zusammen mit der Universalkirche auf das dritte Jahrtausend zuzugehen. Es ist gut, daß die Kirche von Vietnam ihre langjährige und reiche Erfahrung im Zeugnis für das Evangelium, manchmal bis zum Heroismus von ihren Hirten und ihren Gläubigen gelebt, zugunsten der ganzen Kirche beisteuern kann. Die pastoralen Richtlinien, die aus dieser Versammlung hervorgehen werden, stellen wichtige Bezugspunkte dar, um den Glauben zu stärken und den verschiedenen Gemeinschaften neuen apostolischen Schwung zu geben. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt! Zum Abschluß dieses brüderlichen Treffens möchte ich Euch und alle Eure Mitbrüder ermutigen, Euer apostolisches Amt in der Hoffnung weiterzuführen, die das bevorstehende Weihnachtsfest in uns keimen läßt. Gott hat sich als „Immanuel“ offenbaren wollen, als derjenige, der bei uns bleibt, gestern, heute und morgen. Möge er Eure Kraft und Eurer Licht sein! Möge er Euch helfen, die Einheit in den Eurer Fürsorge anvertrauten Ortskirchen zu erhalten! Möge er die Gemeinsamkeit der Bischöfe mit dem Papst und untereinander stärken sowie die Einheit der Priester mit dem Papst und mit ihren Hirten in der großen Gemeinschaft der Universalkirche! Ich vertraue Euch dem mütterlichen Schutz der Mutter Jesu an, Unserer Lieben Frau von LAVANG, deren Erscheinungen vor 200 Jahren Ihr am 15. August 1998 feiern werdet. Möge sie für Euch und Eure Gläubigen ein Leitstern auf dem Weg sein, der zu Jesus, dem Herrn, ihrem Sohn führt! Jedem von Euch, den Bischöfen, die sich Euch nicht anschließen konnten, den Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und allen gläubigen Laien Vietnams, die im Land selbst oder anderswo leben, erteile ich mit großer Zuneigung den Apostolischen Segen. Friedenserziehung beginnt in der Familie - Gewalt ist kein Mittel der Konfliktlösung Ansprache während des Ad-limina-Besuchs einer Gruppe von Bischöfen aus Zaire am 22. November Lieber Herr Kardinal, hebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine große Freude, Euch Hirten dreier Kirchenprovinzen von Zaire in diesem Hause zu empfangen. Der Ad-limina-Besuch, in dessen Verlauf Ihr den Bischof von Rom und seine Mitarbeiter trefft, ist ein ,konkreter Ausdruck der Katholizität der Kirche, der Einheit und der Gemeinschaft des Bischofskollegiums, gegründet auf dem Nachfolger Petri und gekennzeichnet durch den Ort des 1008 AD-UMINA-BESUCHE Martyriums der Apostelfürsten“ (.Pastor bonus, Anhang 1,7). Diese Begegnung bietet mir die willkommene Gelegenheit, das Volk, das Euch in jeder Eurer Diözesen anvertraut ist, herzlich zu grüßen. Aufrichtig möchte ich Frederic Kardinal Et-sou, Erzbischof von Kinshasa, für die Gefühle der Verbundenheit danken, die er in Eurem Namen hat ausdrücken wollen. Er hat auch Eure Sorgen und Hoffnungen in einer für die Bevölkerung und die Kirche in Eurer Region so leidvollen und manchmal tragischen Zeit angesprochen. Mit Erschütterung möchte ich hier Msgr. Christophe Munzihirwa Mwene Ngabos, des Erzbischofs von Bukavu, gedenken sowie der vier Maristen, die in jüngster Zeit ihr Leben hingegeben haben für den Namen Christi und den Dienst an ihren Brüdern. 2. Die Energie der Kirche in Zaire wurde bei der Vorbereitung und dem Verlauf der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode besonders deutlich. Im Laufe dieses wichtigen kirchlichen Ereignisses hatte ich die Freude, Isidore Ba-kanja, einen jungen Laien Eurer Nation, seligzusprechen. Er war ein heidenhafter Zeuge Christi, der alles tat, um seinen Brüdern das Evangelium zu vermitteln. Als ich letztes Jahr in mehrere Länder Eures Kontinents reiste, war es meine Absicht, daß das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa für die ganze Kirche Afrikas zu einem Arbeitspapier werde, das zum Nachdenken anregt, um ihrer Evangelisierungsmission auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend neuen Schwung zu verleihen. Möge dieses Dokument für Euch eine Ermunterung und Unterstützung sein inmitten der vielen Schwierigkeiten, auf die Ihr bei Eurem Auftrag der Verkündigung des Evangeliums stoßt! Es soll die Priester, die Ordensmänner, die Ordensfrauen, die Laien und ganz besonders die Katechisten an-spomen, ihre Treue zum Evangelium zu stärken und unter ihren Brüdern wahre Zeugen dieses Evangeliums zu sein, so daß sie zu eifrigen Erbauern der Kirche als Familie Gottes werden! 3. In der Nachfolge der Apostel sind die Bischöfe „gemeinsam mit dem Papst und unter seiner Autorität [...] gesandt, das Werk Christi, des ewigen Hirten, durch alle Zeiten fortzusetzen“ (Christus Dominus, Nr. 2). Das Konzil sagt außerdem, daß sie dieses Amt einzeln für die ihnen zugewiesenen Teile der Herde ausüben (vgl. Christus Dominus, Nr. 3). Und: „Wie nach der Verfügung des Herrn der hl. Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden“ {Lumen Gentium, Nr. 22). Das heißt, daß die Bischöfe sich gemeinsam für die Sendung der Kirche einsetzen. Um wahre Diener des ganzen ihnen anvertrauten Gottesvolkes zu sein, sind Zusammenhalt und affektive wie effektive Kollegialität zwischen allen Mitgliedern des Bischofskollegiums besonders wichtig. Vor allem ist dies unerläßlich, wenn Isolierung und weite Entfernungen die notwendige seelsorgerische Zusammenarbeit erschweren. 1009 AD-LIMINA-BESUCHE „Je fester die Verbundenheit der Bischöfe untereinander ist, um so reicher erweist sich die Gemeinschaft der Kirche in ihrer Gesamtheit“ (Ecclesia in Africa, Nr. 15). „Die Kirche [kann] nur dadurch wachsen [...], daß sie die Verbundenheit ihrer Mitglieder untereinander, angefangen bei den Bischöfen, festigt“ (ebd., Nr. 17). An der Spitze seiner Herde stehend, ist der Bischof der Diener der Einheit. Das Zeugnis der wahrhaft gelebten Einheit und Brüderlichkeit trägt zum Aufbau der Kirche als Familie Gottes bei, so wie es von der Synode vorgegeben worden ist. Die von Christus gewollte Kirche ist eine Gemeinschaft, die allen offen ist ohne jeden Unterschied oder Widerstand aus, Gründen von Rasse, Stammeszugehörigkeit oder Kultur. Die Jünger Christi dürfen Spaltungen oder Ausgrenzungen innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft nicht zulassen. Sie müssen zu unermüdlichen Handwerkern der Einheit untereinander und zwischen allen Menschen werden, um dem Gebet unseres Herrn Jesu ganz zu entsprechen: „Alle sollen eins sein!“ (Joh 17,21). In dieser für Eure Region so schwierigen Epoche ermutige ich Euch von ganzem Herzen, mit Euren Gläubigen einträchtige und brüderliche Gemeinschaften aufzubauen und mit allen und unter allen eine aufnahme- und dialogbereite Haltung zu fördern. Besonders fordere ich Euch zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Dienste der Einheit mit Euren Priestern auf, von denen das Konzil sagt, daß sie ein einziges Presbyterium und eine einzige Familie bilden, deren Vater der Bischof ist (vgl. Christus Dorninus, Nr. 28). Der Bischof ist der Gute Hirt, der für alle da ist; er ist deijenige, der sich jedes Mitglieds der ihm anvertrauten Herde annimmt und dem auch diejenigen, die die Frohe Botschaft des Evangeliums noch nicht empfangen haben, sehr am Herzen liegen. 4. Sie sagten es vorher schon, Herr Kardinal: Es ist uns allen eine Freude und ein Trost, feststellen zu können, daß sich in Euren Diözesen das bemerkenswerte Engagement zahlreicher Laien im Dienste der Sendung der Kirche so gut entwickelt. In den Gemeinden wie in vielerlei Bewegungen und Verbänden finden die Christen eine Möglichkeit, die Initiativen in die Tat umzusetzen, die der Glaube ihnen für einen besseren Dienst für Gott und an ihren Brüdern eingibt. Ich wünsche, daß sie auch für ihr christliches Leben - als Ergänzung zu anderen Maßnahmen - einen Ort für die heute so notwendige Schulung und Vertiefung finden. All Eure Gläubigen möchte ich dringend auffordem, ein neues Bewußtsein für die Ansprüche ihrer Berufung als Getaufte zu entwickeln, sowohl in ihrem persönlichen Leben als auch im Leben der Kirche und der Gesellschaft. Jeder Christ muß sich daran erinnern, daß seine Taufe ein vollkommen neues, von Christus ihm geschenktes Leben ist. „Dieses neue Leben in der radikalen Ursprünglichkeit des Evangeliums ist für jedes Volk der Erde hinsichtlich seiner Gewohnheiten und seiner Kultur auch mit Brüchen verbunden, denn das Evangelium ist niemals ein inneres Produkt eines bestimmten Landes, sondern, es kommt immer ,von, außerhalb1, von oben“ (Ecclesia in Africa, Nr. 74). Jeder Getaufte ist verpflichtet, sein tägliches Dasein mit dem von Gott empfangenen Geschenk in Einklang zu brin- 1010 AD-LIMINA-BESUCHE gen. Die Sakramente der Kirche, in erster Linie die Eucharistie und das Sakrament der Versöhnung, werden sein Leben und sein Zeugnis für das Evangelium erhalten und stärken. In Euren Diözesen kommt der Einsatz der Gläubigen vor allem in den lebendigen Kirchengemeinden zum Ausdruck. Es handelt sich um bevorzugte Orte, um das Volk Gottes zu evangelisieren und um die Frohbotschaft zu jenen zu bringen, die sie noch nicht kennen. Ich möchte an dieser Stelle meine Anerkennung für die wichtige Rolle der Katechisten und der Laienverantwortlichen in den örtlichen Gemeinden aussprechen. Mit Freude habe ich die bedeutenden Anstrengungen feststellen können, die Ihr unternommen habt, um ihnen eine anfängliche und weiterführende Ausbildung von hoher Qualität zukommen zu lassen und um ihnen eine moralische und geistige Unterstützung zu sichern, die es ihnen erlaubt, auf ihrem eigenen Glaubensweg Fortschritte zu machen. Inmitten ihrer Gesellschaften müssen sie auf besondere Weise für Christus Zeugnis ablegen, und zwar durch ein vorbildlich christliches Leben, entsprechend dem ihnen anvertrauten Amt. Außerdem tragen die Laien die schwere Verantwortung, aktiv am Aufbau einer neuen Gesellschaft in ihrem Land teilzunehmen, indem sie das Gemeinwohl suchen und „die universale Liebe Christi [...] leben, die die Schranken der natürlichen Solidaritäten der Clans, der Stämme oder anderer Interessengruppen übersteigt“ (Ecclesia in Africa, Nr. 89). Als Jünger Christi und im Geist des Dienstes an ihren Brüdern müssen sie sich für die Errichtung und Entwicklung ihrer Nation in einem Klima der Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen, in Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens. Ein anspruchsvoller Bereich der Mission der Laien in der weltlichen Ordnung ist die Politik, als ein Komplex von Tätigkeiten zugunsten des demeinwohls verstanden. Afrika, so wurde es von den Synodenvätem bestätigt, braucht verantwortliche, heiligmäßige Politiker - Männer und Frauen -, die das eigene Volk bis zum äußersten lieben (vgl. Ecclesia in Africa, Nr. 111). Sie haben die großartige und zugleich schwierige Aufgabe, zu beweisen, daß es möglich ist, bei der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten christliche Tugenden zu praktizieren und für die Güte, die Wahrheit und die Liebe Gottes Zeugnis abzulegen. Ich fordere Euch zur Ausdehnung Eurer Initiativen zur Unterstützung, Förderung und Erziehung der Laien in diesem Bereich auf, der so lebenswichtig und entscheidend für die Errichtung eines Rechtsstaats und einer gerechten und friedlichen Gesellschaft ist. 5. Seit vielen Jahren ist die Kirche in Zaire sehr darum bemüht, das Evangelium in den Traditionen ihres Volkes zu verwurzeln. Wir danken Gott für die Frucht, die diese Arbeit schon getragen hat, vor allem im liturgischen Bereich. Heutzutage allerdings, da viele Christen angesichts der Versuchung einer Rückkehr zu den althergebrachten Sitten, die zum Geist Christi im Widerspruch stehen, wehrlos dastehen, wird die Notwendigkeit, die Mentalität, die Lebens-, Denk- und Handlungsweisen immer tiefer zu evangelisieren, in ihrer ganzen Dringlichkeit offen- 1011 AD-LIMINA-BES UCHE bar. „Als Weg zu einer vollständigen Evangelisierung zielt die Inkulturation darauf ab, den Menschen in die Lage zu versetzen, angesichts der vollen Anhänglichkeit an Gottvater und eines heiligmäßigen Lebens durch die Wirkung des Heiligen Geistes Jesus Christus in die Gesamtheit des persönlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Daseins aufzunehmen“ (Ecclesia inAfrica, Nr. 62). 6. Die Evangelisierung der Familie, dieser ersten Zelle der menschlichen und kirchlichen Gemeinschaft, nimmt in der Pastoral Eurer Diözesen einen wichtigen Platz ein. Ich freue mich über die Tatkraft vieler christlicher Haushalte, die durch ihr vorbildliches Leben im Dienst an ihren Brüdern ein hervorragendes Zeugnis für das Evangelium Christi ablegen. Diese Familien stellen allen die Würde des Mannes und der Frau vor Augen, wie ihnen Gott - nach seinem Abbild geschaffen - unveräußerliche Rechte verliehen und eigene Pflichten auferlegt hat. Es ist die Sendung der Kirche, die Rechte und Pflichten eines jeden menschlichen Wesens und jeder Familie zu erhalten und zu fördern, wobei die Sitten und Bräuche, die dem entgegenlaufen, abgelehnt werden sollen. Die Kirche hat die Aufgabe, zu verkünden, daß die Ehe unauflösliche Liebe und ein unauflösliches Versprechen voraussetzt und daß sie in Jesus Christus ihre Grundlage und Kraft findet. Außerdem soll die Kirche den Eheleuten helfen, immer in ihrer Gemeinsamkeit zu wachsen durch die tägliche Treue zum vollkommenen und einzigartigen gegenseitigen Schenken, das die Ehe erfordert. Ich ermutige Euch, Eure Planungs- und Ausbildungsarbeit weiterzuführen, die Ihr in Gang gesetzt habt, um die jungen Leute auf die christliche Ehe vorzubereiten, und ebenso auch mit den Ehepaaren, um ihnen zu helfen, ihre Verpflichtungen besser zu verstehen und zu leben. Die pastorale Fürsorge der Kirche muß sich auf alle Familien erstrecken, vor allem aber auf jene, die sich in schwierigen Lagen befinden. „Ihnen allen schenkt die Kirche ihr Wort der Wahrheit, der Güte, des Verstehens, der Hoffnung, der innigen Verbundenheit in ihren oft beklemmenden Schwierigkeiten; allen bietet sie ihre selbstlose Hilfe an, daß sie dem Ideal der Familie näherkommen, das der Schöpfer ,von Anfang an* gewollt hat und das Christus durch seine erlösende Gnade erneuert hat“ (Familiaris consortio, Nr. 65). Ich möchte all den Ordensleuten und Laien Ehre erweisen, die sich so großherzig für die Unterstützung der Familien eingesetzt haben, die unter Krankheit oder Gewalt zu leiden haben, für die getrennten Familien oder jene, die fern von ihrem Zuhause Zuflucht suchen mußten. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich werde in Kürze Gelegenheit haben, diese Betrachtung mit Euren Mitbrüdem der drei übrigen Kirchenprovinzen Eures Landes fortzusetzen. Dabei werde ich besonders Fragen behandeln, die das Priester-und Ordensleben betreffen. Aber schon heute möchte ich an, alle Bischöfe von Zaire meine Ermutigung richten und sie meiner Unterstützung versichern bei ihrer schwierigen Sendung, das ihnen anvertraute Volk in der Einheit und Liebe zu bewahren, die die Jünger Christi auszeichnen. 1012 AD-LIMINA-BES U CHE Während sich in der Gegend von Kivu so schreckliche Dinge ereignen, schließe ich mich in Gedanken und im Gebet dem ganzen Volk von Zaire an, vor allem den Leidenden und Verzweifelten und den Menschen aus den Nachbarstaaten, die in Eurem Land Aufnahme gefunden haben. Noch einmal rufe ich mit allem Nachdruck zu einer raschen Wiederherstellung des Friedens auf. Kein Problem läßt sich durch Gewalt lösen, die im Gegenteil das Leid und Elend der Bedürftigsten noch verschlimmert. Es ist äußerst dringend, mit diesem Drama Schluß zu machen, mit diesen ,Menschenjagden“, die in der Hauptstadt und anderswo ihre Anstifter entehren. Möge jede Spur des Hasses, der Rachsucht und der Ablehnung ,des eigenen Bruders aus den Herzen aller verschwinden! Mögen alle an dieser Tragödie beteiligten Parteien den Mut zum Dialog finden für eine aufrichtige Suche nach Wegen zu echter Wiederversöhnung in der Gerechtigkeit und der Achtung des Menschen! Außerdem fordere ich die internationale Gemeinschaft auf, ihre Bemühungen um die Verwirklichung wahrer Solidarität zu verdoppeln, damit der Bevölkerung jener Region Hilfe gebracht werden kann. Diese Menschen haben weder Nahrung noch ärztliche Hilfe und befinden sich in einer tragischen Lage. Hilfe ist dringend notwendig. Schließlich lade ich zum Gebet ein für alle Opfer des Konflikts in Kivu, für alle trauernden Familien und die Menschen, die in Angst vor der Zukunft leben. Ich vertraue Euch der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria an sowie der Fürsprache aller Heiligen Afrikas, vor allem der sei. Clementina Anwarite und des sei. Isidor Bakanja. Möge ihr Beispiel für die Kirche in Eurer Gegend ein kraftvoller Ansporn sein, die Liebe Christi allen Menschen zu zeigen. Jedem von Euch und den Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen, Katechisten und allen Gläubigen eurer Diözesen spende ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Gottes Geist ist Gestalter kirchlichen Lebens in der Geschichte Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Syro-malabarischen und der Syro-malankarischen Kirche Indiens am 18. Januar Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Am Ende Eures Ad-limina-Besuchs möchte ich Euch nochmals der herzlichen Zuneigung und brüderlichen Hochachtung versichern, die ich den ehrwürdigen orientalischen katholischen Kirchen in Indien, der Syro-malabarischen und der Syro-malankarischen Kirche, entgegenbringe. Euer gemeinsamer Ursprung geht auf die Anfänge des Christentums zurück, auf die Lehre des großen Apostels Thomas. Heute bezeugt das dynamische Wesen eurer Gemeinschaften die stete Gegenwart des Heiligen Geistes im Leben jeder Teilkirche, die in der apostoli- 1013 AD-L1MINA-BESUCHE sehen Tradition begründet und von ihr getragen ist. „Wir müssen Gott zu jeder Zeit euretwegen danken, vom Herrn geliebte Brüder, weil Gott euch als Erstlingsgabe dazu auserwählt hat, aufgrund der Heiligung durch den Geist und aufgrund eures Glaubens an die Wahrheit gerettet zu werden“ (2 Thess 2,13). Von Herzen gratuliere ich Kardinal Antony Padiyara, dem Großerzbischof der Syro-malabari-schen Kirche, zu dem im vergangenen Dezember gefeierten fünfzigjährigen Priesterjubiläum. Einen speziellen Willkommensgruß entbiete ich Cyril Mar Baselios, der vor kurzem zum Metropolitan-Erzbischof von Trivandrum der Syro-malankarischen Kirche ernannt wurde. In Ihrer Person grüße ich die gesamte Syro-malankarische Kirche, welche die treue Bewahrung ihrer orientalischen Tradition so wirkungsvoll mit aktivem Einsatz im Apostolat zu verbinden weiß. In diesem freudigen Augenblick gedenken wir zweier unvergessener Hirten: Mar Ivanios, der Euch auf dem Weg wiedergefundener voller Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri geführt, und Mar Gregorios, der die Entwicklung Eurer Kirche so klug geleitet hat. Ich bin sicher, daß Ihr, ihrem Beispiel folgend, „fortiter et suaviter“ Eure Kirche führen werdet. 2. In seiner Weisheit hat der Herr Euren Kirchen zahlreiche Zeichen seines Wohlwollens gewährt. Dazu müssen wir die vielen Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben zählen, die er auch weiterhin in Euren Familien und Gemeinschaften weckt. Für Euch als Hirten bedeutet dieses Geschenk eine grundsätzliche Herausforderung und Verantwortung. Es erfordert eine kluge Auswahl der Kandidaten und sorgfältiges Augenmerk auf ihre Ausbildung im Sinne Eurer orientalischen Tradition und im Einklang mit den Weisungen, die in den letzten Jahren von den zuständigen Kongregationen des Hl. Stuhls herausgegeben wurden. Die Priesterausbildung sollte eine kostbare Zeit des Gebets in einer friedvollen Atmosphäre von Studium, Reflexion und brüderlicher Liebe sein. In einer solchen Umgebung wird die Berufung sich täglich in Freiheit entfalten und wachsen, in einer Freiheit, die von vollkommener Selbsthingabe als Antwort auf Gottes beständige Treue gekennzeichnet ist. Ich bitte Euch inständig, diesen Berufungen große Aufmerksamkeit zu widmen und niemals zuzulassen, daß Konflikte in einer Gemeinschaft die Integrität des Bildungsprozesses beeinträchtigen. Ich begrüße es, daß bei der Syro-malabarischen Synode, die gerade stattgefunden hat, ein wichtiger Punkt erreicht worden ist: nämlich ein Einvernehmen über die Notwendigkeit, die Liturgie in Euren Seminaren mit besonderer Sorgfalt, Feierlichkeit und Vollkommenheit zu gestalten im Hinblick auf eine homogene und konsequente Bildung des Klerus. 3. Ich habe die Synode der Syro-malabarischen Kirche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Ihr habt Euch mit dem Synodenvorgang als solchem und mit der so wichtigen Frage nach der Natur der Gemeinschaft unter den Mitgliedern der Synode beschäftigt. Ein vertieftes Verständnis der „organischen“ Natur hierarchischer „communio“, die eine rechtliche Gestalt erfordert und zugleich von der Liebe ge- 1014 AD-LIMINA-BESUCHE tragen ist (vgl. Lumen Gentium, Erläuternde Vorbemerkung), ist der geeignete Kontext, um die Schwierigkeiten in Angriff zu nehmen, denen Ihr auf dem Weg des Wachstums und der Entwicklung Euer Kirchen begegnet. Ein Ergebnis Eurer Synode, für das ich Euch meine volle Unterstützung zusichere, habe ich mit ganz besonderer Freude begrüßt: die einstimmige Übereinkunft aller Bischöfe hinsichtlich der Schritte, die alle unternehmen müssen, um eine größere Einheit in der Auffassung und Feier der Liturgie zu fördern. Ich danke Euch für die Anstrengungen, die Ihr unternommen habt, um dieses Ergebnis zu erreichen, und ich ermutige Euch, alles zu tun, um diese Übereinkunft in all Euren Eparchien zu verwirklichen. 4. Ihr habt auch weiteren Konsens hinsichtlich der Missionstätigkeit und der pa-storalen Betreuung der Gläubigen in anderen Teilen Indiens und an anderen Orten der Welt erreicht. Mein Brief an die Bischöfe Indiens vom 28. Mai 1987 hat bereits gewisse Weisungen dafür gegeben. Damals arbeiteten die beteiligten Dikaste-rien in allgemeiner Übereinstimmung, und es konnten konkrete Resultate erzielt werden. Diese Arbeit muß nun in konstantem Dialog mit den indischen Bischöfen des lateinischen Ritus fortgesetzt werden. Von allen Beteiligten ist große Bereitschaft und gegenseitiges Verständnis verlangt im Bewußtsein, daß das Heil der Seelen - salus animarum - das oberste Gesetz pastoraler Tätigkeit ist. 5. Heute beginnt die diesjährige Gebetswoche für die Einheit der Christen. Eure Kirchen sind lebendige Beweise dafür, daß „die legitime Verschiedenartigkeit in keiner Weise der Einheit der Kirche entgegensteht, sondern vielmehr ihre Zierde und Schönheit vermehrt und zur Erfüllung ihrer Sendung in nicht geringem Maße beiträgt“ (Ut unum sint, Nr. 50). Ich möchte Euch darin bestärken, den Dialog der Liebe und den theologischen Dialog mit Euren Brüdern, die nicht in voller Gemeinschaft mit uns stehen, fortzusetzen. Schließlich ist die Einheit aller Anhänger Christi eine Gnade, um die wir inständig bitten und die zu verdienen wir uns durch demütige und hochherzige Treue zum Evangelium bemühen müssen. 6. Während Eures Ad-limina-Besuchs habt Ihr die Erfolge, die Hoffnungen und den großmütigen Einsatz der Priester, Ordensleute und Laien der Syro-malabari-schen und Syro-malankarischen Kirche zu den Gräbern der Apostelfürsten, Petrus und Paulus, und vor den Nachfolger Petri getragen. Wenn Ihr nun in Eure Eparchien zurückkehrt und durch die großherzige Erfüllung Eurer geistlichen und pa-storalen Sendung das christliche Leben Eurer Gemeinden zu stärken sucht, ermahne ich Euch, voll und ganz auf den Herrn zu vertrauen: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut. Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, wacht der Wächter umsonst“ (Ps 127,1). Laßt uns niemals vergessen, daß der Heilige Geist der wichtigste Baumeister des kirchlichen Lebens im Wandel der Geschichte und in den Ereignissen des alltäglichen Lebens ist. Es ist vielleicht nicht überflüssig, daran zu erinnern, daß die Lösung vieler Probleme, mit denen die Kirche jederzeit und überall konfrontiert ist, im aufmerksamen 1015 AD-LIMINA-BESUCHE Hören auf die Stimme des Heiligen Geistes liegt, „der uns in die ganze Wahrheit führen wird“ (Joh 16,13). Er offenbart diese Wahrheit den Unmündigen, deren gläubige Augen das erkennen, was den „Weisen und Klugen“ verborgen bleibt (vgl. Mt 11,25). Möge die Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche, Euch und alle Gläubigen für die wichtige Aufgabe, die noch vor Euch liegt, stärken. Möge der Herr Euch „die Einmütigkeit schenken, die Christus Jesus entspricht, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde preist“ (Rom 15,5-6). 1016 V. Erklärungen der Kongregationen und der Räte KONGREGATIONEN UND RÄTE Die griechischen und die lateinischen Überlieferungen im Hinblick auf den Ausgang des Heiligen Geistes Klarstellung unter Verantwortung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, veröffentlicht: L’Osservatore Romano, dt., 1996, Nr. 21/22, S. 11-13 [Orig, in: ital. O.R., 13. September 1995] In seiner am 29. Juni in der St.-Peters-Basilika in Gegenwart des Ökumenischen Patriarchen Bartholo-maios I. gehaltenen Homelie hat der Heilige Vater sein Verlangen zum Ausdruck gebracht, daß „die überlieferte Lehre des Filioque, das sich in der liturgischen Fassung des lateinischen Credo befindet“, geklärt werden solle, „damit seine vollständige Übereinstimmung mit dem, was das Ökumenische Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 in seinem Symbolum bekennt, ins Licht gerückt werden kann: der Vater als Quelle der ganzen Dreieinigkeit, einziger Ursprung sowohl des Sohnes als auch des Heiligen Geistes“. Die Klarstellung, um die er gebeten hat, wird nachstehend unter der Verantwortung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen veröffentlicht. Sie möchte einen Beitrag leisten zum Dialog, der von der Gemeinsamen Internationalen Kommission zwischen der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche geführt wird. In ihrer ersten Erklärung über „Das Geheimnis der Kirche und der Eucharistie im Licht des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit“, die am 6. Juli 1982 in München einmütig angenommen worden ist, hatte die Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche die jahrhundertealte Schwierigkeit erwähnt, die zwischen den beiden Kirchen im Hinblick auf den ewigen Ursprung des Heiligen Geistes besteht. Da es der Kommission noch nicht möglich war, dieses Thema als solches in der ersten Dialogphase zu behandeln, erklärte sie: „Ohne daß wir jetzt auch noch die Schwierigkeiten lösen wollten, die zwischen Ost und West bezüglich des Verhältnisses von Sohn und Geist erhoben werden, können wir doch schon gemeinsam sagen, daß dieser Geist, der vom Vater als der einzigen Quelle in der Dreifaltigkeit ausgeht (Joh 15,26), für uns der Geist der Sohnschaft geworden ist (Röm 8,15), weil er auch der Geist des Sohnes ist (Gal 4,6), uns in besonderer Weise in der Eucharistie mitgeteilt wird, und zwar durch den Sohn, auf dem er in der Zeit und in der Ewigkeit ruht (Joh 1,32)“ (I, 6 in: Dokumente wachsender Übereinstimmung, Paderborn 1992, n, 533). Die katholische Kirche anerkennt die konziliare, ökumenische, normative und unwiderrufliche Geltung des Symbolums, das in griechischer Sprache im Jahre 381 in Konstantinopel vom Zweiten Ökumenischen Konzil bekannt worden ist als Ausdruck des einen gemeinsamen Glaubens der Kirche und aller Christen. Kein Glaubensbekenntnis, das einer besonderen liturgischen Überlieferung eigen sein mag, kann diesem Ausdruck des Glaubens, wie ihn die ungeteilte Kirche gelehrt und bekannt hat, widersprechen. Dieses Symbolum bekennt auf der Grundlage von Joh 15,26 den Geist „TO Etc xoö jtaTQÖc; EKJtOQEUÖpEvov“ („der seinen Ursprung aus dem Vater nimmt“). Der Vater allein ist der Ursprung ohne Ursprung (ctQxf| civo.o'/pq) der beiden anderen Personen der Dreifaltigkeit, die einzige Quelle (jtriyfi) sowohl des Sohnes als auch 1019 KONGREGATIONEN UND RÄTE des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist nimmt daher seinen Ursprung aus dem Vater allein (ek pövou ton Jiaxeooc) auf eine grundsätzliche (prinzipielle), eigentümliche und unmittelbare Weise.1 Die griechischen Väter und der gesamte christliche Osten sprechen in dieser Hinsicht von der „Monarchie des Vaters“, und auch die westliche Überlieferung bekennt, indem sie dem hl. Augustinus folgt, daß der Heilige Geist seinen Ursprung vom Vater principaliter nimmt, das heißt als Prinzip {De Trinitate XV, 25,47; PL 42, 1094-1095). In diesem Sinne erkennen beide Überlieferungen an, daß die „Monarchie des Vaters“ beinhaltet, daß der Vater die alleinige Ursache der Dreifaltigkeit (Aixia) oder das Prinzip (principium) des Sohnes und des Heiligen Geistes ist. Dieser Ursprung des Heiligen Geistes vom Vater allein als Prinzip der ganzen Dreifaltigkeit wird von der griechischen Überlieferung im Anschluß an die kappa-dokischen Väter eratöpenau; genannt. In der Tat charakterisiert der Theologe Gregor von Nazianz die Ursprungsbeziehung des Geistes vom Vater mit dem eigentümlichen Begriff eratöpeuou;, und er unterscheidet ihn von dem des Ausgangs (xö xpoiGvai), den der Geist mit dem Sohne gemeinsam besitzt: „Der Geist ist wahrhaft der Geist, der vom Vater ausgeht (xpoiöv), nicht durch Abstammung, denn es handelt sich nicht um eine Zeugung, sondern durch EKJtöpenau;“ (Rede 39, 12, Sources chretiennes 358, S. 175). Selbst wenn der hl. Kyrill von Alexandrien zuweilen das Verb eratOQEuea'&ai auf die Ursprungsbezeichnung des Sohnes vom Vater an wendet, verwendet er es niemals im Hinblick auf die Beziehung des Geistes zum Sohn (vgl. Kommentar zum hl. Johannes X, 2; PG1A, 910D; Ep 55, PG 77, 316D u. a.). Selbst für den hl. Kyrill kann der Begriff eratöoE'uoic im Unterschied zum Begriff „ausgehen“ (xpoievar) nur eine Ursprungsbeziehung zum Ursprung ohne Ursprung der Dreifaltigkeit charakterisieren: dem Vater. Aus diesem Grunde hat der orthodoxe Osten stets die Formel xö ek xoü IlaXQÖc; Kai xoü Yloü abgelehnt; ebenso hat die katholische Kirche es abgelehnt, daß das Kai xoü YLoü der Formel ek xoü üaxoöc; SKatopenöpEvov des griechischen Textes des Symbolums von Nikaia-Konstantinopel hinzugefügt werde, auch nicht bei seinem liturgischen Gebrauch durch die Lateiner. Der orthodoxe Osten lehnt indessen nicht jede ewige Beziehung zwischen dem Sohn und dem Heiligen Geist in ihrem Ursprung vom Vater ab. Der hl. Gregor von Nazianz, der große Zeuge unserer beiden Überlieferungen, macht dies deutlich gegen Makedonios, der die Frage aufgeworfen hat: „Was fehlt also dem Heiligen Geist, um der Sohn zu sein, denn, falls es ihm an nichts mangelt, wäre er dann nicht der Sohn? - Wir sagen, daß ihm nichts fehlt, denn Gott mangelt es an nichts; aber es ist ein Unterschied in der Kundmachung, wenn ich es so sagen kann, oder in der Beziehung zwischen ihnen (xfjc; Jtpöq ü/J.r|ka ct/eoeojc; hidcpopov), der Diese Begriffe verwendet der hl. Thomas von Aquin in der Summa theologica, Ia, q. 36, a. 3, lum und 2um. 1020 KONGREGATIONEN UND RÄTE auch den Unterschied in ihrer Benennung begründet“ (Rede 31,9, Sources chritiennes 250, S. 290-292). Der orthodoxe Osten drückt jedoch dieses Verhältnis auf eine glückliche Weise aus mit der Formel öta toü YLoü £KJtog£i)öp,£vov (der seinen Ursprung vom Vater nimmt durch den Sohn [hindurch]). Bereits der hl. Basilius sagte vom Heiligen Geist: „Durch den Sohn (&ui toü Yloü), der einer ist, ist er mit dem Vater verbunden, der einer ist, und vollendet durch sich die glückselige und alles Lobes würdige Dreifaltigkeit“ (Basilius von Cäsarea, De Spiritu sancto / Über den Heiligen Geist 18[45]. Übers, u. eingel. von H. J. Sieben, Freiburg 1993 [FC, 12] 211). Der hl. Maximus, der Bekenner, sagt: „Auf natürliche Weise (cpuaet) nimmt der Heilige Geist in seinem Sein (kot' oijaiav) substantiell (oüauööüx;) seinen Ursprung (sKJtooeuö|J.evov) vom Vater durch den gezeugten Sohn (6t YLoü Yewry&evTog)“ (Quaestiones ad Thalassium, LXIH, PG 672C). Wir finden diesen Gedanken wiederum beim hl. Johannes von Damaskus: „(6 IIaTf|g) ösi rjv, e%cov e£, ecruToü xöv o/ütoü Zöyov, Kai 5ia toü Zöyou atrroü eE, eatrroü tö IIvEüpa aüroü EKatogeuopevov“, was wie folgt übersetzt werden kann: „Ich sage, daß Gott immer der Vater ist, der immer aus sich selbst heraus sein Wort und durch das Wort seinen Geist hat, der von ihm ausgeht“ (Dialogus contra Manichaeos, 5, PG 94, 1512B, ed. B. Kotter, Berlin 1981, S. 354; vgl. PG 94, 848-849A). Diesen Aspekt des trinitarischen Geheimnisses bekannte auch vor dem in Nikaia im Jahre 787 versammelten siebenten Ökumenischen Konzil der hl. Tarasios, Patriarch von Konstantinopel; er entfaltet das Symbolum so: „tö IIvEÜpa tö äytov, tö KÜgtov Kai ^ojojtoiov, tö ek toü naTgög öiä toü Yloü eratogeuopevov“ (Mansi, XII, 1122D). Diese gesamte Lehre bezeugt den fundamentalen trinitarischen Glauben, wie ihn Ost und West zur Zeit der Väter zusammen bekannt haben. Hier haben wir das Fundament, das der Fortführung des gegenwärtigen theologischen Dialogs zwischen Katholiken und Orthodoxen dienen muß. Die Lehre über das Filioque muß von der katholischen Kirche so verstanden und dargelegt werden, daß sie nicht den Anschein erwecken kann, sie würde der Monarchie des Vaters oder der Tatsache widersprechen, daß er der einzige Ursprung (agxfj, araa) der EKJtöoeuaic; des Geistes ist. In der Tat hat das Filioque seinen Platz in einem theologischen und sprachlichen Zusammenhang, der verschieden ist von jenem der Bekräftigung der alleinigen Monarchie des Vaters, des einzigen Ursprungs des Sohnes und des Geistes. Gegen den im Westen noch starken Arianismus sollte es die Tatsache hervorheben, daß der Heilige Geist dieselbe göttliche Natur besitzt wie der Sohn, ohne indes die eine Monarchie des Vaters in Frage zu stellen. Wir stellen hier die authentische lehrhafte Bedeutung des Filioque auf der Grundlage des trinitarischen Glaubens des Symbolums dar, das vom zweiten Ökumenischen Konzils von Konstantinopel als Bekenntnis abgelegt wurde. Wir geben diese autorisierte Interpretation, auch wenn wir uns der Unzulänglichkeit der 1021 KONGREGATIONEN UND RÄTE menschlichen Sprache bewußt sind, das unaussprechliche Mysterium der Heiligen Dreifaltigkeit, des einen Gottes, das unsere Worte und unsere Gedanken übersteigt, zum Ausdruck zu bringen. Die katholische Kirche interpretiert das Filioque in Beziehung zur konziliaren und ökumenischen, normativen und unwiderruflichen Geltung des Bekenntnisses des Glaubens über den ewigen Ausgang des Heiligen Geistes, wie ihn das Ökumenische Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 in seinem Symbolum bekannt hat. Dieses Symbolum wurde von Rom erst anläßlich des Ökumenischen Konzils von Chalkedon im Jahre 451 zur Kenntnis genommen und rezipiert. Zwischenzeitlich hatten Väter der Kirche des Westens wie der hl. Hilarius, der hl. Ambrosius, der hl. Augustinus und der hl. Leo d. Gr., die sich auf die frühere lateinische theologische Überlieferung stützten, bekannt, daß der Heilige Geist auf ewige Weise vom Vater und vom Sohne ausgeht (procedit). <308> <308> Tertullian hat auf der Basis der substantiellen Verbindung des Vaters mit dem Sohn und durch den Sohn mit dem Heiligen Geist die Grundlagen der trinitarischen Theologie in der lateinischen Überlieferung gelegt. „Christus sagt über den Geist: ,Er nimmt von dem Mehligen’ (Joh 16,14), wie er vom Vater nimmt. So macht die Verbindung des Vaters mit dem Sohn und des Sohnes mit dem Parakleten die drei miteinander zusammenhängend: sie, die eine einzige Realität (unum) sind, nicht ein einziger (unus) aufgrund der Einheit der Substanz und auch nicht der numerischen Einzigkeit“ (Adv., Praxean, XXV, 1-2). Diese Mitteilung der göttlichen Wesensgleichheit (Konsubstantialität) entsprechend der trinitarischen Ordnung drückt er durch das Verb procedere aus (ebd., VII, 6). Man findet dieselbe Theologie beim hl. Hilarius von Poitiers, der zum Vater sagt: „Möge ich deinen Geist erlangen, der sein Sein von dir nimmt durch deinen einzigen Sohn“ (De Trinitate, XII, PL 10,471). Er weist daraufhin: „Wenn man glaubt, es gäbe einen Unterschied zwischen dem Empfangen vom Sohn (Joh 16,15) und dem Ausgehen (procedere) vom Vater (Joh 15,26), so steht doch mit Sicherheit fest, daß es ein und dasselbe ist, das Empfangen vom Sohn und das Empfangen vom Vater“ (ebd., VIII, 20, PL 10,251A). In diesem Sinne der Mitteilung der Gottheit durch den Ausgang formuliert der hl. Ambrosius von Mailand als erster das Filioque: „Wenn der Heilige Geist vom Vater und vom Sohne ausgeht, trennt er sich nicht vom Vater und trennt er sich nicht vom Sohn“ (De Spiritu Sancto, 1,11,120, PL 16,733A-762D). Der hl. Augustinus jedoch ist bei der Entfaltung der Filioque-Theologie vorsichtig, um die Monarchie des Vaters innerhalb der gleich-wesentlichen Gemeinschaft der Dreifaltigkeit zu bewahren. „Der Heilige Geist geht vom Vater als Prinzip (principaliter) aus und, aufgrund dessen zeitloser Gabe an den Sohn, vom Vater und vom Sohn in Gemeinschaft (communiter)“ (De Trinitate, XV, 25,47, PL 42,1095: St. Leo, Sermo LXXV, 3, PL 54,402; Sermo LXXVI, 2, ebd., 404). Da die lateinische Bibel (die Vulgata und die früheren lateinischen Übersetzungen) Joh 15,26 (otaga ton IlaTQÖi; eratogenstaL) mit „qui a Patre procedit“ übersetzt hatte, übersetzten die Lateiner das etc ton IlaTgöq etatogeudpevov des Symbolums von Nikaia-Konstantinopel mit „ex Patre procedentem“ (Mansi VII, 112B). Auf diese Weise entstand unfreiwillig eine falsche Gleichwertigkeit im Hinblick auf den ewigen Ursprung des Geistes zwischen der östlichen Theologie der EKttögenotq und der lateinischen Theologie der processio. Das griechische EKOtögsnatq bedeutet lediglich die Ursprungsbeziehung zum Vater allein als dem Ursprung ohne Ursprung der Dreifaltigkeit. Dagegen ist das lateinische processio ein allgemeinerer Begriff, der die Mitteilung der wesensgleichen Gottheit des Vaters an den Sohn und des Vaters durch und mit dem Sohn an den Heiligen Geist bezeichnet. <309> Indem die Lateiner den Heiligen Geist „ex Padre gen ist (processit) und so viele (geschaffene) Substanzen gemacht hat“ (Adv. Praxean, VH, 6). Im Anschluß an den hl. Ambrosius nimmt der hl. Augustinus diese allgemeinere Vorstellung von Ausgang auf: ,»Nicht alles, was ausgeht, wird geboren, obgleich alles, was geboren wird, ausgeht“ (Contra Maximinum, II, 14, 1, PL 42,770). Viel später weist der hl. Thomas von Aquin darauf hin, daß „in jedem Hervorgang, der nicht nach außen erfolgt, die göttliche Natur mitgeteilt wird“ (Summa theologica Ia, q. 27, a. 3, 2um). Für ihn, wie für die gesamte lateinische Theologie, die den Begriff des Ausgangs für den Sohn wie für den Geist verwendet, ist die Zeugung „der Hervorgang einer göttlichen Person in die göttliche Natur“ (ebd., Ia, q. 43, a. 2, c), „denn der Sohn ging von Ewigkeit hervor, auf daß er Gott sei“ (ebd.). Auf ähnliche Weise bekräftigt er, daß der Heilige Geist „wie der Sohn, durch seinen Hervorgang die Natur des Vaters empfängt“ (ebd., Ia, q. 35, a. 2, c). „Der Ausdruck Hervorgang ist unter allen Ausdrücken, die irgendeinen Ursprung besagen, der allerallgemeinste. Denn wir verwenden den Ausdruck, um irgendwelchen Ursprung zu bezeichnen; so (wenn wir sagen), daß die Linie aus dem Punkte hervorgeht, der Strahl aus der Sonne, der Ruß aus der Quelle, und so in beliebigen anderen Fällen. Deshalb kann aus jedem beliebigen anderen, der einen Ursprung besagt, der Schluß gezogen werden, daß der Heilige Geist vom Sohne hervorgeht“ (ebd., Ia, q. 36, a. 2, c). 1022 KONGREGATIONEN UND RÄTE procedentem“ bekannten, konnten sie also implizit ein Filioque mit einschließen, das später in ihrer liturgischen Version des Symbolums entfaltet wurde. Das Filioque wurde im Westen ab dem fünften Jahrhundert vom Symbolum Qui-cumque (oder „Athanasianum“, DH 75) bekannt, dann von den Konzilen von Toledo im wisigotischen Spanien zwischen 589 und 693 (DH 470, 485, 490, 527, 568), um die trinitarische Wesensgleichheit hervorzuheben. Wenn diese Konzile es auch vielleicht nicht in das Symbolum von Nikaia-Konstantinopel eingefügt haben, so findet es sich darin mit Sicherheit seit dem Ende des siebten Jahrhunderts, wie dies die Akten der Konzile von Aquileia-Friuli im Jahre 796 (Mansi XIII, 836D ff.) und von Aachen im Jahre 809 {Mansi XIV, 17) bezeugen. Im neunten Jahrhundert jedoch leistete Papst Leo III. vor Karl d. Gr. dieser Entwicklung des Symbolums gegenüber, die sich im Westen spontan ausgebreitet hatte, Widerstand, weil er darum besorgt war, die Einheit mit dem Osten im Bekenntnis des Glaubens zu wahren. Dabei hielt er gleichzeitig an der Wahrheit, die im Filioque enthalten ist, fest. Rom ließ es in der lateinischen liturgischen Fassung des Credo erst im Jahre 1014 zu. Eine ähnliche Theologie hatte sich in der Väterzeit in Alexandrien entwickelt, die auf den hl. Athanasius zurückgeht. Wie in der lateinischen Überlieferung fand sie Ausdruck durch den allgemeineren Begriff für Ausgang (atgoievai); dieser bezeichnet die Mitteilung der Gottheit an den Heiligen Geist vom Vater und vom Sohn in ihrer wesensgleichen Gemeinschaft: „Der Geist geht vom Vater und vom Sohne aus (jtQoelcri); es ist augenscheinlich, daß er von der göttlichen Substanz ist, die substantiell (oücacoöräg) in ihr und von ihr ausgeht (jt@oi6v)“ (St. Kyrill von Alexandrien, Thesaurus, PG 75, 585 A). <310> <310> Der hl. Kyrill ist hierin ein Zeuge einer trinitarischen Lehre, die seit dem hl. Athanasius Gemeingut der gesamten Schule von Alexandrien ist; dieser schrieb: „Ebenso wie der Sohn sagt: ,Alles, was der Vater hat, ist mein’ (Joh 16,15), ebenso werden wir finden, daß durch den Sohn alles auch im Geiste ist“ (Briefe an Serapion, 111,1,33, PG 26,625b). Der hl. Epiphanius von Salamis (Ancoratus, VTU, PG 43,29C) und Didymus der Blinde (Traktakt über den Heiligen Geist, CLIII, PG 34,1064A) verknüpfen den Vater und den Sohn durch dieselbe Präposition ek bei der Mitteilung der wesensgleichen Gottheit an den Heiligen Geist. Im siebten Jahrhundert nahmen die Byzantiner Anstoß an einem Glaubensbekenntnis des Papstes, das in bezug auf den Ausgang des Heiligen Geistes das Fi- 1023 KONGREGATIONEN UND RÄTE lioque enthielt, wobei sie Ausgang ungenauerweise mit EKitogeuaic; übersetzten. Der hl. Maximus, der Bekenner, schrieb einen Brief von Rom aus, der die beiden -kappadokischen und lateinisch-alexandrinischen Annäherungen an den ewigen Ursprung des Geistes verdeutlicht: der Vater ist der einzige Ursprung ohne Ursprung (griechisch alxia des Sohnes und des Geistes; der Vater und der Sohn sind eine wesensgleiche Quelle des Ausgangs (xö itgoievcu) dieses selben Geistes. „Über den Ausgang haben sie [die Römer] die Zeugnisse der lateinischen Väter angeführt und selbstverständlich darüber hinaus das des hl. Kyrill von Alexandrien in seiner geweihten Studie über das Evangelium des hl. Johannes. Auf dieser Grundlage legten sie dar, daß sie aus dem Sohn nicht die Ursache (a’ma) des Geistes machen. Sie wissen in der Tat, daß der Vater die alleinige Ursache des Sohnes und des Geistes ist, des einen durch Zeugung und des anderen durch eratooeuaiq - aber sie erklärten, daß dieser durch den Sohn ausgeht fapoisvai). und zeigten so die Einheit und Unveränderlichkeit des Wesens auf1 (Brief an Marin von Zypern, PG 91, 136 A-B). Nach dem hl. Maximus, der sich hier zum Sprachrohr Roms macht, bezieht sich das Filioque nicht auf die EKOtögsuaic; des Geistes, der aus dem Vater als der Quelle der Dreifaltigkeit ausgeht, sondern es tut sein Jipoisvca {processio) in der wesensgleichen Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes kund; gleichzeitig schließt es jede eventuelle subordinationistische Interpretation der Monarchie des Vaters aus. Die Tatsache, daß in der lateinischen und alexandrinischen Theologie der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn in ihrer wesensgleichen Gemeinschaft ausgeht (7iposiai), bedeutet nicht, daß es das göttliche Wesen oder die göttliche Substanz ist, die in ihm ausgeht, sondern vielmehr, daß jene vom Vater und vom Sohn, die sie gemeinsam haben, mitgeteilt wird. Diesen Punkt bekannte als Dogma das Vierte Laterankonzil im Jahre 1215: „... jene Wirklichkeit zeugt nicht, noch wurde sie gezeugt, noch geht sie hervor; vielmehr ist es der Vater, der zeugt, und der Sohn, der gezeugt wird, und der Heilige Geist, der hervorgeht: die Unterschiede liegen also in den Personen und die Einheit in der Natur. Wenn also auch ,ein anderer der Vater ist, ein anderer der Sohn, ein anderer der Heilige Geist, so (sind sie) dennoch nicht etwas anderes1: vielmehr ist das, was der Vater ist, gänzlich der Sohn und ebenso der Heilige Geist; man glaubt also gemäß dem rechten und katholischen Glauben, daß sie wesensgleich sind. Der Vater nämlich gab dem Sohn, indem er ihn vor Ewigkeit zeugte, seine Substanz ... Es ist also klar, daß der Sohn in der Geburt ohne irgendeine Verminderung die Substanz des Vaters empfangen hat und der Vater und der Sohn dementsprechend dieselbe Substanz haben: Und so ist dieselbe Wirklichkeit Vater und Sohn und ebenso Heilige Geist, der von beiden hervorgeht“ (DH 804-805). Im Jahre 1274 bekannte das Zweite Konzil von Lyon, daß „der Heilige Geist von Ewigkeit her aus dem Vater und dem Sohne hervorgehe, nicht als aus zwei Prinzipien, sondern als aus einem Prinzip (tamquam ex uno principio)“ (DH 850). Im Lichte des Laterankonzils, das dem Zweiten Konzil von Lyon vorausging, ist es 1024 KONGREGATIONEN UND RÄTE klar, daß das göttliche Wesen nicht das „einzige Prinzip“ des Ausgangs des Heiligen Geistes sein kann. Der Katechismus der Katholischen Kirche deutet diese Formel in Nr. 248 auf folgende Weise: „Gemäß der ewigen Ordnung der göttlichen Person in ihrer wesensgleichen Gemeinschaft ist der Vater der erste Ursprung des Geistes als ,Ursprung ohne Ursprung* (DH 1331), aber auch als Vater des eingeborenen Sohnes zusammen mit diesem das ,eine Prinzip*, aus dem der Heilige Geist hervorgeht“ (2. Konzil von Lyon, DH 850). Für die katholische Kirche bringt „die östliche Tradition vor allem zum Ausdruck, daß der Vater der erste Ursprung des Geistes ist. Indem sie den Geist als den, „der vom Vater ausgeht“ (ek toü jioxqöc, cotoosnöpevov, vgl. Joh 15,26), bekennt, sagt sie, daß er durch den Sohn aus dem Vater hervorgeht. Die westliche Tradition bringt vor allem die wesensgleiche Gemeinschaft zwischen dem Vater und dem Sohn zum Ausdmck, indem sie sagt, daß der Geist aus dem Vater und dem Sohn (Filioque) hervorgeht ... Werden diese berechtigten, einander ergänzenden Sehweisen nicht einseitig überbetont, so wird die Identität des Glaubens als die Wirklichkeit des einen im Glauben bekannten Mysteriums nichts beeinträchtigt“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 248). Im Bewußtsein dessen hat es die katholische Kirche abgelehnt, daß ein Kai toü Yioü der Formel ek toü Jtatgöq etatOQ£t)6p.evov des Symbolums von Nikaia-Konstantinopel in den Kirchen, auch nicht in solchen des lateinischen Ritus, die es in griechischer Sprache verwenden, beigefügt wird. Die liturgische Verwendung dieses originalen Textes bleibt in der katholischen Kirche stets legitim. Wenn das Filioque der lateinischen Tradition in richtiger Weise verwendet wird, muß es nicht zu einer Subordination des Heiligen Geistes in der Dreifaltigkeit führen. Auch wenn die katholische Lehre betont, daß der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn bei der Mitteilung ihrer wesensgleichen Gottheit ausgeht, erkennt sie nichts destoweniger die Wirklichkeit der ursprünglichen Beziehung des Heiligen Geistes als Person mit dem Vater an, eine Beziehung, die die griechischen Väter mit dem Begriff EKJtÖQEuatc; <311> zum Ausdruck bringen. <311> „Entsprechend den beiden Relationen des Sohnes und des Heiligen Geistes, durch die sie auf den Vater bezogen sind, muß man im Vater zwei Relationen annehmen, durch die er auf den Sohn und den Heiligen Geist bezogen ist“ (St. Thomas von Aquin, Summa theologica, Ia, q. 32, a 2, c). Selbst wenn in der trinitarischen Ordnung der Heilige Geist auf das Verhältnis zwischen dem Vater und dem Sohne nachfolgt, da er seinen Ursprung vom Vater nimmt, insofern dieser der Vater des eingeborenen Sohnes ist, <312> so erreicht doch dieses Verhältnis zwischen dem Vater und dem Sohn selbst seine trinitarische Vollendung im Geist. Ebenso wie der Vater als Vater durch den Sohn, den er zeugt, gekennzeichnet wird, ebenso kennzeichnet der Geist, der aus dem Vater seinen Ursprung nimmt, ihn auf trinitarische Weise in seinem Verhältnis zum Sohn, und er kennzeichnet auf trinitarische Weise den Sohn in seinem Verhältnis <312> Vgl. Kathechismus der Katholischen Kirche, Nr. 248. 1025 KONGREGATIONEN UND RÄTE zum Vater: In der Fülle des trinitarischen Mysteriums sind sie Vater und Sohn im Heiligen Geist. <313> <313> Der hl. Gregor von Nazianz sagt, daß „der Geist ein Mittelwort (ucaov) zwischen dem Nichtgezeugten und dem Gezeugten“ ist (,Rede 31,8, Sources chretiennes, Nr. 250, S. 290). Vgl. auch in einer thomistischen Perspektive G. Leblond, Point de vue sur la procession du Saint-Esprit, in Revue Thomiste LXXXVI, Bd. 78 (1978), 293-302. Der Vater zeugt den Sohn allein dadurch, daß er durch ihn den Heiligen Geist haucht (jt@oßd/J,eiv auf griechisch), und der Sohn wird vom Vater nur in dem Maße gezeugt, indem die Hauchung (spiratio: JtooßoA.f| auf griechisch) durch ihn hindurchgeht. Der Vater ist nur Vater des eingeborenen Sohnes, insofern er für ihn und durch ihn der Ursprung des Heiligen Geistes ist. <314> <314> Der hl. Kyrill von Alexandrien sagt, daß „der Heilige Geist vom Vater in den Sohn ev T

Aber die Hauchung des Geistes vom Vater aus findet durch und mittels (das sind die beiden Bedeutungen des griechischen öia) der Zeugung des Sohnes statt; diese bezeichnet sie auf trinitarische Weise. In diesem Sinne sagt der hl. Johannes von Damaskus: „Der Heilige Geist ist eine substantielle Kraft, die in ihrer eigenen, verschiedenen Hypostase, die vom Vater ausgeht und im Worte ruht, betrachtet wird“ (De Fide orthodoxa, I, 7, PG 84, 805B, hrsg. von B. Kotter, Berlin 1973, 16; Dialogus contra Manichaeos 5, .PG 94, 1512 B, hrsg. von B. Kotter, Berlin 1981, 354). <316> <315> Der hl. Gregor von Nyssa schreibt: „Man sagt, der Heilige Geist sei vom Vater, und es wird bezeugt, daß er vom Sohne ist: ,Wenn aber jemand4, sagt der hl. Paulus, ,den Geist Christi nicht hat, so gehört dieser ihm nicht an‘ (Rom 8,9). Also ist der Geist, der Gottes (des Vaters) ist, auch der Geist Christi. Jedoch sagt man nicht, daß der Sohn, der Gottes (des Vaters) ist, des Geistes sei: Die Aufeinanderfolge der Beziehung kann nicht umgekehrt werden“ (Fragment In orationem dominicam, zitiert vom hl. Johannes von Damaskus, PG 46,1109BC). Und der hl. Maximus bekräftigt auf gleiche Weise die trinitarische Ordnung, wenn er schreibt: „Ebenso wie der Gedanke (der Vater) der Ursprung des Wortes ist, ebenso ist er es auch vermittels des Wortes in bezug auf den Geist. Und ebenso wie man nicht sagen kann, daß das Wort der Stimme (dem Hauch) gehört, ebenso kann man nicht sagen, daß das Wort dem Geiste eigen ist“ (Quaestiones et dubia, PG 90,813B). <316> Der hl. Thomas von Aquin, der De fide orthodoxa kannte, sieht keinen Gegensatz zwischen dem Filioque und dieser Äußerung des hl. Johannes von Damaskus: „Dadurch, daß man sagt, der Heilige Geist ruhe oder bleibe im Sohne, wird nicht ausgeschlossen, daß er vom ihm ausgeht; denn auch vom Sohne heißt es, er bleibt im Vater, auch wenn er vom Vater hervorgeht“ (Summa theologica, Ia, q. 36, a. 2, 4um). Worin besteht diese trinitarische Kennzeichnung, die die Person des Heiligen Geistes zum Verhältnis selbst zwischen dem Vater und dem Sohn beiträgt? Es handelt sich um die ursprüngliche Rolle des Geistes im Heilsplan, und zwar im Hinblick auf die Sendung und das Werk des Sohnes. Der Vater ist die Liebe in ihrer Quelle (vgl. 2 Kor 13,13; 1 Joh 4,8.16), der Sohn ist „der Sohn seiner Liebe“ (Kol 1,14). So hat eine Überlieferung, die auf den hl. Augustinus zurückgeht, im „Heiligen Geist, durch den die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist“ (Rom 5,5), 1026 KONGREGATIONEN UND RÄTE die Liebe als ewige Gabe des Vaters an seinen „vielgeliebten Sohn“ (Mk 1,9; 9,7; Lk 20,13; Eph 1,6) gesehen. <317> <317> Der hl. Thomas von Aquin schreibt im Anschluß an den hl. Augustinus: „Man sagt vom Heiligen Geist, daß er im Sohn ruht, wie die Liebe dessen, der liebt, sich im Geliebten niederläßt“ {Summa theologica, Ia, q. 36, a. 2, 4um). Diese Lehre über den Heiligen Geist als Liebe wurde auf harmonische Weise vom hl. Gregorius Palamas innerhalb der griechischen Theologie von der (siatÖQeuoiq) allein vom Vater übernommen: „Der Geist des allerhöchsten Wortes ist wie eine unaussprechliche Liebe des Vaters für dieses Wort, das auf unaussprechliche Weise gezeugt ist. Eine Liebe, derer dasselbe Wort und der vielgeliebte Sohn des Vaters gegenüber dem Vater bedarf (XQHxctL): aber insofern er den Geist hat, der mit ihm vom Vater ausgeht (cruvjtoeyöövra) und in gleicher Natur in ihm ruht“ {Capita physica XXXVI, PG 150,1144D-1145A). Die göttliche Liebe, die ihren Ursprung im Vater hat, ruht im „Sohn seiner Liebe“, um durch diesen wesensgleich in der Person des Geistes zu existieren, der die Gabe der Liebe ist. Dies beachtet die Tatsache, daß der Heilige Geist durch die Liebe dem ganzen Leben Jesu eine Orientierung auf den Vater hin bei der Erfüllung seines Willens gibt. Der Vater sendet seinen Sohn (Gal 4,4), während Maria ihn aufgrund des Wirkens des Heiligen Geistes empfängt (vgl. Lk 1,35). Dieser macht Jesus bei der Taufe, während er auf ihn herabkam, als den Sohn des Vaters kund (vgl. Lk 3,21-22; Joh 1,33). Er treibt Jesus in die Wüste (vgl. Mk 1,12). Jesus kehrt von dort zurück, „erfüllt vom Heiligen Geist“ (Lk 4,1); dann beginnt er seinen Dienst „in der Kraft des Geistes“ (Lk 4,14). Er jubelt vor Freude im Geist und preist den Vater wegen seines wohlwollenden Plans (vgl. Lk 10,21). Er erwählt seine Apostel „durch den Heiligen Geist“ (Apg 1,2). Er treibt die Dämonen durch den Geist Gottes aus (Mt 12,28). Er bringt sich selbst dem Vater dar „kraft ewigen Geistes“ (Hebr 9,14). Am Kreuz „empfiehlt er seinen Geist“ in die Hände des Vaters (Lk 23,46). „In ihm“ steigt er hinab zu den Toten (1 Petr 3,19), und durch ihn wird er auferweckt (vgl. Röm 8,11) und „machtvoll als Gottessohn eingesetzt“ (Röm 1,4). <318> Diese Rolle des Geistes im Innersten der menschlichen Existenz des menschgewordenen Sohnes Gottes entspringt einer ewigen trinitarischen Beziehung, durch die der Geist in seinem Geheimnis als Gabe der Liebe die Beziehung zwischen dem Vater als Quelle der Liebe und seinem vielgeliebten Sohn kennzeichnet. <318> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivificantem, Nm. 18-24, in: Acta Apostolicae Sedis 78 (1986), 826-831. Vgl. auch Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 438, 689, 690, 695, 727. Der ursprüngliche Charakter der Person des Geistes als ewige Gabe der Liebe des Vaters für seinen vielgeliebten Sohn macht klar, daß der Geist trotz seines Kommens vom Sohn bei dessen Sendung jener ist, der die Menschen in das Kindschaftsverhältnis Christi zum Vater einführt, denn diese Beziehung findet ihre tri-nitarische Kennzeichnung nur in ihm: „Gott hat den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater!“ (Gal 4,6). Im Heilsmysterium und im Leben der Kirche tut der Geist also viel mehr, als nur das Werk des Sohnes zu verlängern. In der Tat, alles, was Christus eingesetzt hat - die Offenbarung, die Kirche, die Sakramente, das apostolische Dienstamt und dessen Lehrautorität - erfordert eine 1027 KONGREGATIONEN UND RÄTE beständige Anrufung (smicA,r|üu;) des Heiligen Geistes sowie seine Wirksamkeit (evsQYEia), damit offenbar werde „die Liebe, die niemals aufhört“ (1 Kor 13,8) in der Gemeinschaft der Heiligen mit dem Leben der Dreifaltigkeit. Die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe Päpstlicher Rat für die Familie vom 13. Mai Einleitung 1. Die Vorbereitung auf die Ehe, auf das Ehe- und Familienleben, ist für das Wohl der Kirche von besonderer Bedeutung, da das Sakrament der Ehe für die ganze christliche Gemeinschaft einen großen Wert darstellt. Dies gilt an erster Stelle für die Gatten, deren Entscheidung derart ist, daß sie weder unvorbereitet noch überhastet getroffen werden darf. In anderen Epochen konnte diese Vorbereitung auf die Unterstützung der Gesellschaft zählen, welche die Werte und Güter der Ehe anerkannte. Die Kirche verteidigte ohne Bedenken und vorbehaltlos die Heiligkeit der Ehe und war sich der Tatsache bewußt, daß das Sakrament der Ehe als Lebenszelle des Volkes Gottes für die Kirche selbst eine Garantie darstellt. Im Innern der Kirche, zumindest in den wirklich evangelisierten Gemeinschaften, war die Unterstützung für die Ehe entschlossen, einheitlich und geschlossen. Getrennte und gescheiterte Ehen waren selten, und die Ehescheidung wurde als gesellschaftliches „Übel“ betrachtet (vgl. Gaudium et spes, Nr. 47). Heute steht man dagegen in nicht wenigen Fällen vor einem einschneidenden Verfall der Familie und vor einer gewissen Zersetzung der Werte der Ehe. In vielen Nationen, vor allem in den Industrieländern, ist die Zahl der Eheschließungen zurückgegangen. Man verschiebt die Eheschließung heute gewöhnlich auf einen späteren Zeitpunkt, und die Zahl der Ehescheidungen und Trennungen — dazu kommt es oft schon in den ersten Jahren des Ehelebens - steigt. Aufgrund dieser Umstände nehmen die Sorgen in der Pastoral zu, und immer wieder stellt man sich die Frage: Ist deijenige, der heute den Bund der Ehe eingeht, wirklich darauf vorbereitet? Die Frage der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe und auf das dann folgende gemeinsame Leben erscheint wie eine große pastorale Notwendigkeit -zwar in erster Linie zum Wohl der Gatten, aber auch zum Wohl der ganzen christlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft. Deshalb nehmen das Interesse und die Initiativen überall zu, um auf die mit der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe verbundenen Fragen entsprechende und angemessene Antworten zu geben. 2. Der Päpstliche Rat für die Familie steht mit den Bischofskonferenzen und Bischöfen in ständigem Kontakt und hat bei verschiedenen Begegnungen, Versammlungen, vor allem bei den Ad-limina-Besuchen, ihre pastorale Sorge um die Vorbereitung und Feier des Sakraments der Ehe und des Ehelebens aufmerksam verfolgt. Wiederholt wurde er bei diesen Anlässen um eine Orientierungshilfe für 1028 KONGREGATIONEN UND RÄTE die Vorbereitung der christlichen Verlobten gebeten. Der vorliegende Entwurf soll nun eine solche Hilfe darstellen. Er macht sich die Beiträge vieler Apostolischer Bewegungen, Gruppen und Vereinigungen zunutze, die in der Familienpastoral Zusammenarbeiten und für die Ausarbeitung dieses richtungweisenden Dokuments ihre Unterstützung, ihren Rat und ihre Erfahrung angeboten haben. Für alle, die auf das christliche Sakrament der Ehe zugehen, ist die Vorbereitung auf die Trauung ein willkommener und bevorzugter Augenblick sowie ein Kairos, das heißt eine Zeit, in der Gott zu den Verlobten spricht und in ihnen die Berufung zur Ehe und zu dem damit verbundenen Leben weckt. Die Verlobung gehört in den Kontext eines intensiven Evangelisierungsprozesses. Denn im Leben der Verlobten und zukünftigen Gatten tauchen Fragen auf, die sich auf die Familie auswirken. Deshalb sollen sie verstehen, was verantwortungsbewußte und reife Liebe der Lebens- und Liebesgemeinschaft bedeutet, die einmal ihre Familie sein wird, eine wahre Hauskirche, die zur Bereicherung der ganzen Kirche beitragen soll. Die Vorbereitung schließt aufgrund ihrer wichtigen Bedeutung einen Evangelisierungsprozeß ein, der Reifung und Fortschritt im Glauben ist. Wenn der Glaube nur schwach, ja fast gar nicht vorhanden ist (vgl. Familiaris consortio, Nr. 68), ist es notwendig, ihn wiederzubeleben, und man darf eine anspruchsvolle und geduldige Unterweisung nicht ausschließen, die einen eifrigen und lebendigen Glauben weckt und nährt. Vor allem dort, wo das Umfeld heidnisch geworden ist, wird ein „einem Katechumenat vergleichbarer Glaubensweg“ (Familiaris consortio, Nr. 66) besonders ratsam sein, und eine Vorstellung der christlichen Grundwahrheiten, die Braut und Bräutigam helfen, die Reife des Glaubens zu erlangen oder zu stärken. Es wäre wünschenswert, wenn sich der bevorzugte Augenblick der Vorbereitung auf die Ehe im Zeichen der Hoffnung in eine Neuevangelisierung für die zukünftigen Familien verwandelt. 3. Die Lehraussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (Gaudium et spes, Nr. 52), die Weisungen des Päpstüchen Lehramts (Familiaris consortio, Nr. 66) und die kirchliche Gesetzgebung (Codex Iuris Canonici, can. 1063; Codex Cano-num Ecclesiarum Orientalium, can. 783), der Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 1632) und andere Verlautbarungen des päpstlichen Lehramts wie zum Beispiel die Charta der Familienrechte bringen die obengenannte Sorge deutlich zum Ausdruck. Die beiden jüngsten Verlautbarungen des päpstlichen Lehramts (der Brief an die Familien Gratissimam sane und die Enzyklika Evangelium vitae) stellen eine beträchtliche Hilfe für unsere Aufgabe dar. Der Päpstliche Rat für die Familie hat, wie gesagt, unter Berücksichtigung der wiederholt vorgetragenen Sorgen die Überlegungen zu diesem Thema eingeleitet und sich hauptsächlich „auf die Vorbereitungsseminare“ im Sinne des Apostolischen Schreibens Familiaris consortio konzentriert. Bei der Abfassung des vorliegenden Dokuments ist er wie folgt vorgegangen. 1029 KONGREGATIONEN UND RÄTE Im Jahr 1991 befaßte sich der Rat auf seiner Vollversammlung (30. September - 5. Oktober) mit dem Thema der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe. Das Präsidium des Päpstlichen Rates für die Familie und die zu ihm gehörenden Ehepaare hatten zahlreiches Material vorgelegt, so daß ein erster Entwurf ausgearbeitet werden konnte. Daraufhin wurde für den Zeitraum vom 8.-13. Juli 1992 eine Arbeitsgruppe aus Bischöfen, Beratern und Fachleuten einberufen, die den zweiten Entwurf erstellten. Dieser Entwurf wurde dann den Bischofskonferenzen zugeschickt mit der Bitte um ergänzende Anregungen und Beiträge. Eine Arbeitsgruppe prüfte 1995 die in großer Zahl eingegangenen Antworten und angemessenen Vorschläge und verwertete sie für den folgenden Entwurf. Nun stellt der Päpstliche Rat für die Familie Richtlinien vor, die als Grundlage für die pastorale Tätigkeit im Hinblick auf die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe dienen sollen. Sie sollen den Bischofskonferenzen bei der Abfassung ihres Direktoriums eine Hilfe sein und zu einem größeren pastoralen Einsatz in den Diözesen, Pfarreien und apostolischen Bewegungen ermutigen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 66). 4. Die ,Magna Charta“ für die Familien, die das erwähnte Apostolische Schreiben Familiaris consortio darstellt, hat eines bereits deutlich aufgezeigt: „Die inzwischen eingetretenen Veränderungen im sozialen Gefüge fast aller modernen Staaten erfordern jedoch, daß nicht nur die Familie, sondern auch die Gesellschaft und die Kirche daran mitwirken, die jungen Menschen auf die Verantwortung für ihre Zukunft richtig vorzubereiten. (...) Darum muß die Kirche bessere und intensivere Programme zur Ehevorbereitung entwickeln und fördern, um die Schwierigkeiten möglichst zu beseitigen, mit denen so viele Ehen zu ringen haben, vor allem aber auch, um die Bildung und das Heranreifen von geglückten Ehen positiv zu unterstützen“ (Familiaris consortio, Nr. 66). Der Codex des kanonischen Rechtes verpflichtet zu einer „persönlichen Vorbereitung auf die Eheschließung, durch welche die Brautleute in die Heiligkeit und in die Pflichten ihres neuen Standes eingeführt werden“ (CIC can. 1063, 2; CCEO can. 783 § 1). Diese Verordnung ist auch im Ordo celebrandi matrimonium (= OCM 12) zu finden. In seiner Ansprache vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie (4. Oktober 1991) fügte der Papst hinzu: „Je mehr es durch die Umwelt erschwert wird, die Wahrheit über das christliche Sakrament, ja über die Ehe selbst zu erfassen, desto größere Bemühungen sind notwendig, um die Brautleute auf ihre Verantwortung angemessen vorzubereiten“. Und der Papst sprach weiterhin ganz konkret von den Ehevorbereitungsseminaren'. „Ihr konntet feststellen, daß es angesichts der Notwendigkeit, solche Seminare in den Pfarreien anzubieten, und angesichts der positiven Ergebnisse der verschiedenen angewandten Methoden angebracht scheint, die anzuwendenden Kriterien in Form von Richtlinien oder eines Direktoriums zu verdeutlichen, um den Teilkirchen eine gute Hilfe zur Verfügung zu stellen“. Dies gilt um so mehr, da es innerhalb der Teilkirchen für einige Teile ,„des Volkes des Lebens und für das Leben1 entscheidend auf die Ver- 1030 KONGREGATIONEN UND RÄTE antwortlichkeit der Familie ankommt: eine Verantwortlichkeit, die dem der Familie eigenen Wesen - nämlich auf die Ehe gegründete Lebens- und Liebesgemein-schaft zu sein - und ihrer Sendung, ,die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen“ (Familiaris consortio, Nr. 17)“ (Evangelium vitae, Nr. 92). 5. In dieser Absicht legt der Päpstliche Rat für die Familie dieses Dokument vor, das die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe und seine Feier zum Gegenstand hat. Die vorgezeichneten Linien stellen einen Weg dar zur entfernteren, näheren und unmittelbaren Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe (vgl. Familiaris consortio, Nr. 66). Das vorgelegte Material ist in erster Linie für die Bischofskonferenzen, die einzelnen Bischöfe und ihre pastoralen Mitarbeiter in der Ehevorbereitung bestimmt. Es richtet sich aber auch - und es könnte auch gar nicht anders sein - an die Verlobten, insofern als sie Gegenstand dieser pastoralen Sorge der Kirche sind. 6. Den Verlobten, die sich in besonderen Situationen befinden, wie sie der Codex Iuris Canonici in can. 1071, 1072 und 1125 bzw. der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium in can. 789 und 814 vorsehen, wird eine besondere pastorale Aufmerksamkeit Vorbehalten sein. Die Linien, die in diesem Dokument vorgezeichnet werden, können, auch wenn sie nicht in ihrer Gesamtheit anzuwenden sind, trotzdem zur Orientierung und gebührenden Begleitung der Verlobten hilfreich sein. In Treue zum Willen und zur Lehre Christi verleiht die Kirche durch ihre Gesetzgebung, in der sie sich um jede Situation der Gläubigen sorgt, ihrer pastoralen Liebe Ausdruck. Die angebotenen Kriterien sollen eine wirksame Hilfe darstellen und dürfen daher nicht als weitere zwingende Forderungen verstanden werden. 7. Hinter der letztlich theologischen Begründung, die die Leitlinien prägt, steht die Überzeugung, daß die Ehe ein Gut ist, das in der Schöpfung ihren Ursprung hat und deshalb zutiefst in der menschlichen Natur verwurzelt ist. „Habt ihr nicht gelesen, daß der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat und daß er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein?“ (Mt 19,4-5). Deshalb trägt das, was die Kirche für Ehe und Familie wirkt, gewiß zum Wohl der Gesellschaft als solcher und zum Wohl aller Menschen bei. Denn die christliche Ehe macht, auch als Ausdruck eines neuen von Christus, dem Auferstandenen, verwirklichten Lebens, immer die Wahrheit der ehelichen Liebe deutlich und ist daher gleichsam Prophetie, die ganz klar die wahre Forderung des Menschseins verkündet: Mann und Frau sind von Anfang berufen, in der Lebens- und Liebes-gemeinschaft sowie in der Komplementarität zu leben, die die menschliche Würde der Eheleute sowie das Wohl der Kinder und der Gesellschaft erhöhen, und zwar in Verbindung mit „dem Schutz und der Förderung des Lebens (...) Aufgabe und Verantwortung aller“ (Evangelium vitae, Nr. 91). 1031 KONGREGATIONEN UND RÄTE 8. Deshalb betrachtet das vorliegende Dokument sowohl die natürlichen Wirklichkeiten des Menschen, die der göttlichen Einsetzung eigentümlich sind, als auch die besonderen Wirklichkeiten des von Christus eingesetzten Sakraments und gliedert sich konkret in drei Teile: (1) Die Bedeutung der Vorbereitung auf die christliche Ehe (2) Die Stufen oder Zeiten der Vorbereitung (3) Die Feier der Trauung. I. Die Bedeutung der Vorbereitung auf die christliche Ehe 9. Ausgangspunkt für den Weg der Vorbereitung auf die Ehe ist das Bewußtsein, daß Christus der Herr den Ehebund in der Kraft des Heiligen Geistes zum Sakrament des Neuen Bundes gemacht und erhöht hat. Das Sakrament verbindet die Eheleute mit der sich verschenkenden Liebe Christi, des Bräutigams, zur Kirche (vgl. Eph 5, 35-32), indem es sie zum Abbild dieser Liebe macht und sie an ihr teilhaben läßt. Durch den Empfang des Sakramentes gereichen die Eheleute dem Herrn zum Lob, der die eheliche Verbindung und das Leben der Christgläubigen, die es feiern, heiligt, indem es eine christliche Familie als Hauskirche und „Grund-und Lebenszelle der Gesellschaft“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 11) sowie als „Heiligtum des Lebens“ (Evangelium vitae, Nr. 92; ebenso Nm. 6, 88, 94) stiftet. Daher wird das Sakrament im Herzen des Neuen Bundes, das heißt im Ostergeheimnis, gefeiert und empfangen. Christus, der Bräutigam, der mitten unter den Seinen ist (vgl. Gratissimam sane, Nr. 18; Mt 9,15), ist die Quelle aller Kraft, so daß die christlichen Eheleute und Familien weder einsam noch verlassen sind. Für die Christen schließt die Ehe, die ihren Ursprung in Gott dem Schöpfer hat, darüber hinaus die Berufung zu einem besonderen Stand und Gnadenleben ein. Um diese Berufung zu ihrer vollen Reife führen zu können, ist eine angemessene und besondere Vorbereitung nötig. Die Berufung zur Ehe ist ein besonderer Weg des Glaubens und der Liebe, zumal sie zum Wohl der Kirche und der Gesellschaft an die Eheleute ergeht: und dies mit der ganzen Bedeutung und Kraft einer öffentlichen Verpflichtung, die sie vor Gott und der Gesellschaft eingehen und die die Grenzen des einzelnen übersteigt. 10. Trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten birgt die Ehe als Lebens- und Lie-besgemeinschaft sowohl als natürlich-göttliche Institution als auch als Sakrament immer in sich eine Quelle von beträchtlichen Energien (vgl. Familiaris consortio, Nr. 43). Die Brautleute können dank dieser Quelle durch ihr Zeugnis zu einer Guten Nachricht werden, in starkem Maß zur Neuevangelisierung beitragen und die Zukunft der Gesellschaft sichern. Die Brautleute und die kirchliche Gemeinschaft müssen diese Energien allerdings in der Phase, die der Feier der Trauung vorausgeht und ihre Vorbereitung darstellt, entdecken, schätzen und aufwerten. Viele Diözesen in der Welt bemühen sich um neue Formen für eine immer angemessenere Ehevorbereitung. Dem Päpstlichen Rat für die Familie wurden zahlrei- 1032 KONGREGATIONEN UND RÄTE che positive Erfahrungen weitergeleitet. Sie werden sich zweifellos immer mehr festigen und eine wirksame Hilfe darstellen, wenn sie in den Bischofskonferenzen und jedem Bischof bekannt sind und in der Pastoral der Ortskirche geschätzt werden. Was hier Vorbereitung genannt wird, umfaßt einen umfangreichen und anspruchsvollen Erziehungsprozeß zum Eheleben, das in der Gesamtheit seiner Werte zu betrachten ist. Berücksichtigt man die augenblickliche psychologische und kulturelle Situation, so erscheint die Vorbereitung auf die Ehe als dringende Notwendigkeit. Denn Ehevorbereitung heißt Erziehung zur Achtung vor dem Leben und zum Schutz des Lebens, das im Heiligtum der Familien für die zu einer wahren und eigentlichen Kultur des menschlichen Lebens in allen seinen Äußerungen und Stadien werden muß, die zum Volk des Lebens und für das Leben gehören (vgl. Evangelium vitae, Nm. 6, 78, 105). Die Wirklichkeit der Ehe ist so reichhaltig, daß sie zuerst einen Sensibilisierungsprozeß erfordert, damit die Verlobten die Notwendigkeit verspüren, sich darauf vorzubereiten. In der Familienpastoral geht es daher darum, sich um eine Verbesserung dieser Vorbereitung zu bemühen, wobei die Hilfen einer gesunden Pädagogik und Psychologie zu berücksichtigen sind. Mit einem anderen vom Päpstüchen Rat für die Familie vor kurzem veröffentlichten Dokument Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung. Orientierungshilfen zur Erziehung in der Familie (8. Dezember 1995) kommt der Rat den Familien in ihrer Aufgabe der Sexualerziehung der Kinder entgegen. 11. Schließlich wurde die Sorge der Kirche auf diesem Gebiet aufgrund der bereits angedeuteten Umstände immer drängender. Dabei stellt sie einerseits zwar die Wiedergewinnung von wichtigen Werten und Gesichtspunkten der Ehe und Familie fest und sieht, wie viele Eheleute und christliche Familien mit ihrem Leben ein freudiges Zeugnis geben. Andererseits steigt aber die Zahl derjenigen, die den Wert der Ehe nicht kennen oder ablehnen und ihr mit Mißtrauen begegnen, das sogar soweit führt, daß sie ihre Güter und Werte bezweifeln oder zurückweisen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 48). Heute stellt man leider die besorgniserregende Verbreitung einer „Kultur“ oder Mentalität des Mißtrauens gegenüber der Familie als notwendigem Wert für die Eheleute, Kinder und die Gesellschaft fest. Die Gesetzgebung sieht Haltungen und Maßnahmen vor, die die auf der Ehe gegründete Familie nicht unterstützen und sogar ihre Rechte leugnen. In verschiedenen Teilen der Welt breitet sich in der Tat eine säkularisierte Atmosphäre aus. Sie zieht besonders die jungen Menschen in ihren Bann und unterwirft sie dem Druck einer säkularisierten Umwelt, in der man letztlich den Sinn für Gott verliert und demzufolge auch den tiefen Sinn der ehelichen Liebe und der Familie. Heißt dies nicht, Gott zu leugnen, den Ursprung und die Quelle dieses inneren Geheimnisses auszuschließen? (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Die Leugnung Gottes in ihren verschiedenen Formen bringt oft die Ablehnung der Institutionen und Strukturen mit sich, die zum Plan Gottes gehören, der mit der Schöpfung begonnen hat und sich seitdem verwirklicht (vgl. Mt 19,3 ff.). In dieser Sicht wird alles als vom Willen des 1033 KONGREGATIONEN UND RÄTE Menschen abhängig gesehen und/oder von Mehrheitsbeschlüssen, die veränderlich sind. 12. In den Ländern, in denen der Prozeß der Entchristlichung ein starkes Ausmaß angenommen hat, zeichnet sich eine besorgniserregende Krise der moralischen Werte ab, insbesondere ein Identitätsverlust der christlichen Ehe und Familie und damit der Bedeutungsverlust der Verlobung. Zu diesem Identitätsverlust tritt eine Wertkrise innerhalb der Familie, zu der eine allgemeine, auch gesetzliche, Freizügigkeit beiträgt. Diese Freizügigkeit wird nicht gerade wenig von den sozialen Kommunikationsmitteln geschürt, insofern diese entgegengesetzte Modelle vorgeben, als ob sie wahre Werte darstellten. So hat sich eine dem Anschein nach kulturelle Struktur gebildet, die sich den neuen Generationen als Alternative zum christlichen Verständnis des Ehelebens und der Eheschließung, zu ihrem sakramentalen Wert und ihrer Verbindung zur Kirche darbietet. Die Phänomene, die diese Wirklichkeit bestätigen und die genannte Kultur bestärken, hängen mit neuen Lebensstilen zusammen, die die menschlichen Dimensionen der Partner herabsetzen, was für die Familie verheerende Folgen hat. An dieser Stelle soll auf einige Folgen hingewiesen werden: sexuelle Freizügigkeit, Rückgang der Eheschließungen oder das ständige Hinauszögem der Entscheidung, Anstieg der Ehescheidungen, Empfängnisverhütung, Anstieg willentlicher Abtreibungen, geistliche Leere und tiefe Unzufriedenheit, die zur Verbreitung von Drogen, Alkoholmißbrauch, Gewalt und Selbstmord unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen führen. In anderen Gebieten der Erde bedrohen Unterentwicklung, äußerste Armut, Elend oder kulturelle Gegebenheiten, die dem christlichen Verständnis widersprechen oder fremd sind, die Festigkeit der Familie und behindern und erschweren eine umfassende Erziehung zur christlichen Liebe. 13. Die freizügigen Gesetze verschlimmern diese Situation nur noch, da sie, was Ehescheidung, Abtreibung und sexuelle Freizügigkeit angehen, mit aller Macht eine Mentalität einhämmem, die die Familie schwer verletzt (vgl. Evangelium vi-tae, Nr. 59). Viele Kommunikationsmittel1 verbreiten ein Klima der Freizügigkeit und tragen zu seiner Festigung bei. So schaffen sie eine Struktur, die eine normale Entwicklung der Jugendlichen im christlichen Glauben, die Verbindung zur Kirche sowie die Erkenntnis des sakramentalen Charakters der Ehe und der mit der Feier der Trauung verbundenen Verpflichtung verhindern. Die Vorbereitung auf die Ehe war zwar schon immer notwendig, aber die christliche Kultur erleichterte früher Ansatz und Aufnahme dieser Vorbereitung. Heute ist sie zum Teil mühevoller und dringlicher. ' Dabei handelt es sich um eines der Themen, die bei dem vom Päpstlichen Rat für die Familie in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel durchgeführten Treffen vom 2.-4. Juni 1993 behandelt wurden. 1034 KONGREGATIONEN UND RÄTE 14. Aus all diesen Gründen hat Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio - das die Ergebnisse der Synode über die Familie (1980) aufgreift - darauf hingewiesen: „Notwendiger als je zuvor ist heute die Vorbereitung der jungen Menschen auf die Ehe und das Familienleben. (...) Darum muß die Kirche bessere und intensivere Programme zur Ehevorbereitung entwickeln und fördern, um Schwierigkeiten möglichst zu beseitigen, mit denen so viele Ehen zu ringen haben, vor allem aber auch um die Bildung und das Heranreifen von geglückten Ehen positiv zu unterstützen“ (Familiaris consortio, Nr. 66). In diesem Sinne und mit dem Ziel, organisch auf die Bedrohungen und Anforderungen der augenblicklichen Stunde zu antworten, ist es zu wünschen, daß die Bischofskonferenzen sich um die Veröffentlichung eines Leitfadens für Familien-pastoral sorgen“ (ebd.). Darin sollen die für eine wirkungsvollere Pastoral notwendigen Fragen behandelt und skizziert werden. Es geht dabei um eine Pastoral, die die Identität der christlichen Ehe und Familie wiedergewinnt, damit die Familie wieder zu einer Gemeinschaft von Personen im Dienst am menschlichen Leben und am Glauben wird, zur ersten Lebenszelle der Gesellschaft, zu einer wirklich glaubenden und evangelisierenden Gemeinschaft, zu einer wirklichen „Hauskirche, einem Ort der Gemeinschaft und des kirchlichen Dienstes“ {ebd.). „Als Hauskirche ist die Familie aufgerufen, das Evangelium vom Leben zu verkünden, zu feiern und ihm zu dienen“ {Evangelium vitae, Nr. 92; vgl. auch ebd., Nm. 28, 78, 79, 105). 15. Der Päpstliche Rat für die Familie hat die verschiedenen Initiativen vieler Bischofskonferenzen und Diözesanbischöfe in dieser Richtung zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Da es sich dabei um ein wichtiges Thema handelt, ruft er sie auf, diesen pastoralen Dienst mit neuem Einsatz fortzusetzen. Sie haben nützliches Material für die Ehevorbereitung und die Begleitung der Verheirateten bereitgestellt. In Anlehnung an die Leitlinien des Heiligen Stuhls legt der Päpstliche Rat für die Familie nun diese Anregungen zur Überlegung vor, die sich ausschließlich auf einen Teil des obengenannten Direktoriums beziehen-, auf den Teil, der von der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe handelt. Die Überlegungen können so dazu dienen, die für die angemessene Vorbereitung auf die christliche Ehe und das Familienleben notwendigen Gesichtspunkte besser vorzuzeichnen und zu entfalten. 16. Wie aus dem in der Tradition der Kirche lebendigen und vom Lehramt ausgelegten Wort Gottes deutlich hervorgeht, setzt die Ehe für die christlichen Eheleute die Antwort auf die göttliche Berufung und die Zustimmung zur Sendung voraus, nämlich Zeichen der Liebe Gottes für alle Glieder der Menschheitsfamilie zu sein, insofern die Ehe Teilhabe am endgültigen Bund Christi mit der Kirche ist. Daher werden die Eheleute im Geschenk der Liebe und des Lebens zu Mitarbeitern des Schöpfers und Erlösers. Deshalb kann man die Vorbereitung auf die christliche Ehe als einen Weg des Glaubens bezeichnen, der nicht mit der Feier der Trauung 1035 KONGREGATIONEN UND RÄTE beendet ist, sondern sich im ganzen Familienleben fortsetzt. Infolgedessen beschränkt sich unsere Sicht nicht auf die Trauung als einmaligen Akt, auf den Augenblick der Feier, sondern auf die Ehe als fortwährenden Stand. Auch aus diesem Grund ist die Ehevorbereitung eine „hervorragende Gelegenheit, daß die Verlobten den Glauben, den sie in der Taufe empfangen und während ihrer christlichen Erziehung entfaltet haben, neu entdecken und vertiefen. Auf diese Weise anerkennen sie und übernehmen sie in Freiheit die Berufung, im Ehestand Christus nachzufolgen und dem Reich Gottes zu dienen“ (Familiaris consortio, Nr. 51). Die Bischöfe sind sich bewußt, wie dringend und unentbehrlich es ist, im Rahmen eines stufenweisen und ständigen Bildungsprozesses besondere Vorbereitungswege anzugeben und zur Sprache zu bringen (vgl. Ordo celebrandi matrimonium, 15). Man sollte in der Tat daran erinnern, daß die wahre Vorbereitung auf eine bewußte und willentliche Feier des Ehesakraments zielt. Diese Feier ist aber Quelle und Ausdruck von anspruchsvollen und fortwährenden Verpflichtungen. 17. Wie die Erfahrung vieler Hirten und Erzieher lehrt, kann die Verlobungszeit eine Zeit des gegenseitigen Kennenlemens sein, aber auch der Vertiefung des Glaubens und daher eine Zeit von besonderen übernatürlichen Gaben für eine persönliche und zwischenmenschliche Spiritualität; leider kann der unverantwortliche Umgang mit der Sexualität, der nicht zur Reifung in der bräutlichen Liebe beiträgt, bei vielen das menschliche und christliche Heranreifen, für das diese Zeit bestimmt ist, beeinträchtigen. Und so kommt es, daß manchmal sogar eine gewisse Apologie der vorehelichen Beziehungen betrieben wird. Ob bei den Verlobten die Vertiefung im Glauben glückt und gelingt, hängt auch mit ihrer Vorbildung zusammen. Andererseits hat die Art und Weise, wie diese Zeit gelebt wird, sicherlich einen Einfluß auf das zukünftige Ehe- und Familienleben. Von daher ist die Hilfe, die die jeweiligen Familien und die ganze Gemeinschaft der Kirche den Verlobten anbieten, von entscheidender Bedeutung. Diese besteht nämlich auch im Gebet; von Bedeutung ist in dieser Hinsicht auch der im Benediktionale (De benedictionibus, Nr. 195-214) vorgesehene Segen über die Verlobten, worin auch an die Zeichen dieser anfänglichen Verpflichtung erinnert wird: den Ring, die gegenseitigen Geschenke oder andere Gebräuche (ebd Nr. 209-210). Man muß jedenfalls die menschliche Dimension der Verlobung anerkennen und sie von jeder Banalisierung befreien. Der Grund für die Notwendigkeit einer besonders gründlichen Vorbereitung liegt sowohl im Wert der Ehe und des Ehesakraments als auch in der entscheidenden Bedeutung der Verlobungszeit. Letztere wird heute leider oft über mehrere Jahre hingezogen, was mit den Schwierigkeiten verschiedener Art verbunden ist, die eine derartige Situation mit sich bringt. 18. Demzufolge muß die Erziehungsaufgabe in der Programmplanung der Diözese und der Pfarrei einen angemessenen Raum einnehmen und sich entfalten können. Darüber hinaus sollen die besten Erfahrungen in einem Austausch der pastoralen 1036 KONGREGATIONEN UND RÄTE Erfahrungen unter den einzelnen Diözesen und im Rahmen der Bischofskonferenzen geprüft und weitergegeben werden können. In diesem Rahmen sind Pastoral-pläne zu erstellen, die die Familienpastoral bevorzugen, die das gesamte kirchliche Leben bereichert. Deshalb erweist es sich ebenfalls als wichtig, daß man die Formen von Katechese und Erziehung für die Heranwachsenden kennt; darüber hinaus sollte man aber auch über die verschiedenen Arten von Berufungen und die christliche Liebe sowie über die Wege der Vorbereitung der Verlobten, die Formen, unter denen die im Glauben fortgeschrittenen Eheleute in diese Vorbereitung integriert werden, unterrichtet sein; schließlich sollte man die besten Methoden kennen, um für die jungen Menschen, die sich auf die Ehe vorbereiten, eine geeignete geistliche und kulturelle Atmosphäre zu schaffen. 19. Wie auch das Apostolische Schreiben Familiaris consortio sagt, gilt es drei hauptsächliche Stufen oder Momente in der Ehevorbereitung zu unterscheiden: die entferntere, die nähere und die unmittelbare Vorbereitung. Die besonderen und jeder Stufe eigenen Ziele werden erreicht, wenn die Verlobten - außer den elementaren menschlichen Eigenschaften und den Grundwahrheiten des Glaubens - auch die wesentlichen theologisch-liturgischen Inhalte kennen, die die verschiedenen Phasen der Vorbereitung kennzeichnen. Demzufolge werden die Verlobten in der Bemühung, ihr Leben mit jenen Werten abzustimmen, jene wahre Bildung erwerben, die sie auf das Eheleben vorbereitet. 20. Die Vorbereitung auf die Ehe muß sich in die Bemühungen einfügen, die Kultur in ihren Wurzeln zu evangelisierem (vgl. Apostolisches Schreiben Evange-lii nuntiandi, Nr. 19) in allem, was die Ehe als Institution betrifft: den christlichen Geist in Denken und Verhalten sowie in die Gesetze und Strukturen der Gesellschaft, in der die Christen leben, einprägen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2105). Diese implizite oder explizite Vorbereitung ist ein Aspekt der Evangelisierung, so daß man die Gültigkeit der Aussage des Heiligen Vaters bekräftigen kann: „Die Familie ist das Herz der Neuevangelisierung.“ Die Vorbereitung „ist vor allem Aufgabe der Eheleute, die berufen sind, das Leben weiterzugeben auf der Grundlage eines immer wieder erneuerten Bewußtseins vom Sinn der Zeugung als bevorzugtem Ereignis, in dem offenbar wird, daß das menschliche Leben ein Geschenk ist, um seinerseits weitergeschenkt zu werden“ (Evangelium vitae, Nr. 92). Neben den religiösen Werten vermittelt die Ehe als Grundlage der Familie der Gesellschaft zahlreiche Güter und Werte, die die Solidarität, die Achtung, die Gerechtigkeit und die Vergebung in persönlichen und gemeinschaftlichen Beziehungen festigen. Die auf der Ehe gegründete Familie erwartet ihrerseits von der Gesellschaft „in ihrer Identität anerkannt und in ihrer sozialen Subjektivität angenommen zu werden“ (Gratissimam sane, Nr. 17), um so das „Herz der Zivilisation der Liebe“ (ebd., Nr. 13) zu bilden. 1037 KONGREGATIONEN UND RÄTE Jede Diözese muß sich um die Erfüllung dieser Aufgabe bemühen und die gebührende Unterstützung anbieten. Ideal wäre es, wenn sie eine Diözesankommission für Ehevorbereitung einrichten würde, die durch eine Gruppe für Familienpastoral aus Eheleuten mit Pfarreierfahrung, Bewegungen und Fachleuten zu ergänzen wäre. Aufgabe dieser Diözesankommission wäre die Bildung, Begleitung und Koordination auf verschiedenen Ebenen, und zwar in Zusammenarbeit mit Zentren, die in diesem Bereich tätig sind. Die Kommission sollte ihrerseits aus verschiedenen Teams von ausgewählten Laien bestehen, die bei der Ehevorbereitung im weitesten Sinn mitwirken und nicht nur bei der Durchführung von Seminaren. Die Kommission müßte über einen Koordinator - in der Regel ein vom Bischof beauftragter Priester - verfügen. Wird die Koordinierung einem Laien oder einem Ehepaar übertragen, so wäre es gut, wenn ihm ein Priester zur Seite stünde. All dies fällt unter den organisatorischen Bereich der Diözese mit ihren entsprechenden Strukturen oder möglichen Gebieten, für die ein Bischofsvikar oder die Dekane zuständig sind. II. Die Stufen oder Zeiten der Vorbereitung 21. Die Stufen oder Momente der Vorbereitung, von denen die Rede sein wird, lassen sich nicht streng definieren. Denn man kann sie weder im Hinblick auf das Alter der Adressaten noch in bezug auf die Dauer eindeutig bestimmen. Trotzdem ist es hilfreich, wenn man sie - vor allem im Hinblick auf die zu vermitteltenden Inhalte - als Wege und Arbeitsinstrumente kennt. Sie unterteilen sich in entferntere, nähere und unmittelbare Vorbereitung. A. Die entferntere Vorbereitung 22. Die entferntere Vorbereitung umfaßt die frühe Kindheit, das Kindesalter und die Jugendzeit und erfolgt hauptsächlich in der Familie, aber auch in der Schule und in den Ausbildungsgruppen, die sich in dieser Hinsicht als wertvolle Hilfen erweisen können. In dieser Zeit wird sowohl in den interpersonalen als auch in den gesellschaftlichen Beziehungen die Achtung für jeden wahren menschlichen Wert vermittelt und gleichsam eingeflößt, und zwar mit allem, was dies für die Charakterbildung, die Selbstbeherrschung, die Selbstachtung, den rechten Umgang mit den eigenen Neigungen, den Respekt vor den Personen des anderen Geschlechts mit sich bringt. Insbesondere für die Christen wird darüber hinaus eine solide spirituelle und katechetische Ausbildung gefordert (vgl. Familiaris consortio, Nr. 66). 23. Im Brief an die Familien Gratissimam sane erinnert der Papst an zwei Grundwahrheiten der Erziehung: ,Die erste ist, daß der Mensch zum Leben in der Wahrheit und in der Liebe berufen ist; die zweite Grundwahrheit besagt, daß sich jeder 1038 KONGREGATIONEN UND RÄTE Mensch durch die aufrichtige Hingabe seiner Selbst verwirklicht“ (Nr. 16). Die Kindererziehung beginnt demzufolge schon vor der Geburt, in dem Umfeld, in dem das neue Leben des Ungeborenen erwartet und angenommen wird, und zwar insbesondere im Dialog der Liebe der Mutter mit der Frucht ihres Leibes (vgl. ebd., Nr. 16), und setzt sich in der frühen Kindheit fort, da die Erziehung „eine ,Beschenkung‘ mit Menschlichkeit seitens beider Elternteile [ist]. Sie vermitteln gemeinsam ihre reife Menschlichkeit an das Neugeborene“ {ebd.). „Bei der Zeugung eines neuen Lebens werden die Eltern gewahr, daß ihr Kind, ,wenn es Frucht ihrer gegenseitigen Schenkung aus Liebe ist, seinerseits ein Geschenk für beide ist: eine Gabe, die der Gabe entspringt1“ {Evangelium vitae, Nr. 92). Die christliche Erziehung in ihrer ganzen Bedeutung, die die Weitergabe und Verwurzelung der menschlichen und christlichen Werte einschließt, „erstrebt -wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt - nicht nur die eben umrissene Reifung der menschlichen Person, sondern zielt hauptsächlich darauf ab, daß die Getauften, indem sie allmählich in das Heilsmysterium eingeführt werden, der empfangenen Gabe des Glaubens immer mehr bewußt werden (...) und ihr eigenes Leben nach dem neuen Menschen in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit (vgl. Eph 4,22-24) gestalten“ {Gravissimum educationis, Nr. 2). 24. In dieser Zeit darf eine aufrichtige und mutige Erziehung zur Keuschheit, zur Liebe als Selbsthingabe nicht fehlen. Die Keuschheit ist keine Abtötung der Liebe, sondern Voraussetzung für wahre Liebe. Denn wenn die Berufung zur ehelichen Liebe Berufung zur Selbsthingabe in der Ehe ist, ist die Selbstbeherrschung notwendig, um sich wirklich hingeben zu können. In dieser Hinsicht ist die Geschlechtserziehung, die die Eltern in den ersten Jahren der Kindheit und der Jugend vermitteln, von besonderer Bedeutung, wie das obenerwähnte Dokument (vgl. Anmerkung 10) des Päpstlichen Rates für die Familie es bereits deutlich gemacht hat. 25. In dieser Zeit oder Stufe der entfernteren Vorbereitung sind spezielle Ziele zu erreichen. Ohne den Anspruch zu erheben, hier eine erschöpfende Aufzählung vorzulegen, soll hier nur darauf hingewiesen werden, daß diese Vorbereitung vor allem ein Ziel erreichen muß: Jeder zur Ehe berufene Gläubige soll zutiefst verstehen, daß die menschliche Liebe im Licht der Liebe Gottes in der christlichen Ethik einen zentralen Platz einnimmt. Denn der Mensch ist seiner Berufung und Sendung nach zur Liebe gerufen, die ihren Ursprung und ihr Ziel in Gott hat, „ohne dabei die Möglichkeit einer Ganzhingabe an Gott in der Berufung zum Priesteroder Ordensleben auszuschließen“ {Familiaris consortio, Nr. 66). In diesem Sinn ist daran zu erinnern, daß die entferntere Vorbereitung, auch wenn sie sich hauptsächlich auf die theologisch-anthropologischen Inhalte konzentriert, in eine Sicht der Ehe einzuordnen ist, in der die menschliche Liebe nicht nur als Zeichen, sondern auch als Teilhabe an der Liebe zwischen Christus und seiner Kirche erscheint. Die eheliche Liebe macht demzufolge die in der Erlösung sichtbar gewor- 1039 KONGREGATIONEN UND RÄTE dene Liebe Gottes unter den Menschen gegenwärtig. Der Übergang oder die Bekehrung von einem äußerlichen und vagen Glauben, wie ihn heute viele jungen Menschen besitzen, zur Entdeckung des „christlichen Geheimnisses“ ist grundlegend und entscheidend, das heißt ein Glaube, der die Gnaden- und Liebesgemein-schaft mit Christus dem Auferstandenen einschließt. 26. Die entferntere Vorbereitung erreicht ihre grundlegenden Ziele, wenn sie die Grundlagen für eine immer bessere Aneignung der Kriterien für ein richtiges Urteil über die Hierarchie der Werte zu legen vermag. Diese ist notwendig, um das wählen zu können, was die Gesellschaft an Gutem anbietet, gemäß dem Rat des heiligen Paulus: „Prüft alles, und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21). Man darf nicht vergessen, daß die Liebe nicht nur durch die Gnade Gottes gepflegt, gestärkt und vermehrt wird, sondern auch Werte wie Hingabe, Opfer, Verzicht und Abtötung notwendig sind. Bereits in dieser Vorbereitungsphase muß die Seelsorge darauf zielen und bewirken, daß das sittliche Verhalten vom Glauben getragen wird. Ein derartiger christlicher Lebensstil findet seinen Ansporn, Rückhalt und seine Beständigkeit im Beispiel der Eltern, das für die Brautleute ein wahres Zeugnis ist. 27. In dieser Zeit der Vorbereitung darf man eine sehr wichtige Tatsache nicht aus den Augen verlieren: daß den Jugendlichen geholfen werden muß, gegenüber ihrem Umfeld eine kritische Einstellung zu erwerben und den Mut eines Christen zu besitzen, der in der Welt zu leben vermag, ohne von der Welt zu sein. In diesem Sinn lesen wir in dem Brief an Diognet, einem erhabenen und ehrwürdigen Zeugnis aus frühchristlicher Zeit: „Die Christen nämlich sind weder durch ein Land, noch durch Sprache, noch durch Sitten von den übrigen Menschen verschieden. (...) [Trotzdem] legen sie anerkanntermaßen eine wunderbare Beschaffenheit ihrer Lebensführung an den Tag. (...) Sie heiraten wie alle und bekommen Kinder, aber sie setzen die Neugeborenen nicht aus. Einen gemeinsamen Tisch stellen sie auf, aber nicht ein gemeinsames Bett. Sie leben im Fleisch, aber nicht nach dem Fleisch“ (V, 1, 4, 6, 7). Die Ausbildung muß daher eine Mentalität und Persönlichkeit schaffen, die in der Lage ist, sich nicht von der Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe widersprechenden Auffassungen mitreißen zu lassen, sondern vielmehr den Strukturen der sogenannten sozialen Sünde entgegenzuwirken. Denn letztere „wirkt sich mehr oder weniger heftig und zum größeren oder kleineren Schaden aus auf die gesamte kirchliche Gemeinschaft und auf die ganze menschliche Familie“ (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 16). Angesichts dieser Auswirkungen der Sünde und des großen sozialen Drucks muß ein kritisches Bewußtsein geschaffen und bestärkt werden. 28. Ein weiteres Ziel der entfernteren Vorbereitung ist die Einführung in die erzieherische Sendung durch die eigenen Eltern. Denn der von den christlichen Hausgemeinschaften bezeugte christliche Lebensstil ist bereits eine Evangelisierung und bildet die Grundlage dieser Vorbereitung. In der Familie als Hauskirche sind die Eltern nämlich die ersten Zeugen und Erzieher ihrer Kinder sowohl was das 1040 KONGREGATIONEN UND RÄTE Wachstum in „Glauben, Hoffnung und Liebe“ betrifft als auch in bezug auf die Erkenntnis und Annahme der Berufung eines jeden von ihnen. „Die Eltern sind die ersten und hauptsächlichen Erzieher der eigenen Kinder und haben auch in diesem Bereich grundlegende Zuständigkeit, sie sind Erzieher, weil sie die Eltern sind“ (Gratissimam sane, Nr. 16). Zu diesem Zweck haben die Eltern wertvolle und angemessene Hilfe nötig. 29. Zu diesen Hilfen muß man zuallererst die Pfarrei als Ort der christlich-kirchlichen Unterweisung zählen; dort lernt man einen Stil des Zusammenlebens in der Gemeinde (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 42). Darüber hinaus sind die Schule, die anderen Bildungseinrichtungen, die Bewegungen, Gruppen, katholischen Verbände und natürlich die christlichen Familien selbst nicht zu vergessen. Eine besondere Bedeutung für die Erziehungsprozesse der Jugendlichen besitzen die Massenmedien. Sie sollten die Sendung der Familie in der Gesellschaft positiv unterstützen und dürften sie nicht geradezu in Schwierigkeiten bringen. 30. Dieser Erziehungsprozeß muß auch den Katecheten am Herzen liegen sowie den Verantwortlichen in der Jugend- und Berufungspastoral, vor allem aber den Hirten. Letztere sollen verschiedene Anlässe (Predigt während der liturgischen Feiern, andere Formen der Evangelisierung, persönliche Gespräche, Wege für christliches Engagement) nutzen, um die Punkte hervorzuheben und zu betonen, die zur Vorbereitung auf eine mögliche Ehe beitragen (vgl. Ordo celebrandi ma-trimonium, 14). 31. Infolgedessen muß man Formen einer ständigen Fortbildung der Heranwachsenden in der Zeit vor der Verlobung und nach den Stufen der christlichen Initiation „erfinden“; der Austausch der in dieser Hinsicht angemessenen Erfahrungen ist daher höchst nützlich. Die Familien, die sich in Pfarreien, Institutionen oder anderen Formen des Zusammenschlusses vereinigt haben, helfen, ein soziales Umfeld für verantwortliche Liebe in Reinheit zu schaffen. Wo die Liebe zum Beispiel aber durch Pornographie verschmutzt ist, können sie kraft der Familienrechte ein-schreiten. All dies gehört zur sogenannten „Humanökologie“ (vgl. Centesimus an-nus, Nr. 38). B. Die nähere Vorbereitung 32. Die nähere Vorbereitung erfolgt in der Verlobungszeit. Sie besteht aus verschiedenen Kursen und unterscheidet sich von der unmittelbaren Vorbereitung, die sich in der Regel auf die letzten Gespräche der Verlobten mit den Seelsorgern vor der Feier des Ehesakraments konzentriert. Den Brautleuten soll bei der näheren Vorbereitung die Möglichkeit geboten werden, zu prüfen, inwieweit sie in jenen menschlichen Werten gereift sind, die der Freundschaft und dem Dialog eigen sind, wie sie die Verlobung kennzeichnen. Im Hinblick auf den neuen Lebensstand, in dem man als Ehepaar leben wird, soll die Gelegenheit geboten werden, 1041 KONGREGATIONEN UND RÄTE das Glaubensleben und vor allem die Kenntnis über die Sakramentalität der Kirche zu vertiefen. Es handelt sich dabei um einen wichtigen Abschnitt für die Evangelisierung, in dem der Glaube die persönliche und gemeinschaftliche Dimension sowohl der Verlobten als auch ihrer Familien umfassen muß. Im Rahmen dieser Vertiefung ist es auch möglich, über ihre möglichen Schwierigkeiten bei der Führung eines wahren christlichen Lebens zu sprechen. 33. Diese Zeit der Vorbereitung fällt im allgemeinen in die Jugendzeit. Daher kann man alles voraussetzen, was eigentlich die Jugendpastoral tun soll, die sich um die ganzheitliche Entwicklung des Gläubigen bemüht. Die Jugendpastoral läßt sich nicht vom Bereich der Familie trennen, als ob die Jugendlichen gleichsam eine getrennte und unabhängige „soziale Schicht“ bildeten. Sie muß das soziale Bewußtsein der Jugendlichen stärken, und zwar insbesondere im Hinblick auf deren eigene Familie, wobei sie ihre Werte auf die zukünftige Familie, die sie einmal gründen werden, ausrichtet. Den Jugendlichen ist bei der Erkenntnis ihrer Berufung durch den persönlichen Einsatz, insbesondere der Hirten, und den Beistand der Gemeinde zu helfen. Dies muß allerdings noch vor der Verlobung seinen Anfang nehmen. Wird die Berufung zur Ehe konkret, so wird sie in erster Linie von der Gnade und darüber hinaus von einer angemessenen Vorbereitung getragen. In der Jugendpastoral gilt es auch zu bedenken, daß die jungen Menschen von heute aufgrund von Schwierigkeiten verschiedener Art, wie zum Beispiel die „längere Jugendzeit“ und der längere Aufenthalt in der Familie - ein neues und besorgniserregendes Phänomen -, die Eheschließung oft unnötig hinausschieben. 34. Die nähere Vorbereitung muß sich zuallererst auf eine Katechese stützen sowie auf ein immer umfassenderes Verständnis des Glaubens und ein Zeugnis im konkreten Leben zielen. Die erwähnte Katechese sollte im Hören des Wortes Gottes bestehen, das unter der Führung des kirchlichen Lehramts auszulegen ist. Die Unterweisung sollte dargeboten werden im Rahmen einer Glaubensgemeinschaft von Familien, insbesondere im Bereich der Pfarrgemeinde, die zu diesem Zweck entsprechend ihren Charismen und eigentümlichen Aufgaben an der Ausbildung der Jugendlichen teilhaben und mitwirken, indem sie ihren Einfluß auch auf andere Gruppen der Gesellschaft ausweiten. 35. Die Verlobten müssen unterrichtet werden über die natürlichen Anforderungen, die mit der interpersonalen Beziehung zwischen Mann und Frau im Plan Gottes über die Ehe und die Familie verbunden sind: das Wissen um die freie Zustimmung als Grundlage ihrer Verbindung, die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe, das rechte Verständnis von verantwortungsvoller Vater- und Mutterschaft, die menschlichen Gesichtspunkte der ehelichen Geschlechtlichkeit, den ehelichen Vollzug mit seinen Forderungen und Zielen, die richtige Kindererziehung. All dies ist auf die Erkenntnis der sittlichen Wahrheit und die persönliche Gewissensbildung hingeordnet. 1042 KONGREGATIONEN UND RÄTE In der näheren Vorbereitung ist sicherlich dafür zu sorgen, daß die Verlobten die wesentlichen psychologischen, pädagogischen, rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen für Ehe und Familie besitzen. Trotzdem muß die theologische und moralische Ausbildung eine besondere Vertiefung erfahren, insbesondere was die Ganzhingabe und die verantwortungsvolle Zeugung angeht. Denn die Liebe der Eheleute ist ganzheitliche, ausschließliche, treue und fruchtbare Liebe (vgl. Humanae vitae, Nr. 9). Die wissenschaftliche Grundlage <319> der natürlichen Methoden der Fruchtbarkeitsregelung ist heute weithin anerkannt. Ihre Kenntnis ist daher äußerst nützlich; wenn gerechte Gründe vorliegen, darf ihre Anwendung nicht bloße Verfahrenstechnik sein, sondern muß in die Pädagogik und den Reifungsprozeß der Liebe eingebettet werden (vgl. Evangelium vitae, Nr. 97). <319> Die natürlichen Methoden sind eine wertvolle Alternative, wenn Eheleute sich in ernsten (zum Beispiel gesund-heitlichen oder finanziellen) Schwierigkeiten befinden, und werden auch von einer verantwortlichen und respektvollen Bevölkerungspolitik angeboten. Der Päpstliche Rat für die Familie veranstaltete vom 9.-11. Dezember 1992 ein internationales Treffen der Förderer der natürlichen Methoden. Die Vorträge und Beiträge der Fachleute sind in dem Band Metodi naturali per la regolazione della fertilitä: Valternativa autentica veröffentlicht. Die Humanwissenschaften dienen der theologischen Überlegung, um „den anthropologischen und gleichzeitig moralischen Unterschied zu erarbeiten und zu vertiefen, der zwischen der Empfängnisverhütung und dem Rückgriff auf die Zeitwahl besteht“ (Familiaris consortio, Nr. 32). Die Tugend der ehelichen Keuschheit der Gatten führt sie zur vorübergehenden Enthaltsamkeit (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nm. 2366-2371). Die Vorbereitung wird ebenfalls gewährleisten müssen, daß die christlichen Verlobten genaue Vorstellungen und ein aufrichtiges „sentire cum ecclesia“ über die Ehe, die jeweiligen Rollen von Mann und Frau in Ehe, Familie und Gesellschaft und die Geschlechtlichkeit haben und gegenüber anderen aufgeschlossen sind. 36. Selbstverständlich muß man den Jugendlichen auch helfen, mögliche psychologische und/oder affektive Mängel zu erkennen, insbesondere die Unfähigkeit, sich auf andere hin zu öffnen, sowie die Formen von Egoismus, die ihre Fähigkeit zur Ganzhingabe zunichte machen können. Diese Hilfe wird auch zur Entdeckung der Fähigkeiten und Forderungen der menschlichen und christlichen Reifung in ihrem Leben führen. Deshalb werden sich die Verantwortlichen auch um eine gründliche Gewissensbildung der Verlobten sorgen, damit diese auf die freie und endgültige Entscheidung zur Ehe vorbereitet sind. Letztere kommt dann in dem vor der Kirche gegenseitig gegebenen Konsens, im Ehebund, zum Ausdruck. 37. In dieser Phase der Vorbereitung werden regelmäßige Treffen in einer Atmosphäre des Dialogs, der Freundschaft, des Gebetes und unter Teilnahme von Hirten und Katecheten notwendig sein. Sie sollen deutlich machen, daß ,die Familie das Evangelium vom Leben durch das tägliche Gebet, das persönliche und das Gebet in der Familie [feiert]: mit ihm lobt sie den Herrn und dankt Ihm für die Gabe des Lebens und fleht um Licht und Kraft, um mit schwierigen Situationen und Leiden fertigzuwerden, ohne die Hoffnung zu verlieren“ (Evangelium vitae, Nr. 93). Darüber hinaus können die christlichen Brautpaare, die apostolisch tätig 1043 KONGREGATIONEN UND RÄTE sind, in einem gesunden christlichen Optimismus das christliche Leben im Rahmen der Berufung zur Ehe und in der Komplementarität aller Berufungen immer deutlicher zum Vorschein bringen. Diese Zeit wird deshalb nicht nur eine theoretische Vertiefung darstellen, sondern auch einen Ausbildungsweg, auf dem sich die Verlobten mit Hilfe der Gnade und unter Meldung jeder Form von Sünde vorbereiten, sich als Ehepaar Christus zu schenken, der die Verlobung und das Eheleben trägt, reinigt und veredelt. So erhält die voreheliche Keuschheit ihren vollen Sinn und schließt das Zusammenleben vor der Ehe aus, wie auch den vorehelichen Geschlechtsverkehr und andere Formen wie den mariage coutumier im Reifungsprozeß der Liebe. 38. Nach den gesunden pädagogischen Prinzipien der stufen weisen und ganzheitlichen Entwicklung der Person darf die nähere Vorbereitung die Erziehung zu den gesellschaftlichen und kirchlichen Aufgaben nicht ignorieren. Diese sind denjenigen eigen, die durch ihre Eheschließung eine neue Familie gründen werden. Die Intimität der Familie ist nicht als in sich verschlossener Intimismus zu verstehen, sondern vielmehr als Fähigkeit, den menschlichen und christlichen Reichtum zu verinnerlichen, der dem Eheleben im Hinblick auf eine immer größere Hingabe an die anderen innewohnt. In einem offenen Verständnis von Familie verlangt das Ehe- und Familienleben deshalb von den Eheleuten, daß sie sich als Subjekte verstehen, die gegenüber der Gesellschaft und der Kirche zwar Rechte, aber auch Pflichten besitzen. In dieser Hinsicht wird es sehr nützlich sein, wenn man zum Lesen und zum Nachdenken über folgende Verlautbarungen der Kirche einlädt, insofern sie eine reichhaltige und ermutigende Quelle menschlicher und christlicher Weisheit sind: das Apostolische Schreiben Familiaris consortio, der Brief an die Familien Gratissimam sane, die Charta der Familienrechte, die Enzyklika Evangelium vitae und andere. 39. So werden die jungen Menschen während der näheren Vorbereitung verstehen, daß die Verpflichtung, die sie mit dem gegenseitigen Konsens „vor der Kirche“ übernehmen, bereits in der Verlobungszeit von beiden verlangt, einen Weg der Treue einzuschlagen und mögliche gegenteilige Handlungsweisen abzulegen. Diese menschliche Verpflichtung wird von den besonderen Gaben bestärkt, die der Heilige Geist den Verlobten, die ihn anrufen, gewährt. 40. Da die christliche Liebe von der Liebe Christi zu seiner Kirche (vgl. Gaudium et spes, Nr. 49) gereinigt, vervollkommnet und erhöht wird, mögen die Verlobten dieses Vorbild nachahmen und im Bewußtsein der Hingabe fortschreiten. Die stets damit verbundene gegenseitige Achtung und Selbstverleugnung werden ihnen helfen, darin zu wachsen. Die gegenseitige Hingabe umfaßt demnach immer mehr den Austausch von geistlichen Gaben und moralische Unterstützung, um in der Liebe und Verantwortung zu wachsen. Die Hingabe der Person verlangt ihrer Natur nach, beständig und unwiderruflich zu sein. „Die Unauflöslichkeit der Ehe entspringt hauptsächlich aus dem Wesen solcher Hingabe: Hingabe der Person an die 1044 KONGREGATIONEN UND RÄTE Person. In diesem gegenseitigen Sich-Hingeben kommt der bräutliche Charakter der Liebe zum Ausdruck“ (Gratissimam sane, Nr. 11). 41. Die bräutliche Spirituabtät, die die menschliche Erfahrung umfaßt und nie vom sittlichen Verhalten getrennt ist, hat ihren Ursprung in Taufe und Firmung. Zur Vorbereitung der Verlobten muß demzufolge auch die Wiedergewinnung des sakramentalen Lebens gehören, in dem die Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie eine besondere Rolle spielen. Das Sakrament der Versöhnung macht die göttliche Barmherzigkeit gegenüber dem menschlichen Elend deutlich und bringt die Lebenskraft der Taufe und die Tatkraft der Firmung zur Reife. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Verstärkung der Pädagogik der erlösten Liebe, die angesichts des Dramas des Menschen, der von Gott geschaffen und noch wunderbarer erlöst ist, voller Verwunderung die Größe der Barmherzigkeit Gottes erkennen läßt. Die Eucharistie als Feier des Gedächtnisses der Hingabe Jesu an seine Kirche entfaltet die der Ehe eigentümliche affektive und in der täglichen Hingabe an den Gatten und die Kinder vollzogene Liebe. Dabei darf man nicht vergessen und ignorieren, daß die Feier, die jeder anderen Gebets- und Kultform erst Sinn gibt, diejenige ist, „die sich im alltäglichen Dasein der Familie ausdrückt, wenn es ein Dasein ist, daß von Liebe und Sichverschenken bestimmt wird“ (Evangelium vitae, Nr. 93). 42. Für eine so vielgestaltige und harmonische Vorbereitung muß man Menschen für eine „ad hoc“-Beauftragung finden und in angemessener Weise ausbilden. Deshalb empfiehlt es sich, auf verschiedenen Ebenen eine Gruppe von Helfern einzurichten, die sich bewußt sind, daß sie von der Kirche gesandt sind. Diese Gruppe sollte vor allem aus christlichen Eheleuten - zu denen, wenn möglich, auch Fachleute aus Medizin, Recht, Psychologie gehören sollten - und aus einem Priester bestehen, damit die Helfer auf die zu erfüllenden Aufgaben vorbereitet werden. 43. Deshalb sollen die Mitarbeiter und Verantwortlichen fest in der Lehre stehen und Personen von unbestreitbarer Treue zum Lehramt der Kirche sein, so daß sie durch eine ausreichende und eingehende Kenntnis sowie durch das Zeugnis des eigenen Lebens die Glaubenswahrheiten und die mit der Ehe verbundenen Verantwortlichkeiten weitergeben können. Daher ist es mehr als selbstverständlich, daß diese pastoralen Mitarbeiter als Erzieher auch über die Bereitschaft verfügen müssen, die Verlobten unbeachtet ihrer sozio-kulturellen Herkunft, intellektuellen Ausbildung und konkreten Fähigkeiten anzunehmen. Darüber hinaus ist ihr Zeugnis eines Lebens aus dem Glauben und einer freudigen Hingabe unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung ihrer Aufgabe. Sie können aus diesen Lebenserfahrungen und ihren menschlichen Problemen schöpfen, um das Brautpaar mit der christlichen Weisheit zu erleuchten. 1045 KONGREGATIONEN UND RÄTE 44. Dies setzt ein angemessenes Ausbildungsprogramm der pastoralen Mitarbeiter voraus. Die pastoralen Mitarbeiter werden durch die für sie bestimmte Vorbereitung befähigt, in klarer Zustimmung zum Lehramt der Kirche, mit einer geeigneten Methode und mit pastoralem Gespür die Grundlinien der Vorbereitung darzulegen, von denen wir gesprochen haben und entsprechend ihrer Zuständigkeit jenen besonderen Beitrag zur unmittelbaren Vorbereitung zu leisten, von der in Nm. 50-59 die Rede sein wird. Die pastoralen Mitarbeiter sollten in eigens dafür vorgesehenen Pastoralinstituten ausgebildet und vom Bischof sorgfältig ausgewählt werden. 45. Das Endergebnis dieser Zeit der näheren Vorbereitung wird deshalb in der klaren Erkenntnis der Wesensmerkmale der christlichen Ehe bestehen: Einheit, Treue, Unauflöslichkeit, Fruchtbarkeit; das Bewußtsein des Glaubens vom Vorrang der Sakramentsgnade, die die Brautleute als Subjekte und Spender des Sakraments mit der Liebe Christi, des Bräutigams der Kirche, verbindet; die Bereitschaft, die den Familien eigene Sendung im Bereich der Erziehung in Gesellschaft und Kirche zu verwirklichen. 46. Wie das Apostolischen Schreiben Familiaris consortio darlegt, sind bei der Vorbereitung der jungen Verlobten folgende Punkte zu berücksichtigen: Vertiefung des persönlichen Glaubens und Wiederentdeckung des Wertes der Sakramente und des Gebetslebens; die spezielle Vorbereitung auf das Leben zu zweit, „welche die Ehe als eine personale Beziehung von Mann und Frau darstellt, die ständig weiterentwickelt werden muß, und so dazu anregt, die Fragen ehelicher Sexualität und verantwortlicher Elternschaft zu vertiefen, zusammen mit den damit verbundenen Grundkenntnissen von Medizin und Biologie, welche ferner als Voraussetzung für ein gutes Familienleben richtige Methoden der Kindererziehung vermittelt und auch dazu anleitet, sich die Grundlagen für einen geregelten Unterhalt der Familie zu beschaffen wie feste Arbeit, ausreichende finanzielle Mittel, Geschick im Verwalten, Kenntnisse in der Hauswirtschaft“ (Familiaris consortio, Nr. 66); „die Vorbereitung zum Familienapostolat (...), ferner zum brüderlichen Zusammenwirken mit anderen Familien, zur aktiven Mitarbeit in Gruppen, Verbänden, Bewegungen und Initiativen, die das menschliche und christliche Wohl der Familie zum Ziel haben“ (ebd.). Darüber hinaus ist den Brautleuten im voraus zu helfen, damit sie später imstande sind, die eheliche Liebe, das persönliche Gespräch zwischen den Eheleuten und die Tugenden zu pflegen und zu bewahren, die Schwierigkeiten des Ehelebens zu überwinden, und wissen, wie sie die unvermeidlichen „Ehekrisen“ bewältigen können. 47. Im Mittelpunkt dieser Vorbereitung wird jedoch die Glaubensüberlegung über das Sakrament der Ehe anhand des Wortes Gottes und unter Führung des Lehramts stehen müssen. Die Brautleute sollen demnach erkennen, was es heißt, durch die christliche Ehe kraft des Heiligen Geistes in Christus ein ,Fleisch“ (Mt 19,6) zu 1046 KONGREGATIONEN UND RÄTE werden; dies bedeutet nämlich, der eigenen Existenz eine neue Form des Lebens aus der Taufe einzuprägen. Die Liebe der Eheleute wird durch das Sakrament konkreter Ausdruck der Liebe Christi zu seiner Kirche (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). Im Licht der Sakramentalitat sind die ehelichen Vollzüge, die verantwortungsvolle Zeugung, die erzieherische Tätigkeit, die Lebensgemeinschaft, die Apostolizität und Sendung, die mit dem Leben der christlichen Eheleute verbunden sind, als wertvolle Momente des christlichen Lebens zu betrachten. Christus trägt und begleitet, wenn auch in noch nicht sakramentaler Weise, den Weg der Gnade und des Heranreifens der Verlobten zur Teilhabe am Geheimnis seiner Verbindung zur Kirche. 48. Im Hinblick auf ein mögliches Direktorium, das die vorzüglichsten Erfahrungen in der Ehevorbereitung sammelt, empfiehlt es sich, daran zu erinnern, was der Heilige Vater, Johannes Paul II., in seiner Abschlußansprache vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie, die vom 30. September bis zum 5. Oktober 1991 stattfand, sagte: „Unerläßlich bleibt, daß der theologischen Vorbereitung die nötige Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der zuverlässige Inhalt muß Mittelpunkt und wesentliches Ziel der Kurse sein, damit die Feier des Ehesakramentes bewußter erfolgt und alles das, was sich für die Verantwortung der Familie ergibt, bewußter vollzogen wird. Die Fragen zur Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe, ferner zur Bedeutung der Vereinigung und Weitergabe des Lebens in der Ehe, zumal in ihrem spezifischen Akt, müssen getreu und genau der klaren Lehre der Enzyklika Humanae vitae (vgl. Nm. 11-12) behandelt werden. Das gleiche gilt für alles, was das Geschenk des Lebens angeht, das die Eltern in verantwortlicher Weise und freudig als Mitarbeiter des Herrn annehmen müssen. Gut wäre es, wenn in den Kursen nicht nur das besonders hervorgehoben würde, was zur reifen und wachen Freiheit jener gehört, die eine Ehe eingehen möchten, sondern auch das, was die eigentliche Sendung der Eltern als erste Erzieher und Evangelisierer ihrer Kinder ausmacht“. Der Päpstliche Rat für die Familie stellt mit großer Zufriedenheit fest, daß die Tendenz, zur besseren Erkenntnis der Bedeutung und Würde der Verlobung größer wird. Gleichzeitig ermahnt er, die Dauer der speziellen Kurse nicht so kurz zu bemessen, daß sie sich auf eine reine Formsache beschränken. Sie werden dagegen eine ausreichende Zeit in Anspruch nehmen müssen, um die obengenannten wesentlichen Themen gut und klar darlegen zu können. <320> <320> Die Seelsorge wird die Formen zur Erreichung dieses Ziels nahelegen. Es wären zum Beispiel dafür wenigstens eine Woche oder vier Wochenenden (vier volle Samstage und Sonntage) oder ein Jahr lang ein Nachmittag pro Monat notwendig. Der Kurs kann in den einzelnen Pfarreien durchgeführt werden, wenn eine ausreichende Zahl von Verlobten vorhanden ist und die Pfarrei über vorbereitete Mitarbeiter verfügt. Der Kurs kann aber auch in den bischöflichen Vikariaten oder Dekanaten abgehalten werden. Manchmal werden die Kurse auch von Vertretern von 1047 KONGREGATIONEN UND RÄTE Familienbewegungen, Vereinigungen oder Apostolatsgruppen unter Leitung des zuständigen Priesters durchgeführt. Dabei handelt es sich um einen Bereich, der von der Diözesanstruktur, die im Namen des Bischofs tätig ist, koordiniert wird. Die Inhalte müssen sich auf die natürliche und christliche Lehre über die Ehe konzentrieren, ohne jedoch die verschiedenen Gesichtspunkte der Psychologie, Medizin und anderer Humanwissenschaften zu vernachlässigen. 49. In dieser Vorbereitung muß man die Brautleute speziell heute zu den Werten anleiten und sie darin bestärken, die die Verteidigung des Glaubens betreffen. Dies ist deshalb besonders wichtig, weil sie Hauskirche und „Heiligtum des Lebens“ (Evangelium vitae, Nm. 92-94) werden und in neuer Weise zum Volk des „Lebens und für das Leben“ (Evangelium vitae, Nm. 6, 101) gehören. Die heute vielerorts herrschende Mentalität der Empfängnisverhütung, die sich allgemein verbreitenden freizügigen Gesetzgebungen und die weitverbreitete Verachtung des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an bis zum Tod, sind jene vielfältigen Angriffe, denen die Familie ausgesetzt ist. Sie treffen sie im Innersten ihrer Sendung und verhindern die Entwicklung entsprechend den Forderungen eines echten menschlichen Wachstums (vgl. Centesimus annus, Nr. 39). Daher ist die Bildung des Verstandes und des Herzens der Beteiligten heute mehr denn je notwendig, damit die neuen Hausgemeinschaften sich nicht der herrschenden Mentalität anpassen. So werden sie eines Tages als neue Familie mit ihrem Leben zur Errichtung und Entfaltung der Kultur des Lebens beitragen können, indem sie in ihrer Liebe das neue Leben als Zeugnis und Ausdruck der Verkündigung, Feier und des Dienstes an jedem Leben achten und annehmen (Evangelium vitae, Nm. 83-84, 86, 93). C. Die unmittelbare Vorbereitung 50. Wo in der Zeit der näheren Vorbereitung (vgl. Nr. 32 ff.) spezielle Kurse abgehalten wurden, die einer geeigneten Vorbereitung dienten, dort können die Ziele der unmittelbaren Vorbereitung folgende sein: a) Zusammenfassung des bereits zuvor zurückgelegten Weges, insbesondere der theologischen, moralischen und spirituellen Inhalte, um so mögliche Lücken in der Grundausbildung auszufüllen; b) Erneuerung der Gebetserfahrung, die bei Einkehrtagen, Exerzitien für die Brautpaare gemacht wurden, bei denen in der Begegnung mit dem Herrn die Tiefe und Schönheit des übernatürlichen Lebens entdeckt werden können; c) Durchführung einer angemessenen liturgischen Vorbereitung, die auch die aktive Teilnahme der Brautleute vorsieht, wobei vor allem für das Sakrament der Versöhnung Sorge zu tragen ist; d) Aufwertung der vom Kirchenrecht vorgesehenen Gespräche mit dem Pfarrer, damit dieser die Brautleute besser kennenlemt. Diese Ziele werden durch spezielle und intensive Treffen erreicht. 1048 KONGREGATIONEN UND RÄTE 51. Aufgrund des pastoralen Nutzens und der positiven Erfahrung der Ehevorbe-reitungsseminare kann man davon nur aus verhältnismäßig schwerwiegenden Gründen befreit werden. Wo Brautleute aus solchen Gründen und ohne nähere Vorbereitung dringlich um eine möglichst baldige Feier der Trauung bitten, obliegt es daher dem Pfarrer und den Mitarbeitern, Gelegenheiten anzubieten, um das entsprechende Wissen der theologischen, moralischen und sakramentalen Gesichtspunkte nachzuholen, wie sie als der näheren Vorbereitung eigentümlich dargelegt wurden, und um sie dann der Phase der unmittelbaren Vorbereitung zuzuführen. Diese Möglichkeit muß bestehen, weil die Vorbereitung konkret auf den einzelnen abgestimmt werden soll. In der Tat ist jede Gelegenheit zu nutzen, um den Sinn dessen eingehend zu erklären, was sich im Sakrament ereignet. Zudem dürfen jene, die offenbar bereits angemessen im Glauben und auf das Sakrament vorbereitet sind, nicht einfach deshalb abgewiesen werden, weil ihnen einige Stufen der Vorbereitung fehlen. 52. Während der unmittelbaren Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe sind angemessene Gelegenheiten zu bieten, um die Verlobten in den Trauungsritus einzuführen. Im Rahmen dieser Vorbereitung müssen die Brautleute nicht nur zu einer Vertiefung der christlichen Lehre über Ehe und Familie geführt werden - wobei ihre moralischen Pflichten zu berücksichtigen sind -, sondern auch zur bewußten und aktiven Mitfeier bei der Feier der Trauung, damit sie auch die Bedeutung der Zeichen und der liturgischen Texte verstehen. 53. Diese Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe soll die Krönung einer Katechese sein, die den christlichen Verlobten helfen möge, ihre Vorbereitung auf das Sakrament bewußt noch einmal zurückzuverfolgen. Sie sollen wissen, daß sie sich in der Ehe als Getaufte in Christus verbinden, daß sie sich in ihrem Familienleben vom Heiligen Geist leiten lassen müssen. Daher sollten sich die künftigen Eheleute durch den Empfang des Bußsakraments auf die Feier der Trauung vorbereiten, damit diese gültig, würdig und fruchtbar vollzogen wird (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1622). Die liturgische Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe muß die gegenwärtig vorhandenen Zeichen und Riten erschließen. Wegen des deutlichen Zusammenhangs zwischen Ehesakrament und Ostergeheimnis findet die Feier der Trauung normalerweise im Rahmen einer Eucharistiefeier statt. 54. Da die Kirche in der Diözese sichtbar wird und diese sich in Pfarreien gliedert, versteht man, warum die kirchenrechtlich-pastorale Vorbereitung auf die Ehe im Bereich der Pfarrei und der Diözese beginnt. Daher entspricht es eher dem kirchlichen Sinn des Sakraments, wenn die Trauung normalerweise (CIC can. 1115) in der Kirche der Pfarrgemeinde, zu der das Brautpaar gehört, gefeiert wird. Es ist wünschenswert, daß die ganze Pfarrgemeinde zusammen mit den Familien und Freunden des Brautpaars an dieser Feier teilnehmen. In den einzelnen Diöze- 1049 KONGREGATIONEN UND RÄTE sen sollen Richtlinien in dieser Hinsicht erlassen werden, wobei einerseits die Situation vor Ort zu berücksichtigen ist und andererseits auch eine wirklich kirchliche pastorale Tätigkeit gefördert werden soll. 55. Diejenigen, die den aktiven Teil der liturgischen Feier übernehmen, sollen eingeladen werden, sich auch auf das Sakrament der Versöhnung und der Eucharistie vorzubereiten. Den Trauzeugen erkläre man, daß sie nicht nur Bürgen eines juristischen Aktes, sondern auch Vertreter der christlichen Gemeinde sind, die durch sie an einem sakramentalen Geschehen teilnimmt, das sie betrifft, da jede neue Familie eine Zelle der Kirche ist. Aufgrund ihres von Natur aus sozialen Charakters verlangt die Trauung die Teilnahme der Gesellschaft, und diese kommt in der Gegenwart der Zeugen zum Ausdruck. 56. Die Familie ist der geeignetste Ort, wo die Eltern kraft des allgemeinen Priestertums und nach dem Urteil des Ortsordinarius heilige Handlungen vollziehen und Sakramentalien spenden können, zum Beispiel im Rahmen der christlichen Initiation, in den freudigen oder schmerzlichen Ereignissen des alltäglichen Lebens, beim Tischgebet. Ein besonderer Platz muß dem Gebet in der Familie eingeräumt werden. Es schafft eine gläubige Atmosphäre in der Hausgemeinschaft und ist für die Eltern ein Mittel, um gegenüber den Kindern eine vollkommene Vater-und Mutterschaft zu leben, indem sie sie zum Gebet anleiten und zur schrittweisen Entdeckung des Geheimnisses Gottes sowie zum persönlichen Gespräch mit Ihm führen. Man erinnere die Eltern daran, daß sie durch die Erziehung ihrer Kinder ihre Sendung, das Evangelium des Lebens zu verkünden, erfüllen (vgl. Evangelium vitae, Nr. 92). 57. Die unmittelbare Vorbereitung ist eine günstige Gelegenheit, um eine fortwährende Ehe- und Familienpastoral in die Wege zu leiten. Vor diesem Hintergrund gilt es zu bewirken, daß die Eheleute ihre Sendung in der Kirche kennen. Der Schatz, den die verschiedenen Familienbewegungen anbieten, kann ihnen helfen, in Ehe und Familie eine entsprechende Spiritualität zu pflegen, und ihnen zeigen, wie sie ihre Aufgaben in Familie, Kirche und Gesellschaft bewältigen können. 58. Die Vorbereitung der Verlobten möge von einer aufrichtigen und tiefen Verehrung Mariens, der Mutter der Kirche und Königin der Familien, begleitet sein; die Verlobten sollen zu der Erkenntnis befähigt werden, daß Maria in der Familie als Hauskirche ebenso aktiv gegenwärtig ist wie in der Großkirche; ebenso sollen sie angeleitet werden, Maria in ihren Tugenden nachzuahmen. So wird die Heilige Familie, das heißt die Gemeinschaft von Maria, losef und Jesus, die Verlobten erkennen lassen, „wie liebevoll und unersetzlich die Erziehung in der Familie ist“ (Paul VI., Ansprache in Nazareth, 5,1,1964). 59. Wenn das, was in den verschiedenen Gemeinden kreativ vorgeschlagen wird, um auch diese Phasen der näheren und unmittelbaren Vorbereitung tiefer und an- 1050 KONGREGATIONEN UND RÄTE gemessener zu gestalten, auch anderen zugänglich gemacht wird, dann wird es ein Geschenk und eine Bereicherung für die ganze Kirche sein. HL Die Feier der Trauung 60. Die Vorbereitung auf die Ehe mündet durch die Feier des Sakraments in das Eheleben. Diese bildet den Höhepunkt des Vorbereitungsweges, den die Verlobten zurückgelegt haben, sowie die Quelle und den Ursprung des Ehelebens. Deshalb darf die Feier nicht auf eine bloße Zeremonie als Frucht von Kulturen und soziologischen Bedingungen verkürzt werden. Trotzdem sind die verschiedenen Bräuche von Völkern oder ethnischen Gruppen löblich und können bei der Feier aufgegriffen werden (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 77; Familiaris consortio, Nr. 67), vorausgesetzt, sie bringen zuallererst das Sich-Versammeln der kirchlichen Gemeinschaft als Zeichen des Glaubens der Kirche zum Ausdruck, die im Sakrament die Gegenwart des auferstandenen Herrn bekennt, der das Brautpaar mit der trinitarischen Liebe verbindet. 61. Den Bischöfen obliegt es, durch die Liturgiekommission der Diözese genaue Vorschriften zu erlassen und deren praktische Anwendung zu überwachen, damit bei der Feier der Trauung der in Artikel 32 der Liturgiekonstitution gegebene Hinweis beachtet wird. Auch nach außen soll nämlich die Gleichheit der Gläubigen sichtbar und darüber hinaus jeder Anschein von Luxus vermieden werden. Daher ist die aktive Mitfeier aller bei der Feier der Trauung Anwesenden mit allen Mitteln zu fördern. Deshalb gebe man geeignete Hilfen, damit sie den Reichtum des Ritus erfassen und verkosten können. 62. Man erinnere daran, daß Christus dort gegenwärtig ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (vgl. Mt 18,20); daß die Feier in bescheidenem Stil (ein Stil, der auch das Fest prägen soll) nicht nur Ausdruck der Glaubensgemeinschaft sein muß, sondern auch Grund, den Herrn zu loben. Die Hochzeit im Herrn und vor der Kirche zu feiern heißt bekennen, daß das Geschenk der Gnade, das den Eheleuten durch die Gegenwart und Liebe Christi und Seines Geistes gemacht wird, eine tatkräftige Antwort verlangt mit einem Leben der Anbetung im Geist und in der Wahrheit in der christlichen Familie als „Hauskirche“. Gerade weil die Feier nicht nur als rechtlicher Akt verstanden wird, sondern auch als Moment der Heilsgeschichte in den Eheleuten - und durch das allgemeine Priestertum - für das Wohl der Kirche und der Gesellschaft, empfiehlt es sich, allen Anwesenden zu helfen, damit sie aktiv an der Feier teilnehmen können. 63. Daher wird sich, wer der Feier vorsteht, bemühen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die das Rituale insbesondere in seiner zweiten offiziellen von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung im Jahr 1991 promulgierten Ausgabe anbietet, um die Rolle der Spender des Ehesakraments, die im lateinischen Ritus den Brautleuten zukommt, und um den sakramentalen Charakter 1051 KONGREGATIONEN UND RÄTE der gemeinsamen Feier hervorzuheben. Die Brautleute werden sich immer an die Konsensformel und an den personalen, kirchlichen und gesellschaftlichen Aspekt erinnern, der daraus folgt für ihr ganzes Leben als gegenseitige Hingabe bis zum Tode. <321> <321> Die Kongregation für die Glaubenslehre lehrt, daß man die Trauung der Christen nicht als Privatangelegenheit behandeln darf und erinnert an die Lehre und Disziplin der Kirche: „In Treue gegenüber dem Wort Jesu (Mk 10,11-12) hält die Kirche daran fest, daß sie eine neue Verbindung nicht als gültig anerkennen kann, falls die vorausgehende Ehe gültig war. Wenn Geschiedene zivil wiederverheiratet sind, befinden sie sich in einer Situation, die dem Gesetz Gottes objektiv widerspricht. Darum dürfen sie, solange diese Situation andauert, nicht die Kommunion empfangen.“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über den Kommunionempfang von geschiedenen wiederverheirateten Gläubigen, Nr. 4, 14.9.1994). Der orientalische Ritus behält das Amt des Spenders des Ehesakraments dem assistierenden Priester vor. Die Anwesenheit eines Priesters oder eines eigens dafür Beauftragten ist jedenfalls nach dem Gesetz der Kirche für die Gültigkeit der ehelichen Verbindung notwendig und zeigt deutlich den sowohl für die Kirche als auch für die Gesellschaft öffentlichen und gesellschaftlichen Charakter des Ehebundes. 64. Gewöhnlich wird die Trauung während der heiligen Messe gefeiert (vgl. Sa-crosanctum Concilium, Nr. 78; Familiaris consortio, Nr. 57). Handelt es sich aber um eine Eheschließung zwischen einem katholischen und einem getauften nichtkatholischen Teil, so findet die Feier gemäß den speziellen liturgisch-kirchen-rechtlichen Vorschriften (vgl. Ordo celebrandi matrimonium, 79-117) statt. 65. Macht man von den vorgesehenen Erklärungen Gebrauch, die in den Sinn der liturgischen Texte und in den Inhalt der Gebete einführen, werden alle Beteiligten zu einer aktiveren Mitfeier geführt. Die Schlichtheit der Erklärungen soll die Andacht und das Verständnis der Feier (Ordo celebrandi matrimonium, 52, 59, 65, 87, 93, 99) fördern, wobei zu vermeiden ist, daß die Feier zu einer reinen Belehrung wird. 66. Der Zelebrant, der der Feier vorsteht und der Gemeinde den kirchlichen Sinn jener ehelichen Verbindung offenbar macht, wird versuchen, den Brautleuten zusammen mit den Eltern und Trauzeugen den Aufbau des Ritus zu erklären und sie aktiv daran zu beteiligen. Dies gilt insbesondere für die charakteristischen Teile: das Wort Gottes, der ausgetauschte und bestätigte Konsens, der Segen über die Zeichen, die an die Trauung erinnern (Ringe usw.), der feierliche Segen über die Brautleute, das Gedächtnis der Brautleute im eucharistischen Hochgebet. „Die verschiedenen Liturgien sind reich an Segens- und Epiklesegebeten, die von Gott Gnade und Segen für das neue Ehepaar, insbesondere für die Braut erbitten“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1624). Darüber hinaus wird man den Ritus der Handauflegung auf die „Subjekt-Spender“ des Sakraments erklären müssen. Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden soll ausdrücklich auf das Stehen, den Austausch des Friedengrußes oder andere von der zuständigen Autorität festgelegte Riten gelenkt werden. 1052 KONGREGATIONEN UND RATE 67. Um für einen schlichten und zugleich erhabenen Stil der Feier zu sorgen, soll sich, wer der Feier vorsteht, von Meßdienem helfen lassen, ebenso von einem Kantor, der den Gesang der Gläubigen dirigiert und unterstützt, die Antworten leitet, und von einem Lektor, der das Wort Gottes verkündet. Mit besonderer und konkreter Aufmerksamkeit für die Brautleute und ihre Situation wird der Zelebrant sich selbst an die Wahrheit der Zeichen anpassen, die die liturgische Handlung gebraucht, dabei aber jede persönliche Vorhebe vermeiden. So wird er beim Empfang und bei der Begrüßung der Brautleute, ihrer Eltern - falls sie anwesend sind -, der Trauzeugen und der Mitfeiemden im Namen der Gemeinde sprechen, die die Brautleute aufnimmt. 68. Die Verkündigung des Wortes Gottes soll von geeigneten und vorbereiteten Lektoren vorgenommen werden. Sie können aus den Anwesenden ausgewählt werden: vor allem die Trauzeugen, Familienangehörigen und Freunde kommen dafür in Frage. Es erweist sich jedoch nicht als sinnvoll, wenn die Brautleute selbst die Lesungen vortragen. Denn sie sind die ersten Adressaten des verkündeten Wortes Gottes. Die Auswahl der Lesungen kann jedoch in Absprache mit den Brautleuten während der unmittelbaren Vorbereitung erfolgen. Auf diese Weise wird das Wort Gottes leichter zu einem Schatz, den sie in die Tat umsetzen. 69. Die Predigt, die immer zu halten ist, soll sich auf die Einführung in das „tiefe Geheimnis“ konzentrieren, das vor Gott, der Kirche und der Gesellschaft gefeiert wird. „Der heilige Paulus faßt das Thema Familienleben mit dem Wort: tiefes Geheimnis (vgl. Eph 5,32) zusammen“ (Gratissimam sane, Nr. 19). Von den Texten der Verkündigung des Wortes Gottes und/oder von den Gebeten der Liturgie ausgehend, soll das Sakrament erläutert und damit auch die Auswirkung auf das Leben der Eheleute und der Familien dargelegt werden. Überflüssige Anspielungen auf die Personen der Brautleute sind dabei aber zu vermeiden. 70. Die Gaben können von den Brautleuten zum Altar gebracht werden, wenn der Ritus im Rahmen einer Meßfeier vollzogen wird. Die Fürbitten sollen jedenfalls angemessen vorbereitet werden und weder zu langatmig noch zu allgemein sein. Die heilige Kommunion kann aus pastoralem Anlaß unter beiderlei Gestalten erteilt werden. 71. Man sorge dafür, daß die einzelnen Teile der Feier der Trauung von einem schlichten, einfachen, authentischen Stil gekennzeichnet sind. Der Festcharakter darf keinesfalls durch übertriebenen Aufwand beeinträchtigt werden. 72. Der feierliche Segen über die Brautleute erinnert daran, daß im Sakrament der Ehe die Gabe des Geistes herabgerufen wird. Durch sie werden die Eheleute beständiger in der Eintracht und bei der Erfüllung ihrer Sendung und in künftigen Schwierigkeiten geistlich unterstützt. Es empfiehlt sich, den christlichen Eheleuten im Rahmen der Feier die Heilige Familie von Nazareth als Lebensmodell vor Augen zu halten. 1053 KONGREGATIONEN UND RÄTE 73. Was die Zeit der entfernteren, näheren und unmittelbaren Vorbereitung betrifft, empfiehlt es sich, die gegenwärtigen Erfahrungen zu sammeln, um eine starke Änderung der Mentalität und der Praxis im Hinblick auf die Feier herbeizuführen. Die Sorge der pastoralen Mitarbeiter muß jedoch auf die Befolgung und Erklärung dessen zielen, was bereits im liturgischen Rituale festgelegt und vorgesehen ist. Natürlich hängt ein solches Verständnis von der ganzen Vorbereitung und vom Maß der christlichen Reife der Gemeinde ab. * * * Wie jeder zur Kenntnis nehmen kann, wurden hier einige Elemente zur organischen Vorbereitung der zum Sakrament der Ehe berufenen Gläubigen vorgelegt. Es wäre wünschenswert, wenn die jungen Eheleute, insbesondere in den ersten fünf Jahren ihres Ehelebens, eine angemessene Begleitung erführen. Diese kann durch Kurse nach der Eheschließung erfolgen, die in den Pfarreien oder Dekanaten nach der Norm des Direktoriums für Familienpastoral, von der oben (Nm. 14, 15) die Rede war, und in Anlehnung an das Apostolische Schreiben Familiaris consortio (Nr. 66) abgehalten werden. Der Päpstliche Rat für die Familie übergibt den Bischofskonferenzen die vorliegenden Leitlinien für ihre eigenen Direktorien. Die Bischofskonferenzen und die einzelnen Bischöfe mögen sich darum sorgen, daß sie in den kirchlichen Gemeinschaften wirksam werden. So wird jeder Gläubige besser erkennen, daß das Sakrament der Ehe, das tiefe Geheimnis (Eph 5,21 ff.), die Berufung vieler im Volk Gottes ist. Vatikanstadt, den 13. Mai 1996 Alfonso Kardinal Lopez Trujillo + Bischof Franciso Gil Hellin Präsident des Päpstlichen Rates Sekretär für die Familie 1054 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Hunger in der Welt - Eine Herausforderung für alle: solidarische Entwicklung Päpstlicher Rat „Cor Unum“ vom 4. Oktober Geleitwort Voller Zustimmung übergebe ich der Öffentlichkeit das Dokument „Der Hunger in der Welt. Eine Herausforderung für ahe: solidarische Entwicklung“. Der Päpstliche Rat „Cor Unum“ hat es mit großer Sorgfalt erarbeitet, und zwar auf Anweisung des Heiligen Vaters Johannes Pauls II. Der Nachfolger Petri hat sich immer wieder zur Stimme derer gemacht, denen das Existenzminimum fehlt - so auch in diesem Jahr in seiner Botschaft für die Fastenzeit: „Die Masse der Hungernden, die aus Kindern, Frauen, alten Menschen, Auswanderern, Flüchtlingen und Arbeitslosen besteht, erhebt zu uns ihren Schmerzensschrei. Sie flehen uns an in der Hoffnung, Gehör zu finden.“ Das Dokument steht auf dem Boden der von Christus seinen Jüngern hinterlasse-nen Lehre. Jesu Person und Wort haben ja zur Mitte die Botschaft „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8) - eine Liebe, die den Menschen erlöst und ihn seinem vielfältigen Elend entreißt, um ihm seine volle Würde zurückzugeben. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche auf unzählige Weise diese Absicht Gottes vollzogen. Ihre Geschichte könnte auch geschrieben werden als eine Geschichte der Liebe zu den Armen: Glaubende bezeugen ihren bedürftigen Mitmenschen die Liebe Christi, der sein Leben für den Nächsten gibt. Die hier veröffentlichte Studie möchte die Christen für ihren Dienst rüsten, sich der Not des heutigen Menschen anzunehmen. Die in ihr behandelten Inhalte sind höchst aktuell. Sie zeigen den Hunger in der Welt auf sowie die ethischen Implikationen einer Problematik, die alle Menschen guten Willens angeht. Die Publikation ist von besonderem Gewicht für die Vorbereitung des Großen Jubiläums 2000, das die Kirche zu feiern sich anschickt. Der Geist der Stellungnahme verdankt sich nicht irgendeiner Ideologie, sondern er läßt sich von der Logik des Evangeliums leiten und lädt dazu ein, die Nachfolge Christi im Alltag zu leben. Ich kann mir nur eine weite Verbreitung dieses Dokuments wünschen und hoffe, daß es zur Formung des Gewissens beiträgt, damit sich die Menschen stärker als bisher von Gerechtigkeit und Solidarität leiten lassen. Kardinal Angelo Sodano Kardinalstaatssekretär Vatikanstadt, den 4. Oktober 1996, Fest des Hl. Franz von Assisi. 1055 KONGREGATIONEN UND RÄTE Der Hunger in der Welt - Eine Herausforderung für alle: solidarische Entwicklung „Der Umfang des Problems führt uns zur Prüfung der Strukturen und Mechanismen im Bereich der Finanzen und des Geldwertes, der Produktion und des Handels, die mit Hilfe von verschiedenen politischen Druckmitteln die Weltökonomie beherrschen: sie zeigen sich unfähig, die aus der Vergangenheit überkommenen Ungerechtigkeiten aufzufangen oder den Herausforderungen und ethischen Ansprüchen der Gegenwart standzuhalten. Indem sie den Menschen selbstverursachten Spannungen aussetzen, in beschleunigtem Tempo die Reserven an Rohstoffen und Energie vergeuden und den geophysischen Lebensraum schädigen, bewirken sie, daß sich die Zonen des Elends mit ihrer Last an Angst, Enttäuschung und Bitterkeit unaufhörlich weiter ausdehnen ... Man wird auf diesem schwierigen Weg der unbedingt notwendigen Veränderung der Strukturen des Wirtschaftslebens nur dann Fortschritte machen, wenn eine wahre Umkehr der Mentalität, des Willens und des Herzens stattfindet. Die Aufgabe erfordert den entschlossenen Einsatz der Menschen und Völker in Freiheit und Solidarität.“ (Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor Hominis, 1979, Nr. 16) Hinfiihrung <322> <323> <322> Das Dokument wurde in französischer Sprache verfaßt. Bei seiner Ausarbeitung wurden unterschiedliche neuere Studien berücksichtigt. Wenn sie in vorliegendem Text zitiert werden, so kommt dies dennoch nicht notwendig einer Zustimmung ihres gesamten Inhalts gleich. <323> Vgl. UNO (Organisation der Vereinten Nationen), Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, verabschiedet und verkündet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution 217 A (ITT) vom 10. Dezember 1948, Art. 25.1. Das Recht auf Ernährung ist eines der Prinzipien, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" im Jahre 1948 verkündet worden sind. Die Erklärung über Fortschritt und Entwicklung im sozialen Bereich wies 1969 darauf hin, daß es gilt, „den Hunger und die Mangelernährung zu beseitigen und das Recht auf angemessene Ernährung zu garantieren“ <324>. Desgleichen unterstreicht die 1974 verabschiedete Allgemeine Erklärung zur endgültigen Beseitigung von Hunger und Mangelernährung, daß jeder Mensch „das unveräußerliche Recht darauf hat, von Hunger und Mangelernährung befreit zu werden, um sich frei entfalten und seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten erhalten zu können“ <325>. <324> UNO, Erklärung über Fortschritt und soziale Entwicklung, verkündet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution 2542 (XXIV) vom 11. Dezember 1969, II, Art. 10b. <325> UNO, Weltemährungskonferenz, Rom, 16. November 1974, Punkt 1. 1056 KONGREGATIONEN UND RÄTE 1992 erkennt die Weltdeklaration zur Ernährung den „gefahrlosen Zugang zu angemessenen Nahrungsmitteln zur Ernährung als allgemeines Recht“ <326> an. <326> FAO (Food and Agriculture Organisation - Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Natio-nen) und WHO (Weltgesundheitsorganisation), Weltemährungskonferenz, Weltdeklaration zur Ernährung, Schlußbericht der Konferenz, Punkt 1, 1992. Diese Definitionen sind eindeutig. Das Gewissen der Öffentlichkeit hat sich unmißverständlich geäußert. Und doch leiden immer noch Millionen Menschen an Hunger, Mangelernährung oder unter den Folgen ihrer prekären Emährungssitua-tion. Ist diese Situation in einem Mangel an Lebensmitteln begründet? Mitnichten! Es ist allgemein bekannt, daß die Ressourcen der Erde - als eine Größe betrachtet - alle Bewohner ernähren können. <327> Tatsächlich sind die pro Person zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel in den letzten Jahren weltweit um ca. 18% gestiegen. <328> Die Herausforderung an die gesamte Menschheit ist natürlich wirtschaftlicher und technischer, aber vor allem ist sie ethischer, spiritueller und politischer Natur. Es geht gleichermaßen um gelebte Solidarität und Entwicklung, die diesen Namen verdient, und um materiellen Fortschritt. <327> Vgl. ibidem Punkt 1. Vgl. auch FAO, Dimensions of Need. Atlas der Nahrungsmittel und der Landwirtschaft, Rom 1995, S. 16: „Unsere Erde könnte durchaus jedem ihrer Bewohner täglich Nahrung mit einem durchschnittlichen Brennwert von 2700 Kalorien Zufuhren, also genug, um seinen Energiehaushalt auffechtzuerhalten. Aber die Nahrungsmittel werden ungleichmäßig produziert und verteilt. Einige Länder produzieren mehr als andere, und letztendlich entscheiden Verteilungswege und Einkommen der Haushalte über den Zugang zu Nahrungsmitteln“. <328> Vgl. FAO, Landwirtschaft: Horizont 2010, Doc. C 93/24, Rom 1993, 1. 1. Die Kirche geht davon aus, daß man bei der Behandlung wirtschaftlicher, sozialer und politischer Fragen die transzendente Dimension des Menschen nicht außer acht lassen darf. So lehrten schon die griechischen Philosophen, die die westliche Welt grundlegend geprägt haben, daß der Mensch aus eigener Kraft die Wahrheit, das Gute und die Gerechtigkeit nur finden und ihnen nacheifem kann, wenn sein Geist von göttlicher Kraft erleuchtet ist. Eben solche göttliche Kraft ist es, die es der menschlichen Natur ermöglicht, die selbstlose Pflichterfüllung am Nächsten zu berücksichtigen. So besagt die christliche Lehre, daß die göttliche Gnade den Menschen befähigt, nach Gottes Einsicht <329> zu handeln. Und doch ruft die Kirche alle Menschen guten Willens auf, die gewaltige Aufgabe zu erfüllen. Das II. Vatikanische Konzil betonte: „Speise den vor Hunger Sterbenden, denn ihn nicht speisen heißt ihn töten“ <330>. ; <329> Vgl. Conc. Oecum. Vat. II, Pastorale Konstitution Gaudium et spes (1965), Nr. 40: „So geht denn diese Kirche ... den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick mit der Welt und ist gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft. Dieses Ineinander des irdischen und himmlischen Gemeinwesens kann nur im Glauben begriffen werden .. <330> Conc. Oecum. Vat. II, Pastorale Konstitution Gaudium et spes (1965), Nr. 69. Eine solch ernste und gewichtige Aussage fordert jeden einzelnen dazu auf, sich entschieden dem Kampf gegen den Hunger zu stellen. 1057 KONGREGATIONEN UND RÄTE 2. Die Dringlichkeit des Problems hat den Päpstlichen Rat dazu veranlaßt, Elemente einer entsprechenden Untersuchung hier vorzulegen; es ist seine Pflicht, an die Verantwortung der Gemeinschaft und jedes einzelnen zu appelheren, damit probatere Lösungen gefunden werden können. Er unterstützt jeden, der sich bereits mit großer Hingabe diesem hehren Ziel verschrieben hat. Das vorliegende Dokument hat es sich zum Ziel gesetzt, die Ursachen und Auswirkungen des Phänomens „Hunger in der Welt“ umfassend, wenn auch nicht erschöpfend, zu analysieren und zu beschreiben. In unserer Arbeit haben wir uns vom Licht des Evangehums und der kirchlichen Soziallehre leiten lassen. Wir verfolgen nicht in erster Linie ein konjunkturelles Ziel; daher werden wir uns nicht bei Statistiken aufhalten, die die momentane Situation beschreiben oder die errechnet haben, wie viele Menschen Gefahr laufen, Hungers zu sterben, wieviel Prozent der Menschheit unterernährt sind, welche Regionen am meisten bedroht sind und welche wirtschaftlichen Maßnahmen dagegen einzuleiten sind. Das vorliegende Dokument gründet sich auf den seelsorgerlichen Auftrag der Kirche und möchte an seine Mitglieder und an die gesamte Menschheit einen Dringlichkeitsappell richten, denn die Kirche ist „erfahren in den Fragen, die den Menschen betreffen, und diese Erfahrung veranlaßt sie, ihre religiöse Sendung notwendigerweise auf die verschiedenen Bereiche auszudehnen, in denen Männer und Frauen wirken, um im Einklang mit ihrer Würde als Person das stets begrenzte Glück zu suchen, das in dieser Welt möglich ist“ <331>. Heute richtet die Kirche dieselbe anklagende Frage an die Menschheit, die Gott an Kain richtete, als er von ihm Rechenschaft über das Leben seines Bruders Abel forderte: „Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden (Gen 4,10).“ Es ist weder ungerecht noch beleidigend, dieses harte, fast unerträgliche Wort auf die Situation unserer Mitmenschen anzuwenden, die den Hungertod sterben: Dieses Bibelwort zeigt uns das vorrangige Ziel und soll unser Gewissen aufrütteln. Es wäre eine Illusion, vorgefertigte Lösungen für das Problem zu erwarten; wir stehen vor einem Phänomen, das eng mit den wirtschaftlichen Entscheidungen der Regierungen, der Verantwortlichen, aber auch der Produzenten und Konsumenten verknüpft ist; es gründet auch in unserem Lebensstil. So wendet sich dieser Appell an jeden einzelnen, und wir geben die Hoffnung nicht auf, daß eine entscheidende Verbesserung durch wachsende Solidarität zwischen den Menschen gelingen wird. <331> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (1987), Nr. 41. Dieses Dokument richtet sich an die Katholiken in der ganzen Welt, an die Verantwortlichen auf nationaler und internationaler Ebene, die Verantwortung und Kompetenz auf sich vereinen; aber es möchte auch alle humanitären Organisationen und jeden Menschen guten Willens ansprechen. Es hofft, besonders die unzähligen Menschen verschiedenster Lebens- und Berufssituationen zu erreichen, 1058 KONGREGATIONEN UND RÄTE die sich täglich dafür einsetzen, daß allen Völkern das gleiche Recht zugestanden wird, „mi t am Tisch des gemeinsamen Mahles zu sitzen“ <332>. <332> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (1987), Nr. 33; vgl. auch Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (1967), Nr. 7. I. Hunger als Realität Die Herausforderung des Hungers 4. Die Erde könnte gegenwärtig den Nahrungsbedarf jedes Menschen decken. <333> Um sich der Herausforderung des Hungers stellen zu können, müssen zunächst einmal die vielfältigen Aspekte des Problems sowie seine wahren Ursachen beleuchtet werden. Nicht alle Aspekte des in der Welt existierenden Hungers bzw. der Mangelernährung sind hinlänglich bekannt, obgleich einige wichtige Ursachen benannt worden sind. Wir werden zunächst unsere Vorgehens weise begründen, um uns dann den Hauptursachen dieser Geißel zuzuwenden. <333> Vgl. FAO, Dimensions ofNeed. Atlas der Nahrungsmittel und der Landwirtschaft, Rom 1995, S. 15. Vgl. auch Fußnote 6. Eine Schande für die Menschheit, aber immer noch Realität: Hunger zerstört Leben 5. Hunger und Mangelernährung dürfen nicht miteinander verwechselt werden. Hunger gefährdet nicht nur das Leben des Menschen, sondern auch seine Würde. Unzureichende Nahrungszufuhr über einen längeren Zeitraum zerstört den Organismus, führt zu Apathie, Verlust des Gemeinsinns, Gleichgültigkeit, manchmal sogar zu Grausamkeit gegenüber Kindern und alten Menschen, also den Schwächsten. Ganze Gruppen von Menschen sind dazu verdammt, elendig zu sterben. Im Laufe der Geschichte hat sich diese Tragödie mehrfach wiederholt; unser Gewissen erkennt heute jedoch besser als früher, daß der Hunger eine Schande für die Menschheit ist. Bis ins 19. Jh. hatten die Hungersnöte, die ganze Völker dezimierten, meist natürliche Ursachen. Die Hungersnöte unserer Zeit sind regional begrenzt und in den meisten Fällen vom Menschen verursacht. Hier einige Fälle, die dies belegen: Äthiopien, Kambodscha, das ehemalige Jugoslawien, Ruanda, Haiti ... In einer Zeit, da der Mensch besser als früher in der Lage ist, Hungersnöte zu bekämpfen, stellen diese Beispiele eine wirkliche Schande für die Menschheit dar. Mangelernährung raubt der Bevölkerung Gegenwart und Zukunft 6. Die enormen Anstrengungen, die unternommen worden sind, haben bereits Früchte getragen, und doch müssen wir zugeben, daß Mangelernährung weiter 1059 KONGREGATIONEN UND RÄTE verbreitet ist als Hunger und daß sie viele verschiedene Gesichter hat. Man kann sich falsch ernähren, ohne Hunger zu leiden. Dennoch wirkt sich Mangelernährung negativ auf die körperlichen, intellektuellen und sozialen Fähigkeiten des Menschen aus. <334> Mangelernährung kann eine qualitativ schlechte Ernährung als Ursache haben, also eine unausgewogene Ernährung meinen und sowohl Mangel als auch Überfluß beinhalten, meist jedoch bedeutet Mangelernährung gleichzeitig auch quantitativ mangelhafte Ernährung, die in Hungerzeiten akut wird. Man spricht hier auch von Unterernährung. <335> Durch Mangelernährung können sich verschiedene Infektionskrankheiten und Endemien schneller ausbreiten; weiterhin ist sie für einen Anstieg der Kindersterblichkeit, besonders bei Kindern unter fünf Jahren, die Ursache. <334> Vgl. Alan Berg Malnutrition: What can be done? Lesson from World Bank experience, The John Hopkins Uni-versity Press for World Bank, Baltimore MD 1987. <335> Studien der FAO und der WHO haben gezeigt, daß der Mensch mind. ca. 2100 Kcal pro Tag benötigt, wenn der Kalorienverbrauch pro Tag den l,55fachen Grundstoffwechsel ausmachen soll: unterhalb dieser Grenze kann eine Person als chronisch unterernährt bezeichnet werden (vgl. FAO und WHO, Weltemährungskonferenz, Ernährung und Entwicklung. Eine Gesamtbewertung, Rom 1992). Es gibt heute noch ca. 800 Mio. unterernährte Menschen auf der Welt: Im Durchschnitt benötigt ein Erwachsener ca. 2500 Kcal pro Tag. Während die Menschen in den Industrieländern täglich ca. 800 überflüssige Kcal, zu sich nehmen, müssen sich die Menschen in den Entwicklungsländern mit zwei Dritteln dieser Menge zufriedengeben. (Vgl. Le Sud dans votre assiette. L’interdependance alimentaire mondiale, Ottawa, CRDI, 1992, S. 26). Hauptopfer: die schwächsten Völker 7. Die Hauptopfer von Hunger und Mangelernährung in der Welt sind die Armen. Arm zu sein heißt fast immer auch, leichter den zahlreichen Gefahren, die den Menschen bedrohen, zu unterliegen, und anfälliger für körperliche Krankheiten zu sein. Seit den 80er Jahren bedroht dieses Phänomen in zunehmendem Maße eine immer größere Anzahl von Menschen in den meisten armen Ländern. In einer armen Bevölkerung sind die ersten Opfer immer die Schwächsten: Kinder, Schwangere, stillende Mütter, Kranke und Alte. Weitere Risikogruppen in diesem Sinne sind Flüchtlinge, Vertriebene und Opfer politischer Ereignisse. Traurige Spitzenreiter in der Hungerstatistik sind jedoch die 42 am wenigsten entwickelten Länder, allein 28 davon liegen in Afrika. <336> „Fast 780 Millionen Einwohner der Entwicklungsländer - das entspricht 20% der Gesamtbevölkerung -sind immer noch nicht in der Lage, sich täglich die für ihr körperliches Wohlergehen benötigten Nahrungsmittel zu beschaffen“ <337>. 13 Vgl. Dokument der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) zur Vorbereitung der zweiten Konferenz der Vereinten Nationen zu den am wenigsten entwickelten Ländern, Paris 1990. <337> FAO und WHO, Weltemährungskonferenz. Weltdeklaration zur Ernährung, Schlußbericht der Konferenz, Punkt 2, Rom 1992. 1060 KONGREGATIONEN UND RÄTE Hunger bringt Hunger hervor 8. In den Entwicklungsländern kommt es häufig vor, daß die Bevölkerung als Selbstversorger von einer Landwirtschaft abhängig ist, die zu wenig Ertrag bringt. Folge davon ist, daß die Menschen zwischen zwei Ernten Hunger leiden müssen. Wenn die vorhergehende Ernte schon schlecht gewesen ist, kann eine Hungersnot die Folge sein und zu akuter Mangelernährung führen: Der Organismus wird geschwächt, die Menschen verlieren ihre Kräfte genau in dem Moment, da sie sie für die Vorbereitung der nächsten Ernte dringend brauchten. Der Hunger raubt ihnen ihre Zukunft: Man ißt die Saat, man treibt Raubbau mit den natürlichen Ressourcen, und das beschleunigt Erosion, Ermüdung und Versteppung der Böden. Neben der Unterscheidung zwischen Hunger (oder Hungersnot) und Mangelernährung muß noch als drittes Merkmal die unsichere Emährungssituation erwähnt werden: Sie hat Hunger bzw. Hungersnot zur Folge. Sie hindert die Menschen daran, zu planen und die langfristigen Arbeiten in Angriff zu nehmen, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen. <338> <338> Vgl. Weltbank, Poverty and Hunger, 1986. Dieses Dokument beschreibt die Abstufungen der unsicheren Emäh-rungssituation (als Übergangsphase oder als Dauerzustand), die wirtschaftlichen Gründe dieser Situation und die Möglichkeiten, um ihr mittel-, aber auch möglichst langfristig zu begegnen. Diese Unterscheidung ist nützlich, aber sie läßt leider den Zusammenhang zwischen den einzelnen Gründen außer acht. So wird nicht deutlich, wie die einzelnen Gründe gewichtet werden müssen; einige Ursachen sind gleichzeitig Auswirkungen tieferliegender Gründe. Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung bedeutete zunächst eine umweltverträgliche Entwicklung. Heute beinhaltet der Begriff auch die Dauerhaftigkeit der Entwicklung. Erkennbare Gründe 9. So gewichtig klimatische Faktoren und Katastrophen aller Art auch sein mögen, sie stellen keinesfalls die einzigen Gründe für Hunger und Mangelernährung dar. Um das Problem des Hungers wirklich zu verstehen, müssen die Gründe - solche, die von der Konjunktur abhängen und solche, die von dauerhafter Natur sind - in ihrer Gesamtheit betrachtet und auf ihren Zusammenhang hin untersucht werden. Wir werden die Hauptursachen darstellen und sie in die hierfür üblichen Kategorien einteilen: wirtschaftliche, soziale/kulturelle und politische Gründe. A. Wirtschaftliche Gründe Die tief er liegenden Ursachen 10. Hunger entsteht zunächst einmal aus Armut. Emährungssicherheit hängt hauptsächlich von der Kaufkraft der Menschen ab und nicht von der physischen Verfügbarkeit der Nahrung. <339> Hunger existiert in allen Ländern: Er ist in den west-und osteuropäischen Ländern erneut aufgetreten, und er ist in den weniger entwik-kelten Ländern sehr verbreitet. <339> Vgl. Weltbank, Poverty and Hunger, 1986. 1061 KONGREGATIONEN UND RÄTE Dennoch zeigt die Geschichte des 20. Jh., daß wirtschaftliche Armut kein unabwendbares Schicksal ist. Zahlreiche Länder haben einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt und machen hierbei weiter Fortschritte; andere hingegen schlittern immer tiefer in die Armut. Sie sind Opfer einer nationalen oder internationalen Politik, die von falschen Prämissen ausgeht. Hunger entsteht aus folgenden Gegebenheiten: a) Eine nicht optimale Wirtschaftspolitik in allen Ländern; schlechte Politik in den Entwicklungsländern wirkt sich indirekt, aber dennoch in besonders starkem Maße auf die wirtschaftlich Schwachen aller Länder aus. b) Strukturen und Gewohnheiten, die die Ressourcen des Landes wenig effizient nutzen oder sogar schlicht zerstören: - Auf nationaler Ebene in den entwicklungsschwachen <340> Ländern selbst: Große staatliche oder private Institutionen haben Monopolmacht (was zum Teil unumgänglich ist) und hemmen so häufig die Entwicklung statt sie anzukurbeln; die Umstrukturierungen, die seit zehn Jahren in zahlreichen Ländern durchgeführt werden, belegen dies. <340> Der französische Ausdruck pays en mal de developpement übersteigt eine bloß ökonomische Betrachtungsweise. Er wird auf die Länder angewandt, deren wirtschaftliche und soziale Entwicklung einen hohen Preis an menschlichem Verzicht und an finanziellen Mitteln kostet und gleichzeitig fordert, erprobte Kenntnisse und Praktiken aufzugeben sowie lange vertraute Aktivitäten zu opfern. - Auf nationaler Ebene in den Industrieländern: Ihre Schwächen zeigen sich weniger auf internationaler Ebene, schaden aber direkt oder indirekt den Ärmsten der Welt. - Auf internationaler Ebene: Handelshemmnisse und zum Teil übertriebene wirtschaftliche Anreize. c) Ein moralisch verwerfliches Verhalten mit dem Ziel, sich selbst zu bereichern, Macht und Ansehen zu gewinnen; der Dienst an der Gemeinschaft verliert zugunsten des einzelnen oder der Kasten an Bedeutung; und denken wir nur an die Korruption, die beträchtliche Ausmaße und vielfältige Formen angenommen hat. Kein Land kann sich rühmen, frei von Korruption zu sein. All dies zeigt, welche Vielzahl von Faktoren menschliches Handeln berücksichtigen muß. Trotz guter Absichten wurden häufig Fehler gemacht, die zu prekären Situationen geführt haben. Um diese zu beheben, ist es notwendig, sie zu benennen. Wirtschaftliche Entwicklung muß gelernt werden. Jeder muß Verantwortung tragen, der einzelne Mensch, aber auch die Institutionen. Der Staat kann seine Rolle am sinnvollsten übernehmen, wenn er sich von der Soziallehre der Kirche und den Analysen ihrer Sozialenzykliken leiten läßt. Die eigentliche Ursache für eine fehlende oder unzureichende Entwicklung liegt darin begründet, daß es am Willen und an der Fähigkeit zum unentgeltlichen Dienst am Menschen, durch den Menschen und für den Menschen mangelt. Dieser Dienst ist eine Frucht der Liebe. 1062 KONGREGATIONEN UND RÄTE Dieser Wille und diese Fälligkeit durchdringen die gesamte komplexe Wirklichkeit, alle Bereiche der Technik im weitesten Sinne, die Strukturen und die Gesetzgebung sowie auch die Sittlichkeit des menschlichen Verhaltens. Sie zeigen sich in der Planung und Durchführung seines Handelns, dessen wirtschaftliche Tragweite mehr oder weniger weitreichend sein kann. Unangemessene Strukturen, die einen Dienst am Menschen zum bestmöglichen Preis verhindern, moralisch falsches Verhalten eines jeden einzelnen und fehlende Liebe sind die Ursachen des Hungers. Jede Unzulänglichkeit bezüglich irgendeines dieser Aspekte an einem beliebigen Ort der Welt hat zur Folge, daß die Scheibe Brot dessen, der schon Hunger leidet, noch dünner wird. Die jüngsten internationalen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen illustrieren diese komplexen Phänomene. Technik und sittliche Moral beeinflussen sie in besonderem Maße und sind für die wirtschaftlichen Ergebnisse verantwortlich. Es ist von der Schuldenkrise zu sprechen, die den Großteil der schwach entwickelten Länder heimsucht, und über die Anpassungsmaßnahmen, die schon durchgeführt wurden oder geplant sind. Die Verschuldung der entwicklungsschwachen Länder 11. Die drastische Erhöhung der Ölpreise 1973 und 1979 hat die Länder, die kein Erdöl fördern, hart getroffen. Das Bankensystem versuchte, die beträchtlichen Geldströme, die frei wurden, neu anzulegen; das allgemeine Wirtschaftswachstum wurde gebremst. Hauptopfer dieser Ereignisse wurden die armen Länder. Aus verschiedenen Gründen haben die meisten Länder in den 70er und 80er Jahren hohe Kredite mit variablen Zinssätzen aufnehmen können. Die Länder Lateinamerikas und Afrikas konnten ihren staatlichen Sektor in spektakulärer Weise ausbauen. Während dieser Zeit des „leichten Geldes“ kam es zu vielfältigen Exzessen: unnötige bzw. schlecht geplante oder durchgeführte Projekte, brutale Zerstörung des traditionellen Wirtschaftssystems, Anstieg der Korruption in allen Ländern. Einige Länder Asiens haben diese Fehler nicht gemacht, was ihnen dann eine sehr schnelle Entwicklung erlaubte. Der explosionsartige Anstieg der Zinssätze - ausgelöst durch die unkontrollierten und wahrscheinlich auch nicht kontrollierbaren Marktkräfte - hat dazu geführt, daß die meisten Länder Lateinamerikas und Afrikas nicht mehr in der Lage waren, ihre Schulden aufzufangen. Es kam zum Phänomen der Kapitalflucht, was sehr bald zu einer Gefahr für das soziale Netz vor Ort wurde - auch wenn dies ohnehin schon löchrig war - und letztendlich für das Bankensystem selbst. Schon bald wurde deutlich, welche Ausmaße die Schäden auf wirtschaftlichem, strukturellem und moralischem Gebiet annahmen. Wie immer wurden zunächst Lösungen rein technischer Natur gesucht. Es wurde jedoch deutlich, daß diese Maßnahmen, sofern sie denn nötig und nützlich sind, immer einhergehen müssen mit einer grundlegenden Verhaltensänderung jedes einzelnen, vor allem aber derer - egal, in 1063 KONGREGATIONEN UND RÄTE welchem Land sie leben und in welchem Bereich sie arbeiten die nicht von jenen Zwängen betroffen sind, die die Armut dem Menschen bei seiner Lebensgestaltung auferlegt. In der Anfangsphase der Anpassungsmaßnahmen kehrte sich das Vorzeichen der Geldtransfers um: Die Kredite wurden gesperrt, die Ölpreise wurden auf einem künstlich hohen - für die Entwicklungsländer zu höhen - Niveau eingefroren, die Rohstoffpreise sanken ab, hervorgerufen durch das verlangsamte Wirtschaftswachstum, für das wiederum die hohen Ölpreise und die Schuldenkrise verantwortlich waren. Die internationalen Organisationen haben zu langsam darauf reagiert, um z. B. den Ländern Liquidität zur Verfügung zu stellen. Eine Ausnahme bildet der Internationale Währungsfonds. In dieser Zeit begann der Lebensstandard in den verschuldeten Ländern drastisch zu sinken. Man kann leicht ermessen, wieviel Weisheit der Umgang mit Geld erfordert. Technisches und wirtschaftliches Wissen reicht nicht aus. Die Bereitstellung beträchtlicher finanzieller Mittel zeitigt negative strukturelle und personelle Folgen, anstatt überall zu spektakulären Verbesserungen der Situation der Ärmsten zu führen. Zentrale Schlußfolgerungen müssen wir aus dem Gesagten ziehen: Voraussetzung für die Entwicklung des Menschen ist die Fähigkeit zum Altruismus, d. h. zur Liebe. Für die praktische Umsetzung ist dies von elementarer Wichtigkeit. Auf den Punkt gebracht und auf die Gegenwart bezogen heißt dies: Nächstenliebe ist kein Luxus, sondern die Voraussetzung für das Überleben einer großen Anzahl von Menschen. Die Strukturanpassungsprogramme 12. Das Ausmaß und die Härte der monetären Phänomene haben vielen Ländern drastische Maßnahmen abverlangt, die Krise zu bewältigen und möglichst überall das Gleichgewicht wiederherzustellen. Logische Folge dieser Maßnahmen ist ein beträchtlicher durchschnittlicher Kaufkraftverlust in den betreffenden Ländern. Wirtschaftskrisen haben erhebliche Probleme und Leiden für die Bevölkerung zur Folge, selbst wenn sie zu guter Letzt zu mehr Wohlstand führen. Durch die Krise werden die Schwächen des Landes deutlich, ob sie nun von außen kommen oder dem System innewohnen. Dazu gehören Fehler in der Politik zur Entwicklung des Landes, die von den aufeinanderfolgenden Regierungen, ihren Partnerländern oder sogar der Weltgemeinschaft gemacht worden sind. Oft werden die vielfältigen Schwächen erst im nachhinein deutlich sichtbar. Andere gründen in der Unabhängigkeitspolitik. So kann das, was die Stärke der Kolonialmacht ausmachte, nun für die Schwäche des unabhängigen Landes verantwortlich sein, ohne daß dies durch flankierende Maßnahmen abgefedert wird. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die großen Projekte, denn sie gewinnen in einer Zeit an Bedeutung, da im ganzen Land Solidarität besonders wichtig wird. In Wahrheit zielt die Politik 1064 KONGREGATIONEN UND RÄTE des Wiederaufbaus aber darauf ab, die Ausgaben zurückzufahren und somit die Einkommen zu senken. Die wirtschaftlich Schwachen des Landes haben die Wahl, den aufeinanderfolgenden Regierungen zu vertrauen oder zu versuchen, sich ihrer zu entledigen. Oft werden sie Opfer ehrgeiziger Gruppierungen, die unter Umgehung demokratischer Regeln aus ideologischen Gründen oder aus Ehrgeiz an die Macht wollen und die auch bereit sind, sich dabei fremde Kräfte zunutze zu machen. Wirtschaftsreformen verlangen von der Regierung die Fähigkeit, politische Entscheidungen zu treffen. Über den Erfolg entscheiden nicht nur die technischen Aspekte der Stabilisierungsmaßnahmen, sondern auch die Frage, ob die Mehrheit der Bevölkerung, darunter auch die Ärmsten der Bevölkerung, die Regierung und die Maßnahmen unterstützen wird. Die Regierung muß folglich alle Schichten der Bevölkerung dazu bringen, einen beträchtlichen Teil der Last zu tragen. Gemeint sind hier die wenigen Personen mit internationalem Durchschnittseinkommen, aber auch die Beamten und Angestellten des Staates, die bis dato beneidenswert gut lebten und die nun Gefahr laufen, von heute auf morgen einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens einzubüßen. Es geht also um gelebte Solidarität in traditionellem Sinn: Die Armen waren schon immer bereit, ihre Familie in prekärer Situation zu unterstützen, die man überwunden glaubte. Die Unterstützung der Ärmsten während solcher Anpassungsphasen wurde erst nach und nach von den Verantwortlichen auf nationaler und internationaler Ebene berücksichtigt. Mehrere Jahre vergingen, bis ein erstes Konzept begleitender Maßnahmen für die gefährdetsten Gruppen der Bevölkerung erstellt wurde. So wie häufig in Notsituationen besteht auch hier die Gefahr, zu spät und zu abrupt auf die Bremse zu treten, was die schwächsten Glieder besonders hart trifft. In Afrika und Lateinamerika <341> wurden umfangreiche Projekte in Angriff genommen. Im einzelnen: <341> Asien war aufgrund einer effizienteren Politik und einer besseren Umsetzung im allgemeinen leistungsstarker. Die zwischenmenschlichen Beziehungen waren jedoch nicht besser, noch war die Korruption weniger ausgeprägt. - Strukturanpassungsprogramme, die strenge makroökonomische Maßnahmen beinhalten, - die Bewilligung weiterer hoher Kredite, - eine weitreichende Reform der örtlichen ineffizienten Strukturen; hier vor allem im Bereich der staatlichen Monopole, die einen Großteil des nationalen Einkommens binden, ohne dafür in zufriedenstellendem Maße Dienstleistungen zum Wohl der Allgemeinheit bereitzustellen. In vielen Ländern haben die öffentlichen Dienste an Effizienz eingebüßt, und da Spreu und Weizen oft 1065 KONGREGATIONEN UND RÄTE schwer zu trennen sind, wurden auch leistungsstarke Bereiche in Mitleidenschaft gezogen. <342> <342> In einigen Ländern mußten die Mittel im Bildungsbereich gekürzt werden. Viele Länder mit Entwicklungspro-blemen tendieren dazu, die Grundschulbildung zugunsten der höheren Schulbildung zu vernachlässigen. Dieses häufig anzutreffende Problem muß yon den internationalen Institutionen im Dialog mit diesen Ländern angegangen werden. Einige Regierungen haben Erstaunliches geleistet, was international oft nicht anerkannt wird. Sie haben politischen Mut bewiesen und die unumgänglichen Maßnahmen durchgesetzt und dabei dem Druck und den verschiedenen Meinungen von außen Rechnung getragen. Sie haben sich nicht geschont und sich beispielhaft für mehr Solidarität und eine bessere Zusammenarbeit in ihrem Land eingesetzt, um Rückschlägen vorzubeugen. Zu unterstreichen ist in diesem Zusammenhang der Einfluß, den das Regierungsoberhaupt hat - nicht nur durch seine Führungsqualitäten und seine sinnvollen Entscheidungen, sondern auch durch seine Fähigkeit, der sozialen Ungerechtigkeit entgegenzuwirken, die in solchen Situationen immer anzutreffen ist. Die Industrieländer müssen sich ernsthaft fragen, ob sie sich bei ihrer Haltung bzw. Präferenz gegenüber entwicklungsschwachen Ländern von der Kompetenz der politisch Verantwortlichen im sozialen, technischen oder politischen Bereich leiten lassen oder ob sie andere Kriterien als Maßstab nehmen. B. Soziale und kulturelle Gründe Die sozialen Verhältnisse 13. Man hat festgestellt, daß einige soziale und kulturelle Faktoren die Gefahr einer Mangelernährung oder einer Hungersnot erhöhen. Nahrungsmittel, die tabu sind, der soziale Status der Familie und der Frau - der eng verknüpft ist mit den familiären Strukturen -, ihr tatsächlicher Einfluß auf die Familie, mangelnde Kenntnisse der Frauen über Ernährung, allgemeiner Analphabetismus, zu frühe Mutterschaft oder eine solche in zu kurzen Abständen, unsichere Arbeitsplätze oder Arbeitslosigkeit: All dies sind Faktoren, die, wenn sie sich häufen, zu Mangelernährung und ins Elend führen können. Die Industrieländer sind in gewisser Weise ebenfalls davon betroffen: Die gleichen Faktoren führen hier zu zeitweiser oder chronischer Mangelernährung der sogenannten new poor, die mitten im Überfluß Hunger leiden. Die demographische Entwicklung 14. Vor 10.000 Jahren lebten wahrscheinlich 5 Mio. Menschen auf der Erde. Im 17. Jh., zu Beginn der Neuzeit, stieg die Bevölkerungszahl auf 500 Mio. Das Bevölkerungswachstum beschleunigte sich immer mehr: Anfang des 19. Jh. lebten 1066 KONGREGATIONEN UND RÄTE 1 Mrd. Menschen auf der Erde, 1960 waren es bereits 3 Mrd., 1975 4 Mrd., 1990 5,2 Mrd., 1993 5,5 und 1994 5,6. <343> Über einen gewissen Zeitraum hinweg hat sich die Bevölkerung in den „reichen“ Ländern anders entwickelt als in den „armen“ Ländern. <344> Diese Tendenz verstärkt sich noch. Ist das Überleben seiner Art in Gefahr, reagiert der Mensch (wie auch die Natur) mit vermehrter Zeugung von Nachkommen. <343> Vgl. UNPF (United Nations Population Fund), The State of World Population 1993, New York 1993; United Nations World Population Prospects: the 1992 Revision, New York, 1993. Vgl. auch: UNPF, The State of World Population 1994, Entscheidung und Verantwortung. <344> UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen), Weltbevölkerungsbericht 1990, Paris 1990. Vgl. ibidem S. 94: In den Entwicklungsländern, also da, wo die meisten Menschen hungern, hat sich die Landbevölkerung mehr als verdoppelt; die Stadtbevölkerung hat sich innerhalb von 30 Jahren (1950-1980) verdreifacht oder vervierfacht. Studien haben gezeigt, daß sich bei Völkern, deren Wohlstand sich erhöht, die Bevölkerungsentwicklung umkehrt: War die Geburtenrate zunächst hoch, so ist sie nun niedrig. Umgekehrt verhält es sich mit der Sterberate. <345> Die Übergangszeit birgt besondere Gefahren in sich, was die Emährungssituation angeht, denn die Sterberate sinkt vor der Geburtenrate. Technologische Veränderungen müssen mit dem Bevölkerungswachstum schritthalten, ansonsten ist der Kreislauf der landwirtschaftlichen Produktion unterbrochen: Ermüdung der Böden, Verringerung des Brachlands, fehlende Fruchtwechselwirtschaft. <345> Vgl. Franz Böckle u.a., Armut und Bevölkerungsentwicklung in der Dritten Welt, Herausgegeben von der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1991. Ihre Folgen 15. Ist ein zu schnelles Bevölkerungswachstum Ursache oder Folge der Unterentwicklung? Die Bevölkerungsdichte - abgesehen von Extremfällen - bietet keine Erklärung für Hungersnöte. Halten wir zunächst fest: In den Deltas und übervölkerten Tälern Asiens wurden zunächst die landwirtschaftlichen Techniken der „grünen Revolution“ zur Anwendung gebracht. Weniger dicht besiedelte Länder wie Zaire oder Zambia andererseits kämpfen weiterhin mit Emährungsproblemen, obwohl sie zwanzigmal mehr Menschen ernähren könnten, ohne daß größere Bewässerungsprojekte nötig wären: Die Ursache hierfür ist nur in den vom Staat, von den Politikern und der wirtschaftlichen Verwaltung zu verantwortenden Ungleichgewichten zu suchen, nicht in wirtschaftlicher Armut oder anderen objektiven Gegebenheiten. Man geht heute davon aus, daß es sinnvoller ist, die Massenarmut zu bekämpfen, um das Bevölkerungswachstum zu bremsen und sich - nicht umgekehrt - auf ein Absenken der Wachstumsrate der Bevölkerung zu beschränken, um die Armut zu besiegen. <346> <346> Vgl. Pontificia Academia Scientiarium, Population and Ressources. Report, Vatican City 1993. (Die aufgeführ-ten Statistiken wurden bereits überarbeitet). Die Bevölkerungssituation wird sich solange nicht ändern, wie die Familien in den Entwicklungsländern davon ausgehen, daß nur eine große Kinderzahl sie absi- 1067 KONGREGATIONEN UND RÄTE ehern kann. Unterstrichen werden muß hier, daß wirtschaftliche und soziale <347> Veränderungen nötig sind, damit Eltern es als Geschenk annehmen können, ein Kind zu bekommen. Von grundlegender Bedeutung für eine Verbesserung der Situation ist der soziale Hintergrund und das Bildungsniveau der Eltern. Sie sollten auf eine verantwortliche Elternschaft, die sich auf die ethischen Prinzipien gründet, vorbereitet werden. Ihnen muß Zugang zu Methoden der Familienplanung, die in Einklang mit der wahren Natur des Menschen stehen, gewährt werden. <348> <347> Päpstlicher Rat für die Familie, Demographische Entwicklungen, ihre ethischen und pastoralen Dimensionen, in: L’Osservatore Romano (Ausgabe in deutscher Sprache), Nr. 35 vom 2. September 1994. Vgl. Le contröle des naissances dans les pays du Sud: promotion des droits des femmes ou des interets du Nord (Geburtenkontrolle in den südlichen Ländern: Förderung der Rechte der Frauen oder die Interessen des Nordens), „Inter-Mondes“, Bd. 7, Nr. 1, Oktober 1991, S. 7: Viele Studien haben unlängst gezeigt, daß neben der Geburtenkontrolle drei weitere Faktoren in gleichem Maße dazu beitragen, das Wachstum der Weltbevölkerung zu verringern: wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Verbesserung der Lebensbedingungen der Frauen und, auch wenn es paradox klingt, Verringerung der Kindersterblichkeit. Vgl. auch UNICEF (United Nations Children’s Fund), La Situation des enfants dans le monde (Die Situation der Kinder in der Welt), Genf 1991. <348> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der Studienwoche über „Ressourcen und Bevölkerung“, organisiert von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften (22. November 1991), Anm. 4 und 6: „Die Kirche ist sich der Komplexität des Problems bewußt... Die Dringlichkeit der Situation darf nicht zum Vorschlag von irrigen Eingriffen führen. Wer Methoden anwendet, die nicht der wahren Natur des Menschen entsprechen, verursacht am Ende tragisches Leid ... das schwerste Lasten den ärmsten und schwächsten Gesellschaftsgruppen aufbürdet und damit Unrecht auf Unrecht häuft.“ AAS 84(1992)12,1120-1122. Vgl. auch: Kardinal Angelo Sodano, Stellungnahme während der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro (13. Juni 1992), dt. Text in: L'Osservatore Romano (Ausgabe in deutscher Sprache), Nr. 26 vom 26. Juni 1992. C. Politische Gründe Der Einfluß der Politik 16. Nahrungsentzug wurde im Laufe der Geschichte genauso wie heute als politische oder militärische Waffe eingesetzt. Bisweilen kann von Verbrechen gegen die Menschheit gesprochen werden. Viele Fälle stammen aus dem 20. Jh. Hier einige Beispiele: - Stalin verwehrte den ukrainischen Bauern um 1930 systematisch jegliche Nahrung. Die Bilanz: ca. 8 Mio. Tote. Lange war dieses Verbrechen nicht bekannt. Erst unlängst wurde es im Zusammenhang mit der Öffnung der Archive des Kremls bestätigt. - Die jüngste Belagerung Bosniens, insbesondere der Stadt Sarajewo. Die Hilfsorganisationen selbst wurden als Geiseln genommen. - Die Vertreibung der Bevölkerung Äthiopiens durch die regierende Einheitspartei zur Erlangung der politischen Kontrolle. Hunderttausende Vertriebene . verhungerten, weil sie ihre Felder verlassen mußten. - Aushungem der Bevölkerung in Biafra in den 70er Jahren als Waffe gegen die politische Spaltung. 1068 KONGREGATIONEN UND RÄTE Viele Auslöser von Bürgerkriegen sind durch den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr vorhanden: ausweglose Revolutionen, Vertreibung der Bevölke-rung, schlechte Bewirtschaftung der Felder, Stammesfehden, Völkermorde. Dennoch gibt es immer noch Situationen bzw. sind neue entstanden, die zu diesen Phänomenen führen können. Auch wenn sie nicht die gleichen Dimensionen haben, so leidet dennoch die Bevölkerung darunter. Zu nennen ist hier vor allem das Wiederaufflammen des Nationalismus, der in einigen Staaten mit ideologisch geprägter Regierung gefördert wird oder da lokaler Ausprägung ist, wo entwickelte Länder um Einfluß kämpfen. Er entsteht auch, wo ein Machtkampf wütet, vor allem in einigen Ländern Afrikas. Zu nennen sind hier auch Länder wie Kuba oder der Irak, über die aus politischen Gründen ein Embargo verhängt wurde. Das Regime in diesen Ländern wird als Bedrohung für die internationale Sicherheit angesehen und die Bevölkerung als Geisel des Regimes. Opfer dieser Embargos ist in erster Linie die Bevölkerung, die doch vorrangig geschützt werden soll. Daher müssen die Folgen für die Menschen bei solchen Entscheidungen genau berücksichtigt werden. Andererseits setzen einige Verantwortliche das Elend ihres Volkes, das sie selbst zu verantworten haben, als Mittel ein, um die Staatengemeinschaft zu zwingen, ihre Lieferungen wieder aufzunehmen. Den Besonderheiten einer Situation muß jeweils im Sinne der Weltdeklaration zur Ernährung Rechnung getragen werden. In dieser Erklärung heißt es: „Hilfe in Form von Lebensmitteln darf nicht aus Gründen politischer, geographischer, geschlechts- und altersspezifischer Zugehörigkeit oder der Zugehörigkeit zu einer ethischen, Stammes- oder religiösen Gruppe verwehrt werden“ <349>. <349> FAO und WHO, Weltemährungskonferenz. Weltdeklaration zur Ernährung. Schlußbericht der Konferenz, Punkt 15, Rom 1992. Politisches Handeln kann auch aus anderen Gründen Hunger zur Folge haben. Mehrfach haben die Industrieländer ihre Überschüsse aus der landwirtschaftlichen Produktion (beispielsweise Weizen) unentgeltlich in solche entwicklungsschwachen Länder exportiert, wo die Nahrungsgrundlage aus Reis besteht. Ziel war es, den Binnenkurs zu stützen. Diese Gratisexporte wirkten sich verheerend aus: Die Bevölkerung änderte ihre traditionellen Emährungsgewohnheiten, und den Produzenten im Land wurde die Existenzgrundlage entzogen. Bündelung der Mittel 17. Der wirtschaftliche Graben innerhalb der entwicklungsschwachen Länder ist tiefer als der in den Industrieländern oder der zwischen den Ländern selbst. Reichtum und Macht liegen in der Hand einer kleinen, aber komplexen Bevölkerungsschicht, die Verbindungen zum Ausland hat und eine Kontrollfunktion gegenüber dem schwachen Staat ausübt. 1069 KONGREGATIONEN UND RÄTE Jede Verbesserung der Situation wird verhindert; zuweilen ist sogar wirtschaftlicher und sozialer Rückschritt zu verzeichnen. Der Lebensstandard der einzelnen Bevölkerungsschichten ist äußerst uneinheitlich, was nicht nur zu Konfliktsituationen und gehäufter Gewaltanwendung führt, sondern auch die Klientelwirtschaft als einzige Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung fördert. Dadurch werden mögliche Initiativen im wirtschaftlichen Bereich gedrosselt und altruistisch motivierte Menschen, die es in jeder traditionellen Gesellschaft gibt, gebremst. In dieser Situation spielt der Staat eine äußerst wichtige Rolle, sobald er die Exportsektoren der Produktion begünstigt - was zunächst einmal positiv ist, aber der Bevölkerung vor Ort wenig Gewinn einbringt. In anderen Fällen legen die staatlichen Institutionen die Preise für landwirtschaftliche Produkte auf so niedrigem Niveau fest, daß die Bauern die Stadtbevölkerung finanziell unterstützen müssen; eine Situation, die die Landflucht verstärkt. Medien, Elektronik und Werbung tragen ebenfalls zur Entvölkerung der ländlichen Regionen bei. Die Entwicklungshilfe, die diesen Ländern zugute kommt, bestärkt die Regierungen mehr oder weniger unverhohlen, ihre gefährliche Politik weiter zu betreiben: Sie kommen unberechtigt in den Genuß von Finanzspritzen, weil ihre Politik den wahren Interessen ihres Volkes diametral entgegengesesetzt ist. Die Industrieländer müssen sich fragen lassen, ob sie nicht über Jahre hinweg falsche Zeichen gesetzt haben. Verschiebungen in den wirtschaftlichen und sozialen Strukturen 18. Verschiebungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich sind die Folgen einer schlechten Wirtschaftspolitik und die Reaktion auf nationalen und internationalen politischen Druck (vgl. die Nummern 11-13 und 17). Führen wir uns nochmals einige dieser Verschiebungen vor Augen, die häufig Vorkommen und sich besonders negativ auswirken: a) Die politisch Verantwortlichen im Land senken unter dem Druck der armen Stadtbevölkerung künstlich die Preise für landwirtschaftliche Güter, da die unzu-friedena Stadtbevölkerung als Gefahr für die politische Stabilität des Landes angesehen wird. Sie schaden damit aber den Nahrungsmittelproduzenten vor Ort. In Afrika hat sich dieses Szenario in den Jahren 1975-85 sehr häufig abgespielt und dazu geführt, daß die Produktion des Landes drastisch zurückgegangen ist. Zahlreiche Länder, die große landwirtschaftliche Reichtümer besitzen, wie Zaire und Sambia, wurden plötzlich zu Nettoimporteuren. b) Die Politik in den meisten Industrieländern schützt ihre eigene Landwirtschaft und verteidigt ihr im Vergleich zu den Weltmarktpreisen höheres inländisches Preisniveau. Ohne diese Eingriffe wären die Weltmarktpreise höher, was den anderen produzierenden Ländern zugute käme. Diejenigen, die von diesen Eingriffen profitierten, finden sich nun in einer neuen ungerechten Situation wieder. Viele Jahre über wurden sie dazu ermuntert, möglichst viel zu produzieren, was letzt- 1070 KONGREGATIONEN UND RÄTE endlich zu den Verschiebungen im landwirtschaftlichen System selbst geführt hat. Diese Politik wurde von der öffentlichen Meinung mehrheitlich befürwortet; sie kann aber den Interessen der Konsumenten in der ganzen Welt, ob sie nun zu den Privilegierten oder zu den Ärmsten gehören, zutiefst widersprechen. Darüber hinaus ist der Wettbewerb beim Export der unvermeidlichen Überschüsse ein Handicap für die Produktion der entwicklungsschwachen Länder, c) Eine falsch ausgerichtete Wirtschaftspolitik schadet der traditionellen Getreide-und Viehwirtschaft. Ein Beispiel hierfür ist die traditionelle Produktion, die der industriellen Landwirtschaft weichen mußte entweder aus Exportgründen (große Mengen landwirtschaftlicher Produkte für den Export, die abhängig von den Weltmärkten sind) oder als Austauschprodukte für das eigene Land. (In Brasilien wurde beispielsweise Zuckerrohr zur Herstellung von Treibstoff angebaut, um weniger Erdöl importieren zu müssen. Folge war eine Abwanderung der Bauern, denen die Emährungsgrundlage entzogen worden war.) D. Die Erde kann ihre Bewohner ernähren Die erstaunlichen Fortschritte der Menschheit 19. Neben den enormen Fehlentwicklungen, die wir angesprochen haben, dürfen wir nicht vergessen: Beeindruckende Fortschritte haben dazu geführt, daß die Weltbevölkerung von 3 Mrd. auf 5,3 Mrd. Menschen innerhalb von 30 Jahren (1960-1990) angewachsen ist. <350> In den Entwicklungsländern ist die „Lebenserwartung bei der Geburt von sechsundvierzig Jahren im Jahre 1960 auf zweiundsechzig Jahre im Jahre 1987 angestiegen. Die Sterberate der Kinder unter 5 Jahren konnte um 50% gesenkt werden, und zwei Drittel der Säuglinge unter einem Jahr sind gegen die Hauptkinderkrankheiten geimpft ... Die Kalorienzufuhr pro Einwohner ist zwischen 1965 und 1985 um ca. 20% gestiegen“ <351>. Vgl. FAO, Agriculture: Horizon 2010, Doc. C 93/24, Punkt 2.13, Rom 1993. <351> Vgl. UNDP, Weltbevölkerungsbericht 1990, Paris 1990, S. 18. Zwischen 1950 und 1980 hat sich die Nahrungsmittelproduktion weltweit verdoppelt, und „es gibt insgesamt auf der Welt genug Nahrung für alle“ <352>. Trotzdem herrscht immer noch Hungersnot. Die Gründe hierfür sind struktureller Natur: „Das Hauptproblem besteht in den ungleichen Zugangsbedingungen zu dieser Nahrung“ <353>. Es wäre ferner irrig, den tatsächlichen Nahrungsmittelkonsum der Familien einzig und allein an der statistischen Größe der Verfügbarkeit von Getreide pro Einwohner zu messen. Hunger ist kein Problem von Verfügbarkeit, sondern von erfüllbarer Nachfrage, d. h. vom Wenden vorhandener Not. <352> FAO und WHO, Weltemährungskonferenz. Weltdeklaration zur Ernährung. Schlußbericht der Konferenz, Punkt 1, Rom 1992. <353> Ibidem. 1071 KONGREGATIONEN UND RÄTE Im übrigen muß darauf hingewiesen werden, daß viele Menschen dank einer Schattenwirtschaft überleben können: Diese ist aber unsicher und per definitionem weder öffentlich bekannt noch meßbar. Die Nahrungsmittelmärkte 20. Auf den Weltmärkten für Nahrungsmittel wird zum Teil mit Produkten gehandelt, die nicht immer mit denen identisch sind, die in den meisten entwicklungsschwachen Ländern konsumiert werden. <354> Die enormen Preisschwankungen schaden den Interessen der Produzenten genauso wie denen der Konsumenten. Hervorgerufen werden sie durch spontane Anpassungsmechanismen, die noch verstärkt werden durch die Funktionsweise der Märkte. Stabilisierungsversuche zeitigten wenig Erfolg. Sie wirkten sich teilweise sogar noch negativ für die Produzenten aus. Andererseits schließt ein funktionierender Markt einen Anstieg der Preise aus. Die begrenzte Anzahl internationaler Handelsunternehmen erlaubt keine Änderung der Wechselkurse. Sie verhindert sogar, daß neue Marktteilnehmer auf den Markt kommen, was sich negativ auswirkt. Die Entstehung neuer Produktionskapazitäten hängt vor allem davon ab, in welchem Ausmaß technischer Fortschritt (Fortschritt bei der Entwicklung und bei der Anwendung) Verbreitung findet. Die durchschnittliche Reisproduktion in Indonesien ist innerhalb von einer Generation von 4 auf 15 Tonnen/Hektar gestiegen, also sehr viel schneller als die Bevölkerung, die schon in Rekordgeschwindigkeit wächst. In den meisten Ländern, in denen die Landwirtschaft Fortschritte macht, steigen die landwirtschaftlichen Erträge stark, obschon die Zahl der Landwirte gleichzeitig deutlich abnimmt. <354> Argentinien gehört zu den wichtigsten Weizen- und Rindfleischexporteuren, ist also kein entwicklungsschwaches Land, sondern ein Industrieland, dessen Wirtschaftsschwäche über lange Zeit hinweg im politischen System begründet lag. In den letzten Jahren hat sich die Situation grundlegend geändert, und die wirtschaftlichen Auswirkungen sind bereits sichtbar. Die moderne Landwirtschaft 21. Intensive Landwirtschaft wird in wachsendem Maße für Umweltschäden verantwortlich gemacht, vor allem für die Verschmutzung der natürlichen Ressourcen wie Wasser und Böden durch den übermäßigen Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Intensivierung der Landwirtschaft wird in erster Linie definiert als Erhöhung des Verhältnisses aus dem Verbrauch von Rohstoffen und Maschinen (hauptsächlich industrieller Natur) und der genutzten landwirtschaftlichen Fläche. Wir beobachten eine Entkoppelung der landwirtschaftlichen Produktionstechnologien von ihrer natürlichen Grundlage, den Böden. Die Beziehung zwischen diesen beiden Größen weicht einer riskanten Dualität von landwirtschaftlicher Technologie und wirtschaftlichem Umfeld. 1072 KONGREGATIONEN UND RÄTE Eine Intensivierung der Landwirtschaft erfordert im allgemeinen einen hohen Kapitaleinsatz. In den meisten Entwicklungsländern herrscht jedoch eine Selbstversorgungskultur vor, die vornehmlich auf „menschlichem“ Kapital gründet und nur über begrenzte technische Hilfsmittel und Wasservorräte verfügt. Die „grüne Revolution“ hat zwar gewisse Erfolge gehabt; das Nahrungsmittelproblem vieler Entwicklungsländer hat sie jedoch nicht lösen können. Wenn nun weitere Maßnahmen zur Verbesserung der intensiven Landwirtschaft und des Umweltschutzes anstehen, so sollten hierfür - wie in den industrialisierten Ländern - andere Produktionssysteme zum Einsatz kommen, die die natürlichen Ressourcen besser schützen und eine weite Streuung des Produktionseigentums aufrechterhalten. Deshalb sollten landwirtschaftliche Züchterverbände, die verantwortliche Verwaltung der Wasserressourcen und die Ausbildung zu kooperativen Organisationsformen gefördert werden. II. Eine ethische Herausforderang für alle Die ethische Dimension des Problems 22. Um dem Problem des Hungers und der Mangelernährung in der Welt begegnen zu können, muß man den ethischen Aspekt des Problems erfassen. Die Ursache des Hungers ist sittlicher Natur; sie liegt jenseits aller physischen, strukturellen und kulturellen Gründe. Somit ist auch die Herausforderung sittlicher Natur. Ein Mensch guten Willens, der an die universellen Werte innerhalb der verschiedenen Kulturen glaubt, wird diese Herausforderung annehmen. Dies gilt vor allem für den Christen, der selbst die Erfahrung der persönlichen Beziehung zum allmächtigen Herrn gemacht hat, jener Beziehung, die Gott zu jedem einzelnen Menschen knüpfen möchte. Diese Herausforderung beinhaltet ein vertieftes Verständnis der Phänomene, die Fähigkeit der Menschen, sich gegenseitig zu dienen - das kann natürlich auch durch das Spiel der wirtschaftlichen Marktkräfte geschehen, wenn sie in rechter Weise verstanden werden - und den Rückgang jedweder Korruption. Mehr noch: Es geht um unser aller Freiheit, sich tagtäglich dafür einzusetzen, daß jeder einzelne Mensch und die ganze Menschheit sich entwickeln können, d. h. es geht um die Entwicklung des Gemeinwohls. <355> Eine solche Entwicklung beinhaltet soziale Gerechtigkeit, Zugang aller Menschen zu den Reichtümem der Erde, gelebte Solidarität und Subsidiarität, Frieden und Achtung der Umwelt. Diese Richtung muß eingeschlagen werden, wenn wir Hoffnung verbreiten wollen und wenn wir eine <355> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Linz 1993, Nr. 1906. Hier wird Gemeinwohl in Anlehnung an Gau-dium et spes, Nr. 26,1 folgendermaßen definiert: „Die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ermöglichen, die eigene Vollendung voller und leichter zu erreichen“. 1073 KONGREGATIONEN UND RÄTE Welt schaffen wollen, die die uns nachfolgenden Generationen freundlicher empfängt. Um diesen Fortschritt zu ermöglichen, muß die organische Förderung des Gemeinwohls geschützt und gegebenenfalls als notwendige Komponente bei allen Entscheidungs- und Denkprozessen der politisch und wirtschaftlich Tätigen in allen Bereichen und allen Ländern neu mit Leben gefüllt werden. Die Motivation von Einzelpersonen und Institutionen ist nötig, damit eine Gesellschaft und eine Familie funktionieren. Aber für jeden einzelnen sowie für die Gemeinschaft gilt: die Menschen müssen umkehren und lernen, das Ziel des Gemeinwohls nicht zugunsten persönlicher Interessen, der Interessen ihrer Nächsten, ihrer Arbeitgeber, ihres Clans oder ihres Landes zu opfern, so berechtigt deren Interessen auch seien. Die von der Kirche Schritt für Schritt in ihrer Soziallehre verkündeten Grundsätze sind ein wertvoller Leitfaden für den Menschen und sein Handeln im Kampf gegen den Hunger. Das Ziel des Gemeinwohls ist Schnittpunkt folgender Elemente: - Suche nach größtmöglicher Leistungsfähigkeit in der Verwaltung der Güter der Erde; - höhere Achtung der sozialen Gerechtigkeit, die durch die universelle Bestimmung der Güter möglich wird; - ständig und sinnvoll gelebte Subsidiarität, die die Verantwortlichen davor schützt, die Macht an sich zu reißen, denn die Macht ist ihnen zum Dienst gegeben; - gelebte Solidarität, die davon abhält, daß die Reichen die finanziellen Mittel an sich reißen; so wird niemand vom sozialen und wirtschaftlichen Bereich ausgeschlossen oder seiner menschlichen Würde beraubt. Die kirchliche Soziallehre als Ganze muß also das Handeln der Verantwortlichen bestimmen, ob sie diese nun bewußt oder unbewußt anwenden. Die Gefahr besteht, daß eine solche Forderung auf Skepsis oder sogar Zynismus stößt. Das Handeln vieler Verantwortlicher wird von der unbeugsamen, manchmal grausamen Umwelt bestimmt, die Angst erzeugt und zur arroganten Suche nach Macht und Machterhalt führt. Viele Menschen können geneigt sein, ethische Erwägungen als Bremsklotz anzusehen. Und doch zeigt die alltägliche Erfahrung in mannigfacher Weise und an den verschiedensten Orten, daß dem nicht so ist; denn nur eine ausgewogene Entwicklung, die das Gemeinwohl sucht, ist eine förderliche Entwicklung, und nur sie kann auf Dauer zur sozialen Stabilität beitragen: In allen Ländern und auf allen Ebenen handeln Menschen ohne Unterlaß und ohne viel Aufhebens unter Berücksichtigung der legitimen Interessen ihresgleichen. Die riesige Aufgabe des Christen ist es, überall ein solches Verhalten zu unterstützen; wie ein wenig Sauerteig inmitten eines sehr harten Teiges sind sie dazu aufgerufen durch ihre Nähe zu der Liebe, die der Herr allen Menschen zuteil werden läßt und die sie an sich selbst erfahren. 1074 KONGREGATIONEN UND RÄTE Ihre wunderbare Aufgabe besteht darin, in allen Bereichen vorbildlich zu sein: technisch, organisatorisch, sittlich und geistlich. Sie können sich gegenseitig auf allen Ebenen der Verantwortlichkeit beistehen und jeden motivieren, der nicht durch seine soziale Lage „ausgeschlossen“ ist. Nächstenliebe im Dienst der Entwicklung 23. Die Suche nach dem Gemeinwohl muß auf die Sorge um den Menschen und die Liebe zu ihm gründen. In den verschiedensten Situationen stehen Menschen tagtäglich vor der Alternative: persönliche und kollektive Selbstzerstörung oder Nächstenliebe. Letztere zeugt also von einem verantwortungsvollen Gewissen, das weder vor seinen eigenen Grenzen noch vor der gewaltigen Herausforderung zurückschreckt, weil die Liebe zu den Menschen es antreibt. „Wie würde die Geschichte über eine Generation urteilen, die alle Mittel besitzt, um die Bevölkerung des ganzen Planeten zu ernähren, sich aber in brudermörderischer Blindheit weigerte, dies zu tun? Was für eine Wüste würde eine Welt sein, auf der das Elend nicht der Liebe begegnet, die Leben spendet“ <356>? <356> Johannes Paul TL, Ansprache am Sitz der Westafrikanischen Wirtschaftskommission (CEAO) in Ouagadougou, 29. Januar 1990, AAS 82(1990)8,818. Die Liebe geht über das Geben im strengen Sinne hinaus. Entwicklung wird durch das Handeln der mutigsten, kompetentesten und aufrichtigsten Menschen vorangetrieben. Diese Pioniere empfinden Solidarität mit allen Menschen, die nah oder fern unter dem Handeln oder den Unterlassungen der für sie Verantwortlichen leiden. Derartige konkrete Verantwortung aller ist sichtbares Zeichen des Altruismus. Solidarität ist natürlich von allen gefordert. Glücklicherweise brauchen wir nicht darauf zu warten, daß die Mehrheit der Menschen zur Nächstenliebe umkehrt, um die Früchte des Handelns derer zu ernten, die schon jetzt zupacken. Die Auswirkungen des Handelns dieser Menschen, die sich auf allen Ebenen in ihrem Alltag als Diener am Menschen und an der Menschheit einsetzen, sind ein sicheres Fundament für unsere Hoffnung. Soziale Gerechtigkeit und universelle Bestimmung der Güter 24. Im Herzen der sozialen Gerechtigkeit steht das Prinzip der universellen und allgemeinen Bestimmung der Güter der Erde. Papst Johannes Paul II. hat es folgendermaßen ausgedrückt: „Gott hat die Erde dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt, ohne jemanden auszuschließen oder zu bevorzugen, auf daß sie alle seine Mitglieder ernähre“ <357>. Diese Aussage zieht sich durch die christliche Tradition, und sie kann gar nicht oft genug wiederholt werden, obwohl sie natürlich die gesamte Menschheit über alle konfessionellen Grenzen hinweg betrifft. Das <357> Johannes Paul n., Enzyklika Centesimus annus (1991), Nr. 31. 1075 KONGREGATIONEN UND RÄTE Axiom ist ein notwendiger Baustein für die Errichtung einer Gesellschaft, in der Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität herrschen. Jede Generation muß sich dessen bewußt sein, daß sie nur eine Zeitlang die Ressourcen der Erde und das Produktionssystem verwaltet. Im Hinblick auf die Vollendung der Schöpfung ist das Recht auf Eigentum keine absolute Größe; es ist Ausdruck der Würde jedes einzelnen, aber es ist nur rechtmäßig, wenn es sich dem Gemeinwohl unterordnet und wenn es zum Wohl aller beiträgt. In den verschiedenen Kulturen wird Gemeinwohl übrigens unterschiedlich gesehen und gehandhabt. Die kostspielige Abkehr vom Gemeinwohl: die „Strukturen der Sünde “ 25. Ein Mensch, der das Gemeinwohl mißachtet, jagt dem persönlichen Wohl in Form von Geld, Macht und Ruf nach. Sie werden als absolute Größen um ihrer selbst willen begehrt, das heißt, es sind Abgötter. So entstehen „Strukturen der Sünde“ <358>, das sind alle Situationen und Umstände, in denen Menschen sich sündig verhalten und in denen jeder, der sich in sie hineingestellt sieht, viel Mut aufbringen muß, will er dieses Verhalten nicht annehmen. <358> Vgl. Johannes Paul n., Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia (1984), Nr. 16, (soziale Sünde führt zu sozialen Übeln), Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis (1987), Nr. 36-37, und Enzyklika Centesimus annus (1991), Nr. 38. In diesen Dokumenten finden sich Ausdrücke wie „Situationen der Sünde“ oder „Soziale Sünden“. Als Gründe für die Sünde werden immer Egoismus, Suche nach Profit und Machthunger genannt. Die „Strukturen der Sünde“ sind vielfältig; sie sind mehr oder weniger weitläufig, manche sind auf der ganzen Welt verbreitet, wie zum Beispiel die Mechanismen und Verhaltensweisen, die zu Hungersnöten führen; andere sind von sehr viel be-grenzterem Ausmaß, führen aber zu Ungleichgewichten, die es den betroffenen Menschen schwer machen, Gutes zu tun. Diese „Strukturen“ fordern von den Menschen einen hohen Tribut: Sie zerstören das Gemeinwohl. Seltener wird auf Negativfolgen und Kosten solcher „Sünden“ im wirtschaftlichen Bereich hingewiesen. Hier gibt es einige frappierende Beispiele. <359> Es sind nicht nur Ignoranz und Nachlässigkeit, die die Entwicklung behindern, sondern auch die vielfältigen und weit verbreiteten „Strukturen der Sünde“. Sie zweckentfremden die Güter der Erde, die für alle bestimmt sind, für menschenfeindliche Ziele und machen so eine förderliche Entwicklung für alle unmöglich. <359> Die Produktion von Chemiewaffen, die keine positiven Folgen zeitigen, sondern nur dazu dienen, anzugreifen oder zu verteidigen, legt beredtes Zeugnis davon ab. Die 500.000 Tonnen tödliches Material, die 60 Mrd. Menschen vernichten können und die in der ehemaligen Sowjetunion lagern, haben in der Produktion ca. 200 Mrd. US-$ gekostet, und es kostet noch einmal soviel, sie zu zerstören. Es handelt sich letztendlich um Ressourcen, die einen herben Verlust für unseren Planeten bedeuten. Dieses widersinnige Abenteuer führte zum Absinken des Lebensstandards der Menschen (im allgemeinen, nicht nur in der ehemaligen Sowjetunion) und zu Hunger in Familien, die ohne dieses Abenteuer Hunger nie gekannt hätten. Der Mensch kann sich die Erde nur untertan machen und sie beherrschen, wenn er den falschen Göttern abschwört: Geld, Macht und Ruf. Sie werden Selbstzweck und sind nicht länger Mittel im Dienst an jedem einzelnen Menschen und der gesamten Menschheit. Habgier, Hochmut und Eitelkeit verblenden denjenigen, der 1076 KONGREGATIONEN UND RÄTE ihnen erliegt. Der Mensch sieht schließlich nicht mehr, daß seine Sichtweise begrenzt ist und sein Handeln selbstzerstörerisch. Die universelle Bestimmung der Güter beinhaltet, daß Geld, Macht und Ruf als Mittel für folgende Ziele dienen: - Schaffen von Produktionsmitteln für Güter und Dienstleistungen, die sozial sinnvoll sind und das Gemeinwohl fördern. - Teilen mit den Ärmsten, die in den Augen aller Menschen guten Willens die Notwendigkeit des Gemeinwohls verkörpern. Sie sind die lebenden Zeugen für den Mangel an diesem Gut. Für die Christen sind sie die geliebten Kinder Gottes, der sich uns durch sie und in ihnen zeigt. Die Verabsolutierung dieser Reichtümer verhindert ganz oder teilweise, daß die Ärmsten das Gemeinwohl mittragen. Die Weltwirtschaft funktioniert allgemein gesehen nur mäßig - verglichen vor allem mit den Spitzenleistungen, die einige Länder über einen relativ langen Zeitraum erbringen - und ist, in menschlichen Kategorien gesprochen, sehr kostenintensiv (dort, wo sie funktioniert, und auch dort, wo sie nicht funktioniert). Der Grund hierfür liegt darin, daß sie unter den Kosten, die die schlechten Gewohnheiten verursachen, leidet. Diese stellen eine sittliche Zwangsjacke dar, die die Menschen einengt. Auf der anderen Seite sind dort erstaunliche Fortschritte erzielt worden, wo Gruppen von Menschen es schaffen, gemeinsam zu arbeiten und den Dienst der Gemeinschaft und jedes einzelnen dabei mit einzubeziehen. Menschen, die bislang wenig Nützliches taten, leisten erstaunliche Arbeit. Die positiven Auswirkungen verändern Schritt für Schritt die materiellen und psychologischen Voraussetzungen sowie die Einstellung der Menschen. In Wirklichkeit ist dies das positive Gegenbild der „Strukturen der Sünde“: Man könnte sie „Strukturen des Gemeinwohls“ nennen, die die „Zivilisation der Liebe“ <360> einleiten. Erfahrungen mit „Strukturen des Gemeinwohls“ geben uns einen ersten Einblick in die Welt, so wie sie einmal sein könnte: Menschen achten viel häufiger bei all ihrem Handeln und in ihrer Verantwortung auf gemeinsame Interessen und auch das Schicksal eines jeden einzelnen. <360> Vgl. Paul VI., Weihnachtsbotschaft zum Ende des Heiligen Jahres, AAS 68(1976)2,145. Dieses Bild wurde erstmalig von Papst Paul VI. benutzt. Vor allem den Armen Gehör schenken und ihnen dienen, d. h. mit ihnen teilen 26. Der im wirtschaftlichen Sinn arme Mensch beweist leider den Mangel an menschlicher Sorge um das Gemeinwohl. Doch hat er uns etwas zu sagen, das wir nur von ihm lernen können. Was das praktische Leben angeht, so hat er seine eigene Sichtweise, seine eigenen Erfahrungen, die die Reichen nicht kennen. Papst Johannes Paul II. hat dies in seiner Enzyklika Centesimus annus folgendermaßen 1077 KONGREGATIONEN UND RÄTE ausgedrückt: „Vor allem aber ist es notwendig, eine Denkweise aufzugeben, die die Armen der Erde - Personen und Völker - als eine Last und als unerwünschte Menschen ansieht, die das zu konsumieren beanspruchen, was andere erzeugt haben ... Die Hebung der Armen ist eine große Gelegenheit für das sittliche, kulturelle und wirtschaftliche Wachstum der gesamten Menschheit“ <361>. <361> Johannes Paul U., Enzyklika Centesimus annus (1991), Nr. 28 Die Sichtweise der Mittellosen ist gewiß nicht exakter oder vollständiger als die der Verantwortlichen; aber sie ist wichtig für die letzteren, wenn diese nicht wollen, daß ihr Handeln auf lange Sicht zur Selbstzerstörung führt. Wer eine kostspielige und schwierige Wirtschafts- und Sozialpolitik betreibt, ohne die Sichtweise des Kleinsten zu berücksichtigen, läuft Gefahr, nach einer gewissen Zeit in eine Sackgasse zu laufen, was sehr kostenintensiv für die gesamte Welt werden kann. Genau das ist bei der Verschuldung der Dritten Welt passiert. Hätten Gläubiger und Schuldner die Sichtweise der Ärmsten als ein wichtiges Stück Realität berücksichtigt, dann hätte dies zu mehr Vorsicht geführt, und in vielen Ländern wäre dieses riskante Unterfangen nicht so negativ verlaufen, hätte sogar ein gutes Ende genommen. Die Komplexität der zu lösenden Probleme oder - besser gesagt - der Situationen, die es zu verbessern gilt, erfordert von uns, den Ärmsten aufmerksam zuzuhören. Nur so können wir vermeiden, Sklaven des kurzfristigen Denkens zu werden im Bereich von Technologie, Bürokratie, Ideologie oder durch verklärte Vorstellungen von den Möglichkeiten des Staates oder des Marktes: Beide haben eine wichtige Rolle zu spielen, aber sie sind nur Mittel, nicht Selbstzweck. Rolle der Vermittlungsinstanzen ist es, den Armen Gehör zu verschaffen und ihre Sichtweisen, Bedürfnisse und Wünsche festzuhalten. Diese Vermittlungsinstanzen sind aber gerade mit dieser Aufgabe überfordert. Sie leiden selbst unter ihrer eigenen Monopolstellung, die von ihnen verlangt, ihre Machtstellung zu festigen, oder sie leiden unter der Konkurrenz, die die Armen als Mittel zur Macht ausnutzen will. Die Gewerkschaften haben hier einige sehr wichtige Ziele. Sie müssen fast heldenhafte Leistungen erbringen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, ohne dabei verdrängt oder vereinnahmt zu werden. <362> mußten. Es herrscht eine Symbiose zwischen dem Bauern und dem Boden. Der Boden in Afrika ist schön und fruchtbar, aber sehr anfällig. Die neuen Verhaltensweisen der Bauern, hervorgerufen durch die moderne Wirtschaft, und der Verlust ihres althergebrachten Glaubens führten zur Zerstöung des Bodens. Die katholischen Missionare - und vielleicht auch andere - hatten dies erfaßt. Immer achteten die Missionare die Talente und vor allem die traditionellen Erfahrungen. Einige ONG, z. B. die Fidesco, die ihren Sitz in Frankreich hat und in verschiedenen anderen Ländern arbeitet, haben diese wiederentdeckt. 1078 KONGREGATIONEN UND RÄTE In solchen Situationen wird Teilen zu einer echten Zusammenarbeit, zu der jeder beiträgt, indem er allen das gibt, was die Gemeinschaft braucht. Der Ärmste hat seine eigene wichtige Aufgabe, wichtig gerade deshalb, weil er tatsächlich ausgeschlossen ist. <363> Dieses Paradoxon sollte den Christen nicht erstaunen. Die Pflicht, jedem das gleiche Zugangsrecht zum nötigen Existenzminimum zu gewähren, wird nicht nur als moralische Verpflichtung des Teilens mit dem Ärmsten gesehen, was an sich schon sehr wichtig ist, sondern auch als deren Wiedereingliederung in die Gemeinschaft selbst, die ohne den Ärmsten zu verkümmern droht. Der Platz des Ärmsten ist nicht am Rand, in der Marginalität, aus der man ihn mehr schlecht als recht herauszureißen versucht. Der Ärmste steht im Mittelpunkt unserer Anliegen und Sorgen. Er steht im Zentrum der Menschheitsfamilie. Dort kann er seine einzigartige Rolle in der Gemeinschaft spielen. <363> Vgl. die Veröffentlichungen von P. Joseph Wrejinsky und ATD Vierte Welt. Von diesem Blickwinkel aus gesehen, zeigt sich die wahre Bedeutung der sozialen Gerechtigkeit, die auch eine ausgleichende Gerechtigkeit ist. Sie ist Grundlage allen Handelns für die Verteidigung der Rechte. Sie garantiert den sozialen Zusammenhalt, die friedliche Koexistenz der Nationen, aber auch ihre gemeinsame Entwicklung. Eine integrierte Gesellschaft 27. Das Bild von der Gerechtigkeit, die in der menschlichen Solidarität verwurzelt ist und als solche dem Stärksten aufträgt, dem Schwächsten zu helfen, muß uns überall dorthin führen, wo die Stimmen der Ärmsten ertönen, damit wir in Gerechtigkeit, Frieden und Nächstenliebe vereint an der einen, alle umfassenden Gesellschaft arbeiten. Gesellschaften sind letztendlich zum Scheitern verurteilt, wenn sie einige ihrer Glieder ausstoßen. Diese Feststellung wäre nicht kohärent, beinhaltete sie nicht auch das Recht der Armen, sich zusammenzuschließen, um besser Hilfe von allen Seiten zu erhalten und ihr Elend zu überwinden. Frieden: Rechte im Gleichgewicht 28. Dauerhafter Frieden ist nicht das Ergebnis eines Gleichgewichts der Kräfte, sondern eines Gleichgewichts der Rechte. Frieden ist auch nicht gleichbedeutend mit dem Sieg des Starken über den Schwachen, sondern mit dem Sieg der Gerechtigkeit über die ungerechten Privilegien, dem Sieg der Freiheit über die Tyrannei, 1079 KONGREGATIONEN UND RÄTE der Wahrheit über die Lüge, <364> der Entwicklung über den Hunger, das Elend und die Erniedrigung innerhalb jedes Volkes und zwischen den Völkern. Will man wahrhaften Frieden und wirkliche internationale Sicherheit schaffen, reicht eine bloße Vermeidung von Kriegen und Konflikten nicht aus. Man muß Entwicklung fördern, Bedingungen schaffen, die in der Lage sind, die Grundrechte des Manschen zu garantieren. <365> Demokratie und Abrüstung sind zwei Forderungen des Friedens, der unabdingbar für eine wirkliche Entwicklung ist. <364> Vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris (1963), Kap. m, AAS 55(1963)5,279-291. <365> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache zum 50. Jahrestag der Gründung der FAO (23. Okt. 1995), Punkt 2, UOsservatore Romano (Ausgabe in deutscher Sprache), Nr. 45 vom 10.11.1995. Dringlichkeit der Abrüstung 29. Regionale Konflikte haben innerhalb von fünfzig Jahren ca. siebzehn Millionen Menschenleben gefordert. „In den achtziger Jahren sind die Militärausgaben auf den höchsten Stand in Friedenszeiten gestiegen; sie werden auf eine Billion (tausend Milliarden) Dollar (pro Jahr) geschätzt. Sie machten etwa fünf Prozent des gesamten Welteinkommens aus“ <366>. Hier zeigt sich, wie wichtig und vordringlich es ist, daß alle politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen handeln, damit diese gigantischen Summen, die bislang für den Tod ausgegeben wurden - auf der nördlichen wie auf der südlichen Halbkugel -, von nun an für das Leben ausgegeben werden. Eine solche Haltung entspräche den sittlichen Kräften, die für eine schrittweise Abrüstung kämpfen. So würden beachtliche finanzielle Mittel frei, die den Entwicklungsländern zugute kommen könnten; denn sie benötigen sie dringend für ihren Fortschritt. <367> <366> Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1990, Washington 1990, S. 19. <367> Vgl. Päpstlicher Rat ,Justitia et Pax“, Der internationale Waffenhandel. Ethische Überlegungen, Vatikanstadt 1994. Eine besonders hartnäckige „Struktur der Sünde“ ist der Export von Waffen in einer Quantität, die weit über das berechtigte Bedürfnis nach Selbstverteidigung des Käuferlandes hinausgehen oder die für den internationalen Waffenhandel bestimmt sind. Heutzutage kann jeder, der über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, per Katalog modernste Waffen bestellen. In diesem Bereich breitet sich die Korruption aus. Schlimmer aber noch ist diese üble Praxis in sich. Wir sollten den Hut vor jenen Regierungen ziehen, die den Mut hatten, Verträge über Waffenkäufe, die ihre Vorgänger - Regime, die sich bis an die Zähne bewaffnet haben -eingegangen waren, nicht zu verlängern und die so Gefahr liefen, sich den Unmut der exportierenden Länder zuzuziehen. Achtung der Umwelt 30. Die Natur ist dabei, uns eine Lektion in Sachen Solidarität zu erteilen, aber wir beachten sie kaum. Bei der Herstellung von Nahrungsmitteln sind alle Menschen 1080 KONGREGATIONEN UND RÄTE aktive oder passive Bausteine eines Ökosystems. Dem Bewußtsein eröffnet sich so ein neues Feld der Verantwortung. Man kann nicht eine wachsende Anzahl von Menschen satt machen wollen und gleichzeitig die Landwirtschaft schwächen. Und doch verschmutzt die Landwirtschaft derart die Umwelt (massenhafter Einsatz von Dünger, Pestiziden und Maschinen), daß sie zum Industriesektor geworden ist; eine saubere Produktionsweise ist in diesem Sektor noch nicht Wirklichkeit geworden. Umweltverschmutzung, übermäßiger Konsum, Versteppung und Entwaldung gefährden neben anderen lebensnotwendigen Ressourcen Luft, Wasser, Böden und Wälder. Innerhalb von fünfzig Jahren wurde die Hälfte des tropischen Regenwaldes abgeholzt mit dem Ziel, die Böden anders zu nutzen oder durch beschleunigte Ausbeutung die Schuldenlast abbauen zu können. Welche Kurzsichtigkeit! In den ärmsten Regionen wird die Versteppung durch Überlebensstrategien hervorgerufen, die die Armut noch vergrößern: Überweidung, Abholzen von Bäumen und Büschen zum Kochen von Nahrung oder zum Heizen. <368> <368> Vgl. FAO, Nachhaltige Entwicklung und Umwelt, Politik und Aktivitäten der FAO, Rom 1992. Ökologie und nachhaltige Entwicklung 31. Ein ökologisch verantwortliches Umgehen mit der Erde ist dringend geboten. Wir möchten zwei Aspekte aus dem Bereich der Nahrungsmittelproduktion, die einen bedeutenden Sektor darstellt, hervorheben. Zunächst einmal sind die anfallenden Kosten in den Wirtschaftsprozeß einzubinden; <369> wir müssen uns die Frage stellen, ob es immer die Armen sein müssen, die diese Last in Form von Nahrungsproblemen zu tragen haben. Zweitens beschleunigt der Wunsch, die Zusammenhänge zwischen Ökologie und Wirtschaft besser zu verstehen, die Idee einer nachhaltigen Entwicklung. Diese Erkenntnis kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine ausgewogene Entwicklung mit mehr Kraft als bisher gefördert werden muß. Schließlich kann eine Entwicklung ja nur nachhaltig sein, wenn sie ausgewogen ist. Ansonsten laufen wir Gefahr, zu den vorhandenen Ungleichgewichten neue hinzuzufügen. <369> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache anläßlich der 25. Tagung der Konferenz der FAO, lö.November 1989, Nr. 8, AAS 82(1990)7,672-673. Die Herausforderung gemeinsam annehmen 32. Hunger und Mangelernährung erfordern konkretes Handeln, das von der Bemühung um eine umfassende Entwicklung der Menschen und der Völker nicht getrennt werden kann. Die Aufgabe ist so gewaltig, daß die Katholische Kirche in immer stärkerem Maße zur Verbesserung der Situation beitragen muß. Sie muß alle dazu aufrufen, gemeinsam und mit Ausdauer an dieser Aufgabe zu arbeiten. 1081 KONGREGATIONEN UND RÄTE Glücklicherweise haben schon viele Menschen, Nicht-Regierungs-Organisationen, Behörden und Internationale Organisationen sich dafür eingesetzt, den Hunger zu besiegen. Erinnern wir nur an die internationale Kampagne gegen den Hunger und weitere Initiativen, an denen sich Christen gern beteiligen. Den Beitrag der Armen zur Demokratie anerkennen 33. Es bleibt weithin unbeachtet, wie dynamisch arme Menschen sind. Damit dies bekannt wird, müssen sich sehr viele Einstellungen und Handlungsweisen - im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Bereich - ändern. Wenn Arme nicht an der Ausarbeitung von sie betreffenden Projekten teilhaben dürfen, dann - so lehrt die Geschichte - können sie meist auch nicht in vollem Maße aus diesen Projekten Nutzen ziehen. Wir müssen Solidarität in der Gemeinschaft schaffen. Wir lernen nur, das tägliche Brot zu teilen, wenn wir bereit sind, Bewußtsein und Handeln in der gesamten Gesellschaft neu auszurichten. <370> Eine solche Haltung führt zu wirklicher Demokratie. <370> Vgl. die Päpstlichen Autographen der Errichtung der Stiftungen .Johannes Paul n. für die Saheizone“, gegründet am 22. Februar 1984, und „Populorum Progressio“, gegründet am 13.Februar 1992. Der Sitz der beiden Stiftungen ist beim Päpstlichen Rat „Cor Unum“ im Vatikanstaat; der Sitz des Verwaltungsrats der Stiftung .Johannes Paul II. für die Saheizone“ ist in Ouagadougou (Burkina Faso) und der der Stiftung „Populorum Progressio“ in Santafe de Bogota (Kolumbien). Die Demokratie wird gemeinhin als unabdingbares Element für die menschliche Entwicklung anerkannt, weil sie eine verantwortliche Teilnahme an der Verwaltung der Gesellschaft ermöglicht. Demokratie und Entwicklung gehen Hand in Hand; die Anfälligkeit der einen kann die andere gefährden. Wenn das Gleichheitsprinzip sich dem Kräfteverhältnis unterordnen muß, kann das für die Armen heißen, daß sie nur noch das Existenzminimum erhalten. Eine Demokratie wird daran gemessen, wie sie Freiheit und Solidarität miteinander in Einklang bringt, ohne einem absoluten Liberalismus oder einer anderen Lehre das Wort zu reden, die die Bedeutung von Freiheit nicht anerkennt oder die echte Solidarität behindert. <371> <371> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache vor den Vereinten Nationen zum 50jährigen Bestehen der Weltorganisation (5. Oktober 1995), Nm. 12 und 13, L’Osservatore Romano (Ausgabe in deutscher Sprache), Nr. 41 vom 13. Oktober 1995. Gemeinschaftliche Initiativen 34. Eine wachsende Anzahl von Menschen und Gruppen antwortet auf das Elend mit der Teilnahme an gemeinschaftlichen Aktionen. Sie sind es wert, gefördert zu werden. Mehr und mehr Länder unterstützen die Beteiligung der Bevölkerung an diesen Initiativen, aber verschiedene Kräfte versuchen immer noch, sie zu zerstören, weil sie ihnen lästig sind - was zum Teil folgenschwer ist -, obwohl sie doch unerläßliche Grundlage einer echten Entwicklung sind. 1082 KONGREGATIONEN UND RÄTE Verschiedene Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO) im Entwicklungssektor wurden aufgrund örtlicher Initiativen ins Leben gerufen. Sie haben die Entstehung einer neuen volksnahen Bürgerschaft in mehreren Entwicklungsländern, gefördert. Diese NRO haben verschiedenste Möglichkeiten der Konzertierung und Unterstützung auf den Weg gebracht. Dank der aktiven Mithilfe des Volkes, die dadurch entstand, konnte eine große Anzahl armer Menschen ihr Elend überwinden und ihre Situation, die von Hunger und Mangelernährung geprägt war, verbessern. In den letzten Jahren haben Internationale Katholische Verbände und neue Kirchliche Gemeinschaften Initiativen im sozialen und wirtschaftlichen Bereich verwirklicht. In ihrem Kampf gegen Hunger und Elend sind sie geistige Erben etwa von mittelalterlichen Berufsverbänden, vor allem von den Genossenschaften des 19. Jh. Die Initiatoren, die sich für das Gemeinwohl einsetzten, gründeten Institutionen im Sinne des Evangeliums oder in Anlehnung an soziale Solidarität. Der erste, der die Bedeutung der Hilfe zur Selbsthilfe hervorhob, war der Quäker P.C. Plockboy (f 1695). Andere Pioniere sind besser bekannt: Felicite Robert de La-mennais (f 1854), Adolf Kolping (t 1865), Robert Owen (t 1858), Baron Wilhelm Emmanuel von Ketteier (f 1877). Heute entstehen Vereinigungen, die das Gemeinwohl der Gesellschaft anstreben und Egoismus, Hochmut und Habgier, die häufig das Gemeinschaftsleben regieren, zurückdrängen wollen. Die Erfahrungen, die im Laufe der Geschichte gemacht worden sind, und die Ergebnisse dieser neuen Initiativen geben Anlaß zu der Hoffnung, daß in Zukunft ihre Früchte geerntet werden können. <372> <373> <372> Wir möchten hier einige dieser Initiativen nennen: Ökonomie der Gütergemeinschaft / Opera di Maria, Bewegung der Fokolare (Rocca di Papa / Italien); AVSI / Comunione e Liberazione (Mailand); Fidesco / Communaute Emmanuel (Paris); Familienmission / Gemeinschaft des Neukatechumenats (Madrid / Rom); Sozialwerk „Kolping International“ (Köln). <373> UNDP, op. cit., S. 31 (vgl. Fußnote 30). Zugang zu Krediten 35. „Einer der großen Erfolge der NRO war es, den Armen den Zugang zu Krediten zu ermöglichen“. Der Zugang von breiteren Bevölkerungsgruppen zu Krediten hat enorm an Bedeutung gewonnen. Er kann einer Selbstversorgungswirtschaft dabei helfen, die Grundlagen für eine echte Volkswirtschaft zu legen. Bislang hat man einen entscheidenden Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht erreichen können, aber man muß berücksichtigen, welche Bedeutung das Phänomen in sich birgt und wohin es führt. Wenn die Gemeinschaftsinitiativen Unterstützung finden und den Partnern vor Ort Vertrauen entgegengebracht wird, dann kann aus einer bloßen Unterstützung langsam die Grundlage einer umfassenden Entwicklung erwachsen. <374> Vgl. IFAD (International Fund for Agricultural Development - Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung), The Role of Rural Credtit Projects in Reaching the Poor, Rom-Oxford 1985. 1083 KONGREGATIONEN UND RÄTE Die ausschlaggebende Rolle der Frauen 36. Im Kampf gegen Hunger und für Entwicklung spielen die Frauen eine ausschlaggebende Rolle, die allzuoft noch nicht ausreichend anerkannt und geschätzt wird. Frauen sind eine wesentliche Voraussetzung für das Überleben ganzer Völker, vor allem in Afrika; denn sie produzieren den Hauptteil der Nahrung für die Familien. Sie haben in den Entwicklungsländern die schwere Aufgabe, ihre Familien mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung zu versorgen. Sie sind auch die ersten Opfer von Entscheidungen, die ohne ihr Wissen getroffen werden wie zum Beispiel die Aufgabe der Getreidefelder und der regionalen Märkte, die sie hauptsächlich verwalten. Solche Entscheidungen mißachten die Frau und schaden der Entwicklung. Der Übergang zur Marktwirtschaft und die Einführung neuer Technologien können sich unter solchen Umständen trotz bester Absichten negativ auswirken und die Arbeitsbedingungen der Frauen noch verschlechtern. Frauen sind von der Mangelernährung in besonderer Weise betroffen: In erster Linie sind sie es, die darunter leiden, und sie geben den Mangel schon in der Schwangerschaft an ihre Kinder weiter. Die gesundheitliche und schulische Zukunft ihrer Kinder ist in Gefahr. Doch ein noch viel höheres Ziel steht an: Es geht darum, den sozialen Status der Frauen in den armen Ländern zu verbessern, indem man ihnen einen besseren Zugang zu Gesundheit, Bildung und auch zu Krediten ermöglicht. So können die Frauen sich im Einsatz für ein Wachstum der Bevölkerung, für Entwicklung und für wirtschaftlichen und politischen Fortschritt in ihren Ländern verwirklichen. <375> Dieser Fortschritt sollte freilich die Rolle des Mannes und der Frau schützen und erhalten, ohne einen Graben zwischen ihnen entstehen zu lassen; ohne die Männer weiblich zu machen oder die Frauen männlich. <376> Dennoch darf die wünschenswerte Weiterentwicklung der Situation der Frau nicht auf Kosten der Aufmerksamkeit gehen, die sie dem Leben, das entsteht und sich entfaltet, schenken soll. Einige Entwicklungsländer gehen hier mit ihrem Beispiel voran, indem sie der überzogenen Umgestaltung der weiblichen Empfindsamkeit, wie wir sie zur Zeit im Westen beobachten, einen Riegel vorschieben, ohne dabei die Frau in ihre rechtlose Rolle zurückzudrängen. Hüten wir uns davor, in diesem Bereich wieder den Fehler zu machen, traditionelle Strukturen zugunsten westlicher Modelle aufzugeben, obwohl diese den örtlichen Gegebenheiten überhaupt nicht angepaßt sind bzw. nicht schematisch übertragen werden können. <375> Vgl. Johannes Paul II., Brief an die Frauen (29. Juni 1995), Nr. 4, AAS 87(1995)9,805-806. <376> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (1988), Nm. 6-7. Vgl. auch Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (1988), Nr. 50. 1084 KONGREGATIONEN UND RATE Integrität und soziales Bewußtsein 37. Die Gesamtheit der sozialen und wirtschaftlichen Kräfte muß mobilisiert werden, eine Entwicklungspolitik auf den Weg zu bringen, die allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht und die geforderten Anstrengungen und Opfer erbringt. Bedingung dafür ist, daß die Verantwortlichen eindeutige Zeichen der Integrität und des Gemeinsinns setzen. Phänomene wie Kapitalflucht, Verschwendung oder Aneignung von Ressourcen zugunsten einer familiären, sozialen, ethnischen oder politischen Minderheit sind weit verbreitet und bekannt. Diese Mißstände werden oft angeprangert, aber keiner der Schuldigen wird unmißverständlich dazu aufgefordert, dieses schädliche Tun, das auf Kosten der Armen geht, zu unterlassen, obwohl es unglaubliche Ausmaße angenommen hat. <377> <377> Das ungefähre Ausmaß der Korruption ergibt sich aus den „gewaschenen“ Geldsummen, deren Höhe von den zuständigen Behörden, die Betragsvergehen ahnden, geschätzt wird. Gerade die Korruption <378> stellt häufig ein Hindernis für notwendige Reformen zur Förderung von Gemeinwohl und Gerechtigkeit - zwei Seiten derselben Medaille -dar. Die Gründe für Korruption sind vielfältig; aber immer stellt sie einen schweren Vertrauensmißbrauch dar, begangen von einer Person, die von der Gesellschaft beauftragt wurde, sie zu vertreten und die statt dessen diese sozialen Befugnisse für persönliche Vorteile mißbraucht. Die Korruption erweist sich als ein Mechanismus, der aus den „Strukturen der Sünde“ erwächst, und der Preis, den unsere Welt dafür zahlen muß, ist weitaus höher als die Gesamtsumme der unterschlagenen Gelder. <378> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei soctialis (1987), Nm. 44, 576-577. III. Für eine solidarischere Wirtschaft Dem einzelnen Menschen und der ganzen Menschheit besser dienen 38. Wachsender Wohlstand ist für die Entwicklung notwendig, aber die makroökonomischen Reformen, die immer mit einer Begrenzung der Einkommen einhergehen, können scheitern, wenn die Strukturreformen - vor allem im staatlichen Sektor - nicht mit der nötigen politischen Entschlossenheit verwirklicht werden: Reform der Rolle des Staates, Abbau der Hindernisse im politischen und sozialen Bereich. Ansonsten wird unnötigem Leid und einem schnellen Scheitern Vorschub geleistet. Diese anspruchsvollen, manchmal sogar äußerst brutalen Reformen werden immer von Hilfen der internationalen Gemeinschaft begleitet, die Druck auf die politisch Verantwortlichen ausübt - oft auf deren Wunsch hin, damit dem Land vor Augen tritt, welche Entscheidungen nötig sind, Entscheidungen, die die Industrieländer seit den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr zu treffen hatten. 1085 KONGREGATIONEN UND RÄTE Es ist Aufgabe der internationalen Institutionen, Vorkehrungen zu treffen, um das Leiden derer abzumildem, die von den Neuerungen am meisten betroffen werden. Diese flankierenden Maßnahmen müssen in die von den Regierungen ausgearbeiteten Pläne integriert werden. Dabei ist auf deren Ratschläge zu hören. Die Internationalen Organisationen sollten gleichfalls das Vertrauen in die Regierung des Landes fördern, damit diese in Zeiten der Reformen die nötige finanzielle Unterstützung von staatlicher oder privater Seite erhält. Sie müssen ebenfalls auf die Regierung Druck ausüben, alle sozialen Gruppen an der gemeinsamen Anstrengung mitwirken zu lassen. Sonst wird kein höheres Gemeinwohl und keine soziale Gerechtigkeit erreicht, die unter solchen Gegebenheiten so schwer zu erhalten ist, gerade weil sie in den Kinderschuhen steckt. Das Personal der internationalen Institutionen muß unabdingbar über technisches Know-how verfügen, was glücklicherweise im allgemeinen der Fall ist, aber auch über Einfühlungsvermögen, das nicht durch bürokratische Regelungen oder eine rein wirtschaftliche Ausbildung erlernt werden kann. Gerade hier verdienen die Armen besonders aufmerksames Gehör. Es geht darum, konkrete Maßnahmen im Einklang mit den NRO und den Katholischen Verbänden sowie im Dialog mit den Ärmsten zu treffen. Die Bedeutung dieses Aspekts kann nicht oft genug betont werden. National und international Verantwortliche neigen dazu, dies zu vergessen, da allein der technische Aspekt schon enorme Probleme mit sich bringt. Alle nationalen und internationalen Organisationen, die ständig mit entwicklungsschwachen Ländern im Dialog stehen, müssen persönliche und informelle Kommunikation ermöglichen zwischen den örtlichen Helfern und denen, die im technischen Bereich die Linien der Reformen vorgeben. Hierbei ist das gegenseitige Vertrauen derer, die gemeinsam den Menschen, jedem einzelnen Menschen dienen, von großer Wichtigkeit, damit Ökonomismus oder Ideologie vermieden werden. Das Handeln aller in Einklang bringen 39. Die reichsten Länder des Westens tragen besondere Verantwortung bei der Reform der Weltwirtschaft. In letzter Zeit haben sie die Beziehungen zu den Ländern ausgebaut, die erste wirtschaftliche Erfolge verzeichnen und damit wirklich „Entwicklungsländer sind und auch zu den Ländern Osteuropas, die ihnen - geographisch gesehen - näher stehen und deren weitere Entwicklung bedrohlich werden könnte. In den reichen Ländern selbst gibt es genug wirtschaftlich Arme und schwierige Reformen, die im Land selbst durchgesetzt werden müssen. Daher liegt die Versuchung nahe, die Armen in den Entwicklungsländern an die zweite Stelle zu setzen. „Wir sind nicht für das Elend der ganzen Welt verantwortlich“, lautet eine Aussage, die in den reichen Ländern immer wieder zu hören ist. 1086 KONGREGATIONEN UND RÄTE Eine solche Haltung ist verwerflich und hätte, würde sie von vielen eingenommen, schlimme Folgen. Alle Menschen, wo sie auch leben, vor allem diejenigen, die über wirtschaftliche Mittel verfügen und Einfluß haben, müssen sich immer vom Elend der Ärmsten in Frage stellen lassen und deren Interessen in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Dieser Appell ergeht an alle wirtschaftlichen und politischen Führungskräfte. Er richtet sich auch an all diejenigen, die in den verschiedenen Ländern oder auf internationaler Ebene der Entwicklung des Gemeinwohls im Wege stehen, weil sie nur ihre eigenen Interessen - so legitim sie auch seien - verfolgen. Die Wahrung dieser erworbenen Rechte in einem Land kann zur Folge haben, daß der Hunger irgendwo in der Welt zunimmt, ohne daß man eine konkrete Verbindung zwischen Ursache und Opfer hersteilen könnte. Daher ist es einfach, den Zusammenhang zu leugnen. Konservatives Denken in anderen Bereichen und an anderen Orten kann ähnliche Folgen haben. Die Reform des Welthandels schreitet voran und ist weiterhin wünschenswert. Sie betrifft vor allem die Armen der reichen Länder. Deshalb ist es äußerst wichtig, daß hinter diesem Ziel die Ärmsten der armen Länder nicht zurücktreten müssen -diejenigen, die keine Stimme haben, die sie international zu Gehör bringen könnten. Sie müssen ins Zentrum internationaler Anliegen treten und gleichrangig neben die anderen Anliegen gestellt werden. Begrüßenswert ist sicherlich, daß die Weltbank seit einigen Jahren das Ziel verfolgt, „das Elend auszutilgen“. Die Verantwortlichen in den Entwicklungsländern dürfen nicht auf eine eventuelle internationale Reform warten, bevor sie in ihrem Land die nötigen Reformen - sie sind oftmals deutlich zu benennen - für einen wirtschaftlichen Aufschwung unternehmen. Dieser Aufschwung hängt nicht von besonders hohen Einnahmen ab, sondern von einer mutigen und konsequenten Anwendung einfacher Regeln: Sie erlauben es denen, die in der Lage sind, sinnvolle Initiativen ins Werk zu setzen und einen Teil des Ertrags zu behalten. Und sie verbieten denen, die dazu nicht in der Lage sind, die nationalen Ressourcen auszubeuten und eine unangemessene Belohnung einzustecken. Die Völker müssen überzeugt sein, „daß bei diesem wirtschaftlichen Fortschritt und sozialen Aufstieg ihnen selbst die erste Verantwortung zukommt und daß sie dabei die Hauptarbeit zu leisten haben“ <379>. Wie schon erwähnt, muß ein klares Signal für eine verantwortungsbewußte und mutige Haltung zum Dienst an der Gemeinschaft des Landes von den Regierungen und Institutionen ausgehen, die mit den Entwicklungsländern Zusammenarbeiten. <379> Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris, Kap. III. Der politische Wille der Industrieländer 40. Die staatlichen Organe der reichen Länder müssen darauf hinwirken, daß die öffentliche Meinung für die Not der Armen - ob nah oder fern - sensibilisiert 1087 KONGREGATIONEN UND RÄTE wird. Ihre Aufgabe ist es auch, Initiativen internationaler Institutionen so gut wie möglich zu unterstützen, wenn diese darauf abzielen, das Leiden zu mildem. Sie sollten ihnen helfen, sofort Maßnahmen zu treffen, die den Hunger in der Welt langfristig lindem können. Das fordert die Kirche mit Nachdruck seit mehr als hundert Jahren: Sie verlangt, daß die Rechte der Schwächsten durch das Eingreifen staatlicher Instanzen geschützt werden. <380> <381> Vgl. Leo XIII., Enzyklika Rerum novarum, 15. Mai 1891, Leonis XIIIP. M. Acta, XI, Romae 1892, 97-144. Vgl. FAO, Charta der Bauern: Grundsatzerklärung und Aktionsprogramm in Bericht der Weltkonferenz zur Argrarreform und ländlichen Entwicklung, Rom 1979. Bei der Sensibilisierung und Mobilisierung der Weltgemeinschaft, vor allem was die ethische Dimension der Herausfordemng betrifft, helfen wertvolle und aussagegewichtige Texte beispielsweise des Wirtschaftsund Sozialrates (vor allem der Kommission der Menschenrechte), der UNICEF oder der FAO, deren Arbeiten wir hier erwähnen wollen; denn die bereits erwähnte Konvergenz zwischen kirchlicher Lehre und Bemühungen der Weltgemeinschaft um wachsende Mobilisiemng zeigt sich sehr deutlich in folgenden Texten: Charta der Bauern in Internationale Erklärung zur Agrarreform und ländlichen Entwicklung (1979),60 Weltpakt für Ernährungssicherheit (1985) <382> Weltemährungserklärung und Aktionsplan, verabschiedet von der Weltemährungskonferenz (1992); <383> nicht zu vergessen einige Verhaltenskodizes oder internationale Verpflichtungen - politisch oder moralisch bindend - über Pestizide, pflanzengentechnische Ressourcen usw. Zu unterstreichen ist hier, daß die Weltbank sich diese ethischen Standpunkte unlängst zu eigen gemacht hat. <384> <382> Vgl. FAO, Konferenzbericht der 23. Tagung, C 85/REP, S. 46, Rom, 9.-28. November 1985. <383> Vgl. Fußnote 4. <384> Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1990, Vorwort, Washington 1990. Menschliche Entwicklung entsteht nicht durch wirtschaftliche Mechanismen, die automatisch funktionieren und die es einfach aufrechtzuerhalten gilt. Die Wirtschaft wird menschlicher, wenn in allen Bereichen Reformen durchgeführt werden, die sich vom bestmöglichen Dienst am Gemeinwohl leiten lassen, d. h. von einer ethischen Sichtweise, die auf dem unermeßlichen Wert jedes einzelnen Menschen und aller Menschen gründet; eine Wirtschaft, die sich inspirieren läßt von der „Notwendigkeit, die Beziehungen zwischen den Völkern auf der Basis eines konstanten Austauschs der Gaben aufzubauen, einer wahren Kultur des Schen-kens, die jedes Land für die Bedürfnisse der Benachteiligten vorbereiten sollte“ <385>. <385> Johannes Paul II., Ansprache zum fünfzigsten Jahrestag der Gründung der FAO, Nr. 4, L’Osservatore Romano vom 23724.10.1995. Die Austauschverhältnisse gerecht festlegen 4L Ein funktionierender Markt, der Entwicklung fördert, benötigt vernünftige Regelungen; er hat seine eigene Gesetzlichkeit, die die Entscheidungsfähigkeit der Teilnehmer überfordert, sobald diese eine gewisse Anzahl übersteigen und von- 1088 KONGREGATIONEN UND RÄTE einander abhängig sind. Im Fall der Rohstoffmärkte etwa besteht die Spannung zwischen Regelung und Eigengesetzlichkeit fort - trotz beachtlicher Bemühungen der Regierungen und internationaler Organisationen wie der UNCTAD (Handelsund Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen) und verschiedener Unternehmer aus dem Privatsektor. Es ist eben aus politischen wie humanitären Gründen nicht möglich, sich von einem Preisniveau loszukoppeln, das aus dem blinden Funktionieren der Märkte entsteht. Man muß in jedem Fall dafür sorgen, daß nicht versucht wird, diese Märkte zu manipulieren. Darüber hinaus sollen die Importländer für den Abbau von Barrieren sorgen bzw. dafür, daß keine neuen entstehen, die selektiv potentielle Importe behindern, die aus solchen Ländern kommen, in denen ein Großteil der Bevölkerung Hunger leidet. Die Importländer müssen darauf achten, daß die Gewinne derartiger Handelsgeschäfte zum Großteil den Ärmsten zugute kommen - eine nicht einfache Angelegenheit, die Mut und Präzision im Handeln erfordert. Das Schuldenproblem lösen 42. Wie weiter oben schon erwähnt, wird die Schuldenlast sei 1985 von der Weltgemeinschaft verwaltet. Wichtigstes Anliegen ist es, das Finanzsystem, das die Finanzinstitutionen aller Länder verbindet, aufrechtzuerhalten. Dieses System hat in verschiedenen Ländern und im Laufe verschiedener Krisen dazu geführt, daß die Schulden sich auf einem bestimmten Niveau eingependelt haben und die Gläubiger eines Landes alle auf der gleichen Stufe stehen. Diese Situation hat nichts mit Recht oder sozialer Gerechtigkeit zu tun. Im Gegenzug dazu haben alle Kreditgeber einen gewissen Teil ihrer Forderungen aufgeben müssen, je nach Schuldensituation. Dies erfordert sehr viel Wachsamkeit und Gerechtigkeitssinn, damit die mutigsten und tüchtigsten Reformländer nicht gegenüber anderen benachteiligt werden. Natürlich muß der Schuldenberg noch weiter abgetragen werden. Aber die Verringerung der Schulden muß um der Gerechtigkeit willen mit Reformen in allen Ländern einhergehen, damit sie nicht Opfer neuer Ungleichgewichte werden, nachdem sie die Ursachen, die sie in die Schuldenkrise geführt hat, schon vergessen haben: defizitärer Staatshaushalt, nicht sinnvoll eingesetzte öffentliche Finanzmittel, private Entwicklung ohne wirtschaftliche Interessen, übersteigerte Konkurrenz zwischen Kreditgeberländem und Exportländern, die unnötige oder sogar schädliche Verkäufe fördern. Wichtig ist es zu erkennen, daß eine Verbesserung der Lage eines Entwicklungslandes nur möglich ist, wenn der soziale und politisch-institutionelle Rahmen stabiler gemacht wird. Die staatliche Entwicklungshilfe aufstocken 43. Ziel des UNCTAD-Projekts für das zweite Entwicklungsjahrzehnt war es, die Entwicklungshilfe auf 0,7% des BIP der Industrieländer anzuheben. Nur einige 1089 KONGREGATIONEN UND RÄTE Länder haben dieses Ziel erreicht; <386> auf dem „Gipfel“ von Kopenhagen wurde es dennoch nochmals verkündet. <387> Im Durchschnitt beträgt die Entwicklungshilfe zur Zeit 0,33%; das ist noch nicht einmal die Hälfte des angestrebten Betrags! <386> Vgl. UNDP, Weltentwicklungsbericht 1992, Paris 1992, S. 49. Vgl. auch UNO, Konferenz der Vereinten Natio-nenfiir Umwelt und Entwicklung, Rio de Janeiro 1992, § 33.13: „Die Industrieländer wiederholen ihre Absicht, 0,7% ihres BIP für die SEH (Staatliche Entwicklungshilfe) aufzuwenden - die Zahl wurde von der UNO festgelegt und von ihnen übernommen - und, wenn das noch nicht der Fall sein sollte, ihre Hilfsprogramme zu verstärken, um diese Zahl so bald wie möglich zu erreichen ... Einige Länder haben sich dafür ausgesprochen, diese Zahl vor dem Jahre 2000 zu erreichen.“ Die Länder, die die erwähnte Zahl schon erreicht haben, werden zu diesem Erfolg beglückwünscht und dazu ermuntert, weiter für das gemeinsame Ziel zu arbeiten, die nötigen zusätzlichen Mittel bereitzustellen. <387> Vgl. UNO, Bericht des Weltsozialgipfels (Kopenhagen, 6.-12. März 1995), Erklärung und Aktionsprogramm, § 88b. Daß einige Länder ihr Versprechen einlösen, andere aber nicht, zeigt, daß Solidarität das Ergebnis der Entschlossenheit von Völkern und Staaten ist und nicht von technischen Automatismen. Es ist auch wichtig, daß ein größerer Teil dieser Hilfe für die Unterstützung von Projekten aufgewendet wird, an deren Entwicklung die Armen selbst mitarbeiten. Da die politisch Verantwortlichen in einer Demokratie von der öffentlichen Meinung abhängig sind, stehen in der Entwicklungshilfe verstärkt Bemühungen der Bewußtseinsbildung an. , Alle tragen wir gemeinschaftlich Verantwortung für die unterernährten Bevölkerungen. Daher heißt es, das Bewußtsein erziehen zum Gefühl der Verantwortung, die auf allen und jedem, besonders auf den Wohlhabenden lastet“ <388>. <388> Johannes XXUL, Enzyklika Mater et magistra (1961), Kap. III. Die staatliche Hilfe stellt die Geber- wie auch die Empfängerländer vor vielfältige ethische Probleme. Die Rechtfertigung neuer Geldströme ist überall ein Problem; ethische Fehler können Interessengruppen in den Exportländern mehr oder weniger offiziell Vorteile bringen. So werden Machtsituationen festgeschrieben, die als „Strukturen der Sünde“ zu bezeichnen sind und die einer Klientelwirtschaft von allan Seiten Vorschub leisten. Diese wirkungsvollen Mechanismen verhindern wirkliche Reformen und eine Förderung des Gemeinwohls. Die Auswirkungen können bedrohlich sein und zu Unruhen oder Stammesfehden in einem Land führen, das besonders anfällig dafür ist. Der Kampf gegen die „Strukturen der Sünde“ bedeutet anderseits eine große Hoffnung für die ärmsten Länder. Die Hilfe neu überdenken 44. Es geht für die Industrieländer nicht nur darum, ihre Entwicklungshilfe aufzustocken, sondern auch darum, über ihre Verwendung nachzudenken. Die „gebundene Hilfe“ wird kritisiert, wenn die Hilfe an Bedingungen geknüpft ist, die das Geberland betreffen: Kauf von Fertigprodukten des Geberlandes, Anstellung von Fachkräften des Geberlandes statt der örtlichen Kräfte, Einklang mit den Struktur- 1090 KONGREGATIONEN UND RÄTE anpassungprogrammen usw. Demgegenüber kann eine Hilfe, die nicht an solche Bedingungen geknüpft ist, bessere Ergebnisse erzielen, was vielfach bewiesen werden konnte. Dennoch sollte die Idee der „gebundenen Hilfe“ nicht a priori ausgeschlossen werden, vor allem, wenn sie auf einen gerechten Interessenausgleich abzielt und einen vernünftigen Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel ermöglicht. Nothilfe: eine Übergangslösung 45. Die Nothilfe (in Form von Nahrungsmitteln) solhte einmal näher betrachtet werden: Sie wird sehr uneinheitlich bewertet, vor allem, weil sie nicht die Wurzel des Hungers beseitigt. Manchen ist sie ein Hebel für eine gute Entwicklung, anderen wiederum eine Handelswaffe. Kritisiert wird unter anderem, daß sie den Landwirten vor Ort keine Chance läßt; daß sie die Emährungsgewohnheiten der Bevölkerung ändert; daß sie als Mittel politischen Drucks benutzt wird, da sie in die Abhängigkeit führt; daß sie zu spät greift; daß sie geradezu eine Mentalität der Abhängigkeit schafft und nur den Vermittlern zugute kommt; daß sie die Korruption fördert und teilweise noch nicht einmal bis zu den Ärmsten vordringt. In einigen Ländern wird die Nothilfe - oft zu recht - permanent, und sie wird zu einer strukturellen Hilfe: Sie senkt in der Handelsbilanz das staatliche Defizit. Sie kann also eine Art begleitende Maßnahme sein, wenn Strukturanpassungsmaßnahmen stocken und die Subventionen für Grundnahrungsmittel abgeschafft werden. Die Nothilfe muß eine Übergangshilfe bleiben; ihr Ziel ist es, eine Bevölkerung in einer Krisensituation vor dem Verhungern zu bewahren. Als humanitäre Hilfe kann man sie nur bejahen. Nur die Mißbräuche rufen Kritik hervor. Oft erreicht etwa die Hilfe die Bevölkerung zu spät, oder sie entspricht nicht deren echten Bedürfnissen; die Verteilung wird schlecht organisiert; politische oder ethnische Faktoren oder Klientelwirtschaft leiten sie fehl. Diebstähle und Korruption führen dazu, daß die Nahrungsmittel nicht bis zu den Ärmsten kommen. Nothilfe ist eher eine dauerhafte strukturelle Hilfe, die von den einen als Hebel für Entwicklung und von den anderen als Handelswaffe, als Destabilisierungsfaktor für die Produktion und die Nahrungsgewohnheiten, als Ursache für Abhängigkeit gesehen wird. Tatsächlich kann sie gute wie schlechte Folgen haben. Zunächst einmal rettet sie ganze Bevölkerungsgruppen vor dem Hungertod. Darüber hinaus dürfen aber auch andere positive Aspekte nicht vergessen werden, z. B. Infrastrukturprojekte, die sie ermöglicht; Dreiecksgeschäfte; die Schaffung von Reserven im Entwicklungsland. Auch wenn es sich um ein zweischneidiges Schwert handelt, kann nicht darauf verzichtet werden. Einvernehmen in der Hilfsleistung 46. Trotz der Kritik, die die Nothilfe hervorruft, erscheint ihre Verbesserung im Einvernehmen mit den Partnern auf den verschiedenen Ebenen möglich: Staaten, 1091 KONGREGATIONEN UND RÄTE örtliche Behörden, NRO, kirchliche Vereinigungen. Die Hilfe könnte zeitlich begrenzt und sehr viel besser auf die Bevölkerung abgestimmt werden, die tatsächlich unter Nahrungsmangel leidet. Wenn es möglich ist, sollte die Nahrungsmittelhilfe Produkte enthalten, die aus dem Land selbst stammen. Auf jeden Fall sollte die Nothilfe dazu beitragen, die Bevölkerung aus ihrer Abhängigkeit zu reißen. Daher sind eine ausreichende Infrastruktur und Verteilungsmechanismen vor Ort vonnöten. Daneben muß die Hilfe immer von einem Projekt begleitet werden, dessen Ziel es ist, die Bevölkerung vor zukünftigen Hungersnöten zu bewahren. Demnach kann diese Form von Hilfe unter bestimmten Umständen als deutliches Zeichen einer internationalen Solidarität gewertet werden. „Diese Art von Versorgung bringt keine befriedigende Lösung, solange Situationen extremer Armut weiter bestehen und sich sogar noch vertiefen können, Situationen, die durch Unterernährung und Hunger zu höheren Sterberaten führen“ <389>. Johannes Paul II., Ansprache zum fünfzigsten Jahrestag der Gründung der FAO, Nr. 3, L’Osservatore Romano vom 23./24.10.1995. ErnährungsSicherheit: eine dauerhafte Lösung 47. „Das Problem des Hungers kann ohne eine Verbesserung der Emährungssi-cherheit vor Ort nicht gelöst werden“ <390>. Emährungssicherheit besteht, wenn „alle Bewohner jederzeit Zugang zu den Lebensmitteln haben, die notwendig sind, um ein gesundes und aktives Leben zu führen“ <391>. Hierfür ist es wichtig, Programme zu entwickeln, die der Produktion vor Ort Vorrang einräumen, eine wirksame Gesetzgebung, die die Anbauflächen schützt und der Bevölkerung Zugang zu diesen Anbauflächen zusichert. Eine Anzahl von Hindernissen hat bislang der Verwirklichung dieser Punkte in den Entwicklungsländern entgegengestanden. Es wird für die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen in den Entwicklungsländern immer schwieriger und komplexer, Landwirtschaftspolitik zu definieren. Zu den zahlreichen Gründen für diese Situation gehört die Schwankung der Preise und der Währungen, die auch durch die Überproduktion landwirtschaftlicher Produkte hervorgerufen wird. Um Emährungsicherheit zu gewähren, müssen Stabilität und Gerechtigkeit im Welthandel gefördert werden. <392> <390> Vgl. UNDP, op. cit., S. 164-165 (vgl. Fußnote 65). <391> FAO, Dimensions of Need (vgl. Fußnote 12), S. 35. Emährungssicherheit hängt im allgemeinen von vier Elementen ab: der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln; dem Zugang zu ausreichender Nahrung; der Stabilität der Versorgung; der kulturellen Akzeptanz von Nahrungsmitteln oder verschiedener Nahrungsmittelzusammenstellungen. <392> Vgl. auch den Weltpakt für Emährungssicherheit (1985), der schon unter Punkt 40 erwähnt wurde. Vorrang für die Produktion vor Ort 48. Daß die Landwirtschaft im Entwicklungsprozeß eine besonders wichtige Rolle spielt, wird allgemein anerkannt. Ungeachtet der internationalen Handelskon- 1092 KONGREGATIONEN UND RÄTE junktur könnten die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit, aber auch die Emährungssituation im Entwicklungsland großen Nutzen ziehen aus der Einrichtung von landwirtschaftlichen Systemen, die zwar nach außen offen sind, aber dennoch ihre interne Entwicklung vorrangig fördern. Hierzu ist ein wirtschaftliches und soziales Umfeld nötig, das auf einer besseren Kenntnis und einer besseren Verwaltung der landwirtschaftlichen Märkte vor Ort basiert; weiterhin die Förderung von Krediten für ländliche Entwicklung und technische Ausbildung; Rentabilität durch garantierte Preise vor Ort; eine echte Abstimmung zwischen den Entwicklungsländern; eine Zusammenarbeit der Bauern selbst und eine gemeinsame Vertretung ihrer Interessen. Diese Aufgaben erfordern Kompetenz und Willenskraft. Die Bedeutung der Agrarreform 49. Die Lebensmittelproduktion vor Ort wird oft durch eine falsche Verteilung der Böden und durch ihre unvernünftige Nutzung behindert. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in den Entwicklungsländern besitzt keine Böden, und dieser Anteil steigt ständig. <393> Auch wenn in allen Entwicklungsländern Agrarreformen laufen, so werden doch die wenigsten konsequent umgesetzt. Darüber hinaus sind die Böden, die von internationalen Nahrungsmittelkonzemen verwaltet werden, fast ausschließlich für die Ernährung der Bevölkerung auf der nördlichen Halbkugel genutzt, und die Art und Weise der Nutzung dieser landwirtschaftlichen Anbauflächen ermüdet die Böden. Eine „mutige Strukturreform und neue Muster für die Beziehung zwischen den Staaten und den Völkern“ <394> sind dringend erforderlich. <393> Vgl. FAO, Landlessness. A Growing Problem, „Economic and Social Development Series“ Punkt 28, Rom 1984. <394> Johannes Paul II., Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1990, „Friede mit Gott dem Schöpfer -Friede mit der ganzen Schöpfung“, Nr. 11, AAS182(1990)2,153. Die Rolle von Forschung und Erziehung 50. Die Aufgaben der Verantwortlichen im politischen und finanziellen Bereich sind gewiß von hohem Rang. Und doch ist bei einer so gewichtigen Herausforderung wie der des Hungers, der Mangelernährung und der Armut jeder Mensch dazu aufgerufen, sich zu fragen, was er tut oder tun könnte. Wir brauchen - die Unterstützung der Wissenschaft: die intelektuelle Elite muß ihr Wissen und ihren Einfluß zur Lösung des Problems mobilisieren. Forschungsarbeiten in der Biotechnologie beispielsweise können dazu beitragen, die Emährungssi-cherheit, die Gesundheitsfürsorge und die Energieversorgung weltweit - im Norden wie im Süden - zu verbessern. Die Geisteswissenschaften sollten durch ein besseres Verständnis und eine gerechtere Interpretation der Organisation im sozialen Bereich die Unausgewogenheiten des herrschenden Systems und seine negativen Folgen verdeutlichen und so dazu beitragen, sie zu behe- 1093 KONGREGATIONEN UND RÄTE IV. Das Jubeljahr 2000 Eine Etappe im Kampf gegen den Hunger Die Jubeljahre: Gott geben, was Gottes ist 54. In seinem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente, das aus Anlaß des zweitausendsten Jahrestages der Geburt Christi verfaßt wurde, erinnert Papst Johannes Paul II. an die alte Tradition der Jubelfeste im Alten Testament, deren Wurzeln in der Tradition des Säbbatjahres liegen. Das Sabbatjahr war eine Zeit, die man in besonderem Maße Gott widmete. Gemäß dem Gesetz des Mose wurde das Sabbatjahr alle sieben Jahre gefeiert. In diesem Jahr ließ man die Erde ruhen, befreite Sklaven und erbeß Schulden. Das Jubeljahr kehrte alle fünfzig Jahre wieder, und es weitete die Vorschriften des Sabbatjahres noch aus: Der israelitische Sklave wurde nicht nur befreit, sondern er gelangte auch wieder in den Besitz des Landes seiner Väter. „Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr. Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe heimkehren“ {Lev 25,10). Folgender theologischer Hintergrund stand hinter dieser Umverteilung: „Er konnte nicht endgültig des Landes beraubt werden, da es Gott gehörte, noch konnten die Israeliten für immer in einem Zustand der Knechtschaft verbleiben, da Gott sie mit ihrer Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten für sich als Alleineigentum ,losgekauft“ hatte“. Hier wird die Forderung nach der universalen Bestimmung der Güter hörbar. Die soziale Hypothek, die mit dem Recht auf Privateigentum in Zusammenhang steht, kam regelmäßig als öffentlich gültiges Gesetz zum Ausdruck, um das individuelle Fehlverhalten anzuprangem, das sich einer Beseitigung dieser Hypothek verwehrte: Grenzenlose Verlockung des Geldes, zweifelhafte Profite und andere Praktiken derer, die Eigentum und Vermögen besaßen und die bestritten, daß die geschaffenen Güter auf alle gerecht zu verteilen sind. Dieser öffentlich-rechtliche Rahmen der Jubelfeste und Jubeljahre, der später auf der Grundlage des Neuen Testaments erweitert wurde, war so etwas wie der Grundstein der Kirchlichen Soziallehre. Sicherlich ist wenig vom sozialen Ideal der Jubeljahre konkrete Wirklichkeit geworden. Dazu bedürfte es einer Regierung, die in der Lage ist, die Gebote der Vergangenheit durchzusetzen und deren Ziel es ist, eine gewisse soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen. Die soziale Autorität der Kirche, die sich vor allem ab dem 19. Jahrhundert entwickelt hat, formulierte diese Gebote als Ausnahmeprinzip, dessen Verwirklichung hauptsächlich Aufgabe des Staates ist und das darauf zielt, jeden an den Gütern der Schöpfung teilhaben zu 78 Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (1994), Nr. 12. 1096 KONGREGATIONEN UND RÄTE lassen. Dieses Prinzip wird regelmäßig dem in Erinnerung gerufen und vorgeschlagen, der ein offenes Ohr dafür hat. „ Vorsehung “ seiner Brüder werden 55. Die Feier der Jubelfeste erinnert an die Göttliche Vorsehung und die Heilsgeschichte. <395> In solcher Sichtweise sind die Hungersnöte und die Mangelernährung eine Folge der menschlichen Sünde, die schon in den ersten Versen des Buches Genesis anklingt: ,,Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er ent-gegnete: Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders? Der Herr sprach: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden. So bist du verflucht, verbannt vom Ackerboden, der seinen Mund aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das Blut deines Bruder aufzunehmen. Wenn du den Ackerboden bestellst, wird er dir keinen Ertrag mehr bringen. Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein“ (Gen 4,9-12). Vgl. ibid., Nr. 13-14. Das hier gezeichnete Bild verdeutlicht mit großer Klarheit die Beziehung zwischen der Achtung der menschlichen Würde und der Fruchtbarkeit des ökologischen Reservoirs, das verschmutzt und zerbrochen ist. Diese Beziehung zieht sich durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch und erhellt den theologischen Hintergrund für die Analyse der obigen Kausalitätsbeziehungen zwischen Hunger und Mangelernährung. Offensichtlich werden die Unwägbarkeiten der Natur, die sich oft so negativ auswirken, durch den unersättlichen Hunger nach Macht und Profit und die daraus entstehenden „Strukturen der Sünde“ verstärkt. Der Mensch, der sich von seiner geschöpflichen Bestimmung abwendet, sieht sich selbst, seine Mitmenschen und seine Zukunft in verkürzter Optik. Gott rüttelt ihn aus seiner Selbstsucht auf: „Wo ist dein Bruder? Was hast du getan?“ Würde des Menschen und Fruchtbarkeit seiner Arbeit 56. Gott will dennoch den Menschen die Schöpfung wieder anvertrauen und ihnen - um Christi, des Erlösers willen - bei der Fruchtbarmachung und Bewahrung des Gartens helfen; er widersetzt sich dem Raubbau und dem Ausschluß von irgend jemandem (vgl. Gen 2,15-17). Für die Kirche steht in dieser Situation jede Bemühung um die Wiederherstellung der menschlichen Würde und der Harmonie zwischen dem Menschen und der ganzen Schöpfung in engem Zusammenhang mit dem Geheimnis der Erlösung durch Christus, symbolisch dargestellt durch den Baum des Lebens im Garten Eden (vgl. Gen 2,9). Sobald der Mensch sich auf dieses Geheimnis einläßt, wird die Rastlosigkeit, der er unterworfen war, zu einer Pilgerfahrt; Orte und Menschen, denen er im Glauben begegnet, lehren ihn eine wahrhaftige Beziehung zu Gott, zu seinesgleichen und zur gesamten Schöpfung. Er weiß, daß eine solche Annahme durch Gott aus Glauben und Gottvertrauen ent- 1097 KONGREGATIONEN UND RÄTE gerechte Preise beruht auf einer zweifachen Übereinstimmung: Übereinstimmung des juristischen Kontextes, der den Markt bestimmt, mit den ethischen Prinzipien; Übereinstimmung der vielfältigen Wirtschaftsaktionen, die den Marktpreis festlegen, mit eben diesen ethischen Prinzipien. Es reicht nicht aus, wenn die Verantwortung jedes einzelnen sich auf das Bürgerliche Gesetz beschränkt, denn es beinhaltet vielfach den „Verzicht auf das eigene sittliche Gewissen“ <396> <397>. Genauso wie der Marktpreis vom Gebrauchswert abhängt, den ihm jeder einzelne Konsument beimißt, so wird unser sittliches Verhalten, das über die Gebrauchswerte urteilt, den Marktpreis hin zum gerechten Preis tendieren lassen oder nicht. Wenn die Marktteilnehmer sich in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen nicht von der Pflicht, die soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, leiten lassen, dann wird der Marktmechanismus selbst den Wettbewerbspreis vom gerechten Preis abspalten. 83 Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae (1995), Nr. 69. <397> Johannes Paul II. gibt uns in seiner Enzyklika Centesimus annus (1991) einige Hinweise unter Nr. 36: „Bei der Entdeckung neuer Bedürfnisse und neuer Möglichkeiten, sie zu befriedigen, muß man sich von einem Menschenbild leiten lassen, das alle Dimensionen seines Seins berücksichtigt und die materiellen und triebhaften den inneren und geistigen unterordnet. Überläßt man sich hingegen direkt seinen Trieben, unter Verkennung der Werte des persönlichen Gewissens und der Freiheit, können Konsumgewohnheiten und Lebensweisen entstehen, die objektiv unzulässig sind und nicht selten der körperlichen und geistigen Gesundheit schaden. Das Wirtschaftssystem besitzt in sich selber keine Kriterien, die gestatten, die neuen und höheren Formen der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse einwandfrei von den neuen, künstlich erzeugten Bedürfnissen zu unterscheiden, die die Heranbildung einer reifen Persönlichkeit verhindern. Es braucht daher dringend ein groß angelegtes erzieherisches und kulturelles Bemühen, das die Erziehung der Konsumenten zu einem verantwortlichen Verbraucher-verhalten, die Weckung eines hohen Verantwortungsbewußtseins bei den Produzenten und vor allem bei den Trägem der Kommunikationsmittel sowie das notwendige Eingreifen der staaatlichen Behörden umfaßt ... Ich weise auch darauf hin, daß eine Entscheidung, lieber an diesem als an jenem Ort, lieber in diesem als in einem anderen Sektor zu investieren, immer auch eine moralische und kulturelle Entscheidung ist.“ Bei der Vorbereitung der Feier des Jubeljahres 2000 sind wir aufgefordert, das sittliche Gesetz in den Alltag unserer wirtschaftlichen Entscheidungen zu transpo- 86 meren. Daraus folgt, daß wir es gewissermaßen „in der Hand“ haben, ob ein Preis gerecht oder ungerecht ist; der Produzent hat es in der Hand, der Investor, der Verbraucher sowie der staatliche Entscheidungsträger. Das enthebt den Staat und die Staatengemeinschaft nicht ihrer Aufsichtspflicht, die unter anderem in der Lage ist, den individuellen Mangel gegenüber der sozialen Gerechtigkeit mehr schlecht als recht zu verschleiern, jenen Mangel an Übereinstimmung mit dem Sittengesetz, dem jeder verpflichtet ist. Das politische Ziel des Gemeinwohls muß Vorrang haben vor einer simplen „ausgleichenden Gerechtigkeit“. Der Aufruf, Vorschläge für das Jubeljahr zu machen 59. Gottes Aufruf, den die Kirche vertritt, ist natürlich ein Aufruf zum Teilen, zur gelebten Nächstenliebe. Dieser Appell gilt nicht nur Christen, sondern allen Menschen guten Willens und solchen Menschen, die fähig sind, guten Willen zu zei- 1100 KONGREGATIONEN UND RÄTE gen; das heißt, er gilt allen Menschen ohne Ausnahme. Die Kirche steht aus Sorge um den Menschen im allgemeinen und um jeden einzelnen an der Spitze der Bewegungen, die die solidarische Liebe fördern. Sie ist an der Seite derer, die humanitäre Hilfe leisten, um die Not anderer zu wenden und ihre elementaren Rechte durchzusetzen. Sie erinnert unablässig daran, daß die „Lösung“ der sozialen Frage Anstrengungen aller erfordert. Jeder Mensch guten Willens kann erkennen, welche ethischen Herausforderungen die Zukunft der Weltwirtschaft mit sich bringt: Die Bekämpfung von Hunger und Mangelernährung, die Sicherung der Ernährung, die Förderung einer eigenen landwirtschaftlichen Entwicklung in und von jedem Entwicklungsland, die Verbesserung der Exportmöglichkeiten dieser Länder, der Schutz der natürlichen Ressourcen im Interesse aller. Die Soziallehre der Kirche sieht hier Bausteine des universellen Gemeinwohls, die erkannt und von den Industrieländern gefestigt werden müssen. Sie sollten auch wichtiges Anliegen der internationalen Wirtschaftsorganisationen sein und Leitlinie für die Globalisierung des Welthandels. Wenn das universelle Gemeinwohl von allen gesucht wird, führt das zur Stärkung des juristischen, institutionellen und politischen Rahmens, der den internationalen Handelsaustausch bestimmt, sowie zu neuen Vorschlägen für das Jubeljahr. Das erfordert Mut seitens der Verantwortlichen der verschiedenen sozialen Einrichtungen auf Regierungs- und Gewerkschaftsebene; denn es ist heutzutage schwierig geworden, die Interessen jedes einzelnen in den Kontext einer einheitlichen Vorstellung von Gemeinwohl zu integrieren. Die Kirche ist nicht berufen, technische Lösungen anzubieten, aber sie nutzt die Vorbereitung der Jubelfeier zu Vorschlägen und Ideen, die die Beseitigung von Hunger und Mangelernährung beschleunigen können. Unter den Vorschlägen sind zwei Bereiche besonders wichtig: - Nahrungsmittelreserven müssen angelegt werden - dem Beispiel Josephs aus Ägypten folgend (vgl. Gen 41,35). Sie helfen der Bevölkerung, die in plötzliche Hungersnot gerät, konkret in einer Krisensituation. Einrichtung und Verwaltung der Reserven müssen so organisiert sein, daß alle Versuchung zu politischem oder wirtschaftlichem Kampf um Einfluß oder zu Korruption ausgeschlossen ist und daß jeglicher direkten oder indirekten Manipulation der Märkte vorgebeugt wird. - Der Gemüseanbau auf eigenem Grundstück muß vor allem bei Familien der Regionen gefördert werden, in denen die Armut den Menschen, vor allem dem Familienvorstand und seiner Familie, jeglichen Zugang zur Nutzung von Böden und auch zu Grundnahrungsmitteln versperrt. Diese Forderung geht zurück auf Papst Leo XIII., der aus den gleichen Gründen zur Situation der Werktätigen des 19. Jh. meinte: „Ja, sie werden sogar den Boden, den sie mit eigener Hand bearbeiteten, lieb gewinnen, da sie aus ihm nicht nur die not- 87 Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1991), Nr. 60. 1101 KONGREGATIONEN UND RÄTE gesichts jener Armut, welche in der Entbehrung und Beraubung notwendiger materieller Güter liegt, läßt die Kirche ihre Stimme vernehmen ... Deshalb weiß die Kirche und predigt, daß jedwede soziale Umwandlung unweigerlich über die Umkehr des Menschen erfolgen muß. Dies ist die erste und hauptrangige Mission der Kirche“ <398>. <398> Johannes Paul II., 2. Reise nach Brasilien (12.-21. Oktober 1991), Ansprache beim Besuch der Favela von Lixao de Säo Pedro, Insegnamenti 1991/2,941. Gottes Appell, den die Kirche vertritt, ist - wie gesagt - ein Aufruf zum Teilen, zur gelebten Nächstenhebe, der sich nicht nur an die Christen, sondern an alle Menschen richtet. Wie seit jeher und heute mehr als früher ist und handelt die Kirche mit denen, die humanitäre Hilfe leisten, um die Bedürfnisse ihrer Brüder und Schwestern zu befriedigen und ihre elementaren Rechte durchzusetzen. Der Beitrag der Kirche zur Entwicklung der Menschen und der Völker beschränkt sich nicht auf den Kampf gegen Elend und Unterentwicklung. Armut entsteht, weil es angeblich reicht, auf dem Weg des technischen und wirtschaftlichen Erfolgs weiterzugehen, um die Menschenwürde aller anzuzielen. Aber eine materialistische Entwicklung kann dem Menschen nicht genügen, und ein Schwelgen im Überfluß schadet ihm genauso wie zu große Armut. Das ist das „Entwicklungsmodel]“ des Nordens, das sich auch im Süden verbreitet; es enthält die Gefahr, daß Glaubenssinn und menschliche Werte hinweggefegt werden, weil man den Konsum vergöttert. Arm und Reich sind zur Freiheit auf gerufen 63. Gott hat die Bedürftigkeit seines Volkes, das heißt aller Menschen, nicht gewollt, denn durch jeden von ihnen ruft er uns laut und heftig an. Er sagt uns, daß der Bedürftige wie auch der durch seinen Reichtum Verblendete leidet: Ersterer wegen der Umstände, die ihn überfordem, letzterer wegen seiner übervollen Hände und seiner Komplizenschaft. Beiden ist es so verwehrt, zur inneren Freiheit zu gelangen, für die Gott die Menschen unablässig gewinnen will. Der Hungernde, „mit Gottes Gaben beschenkt“, nimmt sich dann nicht rasch seinen Teil, sondern findet Umstände, die seine elementaren Fähigkeiten aufgreifen. Der Reiche, der „leer ausgeht“, wird nicht dafür bestraft, daß er reich ist, sondern er wird von der schweren Last befreit, die sein alleiniges Trachten nach Gut und Geld mit sich bringt. In diesem Prozeß der doppelten Heilung soll der Arme von seiner Erkrankung des Herzens, das unter der Ungerechtigkeit leidet, genesen, denn sonst läuft er Gefahr, sich und andere zu hassen. Der Reiche soll seinen unnützen Ballast abwerfen: Er verstopft ihm Augen und Ohren, er verschüttet sein Herz und erdrückt es unter der Last seines armen Reichtums an Geld, Macht, Einfluß und Vergnügungen aller Art; sie verstellen seinen Blick auf sich selbst und auf die anderen und lassen seinen Appetit mit der steigenden Menge seiner Güter nur größer werden. 1104 KONGREGATIONEN UND RATE Die notwendige Erneuerung des Herzens 64. Der Hunger in der Welt deckt die Schwächen des Menschen auf allen Ebenen auf: Die Logik der Sünde zeigt uns, daß die Sünde, dieses Herzensübel des Menschen, für das Elend in der Gesellschaft verantwortlich ist, und zwar durch die „Strukturen der Sünde“. In der Sicht der Kirche treibt der Egoismus zu Sucht nach Geld, Reichtum und Ehre; er stellt den Wert allen Fortschritts in Frage. „Dadurch, daß die Werteordnung verzerrt und Böses mit Gutem vermengt wird, beachten die einzelnen Menschen und Gruppen nur das, was ihnen, nicht aber was den anderen zukommt. Daher ist die Welt nicht mehr der Raum der wahren Brüderlichkeit, sondern die gesteigerte Macht der Menschheit bedroht bereits diese selbst mit Vernichtung“ <399>. Im Gegensatz dazu erlaubt die Liebe, wenn sie in sein Herz einzieht, dem Menschen, seine Grenzen zu überwinden und in der Welt zu handeln, um „Strukturen des Gemeinwohls“ zu schaffen: Sie unterstützen das Vorgehen derer, die unterwegs zu einer „Zivilisation der Liebe“ <400> sind und andere auf ihrem Weg dorthin mitnehmen. <399> Conc. Oecum. Vat. II, Pastorale Konstitution Gaudium et spes (1965), Nr. 37. Vgl. auch Johannes Paul IL, Enzyklika Sollicitudo rei socialis (1987), Nm. 27-28: „Eine solche Auffassung, die eher mit einem Begriff von Fortschritt’ verbunden ist, der von philosophischen Überlegungen aufklärerischer Natur geprägt ist ... An die Stelle eines einfältigen Optimismus mechanistischer Art ist eine begründete Sorge um das Schicksal der Menschheit getreten ... Tatsächlich erkennt man heute besser, daß die reine Anhäufung von Gütern und Dienstleistungen, auch wenn sie zum Nutzen der Mehrheit erfolgt, nicht genügt, um das menschliche Glück zu verwirklichen“. <400> Vgl. Fußnote 39. Der Mensch ist also aufgefordert, sein Handeln zu ändern; das ist eine für die Welt lebenswichtige Aufgabe. Er ist aufgerufen, sein Herz zu erneuern, indem er in Liebe seine Person mit der Gemeinschaft aller Menschen eins werden läßt. Es geht um eine kompromißlose, umfassende und weitreichende Erneuerung, denn die Liebe ist in ihrem Wesen kompromißlos: Sie erträgt keine Spaltung, sie umfaßt alle Seiten des Menschen, sein Handeln und sein Gebet, seine materiellen wie auch seine geistigen Reichtümer. Die Erneuerung des Herzens jedes einzelnen und aller Menschen ist eine Einladung Gottes, der das Gesicht der Erde verändern kann, indem er die gräßlichen Züge des Hungers ausradiert, die ihr Gesicht entstellen. „...Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15) ist die Aufforderung, die die Verkündigung des Gottesreiches begleitet und die sein Kommen verwirklicht. Diese persönüche und tiefgreifende Wandlung fordert den Menschen dazu auf, in seinem alltäglichen Leben den Blick nicht mehr nur auf seine eigenen Interessen zu richten, sondern Schritt für Schritt - im Rahmen seiner Möglichkeiten und unter Hinnahme der faktischen Welt - seine Denk-, Arbeits- und Lebensweise zu ändern und zu lernen, im Alltag zu lieben. Wenn wir uns nur darauf einlassen, wird Gott selbst für das Übrige Sorge tragen. 1105 KONGREGATIONEN UND RÄTE „Hütet euch vor Götzen!“ 65. Der Herr hat uns folgendes Versprechen gegeben: „Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen. Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (Ez 36,25-27). Lassen wir uns von der Schönheit der biblischen Sprache nicht täuschen: Es geht nicht um einen Appell an das Gute im Menschen, der zum bloßen Teilen der materiellen Güter ruft - auch wenn das eine Notwendigkeit ist. Es geht um einen völligen Wandel in unserem Verhalten, den Gott selbst uns anbietet; um seinen eigenen Weg, denn er will uns von unseren Götzen befreien; er will uns helfen, zu lieben. Dies erfordert den Einsatz unserer ganzen Person, die sich so wieder findet. So können wir unsere Ängste und Egoismen besiegen, um aufmerksam für die Nöte unserer Mitmenschen zu werden und ihnen zu helfen. Unsere Götzen ähneln sich alle: individuelle oder gemeinschaftliche Suche - der Reichen und der Armen - nach materiellen Gütern, nach Macht, gutem Ruf, Vergnügen, die alle als Selbstzweck auftreten. Idole knechten den Menschen und machen die Welt ärmer. Die grobe Ungerechtigkeit, die dem Notleidenden angetan wird, besteht eben in dem Zwang, vor allem anderen materielle Güter zu erlangen. Das Herz des armen Lazarus ist freier als das des schlechten Reichen, und Gott verlangt - durch die Stimme Abrahams - vom schlechten Reichen nicht nur, sein Festmahl mit Lazarus zu teilen, sondern auch, sein Herz zu erneuern, das Gebot der Liebe anzunehmen und sein Bruder zu werden (vgl. Lk 16,19 ff.). Indem uns Gott von unseren Abgöttern befreit, ermöglicht er, daß unsere Arbeit die Welt verändert: Wir machen sie in jedweder Hinsicht reicher und richten unser Augenmerk auf den Dienst an allen Menschen. So kann die Welt ihre ursprüngliche Schönheit wiedererhalten, nicht nur die Schönheit der Natur am Tag der Schöpfung, sondern auch die Schönheit eines wunderbar gepflegten Gartens, der vom Menschen zum Dienst am Nächsten und aus Liebe zu Gott fruchtbar gemacht wurde in Gegenwart des liebenden Gottes. ,„Gegen den Hunger: das Leben ändern*. Dieses in kirchlichen Kreisen entstandene Motto zeigt den reichen Völkern den Weg, um Brüder der Armen zu werden «93 Dem Armen zuhören 66. Der Christ in der Welt - da, wo ihn Gott hingestellt hat - kann nicht umhin, auf den Ruf des Hungernden mit einer Fragestellung an sein eigenes Leben zu reagieren. Das Elend anderer fordert den Menschen auf, sich nach dem Sinn des Lebens und der Bedeutung seines alltäglichen Handelns zu fragen. Er versucht, 93 Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (1990), Nr. 59. 1106 KONGREGATIONEN UND RÄTE nahe und auch ferne Konsequenzen zu beachten, die seine bezahlte und unbezahlte Arbeit hat im Beruf und zu Hause. Er wird erkennen, daß all sein Tun viel konkretere und weiterreichende Folgen haben kann, als er bislang dachte, und er wird seine Verantwortung entdecken. Er wird seinen Zeitplan durchgehen, unter dem in der heutigen Welt so viele Menschen leiden - entweder, weil sie von ihm erdrückt werden, oder weil er ihnen ihre Arbeitslosigkeit anzeigt. Er wird die Augen seines Geistes und seines Herzens öffnen, wenn er Gottes Einladung anzunehmen weiß, regelmäßig, unauffällig und in Demut einem Menschen in Not Gehör zu schenken und ihm zu helfen. Dieser Aufruf ergeht vor allem an die, die in unserer Sprache gemeinhin als „Verantwortliche“ bezeichnet werden. Nicht zufällig lehrt uns Paulus: „... Jesus, der reich war, wurde euretwegen arm“ (2 Kor 8,9). Der Herr wollte uns reich machen durch seine Armut und durch seine Liebe, die wir an unseren Nächsten weitergeben sollen. Gott zuhören 67. Wenn ein Mensch in der Gegenwart eines Armen auf Gott hört, dann wird er sein Herz öffnen und jeden Tag neu auf eine persönliche Begegnung mit Gott aus sein. Diese Begegnung, die von Gott gewollt ist, der den gesamten Menschen und jeden einzelnen Menschen unablässig sucht, geschieht im Alltag und wandelt Schritt für Schritt das Leben dessen, der gewillt ist, dem demütig Klopfenden „die Tür zu öffnen“ (vgl. Apg 3,20). Gott zuhören, das erfordert Zeit mit und für Gott. Nur das persönliche Gebet erlaubt dem Menschen den Wandel seines Herzens und somit auch seiner Taten. Die Zeit für Gott geht niemals den Armen verloren. Ein gefestigtes und ausgeglichenes geistliches Leben hat niemals einen Menschen vom Dienst an seinen Mitmenschen abgehalten. Wenn Sankt Vinzenz von Paul (| 1660) - er hat sich in unvergleichlichem Maße der Elenden angenommen - sagt: „Lasse das Beten, wenn Dein Bruder Dich um eine Tasse Kräutertee bittet“, dann dürfen wir darüber nicht vergessen, daß der Heilige täglich gegen sieben Stunden im Gebet verbrachte. Das Gebet war Grundlage seines Handelns. Sein Leben ändern... 68. Der Mensch, der Bruder oder Schwester zuhört und der sich der göttlichen Gegenwart und dem göttlichen Handeln öffnet, wird nach und nach seine Lebensgewohnheiten in Frage stellen. Der „Wohlstandswettlauf“, dem sich immer mehr Menschen - oft inmitten wachsenden Elends - verschreiben, wird schrittweise einer einfacheren Lebensweise Platz machen, die in vielen Ländern schon in Vergessenheit geraten ist, aber die wieder möglich und sogar wünschenswert wird, sobald der Verbraucher sich nicht mehr um den äußeren Schein sorgt. Wer seine Perspektive zu ändern bereit ist, um gleichsam die Sichtweise anzunehmen, die Gott selbst uns durch die Worte Jesu Christi lehrt; wer über die Fol- 1107 KONGREGATIONEN UND RÄTE gen seines Handelns nachdenkt - mögen sie unbedeutend oder weitreichend erscheinen - der wird zum Dienst am Gemeinwohl geführt, das für jeden einzelnen Menschen und für die ganze Menschheit zu fördern ist. ... um anders zu leben 69. Ein Mensch, der alle seine Lebensbereiche der Gegenwart Gottes öffnet, wird Schritt für Schritt von seinen Ängsten und seiner Gier befreit; er sieht die möglichen Folgen seines Handelns, und er wird ein Mitarbeiter der „Zivilisation der Liebe“. Seine Arbeit geht unauffällig vonstatten und hat gleichzeitig Tiefe. Sie bekommt den Charakter einer Mission: Sie entfaltet seine Talente, stößt Strukturreformen oder institutioneile Neuerungen an; sein Verhalten ermuntert zum Nachahmen und dazu, sich dem Dienst an der Würde des Menschen und am Gemeinwohl zu verschreiben. Lebensumstände mögen dazu verleiten, ein solches Verhalten als irrelevant und als praktisch undurchführbar anzusehen. Aber die Erfahrung zeigt, daß selbst in scheinbar festgefügter Lage jeder Mensch über einen winzigen Handlungsspielraum verfügt und daß seine Entscheidungen konkrete Folgen für seine Mitarbeiter und für das Gemeinwohl haben. Man kann sagen, daß in gewisser Weise jeder für die anderen verantwortlich ist. <401> Das ist ein Aspekt des Aufrufs zur Liebe, den Gott ständig an uns ergehen läßt. Es obliegt jedem einzelnen in seiner bisweilen schwierigen Situation, die ihn sogar in die Nähe des leidenden Zeugen, also des Märtyrers, führen kann, sich auf die Kraft Gottes zu verlassen; er hat uns seine Hilfe versprochen, wenn wir ihm die Mitte unseres Lebens - und dazu gehört auch unser Berufsleben - freigeben. <401> Diese Überzeugung wird nicht nur von den Christen geteilt. Sie stellt die Grundlage einer Bewegung dar, die kürzlich in den Vereinigten Staaten gegründet worden ist, dem „Kommunitarismus“. Der Soziologe A. Etzioni stellt die Bewegung, die sich die Förderung des Gemeinwohls jedes Menschen zum Ziel gemacht hat, in seiner Studie The Spirit of Community. Rights, Responsibilities and the Communitarian Agenda, New York 1993, vor. „... faßt alle Mut, ihr Bürger des Landes ..., und macht euch an die Arbeit! Denn ich bin bei euch ... und mein Geist bleibt in eurer Mitte“ (Hag 2,4-5). Der Christ wird zum Kämpfer gegen die „Strukturen der Sünde“; ja, er wird verantwortlich für ihre Überwindung. Praktiken, die schädlich für wirtschaftliche und soziale Entwicklung sind, werden seltener zum Tragen kommen. In Regionen, wo Christen mit Mut und Entschlossenheit andere Menschen guten Willens auf ihrem Weg mitnehmen, kann das Elend gestoppt werden; lassen sich Konsumgewohnheiten ändern und Reformen durchführen; kann die Solidarität wachsen und der Hunger beseitigt werden. 1108 KONGREGATIONEN UND RATE Initiativen unterstützen 70. Unter den Christen sind in erster Linie Ordensschwestern und -brüder, geweihte Priester und ordinierte Pastoren aufgefordert, ihr Leben Gott und ihren Brüdern zu widmen. Durch die gesamte Kirchengeschichte hindurch, angefangen von den Diakonen der Apostelgeschichte (vgl. 6,1 ff.) bis auf den heutigen Tag, hat es außergewöhnliche Männer und Frauen gegeben, <402> kontemplative und missionarische Orden, kirchliche Einrichtungen und Initiativen, die versucht haben, den Armen und Hungrigen zu helfen. Sie haben im Gehorsam Christi das Leiden und die Not in all ihren Formen bekämpft. <402> Vgl. Johannes Paul U., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (1987), Nr. 40. Die Kirche dankt all denen, die gegenwärtig konkret Dienst am Nächsten leisten, in den Diözesen, den Gemeinden, den Missionsorganisationen und Laiengemeinschaften, den karitativen Einrichtungen und anderen Nicht-Regierungs-Organisa-tionen. Sie geben die Liebe Gottes weiter und zeugen von der Wahrheit des Evangeliums. Die Katholische Kirche ist auf allen fünf Kontinenten vertreten. Sie besteht aus fast 2700 Diözesen oder Gliederungen vielfältiger Natur. <403> Viele von ihnen sind seit langem im Kampf gegen Hunger und Armut tätig. Die Diözesen und Gemeinden sind die vorrangigen Orte für ein Nachdenken der Christen über Handlungsmöglichkeiten. Sie sind der Rahmen, der die Bildung von Gruppen in der Bevölkerung, von regionalen Gruppen und von Gemeinschaften fördert. Gemeinschaften, die Menschen freundlich aufnehmen, können Vertrauen schaffen; sie können dazu ermuntern, sich zusammenzufinden und besser zu leben; können Resignation und Bedrückung wenden. Das Evangelium wird dort wieder zur Hoffnung für die Armen, wo die Kraft Christi und die der Benachteiligten sich verbindet. <403> Vgl. Secretaria Status rationarium generale Ecclesiae, Annuarium statisticum Ecclesiae, Typis Vaticanis (1994), S. 41. Jeder ist zur Teilnahme aufgerufen. Der Appell zur Liebe, den Gott durch die Hungernden an uns richtet, muß im Leben jedes einzelnen, je nach Lebenssituation, Stellung in der Welt und im sozialen Kontext konkret werden. Aus der erstaunlichen kulturellen Vielfalt folgt eine Vielfalt im Handeln und in der Sendung. Es ist also notwendig, daß jeder Christ die verschiedenen Initiativen vor Ort fördert. Die Katholische Kirche engagiert sich gemeinsam mit anderen christlichen Kirchen, religiösen Gemeinschaften und mit allen Menschen guten Willens. Humanitäre Aktionen sind ein wichtiges Betätigungsfeld für den Christen; er sollte sich aber in besonderem Maße dafür einsetzen, daß die Verbände und sein Handeln immer den Dienst am gesamten Menschen als Ziel vor Augen haben, also Geist und Seele einbeziehen. So wird er ein Bollwerk gegen die sein, die versuchen könnten, die Aktivitäten der Organisation durch materialistisches Denken 1109 ANHANG Christen und Muslime - über die Toleranz hinaus Botschaft zum ’ld al-Fitr (Ende des Fastenmonats Ramadan) 1416/1996 von Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, vom 15. Februar Liebe muslimische Freunde! 1. Sie haben eben den Monat Ramadan beendet. Aus diesem Anlaß möchte ich Ihnen meine herzlichsten Wünsche übermitteln. Diesen ganzen Monat lang haben Sie gefastet, gebetet und mit den Bedürftigen geteilt, was Gott Ihnen gegeben hat. Die Periode des Fastens ist eine bevorzugte Zeit, um Gott um Vergebung für die Sünden zu bitten und so mit ihm wieder versöhnt zu sein. Für uns Christen ist die Vergebung ebenfalls wichtig, denn nach dem Evangelium vergibt Gott dem Menschen, der seine Verfehlungen bereut, wenn er denen verzeiht, die gegen ihn gesündigt haben. Gottes Vergebung erhalten und seinem Nächsten Vergebung gewähren stehen also in einer Wechselbeziehung. 2. Das Jahr 1995, das von den Vereinten Nationen zum „Jahr der Toleranz“ erklärt wurde, ist vor kurzem zu Ende gegangen. Im Lauf dieses Jahres haben zahlreiche Veranstaltungen sowie Gespräche und Studienseminare stattgefunden. Im Oktober habe ich in Istanbul selbst an einem solchen Treffen teilgenommen, in dessen Verlauf auch die Frage der Toleranz in religiösen Angelegenheiten auf dem Programm stand. Die Beziehungen zwischen uns, Gläubigen des Christentums und Gläubigen des Islam, müssen über die Toleranz, verstanden als bloßes Ertragen des anderen, hinausgehen. Denn einen Bruder toleriert man nicht, man liebt ihn. Um über die Toleranz weit hinausgehen zu können, das heißt bis zur Versöhnung und gegenseitigen Liebe, müssen wir, Christen und Muslime, einen langen Weg zurücklegen. Und wenn wir nun die Zukunft vorbereiten, dürfen wir weder die Vergangenheit noch die Gegenwart außer acht lassen. 3. In seiner Ansprache an die jungen Muslime von Marokko sagte Papst Johannes Paul II. am 19. August 1985 in Casablanca: „Christen und Muslime verstehen sich für gewöhnlich falsch, und manchmal haben wir uns in der Vergangenheit mißverstanden und uns auch in Polemiken und Kriege verloren“ (Nr. 10; in: Der Apostolische Stuhl 1985, S. 965 f.). Wir können diese Vergangenheit nicht vergessen, wir müssen sie aber akzeptieren und hinter uns lassen. Die Zeit ist gekommen, daß wir unsere Erinnerung von den negativen Nachwirkungen der Vergangenheit freimachen - wie schmerzlich sie auch sein mögen - und in die Zukunft bücken. Wer dem anderen Böses getan hat, muß es bereuen und um Vergebung bitten. Wir müssen einander verzeihen. Ohne solches Verzeihen wird es keine wirküche Versöhnung geben. Ohne wirkliche Versöhnung können wir uns nicht gemeinsam für das Wohl unserer Glaubensgenossen sowie der ganzen Welt einsetzen. Musüme 1113 ANHANG und Christen können in der heutigen Welt zu einem Beispiel für Versöhnung und zu Werkzeugen des Friedens werden. 4. Aber es gibt nicht nur die Last der Vergangenheit. Der schmerzliche Konflikt in Bosnien-Herzegowina ist von manchen zu Unrecht als ein Fall von christlichislamischer Auseinandersetzung interpretiert worden. Der Krieg im Süden des Sudan, der seit Jahren andauert, hat ohne Zweifel viele Ursachen, aber die Lage der Beziehungen zwischen Muslimen und Christen kann als eines der Elemente des Konflikts angesehen werden. In gewissen Ländern sind die Bedingungen, unter die verschiedene religiöse Minderheiten gestellt sind, manchmal die Ursache von Spannungen. Dies sind schmerzliche Situationen, angesichts deren wir zum Nachdenken aufgefordert sind, um Abhilfe zu schaffen unter dem Blick Gottes. 5. Die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen werden sich immer weiter ausdehnen. Was wünschen wir für die Zukunft? Konfrontation, einfache Koexistenz, oder vielmehr gegenseitige Kenntnis und Achtung zusammen mit fruchtbarer Zusammenarbeit? Ist es nicht genau das, was Gott von uns will? Das setzt, wie ich schon gesagt habe, gegenseitiges Verzeihen aus tiefstem Herzen, wirkliche Versöhnung und den gemeinsamen Willen voraus, eine bessere Welt für die künftigen Generationen aufzubauen. Wir fühlen uns unfähig zu einem solchen Vorhaben. Wir wissen, daß wir der Kraft und des Lichtes, die von Gott kommen, bedürfen, damit sie uns leiten. Aus diesem Grund wenden wir uns an Ihn, der der Allmächtige und Barmherzige ist, und bitten ihn, er möge uns zur Hilfe kommen. Er weist das aufrichtige und demütige Gebet seiner Geschöpfe nicht zurück. Mit dem Ausdruck meiner aufrichtigen Freundschaft und meinen besten Wünschen zum „’ld al-Fitr“. Francis Kardinal Arinze Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog Die multiethnische Gesellschaft als Bedingung für einen dauerhaften Frieden in Bosnien und Herzegowina Intervention des Hl. Stuhls bei der Ratstagung der OSZE in Prag (21.122. März) Herr Präsident! Die Untersuchung des Tagesordnungspunkts, der die Verantwortlichkeiten der OSZE hinsichtlich der Durchführung des Friedensvertrags in Bosnien-Herzegowina betrifft, veranlaßt die Delegation des Hl. Stuhls, einige Anmerkungen dazu zu äußern. 1114 ANHANG 1. Eine Tatsache liegt auf der Hand: Dadurch daß die OSZE sich bereit erklärt hat, zum Friedensprozeß in Bosnien-Herzegowina beizutragen, ist sie gerufen, eine wahre Herausforderung anzunehmen. Es handelt sich für sie nicht so sehr darum, einfach ein Mandat wahrzunehmen, das ihr durch das in Paris Unterzeichnete Abkommen übertragen worden ist, sondern vielmehr darum, den Bedürfnissen ihrer Daseinsberechtigung zu entsprechen, die darin besteht, das Erbe an Werten und Grundsätzen zu fördern, das zu begründen und zu schützen sie sich seit dem Jahr 1975 bemüht. Ihr Beitrag zur konkreten Verwirklichung eines Friedensabkommens kann nur in diese Richtung gehen. Denn sollte es nicht so sein, würde sie ihren Pflichten und ihren Verantwortlichkeiten für den Aufbau eines neuen Europa nicht entsprechen, das gegründet ist auf der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten, vor der Demokratie und dem Rechtsstaat. 2. Der Beitrag der OSZE zum Friedensprozeß kann daher auf keinen Fall darin bestehen, De facto-Situationen einfach hinzunehmen, die das Ergebnis von Gewalt und Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sind. Es wäre angebracht - und das gilt umso mehr im gegenwärtigen Zeitpunkt -, daß die OSZE ihr besonderes Augenmerk auf die Beachtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, besonders der Religionsfreiheit, richtet: Wir haben Kenntnis von allzu vielen Fällen von Verletzungen erhalten, die bezeugen, daß diese Rechte und Freiheiten schwer gefährdet sind. Ein Friede, der auf der Mißachtung der Rechte von Personen und Gemeinschaften beruht, kann nicht dauerhaft sein. 3. Infolge dieser Überlegungen ist der Hl. Stuhl der Ansicht, daß der Grundsatz der Rückkehr der Flüchtlinge ein Ziel der Durchführung des Friedensprozesses bleiben muß, denn sie wird auf lange Sicht das Zusammenleben der nationalen Gemeinschaften erleichtern, die in Bosnien-Herzegowina und der weiteren Region zu leben gerufen sind. Zu glauben, daß durch die Trennung der nationalen Gemeinschaften ein dauerhafter Friede eingerichtet werden kann, und einen solchen Prozeß zu unterstützen, könnte sich als eine Bequemlichkeitslösung und Illusion herausstellen. Bedingungen zu schaffen, die die Rückkehr der Flüchtlinge wirklich möglich machen, ist nicht leicht, aber es ist der Weg des Friedens, damit Bosnien-Herzegowina leben kann. 4. Seit über zwanzig Jahren wird das Prinzip der Freizügigkeit der Personen und der Ideen im Rahmen der KSZE als wesentlich anerkannt. Es heute nicht zu einem friedensfördemden Grundsatz für die Region zu machen kann schwerwiegende Konsequenzen für den Frieden in Europa haben. Wenn die OSZE zu dem in Day-ton begonnenen und in Paris bekräftigten Prozeß ihren Beitrag leistet, ist sie es sich schuldig, ebenfalls die Umsetzung dieses Grundsatzes zu fördern, der die Überwindung der Spaltungen und des Hasses ermöglicht. 5. Die OSZE muß schließlich ihr besonderes Augenmerk auch auf die Situation von Sarajevo und Mostar richten, denn die beiden Städte stehen in gewisser Weise 1115 ANHANG als Symbole für den Erfolg des Friedensprozesses. Sie müssen auch weiterhin Zeichen des guten Zusammenlebens verschiedener Gemeinschaften bleiben - sowohl auf politischer als auch auf religiöser Ebene. Leider erreichen uns zu viele Nachrichten, die zeigen, daß zunehmend bestimmte Gemeinschaften isoliert und Gegenstand von Diskriminierung werden, vor allem dort, wo sie die jeweilige Minderheit sind. Es ist wichtig, daß die OSZE die drei Volksgemeinschaften (und in erster Linie ihre Verantwortungsträger) daran erinnert, daß sie sich nicht gegenseitig ausschließen dürfen, sondern einander akzeptieren müssen, wenn sie ihre Integration in das Europa von heute wollen. Wir erwarten daher von der internationalen Gemeinschaft - und ganz besonders von der OSZE - konkrete Maßnahmen in diesem Sinn. Botschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Francis Kardinal Arinze, an die Buddhisten anläßlich des Feiertages Vesakh April bis Mai 1996 Liebe buddhistische Freunde! 1. Im Namen des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog möchte ich an Ihrer Freude teilhaben, wenn Sie dieses Jahr das Vesakh-Fest feiern. Religiöse Feste, wie das Vesakh-Fest, sind für uns auch Gelegenheiten, Angehörigen verschiedener religiöser Traditionen näherzukommen; sie sind passende Anlässe, gemeinsam im Lichte und im Glauben unserer jeweiligen Religion nachzudenken. Für die diesjährige gemeinsame Besinnung und gegenseitige Bereicherung würde ich das Thema „Toleranz“ vorschlagen, weil diese sowohl in der buddhistischen als auch in der christlichen Tradition hochbewertet wird. 2. Unter den vielen Quellen der buddhistischen Schriften erinnere ich an die folgenden: „Sei tolerant ... keiner möchte vom anderen betrogen werden, keiner wünscht, jemals vom anderen verachtet zu werden, keiner möchte sich durch den anderen ein Übel auferlegen lassen ...“ (Suttanopata, 144, 148 und 150). An einer anderen Stelle wird gesagt: „Haß wird in der Welt niemals durch Haß überwunden; durch Liebe allein wird Haß überwunden, und das ist ein ewiges Gesetz“ (Dhammapada, 5). 3. Als Christ, treu gegenüber dem Herrn, Jesus Christus, werde ich an seinen ausdrücklichen Aufruf im Evangelium erinnert: „... Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen ...“ (Mt 5,44). Sein Apostel, der hl. Paulus, mahnt ebenfalls: „Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht!“ (Röm 12,14). „Laß Dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm 12,21). 1116 ANHANG 4. Ich bin sicher, Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß die pluralistische Gesellschaft, in der wir leben, uns mehr als bloße Toleranz abverlangt. Unter Toleranz versteht man normalerweise gutes Miteinanderauskommen, bestenfalls ein Regelwerk der höflichen Umgangsformen. Aber diese resignierende, laue Haltung erzeugt nicht die richtige Atmosphäre für ein harmonisches Zusammenleben. 5. Der Geist unserer Reügionen fordert uns auf, darüber hinauszugehen. Uns wird geboten, unseren Nächsten tatsächlich wie uns selbst zu lieben. 6. Solch eine Liebe beinhaltet die Anerkennung und den Respekt des anderen mit all seinen Unterschieden. Anläßlich der 50. Vollversammlung der Vereinten Nationen rief Papst Johannes Paul II. in seiner Rede zu diesem Respekt der Unterschiede auf: „Die Realität der Verschiedenartigkeit und die Besonderheit des .anderen1 können manchmal als eine Last oder gar als eine Bedrohung empfunden werden. Verstärkt durch historisch bedingte Haßgefühle und durch Manipulationen skrupelloser Personen verschärft, kann die Angst vor der ,Verschiedenheit1 sogar dazu führen, daß dem .anderen1 sein Menschsein abgesprochen wird - und das Ergebnis ist, daß die Menschen in eine Spirale der Gewalt geraten, von der niemand verschont bleibt, nicht einmal die Kinder“ (O.R. dt. vom 13.10.1995, S.l). 7. In der buddhistischen Tradition, glaube ich, ist es das Konzept der Gelassenheit (upekkha), das diesen Respekt vor den Verschiedenartigkeiten nahelegt. Man braucht viel Mut, um das gleiche tätige Mitgefühl (karuna) für alle zu empfinden. Für Christen ist das Gebot Jesu, Du sollst Deinen Nächsten wie Dich selbst lieben, sowohl Aufforderung als auch Trost. 8. Lassen Sie uns in unserer Welt, die durch Gewalttätigkeit und Haß auseinandergerissen wird, Zusammenarbeiten, um eine Gesellschaft zu schaffen, die auf der Kultur der Liebe basiert. Die Worte Papst Johannes Pauls II. können als Ermutigung in dieser Richtung dienlich sein. Folgendes gilt nach seinen Worten: „Allen sichtbar zu machen, daß das Geheimnis einer am Ende versöhnten Menschheit und eines seiner wahren Berufung würdigen Europas nur in der gegenseitigen Annahme des anderen und in der daraus folgenden gegenseitigen Achtung zu finden ist, die von der Liebe noch vertieft wird. Den Kriegen und Konflikten wollen wir schlicht, aber auch nachdrücklich das Bild unserer Eintracht in Achtung vor der Identität des anderen entgegenstellen“ (Papst Johannes Paul II., Ansprache in Assisi zur Eröffnung des Gebetstages für den Frieden in Europa am 9. Januar, O.R.dt. vom 22.1.1993, S. 1). Noch einmal wünsche ich Ihnen, meinen buddhistischen Freunden, ein frohes Vesakh-Fest! 1117 ANHANG Wirtschaftliche Sicherheit und soziale Stabilität als Ergebnisse einer Ethik der Solidarität Ansprache des Leiters der Delegation des Hl. Stuhls, Msgr. Diarmuid Martin, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, vor der IX. Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen in Midrand/Südafrika am 3. Mai Seit ihrer Gründung zählt der Hl. Stuhl zu den Mitgliedern der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen, und stets hat er diese Institution und ihre Aufgabe beharrlich gefördert. Diese Unterstützung wurde auch in den Botschaften der Päpste an die jeweiligen Konferenzen zum Ausdruck gebracht. In den Initiativen der UNCTAD zur Unterstützung der Entwicklungsländer, um ihnen zu ermöglichen, auf gerechte Weise am internationalen Wirtschaftsleben teilzunehmen, hat der Hl. Stuhl stets einen klaren ethischen Vorstoß gesehen. Doch in diesem neuen Zeitabschnitt in der Geschichte der Organisation ist der Hl. Stuhl der Überzeugung, daß die UNCTAD sich der stark veränderten Situation im Bereich internationaler Handelsbeziehungen anpassen muß. Veränderungen in der internationalen globalen Wirtschaftsstruktur, die Einrichtung der Welthandelsorganisation, die breitere Anerkennung zentraler Beiträge der Marktsysteme zur Förderung internationaler Handelsbeziehungen, all das erfordert eine Revision des Mandats und der Arbeitsmethoden der UNCTAD. Meine Delegation hat sich mit den verschiedenen bereits vorliegenden Anregungen der Mitgliedstaaten und den Bemühungen von Generalsekretär Rubens Ricupero in dieser Hinsicht eingehend befaßt. Selbstverständlich muß durch die Bewertung der positiven Rolle der Organisation in der Vergangenheit wie auch der Unzulänglichkeiten, die sich im Laufe ihres Bestehens gezeigt haben, jede Überarbeitung des Mandats den besonderen Charakter der Organisation achten und genauer bestimmen. In diesem Reformprozeß darf jedoch die grundlegende ethische Inspiration ihrer Aufgabe nicht vergessen werden; vielmehr sollte man sich bemühen, sie besser zu verstehen, zu schützen und der neuen allgemeinen Situation anzupassen. Wenn wir von Globalisierung sprechen, sollten wir berücksichtigen, daß die grundlegende globale Realität die menschliche Familie selbst ist. Der Mensch ist Mittelpunkt jeder vertretbaren Entwiddungsinitiative, und alle wirtschaftlichen Beziehungen stehen im Dienst der menschlichen Familie. Globalisierung und Solidarität müssen Hand in Hand miteinander gehen. Ethische Reflexionen sind in einer auf marktwirtschaftlichen Prinzipien begründeten Wirtschaftsordnung durchaus nicht fehl am Platz. Die optimale Leistungsfähigkeit des Marktes ist weitgehend von einer ethischen Verhaltensweise und von der Berücksichtigung gewisser ethischer Grundsätze in der Politik und in einem gesetzlichen Rahmen abhängig. Konkurrenzfähigkeit und Solidarität sollten nicht 1118 ANHANG im Gegensatz zueinander stehen. In der Tat kann nur eine auf Solidarität begründete Ethik eine wirklich menschliche Dimension der Globalisierung hervorbringen. Wir müssen uns um einen tieferen Einblick in das komplexe Konzept dieser globalen Sichtweise bemühen, einen Einblick, der zeigen wird, daß Solidarität ein wünschenswerter, anregender Grundsatz zwischenstaatlicher Beziehungen ist. Diese globale Erfahrung sollte in der Tat sowohl in einzelnen Staaten als auch in der intemationa len Gemeinschaft unweigerlich zu der Erkenntnis führen, daß es gewisse „globale öffentliche Interessen“ gibt, die von allen gefördert werden müssen. Umweltschutz ist ein deutliches Beispiel hierfür, ebenso wie Währungsstabilität und ein zuverlässiges System von Handelsbestimmungen. Die Kontrolle gewisser internationaler Kapitalbewegungen, wie diejenigen, die mit grenzüberschreitender Kriminalität verbunden sind, oder solche, die die Mechanismen der Kapitalmärkte schädigen - all dies sind nicht lediglich technische Maßnahmen, sondern Beispiele, die zeigen, wie ein ethischer Grundsatz, nämlich jener der Solidarität, auf konkrete Weise angewandt werden kann. Dies sind Dinge, die nur durch die Zusammenarbeit aller erreicht werden können. Allerdings ist es nicht einfach, dieses ethische Prinzip der Solidarität im internationalen Handelswesen anzuwenden. Aber auch die Folgen fehlender Solidarität sind klar erkennbar. Abgesehen von den menschlichen Kosten, zerstört beispielsweise weitverbreitete Marginalisierung in der nationalen und internationalen Wirtschaft die Leistungsfähigkeit und führt auf lange Sicht zu verminderter Produktivität. Ohne angemessenes Teilen von Kenntnissen und Technologie besteht paradoxerweise die Gefahr der Förderung gewisser Formen geistigen Diebstahls. Es ist eine Illusion zu glauben, wirtschaftliche Sicherheit und soziale Stabilität könnte durch Isolationismus verwirklicht werden. In einer Welt, in der einer vom anderen abhängig ist, sind wirtschaftliche Marginalität und soziale Spannungen zwangsläufig miteinander verbunden und kennen keine Grenzen. Solidarität ist nicht teilbar Unsere Befürwortung einer auf Solidarität begründeten Ethik sollte jedoch nicht das Ergebnis negativer Reaktionen oder gar der Furcht vor anderen Personen sein. Solidarität ist ein grundlegender Wert, der mit der wahren, von Gott geschenkten Natur des Menschen verbunden ist. Solidarität bedeutet verstehen, daß die Entscheidungen jedes einzelnen für das Wohl der gesamten menschlichen Familie ausschlaggebend sind. Die grundlegenden Elemente jener internationalen Ordnung, die die ganze Familie der Vereinten Nationen in der heutigen Welt aufzubauen versucht - Demokratie, Achtung der Menschen rechte, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Freiheit, internationale Entwicklungshilfe -, deuten alle in die gleiche ethische Richtung. Es gibt nur einen Weg, um von einer Weltordnung Abstand zu nehmen, die durch kolonialistische Ausbeutung und die ideologische Konfrontation des kalten Krieges beherrscht ist: der Weg, auf dem alle 1119 ANHANG Wirtschafts- und Handelsbeziehungen auf wirksame und rechtmäßige Art und Weise von Solidarität durchdrungen sind. Solidarität muß als Wert und als Vorteil für alle angesehen werden. In diesem Kontext sollten die Industriestaaten die Welthandels- und Entwicklungskonferenz nicht lediglich als Interessengruppe und Lobby allein der ärmeren Nationen an-sehen. Zweifellos muß die wesentliche Aufgabe der Organisation in der Analyse und Bekämpfung der für die Randstellung der Entwicklungsländer innerhalb des Welthandelssystems verantwortlichen Ursachen bestehen. Die UNCTAD muß aber auch ein Kooperationszentrum sein, in dem alle Nationen auf die Verwirklichung von Zielen hinarbeiten, für die alle eintreten, Ziele für das Wohl aller Staaten, Industrienationen ebenso wie Entwicklungsländer. Die zukünftige Arbeit der Konferenz wird in dem Kontext stattfinden, der sich seit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) ergeben hat. Diese neue Situation zeigt, daß bereits eine Übereinstimmung hinsichtlich der notwendigen Entwicklung eines Systems globaler Handelsbestimmungen besteht. Die reichen Nationen haben eingesehen, daß eine isolationistische Haltung kein fortwährendes Wirtschaftswachstum gewährleisten kann. Die Entwicklungsländer erkennen, daß sie durch ihre Eingliederung in ein universales Bestimmungssystem und ein sichereres Handelsumfeld viel zu gewinnen haben. Das Weltwirtschaftssystem kann die Tatsache nicht ignorieren, daß die Entwicklungsländer in den kommenden Jahren zu den wesentlichen Trägem des wirtschaftlichen Wachstums gehören werden. Doch dieses neue Weltwirtschaftssystem, das sich ohnehin erst in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, wirft Fragen auf. Man sollte sich fragen: Wird die WTO in der Lage sein, das Vertrauen der ärmsten Entwicklungsländer (LDC’s) in einem gesetzmäßigen, multilateralen Rahmen zu bewahren? Wird sie über die effektive Autorität verfügen, um ihre Aufgabe auszuüben? Wird sie den Impuls des nun beginnenden Prozesses aufrechterhalten und eine protektionistische Haltung und diskriminierende Maßnahmen, insbesondere von seiten der Starken, einschränken können? Der Erfolg der WTO hängt von der Bereitschaft der stärkeren Nationen ab, die Autorität der Organisation auch dann anzuerkennen, wenn Beschlüsse gegen ihre kurzfristigen Interessen zu gehen scheinen, und von der Erkenntnis, daß die Einbeziehung der ärmsten Entwicklungsländer in das Welthandelssystem für das System selbst von wesentlicher Bedeutung ist. Außerdem erkennen alle, daß es in diesem neu entstehenden Wirtschaftssystem vor allem unter den ärmsten Entwicklungsländern, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent, kurzfristige Verlierer gibt, die besondere Hilfe und Unterstützung für die Übergangszeit benötigen. Die positive Aufnahme dieses neuen globalen gesetzmäßigen Handelssystems wird von der Erkenntnis beeinträchtigt, daß die Entwicklungsländer noch nicht in der Lage sind, voll an ihm teilzunehmen. Dieses Dilemma sollte uns davon überzeugen, daß es notwendig ist, ein neues einheitliches Solidaritätsbewußtsein zu prägen, das die Interessen der hochentwik-kelten und die der benachteiligten Länder verbindet. Daher möchte die Delegation 1120 ANHANG des Hl. Stuhls einerseits die wichtige Arbeit der WTO hervorheben, andererseits aber auch die Notwendigkeit bekräftigen, die Welthandels- und Entwicklungskonferenz mit einem komplementären, aber starken Mandat auszustatten, das ihr erlaubt, die Probleme anzugehen, die die Ursachen der Handelshemmnisse der ärmsten Länder bilden. Die Aufgabe der UNCTAD beschränkt sich nicht darauf, lediglich jene Lücken zu füllen, die andere Organisationen - wenigstens in diesem Moment - nicht in Angriff nehmen können. Die Welthandels- und Entwicklungskonferenz hat ihre eigene besondere Rolle. Die Existenz eines externen Forums wie die UNCTAD, das in der Lage ist, eine konstruktive analytische und technische Unterstützungsfunktion in entwicklungsfördemder Hinsicht auszuüben, wird der Vitalität der WTO und anderer multilateraler Einrichtungen im Wirtschaftsbereich zugute kommen. Die Wirksamkeit der technischen Unterstützung durch die Welthandels- und Entwicklungskonferenz bedingt, daß sie bei der Erörterung der verschiedenen die ärmsten Entwicklungsländer betreffenden Situationen auch ein Forum für handlungsorientierte Reflexionen bleibt: im Hinblick auf jene innenpolitischen Strategien, die der eng verknüpften sozialen und wirtschaftlichen Benachteiligung dieser Länder am besten entsprechen. Die Erfahrung von Entwicklungsländern, die auf diesem Gebiet Fortschritte gemacht haben, müssen optimal verwertet werden. Ferner können die Erwägungen der Konferenz einen nutzbringenden Beitrag für die technische Phase der Verhandlungen darstellen. Die Welthandels- und Entwicklungskonferenz muß sich mit den tiefgreifenden Wandlungen der Wirtschaftsstrukturen der letzten Jahre befassen. Sie muß die Anzahl und die Verschiedenheit der wesentlichen Beteiligten berücksichtigen, die - gemeinsam mit den Regierungen - heute in den internationalen Wirtschafts- und Kooperationsprozeß verwickelt sind. Die Konferenz muß nach neuen Wegen suchen zur Berücksichtigung einer breiteren Beteiligung des privaten Sektors, einschließlich der Nichtstaatlichen Institutionen (NGO’s), großer und kleiner privater Kapitalanleger, der Arbeiterorganisationen und der akademischen Welt, insbesondere der Fakultäten, die sich mit Fragen der Wirtschaft, des internationalen Rechts und der Entwicklung beschäftigen. Multilaterales Schuldenproblem Meine Delegation möchte auf die Bedürfnisse zweier wichtiger Gruppen des Entwicklungsprozesses hinweisen, deren Interessen während der gesamten Konferenzarbeiten berücksichtigt werden sollten: - Die erste Gruppe bilden die Frauen: Ihr Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung ist von wesentlicher Bedeutung. Die grundlegende Gesundheits- und Ausbildungsförderung von Frauen, ihr Zugang zu Krediten, ihr Anspruch auf Eigentum und Know-how sind entwicklungspolitische Schlüsselfaktoren, die die Wissenschaft und die Ergebnisse der letzten internationalen Konferenzen übereinstimmend herausgestellt haben; 1121 ANHANG - Die zweite Gruppe bilden die Menschen, die in wirklicher Armut leben. Ihnen muß die Möglichkeit gegeben werden, auf aktive und produktive Weise am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Viele Erfahrungen zeigen, daß Menschen, die in Armut leben, fähig sind, kleine Unternehmen aufzubauen, wenn ihnen die Gelegenheit gegeben wird. Sie haben gemeinschaftlich -unter Überwindung großer Schwierigkeiten - zur Identifikation und Einrichtung geeigneter Infrastrukturen beigetragen, um ihre Aktivität im Rahmen eines breiteren Marktes auch auf internationaler Ebene auszuüben. Meine Delegation, die die speziellen Anforderungen der ärmsten Entwicklungsländer wie auch der Übergangsländer anerkennt, möchte sich den anderen Abordnungen anschließen, die für eine vorrangige Behandlung der afrikanischen Staaten eintreten. Beachtung geschenkt werden sollte auch den Forderungen der „Addis-Abeba-Erklärung“ der IX. UNCTAD-Konferenz über Maßnahmen, afrikanische Länder zu befähigen, den Kontext der Post-Uruguay-Runde den eigenen Bedürfnissen anzupassen und Nutzen daraus zu ziehen. Die Welthandels- und Entwicklungskonferenz muß in der Frage der Verschuldungsregelung weiterhin eine Rolle spielen. Die Abtragung rückständiger unbezahlbarer Schulden ist eine unverhältnismäßig schwere Last für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. Vor allem sind multilaterale Schulden eine ganz besonders große Belastung für eine gewisse Anzahl ärmster Staaten. Sie sind eine Belastung im Hinblick auf menschliche Kosten. Ungetilgte Auslandsschulden sind auch ein Abschreckungsmittel für nationale und internationale Investitionen privater Anleger, und ihre Handhabe erfordert erheblichen verwaltungsmäßigen Aufwand. Wir brauchen ein umfassendes und koordiniertes Programm für diese Länder, eine glaubwürdige Strategie, die ihnen hilft, die Probleme ihrer hohen Auslandsverschuldung zu lösen und den Weg für neue Kapitalanlagen und Handelsströme zu öffnen. Ferner brauchen die Entwicklungsländer technische Hilfestellung zur Unterstützung ihrer Bemühungen, internationalen Umweltbestimmungen und Zielsetzungen zu entsprechen. Es herrscht eine klare Übereinstimmung unter den Nationen hinsichtlich der Notwendigkeit, bereits getroffene Vereinbarungen über den Umweltschutz anzuwenden und in allen übernationalen Aspekten des Problems zusammenzuarbeiten. Doch Maßnahmen zum Schutz der Umwelt können natürlich auf protektionistische Weise manipuliert werden. Es könnte Aufgabe der Welthandelsund Entwicklungskonferenz sein, Sorge zu tragen, daß das Engagement für Umweltschutz und umweltfreundliche industrielle Entwicklung nicht zu protektionistisch bedingten Handelseinschränkungen führt. Wenn wir aber Formen naturschädigender industrieller Entwicklung und Konkurrenzgeist vermeiden müssen, so ist es noch wichtiger, jene Formen wirtschaftlicher Entwicklung auszuschließen, die die Rechte der Menschen verletzen. Daher könnte die UNCTAD wie auf dem Umweltsektor eine wichtige Rolle übernehmen 1122 ANHANG bei der Entfaltung einer Handels- und Entwicklungspolitik, der Förderung und Verbesserung sozialer Arbeitsbedingungen und bei der Verhinderung neuer protektionistischer Maßnahmen unter dem Deckmantel der Konditionenkartells. Diese Organisation muß, wie bereits in Cartagena festgelegt worden ist, ein erneuertes Partnerschaftsuntemehmen werden. In ihrem Tätigkeitsbereich müssen die Wirtschaftssysteme von Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländem Zusammenarbeiten und die Möglichkeiten des gegenwärtigen Augenblicks nach besten Kräften nutzen. Die Globalisierung wird stets rascher fortschreiten. Es darf kein untätiges Zuschauen mehr geben. Entweder arbeiten wir alle zusammen und sorgen dafür, daß jede Wirtschaft die Möglichkeit hat, auf gerechte und vollwertige Weise an dem Prozeß teilzuhaben, oder die Marginalisierung der Ärmsten wird umso größer sein. Die Welthandels- und Entwicklungskonferenz spielt in diesem Prozeß eine wichtige Rolle. Die Verpflichtung gegenüber dieser Aufgabe und die gemeinsamen Bemühungen zur Reformierung der Institution müssen Hand in Hand miteinander gehen. Wenn wir mit Gottes Hilfe Zusammenarbeiten, können wir beide Ziele erreichen. 1123 ANHANG Die Organe der Römischen Kurie Stand: 24. Juli Johannes Paul II., Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberhaupt der Allgemeinen Kirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, Karol Wojtyla Staatssekretariat - Kardinalstaatssekretär: Kardinal Angelo Sodano Erste Sektion: Allgemeine Angelegenheiten: - Substitut: Erzbischof Giovanni Battista Re - Assessor: Msgr. Leonardo Sandri - Vize-Assessor Msgr. Paolo Sardi Zweite Sektion: Beziehungen mit den Staaten: - Sekretär: Erzbischof Jean-Louis Tauran - Untersekretär: Msgr. Celestino Migliore Angegliedert ist das Zentralamt für kirchliche Statistik: - Leiter: Msgr. Pietro Silvi Kongregationen Kongregation für die Glaubenslehre: - Präfekt: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: Erzbischof Tarcisio Bertone - Untersekretär: Msgr. Jozef Zlatnansky Kongregation für die Orientalischen Kirchen: - Präfekt: Kardinal Achille Silvestrini - Sekretär: Erzbischof Miroslav Stefan Marusyn - Untersekretär: Rev. P. Marco Brogi OFM Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: - Pro-Präfekt: Bischof Jorge Arturo Medina Estevez - Sekretär: Erzbischof Geraldo Majella Agnelo - Untersekretär: Msgr. Carmelo Nicolosi Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse: - Pro-Präfekt: Erzbischof Alberto Bovone - Sekretär: Erzbischof Edward Nowak - Untersekretär: Msgr. Michele Di Ruberto 1124 ANHANG Kongregation für die Bischöfe: - Präfekt: Kardinal Bemardin Gantin - Sekretär: Erzbischof Jorge Maria Mejla - Untersekretär Msgr. Giovanni Maria Rossi Der Kongregation für die Bischöfe angeschlossen ist die Päpstliche Kommission für Lateinamerika: - Präsident: Kardinal Bemardin Gantin - Vizepräsident: Bischof Cipriano Calderön Polo Kongregation für die Evangelisiemng der Völker: - Präfekt: Kardinal Jozef Tomko - Sekretär: Erzbischof Giuseppe Uhac - Beigeordneter Sekretär: Erzbischof Charles A. Schleck CSC - Untersekretär: Msgr. Luigi Ghidoni Kongregation für den Klerus: - Pro-Präfekt: Erzbischof Dario Castrillön Hoyos - Sekretär: Erzbischof Crescenzio Sepe - Untersekretär: Msgr. Milan Simcic Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens: - Präfekt: Kardinal Eduardo Martmez Somalo - Sekretär: Erzbischof Francisco Javier Erräzuriz Ossa - Untersekretäre: P. Jesus Torres Llorente CMF Msgr. Juan Jose Dorronsoro Allo Kongregation für das Katholische Bildungswesen (für die Seminare und Studieneinrichtungen): - Präfekt: Kardinal Pio Laghi - Sekretär: Erzbischof Jose Saraiva Martins CMF - Untersekretär: Msgr. Giuseppe Baldanza Gerichtshöfe Apostolische Pönitentiarie: - Großpönitentiar: Kardinal William Wakefield Baum Oberster Gerichtshof der Apostolischen Signatur: - Präfekt: Kardinal Gilberto Agustoni Gericht der Römischen Rota: - Dekan: Msgr. Mario Francesco Pompedda 1125 ANHANG Amt für die liturgischen Feiern des Papstes: - Zeremonienmeister: Msgr. Piero Marini S chweizergarde: - Kommandant: Oberst Roland Buchs - Kaplan: Alois Jehle Vatikanisches Geheimarchiv: - Archivar der Hl. Römischen Kurie: Kardinal Luigi Poggi - Präfekt: P. Josef Metzler OMI - Vizepräfekt: P. Sergio Pagano B Vatikanische Apostolische Bibliothek: - Bibliothekar der Hl. Römischen Kurie: Kardinal Luigi Poggi - Präfekt: P. Leonard E. Boyle OP - Vizepräfekt: Msgr. Paul Canart Vatikanische Museen: - Generaldirektor: N.N. Päpsthche Akademie der Wissenschaften: - Präsident: Prof. Nicola Cabibbo Institut für kirchliche Einrichtungen (IOR): - Generaldirektor: Dr. Andrea Gibellini Dombauhütte von St. Peter: - Präsident: Kardinal Virgilio Noe - Delegat: N.N. Päpstlicher Wohltätigkeitsdienst: - Almosenpfleger: Erzbischof Oscar Rizzato Osservatore Romano: - Direktor Prof. Mario Agnes - Sekretär der Redaktion: Dr. Carlo De Lucia - Wochenausgaben: in Deutsch: Dr. Hans-Joachim Kracht in Englisch: Rev. Robert Dempsey in Französisch: Dr. Jean-Michel Coulet in Portugiesisch: Msgr. Antonio Marcades in Spanisch: P. Arturo Gutierrez Gömez LC - Monatsausgabe in Polnisch: P. Czeslaw Drazek SJ 1128 ANHANG Vatikanische Polyglott-Druckerei: - Generaldirektor: Rev. Elio Torrigiani SDB - Verwaltungsdirektor: Giacomo Bonassoli SDB - Technischer Direktor: Giuseppe Canesso SDB - Kaufmänn. Direktor: Antonio Maggiotto SDB Vatikanische Verlagsbuchhandlung: - Direktor: Rev. Nicolö Suffi SDB Radio Vatikan: - Präsident: P. - Generaldirektor: P. - Leiterder deutschen Sektion: P. Roberto Tucci SJ Pasquale Borgomeo SJ Eberhard von Gemmingen SJ Vatikanisches Fernsehzentrum: - Präsident: Dr. Emilio Rossi - Vizepräsident: Dr. Sandro Baldoni Pressesaal des Hl. Stuhls: - Direktor: Dr. Joaqum Navarro-Valls - Vizedirektor: P. Ciro Benedettini CP Sexuelle Ausbeutung von Kindern ist Folge fehlender Solidarität und eines Werteverfalls Stellungnahme des Ständigen Beobachters des Hl. Stuhls bei der Weltorganisation für Tourismus, Msgr. Piero Monni, am 28. August Exzellenzen, meine Damen und Herren! Das ständige Ansteigen der sexuellen Ausbeutung von Kindern ist ein wirklich beunruhigendes Phänomen unserer Zeit. Beim Herannahen des dritten Jahrtausends gibt dieser Weltkongreß Gelegenheit, zu beurteilen, was dieses Verbrechen auf eine solche Höhe getrieben hat. Der Kongreß ist ferner ein Ausdruck der Sorge um unsere Zukunft, unsere Kinder. Diese und andere Faktoren bilden den Grund, uns zusammenzufinden in dem Bemühen, diesem überaus verabscheuungswürdigen Verbrechen ein Ende zu setzen. Der Hl. Stuhl nimmt gern an diesem Weltkongreß teil, und er möchte seinen Dank für die freundliche Einladung zur Teilnahme zum Ausdruck bringen, ebenso auch seine Wertschätzung gegenüber den Veranstaltern und dem Gastgeberkomitee und gleichzeitig der Regierung von Schweden, dem UNICEF-Kinderhilfswerk und der Organisation ECPAT (End Child Prostitution in Asian Tourism). 1129 ANHANG Die ganze Welt blickt nun auf die fürchterlichen Vorkommnisse in Belgien. Alle Delegierten haben sie mit Entrüstung und Scham erwähnt, aber auch mit Erstaunen, weil sie erst kürzlich und in vielen Fällen so nahe dem Zuhause geschehen sind. Man könnte sagen, angesichts solcher Gemeinheit bringen diese Verbrechen eine gewisse Passivität in Unruhe. Diese Tatsachen rufen zu Recht Abscheu und Erregung hervor, aber wir dürfen nicht bei solchen Empfindungen stehenbleiben. Noch dürfen wir zulassen, unsere Zeit, Energie und Entschlossenheit mit solchen edelmütigen Reaktionen zu verschwenden. Es gilt vielmehr, den Ursachen dieses Phänomens entgegenzutreten, das Ausmaße annimmt, die manche als Verbrechen gegen die Menschheit betrachten. Handeln ist dringend notwendig, sowohl als Vorbeugung wie als strafrechtliche Verfolgung. Einerseits müssen Gesetze verabschiedet und durchgeführt werden, um für solche schweren Vergehen die gebührende Bestrafung zu erreichen, vor allem für organisiertes Verbrechen und für alle, die aus einem so niederträchtigen Geschäft Nutzen ziehen oder Anteil an seinem Gewinn haben. Es sollte zu einer angemessenen konkreten Reaktion kommen, um internationale Beteiligung zu gewährleisten, wo es sich um die Drosselung von Mißbräuchen durch bestimmte Gruppen handelt. Andererseits müssen die Delegierten sich bewußt bleiben, daß die Probleme an ihren tiefsten Wurzeln, die sozialer und kultureller Art sind, angegangen werden müßten. Abhilfe wird Erwägung und Handeln auf der Ebene der Familie und der Gemeinschaft erfordern, sowohl auf nationalen wie internationalen Schauplätzen, mit Anerkennung der Verantwortlichkeiten seitens aller beteiligten Gruppen. Der erarbeitete Entwurf zur Deklaration und die Agenda für den Einsatz stellten viele Teilaspekte des Problems klar und bilden einen soliden Ausgangspunkt. Die klare Struktur der Dokumente dient gut dazu, die im Text ausgearbeiteten Ziele zu stützen. Die Betonung der Menschenrechte, mit dem Einschluß von - wenn auch manchmal selektiven - Gedanken aus Menschenrechtsdokumenten und der Konvention über die Rechte des Kindes gehören zu den Stärken des entworfenen Textes. Aber es kann ja auch der beste Text durch Änderungen und Ergänzungen noch weiter verbessert werden. Wünschenswert wäre eine stärkere Beachtung der moralischen und geistigen Dimensionen der menschlichen Person. Man könnte in der Tat sagen, daß die eigentliche Quelle dieser Probleme ein Mangel an geistigen Werten und die Reduzierung der Gesellschaft und des menschlichen Lebens auf die bloße Wechselwirkung wirtschaftlicher Kräfte ist. Die Bedeutung der Erziehung wird hervorgehoben, und zwar, ganz zu Recht, als ein vorbeugendes Mittel. Gerade in diesem Kontext sollten die Verantwortungen, Rechte und Pflichten der Eltern und die positive Rolle der Familie erscheinen. Schon ehe die Kinder zur Schule gehen, werden die gestaltenden und ver bindenden Werte, die später in einer Gesellschaft in Erscheinung treten, anfanghaft in der Familie von den Eltern an die Kinder weitergegeben. 1130 ANHANG Um das Übel zu heilen, ist eine stärkere Bindung an die Familie notwendig. Eine Familie, in der die Kinder in Liebe und Sicherheit im Milieu einer festen Ehegemeinschaft ihrer Eltern aufwachsen, ist das eigentliche Heilmittel für das Problem. Überdies haben die Eltern die moralische Verantwortung, das Wohl ihrer Kinder zu fördern, sicherzustellen und zu schützen, und bei dieser Aufgabe haben sie das Recht, wenn nötig und erwünscht, Hilfe von seiten des Staates zu erwarten. Die zunehmende Armut bei einem großen Teil der von dieser Plage betroffenen Bevölkerung darf im Zusammenhang mit einer umfassenden Antwort nicht übersehen werden. Das unsinnige Märchen, daß der Reichtum eines Landes durch Gestatten dieses infamen Handels vermehrt werden könnte, muß entschieden zurückgewiesen werden. Die sexuelle Ausbeutung von Kindern ist zweifellos die Folge tiefgreifender Zerrüttung von Werten und von deren Zusammenbruch. In gewissem Sinn ist das bezeichnend und läßt die Unausgeglichenheit und die Konflikte der modernen Welt erkennen. Ein beträchtlicher Teil der Menschheit lebt unterhalb des Existenz-minimums und ist gezwungen, alles nur Mögliche zu tun, um zu überleben. In manchen anderen Teilen der Welt versäumen Schulen oder wollen bewußt ihre Schüler nicht lehren, was traditionsgemäß die Unterscheidung zwischen „Recht und Unrecht“ war, und führen so zu einer individualisierten und relativierten Lebensauffassung, ohne die Begriffe der öffentlichen Moral und Verantwortung zu klären und darauf hinzuweisen. Daraus entsteht oft Verwirrung, sogar hinsichtlich der gemeinsamen Würde aller Menschen. Es muß zugegeben werden, daß die meisten Formen der Pornographie zu einer Atmosphäre sexueller Ausbeutung beitragen, einschließlich der von Kindern. Wir dürfen nicht von Freiheit der Äußerung sprechen bei Fällen, in denen die Medien in einer Art und Weise gebraucht werden, die dieser schrecklichen Art von Sklaverei Vorschub leistet und dazu beiträgt, Kinder zum Gebrauchsartikel zu erniedrigen. Abschließend sei gesagt, daß die Delegation des Hl. Stuhls sich den anderen hier anwesenden Staaten anschließt in dem Bemühen, das Gewissen aller Menschen wachzurütteln, damit sie sich gemeinsam mit aller Anstrengung dafür einsetzen, der sexuellen Ausbeutung von Kindern ein Ende zu bereiten. In Solidarität und Zusammenarbeit können angesichts dieser dringenden Herausforderung konkrete und realistische Aktionen unternommen werden. 1131 ANHANG Gemeinsamer Einsatz für eine Kultur der Liebe Botschaft des Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Francis Kardinal Arinze, an die Hindus anläßlich ihres diesjährigen Diwali-Festes am 12. November 1996, vom 30. Oktober Liebe Hindu-Freunde! 1. Im Namen des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog möchte ich Eure Freude anläßlich des diesjährigen Diwali-Festes teilen. Religiöse Feste wie dieses erlauben uns, auch als Menschen verschiedener religiöser Traditionen einander näherzukommen; sie sind providentielle Gelegenheiten für gemeinsame Reflexionen im Licht und im Einklang mit unseren jeweiligen Religionen. Für unsere gemeinsamen Überlegungen und gegenseitige Bereicherung möchte ich Euch dieses Jahr das Thema „Toleranz“ vorschlagen, dem beide Glaubensrichtungen einen hohen Stellenwert beimessen. 2. Oft haben die Weisen des Hinduismus die Notwendigkeit, tolerant zu sein, an Generationen von Hindus weitergegeben. Im Buch Mahabharata heißt es: „Das ist eure erste Verpflichtung; tut anderen nicht das, was euch verletzen würde“ (Mahabharata:, 5,15,17). Pranagnih Upanishad fordert: „Möge Gewaltlosigkeit euer Opfer sein“ (Pranagnih Upanishad, 46). Bhagavad Gita lehrt: „Auch das unwesentlichste Lebewesen soll der Mensch nicht hassen; er soll freundlich und mitfühlend sein“ (.Bhagavad Gita, XII, 13). 3. Als treuer Diener des Herrn Jesus Christus denke ich an seinen Befehl in der Bibel: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,44). Auch sein Apostel, der hl. Paulus, ermahnt uns: „Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht! ... Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ {Rom 12,14; 21). 4. Aber die pluralistische Gesellschaft, in der wir leben, verlangt weit mehr als nur Toleranz. Toleranz bedeutet normalerweise den anderen hinnehmen oder gilt bestenfalls als eine Art Höflichkeitskodex. Diese resignierte, laue Haltung schafft nicht die richtige Atmosphäre für wirklich harmonische Koexistenz. 5. Der Geist unserer Religionen fordert von uns, darüber hinauszugehen. Wir haben in der Tat die Pflicht, den Nächsten zu lieben wie uns selbst. Solche Liebe setzt die Anerkennung und Achtung anderer voraus, einschließlich ihrer Verschiedenartigkeit. Anläßlich der 50. Vollversammlung der Vereinten Nationen machte Papst Johannes Paul II. in seiner Ansprache auf eben diese Verschiedenheit aufmerksam: „Die Realität der Verschiedenartigkeit und der Besonderheit des anderen* kann manchmal als eine Last oder gar als eine Bedrohung empfunden werden. Verstärkt durch historisch bedingte Haßgefühle und durch Manipulationen skrupelloser Personen verschärft, kann die Angst vor der Verschiedenheit4 sogar dazu 1132 ANHANG führen, daß dem,anderen1 sein Menschsein abgesprochen wird - und das Ergebnis ist, daß die Menschen in eine Spirale der Gewalt geraten, von der niemand verschont bleibt, nicht einmal die Kinder.“ Im Hinduismus ist es, glaube ich, das Konzept der Gewaltlosigkeit (Ahimsa), das auf diese Respektierung der Verschiedenheit hinweist. Die Anwendung von Gewaltlosigkeit, d. h. Achtung des Lebens, erfordert großen Mut. Das Gebot Jesu, liebe deinen Nächsten wie dich selbst, ist sowohl anspruchsvoll als auch lohnend für den Christen. 6. Laßt uns in unserer von Gewalt und Haß zerrissenen Welt Zusammenarbeiten, um eine auf der Kultur der Liebe aufgebaute Gesellschaft zu schaffen. Mögen die Worte von Papst Johannes Paul II. in dieser Hinsicht als Ermunterung gelten: „... nur in der gegenseitigen Annahme des anderen und in der daraus folgenden gegenseitigen Achtung, die von der Liebe noch vertieft wird, ist das Geheimnis einer am Ende versöhnten Menschheit zu finden. Den Kriegen und Konflikten wollen wir schlicht, aber auch nachdrücklich das Bild unserer Eintracht in Achtung vor der Identität jedes einzelnen entgegenstellen“ (vgl. Papst Johannes Paul II.; Gebetsvigil für den Frieden; Assisi, 9. Januar 1993). Nochmals wünsche ich Euch, liebe Freunde, ein frohes Diwali. Francis Kardinal Arinze Präsident Die Geißel des Hungers in solidarischem Handeln überwinden Ansprache von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano beim Weltemährungsgipfel der FAO in Rom am 16. November Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Generaldirektor, Exzellenzen, meine Damen und Herren! Meine erste Pflicht ist es, Ihnen für den herzlichen Empfang zu danken, den Sie Seiner Heiligkeit Johannes Paul II. anläßlich der Eröffnungszeremonie zu diesem Weltgipfel bereitet haben. Der Papst wollte der FAO erneut die Unterstützung des Hl. Stuhls und der ganzen katholischen Kirche zusichem im Hinblick auf die hochgesetzten Initiativen, die in Gang gesetzt werden, um allen Bewohnern der Erde Nahrungssicherheit zu gewährleisten. Im übrigen beweist auch die Einrichtung einer Beobachtermission des Hl. Stuhls bei der FAO wie auch die Anwesenheit einer Sonderdelegation bei diesem Weltgipfel die außerordentliche Bedeutung, die der Hl. Stuhl seit jeher der Tätigkeit der FAO beimißt. Sie hat ihren Sitz im Herzen des antiken Rom, um alle Nationen 1133 ANHANG zur Zusammenarbeit in einem so wesentlichen Bereich wie dem der Ernährung und Landwirtschaft aufzurufen. Es ist uns nämlich allen bewußt, daß es sich dabei in der Tat um ein Hauptproblem der internationalen Kooperation handelt. Wenn Millionen Menschen immer noch von den Leiden des Hungers und der Unterernährung gezeichnet sind, so ist der Grund dafür nicht im Mangel an Nahrungsmitteln zu suchen. Erst letztes Jahr hat die FAO in ihrem Atlas der Ernährung und Landwirtschaft dargelegt, daß es auf der Welt genug gibt, um die Energieversorgung aller sicherzuteilen, aber leider steht dem keine Einheitlichkeit in der Produktion und Verteilung der Lebensmittel gegenüber (vgl. ital. FAO, Necessitä e risorse, Atlante dell’Alimentazione e dell’Agricoltura, Rom 1995, S. 16). Unsere Organisation hatte diesen Standpunkt schon einmal zum Ausdruck gebracht, und zwar in der Schlußerklärung zur Internationalen Konferenz über Ernährung, die 1992 von der FAO zusammen mit der WHO (Weltgesundheitsorganisation) einberufen worden war (vgl. Schlußbericht der Konferenz, Nr. 1), nämlich daß die Ressourcen der Erde, in ihrer Gesamtheit betrachtet, alle Einwohner unseres Planeten ernähren können. Auf Grund dieser Angaben vertritt der Hl. Stuhl die Auffassung, daß die gegenwärtige Herausforderung, allen Menschen in allen Kontinenten Nahrungssicherheit zu bieten, nicht nur technischer und wirtschaftlicher Art ist, sondern daß es sich in erster Linie um eine Herausforderung ethisch-geistiger Art handelt. Es ist eine Frage der Solidarität, erfahren im Licht einiger grundlegender Prinzipien, die ich hier kurz erläutern möchte. 1) Das erste Prinzip unseres solidarischen Einsatzes ist die Achtung eines jeden Menschen. Wer immer es auch sei, er oder sie ist Träger unveräußerlicher Rechte. Darüber hinaus ist für die Gläubigen jedes menschliche Wesen sogar nach dem Abbild Gottes geschaffen. Dies ist eine Glaubenslehre, die unsere ganze Anschauung in bezug auf das Leben, die Gesellschaft und die Geschichte verändern kann. 2) Das zweite Prinzip ist das der Solidarität. Wenn jede Person ihre eigene, unveräußerliche Würde besitzt, müssen wir ihr zu Hilfe kommen, wenn sie uns darum bittet. Für uns Glaubende ist dies auch eine ausdrückliche Pflicht, die uns von Christus aufgetragen worden ist. Im Laufe der Geschichte hat dieses Prinzip die besten sittlichen und juristischen Traditionen inspiriert. Hier in Italien wurde schon vor über 800 Jahren im berühmten Dekret Gratians folgende Regel aufgestellt: „Ernähre den Menschen, der fast an Hunger stirbt, denn wenn du ihn nicht ernährt hast, hast du ihn getötet“ (Dist. LXXXVI, c. 21). 3) Ein drittes Prinzip, an dem sich unsere soziale Aktion orientiert, ist das der universalen Bestimmung der Güter der Erde. Demzufolge, und unabhängig von den unterschiedlichen Formen des Eigentums, je nach den rechtlichen Institutionen der verschiedenen Völker, sind wir der Meinung, daß es immer gilt, „achtzuhaben auf diese allgemeine Bestimmung der Güter. Darum soll der Mensch, der sich dieser Güter bedient, die äußeren Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm per- 1134 ANHANG sönlich zu eigen, sondern muß er sie zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, daß sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nutzen sein können“ 0Gaudium et spes, Nr. 69). 4) Ein viertes Prinzip, das der Tätigkeit des Hl. Stuhls im internationalen Bereich zugrundehegt, ist die Förderung des Friedens. Oft müssen Menschen Hungers sterben, weil es Krieg gibt. Die Tragödie in Afrika, in der Gegend der Großen Seen, ist ein klares Zeichen dafür, daß man die Plage des Elends und des Hungers nur dadurch ausrotten kann, daß man den Frieden zwischen den Völkern wiederherstellt. Meine Damen und Herren! Dies war eine kleine Fibel der Solidarität, nach der der Hl. Stuhl seine Tätigkeit ausrichtet mit dem Vorsatz, mit allen Regierungen, mit den internationalen Organisationen und besonders mit der FAO zusammenzuarbeiten, um die Geißel des Hungers aus der Welt zu schaffen und ahen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr tägüches Brot zu bekommen. Zu diesem Zweck schließt sich der Hl. Stuhl der Zustimmung an, die hinsichtlich der abschließenden Dokumente dieses Gipfels hier zum Ausdruck gebracht worden ist. In Anbetracht seiner besonderen Natur und seines Auftrages möchte der Hl. Stuhl diesbezüglich allerdings einige Vorbehalte äußern und eine eigene interpretierende Erklärung formulieren mit der Bitte, diese in den Schlußbericht des Gipfels aufzunehmen. Danke! Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und Erzbischof Carey von Canterbury, Primas der anglikanischen Gemeinschaft vom 5. Dezember Wiederum haben sich in der Stadt Rom ein Erzbischof von Canterbury, Seine Gnaden George Carey, der die Anglikanische Gemeinschaft vertritt, und der Bischof von Rom, Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II., getroffen und gemeinsam gebetet. Im Bewußtsein, daß das jetzt zu Ende gehende zweite christliche Jahrtausend Entzweiungen, ja offene Feindschaft und Kampf zwischen Christen gesehen hat, war das Anliegen unseres inständigen Gebetes die Gnade der Versöhnung. Wir haben aufrichtig um Bekehrung gebetet - Bekehrung zu Christus und zueinander in Christus. Wir haben gebetet, daß Katholiken und Anglikanern die Weisheit verliehen werde, den Willen des Vaters zu erkennen, und die Kraft, ihn zu erfüllen. Dieser Wille möge das Fortschreiten zu jener vollen sichtbaren Einheit möglich machen, die Gottes Geschenk und unsere Berufung ist. 1135 ANHANG Wir haben Dank dafür gesagt, daß in vielen Teilen der Welt Anglikaner und Katholiken, in einer Taufe verbunden, einander als Brüder und Schwestern in Christus anerkennen und dies durch Gemeinschaft im Gebet, Zusammenarbeit im Handeln und Einheit im Zeugnis zum Ausdruck zu bringen. Das ist das Bezeugen jener Gemeinschaft, von der wir wissen, daß wir sie durch Gottes Gnade bereits miteinander teilen, und es zeigt unser ersehntes Ziel, daß sie zu der von Christus gewollten Fülle komme. Wir haben besonders gedankt für den Geist des Glaubens an Gottes Verheißungen, für die ausdauernde Hoffnung und die gegenseitige Liebe, die alle inspiriert hat, die für die Einheit zwischen der Anglikanischen Gemeinschaft und der katholischen Kirche gearbeitet haben, seitdem unsere Vorgänger, Erzbischof Michael Ramsey und Papst Paul VI., sich getroffen und zusammen gebetet haben In der Kirche des hl. Gregor auf dem Caeliushügel haben wir in Dankbarkeit des gemeinsamen Erbes von Anglikanern und Katholiken gedacht, verwurzelt in der einen Sendung am englischen Volk, mit der Papst Gregor der Große den hl. Augustinus von Canterbury betraute. Seit mehr als fünfundzwanzig fahren wird ein ständiger und sorgfältiger Dialog von der Anglikanisch-Römisch Katholischen Internationalen Kommission (ARCIC) unternommen. Wir bestätigen die Zeichen des Fortschritts, enthalten in den Erklärungen von ARCIC I über die Eucharistie und über das Verständnis von Amt und Weihe, die eine maßgebliche Antwort von beiden Dialogpartnem erhalten haben. ARCIC II hat weitere Erklärungen über die Erlösung und die Kirche, über das Verständnis der Kirche als Communio erarbeitet, sowie über die Lebensweise und die Treue zu Christus, die wir zu teilen suchen. Diese Erklärungen verdienen es, weiteren Kreisen bekannt zu werden. Sie erfordern genauere Untersuchung, Reflektion und Antwort. Augenblicklich sucht die Internationale Kommission die Annäherung in den Auffassungen über Autorität in der Kirchen voranzubringen. Ohne Übereinstimmung auf diesem Gebiet werden wir die volle sichtbare Einheit, die wir anstreben, nicht erreichen. Das der Übereinstimmung entgegenstehende Hindernis, das in einigen Provinzen der Anglikanischen Gemeinschaft durch die Priester- und Bischofsweihe von Frauen verursacht wurde, ist zunehmend deutlich geworden und hat eine neue Situation geschaffen. Im Hinblick darauf mag es an diesem Abschnitt unseres Weges angebracht, sein, weiter darüber zu beraten, wie die Beziehung zwischen der Anglikanischen Gemeinschaft und der katholischen Kirche weiter fortschreiten soll. Gleichzeitig ermutigen wir ARCIC, unseren theologischen Dialog fortzusetzen und zu vertiefen, nicht nur über Fragen, die mit unseren augenblicklichen Schwierigkeiten Zusammenhängen, sondern auch in allen Bereichen, in denen volle Obereinstimmung noch erreicht werden muß. Wir sind berufen, das Evangelium zu predigen, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2). In vielen Teilen der Welt versuchen Anglikaner und Katholiken angesichts der Zunahme von Säkularismus, religiöser Gleichgültigkeit und moralischer Verwirrung gemeinsam Zeugnis zu geben. Wann immer sie in der Lage sind, ver- 1136 ANHANG eint Zeugnis für das Evangelium zu geben, müssen sie es tun, denn Spaltungen verdunkeln die Botschaft des Evangeliums von Versöhnung und Eloffnung. Wir fordern unsere Gläubigen dringend auf, vollen Gebrauch zu machen von den Möglichkeiten, die ihnen bereits zur Verfügung stehen, wie etwa das von der katholischen Kirche herausgegebenen Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (1993). Wir rufen sie auf, Vergangenes zu bereuen, um die Gnade der Einheit zu beten, sich Gottes umgestaltender Macht zu öffnen und in jeder geeigneten Weise auf lokaler, nationaler und Provinzebene zusammenzuarbeiten. Wir beten, daß der Geist des Dialogs sich durchsetze, der zur Versöhnung beiträgt und dem Entstehen neuer Schwierigkeiten zuvorkommt. Wenn immer etwas geschieht, was eine Haltung von Proselytismus erkennen läßt so ist das unserem gemeinsamen Zeugnis abträglich und muß ausgeschaltet werden. Wir freuen uns auf die Feier anläßlich der 2000 Jahre, seitdem das Wort Fleisch wurde und unter uns gewohnt hat (vgl. Joh 1,14). Das ist eine Gelegenheit, erneut unseren gemeinsamen Glauben an Gott zu verkünden, der die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen Sohn sandte, nicht um die Welt zu verurteilen, sondern damit die Welt durch ihn gerettet, werde (vgl. Job 3,16-17). Wir fordern Anglikaner und Katholiken mit und alle unsere christlichen Brüder und Schwester auf, im Jahr 2000 gemeinsam zu beten, zu feiern und Zeugnis zu geben. Diesen Aufruf lassen wir im Geist der Demut ergehen in der Erkenntnis, daß ein glaubwürdiges Zeugnis erst dann vollkommen ist, wenn Anglikaner und Katholiken, zusammen mit all unseren Brüdern und Schwestern, jene volle sichtbare Einheit erreicht haben, die dem Gebet Christi entspricht: „Alle sollen eins sein ... damit die Welt glaubt“ {Joh 17,21). Rom, St. Gregor auf dem Caelius, 5. Dezember Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und Katholikos Karekin I. vom 13. Dezember Zum Abschluß ihrer Begegnung danken Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II., Bischof von Rom und Papst der katholischen Kirche, und Seine Heiligkeit Karekin I., Oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier, demütig dem Herrn und Erlöser Jesus Christus. Sie sind tief davon überzeugt, daß diese Begegnung für die weiter vorangehenden Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und der armenischen apostolischen Kirche von besonderer Bedeutung war. Christus hat ihnen ermöglicht, in seiner Liebe zusammenzukommen zu gemeinsamem Gebet, zu einer fruchtbaren Besprechung ihres gemeinsamen Wunsches, nach einer vollkommeneren Einheit im Heiligen Geist zu suchen, und zum Meinungsaustausch 1137 ANHANG darüber, wie ihre Kirchen in einer Welt, die einem neuen Jahrtausend der Heilsgeschichte entgegengeht, ein wirksameres Zeugnis für das Evangelium geben können. Papst Johannes Paul II. und Katholikos Karekin I. anerkennen die tiefe geistliche Gemeinschaft, die sie und die Bischöfe, den Klerus und die gläubigen Laien ihrer Kirchen bereits verbindet Es ist eine Gemeinschaft, die ihre Wurzeln in dem gemeinsamen Glauben an die heilige und lebenspendende Dreifaltigkeit hat, den die Apostel verkündigten und der die Jahrhunderte hindurch von den vielen Kirchenvätern, Kirchenlehrern, Bischöfen, Priestern und Märtyrern, die ihnen folgten, überliefert wurde. Der Papst und der Katholikos freuen sich über die Tatsache, daß die jüngsten Entwicklungen der ökumenischen Beziehungen und die im Geist christlicher Liebe und Gemeinsamkeit geführten theologischen Gespräche viele Mißverständnisse beseitigt haben, die ein Erbe der Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten der Vergangenheit waren. Solche Dialoge und Zusammenkünfte haben eine ausgewogene Situation gegenseitigen Verstehens und die Wiederentdeckung der tieferen geistlichen Gemeinschaft vorbereitet, gegründet auf dem gemeinsamen Glauben an die Heilige Dreifaltigkeit, der ihnen durch das Evangelium Christi und die heilige Tradition der Kirche geschenkt wurde. Sie begrüßen vor allem den großen Fortschritt, den ihre Kirchen in ihrem gemeinsamen Streben nach Einheit in Christus, dem menschgewordenen Wort Gottes, festgestellt haben. Vollkommen in seiner Gottheit, vollkommen in seiner Menschheit, ist seine Gottheit mit seiner Menschheit vereint in der Person des einziggeborenen Sohnes Gottes in einer Verbindung, die real, vollkommen, unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar ist. Die Realität dieses gemeinsamen Glaubens an Jesus Christus und an dieselbe Sukzession apostolischen Dienstes war zeitweise unklar und unbeachtet. Sprachliche, kulturelle und politische Faktoren haben ungeheuer viel zu den theologischen Meinungsverschiedenheiten beigetragen, die in der Terminologie, in der die betreffenden Lehrsätze formuliert wurden, zum Ausdruck kamen. Seine Heiligkeit Johannes Paul II. und Seine Heiligkeit Karekin I. haben ihre entschiedene Überzeugung ausgesprochen, daß wegen des grundlegenden gemeinsamen Glaubens an Gott und an Jesus Christus die Meinungsstreitigkeiten und unglücklichen Trennungen, die manchmal eine Folge der unterschiedlichen Gewohnheiten waren, diesen Glauben auszudrücken, heute - als Ergebnis dieser abgegebenen Erklärung nicht weiter Leben und Zeugnis der Kirche beeinflussen sollten. Vor Gott bekunden sie demütig ihre Reue über diese Streitigkeiten und Differenzen und ihre Entschlossenheit, aus dem Bewußtsein und der Erinnerung ihrer Kirchen zu entfernen, was in der Vergangenheit manchmal an Bitterkeit und gegenseitiger Diskriminierung, ja sogar Haß zutage getreten ist und was selbst heute über die wirklich brüderlichen und wirklich christlichen Beziehungen zwischen den Führern und Gläubigen beider Kirchen, besonders wie diese sich in der letzten Zeit entwickelt haben, einen Schatten werfen könnte. 1138 ANHANG Die bereits bestehende Gemeinschaft zwischen den beiden Kirchen sowie ihre Hoffnung auf und ihr Einsatz für die Wiedergewinnung der vollen Gemeinschaft untereinander sollten Gründe dafür sein, weitere Kontakte und regelmäßigere und wesentliche Dialoge anzuregen, die zu einem größeren Maß gegenseitigen Verstehens und zur Wiederherstellung der Gemeinsamkeit ihres Glaubens und Amtes führen. Papst Johannes Paul II. und Katholikos Karekin I. segnen und unterstützen die Weiterentwicklung bestehender Kontakte sowie neue Aufbrüche dieses Dialogs der Liebe zwischen ihren jeweiligen Hirten und Gläubigen. Sie sollen Frucht bringen in gemeinsamem Handeln auf pastoraler, katechetischer, sozialer und intellektueller Ebene. Ein solcher Dialog ist besonders in der jetzigen Zeit dringend notwendig, da die Kirchen sich neuen Herausforderungen im Hinblick auf ihr Zeugnis für das Evangelium Jesu Christi gegenübergestillt sehen. Solche Herausforderungen ergeben sich aus den sich schnell verändernden Situationen in der modernen Welt, die so tief von einer äußerst säkularistischen und säkularisierenden Lebensart und Kultur beeinflußt ist. Dieser Dialog erfordert engere Zusammenarbeit, gegenseitiges Vertrauen und in höherem Maß ein Bemühen um gemeinsames Handeln. Als Voraussetzung verlangt er eine Haltung selbstlosen Dienstes, gekennzeichnet durch gegenseitige Achtung vor der Treue der Gläubigen zu ihren eigenen Kirchen und christlichen Traditionen. Papst Johannes Paul II. und Katholikos Karekin I. appellieren an ihren Klerus und die Laien, auf allen Gebieten der Diakonie aktiver und wirksamer ihre Zusammenarbeit einzusetzen, Förderer von Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit zu sein, um die wirkliche Anerkennung der Menschenrechte zu kämpfen und sich der Unterstützung all derer zu widmen, die leiden und in der ganzen Welt in geistiger und materieller Not sind. Johannes Paul II. und Karekin I. bringen eine besondere pastorale Sorge für das armenische Volk zum Ausdruck, sowohl hinsichtlich der Menschen, die in ihrer historisch angestammten Heimat leben, wo Freiheit und Unabhängigkeit wiedergewonnen und kürzlich durch die Schaffung des neuen unabhängigen Staates Armenien wieder anerkannt sind, als auch hinsichtlich jener, die in Nagorny Kara-bagh noch keinen dauerhaften Frieden haben, und jener, die in einem Zustand weltweiter Diaspora leben. Mitten in Umwälzungen und Tragödien, vor allem in diesem Jahrhundert, sind diese Menschen ihrem apostolischen Glauben treu geblieben, dem Glauben von Märtyrern und Bekennem, dem Glauben von Millionen namenloser Gläubigen, für die Jesus Christus, der menschgewordene Sohn Gottes und Erlöser der Welt, das Fundament ihrer Hoffnung war, und dessen Geist sie durch die Jahrhunderte geführt hat. Da sie nun dem siebzehnten Jahrhundert seit der offiziellen Errichtung der Kirche in Armenien entgegengehen, mögen sie den besonderen Segen des dreieinigen Gottes empfangen für Frieden und Gerechtigkeit und für eine erneute Hingabe zu treuem Zeugnis für den Herrn Jesus Christus. Rom, den 13. Dezember 1996 1139 Wortregister Abendmahl - Letztes 663-665, 835 f. Abendmahlssaal - im A. versammelte Apostel 243 f., 272, 727 f. Abrüstung 423 f., 1080 f. Abtei - 1000-jähriges Bestehen der A. Pannonhalma 331, 334-338 Abtreibung 133, 301, 689, 935 f., 943, 999 Achtung 983-987 - der Schöpfung Gottes 44 f., 260 f., 325 f. - der Umwelt 1080 f. - eines jeden Menschen 1134 - vor d. Grundrecht d. Lebens 945 - vor d. Person d. Menschen 516 f. ACK - Arbeitsgemeinschaft Christi. Kirchen in Deutschland 286-290 AIDS 509 f. Akademie(n) - öffentl. Sitzung d. Päpstl. Akademien 851-855 - Päpstl. A. d. Sozialwissenschaften 530-534 - Päpstl. A. d. Wissenschaften 809-813, 856 f. Allerheiligen/Allerseelen 161 f. Alte(n) 374, 576 Alter 333 f. Altes Testament (AT) - Frauen im 18-20, 46-48, 53-55 - Maria im 22 f. Amt(s)/Ämter - A.priestertum 391-394, 519 f., 662 - Bischofsa. 973-978 997 f„ 1004 f., 1009 f. - der Oberen/Oberinnen 575 f. - Petrusa. als Dienst an d. Einheit 860 f. - Priestera. J. Chr. 820 f. Anglikaner - und Katholiken 873-877, 1135-1137 Antisemitismus - Widerstand gegen 13 f. Apostel(n) 208 f„ 521 f. - im Abendmahlssaal versammelte 243 f„ 272, 727 f. - Laiena. 802 f. - Maria im Gebet mit den 277 - Paulus (A.fürst) 335-337, 438 f., 749-752 - Petrus (A.fürst) 193, 749-752 - Sendung der 728 Apostelgeschichte 727 f. Apostolat(s) - Laiena. 227, 368 Apostolische Konstitution - Universi Dominici Gregis 472-501 Apostolische(n) Pönitentiarie - Botschaft a. d. Teilnehmer eines Fortbildungskurses der 534-538 Apostolischer(n) Stuhl(es) - Vakanz des 472-484 Apostolisches Schreiben - Ecclesia in Afrika 250,907 f., 960 f., 993, 1009 - Evangelii nuntiandi 970 f. - Familiaris consortio 305, 705 f., 1029-1031, 1045 f. 1141 - Marialis cultus 118 - Mulieris dignitatem 719 f. - Orientale lumen 415, 701, 761 - Pastores dabo vobis 914,929,964 f. - Tertio millennio adveniente 305 f., 417, 1006 - Vita consecrata 538-640,759,891, 915,954, 1001 - zum 350-jährigen Bestehen d. Union v. Uzhorod 677-683 Arbeit 234-236, 530-534, 866 f. - als Teilnahme am Schöpfungswerk Gottes 235 - Gebet und 43 f. - Mensch und 235,258 f., 867 - Recht/Grundrecht auf 235 f., 435, 532, 867 - Wert der 235, 867 Arbeiter - Rechte der 259 Arbeitsgemeinschaft - Christi. Kirchen in Deutschland (ACK) 286-290 Arbeitskreis - ökumenischer A. evang. u. kath. Theologen 287 f. Arbeitslosigkeit 234, 261 f., 302, 351,370, 426 f„ 435, 532 f. Arbeitswelt 258-262 - Kirche und 232-236 Archäologie - sakrale 741-744 Arme(n) 379 f„ 614-616,1060, 1082 f„ 1121 f. - Dienst an den 695 - Kirche und 1103 f. - Solidarität mit den 389,1077-1079 Armut 42 f„ 87, 302 f., 357,468-470, 532, 684 f„ 829, 885, 1055-1110, 1121 f., 1131 - evangelischer Rat der 554 f., 620-622 - Formen der 379 f. -Gottes 1102 f. - in Venezuela 218 - Jahr d. Bekämpfung d. A. (1996) 424 - und Gewalt 401 Aschermittwoch 470 f. Askese 136, 570 f. Atheismus 141 - der DDR 296 Atomversuche - Verbot der 424 Aufbau - der Kirche 377 f. - des Friedens 421-423 - einer gerechten/neuen Gesellschaft 217-222 Auferstehung - Jesu Christi 53, 59 f., 63 f., 243 f. Aufgabe - der Kirche 347 - Marias in d. Heilsgeschichte/Heilsplan 5 f., 100-103, 143 f„ 770-773 Aufklärung - Phänomen der 767-769 Aufruf/Ruf - Gottes 522 - zur Bekehrung/Buße 384, 292 f., 568 - zur Heiligkeit 384, 567-569, 938, 979 1142 Auftrag - der Evangelisierung 292 Ausbildung - berufliche 245 - der Katecheten 350 f., 910, 966, 993 - der Laien 926,941,958,963,984, 994,1011 - der Lehrer 302 - der Ordensleute 931 f. - der Priesteramtskandidaten/Priester 464-466, 505 f„ 870, 909 f„ 914, 929, 937-942, 953, 957 f., 964 f„ 976, 979 f„ 991, 996,1007,1014 - des Mönches 788 - von Kindern u. Jugendlichen 958 f„ 980 f. - zum geweihten Leben 598-601 Aussiedler - in Deutschland 297 f. Basilika - von Guatemala 194 Begegnung - Jesu mit d. Samariterin am Jakobsbrunnen 391-394 Behinderung - geistige 862-865 Beichte 534-538,800 Bekehrung/Buße - Aufruf zur 384,568 - des hl. Paulus 438 f. - zum Evangelium 234, 274 - siehe auch: Umkehr; Versöhnung Bekenntnis - des katholischen Glaubens 871 f. - zu Jesus Christus 310 - siehe auch: Glaubensbekenntnis Benediktiner 334-338, 786-788 Berufe - geistliche siehe: Geistliche Berufe Berufung(s/en) 266, 339, 979 - als Geschenk 525 f., 938 - B.seelsorge/B.pastoral 227, 300, 346, 596 f., 694-696, 909, 922 - der Frau 986 - der Getauften 204, 384-386 - der Kirche 306 f. - der Menschheit in Christus 362 f. - des kirchl. Lebens 891 - des Menschen zur Liebe 1039 f. - Förderung von 958 - geistliche 692-697 - in d. christl. Gemeinde 692 f. - priesterliche 520-522, 661-663, 697-699, 891, 913, 928 f„ 963 f., 1014 - Rückgang von 364, 595 f. - Typologie der 520-522 - Weg der 336 - zum gottgeweihten Leben (Ordensleben) 440,446, 548 f„ 595 f„ 694, 928 f„ 964,1014 - zur christl. Ehe u. Familie 305, 371-375,1032 - zur Heiligkeit 348,716-719,821, 935, 992 f. Bevölkerung(s) - B .politik 841 f. - B.Wachstum 1066-1068 Bewegung(en) - kirchliche 730 - ökumenische 290 Beziehung(en) - jüdisch-christliche 317-319, 514 f., 673 f. - von Ethik u. Recht 723 - zwischen Christentum u. Kultur(en) 279, 779-782 1143 - zwischen Glauben u. Vernunft 279 - zwischen Kultur u. Evangelium 279, 814 f„ 852 f. - zwischenmenschliche 721 Bibel - als Buch d. Gemeinde 694 f. - Botschaft d. B. über Mutterschaft 38-40 - Frauen in der 18-20, 38-40 - siehe auch: Hl. Schrift Bildung - christliche 909, 983-987 - geistliche 443, 654-657 - Recht auf 25 f. - religiöse 997-1003 Bildungswesen - Kongregation f. d. Katholische 815 f. Bioethik 460-463, 831-833 - Lehramt d. Kirche und 462 Bischof/Bischöfe(n) 306, 418 f., 695 f., 869 f„ 923 f„ 969 f., 988 f„ 993, 1004 f„ 1009 f. - IX. Symposion d. europäischen 813-815 - als Apostel 208 f. - als Diener (der ...) 299, 306,410, 971,1004,1010 - als Lehrer u. Vorbilder 916-923, 974 f. - Briefwechsel d. polnischen u. deutschen 294 f. - Dialog zwischen Ordensinstituten und 581 f., 985 f. - Einheit der 303 - Frankreichs 387-391 - Priester und 299 f„ 937-942, 953, 996 f. - Primat d. B. von Rom 860 f. - Theologen und 300 - und Gläubige 970 f. - Ungarns 344-349 Bischofsamt 973-978, 997 f„ 1004 f„ 1009 f. Bischofskollegium(s) 418 f., 869 f. - Einheit des 1003 Bischofskonferenz(en) - Deutsche 288, 294-303 - Italienische 708-711 - regionale B. von Nordafrika (CERNA) 247-251 - Rolle der 349 Bischofssynode - 2. Sonderversammlung d. B. für Europa 315 f. - Sonderversammlung d. B. für Afrika 250,907-911,960,1009 - Sonderversammlung d. B. für Asien (Vorbereitungen) 927 f., 956 f., 1007 f. Bischofsweihe 392 f., 869 f. - Predigt b. d. B. (am Fest Epiphanie) 408-411 Botschaft(en) - an alle kath. Gläubigen im Südsudan 816 f. - an d. Internat. Kongreß „Für eine Kultur d. Lebens“ 688-690 - an d. Internat. Kongreß d. Studien-u. Forschungszentrums f. natürliche Fruchtbarkeitsregelung d. „Univer-sitä Cattolica del Sacro Cuore“ 831-833 - an d. Kirche in China 868-872 - an d. Mitglieder d. Päpstl. Akademie d. Wissenschaften 809-813 - an d. Teilnehmer d. II. Kubanischen Kirchl. Treffens 447-450 - an d. Teilnehmer d. XE. Internat. Mariologischen Kongresses 770-773 - an d. Teilnehmer eines Fortbildungskurses d. Apostolischen Pönitentiarie 534-538 1144 - an Römische Kongregationen 815 f. - Grußb. an d. 5. Christlich-Muslimische Kolloquium 683 f. -UrbietOrbi 671-673,896-898 - Videob. an d. Bevölkerung d. Bundesrepublik Deutschland 283 f. - zum 24. Generalkapitel d. Salesianer 440-443 - zum 2. Jahrestag d. Genozids in Ruanda 516-518 - zum 10. Jahrestag d. Weltgebetstreffen f. d. Friedens in Assisi 805 f. - zum Weltfriedenstag 399-405 - zum 33. Weltgebetstag um Geistl. Berufe 692-697 - zum 11. Weltjugendtag 641-645 - zum 4. Welttag d. Kranken 450-454 - zum Welttag d. Migranten 795-799 - zum 30. Welttag d. Sozialen Kommunikationsmittel 719-722 - zum Weltmissionstag 731-734 - zur Fastenzeit 468-470 - zur Heihg-Rock-Wallfahrt in Trier 674-677 Brautleute - Liebe der 202, 1029-1038 Brief - an d. Familien 204, 1038 f. - an d. Frauen (1995) 719 f. - and. Hebräer 196 f. Brüderlichkeit 1005, 1010 - in d. Universalkirche 578 f. - in einer gespaltenen Welt 582 f. Buddhismus 1116 f. Bund - der Neue 664, 1032 - Gottes mit d. Frau 19 f., 40 - Gottes mit Israel 61-63 Buße/Bekehrung 32-37,40,42, 44 f. - Aufruf zur 292 f., 384, 568 - B.Sakrament 299, 534-538 - siehe auch: Umkehr; Versöhnung Charisma/Charismen - Treue zum Gründungsch. 569 f. Charta - der Familienrechte 1029 Christ(en) - als Tempel d. Hl. Geistes 12 - als Zeuge 733 - Einheit der C. (im Osten u. Westen) 16-18, 97-100,103-105,115,-119-121, 139,141 f„ 148 f„ 167 f., 179, 306, 335, 338, 349, 437-439, 631-633, 760-764, 876, 888 f., 1015 - Gemeinschaft der 383 f. - jeder C. ist Missionar 1110 - Juden und 317-319, 514 f., 673 f. - Muslime und 57 f., 246-254, 960-963, 1113 f. - Päpstl. Rat zur Förderung d. Einheit der 288,1019-1028 - Verantwortung der 368 Christenheit - intellektueller u. geistiger Reichtum der 426 - protestantische 293 Christentum - Geschichte d. C. in Frankreich 146 - orientalisches 110, 136-138, 141, 148 f. - und Judentum 14 - und Kultur(en) 279, 779-782 Codex - Canonum Ecclesiarum Orientalium 1029-1031 - Iuris Canonici 472 f„ 1029-1031 Demokratie - Gefährdungen der 830 1145 Epiphanie 408-411 Erbe - kulturelles u. geistiges 757 f. Erklärung - Gemeinsame E. v. Katholikos Kare-kin I. u. Papst Joh. Paul II. 1137-1139 - Gemeinsame E. v. Primas d. Angli-kan. Gemeinschaft u. Papst Joh. PaulH. 1135-1137 Erlösung(s) 793 f., 921 - E.mysterium 193 - Teilnahme Marias am E. werk 144 - von Christus gewirkte 85 f. - Zeugnis von der 731-734 Emährung(s) - E.sicherheit 1092 f. - Recht auf 1056 f. - Unterernährung 838, 840,1060 - Weltgipfelkonferenz über die E. (FAO) 166 f„ 838-843, 893, 1133-1135 Erneuerung 807 - der venezolanischen Gesellschaft 225, 230 - des Lebens 15 - geistliche 247 - in Christus 342-344 - innerhalb d. Ordensinstitute 570 - kirchl. Gemeinschaften 942-947 - liturgische 700 f. - Treue in der 589-595 - Ungarns 333, 341 f. Erzieher(in) - Eltern als 1041 - Maria als E. d. Gottessohnes 175-177 Erziehung 245, 513 f., 627 f., 1038 f. - Bedeutung der 1130 f. - christliche 993, 1039 - der Kinder/Jugend 301, 373, 654 f., 958 f„ 1039 - geistl. Grundlagen von 654-657 - katholische 926 - Recht auf 25 f. - Religionse. 373 - religiöse E. d. Laien 980 - und Entwicklung 1094 - zum Frieden 211 f., 402-404 - zur Gerechtigkeit 842 - zur Liebe 842 - zur Solidarität 830, 842 Eschatologie - eschatologische Dimension d. geweihten Lebens 559 f. Ethik - Bioe. 460-463, 831-833 - der Medien 21 f., 510-512 - der Solidarität 842,1118-1123 - und Recht 723 Eucharistie 205, 239 f., 250, 299, 371, 388, 626 f., 710, 738-741, 800, 821, 925 - als Vermächtnis u. Verkündigung 663-665 - Maria und die 773-775 - Nation. Eucharist. Kongreß (1994) 237, 239 - Sakrament der 664, 1045 Eucharistiefeier 159, 699-703, 870 f. - ist Herz d. Liturgie 699 f. Europa(s) 279, 290-294, 296, 355, 428, 657 f„ 813-815 - 2. Sonderversammlung d. Bischofssynode für 315 f. - das neue Haus 324 - Neuevangelisierung in 290-294 - Verkündigung d. Evangeliums in 814 - wiedergewonnene Einheit 284, 307, 359, 677 1148 Euthanasie 301 - Legalisierung der 689 Evangelisierung 33 f., 199, 294, 390, 459 f„ 539, 681 f„ 687, 718,789 f„ 933 f„ 952, 956, 966 - Auftrag der 292 - Beitrag d. geweihten Lebens zur 609-611 - der Familien (in d. F.) 353, 373, 706,1012,1040 f. - der Kultur 629 f. - der Völker 224-228 - durch d. Medien 511 f. - einer säkularisierten Gesellschaft 345 - Europas 290-294 - in Guatemala 199-201 - in Venezuela 224-228 - Kongregation f. d. E. d. Völker 815 f. - Mission der 731 - und Einheit 292 - und Ökumene 292 Evangelist - Lukas 180 f. Evangelium(s/-lien) 295 f., 378, 709 - Bekehrung zum 234, 274 - der Seligpreisungen bezeugen 566 - Kultur und 279, 814 f„ 852 f. - Lukase. 180 f. - Treue zum 351 f. - Verkündigung des 198 f., 273, 294, 297 f„ 339, 346, 351 f., 388, 455, 457, 693 f„ 814 - von d. Begegnung am Jakobsbrunnen 391-394 - Wahrheit des 140, 274 f., 291, 392 - Zeugnis für das 293, 369, 846 f., 909, 978-982 Evolution(s) - moderne E.theorien 809-813 Exerzitien - im Vatikan 507 Familie 25 f., 201-205, 220,229 f„ 238,424,434, 637, 705-708,778 f., 832, 908 f., 930 f., 935-937, 959, 961 f., 984, 994, 999, 1012,1044, 1050,1118 - als Hauskirche 300 f„ 353,1029, 1032, 1040 f. - als Heiligtum d. Lebens 229 f. - als Herz d. Neuevangelisierung 1037 - als Ort d. Zeugnisses für d. Evangelium 909 - als Urzelle d. Gesellschaft 238, 428,1032 - Bedrohungen der 370, 935-937 - Brief an die 204, 1038 f. - christliche 300, 305, 954,1032 - Evangelisierung der (in d.) 353, 373,706, 1012, 1040 f. - Gebet in der 1050 - Heiligkeit der 300 f. - katholische 353 - Päpstl. Rat für die 705-708, 1028-1054 - Politik zugunsten der 757 - positive Rolle der 1130 f. - Treffen mit den 369-375 - und Wirtschaft 513 f. - Verteidigung der 347 - Werte der 449 Familienpastoral 300, 435, 506, 705-708, 936 f„ 980 f„ 994,1028-1054 Familienrecht(e) - Charta der 1029 FAO - Weltgipfelkonferenz d. Weltemährungsorganisation 166 f., 838-843, 893,1133-1135 1149 Fasten 1113 f. - als Bußübung 33, 40, 42, 44 f. Fastenzeit 32-36, 40 f. - Botschaft zur 468-470 Ferien 327 f. Fest(e) /Hochfest(e) - Allerheiligen/Allerseelen 161 f. - der Darstellung d. Herrn 444-446 - der Erscheinung d. Herrn (Epiphanie) 408-411 - der Gottesmutter 406-408 - der Hl. Familie 189 f. - der Taufe Jesu 411 - Dreikönigsfest 7 f. - Fronleichnam 738-741 - Hochfest d. Aufnahme M. in d. Himmel 122-124 Flüchtling(s/e) 347 - Elend der 166 f., 178 - F.katastrophe in Afrika (Zaire, Ruanda, Burundi) 160,166 f., 171, 178, 995 Fortpflanzung(s) - F.technik 726 f. - natürliche Fruchtbarkeitsregelung 831-833 Fortschritt(e) - der Menschheit 1071 - technischer 461 - wissenschaftlicher 461 Frau(en) 1121 f. -berufstätige 513 f. - Berufung der 986 - Brief and. F. (1995) 719 f. - Bund Gottes mit der 19 f., 40 - des geweihten Lebens 587-589 - Emanzipation der 720 - Genius der 719 f. - im Alten Testament 18-20,46-48, 53-55 - im Neuen Testament 18-20 - in d. Medien 719-722 - in d. Gesellschaft 301,719-722 - in d. Heilsgeschichte 46-48, 82, 249 - in Venezuela 222 - Rolle d. F. im Kampf gegen d. Hunger 1084 - Würde der 53-55, 930 f., 986 Freiheit 315, 322-324,426 f„ 723 f„ 871 f. - des Glaubens 296 - Opfer für die 323 - religiöse 424 f., 909 f„ 927, 1115 - und Liebe 323 f. - und Solidarität 323 - und Wahrheit 320-324, 463 Freikirche(n) - evangelische 289 f. Freude - am Glauben 298 f. - Gnade als Quelle der 68-70 Frieden(s) 3 f„ 212, 217-222, 407 f., 448 f., 516-518,795, 829, 898, 944 f., 987, 1005 - auf d. Balkan 421 - Aufbau des 421-423 - Boten des 248 - durch Gleichgewicht d. Rechte 1079 f. - ein Geschenk Gottes 404 f. - Erziehung zum 211 f., 402-404 - Förderung des 1135 - in Asien 35 f. - in Bosnien u. Herzegowina 1114-1116 - in Europa 285 f., 421 - in Nahost 149 f., 252, 515 - in Nicaragua 201 f. - in San Salvador 209-214 - in Slowenien 274 - Kinder u. F.hoffnungen 403 f. 1150 - Nahrangssicherheit wesentlicher Faktor für 841 f. - Päpstl. Rat f. Gerechtigkeit und 829-831, 866 f., 1118-1123 - sozialer 915 - Streben nach 420 - Weltfriedenstag 3, 399-405, 407 - Weltgebetstreffen f. d. F. (Assisi 10. Jahrestag) 805 f. - zwischen Israelis u. Palästinensern 420 Fronleichnam 738-741 Gabe(n) - des Hl. Geistes 272, 975 f. Gebet(s) 33, 162, 175, 240, 570 f„ 694 f., 712, 799, 925 - am Grab d. sei. B. Lichtenberg 320 - an d. Hl. Dreifaltigkeit 639 f. - an Maria (Rosenkranzg.) 154 f., 508, 640, 741 - für d. Frieden (Assisi) 805 f. - Großes G. für Italien 756 - hohepriesterliches 226 - in d. Familie 1050 - Schule des 787 - und Arbeit 43 f. Gebetswoche - siehe: Weltgebetswoche Geburt(en) - G.kontrolle 930 f. - G.rückgang 434 f. - Jesu 169 f. Geheimnis(se) - der Menschwerdung 114,127, 406,409, 853 f. - der Taufe 146 f. - des Menschen 822 - des Priestertums 160 f. - des Todes 766 f. - siehe auch: Mysterium Gehorsam(s) 204 f. - evangelischer Rat des 555, 622 - Marias gegenüber Gott 135,143 f. Geist - der Bergpredigt 207-209 Geistliche Berufe - Botschaft zum 33. Weltgebetstag um 692-697 Gemeinde(n) - Berufungen in d. christl. 692 f. - Bibel als Buch der 694 f. - Gründung kleiner christl. 950 f. Gemeinschaft(en) 290, 503, 623 - apostolischen Lebens 444-446,576 f. - christliche 250 - der Christen 383 f. - geweihtes Leben als Zeichen d. G. in d. Kirche 573-589 - internationale 160, 795 f. - jungfräuliche G. von Maria u. Josef 126-128 - Kirche als G. (d. Glaubens ...) 244 f., 285, 305,416, 573 f„ 964 - kirchliche G./Basisg. 580 f., 606 f., 871, 928-932, 942-947, 961, 970 f. - und Mission 503 - unter verschiedenen Ordensinstituten 583 - verschiedener Riten 978-982 - von Sant’Egidio 668 f. Genozid(s) - 2. Jahrestag d. G. in Ruanda 516-518 Gerechtigkeit 217-222, 237-240, 307, 428, 614-616, 659 f„ 1005 - Erziehung zur 842 - in San Salvador 209-214 - Päpstl. Rat für G. u. Frieden 829-831, 866 f„ 1118-1123 - soziale 1075 f„ 1098 f. - und Wahrheit 517 1151 Gerichtshof/-höfe - Apostolische Pönitentiarie siehe: Apostolische Pönitentiarie - RotaRomana siehe: Rota Romana Gesamtkirche 243 - siehe auch: Universalkirche Geschichte - Berlins 95 f., 315, 317, 321 f. - des Christentums in Frankreich 146 - Ungarns 331 f. Gesellschaft(s) - Aufbau einer gerechten 217-222 - Erneuerung d. venezolanischen 225, 230 - Evangelisierung einer säkularisierten 345 - Familie als Urzelle der 238,428, 1032 -Frau in der 301,719-722 - Kirche und 224-228, 295, 306 f., 833 f. - Rolle d. Eltern in der 373 Gesetz(es) - Erfüllung d. mosaischen 180 f. Gesundheit(s) - G.dienst 436 Getaufte(n) - Berufung der 204, 384-386 - Sendung als 388 - Teilhabe aller G. am Priestertum Christi 519-522 Gewalt 921, 936, 943-945, 987 - Armut und 401 - G.losigkeit 1133 - Kinder als Opfer von 401 f. - Tod durch 78 f. Gewaltherrschaft - Opfer d. nationalsozialistischen 305 - Widerstand gegen nationalsozialistische 305,309-315,317-319 Gewerkschaft(en) 866 f. Gewissen(s) 285 f., 312 - Kirche als moralisches G. d. Gesellschaft 295 Gläubige(n) - allgemeines Priestertum aller 391-394, 519 f. - Bischöfe und 970 f. - Einheit aller 892 - kath. G. im Südsudan 816 f. Glaube(ns) 193 f., 240, 249 f„ 254, 269, 297-299, 304, 321, 366, 388, 409, 814, 834, 912 - als kostbarstes Geschenk 712 - an Christus 194, 256, 333, 367, 823 - an Gott 456 - Bischöfe als Lehrer des 919 f. - Einheit des 384 f., 684 f., 860 f., 912 - Freiheit des 296 - Freude am 298 f. - Identität d. katholischen 288 - Inkulturation des 908 - Marias 100-103, 214-217 - und Heil 102 f. - und Kultur 132 f., 443, 650 f., 823, 852 f„ 877 - und Kunst 167 f. - und Leben 236,270 f„ 790 f„ 935 f. - und Mission 504 - und Vernunft 279 - und Wissenschaft 278-282, 856 f. - Wahrheit des 296 - Weitergabe des 300 f., 975 - Zeugnis des 685 1152 Glaubensbekenntnis 310 - des Petrus 193 - katholisches 871 f. - siehe auch: Bekenntnis Glaubenslehre - Kongregation für die 815 f. Glaubenswahrheit - Jungfräulichkeit Mariens ist 103-105 Gleichnis(se) - Hochzeit zu Kana 201-205 Globalisierung - und Solidarität 1118 f. Gnade 82, 312., 347 f., 412,738, 925 - als Quelle der Freude 68-70 - der Rechtfertigung 363 - des Priesteramtes 891 - erlösende G. Christi 84 f. - G.fülle Marias 68-70, 72-74, 80 f„ 92 f., 109 f., 134,176 - Geschenk der 295 Gott(es) - als Schöpfer d. Welt 317 - Armut 1102 f. - Aufruf/Ruf 522 - barmherzige Liebe 170, 754-756, 821,944 - Bund G. mit d. Frau 19 f., 40 - Bund G. mit Israel 61-63 - Ehre 523 - G.-Geweihte 265 - Gehorsam Marias gegenüber 135, 143 f. - Geschenk 37 f., 295, 404 f. - geweihtes Leben - Sichtbarwerden d. Liebe 604-617 - Glaube an 456 - Heiligkeit 652 f. - Heilsplan/Plan 114,135,258-260 - im Dienst G. 369, 605 f. - Liebe zu 245, 717 - Mensch als Abbild 125, 259, 317, 689 f., 811,838, 862-865 - Menschwerdung 183 f., 899-903 - Sehnsucht nach 296, 634 - Vater 551 - Wort 345, 625 f. - Wundertaten 719 Gottesdienst - Kongregation f. d. G. u. d. Sakra-mentenordnung 699-703 Gründonnerstag - Schreiben an d. Priester zum 518-527 Grundrecht - Achtung v. d. G. d. Lebens 945 - auf Arbeit 532, 867 - siehe auch: Recht Gut/Güter - Mensch und G. d. Erde 233 - universelle Bestimmung der 1075 f., 1134 f. Hauskirche - Familie als 300 f„ 353, 1029, 1032, 1040 f. Heil(s) 363,890 - Glaube und 102 f. - im Kreuz ist 733 f. - universale Dimension des 407 Heihge(n) 124 f., 676 - als Vorbilder (Beispiel) 342, 687 - Frankreichs 362-365, 387 f. - neue 82-84 - Ungarns 331 f., 334 f. Heihge(n) Familie 128 - Fest der 189 f. Heihge(n) Schrift(en) - Aussagen d. Hl. Sch. über Unbefleckte Empfängnis 79-82 - siehe auch: Bibel 1153 Heiligenverehrung 348, 702 f. - Brücke zwischen d. Kirche d. Westens u. Ostens 124-126 - siehe auch: Marienverehrung Heiliger(n) Geist(es) 113 f., 552 f., 727-731, 738, 871, 945 f., 1016 - 1998 ist d. Jahr des 458 - Ausgießung des 78 f. - Christ als Tempel des 12 - Gaben des 272, 975 f. - Maria und 11 f. - Ursprung des 1019-1028 - Wasser als Symbol des 391 - Wirkendes 541 Heihger(n) Stuhl(s) - akkreditierte Botschafter beim 885 f. Heiligkeit 348 - Aufruf/Ruf zur 384,567-569,938, 979 - Berufung zur 348, 716-719, 821, 935, 992 f. - der Ehe 1028 - der Familie 300 f. - des menschl. Lebens 886,989,992 f. - geführt vom Geist der 567-573 - Gottes 652 f. - Ideal der 227 - Streben nach 624 f., 791 f. - trinitarische Dimension der 735-738 - vollkommene H. Marias 6, 72-74, 801, 84-86, 88 f„ 91-93,109 f. Heiligsprechung 82-84 - Predigt bei der 735-738 Heiligste Dreifaltigkeit 551-556,573 f., 735-738, 1019-1028 - Gebet an die 639 f. - Maria und die 11-13 Heiligtum/-tümer - Familie als H. d. Lebens 229 f. - von Esquipulas 193 f. Heilsgeschichte - Aufgabe Marias in der 5 f., - Frauen in der 46-48, 82,249 - Tochter Zion allegorische Gestalt der 61-63 - siehe auch: Heilsplan Heilsökonomie 12, 20 Heilsplan -Gottes 114,135,258-260 - Marias Aufgabe im H. Gottes 5 f., 100-103, 143 f., 770-773 - siehe auch: Heilsgeschichte Heilswerk/Heilswirken - Christi in Maria 84-86, 89 - Marias Teilhabe am 20, 144,169-171,184-186 Hilfe - Entwicklungsh. 1089 f. Hilfsaktion - Renovabis 307 Hilfswerk(e) - Vereinigung d. H. f. d. Oriental. Kirchen (ROACO) 745-747 Hinduismus 1132 f. Hingabe/Selbsthingabe - der neuen Sehgen 718 f., 801-804 - jungfräuliche 117-119 - Marias an Person u. Werk Christi 144 - Opferh. d. Priester 662 Hirt(en) -derGute 338-341,697-699 - der Kirche Ungarns 340 Hoffnung 269, 308, 367 f., 644 Humanismus - christlicher 854 f. Hunger(s) 42 f„ 166 f., 468-470, 838, 1134 f. - als Appell an d. Liebe 1102-1110 1154 - eine ethische Herausforderang aller 1073-1085 - gemeinschaftl. Initiativen gegen den 1082 f. - in d. Welt 1055-1110 - Kampf gegen 469,1096-1102 - politische Gründe des 1068-1071 - Rolle d. Frauen im Kampf gegen 1084 - soziale u. kulturelle Gründe des 1066-1068 - wirtschaftliche Gründe des 1061-1066 Ideal - der europäischen Einheit 657 f. - der Heiligkeit 227 Identität - der Kirche Christi 918 - des katholischen Glaubens 288 Ideologie - menschenverachtende I. d. Nationalsozialismus 317 f. Immanuel 23 f. Individualismus 307,351,367 Inkarnation - Mysterium der 130 f. Inkulturation 611-613, 926 f., 952, 961 f., 1012 - Aufgabe der 1002 - der Liturgie 926 f., 958 - des Glaubens 908 Institut(e) - „Johannes Paul H.“ für Studien über Ehe u. Familie 705-708 - für Bioethik 831-833 - Kongregation f. d. I. gottgeweihten Lebens 444-446 Instruktion - Pastorali.: Aetatis novae 511 - Pastorali.: Communio etprogressio 511 Islam 246-248 Israel - Bund Gottes mit 61-63 Jahr - der Bekämpfung d. Armut (1996) 424 - Jubelj. 2000/Heiliges 174 f„ 257, 308, 434, 455-460, 687 f., 710 f., 754, 806-808, 870,890 f., 917,963 f„ 968, 981, 990,1002 f„ 1005,1096-1102 Jahrfeier/Jahrestag - 400-Jahrf. d. Union v. Brest 760-764 - 500-Jahrf. d. ersten Taufen i. d. Dominikan. Repubük 775-777 - 500-Jahrf. d. Evangelisierung in Venezuela 224-228 - 1000-Jahrf. d. Gründung d. Abtei Pannonhalma 331 - 1100-Jahrf. d. Bestehen Ungarns 331 Jesus(Jesu) Christus(Christi) 141 f., 292, 324, 456 f„ 674-677, 709 f„ 913, 925, 1007 - als leidender Gottesknecht 194f. - Auferstehung 53, 59 f.,63 f., 243 f. - Bekenntnis zu 310 - Darstellung J. im Tempel 180 f., 444-446 - der erste u. letzte Zeuge 393 - der Messias 184-186 - der Name 186f. - Einheit d. göttl. u. menschl. Natur in 205 1155 - einziger Priester d. Neuen u. Ewigen Bundes 195 f. - erlösende Gnade 84 f. - Erneuerung in 342-344 - Erscheinungen 64 - Geburt 169 f. - geweihtes Leben als lebendige Erinnerung d. Lebensweise 556 - Glaube an 194, 256, 333, 367, 823 -GottesSohn 551 f. - hat Worte d. ewigen Lebens 393 - Herr d. Zeit u. Ewigkeit 857-859 - ist d. Wort d. Lebens 229 - ist d. Gute Hirt 338-341, 697-699 - ist d. Weg, d. Wahrheit u. d. Leben 310-313, 341, 392 f„ 414 - kommt, um zu dienen 134 - Kreuz 49-52,193-197,652 f., 735 f. - Kreuzesopfer 664 - Licht J. Chr./L. d. Welt 669-671, 686-688, 877 - Liebe 337 - Liebe zu 716-719 - Menschwerdung 175 f., 193, 336, 890, 899-903 - Nachfolge 118 f„ 267 f., 306, 310, 691, 696, 698, 735 f„ 803 f„ 807 - Offenbarung 411 f. - Priesteramt 820 f. -Priestertum 518-522,662,701 - Sendung 151, 368 - Taufe 411 - und d. Kinder 405 - und d. Samariterin 391-394 - und Maria 20, 84-86, 89,144, 169-171, 184-186 - Verklärung 766 f. - Verkündigung 225, 709, 948 f. - von Chr. gewirkte Erlösung 85 f. - Wahl für 228 f. - Zeugnis für 292, 399 Jubiläum - d. 1000-jährigen Bestehens d. Abtei Pannonhalma 334-338 - Goldenes Priesterj. d. Papstes 159-161, 164 f„ 525-527, 662 f„ 818-822, 826-829, 835-838 - Großes J. d. Jahres 2000 (Vorbereitung) 174 f„ 230 f„ 233, 303 f., 315,333,417 f., 455-460,502,641 f., 647, 687 f„ 730, 822 f., 857-859, 890 f„ 916, 927 f., 932 Juden - Samariter und 392 - und Christen 317-319,514 f„ 673 f. - Zentralrat der 317-319 Judentum 317-319 - Christentum und 14 Jugend 238, 636 f. - Bedeutung der 883 - Erziehung der 654 f., 958 f. - in Slowenien 267-271 - Welttag der 49, 124, 241, 361, 641-645, 652 f„ 885, 968 f. Jugendliche(n) 29 f., 49,241 f., 355, 361, 372 f„ 428,696 f., 729 f„ 954 f„ 961, 984, 999,1040 - als Apostel 208 f. - Ausbildung von 958 f., 980 f. - Kultur der 648 - Roms 645-649 - und Kirche 270 - von Venezuela 228 Jugendpastoral 389,506,884,931, 984, 994, 1042 Jungfräulichkeit - Marias 22 f„ 102, 105-110, 113 f., 117-119,126-131,143 f., 561 f., 756 1156 Kampf/Kämpfe - gegen d. Hunger in d. Welt 469, 1096-1102 - in Zaire 160 Kapitalismus 351 Kapuziner 784 f. Kardinalskollegium 473 f. - Vollmachtendes 476 Katakombe(n) 741-744 Katastrophe - Flüchtlingsk. in Afrika 160, 166 f., 171, 178,995 Katechese 199, 302, 350, 921, 926, 950,973-978,983 f„ 993,1042 Katechet(en) 199,353,696,966,998 f., 1011 - Ausbildung der 350 f., 910, 966, 993 Katechismus - der Katholischen Kirche 345, 922, 950, 984, 993, 998 f„ 1029 Kathedrale - von Managua 205-207 - von Reims 391 Katholik(en) - Anglikaner und 873-877,1135-1137 - im Sudan 816 f. - Lutheranerund 289 - Orthodoxe und 103-105,120 f., 129,753 f., 850 f., 1019-1028 Katholische Aktion 325 Keuschheit - eheliche 1043 - evangelischer Rat der 554, 620 Kind(er/em) 3 f., 220, 399-405, 509 f. - aidskranke 509 f. - als Opfer d. Krieges 399-401 - als Opfer von Gewalt 401 f. - Ausbildung von 958 f., 980 f. - behindertes 374 - Botschaft zum Weltfriedenstag 399-405 - Erziehung der 301, 373, 958 f., 1039 - Jesus und die 405 - sexuelle Ausbeutung von 1129-1131 - und Friedenshoffnung 403 f. Kirche(n) 219, 243-245, 264,456 f„ 507, 893 f„ 916-923, 933 f„ 946-949,1003-1008 - als Braut 567 - als Familie Gottes 1010 - als Gemeinschaft (d. Glaubens ...) 244 f„ 285, 305, 573 f„ 964 - als Geschenk 917 f. - als Sakrament der Einheit 798 f. - armenische apostolische 887-889, 1137-1139 - Aufbau der 377 f. - Aufgabe der 347 - Berufung der 306 f. - christliche 811 - Dienst an der 154 - Einheit der 206 f. 244, 340, 385, 677-683, 860 f., 874, 917 f., 1004, 1015 - Einheit zwischen Anglikan. Gemeinschaft u. kath. 1136 f. - Einheit zwischen armenischer u. kath. 1137-1139 - evang. Freik. 289 f. - Förderin der Kultur 823 - geweihtes Leben und 562-567 - Identität d. K. Christi 918 - im Westen u. Osten 141 f., 148 f., 167 f. - in China 868-872 - Jugendliche und 270 1157 - der Jugendlichen 648 - der Liebe 353, 921, 1117, 1133 - der Solidarität 219 - des Lebens 218, 220, 229, 372, 688-690, 722 f., 790, 915 f„ 944, 989 -des Todes 347, 839,915 f. - Evangelisierung der 629 f. - Glaube und 132 f., 443, 650 f., 823, 852 f„ 877 - interkultureller Dialog 57 f. - Kirche Förderin der 823 - kulturelle u. soziale Gründe f. d. Hunger in d. Welt 1066-1068 - slowenische 278 - und Evangelium 279, 814 f., 852 f. - und Wissenschaft 278-282 - Vielfalt der 429-433, 779-782 Kunst - Geheimnis d. Menschwerdung in der 853 f. - und Glauben 167 f. Kurie, Römische - siehe: Römische Kurie Laie(n) 208 f„ 257, 299 f„ 354, 367, 654 f„ 792, 891, 929, 940, 949 f., 954, 956-958, 966, 969, 983 f., 989, 999,1006,1010 f. - Ausbildung /Weiterb. der 926, 941, 958, 963,984, 994,1011 - freiwillige u. assoziierte 586 f. - gläubige 392 f. - L.apostel 802 f. - Ordensinstitute und 585-588 - Priester und 938 f. - rehgiöse Erziehung der 980 - Salesianer und 441-443 - Sendung der 392 f., 564 f. - Weihe d. L. durch Taufe 392 f. Laienapostolat(s) 368 - Förderung des 227 Land/Länder - Entwicklungsl. 358,1061-1064, 1120-1123 Leben(s) 305 - Bedrohung des 839 - Berufungen d. kirchlichen 891 - Christus ist das 310-313,341,392 f., 414 - Dialog des 319, 924-928, 959-963 - Erneuerung des 15 - ewiges 735 - Familie als Heihgtum des 229 f. - Geschenk des 220, 229, 689 - geschwisterhches 574 f. - geweihtes L. u. Kirche 562-568 - Glaube und 236, 270 f„ 790 f„ 935 f. - gottgeweihtes L. (Vita consecrata) 444-446, 538-640, 694, 891, 928 f., 964 f., 985 f., 1014 - Gruppe zur Pflege d. geisthchen 659-661 - Heihgkeit des menschlichen 886, 989, 992 f. - Kongregation f. d. Institute gottgeweihten 444-446 - Kultur des 218, 220, 229, 372, 688-690, 722 f„ 790, 915 f., 944, 989 - neue Formen evangelischen 593-595 - Recht auf L. (v. Empfängnis bis zum natürl. Tod) 133, 372,427, 722-727, 757, 945 -Schutz des 301, 346 f., 688-690, 725 f., 757, 831-833 - Theologie des 454 f. - Ursprung d. L. u. d. Evolution 809 f. - Wasser des 391 - Weitergabe des 301 - Wert des 720 f„ 722-727 1160 - Worte d. ewigen 393 - Zeugnis ablegen für das 312 f. Lehramt - der Kirche 462,811 Lehre - Kath. Sozial! 300, 929 f. - Rechtfertigungsl. 288 f. - Sozial! d. Kirche 302 f., 441, 531 f., 829, 833 f., 843-845, 932-937, 967, 987, 994, 1002,1062 !, 1074 f. - Unversehrtheit d. christlichen 345 Lehrer 229 - Ausbildung der 302 - Bischöfe als 919 f. Lehrverurteilung(en) - Dokument „L. - kirchentrennend?“ 287-289 - Rezeptionsprozeß d. Studiendok. „L. - kirchentrennend?“ 287-289 - Stellungnahme zu ,,L. - kirchentrennend?“ 287-289 Leid(en) - der Kranken 451 Liberalismus 532 Licht - Jesu Christi/L. d. Welt 669-671, 686-688, 877 Liebe 269, 305, 308, 323, 371 f., 643, 653,668, 738, 744 f., 791, 891, 1062 f., 1105 - auf d. Suche nach 645 f. - barmherzige L. Gottes 170, 754-756, 821, 944 - Berufung d. Menschen zur 1039 f. - brüderliche 516 - der Brautleute 202, 1029-1038 - Dialog der 680 f„ 870, 1015, 1139 - eheliche 404, 1039 f. - Erziehung zur 842 - Freiheit und 323 f. - geweihtes Leben - Sichtbarwerden d. L. Gottes 604-617 - Hunger als Appell an die 1102-1110 - Jesu Christi 337 - Kultur der 353, 921,1117, 1133 - Mysterium der 766 - Wert der 720 f. - Zivilisation der 211 f., 218, 323, 460, 643,720, 911,1000,1005, 1105,1108 - zu Gott u. zum Nächsten 245, 717 - zu Jesus Christus 716-719 - siehe auch: Nächstenliebe Liturgie 125, 695, 922 f., 958 f. - Einheit in der 701 - Eucharistiefeier ist Herz der 699 f. - heiüge 626 f. - Inkulturation der 926 f., 958 - orientalische 161 f. Liturgiereform 700 f. Lutheraner - und Katholiken 289 Magnifikat - siehe: Maria Maria(s) 3, 197 f„ 241, 246 f., 276 f„ 506 f„ 744 f„ 770-773, 878-881, 1050 - als Erzieherin d. Gottessohnes 175-177 - als gemeinsame Glaubenserfahrung d. Kirchen d. Ostens u. Westens 772 f. - als Gottesmutter (Theotökos) 11-13, 72-74, 104 f., 172 -174, 214-217, 363, 386 f., 770-773 - als Magd d. Herrn 133-135 - als Mittlerin 451 f. - als neue Eva 19 f., 143 f. - als neue Tochter Zion 64-66,117! 1161 - als Vorbild (der Heiligkeit,...) 6, 14, 68,117-119,135,177 f„ 214-217, 561 f. - Aufgabe M. in Heilsgeschichte/-plan 5 f., 100-103, 770-773 - aus d. Sicht d. Kirchenväter d. Orients 72-74 - Dienst 135 - fiat/Ja 101, 143 f. - Friedenskönigin 202 - Gebet an M. (Rosenkranzg.) 154 f., 508, 640,741 - Gehorsam gegenüber Gott 135, 143 f. - Glaube 100-103, 214-217 - Gnadenfülle 68-70, 72-74, 80 f„ 92 f„ 109 f., 134,176 - Hochfest d. Aufnahme M. in d. Himmel 122-125 - Hochfest d. Gottesmutter 406-408 - Ikone d. Einheit 98 - im AT: Jesaja 22 f. - im Gebet mit d. Aposteln 277 - Jesus Christus und 20, 84-86, 89, 144,169-171, 184-186 - Jungfrau/Jungfräulichkeit 22 f., 102, 105-110,113 f„ 117-119, 126-131, 143 f., 561 f., 756 - jungfräuliche Gemeinschaft von M. u. Josef 126-128 - Krönung 198 - Leitstem/Zeichen d. Menschheit 10,121-124 - Magnifikat/Lobgesang 162 f., 170 - Mutter aller Menschen 246 - Mutterschaft 22-25,118,172-176, 214-217 - Unbefleckte Empfängnis 20, 74, 79-82, 84-89,102 f., 110,113 f„ 879-881 - und d. Eucharistie 773-775 - und d. Heiligste Dreifaltigkeit 11-13 - und Elisabeth 150-152 -und Gott 70, 162 f. -und Hl. Geist 11 f. - und Kirche 4-6, 51, 216 f., 744, 1050 - Verkündigung an 64-66, 118, 143 - vollkommene Heiligkeit 6, 72-74, 80 f., 84-86, 88 f„ 91-93,109 f. Marienheiligtum/ -tümer - in Slowenien 276 f. - Nationalheiligtum d. Jungfrau v. Coromoto 214-217 Marienverehrung 4-6, 67 f., 265, 363, 770-773 - im Norden Afrikas 246 - siehe auch: Heiligenverehrung; Verehrung Mariologischer Kongreß - siehe: Kongreß, Mariologischer Martyrologium 305 Märtyrer 340 f., 367,733 f. - Erzm. Stephanus 188 - M.priester 309-316 - Seligsprechung der 152 f., 802 - Zeugen (d. Einheit) 128 f., 340 f. Medien - als Forum d. Gegenwart z. Förderung d. Rolle d. Frau 719-722 - Einfluß der 721 - ethische Grundsätze der 21 f., 510-512 - Evangelisierung durch die 511 f. - sozialer Kommunikation 459 f. - siehe auch: Kommunikationsmittel Mensch(en) 341-343 - Achtung eines jeden 1134 - Achtung vor d. Person des 516 f. - als Abbild Gottes 125,259,317, 689 f., 811, 838, 862-865 - als Adoptivkinder Gottes 406 f. 1162 - als Mittelpunkt jeder Entwick-lungsinitiative 1118 f. - als Person 863 f. - Berufung d. M. zur Liebe 1039 f. - Dienst an den 310 f., 605 f. - Geheimnis des 822 - Pilgerreise des 738-741 - Selbstverwirklichung des 258 f. - Sendung des 1039 f. - Sohdaritat unter allen 381 f. - und Arbeit 235, 258 f. - und Güter d. Erde 233 - Wahrheit über den 286 Menschenbild - christliches 809-813 Menschenrecht(e) 317 f., 795, 987, 1115 f. Menschenwürde 21 f., 219, 258 f., 315, 317-319,426 f., 431 f„ 462, 660, 689,724 f„ 757,783 f„ 824 f., 830, 863 f„ 867, 892 f„ 967,1097 f., 1131 Menschheit - Berufung d. M. in Christus 362 f. - Fortschritte der 1071 Menschheitsfamilie - Muslime u. Christen als Glieder einer 246 f. Menschwerdung - Geheimnis der 114,127, 406, 409, 853 f. - Gottes 183 f„ 899-903 - Jesu 175 f„ 193, 336, 890, 899-903 Messe - Chrisamm. 661-663 Messias 184-186 Migranten 977 - Welttag der 795-799 - ungesetzliche 796 f. Migration 795-799 - Kirche und 796 f. Mission(s) 9 f., 368, 389,417-419, 711-714, 920, 948-950, 956, 990, 998 f. - ad gentes 529 f., 558,713 - der (italienischen) Kirche 9f., 710 f., 920, 934, 948-950 - der Evangelisierung 731 - Gemeinschaft und 503 - Glaube und 504 - ist Botschaft u. Zeugnis 731-734 - M.auftrag 794 - Sendung zur 365 f. - Stadtm. in Rom 436 f., 502-507, 648 f., 728-731, 824, 900 - und geweihtes Leben 558 f. - Weltmissionssonntag 155-157, 731-734 Missionar(e) 9 f., 226 f., 249, 368, 712, 998,1110 - in Slowenien 273 - und Zeuge 732-734 Missionsgenossenschaft - der Dienerinnen d. Hl. Geistes 758 f. Missionswerk(e) - Päpstliche 711-714 Mönch(s/e) 111 - Ausbildung des 788 - Tod von sieben Trappistenm. in Algerien 78 f. Mönchtum - abendländisches 542 - benediktinisches 786-788 - leistet Beitrag zum interreligiösen Dialog 787 f. - orientalisches 110-113, 542 Mord - an d. Erzbischof von Burundi 141 - an sieben Trappistenmönchen 78 f. 1163 Muslime - und Christen 57 f„ 246-254, 960-963, 1113 f. Mutterschaft 238, 720 - als Geschenk Gottes 37 f. - Botschaft d. Bibel über 38-40 - Marias jungfräuliche 22-25,118, 172-176, 214-217 Mysterium - der Heimsuchung 150-152 - der Inkarnation 130 f. - der Liebe 766 - Erlösungsm. 193 - siehe auch: Geheimnis Nachfolge - Jesu Christi 118 f., 267 f., 306, 310, 691, 696, 698, 735 f„ 803 f., 807 Nation(en) - Vereinte N. siehe: UNO Nationalsozialismus 305,309-315, 322 - menschenverachtende Ideologie des 317-319 Nächstenliebe 245, 375-378, 643, 659 f„ 709,717,746-748, 800,965 f., 1075 f„ 1104, 1117 f., 1132 - Einheit der 384 f. - im Dienst der 369, 378,449 - Vorbild d. N. (hl. Martin) 379-382 - Zeugnis christlicher 160 - siehe auch: Liebe Neokatechumenale(n) 691 Neues Testament (NT) - Frauen im 18-20 Neuevangelisierung 216 f., 219 f., 224, 227, 263, 613 f., 655, 685,734, 777, 792, 824, 914, 922, 933, 948 f. - Familie als Herz der 1037 - in Europa 291-294 Novize/Novizin 266 Nuklearwaffen 424 Ökologie 1081 Ökumene 8,14-18,158,286-290, 293 f„ 306, 338, 349, 632 f„ 677-685,753 f., 761 f., 850 f„ 874-877, 887-889, 927, 953, 959, 966 f., 982, 1137-1139 - Evangelisierung und 292 - Gemeinsame ökumen. Kommission 287 f. Ökumenismus - Weg des 892, 982 Offenbarung 408 f., 462 - Christi 411 f. - der Heiligkeit Gottes 652 f. - des Johannes 14 f. Olympische Spiele 329 f. Opfer 445 - der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 305 - für d. Freiheit 323 - Kinder als O. d. Krieges 399-401 - Kinder als O. von Gewalt 401 f. - Kreuzeso. Jesu Christi 522, 664 - unblutiges eucharistisches 664 Orden - Regeln aller religiöser 336 Ordensbrüder 591 f. Ordensgemeinschaft(en) 995,1001 - Autonomie der 1001 - der Benediktiner 334-338, 786-788 - der Kapuziner 784 f. - der Redemptoristen 788-793 - der Salesianer (Don Bosco) 440-443 1164 - der Zisterzienser v. d. strengen Observanz 806-808 -und Diözese 1001 Ordensinstitut(e/en) - auf Kontemplation ausgerichtete 543 f. - des lateinischen Ritus (Indien) 416 - des Syro-malabarischen Ritus (Indien) 416 - Dialog zwischen O. u. Bischöfen 581 f„ 985 f. - Erneuerung innerhalb der 570 - Gemeinschaft unter verschiedenen 583 - gemischte 592 f. - und Laien 585-588 Ordensleben 364 f. - apostolisches 544 - Berufungen zum 440,584 f., 595 f., 694, 928 f„ 964, 1014 - im Orient 112 - in Ungarn 779 f. - Rückgang von Berufungen zum 364 Ordensleute 265, 364 f., 418 f., 444-446, 575 f„ 729,915, 931,949 f„ 953 f„ 957, 969, 976 f., 985 f., 991, 995,1007 - als Apostel 208 f. - Ausbildung der 931 f. - in Ungarn 353 - und Laien 586 f. Ordensschwester(n) /-ffauen 367, 986 - in Nordafrika 249 - in Thailand 1001 f. - Klausurschwestem 589-591 Organisation(en) - Internationale 1094 f. - Weltemährungso. FAO 166 f., 838-843, 893, 1133-1135 Organtransplantation 301 Orient(s) - Verschiedenartigkeit d. christl. 415 Orthodoxe(n) - und Katholiken 103-105,120 f., 129 f„ 753 f., 850 f., 1019-1028 Ortskirche(n) 418 f„ 798 f. Ostern 50-52, 59 f„ 556-562, 669-671 - als Zeit geistl. Erneuerung 247 Pädagogik - des Verzeihens 211 f. Päpstliche Akademie - siehe: Akademie, Päpstl. Päpstliches Missionswerk(e) - siehe: Missionswerk(e), Päpstl. Palmsonntag 237-240 Papst(es) - Goldenes Priesterjubiläum P. Johannes Paul n. 159-161,164 f., 525-527, 662 f„ 818-822, 826-829, 835-838 - Nachfolger Petri 860 f., 869 f. - Pastoraireise 27-30, 56-59,75-77, 94-97,137-140,145-148 - Paul VI. 705,766 f. - Priesterleben P. Johannes Paul n. 466 f. - Wahl des 484-501 Pastoral 349 - Berufungsp. 227, 300, 346, 596 f., 694-696, 909, 922 - Familienp. 300, 435, 506, 705-708, 936 f„ 980 f„ 994,1028-1054 - im Krankendienst 452, 862-865 - Jugendp. 389, 506, 884, 931, 984, 994, 1042 - Päpstl. Rat f. d. P. im Krankendienst 862-865 - siehe auch: Seelsorge 1165 Patron(e) - Europas 315 f. Person(en) - Achtung vor d. P. d. Menschen 516 f. - des geweihten Lebens (Vita Consec-rata) 538-640,891 - Mensch als 863 f. - Würde als 259, 380 f., 689, 945 Pfadfinder - AGESCI 325 - Europ. P.verband (FSE) 325 Pfingsten 78 f., 272, 727-731 Pilger - aus Lettland 413 f. Pilgerreise - des Menschen 738-741 Plan - siehe: Heilsplan Pönitentiarie, Apostolische - siehe: Apostolische Pönitentiarie Politik - Bevölkerungsp. 841 f. - politische Gründe d. Hungers in d. Welt 1068-1071 - zugunsten d. Familie 757 Politiker - christliche 659 -661 Polizei - Verantwortung d. P. für Friedenssicherung 657 f. Pornographie 1131 Predigt - am Fest Fronleichnam 738-741 - am Fest Peter u. Paul 749-752 - an Palmsonntag (30./31. März) 237-240, 652 f. - bei d. 400-Jahrfeier d. Union v. Brest 760-762 - bei d. Abendmahlsmesse (Gründonnerstag) 663-665 - bei d. Aschermittwochliturgie 470 f. - bei d. Bischofsweihe (Fest Epiphanie) 408-411 - bei d. Chrisammesse (Gründonnerstag) 661-663 - bei d. Christmette 984—896 - bei d. Einweihung d. Marienheiligtums Coromoto (Venezuela) 214-217 - bei d. Eucharistiefeiem anläßlich d. Goldenen Priesterjubiläums d. Papstes 819-822, 835-838 - bei d. Feier d. Ostemacht 669-671 - bei d. Heiligsprechung 735-738 - bei d. Pfmgstvigil 727-731 - bei d. Priesterweihe 697-699 - bei Seligsprechungen 309-315, 527-530, 716-719, 801-804, 845-848 - Bergp. 207-209 - zum 1600. Todestag d. hl. Martin v. Tours 375-378 - zum Beginn d. Vorbereitung auf d. Große Jubiläum 857-859 Priester(s) 264, 306, 418 f., 504 f„ 696,729, 913 f„ 949 f., 953, 957, 964 f., 969,985,990 f„ 996,1000 f„ 1007 - als Apostel 208 f. - als Diener d. Einheit 306 - Berufung des 520-522, 661-663, 697-699, 891, 913,928 f., 963 f„ 1014 - besondere Teilhabe am Priestertum Christi 662 - Dienst des 159 - geistl. Verbundenheit aller 164 f. - Gnade u. Geheimnis priesterl. Existenz 819-822 - in Ungarn 352 - Märtyrer-P. 309-316 1166 - Opferhingabe der 662 - P.-Sein 825-829 - P.leben Papst Johannes Paul II. 466 f. - Schreiben an d. P. zum Gründonnerstag 518-527 - Sendung des 661-663 - Ständige Interdikasteriale Kommission f. Verteilung d. P. in d. Welt 417-419 - und Bischöfe 299 f., 937-942, 953, 996 f. - und Laien 938 f. - Weiterbildung der 913,979 f., 991 - siehe auch: Klerus Priesteramt(es) - Gnade des 891 - Teilhabe am P. Jesu Christi 820 f. Priesteramtskandidaten 266, 353, 991 - Ausbildung der 870, 939 f., 953, 957 f„ 996 - geistl. Formung der 300 Priesterausbildung 464-466,909 f., 914,929,937-942,964 f„ 976,979 f„ 991,1007,1014 Priesterjubiläum(s) - Goldenes P. Papst Johannes Paul II. 159-161,164 f. Priestermangel 299 f. Priesterrat 965 Priesterseminar 914, 929 f., 940 f., 953, 957 f. - siehe auch: Seminar Priestertum(s) 825-829 - allgemeines P. aller Gläubigen 391-394, 519 f. - als Geschenk 160 f., 164 f. - Amtsp. 391-394, 519 f., 662 - Berufung zum 520-522, 891,1014 -Christi 518-522,622,701 - Geheimnis des 160 f. - Gemeinschaftscharakter des 264 - ist Berufung 518 Priesterweihe 63 f., 392 f., 697-699 - 50. Jahrestag d. P. d. Papstes 159 Prophet(en) - Jesaja 22-24, 194f. - Sprüche der 64 f. Prophetentum - des geweihten Lebens 617-620 Prophezeiung/Prophetie - Simeons 184-186, 445 f. Prostitution 936 Prozess(e) - Ehenichtigkeitsp. 429-433 Rat/Räte - evangelische 553-555, 563, 619-622 - Päpstl. Rat „Cor Unum“ 1055-1110 - Päpstl. R. für d. Familie 705-708, 1028-1054 - Päpstl. R. für d. Interreligiösen Dialog 683 f„ 8151,11131,1116 f., 1132 f. - Päpstl. R. für d. Pastoral im Krankendienst 862-865 - Päpstl. R. für d. Sozialen Kommunikationsmittel 510-512 - Päpstl. R. für Gerechtigkeit u. Frieden 829-831, 866 f„ 1118-1123 - Päpstl. R. zur Förderung d. Einheit d. Christen 288, 1019-1028 - R. d. Evang. Kirche in Deutschland (EKD) 286-290 Recht(s/e) - auf Arbeit 235 f., 435, 532 - auf Emigration/Immigration 796 f. - auf Ernährung 1056 f. - auf Erziehung u. Bildung 25 f. 1167 - auf Leben (v. Empfängnis bis zum natürl. Tod) 133, 372,427, 722-727, 757, 945 - auf Religionsfreiheit 30 f., 427, 964-968, 981 f. - auf Religionsunterricht an staatl. Schulen 302, 950 - auf Wohnung 87, 90 f. - Charta d. Familienr. 1029 - der Arbeiter 259 - Ethik und 723 - Gleichgewicht der 1079 f. - Menschenr./R. d. Menschen 3171, 795, 987,11151 - Revision d. kanonischen 4721 - Unantastbarkeit des göttlichen 4311 - siehe auch: Grundrecht Rechtfertigung(s) - Gnade der 363 - R.lehre 288 1 Redemptoristen 788-793 Reichtum/ -türner - geistliche R. d. Kirche in Ost u. West 1671 - kulturelle R. d. christl. Ostens 1321 Relativismus 295, 729, 830 - Gefahreines 934 - moralischer/sittlicher 352, 886 Rehgion(s) - R.erziehung 373 - und Wissenschaft 748 1 Religionsfreiheit 4241, 9091, 927, 1115 - Recht auf 301,427,964-968,9811 Religionsunterricht - Recht auf R. an staatl. Schulen 302, 950 Renovabis 307 Ressourcen - gerechtere Verteilung der 840 1 Ritus/Riten - Gemeinschaft verschiedener 978-982 - Ordensinstitut d. lateinischen 416 - Ordensinstitut d. syro-malabari-schen 416 ROACO - Vereinigung d. Hilfswerke 1 d. Oriental. Kirchen 745-747 Römische Kurie 889-894 - Organe der 1124-1129 - während d. Vakanz d. Apostol. Stuhles 483 Rota Romana - Gerichtshof der 429-433 Ruf - siehe: Aufruf/Ruf Ruhe - Sinn der 327 1 Säkularinstitut(e) 5441 Säkularisierung 418, 934 Säkularismus 920 f. Sakrament(e) 925 - der Buße/Versöhnung 299,534-538, 925,1045 - der Ehe 203-205, 229 f„ 1028-1054 - der Eucharistie 664, 1045 - der Taufe 363,411-413 S akramen tenordnung - Kongregation f. d. Gottesdienst u. die 699-703 Salesianer 440-443 - und Laien 441-443 S amariter/S amariterin -Jesus und die 391-394 - und Juden 392 1168 Scheidung(en) 935 f. Schöpfer - Gott als Sch. d. Welt 317 Schöpfung(s) - Achtung d. Sch. Gottes 44 f., 260 f., 325 f. - Teilnahme am Sch.werk Gottes 235 Schreiben - an d. Abtprimas d. Benediktinischen Konföderation 786-788 - an d. Kongregation d. Hl. Erlösers (300. Geburtstag d. Gründers) 788-793 - an d. Kongregation für d. Glaubenslehre 860 f. - an d. Rektor d. Lateranuniversität 822-825 - an d. Internat. Theologenkommission 793 f. - an d. Priester zum Gründonnerstag 518-527 - an d. Zisterzienser v. d. strengen Observanz 806-808 - Apostolisches Sch. siehe: Apostolisches Schreiben - zum Erscheinen d. 3500. Ausgabe von „La Civiltä Cattolica“ 649-651 - zur 500-Jahrfeier d. ersten Taufen i. d. Dominikan. Republik 775-777 Schuld - Empfinden für 347 f. Schule(n) 26,302 - katholische 158, 347, 373, 909, 926 f„ 954 f„ 984 f., 1000 - Recht auf Religionsunterricht an staatlichen 302 Schwangerschaft(s) - Sch.konfliktberatung 301 Schweigen - kontemplatives 44 Schweizergarde 703 f. Seelsorge - Berufungss. 227, 300 - Studentens. 884 f. - siehe auch: Pastoral Sehnsucht - nach Einheit 290, 322, 349 - nach Gott 296,634 Sekte(n) - Proselytismus der 920 f., 950 Selbsthingabe - siehe: Hingabe Selbstverwirklichung - des Menschen 258 f. Selige(n) - als Mitarbeiter im Weinberg d. Herrn 801-804 - als Vorbild 152 f., 342 - als Zeugen 71 f., 309-316 - neue 71 f., 152 f„ 171 f„ 308-320, 801 - Selbsthingabe der 718 f., 801-804 Seligpreisung(en) 207 f. - Evangelium d. S. bezeugen 566 Seligsprechung(en) 71 f., 152 f. 171 f., 283 f., 308, 848 f. - der Märtyrer 152 f., 802 - Predigt bei der 309-315,527-530, 716-719, 801-804, 845-848 Seminar - Römisches Diözesans. 464-466 - siehe auch: Priesterseminar Sendung - als Getaufte 388 - christliche 754-756 1169 - der Apostel 728 - der Eltern 412 - der Kirche (in der Gesellschaft) 295, 351 f„ 428,449 - der Kranken 451 - der Laien 392f.,564f. - des Menschen 1039 f. - eines jeden Instituts 787 f. - Jesu Christi 151,368 - priesterliche 661-663 - Weihe für die 604 f. - zur Mission 365 f. shoa 95 f. Solidarität 218,236-240,252,259, 303, 307, 315, 351, 358,368, 381, 427 f., 469,517 f„ 533, 660 f., 684 f„ 696 f„ 746,783,798 f„ 844, 867, 943 f„ 959,1005,1075,1134 - Erziehung zur 830, 842 -Ethikder 842,1118-1123 - Freiheit und 323 - für Afrika 423 - Globalisierung und 1118 f. - internationale 842 - Kultur der 219 - mit anderen christl. Gemeinschaften 250 - mit d. Armen 389,1077-1079 - unter allen Menschen 381 f. - Verpflichtung zur 469 - zeigt sich in Wirtschaftstrukturen 843-845 Sozialhilfe 436 f. Soziallehre - christliche 649-651 - der Kirche 302 f., 441, 531 f„ 829, 833 f„ 843-845, 932-937, 967, 987, 994, 1002,1062 f„ 1074 f. - Katholische 300, 929 f. Sozialwissenschaft(en) - Päpstl. Akademie der 530-534 Spiritualität 607, 623-625, 634, 656, 718, 965 f. - bräutliche 1045 - des orientalischen Christentums 110, 136-138,141,148 f. - Verlangen nach S. in säkularisierter Umwelt 136-138 Staat(en) - Kirche und 313 f., 448 f. - Internat. Kommission d. Zivilst. 778 f. Stadt -Berlin 95 f., 315, 317, 321 f. - Rom 433-437, 505, 648 f., 728-731, 824, 900 Stiftung - Centesimus annus 843-845 Studenten - S.seelsorge 884 f. Subsidiaritätsprinzip 236 Sünde(n) 34 f., 136, 210, 535-538 - Empfinden für 347 f. - Erbs. 84-86, 259, 363, 383,470, 879-881 - S.fall 19 f. ' - Strukturen der 1076 f., 1105 - Universalität der 81 f., 84-86 - Vergebung der 535-538 Symbol(s) - Asche als 470 f. - Brandenburger Tor als 321 f. - Kreuz als S. d. Weltjugendtreffens 314 - Wasser als 391 Symposion - IX. S. d. europäischen Bischöfe 813-815 - „Evangelium vitae u. d. Recht“ 722-727 1170 Synode - der Syro-malabarischen Kirche Indiens 414-417 Tag - der kath. Schule 158 Taufe 298, 371, 382-386, 676, 907 f„ 1010 f. - als Fundament christl. Existenz 776 f. - als Geschenk 777 - Geheimnis der 146 f. - Jesu 411 - Sakrament der 363,411-413 - Weihe d. Laien durch 392 f. Technik - Fortschritt der 461 Teilhabe - aller Getauften am Priestertum Christi 519-522,662 - der Priester am Priestertum/-amt Christi 662, 820 f. - Marias am Heilswerk J. Chr. 20, 144, 169-171,184.186 Teilkirche 579-581 Tempel - Christ als T. d. Hl. Geistes 12 - von Jerusalem 392, 444 f. Testament - Frauen im Alten 18-20,46-48, 53-55 - Frauen im Neuen 18-20 Theologe(n) - Internat. Th.kommission 793 f. - ökumen. Arbeitskreis evang. u. kath. 287 f. - und Bischöfe 300 Theologie 280 - des Lebens 454 f. - orientalische 120 f. Tochter Zion - allegorische Gestalt d. Heilsgeschichte 61-63 Tod(es) - durch Gewalt 78 f. - Geheimnis des 766 f. -Kultur des 347, 839,915 f. Toleranz 927, 983-987,1116,1132 Tourismus - Weltkongreß für 1129-1131 Trauung(s) - Feierder 1049-1054 - T.ritus 1049 f. Treue - der Ehegatten 189 - Dynamismus der 601-603 - in d. Neuerung 589-595 - zum Evangelium 351 f. - zum Gründungscharisma 569 f. - zur Kirche 367,413 f. Triduum - österliches 50-52 Trinität - siehe: Heiligste Dreifaltigkeit Typologie - der Berufungen 520-522 Umkehr 15, 32 f., 36 f., 212, 347 f., 470 f., 644, 935 - zu Christus 807 - siehe auch: Bekehrung/Buße; Versöhnung Umwelt 235, 326 - Achtung der 1080 f. - U.schutz 1122f. Unbefleckte Empfängnis - als Ankündigung d. neuen Schöpfung 114 - Marias 20,74,79-82, 84-89,102 f„ 110,113 f. 1171 UNCTAD - IX. Welthandels- u. Entwicklungskonferenz d. UNO 1118-1123 Unfruchtbarkeit - in d. Bibel 38 f. Universalität - der Kirche 306, 415, 474, 679 f. - der Sünde 81 f., 84-86 Universalkirche 730 - Brüderlichkeit in der 578 f. - siehe auch: Gesamtkirche Universität(en) 822 - „Universitä Cattolica del Sacre Cu-ore“ 831-833 - als primäre Stätte d. Kultur 822 f. - Katholische U. Europas 714 f. - Lateranu. 822-825 - Päpstliche 822-825 - römische 881-885 - Wiedereingliederung d. theol. Fakultät in die 280 UNO - IX. Welthandels- u. Entwicklungskonferenz der UNO (UNCTAD) 1118-1123 - Konferenz der UNO Habitat II 79, 83 f., 86 f., 90 f. Utilitarismus 886 Vakanz - des Apostolischen Stuhles 472-484 Verantwortung - der Christen 368 - der Polizei für Friedenssicherung 657 f. Verehrung - Heiligenv. 124-126, 348, 702 f. - siehe auch: Marienverehrung Verfolgung(en) - der Kirche 350,413 Vergebung/Verzeihen(s) 212,347 f., 372 - der Sünden 535-538 - Pädagogik des 211 f. Verkündigung 790 f. - an Maria 64-66,118,143 - des Evangeliums 198 f., 273, 294, 297 f., 339, 346, 351 f„ 388,455, 457, 693 f„ 814 - Jesu Christi 225, 709, 948 f. Verlobung - als Vorbereitung auf d. Ehe 1029-1036,1041-1048 - siehe auch: Ehe Vernunft - Glaube und 279 Verschuldung - der Entwicklungsländer 1063 f., 1121-1123 - internationale 830 f. Versöhnung 33,211, 347 f. - Sakrament der 299, 925,1045 - siehe auch: Bekehrung/Buße; Umkehr Vertrauen 572 f. Vielfalt - der Kulturen 429-433, 779-782 - kulturelle V. d. Kirche Tunesiens 243-245 Volk/Völker - deutsches 322 - Europas 332 - Evangelisierung der 224-228 - jüdisches 317-319 - Kongregation f. d. Evangelisierung der 815 f. - slowenisches 75-77 - ungarisches 342 - vietnamesisches 1004 1172 Synode - der Syro-malabarischen Kirche Indiens 414-417 Tag - der kath. Schule 158 Taufe 298, 371, 382-386, 676, 907 f„ 1010 f. - als Fundament christl. Existenz 776 f. - als Geschenk 777 - Geheimnis der 146 f. - Jesu 411 - Sakrament der 363,411-413 - Weihe d. Laien durch 392 f. Technik - Fortschritt der 461 Teilhabe - aller Getauften am Priestertum Christi 519-522,662 - der Priester am Priestertum/-amt Christi 662, 820 f. - Marias am Heilswerk J. Chr. 20, 144, 169-171,184.186 Teilkirche 579-581 Tempel - Christ als T. d. Hl. Geistes 12 - von Jerusalem 392, 444 f. Testament - Frauen im Alten 18-20,46-48, 53-55 - Frauen im Neuen 18-20 Theologe(n) - Internat. Th.kommission 793 f. - ökumen. Arbeitskreis evang. u. kath. 287 f. - und Bischöfe 300 Theologie 280 - des Lebens 454 f. - orientalische 120 f. Tochter Zion - allegorische Gestalt d. Heilsgeschichte 61-63 Tod(es) - durch Gewalt 78 f. - Geheimnis des 766 f. -Kultur des 347, 839, 915 f. Toleranz 927, 983-987,1116, 1132 Tourismus - Weltkongreß für 1129-1131 Trauung(s) - Feierder 1049-1054 - T.ritus 1049 f. Treue - der Ehegatten 189 - Dynamismus der 601-603 - in d. Neuerung 589-595 - zum Evangelium 351 f. - zum Gründungscharisma 569 f. - zur Kirche 367, 413 f. Triduum - österliches 50-52 Trinität - siehe: Heiligste Dreifaltigkeit Typologie - der Berufungen 520-522 Umkehr 15, 32 f., 36 f„ 212, 347 f., 470 f„ 644, 935 - zu Christus 807 - siehe auch: Bekehrung/Buße; Versöhnung Umwelt 235,326 - Achtung der 1080 f. - U.schutz 1122f. Unbefleckte Empfängnis - als Ankündigung d. neuen Schöpfung 114 - Marias 20,74,79-82,84-89,102 f„ 110, 113 f. 1171 UNCTAD - IX. Welthandels- u. Entwicklungskonferenz d. UNO 1118-1123 Unfruchtbarkeit - in d. Bibel 38 f. Universalität - der Kirche 306, 415,474, 679 f. - der Sünde 81 f., 84-86 Universalkirche 730 - Brüderlichkeit in der 578 f. - siehe auch: Gesamtkirche Universität(en) 822 - „Universitä Cattolica del Sacre Cu-ore“ 831-833 - als primäre Stätte d. Kultur 822 f. - Katholische U. Europas 714 f. - Lateranu. 822-825 - Päpstliche 822-825 - römische 881-885 - Wiedereingliederung d. theol. Fakultät in die 280 UNO - IX. Welthandels- u. Entwicklungskonferenz der UNO (UNCTAD) 1118-1123 - Konferenz der UNO Habitat II 79, 83 f„ 86 f„ 90 f. Utilitarismus 886 Vakanz - des Apostolischen Stuhles 472-484 Verantwortung - der Christen 368 - der Polizei für Friedenssicherung 657 f. Verehrung - Heiligenv. 124-126, 348, 702 f. - siehe auch: Marienverehrung Verfolgung(en) - der Kirche 350,413 Vergebung/Verzeihen(s) 212, 347 f., 372 - der Sünden 535-538 - Pädagogik des 211 f. Verkündigung 790 f. - an Maria 64-66,118,143 - des Evangeliums 198 f., 273, 294, 297 f„ 339, 346, 351 f., 388,455, 457, 693 f„ 814 - Jesu Christi 225, 709, 948 f. Verlobung - als Vorbereitung auf d. Ehe 1029-1036, 1041-1048 - siehe auch: Ehe Vernunft - Glaube und 279 Verschuldung - der Entwicklungsländer 1063 f., 1121-1123 - internationale 830 f. Versöhnung 33, 211,347 f. - Sakrament der 299, 925,1045 - siehe auch: Bekehrung/Buße; Umkehr Vertrauen 572 f. Vielfalt - der Kulturen 429-433, 779-782 - kulturelle V. d. Kirche Tunesiens 243-245 Volk/Völker - deutsches 322 - Europas 332 - Evangelisierung der 224-228 - jüdisches 317-319 - Kongregation f. d. Evangelisierung der 815 f. - slowenisches 75-77 - ungarisches 342 - vietnamesisches 1004 1172 V olksfrömmigkeit - auf d. Philippinen 974 Vorbild(er) - der Nächstenliebe (hl. Martin) 379-382 - Heilige als 342, 687 - hl. Benedikt als 334-338 - Maria als 6,14, 68,117-119,135, 177 f., 214-217, 561 f. -Selige als 152 f„ 342 Vorsehung - Wirken der göttlichen 335 f. Waffen - Nuklearw. 424 Wahl(en) - des Papstes 484-501 Wahrheit 31, 140, 311 f„ 322 f„ 427, 748 f„ 846 f., 919, 926, 935 - Christus ist die 310-313, 341, 392 f., 414 - des Evangeliums 140, 274 f., 291, 392 - des Glaubens 296 -Dialogder 681,870 - Freiheit und 320-324, 463 - Gerechtigkeit und 517 - über d. Menschen 286 - Zeugnis für d. W. d. Evangeliums 293, 846 f. Wallfahrt - Botschaft zur Heilig-Rock-W. (Trier) 674-677 Wallfahrtsort - Santo Cristo de Esquipulas (Guatemala) 193 f. - Trier: Heilig-Rock-Wallfahrt 674-677 - siehe auch: Marienheiligtümer Wasser - als Symbol d. Hl. Geistes 391 - des Lebens 391 Weg - Christus ist der 310-313,341,392 f., 414 - der Berufung 336 Weihe - der Bischöfe 392 f„ 408-411, 869 f. - der Laien durch d. Taufe 392 f. - der Priester 63 f., 159, 392 f., 697-699 - für d. Sendung 604 f. Weihnachten 7 f„ 188, 894-898 Weiterbildung - der Priester 913, 979 f., 991 - ständige 601-604 Welt - Geschwisterlichkeit in einer gespaltenen 582 f. - Gott als Schöpfer der 317 - Hunger in der 1055-1110 - J. Chr. ist d. Licht der 669-671, 686-688, 877 Weltemährungsorganisation (FAO) - Weltgipfelkonferenz der 166 f., 838-843,893, 1133-1135 Weltfriedenstag(s) 3,407 - Botschaft zum 399-405 Weltgebetstag - 33. W. um Geistliche Berufe 692-697 Weltgebets treffen - Botschaft zum 10. Jahrestag d. W. f. d. Frieden in Assisi 805 f. Weltgebetswoche - für d. Einheit d. Christen 17 f., 437-439 1173 Weltgipfelkonferenz - siehe: Konferenz Welthandel(s) - IX. W. und Entwicklungskonferenz d. UNO 1118-1123 Weltjugendtag - siehe: Welttag der Jugend Weltjugendtreffen(s) 314 - Kreuz als Symbol des 314 Weltkirche - im Dienst der 703 f. Weltkrieg(s) - Zweiter 303 Weltmissionssonntag 155-157 - Botschaft zum 731-734 Welttag - 4. W. d. Kranken 222-224, 450-454 - 30. W. d. Sozialen Kommunikationsmittel 21 f., 719-722 - der Jugend 241, 641-645, 652 f. - der Jugend (Manila 95) 968 f. - der Jugend (Paris 97) 49,124, 361, 885 - der Migranten 795-799 - der Leprakranken 22 - siehe auch: Botschaft Wert(e) - besondere W. d. geweihten Lebens 565 f. - der Arbeit für d. Menschen 235, 867 - der Familie 449 - der Liebe 720 f. - des Lebens 720-727 - moralische 25 - religiöse 25 - Zersetzung d. W. d. Ehe 1028 Widerstand - gegen nationalsozialistische Gewaltherrschaft 305, 309-315, 318 f. Wiedervereinigung - deutsche 297 f., 307 Wirken - der göttlichen Vorsehung 335 f. - des Hl. Geistes 541 Wirtschaft - Familie und 513 f. - Rolle der 220 f. - solidarischere 1085-1095 - Wirtschaft!. Gründe für d. Hunger in d. Welt 1061-1066 Wissenschaft(en) - Fortschritt der 461 - Glaube und 278-282, 856 f. - Kirche und 462 - Kultur und 278-282 - Päpstl. Akademie der 809-813,856 f. - Religion und 748 f. - Sozialw. 530-534 Wohnung/W ohnen - Konferenz d. UNO Habitat II 79, 83 f„ 86 f„ 90 f. - menschliches 86 f., 90 - Recht auf 87, 90 Wort Gottes - Hören auf das 625 f. - Unversehrtheit des 345 Wort(e) - des ewigen Lebens 229, 393 Wundertaten - Gottes 719 Würde - als Person 259, 380 f. ,689, 945 - der Frau 53-55, 930 f„ 986 1174 - Menschenw./menschliche 21 f., 219,2581,315,317-319,323 f„ 426 f., 431 f„ 462, 660, 689,724 f„ 757,783 f„ 824 f„ 830, 863 f., 867, 892 f., 967, 1097 f., 1131 Zeitgeist 334 Zeitschrift - La Civiltä Cattolica 649-651 Zeuge(n) - Apostelfürsten als 749-752 - Christ als 733 - Christi 157, 558 f. - der Verklärung Christi 766 f. - J. Chr. als d. erste u. letzte 393 - Märtyrer als Z. (d. Einheit) 128 f., 340 f. - Missionar und 732-734 - Selige als 711,309-316 Zeugnis - ablegen für d. Leben 3121 - christlicher Nächstenliebe 160 - christliches 992-997 - der Kirche Vietnams 1003-1008 - des Glaubens 685 - für d. Evangelium 293, 369, 846 1, 909, 978-982 - für d. Wahrheit 392 1 - für Jesus Christus 292, 339 - gelebter Gemeinschaft 806-808 - Mission ist 731-734 - prophetisches 617-627 - von Kreuz u. Erlösung 731-734 Zisterzienser 806-808 Zivilisation - der Liebe 2111,218, 323, 460, 643, 720, 911,1000, 1005, 1105, 1108 Zölibat(s) 264, 522, 827, 910, 996 Zukunft 334-338 - Aufbau einer besseren 782-784 Zusammenarbeit 992-997 - gegründet auf Gemeinschaft u. Dialog 606 f. - interkulturelle 685 - internationale 252 - ökumenische 924-928 - von Bischöfen u. Theologen 815 f. - zwischen Ordensgemeinschaften u. d. Diözese 1001 - zwischen Ordensinstituten u. Laien 585-588 Zweites(n) Vatikanisches(n) Konzil(s) 700-702,1006 - 30 Jahre nach d. Abschluss d. 464 f. - Dokumente des - Ad gentes 9 f. - Dignitatis humanae 30 f. - Gaudium et spes 642,1029 - Gravissimum educationis 25 f. - Inter mirifica 21 - Lumen Gentium 11-13,107, 143 f., 392 f. - Nostraaetate 13 f. - Orientalium Ecclesiarum 18 - Unitatis redintegratio 17 f. - im Auftrag des 511 1175 Personenregister Organe und Mitglieder der römischen Kurie, Personenverzeichnis siehe: Seite 1124 bis 1129 Abastoflor Montero, Edmundo Luis Flavio Bischof von Potosi, Vorsitzender der Bolivianischen Bischofskon- ferenz 911 Abbondius, hl., Bischof 256 Abel 1058,1097 Abigajil, Frau von Nabal 48 Abraham (Abram) 38, 79,102,134, 164, 366, 445 f„ 458, 744 f„ 826, 1106 Achaz König von Juda (736-721 v. Chr.) 24 Acosta, Cecilio 221 Adalbert (Vojtech), hl. (f 967) Märtyrer, Bischof von Prag, Missionar 139, 334, 338 Adam 13,19, 51, 81 f„ 84,114, 312, 341,470, 845, 864, 878 - neuer 82 Adulyadej Bhumibol König von Thailand 997 Ägidius Maria vom hl. Josef siehe: Pontillo, Franziskus Agnelo, Geraldo Majella, Erzbischof Sekretär der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramenten-ordnung 700 Agnes 742 Agritius, Bischof (4. Jdt.) 674 Ahab israelischer König (870-851 v. Chr.) 54 Alberich, sei. 807 Albertus Magnus OP, hl. (t 1280) 94 Alexander, hl., Märtyrer 688 Alexander VII., Papst (1655-1667) 88 Alfons Maria von Liguori CSsR, hl. (f 1787) 717, 788-792 Alphonsa, sei. 417 Alvarado Cardozo, Laura (Maria de San Jose), sei. (f 1967) 29 Ambrosius, hl. (f 397) Bischof von Mailand und Kirchenlehrer 71, 116,676, 1022 f. Amichia, Joseph Botschafter der Republik Elfenbeinküste 420 Andreas, hl., Apostel Bruder des Apostels Petrus 197, 762, 850 Andreas von Kreta, hl. 74 Angela von Foligno, sei. (t 1309) 635 Angelini, Fiorenzo, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Kranken- dienst 223, 862 Anna, hl. Mutter der Jungfrau Maria 146, 366 f„ 374 Anthanasius, hl. 617 Antiochus [IV.] Epiphanus (175-164 v. Chr.) 55 1177 Antonelli, Ennio Erzbischof von Perugia - Cittä della Pieve, Stellvertretender Vor- sitzender und Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz 70 S Antonetti, Lorenzo Erzbischof von Roselle, Pro-Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 843 Antonius, hl. 111 Antonius von Padua, hl. 902 Anwarite, Clementina, sei. siehe: Nengapeta, Clementina Anvarite, sei. Aphrahat [Aphraates] der älteste Kirchenvater der Syrer (f ca. 34) 136 Apor, Vilmos Bischof von Györ 140 f., 342, 350, 352, 354, 781 Arinze, Francis, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog 683, 805,1113 f., 1116, 1132 f. Aristides 106 Aristoteles Philosoph der Antike 660 Athanasius, hl. 112,676,855,1023 Augustinus (Aurelius), hl. (354-439) Kirchenlehrer, Bischof von Hippo 41, 57, 84 f„ 101 f., 116 f., 244, 248, 253, 557, 560, 608, 615, 639, 748, 824, 1020, 1022 f„ 1026 f. Augustinus von Canterbury, hl. 875, 1136 Augustus römischer Kaiser (f 14 n. Chr.) 169 Bach, Johann Sebastian (t 1750) 765 Bacynskyj, Andreas Bischof der Eparchie Uzhorod (Ukraine) 679 Bakanja, Isidore, sei. (f 1909) Märtyrer 1009, 1013 Bakhita, Giuseppina (Josephine), sei. (f 1947) 817 Balantic, France slowenischer Schriftsteller 279 Balassi, Bahnt ungarischer Dichter 782 Baläz, Rudolf Bischof von Banskä Bystrica, Vorsitzender der Slowakischen Bischofskonferenz 833 B andres y Elösegui, Maria Antonia (t 1919) 72,716,718 Baraga, Friderik (Friedrich) Missionar und Bischof von Marquette (f 1868) 273 Bartholomaios I. Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch 97, 752-754, 850,1019 Baselios, Cyril, Mar Erzbischof von Trivandrum der Syro-malankarischen Kirche 1014 Basilius der Große, hl. 111,115, 575, 787 Basilius von Cäsarea, hl. 1021 Batseba Frau des Hetiters Urija 53 Batthyäny-Strattmann, Läszlö Arzt (f 1931) 340,781 Baum, William W., Kardinal Großpönitentiar 534 1178 Bausola, Adriano, Professor Rektor der Katholischen Universität Sacro Cüore, Mailand 460, 831 Bello, Andres 221 Benedikt von Nursia, hl. Schutzpatron Europas 111,315, 334, 336-338, 542, 786-788, 859 Bengsch, Alfred, Kardinal (1921— 1979) Erzbischof von Berlin 313 Berg Malnutrition, Alan 1060 Bernadette, hl. siehe: Soubirous, Maria Bernadette, hl. Bernhard, hl. 807 f. Bemhardin, hl. 239 Bizancij, Georg G. Bischof der Eparchie Uzhorod 679 Blandine siehe: Merten, Maria Magdalena Böckle, Franz (1921-1991) 1067 BoKvar, Simon (f 1830) 221 Bonhoeffer, Dietrich 291 Bonicelli, Gaetano Bischof von Siena 232,238 Bonifatius (Winfried) OSB, hl. (t 754) 291 Boris, hl. 128 Borovine, Loth orthodoxer Gelehrter 120 Bosatta, Maria Chiara, sei. (t 1887) Schwester 256 Bosco, Johannes, hl. siehe: Don Bosco, Johannes, hl. Bosio, Antonio Archäologe 743 Boyl, Bemardo, Mönch 775 Brand, Agada, Schwester Generalsuperiorin der Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Hl. Geistes 758 Brollo, Pietro Bischof von Belluno 327 Brumanis, Arvaldis Andrejs Bischof von Liepaja (Lettland) 410, 413 Buchs, Roland Oberst, Kommandant der Schweizer Garde 703 Burke, Richard Bischofskoadjutor von Warn (Nigeria) 410 Cäsarius, hl. 387 Caffarra, Carlo Erzbischof von Ferrara-Comacchio, ehern. Vorsitzender des Päpstlichen Instituts für Studien über Ehe und Familie 705,831 Calixtus, Diakon 742 Callo, Marcel, sei. (f 1945 im KZ Mauthausen), Märtyrer 367 Cambio, Amolfo di, Künstler 232 Candida Maria de Jesus, sei. siehe: Cipitria y Burrida, Johanna Josepha Cankar, Ivan (f 1918) slowenischer Schriftsteller 279 Cappella, Anna, Professorin 831 Carey, George Leonard Erzbischof von Canterbury, Primas der Anglikanischen Gemeinschaft 873, 875, 892,1135 Carr, Stephen 1078 1179 Castillo Lara, Rosalio Jose, Kardinal Präsident der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 843 Cassidy, Edward Idris, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 182, 850 Catez, Elisabeth [Elisabeth von der heiligsten Dreifaltigkeit], sei. (t 1906) 559 Celli, Claudio Maria, Erzbischof Sekretär der Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls 410, 843 Chävez y Gonzalez, Luis (| 1987) Erzbischof von San Salvador 29, 207 Chirac, Jacques Präsident der Französischen Republik 357,426 Chlodwig, Frankenkönig (482-511) 146 f„ 358, 376, 383-386, 390, 394, 429, 676 Chlothilde (Clothilde), hl. (t 544) 146, 358, 383 Cicero 724 Cimatti, Maria Raffaella, sei. (t 1945) 72,716,718 Cipitria y Burrida, Johanna Josepha [Candida Maria von Jesus], sei. (t 1912) 72,716,718 Claverie, Pierre Lucien Bischof von Oran (Algerien) 116, 156 Clemens VTH., Papst (1592-1605) 678 Clemens XTV„ Papst (1769-1774) 678 Colon, Hemando 776 Comboni, Daniele, sei. (1831-1881) Missionar, Gründer der Comboni-Missionare und Missionsschwestem 42, 527-530, 710, 817 Conde, Alfonzo Rafael Ramön Weihbischof in Caracas 410 Conforti, Guido Maria, sei. (f 1931) Erzbischof, Gründer der Xaverianer-Missionare 42, 527-530, 710 Cordes, Paul Josef Titularerzbischof von Naisso, Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum 516,1110 Corentin, hl. 1. Bischof von Comouailles [Quimper] 387 Corriveau OFMCap, John Generalminister der Kapuziner 784 Cuautilan, Juan Diego de 450 Cyprian [Cyprianus von Karthago], hl. 244,248,253,573,970 Cyrill, hl. siehe: Kyrill (Cyrillus) Dainotto, Aldo 778 Damasus I., hl., Papst (366-384) 742 Darowska, Mareelina, sei. 153, 803 f. David, König 23 f., 47 f„ 66, 70, 126 f., 134, 151, 169, 527 f„ 885, 895 Debora, Prophetin 46 f. Defois, Gerard Erzbischof von Reims 382, 387, 391 Degenhardt, Johannes Joachim Erzbischof von Paderborn 321 dIElbee 360 Delila [Dalila] 54 1180 Delp SJ, Alfred 291 Deskur, Andrzej Maria, Kardinal Präsident em. des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikations- mittel 179,510 Didymus der Blinde 1023 Diego, Juan, sei. 223 Diognet 1040 Dionysius, hl. 387 Döpfner, Julius, Kardinal Bischof von Berlin 313 Dominikus, hl. Gründer der Dominikaner 171, 248, 769 Don Bosco, Johannes, hl. (1815-1881), Gründer der Kongregation der Salesianer Don Boscos (SDB) 440-443, 508, 628, 654-657 Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch russischer Dichter 132,142 Ducoli, Maffeo ehern. Bischof von Belluno 327 Duns Scotus, sei. 85 Duval, Joseph Bischof von Rouen 387 f. Duval, Leon-Etienne, Kardinal Erzbischof em. von Algier 247 Eadmer von Canterbury OSB englischer Theologe und Chronist (t ca. 1124) 85 Elija, Prophet 549, 556, 572, 617, 751, 755, 766 Elisabet, hl. hebr. ,mein Gott ist Fülle’, Frau des Priesters Zacharias, eine Verwandte Marias, sie wurde in hohem Alter Mutter von Johannes dem Täufers 46, 70, 100, 134, 150-152, 163, 200 f„ 214, 223,721,760, 903 Elisabeth von der Dreifaltigkeit, sei. siehe: Catez, Elisabeth Elisabeth, hl. 780 Elischa, Prophet 755 Eired, sei. 770 f. Emmeram, hl. 291 Emmerich, hl. 780 Ender, Erwin Josef Erzbischof, Apostolischer Delegat in Somalia 816 Ephraim 73 Epiphanius, hl. 130 Epiphanius von Salamis, hl. 1023 Escrivä de Balaguer, Josemaria, sei. 902 Ester, Königin (AT) 47 f., 134 Etchegaray, Roger, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates Justitia et Pax, Präsident des Zentralkomitees für das Große Jubiläum des Jahres 2000 455, 829, 866 Etsou, Frederic, Kardinal Erzbischof von Kinshasa 1009 Etzioni, Amitai amerikanischer Soziologe 1108 Eudes, Johannes, hl. (t 1680) 367 Eugen de Mazenod siehe: Mazenod, Eugen de Eva 20 f„ 37, 54, 82, 143, 771 - neue 3, 82, 143 Evdokimov, Pavel Nikoläievic 120, 162 Ezechiel, Prophet 62, 225, 383 1181 244 Falcäo, Jose Freire, Kardinal Erzbischof von Brasilia 916 Felicitas, hl., Märtyrerin 56, 244, 248 Felix, hl., Bischof 256 Felix von Cantalice OFMCap., hl. 784 Ferrari, Andra Carlo, sei. (f 1921) Kardinal, Erzbischof von Mailand 256 Flavian von Konstantinopel Patriarch 104 Foley, John Patrick, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikations-mittel 510 Fontana, Riccardo Erzbischof von Spoleto-Norcia 410 Forgione, Franziskus [Pio da Pietrelcina OFMCap = P. Pio], hl. (f 1968) 110, 799 f. Foucauld, Charles de 248 Franciscus Maria von Camporosso, sei. (t 1866) 784 Frank, Semjon 142 Franz von Assisi, hl. 184,248,552, 577, 736, 784 f„ 800, 805, 1110 Franz von Sales, hl. 21,384,387, 541,655 Franz Xaver SJ, hl. (1506-1552) Apostel Indiens und Japans 609, 868 Franziskus siehe: Franz von Assisi Friedhofen, Peter, sei. (t 1860) Gründer der Gemeinschaft der Barmherzigen Brüder von Maria Hilf 676 Frisina, Marco, Msgr. 464 f., 467 Fulgentius, hl. Gabriel, Erzengel 69, 186, 771, 878 Galen, Clemens August von Bischof von Münster (1933-1946) 313 Galilei, Galileio Naturwissenschaftler 810 Gallus, Jacobus, Komponist 279 Gantin, Bemardin, Kardinal Dekan des Kardinalskollegiums 818, 837 Gapp, Jakob, sei. (t 1943) Märtyrer 171 f., 846-849 Garaye, Claude und Marguerite de la 368 Garnier, Francois Bischof von Lugon 362, 387 Gelasius, hl., Papst (492-496) 248 Genovefa [Genevieve] von Paris, hl. (t ca. 502) 146, 383 Gerard, Joseph, sei. 955 Germanus von Konstantinopel, hl. 74 Geza Großfürst von Ungarn (f 997) 780 Gleb, hl. 128 Göncz, Arpäd Präsident der Republik Ungarn 138 Goliat 47 Gonzales, America 217 Gonzales, Francisco 217 Gonzales, Juan 221 Gourves, Francois-Mathurin Bischof von Vannes 367,387 1182 Grande, Johannes [Juan] Roman, hl. (t 1600) 83,735, 737 f. Gregor der Große, hl., Papst (590-604) 116,125, 179,607, 616, 874-876, 1136 f. Gregor von Nazianz, hl. (f 390) 73,115,890,1020,1026 Gregor von Nyssa, hl. (t 394) 685,1026 Gregorios, Mar 1014 Gregorius Palamas, hl. 1027 Grignion de Montfort, Ludwig Maria, hl. 146 f., 357, 360, 362 f., 365, 367 Grozde, Lojze, Märtyrer 76, 273 Guanella, Luigi, sei. (f 1915) 256 Guaticaba, Juan Matteo Indio- Kazike 775 f. Guillaume von Saint Thierry siehe: Wilhelm von St.-Thierry SOCist, sei. (t 1148) Hadrian VI., Papst (1522-1523) 293 Händel, Georg Friedrich 818 Hagiorita, Nikodemos 120 Haman 47 f. Hananias 438 Hanna Mutter Samuels 39 f., 102,163 Hanna, Prophetin 185,445 Helena, Kaserin 674 Hellrn, Francisco Gil, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie 1054 Herbert, Joseph Pfarrer von Maille 360 Hemändez, Dr. Jose Gregorio 221 Herodes I., der Große (37—4 v. Chr.) 409 Herodes Agrippa I. (t 44 n. Chr.) 749 f. Herranz, Julian, Erzbischof Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten 722 Hieronymus, hl. 116, 548, 676 Hilarius von Poitiers, hl. 146, 387, 1022 Hilkija, Hoherpriester (AT) 47 Holasek, Ladislav, Chorleiter 765 Holimir, Prinz 278 Holofernes 47 Honore, Jean Erzbischof von Tours 375, 387 Hormisdas, hl., Papst (514—523) 130 Hosea, Prophet 61 Hude, Henri 1099 Hulda, Prophetin 47 Husserl, Edmund Philosoph [Phänomenologie] 769 Ignatius von Antiochien, hl. 99,106, 556, 964, 988 Ignatius von Läconi, hl. (f 1781) 784 Ignatius von Loyola, hl. 72, 578, 859 Innozenz XI., sei., Papst (1676-1689) 256 Irenaus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 82, 99, 106, 114, 136, 143 f., 387, 472, 523 f„ 719, 735, 859, 943 1183 Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes 131,210,212,548,556, Isaak, Sohn Abrahams 38,134 Isai aus Betlehem 527 Isebel 54 Isidoros von Kiew Metropolit 678 Ivanios, Mar 1014 Jaegen, Hieronymus 676 Jaeger, Lorenz, Kardinal Erzbischof von Paderborn 286 Jael, Frau des Keniter Heber (AT) 46 f„ 151 Jakob, Sohn Isaaks 38,40,134 Jakob von Sarug [Serugh] (| 521) syrischer Kirchenschriftsteller 74 Jakobus, hl., Apostel 749, 766 Jakopic, Rihard (f 1943) slowenischer Maler 279 Jakussics, Georg [György] Bischof von Eger 677 Janez, Janez, Arzt 273 Janssen SVD, Arnold, sei. 758 Jaramillo PSS, Alberto Giraldo Erzbischof von Popayän [Kolumbien] 943 Jaricot, Marie-Pauline 156 Jarrige, Catherine, sei. (Catinon-Menette [“Kathrinchen, die kleine Schwester”]) 171 f., 847-849 Jaschke, Hans-Jochen Weihbischof in Hamburg 167 Javierre Ortas SDB, Antonio Maria, Kardinal, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakra-mentenordnung 700 Javouhey, Anne-Marie, sei. (f 1851) 384 Jeanne d’Are, hl. (t 1431) 384 Jeremia, Prophet 62,310,553,828 Jesaja, Prophet 22-24, 62, 66, 102, 105,134,150, 194 f., 237, 336, 411,460, 661,781, 801, 836, 881 f„ 894 f. Jiftach, Heerführer und Richter in Israel (AT) 54,109 Joel, Prophet 65 f„ 470,728 Johannes, hl. Apostel und Evangelist, Bruder des Jakobus 10,14,105,114,201, 204, 215, 268, 341, 490, 526 f., 537, 548, 556 f„ 561, 653, 666 f., 766, 793, 813, 820 f„ 847, 879, 901,1020, 1024 - Autor der Geheimen Offenbarung 198, 225 f. Johannes XXIII., Papst (1958-1963) 349,472, 614, 675,1080, 1087, 1090 Johannes Baptist de la Salle, hl. (t 1719) 384 Johannes Bosco, hl. siehe: Don Bosco, Johannes, hl. Johannes Chrysostomos, hl. 115,158, 746 Johannes Damascenus [von Damaskus], hl. 74,120 1021,1026 Johannes der Täufer 109, 183, 751, 848, 882 Johannes Paul II., Papst (seit 1978) 241, 400, 479, 540 f„ 552, 555, 561-565, 569, 571 f., 577 f., 584, 589, 592, 610-613, 616 f„ 619, 622, 1184 39 1101 134 131,537,635 47 f„ 53,151 624, 628 f., 631-633, 680-682, 819, 1027, 1035, 1047, 1055 f., 1058 f., 1068,1075-1078,1080-1082, 1084 f„ 1088,1092 f., 1095 f„ 1098-1101,1104-1106,1109,1113,1117, 1132 f., 1135,1137-1139 Johannes vom Kreuz, hl. 590 Johannes von Gott, hl. 737 Johannes von Kety, hl. 157 Josaphat, Bischof siehe: Kunzewitsch, Josaphat Joschija [Josias], König des Südreiches (638-608 v. Chr.) 47 Josef hl. Josef (Joseph), hl. 22, 26, 43 f„ 64, 70, 87, 89, 92, 105 f„ 126-128, 131, 158, 169 f„ 176 f„ 180 f., 185 f„ 189, 215, 229, 232, 236, 238, 262,409,412,444 f„ 561, 773, 1050 Josef, Sohn Rahels Joseph aus Ägypten Josua Judas Judit (AT) Jugan, Johanna, hl. (f 1879) 367 Juhar, Giuseppe 765 Juhar, Monika 765 Julius II., Papst (1503-1513) 776 Justinus 106 Justs, Antons Bischof von Jelgava 410,413 Kain 1058, 1097 Kamillus von Lellis, hl. 326 Karekin I., Sarkissian Oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier 182,887,892, 1137-1139 Karl der Große Frankenkönig (768-814) 304,1023 Karpihski, Franciszek (f 1825) polnischer Dichter 897 f. Karpophorus, Märtyrer 256 Katharina von Siena, hl. (f 1380) Kirchenlehrerin 236 f., 239, 464-466, 577 f„ 847 Kattumana, Abraham, Mar Erzbischof der Syro-malabarischen Kirche 414 Kentenich, Josef, Pater (t 1968) Gründer der Schönstatt-Bewegung 310 Kephas siehe: Petrus (Simon Petras, Kephas) Ketteier, Wilhelm Emmanuel von (t 1877) Bischof von Mainz 1083 Khaldun, Ihn, Philosoph 253 Kilian, hl. 291 Kitbunchu, Michael Michai, Kardinal Erzbischof von Bangkok 997 Klara von Assisi, hl. 121 Kleinermeilert, Alfred Weihbischof in Trier 140 Klemens VIE., Papst (1592-1605) 762 Klestil, Dr. Thomas Bundespräsident der Republik Österreich 282 Knoblehar, Ignatius, Pater 273 1185 278, 291, 315,760, 762, 678 f„ 701 Kyrill, Patriarch von Alexandrien, hl. (f 444) 1020, 1023 f., 1026 Ladislaus, hl., König 350, 354, 780 Laghi, Pio, Kardinal Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen 417, 714 Lamennais, Hugo-Felicite-Robert de (t 1854) 1083 Laurentius, hl. Diakon und Märtyrer 742, 769 Lavigerie, Charles, Kardinal (t 1892) Gründer der Missionare Afrikas (Weiße Väter) und der Missions-schwestem Unserer Lieben Frau von Afrika 248 Koch, Kurt Bischof von Basel 410 Kolbe, Maximilian Maria, hl. 122 Kolping, Adolph, sei. (f 1865) 158, 1083 Kolumbus, Christoph 742,775 Kolvenbach, Peter-Hans, Pater General der Gesellschaft Jesu 902 Konrad von Parzham 784 Konstantin, Kaiser (306-337) 146 Kornelius, Papst (251-253) 57 Kotter, B. 1021, 1026 Kregar, Stane slowenischer Maler 279 Kunzewitsch, Josaphat, hl. (t 1623) Erzbischof von Polozk 762 Kuriakose, Elias, sei. 417 Kyrill (Cyrillus), hl. (Mönch) Schutzpatron Europas 76,273, Lazarus 1106 Leblond, G. 1026 Lehmann, Karl Bischof von Mainz, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 284 Leisner, Karl, sei. 94, 96,145, 283, 291,304, 308-316,318 Leo der Große, hl., Papst (440-461) 104,1022 Leo in., Papst (795-816) 94, 283, 304, 1023 Leo Xm, Papst (1878-1903) 128, 531, 680, 808 f„ 843, 1088,1101 f. Letterhaus, Bernhard 291 Lettmann, Reinhard Bischof von Münster 308 Levi, Zöllner 520 Lewoniuk, Wincenty, sei., Märtyrer 802 Liborius, hl., Märtyrer Schutzpatron des Erzbistums Paderborn 94 Lichtenberg, Bernhard, sei. 94, 96, 283, 291, 304, 308-316, 318, 320 Lopez Hurtado, Hector Julio Apostolischer Vikar von Ariari 947 Lopez Trujillo, Alfonso, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 705, 722, 1054 Lucherim, Franco Präsident des Verwaltungsrates der „Cristalleria Artistica La Piana“ 232 LudwigXTV. (1643-1715) französischer König 765 Lukas, hl., Evangelist 69 f., 92,101, 105 f„ 113,126,135, 150 f., 169 f„ 1186 180,187, 200, 215,460,556, 572, 835, 895, 897 Lustiger, Jean-Marie Erzbischof von Paris 49 Luther, Martin 287, 291-293 Magdalena 59 Magdalena von Canossa, sei. 902 Maggiolini, Alessandro Bischof von Como 255, 257 f. Magnani, Paolo Bischof von Treviso 325 Mainek OFM, Antal Weihbischof und Generalvikar in Zakarpatia [Ukraine] 410 Makedonios Patriarch von Konstantinopel (f ca. 360) 1020 Maleachi, Prophet 444 Manzoni, Alessandro 255 f. Marais, Marin 765 Marchisano, Francesco, Erzbischof Präsident der Päpstlichen Kommission für die sakrale Archäologie, Präsident der Päpstlichen Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche 741 Margarita, hl. 780 Marguerite-Marie 384 Maria aus Magdala 53 Maria de San Jose, sei. siehe: Alvarado Cardozo, Laura Marie-Louise de Jesus, sei. siehe: Trichet, Maria Aloisia (Marie-Louise de Jesus) Marin, Ivan Sekretär des Päpstlichen Rates Cor Unum 1110 Maritain, Jacques, Philosoph 359, 427, 660 Markus, hl., Evangelist 899 Martin, hl. Bischof von Tours 146 f., 335, 338, 358, 375-380, 382, 384, 387, 394, 429, 676 Martin I., hl., Papst (649-655) 107 Martin, Diarmuid Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden 1118 Martin, Louis und Zelie 368 Martini, Carlo Maria, Kardinal Erzbischof von Mailand 70 Martyrius, hl. Märtyrer 688 Matthäus, hl., Apostel, Evangelist 22, 25, 54,105 f., 113, 376,471, 520, 775, 845, 897 Matthias, Apostel Patron des Bistums Trier 677 Maximilian, Kaiser 67 Maximus IV. melkitischer Patriarch von Antiochien 18 Maximus, hl. 1021, 1024, 1026 Mayer SJ, Rupert, sei. 94, 304 Mazenod, Eugen de, hl. (f 1861) Bischof von Marseille 384 Mazza, Nicola 528 Meisner, Joachim, Kardinal Erzbischof von Köln 313 Melchisedek 195, 518, 825 f. 1187 Bischof von Cyangugu, Präsident der Bischofskonferenz von Ruanda 516 Obando Bravo SDB, Miguel, Kardinal Erzbischof von Managua 201 f., 205 Olga, hl. Oliva, hl. Merten OSU, Blandine [Maria Magdalena], sei. (t 1918) 384, 676 Method (Methodius), hl., Bischof Schutzpatron Europas 76, 273, 278, 291, 315, 678 f„ 701,760,762 Micha, Prophet 409 Michelangelo [Michelagniolo di Ludovico Buonarotti-Simoni] (t 1564) 155,412 Miklosic, Fran Rektor der Universität Wien und Vater der slawischen Philologie 279 Miltiades, hl., Papst (311-314) 248 Mindszenty, Jözsef (Josef), Kardinal Primas von Ungarn 140, 340, 352, 781 Mirjam, Prophetin Schwester Aarons 46 Mixa, Walter Bischof von Eichstätt 135 Modestus, hl., Bischof 76, 273 Mogas Fontcuberta, Maria Anna, sei. 153, 803 Moltke, Helmuth Graf 291 Monsi Agboka, Lucien Bischof von Abomey, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Benin 907 Montecorvino, Johannes von erster Erzbischof von Khambaliq 868 f. Montini, Giovanni Battista später: Papst Paul VI. Mordechai 47 f. Mose(s) 134,176,180, 265,444, 468, 549, 556, 572, 665,739, 751, 766,1096 Mozart, Wolfgang Amadeus 765 Monni, Piero, Prälat Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei der Welt-Tourismus-Organisation 1129 Mwene Ngabos, Christophe Munzihirwa Erzbischof von Bukavu 1009 Nabal 48 Nabot 54 Natan, Prophet 24 Natanael 70 Nebukadnezar 47 Nectario Maria, Frater 214 Nengapeta, Clementina Anvarite, sei. (t 1964) 1013 Neri, Filippo, hl. 742 Nero römischer Kaiser (54—68) 750 Nestorius 173 Neururer, Otto, sei. Märtyrer, Pfarrer 171 f., 846-849 Nicolazic, Yves [Guillemette] 367 Norwid, Cyprian Kamil polnischer Dichter 880 Nosiglia, Cesare Weihbischof in Rom 502 Ntihinyurwa, Thadee 760 244 Onesimus, Sklave des Philemon 659 Origines 115 Owen, Robert (t 1858) 1083 Pachomius, hl. 111 Padiyara, Antony, Kardinal Großerzbischof der Syro-malabarischen Kirche 414,1014 Päpai, Lajos Bischof von Györ 342, 350 Parra, Caracciolo 221 Paskai, Läszlo, Kardinal Erzbischof von Esztergom-Budapest 331,342, 376 Patemus, hl. 387 Patrick, hl. 291 Paul VI., Papst (1963-1978) 35 f„ 118, 133, 239, 292, 323,407,457, 464 f„ 472, 474, 496, 498, 531, 540, 572, 590, 606, 609, 613, 636, 638, 650, 705, 716, 732, 766, 830, 834, 843, 851, 873, 893, 952, 963, 970 f„ 1050, 1059, 1077,1136 Paulinus, hl., Bischof 76, 273 Paulinus von Nola, hl. 615 Paulus von Tarsus, hl., Apostel 10,12, 33,45, 59, 64, 81 f., 84, 86, 97, 106, 136, 150,182 f„ 187, 200, 202 f„ 214 f„ 234, 274, 290 f„ 297, 304, 312, 335, 337, 340-342, 361, 375, 377, 384 f., 406, 408, 410,414, 418 f., 438 f„ 446,456,471, 505, 516, 521, 525, 528, 552, 624, 641, 659, 664, 670, 675,712,738 f., 749-753, 762, 764, 789, 799, 802, 817, 824, 845, 864, 870 f„ 873, 877, 879, 895, 900-902, 924, 928, 937, 951, 955, 973, 975, 978, 983, 988, 992, 996 f„ 1003,1015,1026,1040,1053, 1107,1116,1132 Päzmäny SJ, Peter (| 1637) Kardinal, Erzbischof von Esztergom 780 Pelagius 84 Pellrn, Jesus Maria, Msgr. 221 Penados del Barrio, Prospero Erzbischof von Guatemala 197 Perboyre, Johannes Gabriel (Jean-Gabriel), hl. 83, 735 f„ 738 Perez Gonzales, Francisco Bischof von Osma-Soria (Spanien) 410 Perez Morales, Ramon Ovidio Erzbischof von Maracaibo, Präsident der Bischofskonferenz von V enezuela 217 Perpetua, hl., Märtyrerin 56, 244, 248 Petrovyc, Partenius Basilianermönch 677 Petrus (Simon Petrus, Kephas), hl., Apostel 64,97,134,155,182, 193, 197, 223, 241, 244 f., 256, 270, 274 f„ 284, 367, 388, 416,439, 472 f„ 505, 520 f., 529,537, 548 f., 556, 562, 567, 579, 608, 626, 643, 645, 647, 659, 665, 671, 698,716 f., 727 f„ 749-753,762, 793,799, 802, 817, 824, 835-837, 850 f„ 860, 868, 873 f„ 887, 889 f„ 899-901, 907, 911, 916 f„ 928, 937, 951, 955, 973, 978, 983, 988, 992, 997,1003,1006, 1009,1015 Petrus Damiani, hl. 564 Pfarrer von Ars, hl. siehe: Vianney, Johannes Maria, hl. 1189 Ratzinger, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Vorsitzender der Internationalen Theologenkom- Pham Dinh Tung, Paul Joseph, Kardinal, Erzbischof von Hanoi, Präsident der Bischofskonferenz Vietnams 1003 Philemon 659 Philon von Alexandrien 109 Pilatus 393, 671, 750, 846 Pio da Pietrelcina OFMCap. siehe: Forgione, Franziskus Pirc, Ksaverija, Schwester 273 Pirih, Metod Bischof von Köper 267 Pittau SJ, Giuseppe Rector magnificus der Päpstlichen Universität Gregoriana 714 Pius IX., Papst (1846-1878) 87-89, 528,743,772 Pius X., hl., Papst (1903-1914) 472, 496,498, 700 Pius XI., Papst (1922-1939) 472, 482, 531,780, 809, 868,1094 Pius XU, Papst (1939-1958) 80, 89, 311,472, 496,498, 565 f„ 591,700, 703, 810, 812, 868, 918 Plecnik, Architekt 279 Plockboy, P. C. (f 1695) 1083 Ponte, Nünez 221 Pontillo OFM, Franziskus [Ägidius Maria vom hl. Josef] (f 1812) 735 f., 738 Pothin 384 Pregelj, Ivan (t 1960) slowenischer Schriftsteller 279 Preseren, France (f 1849) slowenischer Schriftsteller 279 Preysing, Konrad von, Kardinal Bischof von Berlin 311, 313, 319 Prodi, Romano Ministerpräsident der Republik Italien 756 Prohäszka, Ottokar Bischof von Szekesfehervär 780 Quezada, Rodolfo, Bischof 194 Rahab 54 Rahel, Frau Jakobs 38 f„ 102 Raineri SDB, Nino 232 Ramsey, Michael Erzbischof von Canterbury 873 f„ 1136 mission 793, 860 Rau, Johannes Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens 284 Rebekka 40 Redel, Kurt, Dirigent 765 Remigius, hl. Bischof von Reims 146, 358, 383 f., 387, 676 Rhea, Mutter des Zeus 173 Rice, Edmund Ignatius, sei. 153, 802 f. Richard von Greiffenklau Erzbischof von Trier (1511-1531) 675 1190 Ricupero, Rubens Generalsekretär der UNCTAD 1118 Rilko, Stanislaw siehe: Rylko, Stanislaw Rios Reynoso, Jose Paulino Erzbischof von Huancayo (Peru) 410 Rivera Damas SDB, Arturo (f 1994) Erzbischof von San Salvador 29, 207 Robert, hl. 807 Robu, Joan Erzbischof von Bukarest, Präsident der Rumänischen Bischofskonferenz 978 Rodrfguez Maradiaga SDB, Oscar Adres, Erzbischof von Tegucigalpa (Honduras), Präsident des CELAM 202 Rogue, Pierre-Rene, sei. (t 1796) 367 Roland, Nicolas, hl. 384 Romero, Oscar Amulfo (f 1980) Erzbischof von San Salvador 29, 207 Romza, Theodor (f 1947) Bischof der Eparchie Uzhorod (Ukraine) 679 Rooney OSB, Marcel Abtprimas der Benediktinischen Konföderation 786 Rossi, Giovanni Battista de Archäologe 743 Rubiano Säenz, Pedro Erzbischof von Bogota, Vorsitzender der Kolumbianischen Bischofskonferenz 932 Rublew, Andrej russischer Malermönch (15. Jh.) 132 Rüttgers, Jürgen Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 284 Ruhuna, Joachim Erzbischof von Gitega (Burundi) 141,148,156 Ruini, Camillo, Kardinal Großkanzler der Lateranuniversität, Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz 708,822 Ruiseco Vieira, Carlos Jose Erzbischof von Cartagena 938 Runcie, Robert Erzbischof von Canterbury 873, 875 Ruotolo, Riccardo Weihbischof in Manfredonia-Vieste 410, 799 f. Rut, Moabiterin Urgroßmutter Davids 54 Rylko, Stanislaw, Bischof Sekretär des Päpstlichen Rates für die Laien 10,410 Sachaija, Prophet 66 Saenz Lacalle, Fernando Erzbischof von San Salvador 207, 210 Salinen, Larry 1078 Salomo, König 54 Salvini SJ, Gianpaolo Direktor von “La Civiltä Cattolica” 649 Samuel 39 f. Sanchez, Jose T., Kardinal Präfekt der Kleruskongregation 417 1191 Sapieha, Adam Stefan, Kardinal Erzbischof von Krakau 159, 818, 826 Sara, Frau Abrahams 38,102 Sara, Frau des Manoach 366 Sarkozy, Peter, Professor 779 Samelli, Gennaro Maria (1702-1744), sei. 72,716-718,789 Sartori, Giovanni Maria Erzbischof von Trient 686 Saulus (Paulus) von Tarsus siehe: Paulus Saveriano von Gabala 73 Scheler, Max Philosoph 466 Schleck, Charles A., Erzbischof Untersekretär der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 711 Schönbom, Christoph, Kardinal Erzbischof in Wien 507 Schraml, Wilhelm Weihbischof in Regensburg 82 Schuster OSB, Alfredo Ildefonso, sei., Kardinal, Erzbischof von Mailand 71,716 f. Scola, Angelo Bischof em. von Grosseto, Rector Magnificus der Päpstlichen Lateranuniversität 705,723, 822 Sebastiani, Sergio, Erzbischof Generalsekretär des Zentralkomitees für das Große Jubiläum des Jahres 2000 455 Sejoume, Rene Bischof von Saint-Flour 849 Serafino von Montegranaro, hl. 784 Sgreccia, Elio, Bischof Gründer und Direktor des Zentmms und des Bioethischen Instituts, Leiter des Instituts für Bioethik der “Uni-versitä Cattolica del Sacro Cuore” 460, 722, 831 Sidibe, Julien-Marie Bischof von Segou 960 Sieben, Hermann Josef 1021 Silvestrini, Achille, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, Präsident der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen 745 Simeon Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 135,180 f., 184-186, 445, 773 Simeon von Thessaloniki 167 Simon, Apostel 131 Simon Barjona siehe: Petras Simon Petras siehe: Petras Simson 39,54 Sisinnius, hl., Märtyrer 688 Sixtus IV., Papst (1471- -1484) 85 Slomsek, Antonio Martino Bischof von Maribor 76,264,279 Smaldone, Filippo, sei. 72, 716 f. Sodano, Angelo, Kardinalstaatssekretär 805,1055,1068, 1133 527, 799, Solowjew, Wladimir 132 Sommer, Margarete 318 Sonnenschein, Karl 313 1192 Sopi, Marko Weihbischof in Skopje-Prizren 410 Soubirous, Maria Bernadette, hl. (t 1879) 745 Spaemann, Robert Professor 769 Speratus, hl., Märtyrer 56, 246 Spital, Hermann-Josef Bischof von Trier 674 Stein, Edith (Teresia Benedicta a Cruce), sei. 94, 291, 304, 769 Stephan, hl. König von Ungarn 137, 139, 335, 338, 342, 349, 354, 356,780, 807 Stephanus, hl., Märtyrer 188,769 Sterzinsky, Georg, Kardinal Erzbischof von Berlin 308, 314, 321 Stollenwerk, Maria Helena, sei. 758 Sustar, Alojzij Erzbischof von Ljubljana 76, 263, 274 Tamar 54 Tarasios, hl., Patriarch von Konstantinopel 1021 Tertullian (160-220) einer der bedeutendsten Kirchen- lehrer der alten Kirche 57, 106, 129, 253, 1022 Terwiel, Maria 319 Theodoras Studites, hl. (f 826) 120 Theophanes der Klausner 136 Theoteknos von Livias (550-650) Bischof von Palästina 73 f. Theresia von Jesus (Therese von Lisieux), hl., Kirchenlehrerin 367-369, 384, 567, 578, 588, 609, 636,712, 824 Thevenet, Claudine [Maria vom hl. Ignatius] 384 Thomas, hl., Apostel 64,243, 267 f., 270 f., 415,551,664,1013 Thomas von Aquin, hl. (um 1226-1274), Kirchenlehrer 552, 568, 663 f„ 724,769, 771, 811, 854, 863, 1020, 1023, 1025-1027 Timotheus Schüler des Apostels Paulus 348, 646, 975 Tirana, Rolando Weihbischof aus Manila 49 Titus Schüler des Apostels Paulus 408 Toaff, Elio, Professor Oberrabbiner von Rom 673 Todea, Alexandra, Kardinal Erzbischof em. von Fagaras und Alba Julia 982 Toti, Alessandro, Bischof 232 Trichet, Maria Aloisia (Marie-Louise de Jesus), sei. (t 1759) 362 Tschiderer, Johann Nepomuk von, sei., Bischof von Trient 9, 686 f. Twal, Fouad Bischof von Tunis 56, 243, 247 Urban II., sei., Papst (1088-1099) 256 Urija, Hethiter 54 Yaast [Vedastus], hl. (f 540) 383 1193 Vaz, Joseph, sei. Apostel von Sri Lanka 987 Veber, France, Philosoph 279 Vecellio, Tiziano [Tizian] italienischer Maler (f 1576) 327 Vecchi, Giovanni Edmundo. Vikar der Salesianer Don Boscos Bischofskonferenzen Europas 813 Volta, Alessandro 257 Vörösmarty, Mihäly ungarischer Dichter 333 Welser-Möst, Franz, Dirigent 818 Weskamm, Wilhelm Bischof von Berlin 313 Wilhelm [Guillaume] von St.-Thierry SOCist, sei. (f 1148) 583 Willibrord, hl. 291 440, 654 Vega, Juan M. Lasso de la, Pater Generaloberer der Kongregation des Heiligsten Erlösers 788 Velasco Garcia SDB, Ignacio Antonio Erzbischof von Caracas 224 Vianney, Johannes Maria, hl. (Pfarrer von Ars) 467 Vieira Rocha, Jahne Bischof von Caicö (Brasilien) 410 Viganö, Egidio ehern. Generaloberer der Salesianer 440, 654, 656 f. Vigilius, hl., Bischof 76, 273, 688 Viktor I., hl., Papst (189-199) 248 Vinzenz von Paul, hl. (f 1660) 244, 248,384, 608,615, 735, 1107 Vlk, Miloslav, Kardinal Erzbischof von Prag, Präsident der Wladimir, Großfürst von Kiew, hl. (t 1015) 128,162, 760 Wrejinsky, P. Joseph 1079 Yves, hl. 367 Zaccaria, Antonius M. 586 Zacharias, Priester 70,100 f., 151 Zebedäus 520 Zefanja, Prophet 65 Zephyrinos, hl., Papst (199-217) 742 Zeus 173 Zine El Abidine Ben Ali Präsident der Tunesischen Republik 56 Zyprian, hl. siehe: Cyprian 1194 Länder- und Ortsregister 885,1118 893 414 877 982 115,1023 Aachen 1023 - Bistum 48 Abendland 84,139, 304, 560,563, 624, 677 Abendmahlssaal 77 f., 98,123, 226, 243, 267-269, 272, 290,458, 521, 567, 665, 668,727 f„ 761,763, 835 f„ 924, 983 Aboke (Uganda) 156 Abomey 907 Addis-Abeba 1122 Ägypten 39,109,115,163,173, 176, 272, 515, 665,740, 794, 823, 1096,1101 Äthiopien 885,1059,1068 Afghanistan 35, 60, 422, 672, 898 Afrika 43,58,142,167, 171,178, 246 f., 250 f., 273, 358,423 f., 428, 528, 672, 898,907 f., 952, 954, 960-963, 996,1009, 1011,1013,1060, 1063, 1065,1069 f., 1078,1084, 1135 -Nordafrika 56-58, 244f„ 247 f„ 250 - Südafrika - Zentralafrika Aglona (Lettland) Agnone Alba Julia Alexandrien Algerien 50, 58, 78 f., 116, 156, 243, 246 f„ 422, 672, 806, 898 Alpen 67 Amerika 223, 228, 713, 719, 775-777 - Lateinamerika 27 f., 30,72, 189,193,215,223,417,451 f., 672, 922, 935, 940, 948 f„ 1063, 1065,1095 - Mittelamerika 27,194, 202, 205 - Nordamerika 142, 273, 981 - Südamerika 142, 421,452,1078 - Vereinigte Staaten von Amerika 670,678,1108 - Zentralamerika 27,194, 202, 204, 211 Amiens 376, 382 Andrychöw (Polen) 10 Angola 60,423 Annaberg-Buchholz 82 Antiocheia [Antiochia/Antiochien] 18, 99,106, 115, 547,750, 988 Antipolo 974 Aparecida 923 Aquileia 76,273, 278 Aquileia-Friuh 1023 Arabische Republik Ägypten siehe: Ägypten Ardena 67 Ardennen 391 Ariari 947 Armenien 182, 888,1139 Aschaffenburg 145 Ashkalon 36 Asien 35, 72,142, 272, 670, 672, 850, 925,927, 956 f„ 989 f., 998, 1007, 1063, 1065 - Südostasien 100 Assisi 121, 184, 248, 552, 577, 668, 805,1110,1117,1133 1195 Assyrien 23 Athen 25, 291, 329 Atlanta 329 Atlantik 815 Atma Jaya - Universität 929 Augsburg 741 Auschwitz 769 Babel 728 Babylonien 163 Balkan 75,421 Baltimore 1060 Bamako 960 Baradello-Küste 256 Barcelona 422, 775 Bari 805 Barranquilla - Kirchenprovinz 937 Basel - Bistum 410 Bautzen 34 Bayern 133 Beijing 868 Belgien 677, 1130 Bellefontaine 365 Belluno-Feltre - Bistum 104, 327, 329 Benin 907,911 Berg - Sinai 468 - Tabor 572 f. - Zion 61,66 Berlin 94-96, 284, 308 f„ 313-315, 317,319-322 - Brandenburger Tor 322, 324 - Erzbistum - Schloß Bellevue 96, 283, 320, 283, 285, 308 320 Bernina 255 Betanien 240, 635 Betlehem 3, 7, 87, 169 f., 180, 188 f„ 213, 215,406, 409-411,420, 446, 527, 667, 885, 889, 894-898, 901 Betlehem-Efrata 24 Betuha 47 Biafra 1068 Bialystok - Erzbistum 153 Bithynien 850 Blois 376 Böhmen 139 Bogota - Kirchenprovinz 932 Bolivien 677, 911 f„ 914 f. Bologna 710 Bonn 95,813 Bosnien 60, 897, 1068, 1114 Bosnien-Herzegowina 672, 893,1114 f. 31,75,421, Bossey (Genf) 454 Bozen-Brixen - Bistum 67,172 Brandenburg 314 Brasiben 224,916-918,923, 1071,1103 f. 1196 Bratislava 765, 833 Bremen 103 Breslau [Wroclaw] 314, 774 Brest 97,103, 129, 678,760 f., 763 f., 892 Bretagne 146, 357, 367 Brevnov (bei Prag) 334 Brezje, Marienheiligtum 265, 276 f. Britannien 875 Brixen 172 Brüssel 805 Brunei 955 fl, 959 Bucaramanga - Kirchenprovinz 937 Buchenbach 77 Budapest 331, 813 Bugfluß 761 Bukavu 1009 Bundesrepublik Deutschland siehe: Deutschland Burkina Faso 1082 Burundi 71,110,112, 166,423, 672,995 141,148,156, Byzanz 761 Cadore 104, 325, 327, 329 Caelius 179, 874 Caeliushügel 1136 Caesarea Philippi 193, 750 fl Caicö (Brasilien) - Bistum 410 Cali (Kolumbien) - Erzbistum - Kirchenprovinz 947 942 Campo Marte - Park in Guatemala-City 197 Campobasso 877 Cantal 847 Canterbury 179, 873, 875, 892 Capitanata - Bistum 800 Capodistria 76 Cappella Paolina siehe: Vatikan Caracas (Venezuela) 29, 217, 222, 224, 410 Cartagena 1123 - Kirchenprovinz 937 Casablanca (Marokko) 57, 247,1113 Castel Gandolfo 53,105, 111, 115, 119,121-124,128,132,136,141, 148,155,188-190,470,481, 697, 765-767,769, 773 f., 785, 788,793, 932 Cervia 508 Cevedale 255 Chalkedon 103 f„ 107,1022 Champagne 391 Chiavenna-Tal 68,255 China 83, 415,425,670, 735,794, 868-872 -Volksrepublik 869,871 Chiquinquirä 937,942,947,951 Chur -Bistum 110 Citeaux 807 f. Colle di Val d'Elsa-Montalcino 232 Colombo 983 1197 Damaskus Darmstadt Denver (USA) Como 67,255, 257 f., 262 - Bistum 255 - Piazza Cavour 255 Coromoto - Marienheiligtum in Venezuela 27, 29, 214 f„ 217, 222 f. Costa Rica 885 Cuchamantanes-Berge 200 Dachau - Konzentrationslager 96, 304, 310, 312,318 438, 521,750,1026 77 297, 1098 Deutschland 48, 59,63, 89, 91, 93-96,103,108, 147,167, 283-287, 289, 291, 293 f„ 296-299, 303-305, 308, 313 f., 319-322, 324, 343, 691, 741, 769 - Deutsche Demokratische Republik (DDR) - Ostdeutschland - Westdeutschland 296,313 95 95 Disgrazia 255 Dnepr 760 Dolomiten 104 Dominikanische Republik 775, 777 Drezzo 67 Drohiczyn - Bistum 153 Eger 677 Eichstätt -Bistum 82,135 Eisenstadt - Bistum 128 Eisleben 291 El Cobre 449 El Salvador 27 f., 194, 207, 209, 213 Emmaus 691 England 84, 875 Ephesus 103 f„ 173 f„ 771 Erfurt - Bistum 94,116 Esquipülas, Heiligtum 27 f., 193 f., 196 f„ 199 Esztergom 340, 780 Esztergom-Budapest - Erzbistum 342 Etchmiadzine 182 Euphrat 366 Europa 58,75 f„ 94 f„ 129,137, 139,147, 255, 266 f„ 269, 272, 275 f„ 278 f., 281,283-286, 290-293, 295 f„ 303, 307, 315 f., 319, 322, 324, 335, 337, 345, 347, 355, 357, 376, 382, 390,421 f„ 424,426, 428, 503, 672, 676 f„ 682, 714 f„ 719, 742,765,768, 780-784, 813-815, 834, 979, 981,1115-1117 - Mitteleuropa 284, 307, 339, 765 - Osteuropa 129, 284, 307, 332, 339,417,447, 814,1086 - Südosteuropa 307 - Westeuropa 146 - Zentraleuropa 332 Europäische Union 657 Extremadura 775 Faenza 72 Fagaras 982 Ferihegy (Flughafen) 331 1198 Fidschi 885 Florenz 168,508, 678, 761 f., 805 Foggia 508 Frankreich 124,145-147, 357 f„ 363 f„ 369, 373, 375 f., 378, 382 f„ 385-388, 390, 394 f„ 426-428, 661, 670, 677, 735, 849,1079 - Westfrankreich 362, 394 Französische Republik siehe: Frankreich Fulda - Bistum 94 Furvatal 255 Galatien 850 Galiläa 53,64,151,201-205,521, 776, 899 Gallivaggio 68 Gelobtes Land 740 Genf 60,423,454,1068 Getsemani 196, 826 Gitega (Burundi) - Erzbistum 140 Götzens 848 Golgota 86,186, 750, 773,891 195, 530, 626, 679, Gran Zebru 255 Graz 89, 780 Griechenland 272 Grosotto 68 Großbritannien 873 Großmähren 678 Grottaferrata 10 Guadalupe (Mexiko) 223,450,452, 454, 775 Guatemala 27,193 f„ 197, 199-201, 422, 897 - Wallfahrtsort Santo Cristo de Esquipulas 193 Guatemala-City 197 f. Györ 138 f„ 331,333, 338, 342, 344, 349, 351 f., 354, 356 - Bistum - Ipari-Park 137, 340 338 Haiti 885, 1059 Hajdüdorog - Eparchie 678 Hamburg 167 Hamburg-B lankenese 182 Heiligenkreuz 140 Heiliges Land 672, 897 Herrenberg 89 Herzegowina 60, 897,1114 Hippo 57,244 Hochdorf (Schweiz) 116 Huancayo (Peru) - Erzbistum 410 Ibague - Kirchenprovinz 932 Indien 414,416, 815,1013,1015 Indonesien 924,926-928,932 Irak 421,1069 Irland 138,153, 327, 672, 803 - Nordirland 138,153,421 Isemia 877 Isola Ossuccio 68 Israel 24, 39, 47,409, 420, 444, 520 f„ 527, 751 1199 Istanbul 995 889 182 1009 166, 178, 1013 63, 94,1083 34 86, 90, 892,1113 Italien 8, 26,42,45 f., 60, 68,71, 83, 86,152,184, 232,434,461,465, 509, 670, 708-711, 717, 742, 756-758, 820, 880, 883,1124,1134 - Süditalien 84 Jakobsbrannen (Samaria) 391-393 Japan 670,794 Jasna Göra siehe: Tschenstochau Jelgava - Bistum 413 Jerez 737 Jerusalem 36 f., 47, 61, 66, 99,101, 124, 149, 168,176,180-182, 225 f„ 237, 240, 272, 344, 392,409,411, 420, 438 f„ 444 f„ 514, 547, 556, 572, 576, 589, 652, 691,727,731, 746, 750, 769, 971 - neues 227 Jordan 361,411 Juda 24 Judäa 134,150 f., 272,731 Jugoslawien 1059 Kabul 36 Kafamaum 739 Kairo 461, 893 Kalvaria (Kalvarienberg) 49, 135, 196, 556, 561, 572, 848 Kambodscha 60,1059 Kana 92,201- -205, 223 Kappadozien 850 Kapverdische Inseln 885 Karantania 75 Karpaten 678,780 Karthago 56-58, 246, 251 Kaschmir 422 Kassa 342, 349, 354 Katakomben 741-743 - am Verano 742 - des hl. Calixtus, des hl. Sebastian, der hl. Domitilla, der hl. Priscilla und der hl. Agnes 742 - Sankt-Calixtus-Komplex 743 Kaukasus 672 Kelheimwinzer 133 Kety 157 Khambaliq (Beijing) - Erzbistum 868 Khartoum (Sudan) 816 Kiew 128, 678, 761-763 Kigoma - Bistum Kilikien Bischofssitz der Armenier im Libanon Kinshasa (Zaire) Kivu (Kiwu) Köln - Erzbistum Kolumbien 932 f., 936-942, 947-949, 951, 1082 Kongo 885 Konstantinopel 97, 103 f., 107, 125, 130, 132, 142, 162, 182, 679, 751,753,850,1019,1021 f. Kopenhagen 401, 461, 1090 Köper 76 - Bistum 267 1200 Korea 988-990 Korinth 291, 419, 525, 738 Kosice 833 Krakau 95, 157,159-161,179, 316,466 f„ 470, 662, 765, 818, 821, 883 Krizyevci - Eparchie 678 Kroatien 75, 277, 343 Kuba 447-149,1069 La Isabela 776 La Paz 1078 - Erzbistum 912 La Storta 13,140 La Vega (Dominikanische Republik) - Bistum 775 Lahn-Dill-Kreis 145 Laibach siehe: Ljubljana Laodizea 14 f. Lateran siehe: Rom Latium (Region Italiens) 820 Lecce 72, 717 Leipzig 48 Lesotho 951, 953 f. Lettland 410, 413 f. Levoca 833 Libanon 182,421 Liberia 246,423 Libyen 58, 243, 248 Liepaja - Bistum 410,413 Lima 188 Linz (Österreich) 1073 Lixao de Säo Pedro (Favela) 1103 Ljubljana (Laibach) 76, 263, 272, 274 f. Loiret-Cher 376 London 813 Lorenzago 325 Loreto 68,465, 642, 653 Lourdes (Frankreich) 745 Lourdes-Grotte siehe: Vatikan Lublin 466 Luijon 362 - Bistum 145, 360 Luxemburg 676 Luzem 70 Lviv [Lemberg] - Erzbistum 153 Lyon 99, 107, 130,136, 156, 168, 384, 761,943, 1024 Macherio 100 Madrid 1083 Magdeburg - Bistum 94 Maghreb 58,246-251 Mailand 676, 805,1022,1083 - Erzbistum 100,716 Maille 360 Mainz - Bistum 77 Makedonien (jugoslawische Ex-Republik) 410 1201 955 f., 959 255 885, 960, 963 743, 805 38 27 f„ 201, 205 206 28 Malaysia Malencotal Mali Malta Mamre Managua (Nicaragua) - Erzbistum - Malecon-Park Manfredonia-Vieste - Erzbistum 410 Manila 49, 653, 968, 972 Manizales - Kirchenprovinz 942 Marburg siehe: Maribor Maribor [Marburg] (Slowenien) 76, 276-278 Marokko 58,243, 247,1113 Martinsberg (Ungarn) 334 Massabielle (bei Lourdes) - Grotte 745 Mazedonien 290,418 Mecklenburg-V orpommem 314 Medellin - Kirchenprovinz 942 Mesopotamien 272 Metz - Bistum 676 Mexiko 194, 223 Mexiko City 450 Midrand (Südafrika) 1118 Mindanao 968 Mittelmeerraum 56, 251, 422, 428, 742 Mittlerer Osten siehe: Orient/Osten Molise (Region Italiens) 179, 877 Montagua 200 Moskau 132,142 Mostar 1115 München 94 Münster - Bistum 309, 313 48, 96, 283 Mukacevo — Eparchie 677-679 Myanmar 964, 966 f. Nagorny Karabagh Naher Osten siehe: Orient/Osten 1139 Nazaret (Nazareth) 3, 20, 26,44, 64, 69,73,101,106,108-110,117, 119 f., 141,163,172,176, 183,186, 189, 201, 236, 248, 262,412,457, 460, 552, 561, 614, 688,751,768, 772, 880, 899 f„ 952,1050 Neapel 72, 84, 736 f. Nepal 885 Neue Welt 452 New Jersey 508 New York 329, 401,424, 1067, 1108 Nicaragua 27 f., 194, 201-203, 205-207, 422 Niederlande 794 Niederrhein 144 Nigeria 410 Nikaia [Nizäa] 103 f., 183,751,1021 Nikaia-Konstantinopel 1023,1025 1202 Nitra 833 Nizäa siehe: Nikaia Nordirland siehe: Irland Nordrhein-Westfalen 284 Nostra Signora di Valme 902 Notre-Dame d'Atlas (Algerien) 806 f. Nueva Pamplona - Kirchenprovinz 937 Oberkochen 145 Ober-Roden 63 Ölberg 240,671 Österreich 40, 48, 52, 89,103, 167, 172, 282, 343,818 Österreich-Ungarn (Habsburgermonarchie) 75 Okzident 115, 136 Omodei 68 Oran (Algerien) 116 Orient/Osten 72,112,115,136,139, 162,415, 541,560, 563, 624,761, 772 - Kirchen 16 - Vorderer Orient 428 - Mittlerer Osten 250,420, 888 - Naher Osten 60, 246,252, 515, 672, 684 Osma-Soria - Bistum 410 Osten siehe: Orient/Osten Osttimor 422 Ouagadougou 1075, 1082 Paderborn 67, 94 f„ 286, 290, 294, 303 f., 308 - Erzbistum 55, 94, 283, 285, 304 Paderbom-Lippstadt (Flugplatz) 284, 320 Palästina 73, 366, 380, 882 Palermo 708-710,756, 884 Palombara Sabina 8 Pannonhalma (Benediktinerabtei) 132,137-139, 331, 333 f„ 336 f., 339, 354, 356,779 Pannonien 76,273, 335, 339, 376 Papa 489 Paray-le-Mojial 372 Paris 49 f„ 124, 146, 314, 342, 361, 369, 387, 389, 429, 608, 641, 653,765, 813, 885,1060,1067, 1071, 1083,1090,1099,1115 Parma - Ruthenische Eparchie von Pittsburg 678 Passaic - Ruthenische Eparchie von Pittsburg 678 Pazifikküste 200 Peking 400,461, 893 Peru 187 Peten 200 Petersbasilika (Peterskirche) siehe: Rom Petersplatz siehe: Rom Peuerbach (Österreich) 167 Phanar 753 1203 Philippinen 49, 653, 968 f„ 972 f„ 978 Pietrelcina 800 Pieve di Cadore 327 f. Piller 848 Pittsburgh - byzantinische Metropolie 678 Piz Stella 255 Piz Tambö 255 Podlasien (Nordpolen) 802 Poitiers 146 Polen 60, 96,139, 153,157, 316, 335, 344,467,760, 769,772 f. Pontus 850 Popayän - Kirchenprovinz 942 Postojna 76, 267 Prag 139,279,334,813,1114 Pratulin 802 Presov - Eparchie 678, 833 Ptujska Gora - Marienheiligtum 265,276 f. Puebla 935 Quito 1078 Qumran 109 Ravensbrück - Konzentrationslager 95,316 Regensburg - Bistum 86 55,82 Reims 146 f., 357 f„ 382, 386 f„ 391, 393 f„ 429 - Bistum 145, 147, 387, 391 Republik Slowenien siehe: Slowenien Republik Ungarn siehe: Ungarn Rieti 8 Riga 413 Rio de Janeiro 189, 893,1068,1090 Rocca di Papa (Italien) 1083 Rom 8,31,43,49 f., 55 f., 58, 63, 68, 70, 74,76 f„ 79, 99,103, 124, 128,133, 139,142,158 f„ 161,166, 172,177, 179,182,184,190, 223, 253, 272, 282, 287, 291, 324, 334, 356 f., 410,413,416,424, 433-437, 454,464, 466 f., 472-474,477, 480 f„ 483—485,487, 500-506, 508 f., 513, 641, 645, 648 f„ 657, 659, 666-668,673, 678 f„ 704,722, 727-731, 735, 741-743, 745, 749-753, 758,760 f., 763-765, 769,784, 791,799, 805 f., 808, 813, 815, 820, 822, 824, 838 f„ 848-850, 860 f„ 868, 875, 880 f., 884 f„ 887, 889, 896, 899-903, 907, 916, 924, 937, 955, 978 f., 988,1022-1024, 1056 f„ 1059 f., 1069, 1071, 1081,1083, 1088,1093,1133-1135 -Bistum 63,158,160,184,698, 727, 820, 824, 899, 902 - Erzbasilika am Lateran (St. Johann im Lateran) 501,738 - Kirche 837 - Kolosseum 665-667 - Lateran 130, 481, 663,738, 740 - Petersbasilika (Peterskirche) 7, 43, 160,164, 179, 410, 444, 446, 649, 484,488, 710, 760,764, 835, 880, 896, 1019 - Petersplatz 8, 22, 43, 98, 157, 165, 184, 507, 653, 716, 727, 735, 799, 877 1204 - Piazza Santa Maria in Trastevere 805 - Santa Maria Maggiore (Basilika) 740,878 - Santa Sabina 470 - Spanischer Platz 880 - St. Paul vor den Mauern 437 - Via Appia 742 - Via Nomentana 742 Rotes Meer 46 Rovetta (Bergamo) 508 Ruanda 166, 171,423, 516-518, 672, 885, 995,1059 Rulengo (Tanzania) - Bistum 995 Rumänien 343, 978, 982 Rumbek (Kenya) - Bistum 816 Rußland 136 Saarland 314 Sachsenhausen - Konzentrationslager 95,316 Sahara 1095 Sahelzone 1082,1095 Sainte-Anne-d'Auray 147, 357, 365, 367, 369, 375, 378, 388, 394 Saint-Laurent-sur-Sevre 362, 394 146, 360, Saloniki 760 Salvador 422 Salzburg 76,273, 278,765 Samaria - Jakobsbrunnen 391,731 391-393 Sambia 1070 San Salvador 29, 207,209 f., 212, 668 Sankt Petersburg 132 Santa Fe de Antioquia - Kirchenprovinz 942 Santafe de Bogota 1082 Santo Domingo 227, 776, 936, 948 Sarajevo 421,1068,1115 Sastin 833 Schloß Bellevue siehe: Berlin Schunem 755 Schweden 1129 Schweiz 59,116, 147 See Genezareth [von Galiläa] 94, 96, 303 Segou - Bistum 960 Senegal 254 Sharm el Sheik 515 Siedlce - Bistum 153 Siena 232,237,239,241 f. Siena-Colle di Val d'Elsa-Montalcino - Bistum 237, 241 Sierra Leone 423 Singapur 955 f., 959 Sixtinische Kapelle siehe: Vatikan Skopje-Prizren - Bistum 410 Slowakei 343, 833 f. Slowenien 75-77, 263-265, 267, 271, 273, 275-282, 760 1205 Smyrna 99 Somalia 423 Sondrio 68 Sovico 100 Sowjetunion 1069, 1076 Spanien 71 f„ 206,410, 775,1023 Spanischer Platz (Rom) siehe: Rom Splügenpaß 68 Spoleto-Norcia - Erzbistum 410 Sri Lanka 422, 898, 983, 985 f., 987 Stribro 82 Stuttgart 171 Sucres 221 Sudan 528, 672,816,1114 - Südsudan 423, 816 Südkorea 670, 988 Südluzon 968 Susa, Burg 47 Sveta Gora - Marienheiligtum 265, 277 Syrien 115 Szekesfehervär - Bistum 780 Tabor siehe: Berg Täfers 70 Tansania 992,994 f., 997 Tarsus 438 f„ 521 Tartano 256 Tel Aviv 514 Tepeyac-Hügel 450 Thailand 997-1000, 1002, 1078 Thessaloniki 167 Thüringen 314 Tibhirine 156 Tierras Frfas 200 Tirano 68 Tirol 846, 848 - Nordtirol 172 - Südtirol 172 Toledo 1023 Tolosa 718 Tombura-Yambio (Kenya) - Bistum 816 Torit (Kenya) - Bistum 816 Toscana 232, 238 Toul (Nancy) - Bistum 676 Tours 146, 357 f., 375 -379, 394,429 - Erzbistum 145 Treviso 68 - Bistum 325 Trient [Trento] 88,1 91, 288, 535 f„ 565, 686 f. - Erzbistum 686 Trier 674-676 - Bistum 140, 676 f. Trivandrum 1014 Troas 290 Tschechische Republik 82, 343 Tschenstochau (Polen) 770, 773 - Jasna Gora 770, 772-774 1206 Tschernobyl 60,325 Tschetschenien 422 Tunesien 56-58,243-245, 247 f., 251-253, 685 Tunis 56 f., 243, 246-248 - Erzbistum 56, 58 Tunja - Kirchenprovinz 932 Turin 791 Uganda 156 Ukraine 60,153,1068 Ungarn 52, 132, 137-140, 277, 331-333, 335, 337, 339, 343, 346-349, 353-356, 376,779-782 Ural 815 Uruguay 1122 Uzhorod 97, 158, 677-680, 682, 747, 892 Val di Dentro 255 Valdocco 442,656 VanNuys - Ruthenische Eparchie von Pittsburg 678 Vannes - Bistum 145, 367 Vatikan 45, 182, 481, 487 f„ 507, 704, 843, 1067 - Apostolischer Palast (Cappella Paolina) 489 - Lourdesgrotte 744,754 - Sixtinische Kapelle 411 f., 479, 487,489-491 - Vatikanbasilika 172,413, 479-481, 484, 487, 501, 762 - Vatikanische Gärten 745 - Vatikanstaat 1082 - Vatikanstadt 480,482,486 f., 501, 704, 1080 Veltliner Tal 255,256 Vendee 146, 357, 360, 362 Venezuela 27,29, 214 f., 217, 221-224, 227-231, 410 Verdun - Bistum 676 Vietnam 425, 670, 1003, 1005,1008 Vohenstrauß 82 Volksrepublik China siehe: China Vorderer Orient siehe: Orient/Osten Wädenswil 67 Warn (Nigeria) - Bistum 410 Warschau 805, 813 - Erzbistum 344 Washington 1078, 1080, 1088 Wattens 848 Weikersdorf 74 Westen 761, 772 Wien 67,279, 893 Würzburg 117 - Bistum 116 Wuppertal 74 Yaounde 668 Yokohama 893 Zaire 160, 1008 f„ 1011-1013, 1067,1070 - Ost-Zaire 171,178 Zakarpatia 410 1207 Zambia Zaytouna - Universität Zentralamerika siehe: Amerika Zimbabwe Zunja — Kirchenprovinz Zypern 1067 253 57 885 932 422, 898,1024 1208 Bibelstellen Das Buch Genesis 1,1 267 1,12 325 1,26 44 1,27 317 1,28 108 2,2-3 327 3,9 674 3,15 19 f., 80, 879 4,1 37 4,9 674 4,9-12 1097 4,10 1058 9,5 79 14,18 826 15,6 38 17,1-2 38 17,4 38 17,15-21 102 17,16 38 17,17 38 18,10-14 102 18,14 38 30,1-2 39 30,22 102 30,22-23 39 Das Buch Exodus 3,7 318 15,20-21 46 34,6 736 Das Buch Levitikus 19,2 348 25,10 1096 Das Buch Numeri 6,26 407 Das Buch Deuteronomium 6,5 603 8,2.3.16 739 8,3 813 Das Buch der Richter 5,24 46 11,34-40 54 13,1-7 102 13,3 39 16,4-21 54 Das erste Buch Samuel 1,11 39 1,11-20 102 1,19-20 39 1,27-28 39 2,1 39 25 48 Das zweite Buch Samuel 7,13-14 24 Das erste Buch der Könige 11,1-8 54 18,13 54 21 54 Das Buch Judit 9,7 f. 806 13,7 46 15,9 214, 216 15,9-10 47 Das Buch Ester 4,17 134 1209 Das zweite Buch der Makkabäer 7,20-23 55 7,28-29 55 Das Buch Ijob 2,9 54 Die Psalmen 22,1.2-3 527 22,2 528 22/23,1 847 23.1 339 23.1- 3.5 698 23.4 698 24.1- 2 819 24.4 819 24,7-8.10 444 34.2.4 752 42.4 828 43.4 828 45/44,3 550 47.2 275 51/50,5-6 535 51,3-13 471 65.1- 3 719 65,20 718 66/67,2-3 407 66/67,5 407 72,7 209 77/78,7 312 85/84,11 361 88/89,6 366 89.2 821 96.1- 2 895 98.3 896 110.1 151 110/111,10 407 115.1 523 115,15 857 116,13 835 117/118,26 652 118.22 671 118.23 672 118,24 267 119/118,165 622 127,1 814,1015 132/133,1 344 144,15 332 144/145,10-11 882 Das Buch der Sprichwörtei 18,22 54 31,10 54 31,30 55 Das Hohelied 6,3 63 Das Buch der Weisheit 10,10 40 Das Buch Jesus Sirach 3,3-7 204 3,14.16 204 24,12 215 Das Buch Jesaja 5,1-7 801 5,7 802 7,10-14 23 7,13-14 23 7,14 22,24, 102 9,1 894 9,1.5 213 9,2 895 9,5 24,894 9,6 213 35,4 406 41,13-14 882 41,17-18 882 42,6 181 45,8 882 49,6 181 50,6 195 50,7-9 196 52,7 150 1210 52,13-53,12 185 53,5 185 53,6 471 53,10 185 54,1 66 54,5.7-8 62 60,1.3-4 411 61,1 661, 836 61,2 1002 62,4-5 62 62,11-12 62 Das Buch Jeremia 3,15 991 3,20 61 20,7 553 20,10 310 20,11 310 20,13 310 31,1—4 62 Das Buch Ezechiel 11,17 225 11,19 225 11,19-20 225 16,60 62 34,16 847 36,24-27 383 36,25-27 1106 Das Buch Daniel 7,14 134 Das Buch Hosea 1,6.9 61 2,4 61 2,9 61 2,16 61 2,18.21-22 62 2,25 62 6,3 744 6,4 744 Das Buch Joel 2,12 470 2,13 471 2,21.27 66 Das Buch Micha 5,1-2 24 Das Buch Zefanja 3,14 65 3,15 65 3,16 65 3,17 65 Das Buch Haggai 2,4-5 1108 Das Buch Sacharja 9,9-10 66 Das Buch Maleachi 3,1 444 Das Evangelium nach Matthäus 1,5 54 1,20 105, 127, 241 1,21 127 1,22-23 23 1,23 105 2,2 409 3,37-38 676 4,4 33,41 4,19 520 5,3 208, 865 5,5 208 5,7 381 5,9 211 5,10 208 5,12 208 5,13 295, 370 5,13.14 383 5,13-14 370, 929 1211 5,14 444, 687, 787 5,16 370 5,43-44 212 5,44 1116,1132 5,45 212, 458 5,48 348 6,10 560 6,21 559 6,33 560 8,20 1103 8,25-26 303 8,27 303 9,9 520 9,38 696 10,27 346 10,28 309 10,32 309 10,40 755 10,41 755 11,11 882 11,12 882 12,28 1027 14,16 468 16,13 193 16,16 97,193,244,256,751 16,17 751 16,18 750, 868 16,18-19 751 17,1-9 549 17,4 549, 562, 572, 608, 766 17,5 551 f. 17,6 567 17,7 572 17,22-23 521 18,6 405 18,20 691, 887 18,22 574 19,4-5 1031 19,6 1046 20,12 379 20,28 237, 607 21,9 237 21,10 237 21,35 802 21,42 802 22,21 302 23,8 592 25,21 525 25,32-33 376 25,34 376, 846 f. 25,34-36 846 25,35 798, 838 25,35-36 642 25,36 376, 865 25,37-38 376 25,40 376,381,615, 746, 844, 846 25,41 ff. 1102 26,39 826 26,48 537 27,3-4 537 27,45 670 27,54 672 28,1 53,131 28,5-6 670 28,10 53 28,19 695, 714, 760,776 28,19-20 363, 365, 868 Das Evangelium nach Markus 1,15 470, 983,1105 1,17 520 2,14 520 3,11 106 8,34 653 8,35 733 9,7 412 10,11-12 1052 10,14-15 405 10,33-34 51 10,45 134 15,34.37 193 15,39 193 16,03 673 16,06 671 16,15 437,760 16,15-16 437 1212 Das Evangelium nach Lukas 1,6 1,18.34 1,27 70, 1,28 109, 1,31 1,32 1,35 102, 1,38 133, 135,169, 1,39 134, 1.40 1.41 1,41—42 1.42 1.43 1.44 1.45 100,151,163,201, 1.46 1.46- 47.49 1,46^19 1.47 1.47- 48 721, 1.48 1.48- 50 1.49 1.49- 50 1,51-53 1,54-55 1,56 1,75 2,4 13,163, 214, 2,7 131,169, 2,8-12 2,10 2,10-11 2,11 2.14 2.15 2.16 2,17 170, 2,19 170, 2,21 2,22 180, 2,22-24 180 2,25 180 2,26 181 2,27 181 2,29 181 2,30-32 181 2,32 184 f„ 444 2,33 181 2,34 446,773 2,34-35 185 2,35 446 2,38 185 2,48 92 2,49 92 2,51 149 3,29-32 445 4,1 1027 4,14 1027 4,18 382,450 4,18 f. 768 4,18-19 457 4,20 460 5,4.10 529 5,8.10 521 5,27 520 5,31-32 347 6,19 187,453 8,21 92 9,23 733 9,31 556, 572 9,47-48 405 9,58 169 10,2 266, 958 10,9 1001 11,13 272 11,28 93, 143, 623 12,32 924, 956 12,37-38 522 17,10 525 18,13-14 534 19,10 450 21,08 644 21,19 937 1213 22,15-16 835 22,19 835 22,20 835 22,31-32 837 22,32 274 22,42 196 23,46 196,1027 24,24 671 24,36 668, 944 24,49 937 Das Evangelium nach Johannes 1,1.3 879 1,1-5 897 1,4 341,670 1,5 669 f. 1,9 1003 1,10 897 1,11 169 1,12 897 1,13.12 412 1,14 113, 188,641 1,14.12 901 1,14.16.12 215 1,16 952 1,18 113 1,23 183 1,32 1019 1,38-39 50,361, 641 1,39 597 1,43 520 1,46 70 2,1-2 201 2,4 92 2,5 223 2,11 204 2,16 341 2,25 646 3,5 383 3,16 292, 666, 735 f. 3,17 735 4,7 301 4,9 391 1214 4,10 391 4,13-14 391 4,19 392 4,20 392 4,21.23-24 392 4,29 393 4,34 135 4,42 393 6,47 341 6,54 86,645 6,55 826 6,56.54.57 739 6,65 646 6,67 645 f. 6,67-68 643 6,68 54, 241, 256, 641, 645, 647 f., 665 7,49 798 8,12 183, 267, 393 8,31-34 535 8,56 745 9,3 527 9,7 527 9,16 529 9,39 530 10,10 456 10,11 338 f„ 697 f., 845 10,14 698 10,14-15 341 10,16 339 10,36 555, 604 11,25 341 11,28 522 12,03 635 12,07 635 13,01 664, 667, 944 13,34 642 13,35 168 14,06 14,183,194,414, 455, 984, 999 14,15 716 14,20 716 14,21 717 14,23 716 14,26 641, 975 14,30 919 15,05 803 15,16 663, 938 15,20 733 15,26 1019, 1022 16,13 290,1016 16,15 1023 16,23 187 16,23-24.26-27 272 16,27 641 16,28 272 16,33 817 17,14 226 17,18 224 17,18-19.17 226 17,20-21 676 17,21 294,437, 539, 747, 764, 986, 1010,1137 17,21.23 763 18,33 393 18,36 393 18,37 393 19,15 671 19,23 675 19,26 561 19,26 f. 131 19,27 561 19,30 196 20,19 243, 269 20,19-20 944 20,19-21 708 20,20 727 20,21 244, 695 20,21-22 727 f. 20,28 173, 244, 268 20,29 244, 268 21,15-17 890 21,17 923 21,19 520 Die Apostelgeschichte 1,2 1027 1,8 712, 731,924 1,11 728 1,14 263,770 2,11 728 2,24 458 2,32 59 2,42 244, 684 2,44 981 2,47 245, 684 3,6 1006 3,15 671 4,12 187, 750, 752 4,32 168, 555, 574, 945 9,15-16 439 9,21 439 10,34-35 796 10,38 555, 616 10,40 671 12,2-3 749 12,4 749 12,11 749 13,52 577 15,28 288 15,31 547 16,9 290 16,10 290 20,28 947 22,06-8 438 22,08 438 22,10 438 22,14-16 438 Der Brief an die Römer U 274 1,4 1027 1,7 414, 973 1,8-9 677 1,11-12 641 1,16 274, 989 1,25 183 5,3-5 942 1215 5,5 5.10 5.12 5,12.18 5.15 5,20 6.11 8,9 8.15 8,19 8.19.21 8,23 8,25 8,28 8,29 8,37 10.12 10,14-15 10,17 11,33-35 12,1 12,2 12,4 12,14 12.21 15,5-6 15,6 554, 1026 516 312 81 312 81 755 1026 1019 895 1098 45 877 206 114, 362, 364,592 978 975 974 712 335 336 336 f„ 626 938 1116,1132 1116 1016 682 Der erste Brief an die Korinther 1.9 1,17 1,26 2,16 3.9 3,11 3,16 4.1 5,6 5,7-8 6,15.19.20 6,19 7,31 8.1 266 925, 935 525, 694 825 1001 274 446 996 986 988 863 12 559 982 9,16 10,17 11.23- 25 11,25 12.7 12,11 12,31 13.8 13.13 15.14 15,21-22 15,24.28 15.24- 26 297, 789 86, 870 664 521 600 970 578 1028 578 59 845 590 845 Der zweite Brief an die Korinther 1,2 911,916 1,3 923 1,34 718 4,15 776 5,14 381,610 5,20 33, 234, 983 5,21 81,471 6,16 964 8,2 418 8,9 419, 554, 556,1107 8,15 419 11,28 937 13,11.12 738 13,13 738 Der Brief an die Galater 1,11 2.5 2.9 2,20 3.27 3.28 4,4 4.4- 5 4.4- 7 4.6 5,13 6.10 6,18 274 280, 312 986 377 178, 675,776 931,951 11,214, 901,983, 1027 11,106,406, 864, 900 f. 215 406,1019,1027 982 959 968 1216 Der Brief an die Epheser 1,3 875 1,3-4 879 1,10 71, 875 2,4 11,680 2,14 408,1002 2,19 988 2,21 992 3,8 732 3,17-19 675 3,20.21 889 4,1 384 4,1-2 764 4,1-3 304 4,1-6 871 4,3 305, 384, 680,764, 924 4,3-4 308 4,4 305, 456, 764 4,4-6 305 4,5 383 4,5-6 384 4,12 953 4,13 969 4,15 871 4,20-21 877 4,21-24 341 5,14 528 5,21 ff. 1054 5,27 553 Der Brief an die Philipper 1,2 377 1,3 988 1,6 294 1,21 97, 549 1,21-24 378 2,7 336,611 2,7-8 556 2,8 52, 336, 750, 826 2,10 187 2,11 240 3,8 552 3,8.10 624 3,12 731 3,20 560 4,1 200 4,8-9 802 4,9 804 Der Brief an die Kolosser 1,14 1026 1,15 552, 864 1,15.18 661 1,24 154, 558 1,27 794 2,3 425 3,3 622 3,12-15 203 3,15 204 3,16 202 3,16-17 203 3,18 203 3,19 203 3,20 203 3,21 203 Der erste Brief an die Thessalonicher 1,2-3 817 2,16-17 964 4,13 340 5,21 1040 Der zweite Brief an die Thessalonicher 2,13 1014 Der erste Brief an Timotheus 1,2 955 1,15 274 2,4 948 2,5 824, 998 3,15 577 4,12-15 348 4,16 975 5,22 996 6,11-12 348 1217 Der zweite Brief an Timotheus 13,16 858 1,7 924 13,20-21 858 3,16 625 3,17 993 Der Brief des Jakobus 4,2 378,912, 1136 1,17 887 4,3-4 646 3,15 212 4,6-8 750 3,17 212 4,18 749 3,18 210 4,1 210 Der Brief an Titus 2,11 408, 895 Der erste Brief des Petrus 3,4 408 1,2 754 1,3 850, 952 Der Brief an Philemon 1,3-4 245 16 659 1,8.5 245 1,15 1006 Der Brief an die Hebräer 1,18-19 339 1,1-2 897 2,3 269 2,14-15 445 2,4 270 2,17-18 445 2,5 270, 662, 692, 919 4,2 823 2,9 270,776 4,12 345 2,10 693 4,14 969 2,24.21 698 4,15 952 3,15 717 5,1 827 3,19 1027 5,2 828 5,1—4 837 5,3 828 5,3 993 5,4 518 5,4 969 5,5 195, 825 5,5-9 837 5,5-6 518 5,8 919 5,6 195, 825 5,14 968 5,7 825 f. 5,7-8 826 Der zweite Brief des Petrus 5,7-9 196 1,10 275 5,9 826 1,19 766, 889 9,11-12 519 9,14 519, 1027 Der erste Brief des Johannes 10,5-7 135 1,1-3 1007 11,1 366 3,1 820 11,10 366 3,2 A Q 821 11,13 366 4,0 4,16 lllj J 537 13,8 352, 675, 754, 857, 872 4,20 516 13,14 560 5,4 298 1218 Der dritte Brief des Johannes 8 312 Die Offenbarung des Johannes 1,5-6 662 1,6 519 1,8 439, 735 3,17 15 3,20 15,18 3,22 14 7,9-12 820 7,14 820 11,19 123 12,01 81,121,197 f, 12,10 198 12,11 199 19,07 968 20,04 847 21,01 225, 560 21,02 81,226 21,03 577 21,03-1 226 21,04 560 21,5 81, 807 21,5-7 226 22,20 560